Der zwölfte Mann - DBB Beamtenbund und Tarifunion
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Der zwölfte Mann - DBB Beamtenbund und Tarifunion
6 dbb magazin Juni 2006 - 57. Jahrgang Öffentlicher Dienst und Fußball-WM: Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Der zwölfte Mann Seite 4 > Interview: Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung Seite 6 > Tarifpolitik: Einigung in Potsdam dbb > aktuell Mit der Tarifeinigung von Potsdam haben die dbb tarifunion und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nach über drei Monaten Arbeitskampf am 19. Mai 2006 einen tragfähigen Kompromiss gefunden. Neben notwendigen Zugeständnissen, wie beim Thema Sonderzahlungen, konnten im Gegenzug wichtige Erfolge erzielt werden, unter anderem bei der linearen Gehaltserhöhung von 2,9 Prozent für 2008, beim Fortbestand der Un- > In dieser Ausgabe > > > > 4 > > > > 11 > > > 14 > Geschafft: Willi Russ, Frank Stöhr (dbb), Dr. Horst Metz, Hartmut Möllring (TdL) sowie Christian Zahn und Frank Bsirske (ver.di) treten vor die Presse. kündbarkeit oder bei der weiterhin niedrigeren Arbeitszeit für Beschäftigte mit besonders hoher Arbeitsbelastung. Und ein Weiteres: Der Flächentarifvertrag bleibt erhalten. Für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gelten wieder einheitliche Tarifverträge. Die in Potsdam vereinbarten Regelungen müssen jetzt auch für die Landesbeamten zum Tragen kommen. Das betrifft insbesondere die Übernahme der Vereinbarung zur Sonderzahlung und die Anpassung der Arbeitszeit der Beamten an die der Tarifbeschäftigten. Ferner muss auch für Beamte gelten, was in Sachen Einmalzahlungen und Übertragung der linearen Einkommenserhöhung von 2,9 Prozent für 2008 für die Tarifbeschäftigten vereinbart wurde. Die Potsdamer Beschlüsse weisen einen guten Weg. Die Länderarbeitgeber sind gut beraten, diesen nun auch für die Beamten zu öffnen. > > > 20 > > fokus Report: Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz (BGIA): Auf Biegen und Brechen 14–17 Mittagsgespräch: Hans-Jürgen Bieneck, Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 18–19 Die andere Meinung: Tarifkonflikt: ... leidet der Dritte 20 dbb akademie 22–23 dbb frauen: Sitzung der Hauptversammlung der dbb Bundesfrauenvertretung 24 spezial 26–28 > dbb jugend: Kleiderordnung im öffentlichen Dienst 30–31 > Europa: Europas Einigungsprozess kommt wieder in Gang 32–33 26 > > 32 > > > 47 Interview mit Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung 4–5 Tarifabschluss mit der TdL 6–8 Föderalismusreform: Das hat Deutschland nicht verdient! 9 Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz 10 Pensionsgrenze: Freiwillige Längerarbeit honorieren 11 dbb Frühjahrssitzung 12 Sonderzahlungen: Befristung der Halbierung nicht aufheben 13 Fußball-Weltmeisterschaft 2006: „Der 12. Mann“: Deutschlands öffentlicher Dienst Impressum: Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Friedrichstr. 169/170, 10117 Berlin, (0 30) 40 81-40, Fax (0 30) 40 81-55 98. Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected] Chefredakteur: Dr. Walter Schmitz (sm); Redaktion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br). Mitarbeiter dieser Ausgabe: Jens Hoffmann (jh), Thomas Herzberg (hz), Cornelia Krüger (cok), Britta Müller (bm), Sibylle Scholz (sch), Dr. Alexander Schrader (as). Redaktionsschluss am 10. jeden Monats. Namensbeiträge stellen in jedem Falle nur die Meinung des Verfassers dar. Gestaltung: Marian-Andreas Neugebauer. Fotos: Brenner, fotolia, MEV, Project Photos, Windmüller. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift für Beamte, Angestellte und Arbeiter erscheint zehnmal im Jahr. Für Mitglieder ist der Verkaufspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Der Abonnementpreis für Nichtmitglieder des dbb beträgt jährlich 29,90 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer. 