«Der Rollen- wechsel war für mich
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«Der Rollen- wechsel war für mich
Seit Sommer 2015 ist Cyril Zimmermann der Chef der besten Schweizer Schiedsrichter. Im Interview spricht er über Distanz, Medienarbeit, Beförderungen, FIFA-Schiedsrichter und Videobeweis. Interview: Daniel Schaub «Der Rollenwechsel war für mich kein Problem» 48 nationalteam «rotweiss»: Cyril Zimmermann, seit einem halben Jahr leiten Sie das Ressort Spitzenschiedsrichter beim SFV und sind damit verantwortlich für die besten Refs im Lande. Was hat Sie in dieser neuen Funktion bewegt oder vielleicht sogar überrascht? Cyril Zimmermann: Ich wurde ein Stück weit ins kalte Wasser geworfen, es ging sehr bald los mit der Meister schaft und ich spürte, dass das Geschäft sehr schnellebig und unberechenbar ist. Man muss immer mit allem rechnen. Speziell war das Verhältnis mit den Me dien, von denen man sehr lange nichts hört, was ja an sich gut ist, dann aber bei speziellen Ereignissen sehr kom pakt sehr viel. Ich habe in diesem Be reich einige Erfahrungen gesammelt und gelernt, wie man mit gewissen Si tuationen umgehen muss. Die mediale Aufbereitung beschränkt sich oft auf Fehlentscheidungen. Es wird geurteilt – was aber geschieht nach einem solchen Ereignis intern? Bevor ich mit den Medien über eine Leistung spreche, kontaktiere ich im mer den Schiedsrichter selbst. Ich möchte seine Gefühlslage spüren und auch wissen, wie er die kommenden Wochen sieht. Es entspricht nicht unse rer Philosophie, einen Schiedsrichter aufgrund eines Einzelereignisses sofort zu sperren. Aber die Öffentlichkeit will oft schnell wissen, was mit dem «Schul digen» passiert. Jeder Schiedsrichter ist hier individuell. Der eine ist ganz froh um eine Pause, der andere möchte mög lichst schnell wieder einen Einsatz leis ten, weil das für ihn die beste Medizin ist, einen Fehler wettzumachen, selbst wenn es das Risiko beinhaltet, durch weitere Fehler zusätzlich verunsichert zu werden. Der Schiedsrichter kann ein Stück weit selbst entscheiden, welche Lösung er bevorzugt. Sie selbst waren ja bis Ende 2012 selbst Spitzenschiedsrichter. Wie bewältigen Sie den Rollenwechsel vom Beurteilten zum Beurteiler? Ich hatte wenig Probleme mit diesem Rollenwechsel. Mein Rücktritt als akti ver Schiedsrichter war damals von län gerer Hand geplant, seit 2013 amtierte ich auch schon als Inspizient und konn te so in diese Beurteilungsrolle hin einwachsen. Natürlich ist das mit der jetzigen Gesamtverantwortung noch einmal zusätzlich gewachsen. In diese Rolle musste ich hineinwachsen, und ich war anfänglich durchaus in der Si tuation, zu nahe an den Aktiven zu sein und zu stark auf deren Wünsche einzu gehen. Ich habe aber schnell gespürt, dass ich mich da etwas rausnehmen muss. Wir bewegen uns immer noch im freundschaftlichen Rahmen auf Augen höhe, doch ich habe nun auch etwas mehr Distanz geschaffen. Cyril Zimmermann Der 40-jährige Cyril Zimmermann wurde 2007 neuer FIFA-Schiedsrichter für die Schweiz. Damals bewegte er sich im Kreis von Massimo Busacca, Carlo Bertolini, Claudio Circhetta, Markus Nobs, Guido Wildhaber, Jérôme Lapperrière, René Rogalla und Sascha Kever. Keiner dieser ehemaligen internationalen Schweizer Schiedsrichter ist heute mehr aktiv. Zimmermann pfiff einige in- Gibt es eine Thematik, an der sich diese Situation besonders akzentuiert hat? Sicherlich in der Zuteilung der Spiele und in der Zusammensetzung der ein zelnen Schiedsrichterteams. Da gingen wir am Anfang sehr stark auf die Wün sche der einzelnen Personen ein, doch das hat sich nicht wirklich bewährt, weil man es ohnehin nie allen recht machen kann. Nun entscheiden wir und die Schiedsrichter akzeptieren es so. ternationale Partien, darunter als Höhepunkte auch die Länderspiele zwischen Frankreich und Uruguay 2008 und zwischen Spanien und Serbien in der EM-Vorbereitung 2012. Am Ende jenen Jahres beendete er seine aktive Karriere und ist seit Sommer 2015 als Nachfolger von Carlo