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Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff. ISSN 0941-8156 aktuell > > Fußball-Patente: Wer hat’s erfunden? Glosse: Alles für die Fans 38 39 finale Brennpunkt: Nichtraucherschutz im öffentlichen Dienst Senioren dbb Mitgliedsgewerkschaften Kulisse: Heiliger Rasen 40–41 43 43–46 47 > dbb magazin | Juni 2006 3 editorial Landesbeamte gleichstellen dbb > aktuell > dbb magazin Bei der Vorstellung des aktuellen Drogen- und Suchtberichtes Anfang Mai haben Sie die Eindämmung des Suchtverhaltens in der Bevölkerung als eine der wichtigsten politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen bezeichnet, mit der unser Land sich auch weiterhin ernsthaft beschäftigen muss. Welche Maßnahmen halten Sie für unbedingt erforderlich, um der zunehmenden Tabak-, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit sinnvoll begegnen zu können? > interview 4 Bätzing Wir brauchen auf jeden Fall ein ganzes Bündel unterschiedlicher Maßnahmen, um den Konsum dieser so genannten „Volksdrogen“ – Tabak, Alkohol, Medikamente – wirksam einzudämmen. Mit isolierten Maßnahmen kommt man nicht weit. Auch die Vergangenheit Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung Es liegt noch vieles im Argen... hat gezeigt, dass ein „policy mix“, also eine Mischung von strukturellen, gesetzlichen und präventiven Maßnahmen am ehesten zu einer erfolgreichen Drogen- und Suchtpolitik führt. Als Beispiel sei hier der Rückgang der Raucherquote bei den 12- bis 17-jährigen Jugendlichen von 28 Prozent im Jahr 2001 auf 20 Prozent im Jahr 2005 genannt. Dieser Erfolg konnte erreicht werden, weil die Tabaksteuererhöhung, das Abgabeverbot von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sowie der Verkauf von Kleinstpackungen, den so genannten „Kiddy Packs“, von einer zielgruppengerechten und breit angelegten Präventionskampagne begleitet wurde. Dazu kam noch die Diskussion um Raucherverbote an Schulen. Nur so konnten wir eine Trendwende erreichen: Rau- > dbb magazin | Juni 2006 chen wird zunehmend „uncool“ bei den Kids. Allgemein halte ich es für entscheidend, dass sich das Bewusstsein der Menschen im Umgang mit den legalen Suchtstoffen ändert. Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko, über 110 000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an einer tabakbedingten Krankheit. Das Wissen um die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens muss stärker diskutiert werden. Das Gleiche gilt für den Alkoholkonsum, der jedes Jahr mindestens 40 000 Menschen das Leben kostet. Wir müssen diese Risiken stärker in das öffentliche Bewusstsein bringen. Prävention ist und bleibt der Drehund Angelpunkt einer erfolgreichen Drogen- und Suchtpolitik und ich habe deshalb hier auch einen Schwerpunkt meiner Arbeit gelegt. > dbb magazin Sorge bereitet Ihnen auch der steigende Konsum illegaler Drogen bei Jugendlichen, wobei hier insbesondere Cannabis die Liste anzuführen scheint. Wie sehen ihre Vorschläge zu einer verbesserten Aufklärung für junge Leute aus und welche Hilfsangebote könnten für schon Drogensüchtige bereit gestellt werden?“ > Bätzing Wir haben bei den illegalen Drogen gegenläufige Entwicklungen zu verzeichnen. Während der Konsum von Heroin in den letzten Jahren nicht weiter angestiegen ist, ist die Zahl der Todesfälle infolge des Konsums von Opiaten kontinuierlich zurückgegangen. Auch die Anzahl der polizeilich auffälligen Erstkonsumenten von Heroin sinkt. Allerdings steigt seit circa zehn Jahren der Cannabiskonsum unter Jugendlichen. Das ist übrigens eine Entwicklung, die sich in fast ganz Europa zu beobachten ist. Das Einstiegsalter beim Cannabiskonsum ist gesunken, es liegt jetzt bei knapp über 16 Jahren. Über 400 000 Menschen in