Bertolini im Nebenberuf Chef der Schweizer Spitzenschiedsrichter. Haupt beruflich ist er im Finanzsektor einer Berner Bank tätig. Das Jahresende war auch die Zeit der neuen Qualifikationen für die Spitzenschiedsrichter, auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene. Bei den FIFA-Schiedsrichtern haben insbesondere Adrien Jaccottet und Stephan Klossner auf eine Beförderung gehofft. Waren Sie enttäuscht, dass es nun wieder kein Schweizer Ref in die UEFAGruppe-1 geschafft hat? Ich hatte meine Vorstellungen – und die haben sich dann bewahrheitet. Man muss realistisch sein und auch beach ten, was ausserhalb der Schweiz läuft. Bei Stephan Klossner stimmten die Leis tungen auf internationaler Ebene, aber es gibt auch andere Aspekte, die die UEFA berücksichtigt. Bei Adrien Jaccot tet war die Leistung nicht so, dass es zu einer Beförderung gereicht hätte. Wir müssen das so akzeptieren und darauf hinarbeiten, dass es dieses Jahr besser laufen kann. Wir haben ja mit Sandro 49 Schiedsrichter Schärer nun einen weiteren Mann in der Gruppe 2, diese Aufwertung hatte ich erwartet, und wir können nun mit drei Kandidaten auf gleicher Höhe dar auf hoffen, dass es Ende Jahr dem einen oder anderen Schiedsrichter reichen wird. Die Schweiz muss warten Mit Adrien Jaccottet und Stephan Klossner haben zwei Schweizer FIFA-Schiedsrichter am Ende des Jahres auf eine Beförderung in die erste Klasse der UEFA gehofft. Doch auf der Mutationsliste, die kurz vor Weihnachten erschien, gab es keine Bescherung. Klossner und Jaccottet verbleiben in der Gruppe 2, der neu auch Sandro Schärer angehört, der als einziger Schweizer eine Stufe nach oben kletterte im engen internationalen Feld. Neu in den Kreis der FIFA-Schiedsrichter ist aus der Schweiz Fedayi San aufgerückt, er wird automatisch in die Gruppe 3 eingeteilt. Er übernimmt damit die Nachfolge des zurückgetretenen Stéphane Studer. Weitere aktuelle Schweizer Gibt es da eine Hierarchie, forcieren Sie einen Schiedsrichter besonders in dieser Hinsicht? Unsere Möglichkeiten sind beschränkt. Wir werden sicher allen drei Refs auf nationaler Ebene die Möglichkeiten ge ben, aber was die UEFA mit ihren Auf geboten macht, darauf haben wir kei nen Einfluss. Wir müssen bei der FIFA jedes Jahr eine Rangliste unserer sieben FIFA-Schiedsrichter einreichen, doch die Aussagekraft erachte ich als gering. Die Differenzen zwischen den drei Schiedsrichtern sind aus meiner Sicht auch zu gering. Wie sehen denn die Perspektiven generell aus – wann wird die Schweiz wieder einmal in die oberste Elite der internationalen Schiedsrichter aufsteigen können? Wenn wir die jüngere Vergangenheit in Betracht ziehen, hatten wir mit Massi mo Busacca und Urs Meier zwei Schieds richter, die von ihrer beruflichen Situa tion her unglaublich grosse Freiheiten hatten, um sich auf die Schiedsrichterei zu fokussieren. Diese Möglichkeiten gibt es derzeit vielleicht bei Adrien Jac cottet, der nur 30 Prozent arbeitet. Die neue Organisationsform, die wir im Schweizer Schiedsrichterwesen seit ei niger Zeit haben, gibt mir jedoch Hoff nung, aber es ist klar, dass das Zeit braucht. Für die WM 2018 wird es kaum reichen, für die EURO 2020 könnten wir im besten Fall einen Mann am Start ha ben, doch meine Hoffnung bezieht sich vor allem auf die WM 2022 in Katar. FIFA-Schiedsrichter sind Sascha Amhof, Alain Bieri und Nikolaj Hänni sowie bei den Frauen Esther Staubli, Simona Ghisletta, Désirée Grundbacher und Sandra Strub. Neuer FIFA-Assistent ist Marco Zürcher. Beförderungen bei den Schiedsrichtern gab es auch auf nationaler Ebene. Definitiv für die Super League eingeteilt wird ab der Rückrunde Urs Schnyder, definitiv in der Challenge League pfeifen Alessandro Dudic und David Schärli. Die Organisationsform, die Sie ansprechen, bindet einerseits ehemalige Spitzenschiedsrichter wie Sie, Patrick Graf oder Bruno Grossen in die entscheidenden Gremien ein, sieht aber auch Anstellungsverhältnisse für aktive Schiedsrichter vor, wie etwa die Halb tagespensen von Alain Bieri und Sascha Amhof. Wie wichtig ist das? Als man das damals entschied, wollte man Schiedsrichtern mit Potenzial die Möglichkeit geben, sich beruflich zu entlasten. Nun haben wir die Situation, dass sich die Einschätzung dieses Poten 50 Schiedsrichter zials verschoben hat. Es wird auch in der Technischen Kommission disku tiert, wie man mit dieser Situation um gehen will. Auch Sandro Schärer und Stephan Klossner haben ihre Pensen reduziert, über das hinaus sehen Sie aber – Stichwort «Profi-Schiedsrichter» – keine Möglichkeiten? Das Profitum in der Schweiz ist für mich ein eigentliches No-Go. Selbst wenn wir es finanziell möglich machen könnten, werden sich nicht genügend Schiedsrichter finden, die sich darauf einlassen würden. Urs Meier hatte das schon vergeblich versucht, es entspricht nicht der Schweizer Realität. In Spanien ist das anders, in England auch, in Deutschland müssten viele Refs auf grund der Höhe der Entschädigungen eigentlich nicht mehr arbeiten. Aber bei uns sehe ich das nicht. Das Profitum bei den Schweizer Schiedsrichtern ist für mich ein No-Go. Cyril Zimmermann Mit Urs Schnyder wurde ein Schiedsrichter neu ins zehnköpfige Kader der Schweizer Super-League-Schiedsrichter aufgenommen. Was gibt es zu seiner Person zu sagen? Er wurde verschiedentlich in der höchs ten Liga getestet und bringt das grösste Entwicklungspotenzial mit. Mit ihm können wir in den nächsten Jahren weiterplanen, diese Perspektive hatten seine drei Konkurrenten weniger. Wir wollten im Super-League-Kader einzig Sacha Kever ersetzen, es geht darum, die nationale Spitze nicht aufzublähen, damit alle zu vielen Einsätzen kommen und sich entwickeln können. Schnyder studiert Sportmedizin und ist ein Schiedsrichter, der auch international werden kann. Sie selbst sind vom SFV ebenfalls mit einer Teilzeitanstellung und einem Zweijahresvertrag ausgestattet worden, sind aber auch in Ihrem angestammten Beruf im Finanzsektor noch stark ein gebunden. Wie kombinieren Sie diese beiden Tätigkeiten? Manchmal sind es spezielle Herausfor derungen, weil sowohl im Finanz- wie auch im Fussballbereich eine gewisse Unberechenbarkeit herrscht. Ich habe mein Pensum auf der Bank, das sich stark im Kundengeschäft abspielt, redu ziert und versuche mich so zu organi sieren, dass es geht. Sie hatten sich vor einiger Zeit für die Einführung eines Videobeweises im Fussball ausgesprochen. Können Sie das etwas präzisieren? Die Torlinientechnologie, die von der FIFA oder in England und Deutschland eingesetzt wird, ist sehr kostenintensiv, hat aber gleichzeitig relativ geringen Nutzen. Dass man das bei grossen Tur nieren einsetzt, scheint mir vernünftig, aber in ganzen Meisterschaften scheint mir die Effizienz nicht gegeben. Fuss ballspiele werden im Strafraum ent schieden, und dort spielen sich auch die meisten strittigen Entscheidungen der Schiedsrichter ab. Nun kann man sagen, Fehlentscheidungen seien menschlich, man könnte aber auch sagen, dass jedes Team maximal zweimal pro Partie die Möglichkeit hat, einen Entscheid noch mals am Bildschirm zu begutachten. Die Hoheit soll bei den Mannschaften liegen, nicht beim Schiedsrichter. Ich habe zuletzt ein Eishockeyspiel in Bern verfolgt, wo die Schiedsrichter die Videokontrolle zum Exzess getrieben haben. Das ist dann nervig, was man sofort im Publikum spürt. Aber eine beschränkte Anzahl Wiederbegutach tungen auf Initiative der Captains wäre kein Problem. Das ist ein Denkansatz, aber wir werden von uns aus in dieser Sache sicher nicht vorpreschen. 51 Schiedsrichter Nun geht es für die Schweizer Schiedsrichter traditionell nach Gran Canaria. Ist das Trainingslager noch zeitgemäss? Wir sind zum 28. Mal da. Es gab vor einigen Jahren mal Diskussionen, ob wir etwas verändern wollen, aber es entspricht vor allem dem Wunsch der Schiedsrichter selbst, diese Trainings woche aufrechtzuerhalten. Seither wird das nicht mehr infrage gestellt – und es bringt ja kurz vor dem Rückrundenbe ginn auch etwas.