Deutschland haben ernste gesundheitliche Probleme infolge ihres Cannabiskonsums. Auch hier rege ich eine Risikodebatte an. Cannabis ist kein harmloses Küchenkraut, sondern der Konsum kann mit ernsthaften gesundheitlichen Risiken verbunden sein. Das Bundesministerium für Gesundheit hat eine ganze Reihe von Projekten auf den Weg gebracht, um die Prävention, aber auch die Frühintervention bei Cannabis konsumierenden Jugendlichen zu verbessern. Im Internet kann man an der indi- > dbb > aktuell > dbb magazin Stichwort Alkohol- und Medikamente. Im Hinblick auf diese so genannten „gesellschaftlich anerkannten“ Rauschmittel verzeichnet der Drogenbericht keine Besserung im Konsumentenverhalten: Liegt die Hindernis-Latte für den Erwerb von Alkohol- und Medikamenten bei uns zu niedrig? Sollten wir uns an skandinavischen Modellen orientieren? > > Bätzing Von einer Übertragung des „skandinavischen Modells“ auf deutsche Verhältnisse halte ich nicht so viel, weil wir einfach eine andere Kultur und Herangehensweise an das Problem haben. Zudem gibt es gerade in Skandinavien auch das Phänomen des exzessiven Rauschtrinkens. Ich setze mich für einen verantwortungsvollen Konsum von Alkohol, aber auch für einen bewussten Gebrauch von Medikamenten ein. Bei Alkohol ist natürlich klar, dass der Jugendschutz eingehalten werden muss. Wein und Bier dürfen erst ab 16 Jahren, Spirituosen ab 18 Jahren konsumiert werden. Da diese Regelungen bei den Alkopops nicht eingehalten wurden, wie unsere Untersuchungen gezeigt haben, war es die richtige Entscheidung, eine Sondersteuer einzuführen. Sie hat den gewünschten Erfolg gebracht, der Konsum von Alkopops und Alkohol insgesamt ist danach bei Minderjährigen erheblich zurückgegangen. Das ist ein Beispiel, wo gesetzliches Handeln absolut angezeigt war. Ich appelliere hier vor allem weiter an die Verantwortung der Erwachsenen: Info Sabine Bätzing, Jahrgang 1975, arbeitete nach der Ausbildung zur Beamtin im gehobenen nichttechnischen Dienst bei der Verbandsgemeindeverwaltung in Altenkirchen (Rheinland-Pfalz) als Diplom-Verwaltungswirtin (FH) zunächst in der Sozialverwaltung. Seit 1994 ist sie Mitglied der SPD, 2004 wurde sie Mitglied im SPD-Landesvorstand Rheinland-Pfalz. Als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete vertritt sie seit 2002 ihren Wahlkreis Neuwied/Altenkirchen. In der 15. Wahlperiode war sie unter anderem Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, im Unterausschuss Neue Medien, im Rechtsausschuss sowie stellvertretend im Ausschuss für Gesundheit und Soziales. Darüber hinaus war sie Mitglied der Enquête-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“. Bätzing hat die Gesetzesinitiative zu den „Alcopops“ federführend mit begleitet. Alle sind aufgefordert, für die Einhaltung des Jugendschutzes zu sorgen. Was die Medikamentenabhängigkeit angeht, so ist auch mehr Sensibilisierung für dieses Problem betroffen, von dem schätzungsweise 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen in Deutschland – zu zwei Drittel Frauen – betroffen sind. Viele Medikamente sind ja nur mit einem Rezept erhältlich, Ärzte und Apotheker müssen hier in vielen Fällen genauer hinsehen, wem sie wie oft welche Medikamente verschreiben. Ich begrüße es deshalb sehr, dass die Bundesärztekammer einen Leitfaden herausbringen wird, wie man in den Praxen mit dem Problem besser umgehen beziehungsweise es überhaupt erstmal thematisieren kann. Das Bundesministerium für Gesundheit lässt gerade einen Sachstand zum Thema Medikamentenabhängigkeit erarbeiten, der uns auch als Grundlage für eine Kampagne dienen wird. Ich möchte die verantwortlichen Multiplikatoren – also Ärzte, Pflegepersonal, Apotheker – für dieses Thema sensibilisieren und zur Mitarbeit anregen. > dbb magazin Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz ist eine vernünftige Sache. Wie weit aber darf der Staat Ihrer Meinung nach in das Privatleben seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen, wenn es um das Rauchen in der Öffentlichkeit geht? > Bätzing Seit Oktober 2002 gilt bei uns die veränderte Arbeitsstättenverordnung, nach der jeder Arbeitnehmer ein Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz hat – ausgenommen sind davon allerdings die Betriebe mit Publikumsverkehr. Die Verordnung ist damals aus einer überfraktionellen Initiative hervorgegangen, für weitergehende Regelungen fehlte eine Mehrheit. Die Verordnung ist trotzdem ein wichtiger Schritt. Vielerorts wird sie vorbildlich umgesetzt, vor allem in einigen Großunternehmen, ich bin mir aber auch im Klaren darüber, dass andernorts noch vieles im Argen liegt und viele Arbeitgeber zu wenig für den Schutz ihrer nichtrauchenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternehmen. Wir haben die Verordnung mit einem Modellprojekt unterstützt, in dessen Rahmen die Unternehmen praktische Tipps zur Umsetzung des Nichtraucherschutzes erfragen konnten. Das Projekt wurde gut angenommen. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass Orte, wo Menschen sich aufhalten „müssen“ – dazu gehören beispielsweise der Arbeitsplatz, Krankenhäuser, öffentliche Verkehrsmittel, aber auch die Schulen – Rauchverbote herrschen sollten. Es ist in Deutschland allerdings so geregelt, dass die Kompetenzen hier sehr unterschiedlich gestaltet sind. Für die Rauchverbote in den Schulen sind beispielsweise allein die Länder zuständig, Rauchverbote in den öffentlichen Verkehrsmitteln lassen sich am besten über die Hausordnung regeln – in Berlin klappt das schon ganz gut. Jeder Bürgermeister in Deutschland hat es in seiner Hand, für ein rauchfreies Rathaus zu sorgen. Was die Krankenhäuser angeht, so finde ich, dass diese als Gesundheitseinrichtungen in einer besonderen Verantwortung stehen. Wir fördern deshalb gerade ein Modellprojekt zum Aufbau eines Netzwerkes rauchfreier Krankenhäuser. Das Projekt stellt neben Maßnahmen des Nichtraucherschutzes auch aktive Ausstiegshilfen für rauchende Krankenhausmitarbeiter und Patienten in den Vordergrund. Das Projekt ist im letzten Jahr angelaufen und wir sind bisher mit der Resonanz zufrieden. Ich hoffe, dass sich noch viele Krankenhäuser diesem Netzwerk anschließen werden. > dbb magazin | Juni 2006 5 interview viduellen Ausstiegsberatung „Quit the Shit“ teilnehmen, die unter unserem sehr erfolgreichen Jugendportal www.drugcom.de angeboten wird. Daneben erproben wir gerade zusammen mit der Schweiz ein neues Beratungsmodell unter dem Titel „Realizeit“. Mit fünf anderen europäischen Ländern forschen wir an einer familienorienten Therapie für Cannabiskonsumenten. Und nicht zuletzt haben wir unser Modell „FreD“ abgeschlossen, das sich direkt an junge Leute gerichtet hat, die aufgrund ihres Cannabiskonsum bereits Kontakt mit der Polizei hatten. Dieses Modellprojekt wurde von vielen Bundesländern erfolgreich in die Regelversorgung übernommen. dbb > aktuell Tarifabschluss mit der TdL: Vom Streik zum Abschluss Die dbb tarifunion hat sich mit der TdL auf einen Tarifabschluss für die Landesbeschäftigten geeinigt. Dem jetzt erreichten Ergebnis gingen heftige Auseinandersetzungen voraus. Verhandlungen seit September 2005, Streik seit Februar 2006 und dann am 18./19. Mai 2006 ein Tarifmarathon über 30 Stunden. Der TVöD für die Länder (TV-L) war bis zum Ende schwer umkämpft. tarif 6 „Die Kompromissfähigkeit beider Seiten wurde auf eine schwere Probe gestellt“, kommentierte folgerichtig der sichtlich erleichterte Chef der dbb tarifunion, Frank Stöhr, das Ergebnis. „Damit ist deutlich geworden, dass unsere Fähigkeit zum Arbeitskampf und unser Wille zum Kompromiss all jene unter den Arbeitgebern zurückgedrängt haben, > die kein Ergebnis, sondern die Abschaffung unserer Tarifkultur im Auge hatten. Ich bin stolz darauf, dass wir den Angriff auf den Flächentarifvertrag abwehren konnten und einen Kompromiss gefunden haben, der die Interessen aller Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes der Länder berücksichtigt“ so Stöhr weiter auf der Pressekonferenz zum Abschluss der Verhandlungen. Das Ergebnis sieht einige Änderungen zum mit Bund und Kommunen abgeschlossenen TVöD vor. Trotzdem finden sich viele Regelungen im TV-L, die bereits im letzten Jahr für den Bereich Bund und Kommunen vereinbart worden waren. > Neue Entgelttabelle Herzstück der Einigung ist sicherlich die neue Entgelttabelle. Sie gilt ab 1. November 2006 und vereinigt die ehemaligen Tabellen für Arbeiter und Angestellte. Die Tabelle wird durchlässiger, die Bezahlung vor allem für Jüngere attraktiver. Die bisherigen Lebensoder Dienstaltersstufen werden durch sechs Erfahrungsstufen ersetzt. Die vorhandenen Beschäftigten werden betragsmäßig in die neue Tabelle übergeleitet. Mit dieser Tabelle ist es gelungen, die bisherige Bezahlung der Angestellten aus Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeiner Zulage bzw. den Monatstabellenlohn betragsmäßig zu sichern. Zusätzlich zur neuen Tabelle erfolgt zukünftig eine leistungs- orientierte Bezahlung, beginnend mit einem Prozent ab 2007. Damit werden die Einkommensbedingungen der Beschäftigten im Länderbereich denen ihrer Kolleginnen und Kollegen beim Bund und bei den Kommunen wieder entsprechen. Für die Ärzte wurde eine gesonderte Tabelle vereinbart. > Einmalzahlung und lineare Anhebung Daneben erhalten die Landesbeschäftigten im Juli 2006, Januar und September 2007 zunächst jeweils Einmalzahlungen sozial gestaffelt nach Entgeltgruppen, in Höhe von 50 Euro bis hin zu 450 Euro. Im Jahr 2008 erfolgt darüber hinaus eine lineare Anhebung des Entgelts um 2,9 Prozent im Januar für das Tarifgebiet West beziehungsweise zum Mai für das Tarifgebiet Ost. > Jahressonderzahlung Wie im TVöD wird Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld durch eine einheitliche Jahressonderzahlung abgelöst. Diese wird zukünftig dynamisiert und > Gelöste Mienen nach der Einigung. Im Bild von links: der Verhandlungsführer der dbb tarifunion, Frank Stöhr, Hartmut Möllring von der Tarifgemeinschaft der Länder und ver.di – Vorsitzender Frank Bsirske auf dem Weg zur Pressekonferenz. > dbb magazin | Juni 2006 dbb > aktuell > Geschafft! Der Abschluss ist perfekt. ebenfalls sozial gestaffelt. Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis bereits am 30. Juni 2003 bestanden hat, erhalten in den Entgeltgruppen E 1 bis E 8 95 Prozent (West) beziehungsweise 71,5 Prozent (Ost), Beschäftigte in den Entgeltgruppen E 9 bis E 11 80 Prozent (West) oder 60 Prozent (Ost), in den Entgeltgruppen E 12 und E 13 50 Prozent (West) oder 45 Prozent (Ost) und in den Entgeltgruppen E 14 und E 15 35 Prozent (West) beziehungsweise 30 Prozent (Ost) eines des in den Kalendermonaten Juli, August, September gezahlten durchschnittlichen monatlichen Entgelts. Im Jahr 2006 wird zusätzlich noch das „alte“ Urlaubsgeld gezahlt. Beschäftigte, die nach dem 30. Juni 2003 eine abweichende arbeitsvertragliche Regelung vereinbart haben, werden in zwei Schritten bis zum Jahr 2008 an diese Tabellenwerte herangeführt. Im Jahr 2006 erhalten sie den Betrag, der arbeitsvertraglich vereinbart war, mindestens den Betrag aus dem Jahr 2005. > Arbeitszeit Einer der bis zum Schluss am heftigsten umkämpften Streitpunkte war das Thema Ar- beitszeit. Hier wurde ein zwischen den Bundesländern differenzierendes Ergebnis gefunden: Ausgehend von der tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit wurde für jedes einzelne Bundesland die Arbeitszeit ab 1. November 2006 neu vereinbart. Das führt im Ergebnis zu einer Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für Beschäftigte, die vor April 2004 eingestellt wurden und zu einer Arbeitszeitverkürzung für alle Neubeschäftigten. Einzelne Bereiche sind von den neuen Arbeitszeitregelungen ausgenommen und verbleiben bei 38,5 Wochenstunden (West). Dies gilt für Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, Beschäftigte der Universitätskliniken, Landeskrankenhäuser, sonstiger Krankenhäuser und der psychiatrischen Einrichtungen, Beschäftigte in Straßen- und Autobahnmeistereien, KFZ-Werkstätten, Theater und Bühnen, Hafenbetrieben, Schleusen und im Küstenschutz, Beschäftigte in Einrichtungen für schwerbehinderte Menschen und in heilpädagogischen Einrichtungen. Die von der Arbeitgeberseite gebetsmühlenartig geforderte > > dbb magazin | Juni 2006 dbb > aktuell niken verhindert, die ein Abschluss allein mit den Ärzten mit sich gebracht hätte. > > tarif 8 Potsdam, 19. Mai 2006, 19:30 Uhr: Der Verhandlungsführer der dbb tarifunion, Frank Stöhr, erläutert vor den Medienvertretern Einzelheiten des Tarifkompromisses. Verlängerung auf 40 und mehr Wochenstunden konnte somit verhindert werden. Die Wochenarbeitszeiten in den einzelnen Bundesländern beträgt damit im Durchschnitt insgesamt 39,22 Stunden. Sie differiert zwischen 38,7 und 39,7 Stunden in den jeweiligen Bundesländern. Die genaue Feststellung der Arbeitszeit im jeweiligen Bundesland wird noch einer genauen Prüfung unterzogen. Sofern sich die jeweiligen Arbeitgeber mit der dbb tarifunion auf festestehende Zahlen geeinigt haben, werden diese auf der Homepage der dbb tarifunion abrufbar sein. > > dbb magazin | Juni 2006 Der neue TV-L sichert Einkommen, Sonderzuwendung und verhindert zugleich die von den Arbeitgebern gewünschten Arbeitszeitsprünge auf bis zu 42 Wochenstunden. Wie bei jedem Kompromiss mussten allerdings auch Einbußen hingenommen werden. Allerdings wird mit dem TV-L im Bereich des öffentlichen Dienst die Politik der Tarifpartnerschaft bewahrt. Ein Vorteil, der sich in den nächsten Jahren noch vielfach auszahlen wird. jh Tabelle TV-Länder (Tarifbereich Ost entsprechend jeweiligem Anpassungssatz, zur Zeit 92,5 Prozent) Entgeltgruppe Besondere Bereiche In den Bereichen Unikliniken, Wissenschaft, Lehrer und Ärzte wird es gesonderte Regelungen geben. Das abgeschlossene Eckpunktepapier befriedet damit auch den Bereich der Unikliniken und Landeskrankenhäuser. Die gefundene Einigung gilt für alle dort arbeitenden Beschäftigtengruppen. Damit wurde zweierlei erreicht. Den berechtigten Anliegen der Ärzte wurde in angemessener Form Rechnung getragen. Gleichzeitig wurde eine Spaltung der Beschäftigtengruppen in den Kli- Fazit 1 2 3 4 Grundentgelt Stufe 1 Entwicklungsstufen Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6 nach 1 Jahr nach 3 Jahren nach 6 Jahren nach 10 Jahren nach 15 Jahren 15 3 384 3 760 3 900 4 400 4 780 14 3 060 3 400 3 600 3 900 4 360 13 2 817 3 130 3 300 3 630 4 090 12 2 520 2 800 3 200 3 550 4 000 11 2 430 2 700 2 900 3 200 3 635 10 2 340 2 600 2 800 3 000 3 380 1/2 9 2 061 2 290 2 410 2 730 2 980 8 1 926 2 140 2 240 2 330 2 430 2 493 7 1 800 2 000 2 130 2 230 2 305 2 375 6 1 764 1 960 2 060 2 155 2 220 2 285 5 1 688 1 875 1 970 2 065 2 135 2 185 4 1 602 1 780 1 900 1 970 2 040 2 081 3 1 575 1 750 1 800 1 880 1 940 3 1 995 4 1 935 2 1 449 1 610 1 660 1 710 1 820 1 je 4 Jahre 1 286 1 310 1 340 1 368 1 440 Endstufe für Arbeiter der LGr 9; Stufe 4 nach 7 Jahren in der Stufe 3 Endstufe Ang Vb BAT ohne Aufstieg und Aufsteiger V b aus V c BAT; Stufe 3 nach 5 Jahren in der Stufe 2, Stufe 4 nach 9 Jahren in der Stufe 3 Endstufe für Arbeiter der LGr 2 mit Aufstiegen nach LGr 2 a und LGr 3 und Angestellte VGr VIII BAT mit und ohne Anwartschaft auf Aufstieg nach VGr. VII BAT Endstufe für Angestellte VGr. X BAT mit Aufstiegen nach VGr. IX b BAT, sowie Arbeiter LGr 1 mit Aufstieg nach LGr 1 a dbb > aktuell Vor den Negativfolgen der Föderalismusreform für den öffentlichen Dienst hat der dbb in einer neuen Anzeige gewarnt, die am 19. Mai 2006 in großen deutschen Tageszeitungen erschienen ist. Zugleich appelliert der dbb an die Bundestagsabgeordneten, bei ihrer Entscheidung die schädlichen Auswirkungen der Reform zu bedenken. Die Anzeige wurde in die- sen Zeitungen veröffentlicht: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Welt, Tagesspiegel, General-Anzeiger, Münchner Merkur, Saarbrücker Zeitung, Ostsee-Zeitung, Neue Westfälische. Ferner ist das Motiv – wie die beiden vorangegangenen Anzeigen auch – als Wandzeitung für die Schwarzen Bretter verteilt worden. > Massive Kritik ... ... an den im Zuge der Föderalismusreform geplanten Änderungen des Beamtenrechts haben auch die am 17. Mai 2006 zu einer gemeinsamen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages und des Ausschusses für innere Angelegenheiten des Bundesrates geladenen Sachverständigen geäußert. Konferenz zur Föderalismusreform Am 22. Juni 2006 werden dbb und DGB eine gemeinsame Konferenz zum Thema „Föderalismus im öffentlichen Dienst“ durchführen. Eingeladen sind unter anderem alle Bundestagsabgeordneten, weil der Bundestag es trotz vielfacher Kritik mehrheitlich abgelehnt hat, die Reform-Konzeption in Anhörungen der Fachausschüsse zur Diskussion zu stellen. Es bietet sich daher an, einmal den umgekehrten Weg zu gehen, um mit den Parlamentariern den Dialog zu pflegen.Bei der Reform ist im Bereich des öffentlichen Dienstrechts eine Verlagerung von Kernkompetenzen auf die Länder vorgesehen. Daher wird diese Thematik im Mittelpunkt der Konferenz stehen. Unter anderem ist ein Vortrag des „Zeitzeugen“ Hans-Dietrich Genscher vorgesehen, der von 1969 bis 1974 Bundesinnenminister war und maßgeblich daran mitgewirkt hat, die Kompetenzen im öffentlichen Dienstrecht auf die Bundesebene zu verlagern. Die Ergänzung des Artikels 33 Abs. 5 Grundgesetz um eine „so genannte Fortentwicklungsklausel“ wurde als überflüssig oder sogar schädlich beurteilt, weil das geltende Recht bereits ausreichend Spielraum für Änderungen und Anpassungen ermöglicht beziehungsweise allenfalls Vorschub für eine Aufweichung des besonderen Rechte- und Pflichtengefüges des Berufsbeamtentums geleistet würde. Auf ebenso wenig Zustimmung stieß bei den Experten die geplante Kompetenzverlagerung des Laufbahn-, Besoldungs- und Versorgungsrechts auf die Länder. Befürchtet wurde insbesondere ein kaum zu bewältigender Bürokratiezuwachs, wenn künftig in 16 Landesministerien Dienstrechtsabteilungen aufgebaut werden müssten. Negative Konsequenzen für Mobilität und Flexibilität der Beamtinnen und Beamten wären außerdem die Folge unterschiedlicher Länderregelungen im Besoldungs- und Laufbahnrecht. > dbb magazin | Juni 2006 9 anzeigenkampagne Das hat Deutschland nicht verdient! > dbb > aktuell Stellungnahme und Anhörung: dbb erreicht Nachbesserungen zum Haushaltsbegleitgesetz 10 Die von der Bundesregierung geplante erneute Einkommenskürzung bei den Bundesbeamten benachteiligt die Beamten gegenüber anderen Arbeitnehmern und beschädigt „tiefgreifend“ das Vertrauen der Beamten in ihren Dienstherrn. Das hat dbb Chef Peter Heesen in einer Stellungnahme zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes festgestellt, die bei der öffentlichen Anhörung am 4. Mai 2006 in Berlin vorgelegt wurde. Bei der Anhörung selbst konnte der dbb Bundesvorsitzende Nachbesserungen erreichen besoldung > Kritische Stellungnahme Heesen erinnerte die Koalition an ihr Ziel „Reformieren, investieren und Zukunft gestalten“. Dies werde mit der geplanten Halbierung der bereits verkürzten Sonderzahlung in den Jahren 2006 bis 2010 auf 2,5 Prozent der Jahresbezüge und für Versorgungsempfänger auf > 2,085 Prozent der Jahresbezüge „in jeder Hinsicht verfehlt“. Der erneute überproportionale Zugriff auf die Sonderzahlung verstärke den Einkommensverlust der Bundesbeamten und missachte den Grundsatz der gleichmäßigen Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst. Zudem stünde den Besoldungsanpassungen von Zahlen und Fakten Die Personalkosten des Bundes sind zwischen 2001 und 2005 von 11,1 auf 10,5 Prozent gesunken. Dies wurde bewirkt durch Arbeitszeitverlängerungen in einem Umfang von 6,5 Prozent ohne Besoldungsausgleich, die zum Abbau von Arbeitsplätzen und damit zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung führten. Allein dadurch „haben die Bundesbeamten bereits einen erheblichen Anteil an den Sparanstrengungen geleistet. Nachdem die Sonderzahlungen ab 2004 auf 60 Prozent (beziehungsweise 50 Prozent für Versorgungsempfänger) zusammengestrichen wurden, ist eine erneute Absenkung auf 30 beziehungsweise 25 Prozent nicht vermittelbar. Wenn die Bundesbeamten zu den von ihnen seit 1993 bereits erbrachten Einsparungen von sechs Milliarden Euro jetzt zusätzlich noch weitere 500 Millionen Euro aufbringen sollen, ist dies eine überproportionale, ungerechtfertigte Belastung. > dbb magazin | Juni 2006 Jahr 1993 – unter Berücksichtigung des Zugriffs auf Urlaubsgeld und Sonderzahlung – auf rund 6 200 Euro verzichten müssen. Für den Bundeshaushalt bedeute dies seit 1993 eine Einsparung von über sechs Milliarden Euro. „Wenn nunmehr die Bundesbeamten erneut zu Einsparungen von mehr als 500 Millionen Euro zu den gesamten Einsparungen im Bundeshaushalt herangezogen werden sollen, ist dies nicht gerechtfertigt und wird als überproportional abgelehnt. Viele Beamte fragen sich deshalb, ob der Dienstherr sich noch an Recht und Gesetz und die Fürsorgepflicht gebunden fühlt“, heißt es in der Stellungnahme des dbb. > Heesen: „Die geplanten Kürzungen stehen einer umfassenden Dienstrechtsreform entgegen und gefährden diese erheblich.“ 12,8 Prozent für Beamte in den Jahren 1998 bis 2005 ein Anwachsen des durchschnittlichen Lohn- und Einkommensniveaus in der Bundesrepublik um 19,5 Prozent gegenüber. Besonders hart seien von den Kürzungen der vergangenen Jahre Beamte der Bundespolizei und Bundeszollverwaltung betroffen, die ganz überwiegend dem mittleren Dienst angehören. So habe ein 30-jähriger verheirateter Bundesbeamter mit zwei Kindern, der heute 2 240 Euro monatliche Dienstbezüge erhält, seit dem Erfolg bei der Anhörung Während der Anhörung am 4. Mai 2006 gelang es dem dbb Bundesvorsitzenden Peter Heesen, Nachbesserungen am Gesetzentwurf zum Haushaltbegleitgesetz zu erreichen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung soll der Festbetrag für Beamte der Besoldungsgruppen A2 bis A8 um ein Viertel erhöht werden. Dies bedeutet nicht zuletzt auch eine zumindest grundsätzliche Anerkennung der Notwendigkeit einer sozialen Komponente. Ferner setzte sich der dbb Chef mit Erfolg dafür ein, dass die zeitliche Befristung der Absenkung der jährlichen Sonderzahlung erhalten bleibt und nicht – wie im Gesetzentwurf zum Haushaltbegeleitgesetz ursprünglich vorgesehen war – auf Dauer bestehen bleiben soll. dbb > aktuell Pensionsgrenze: Freiwillige Längerarbeit honorieren dbb Chef Peter Heesen hat sich dafür ausgesprochen, die Altersbezüge von Beamten zu erhöhen, die freiwillig über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten. Der Trend zur Frühpensionierung sei rückläufig, sagte Heesen dem Wirtschaftsmagazin „Geldidee“ (Ausgabe Juni 2006) zur Begründung. „Damit das so bleibt, bin ich dafür, die Anreize zu verbessern, um die Menschen länger im Arbeitsleben zu halten.“ Heesen wird Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vorschlagen, die Altersbezüge derjenigen Beamten zu erhöhen, die freiwillig länger im Job bleiben, über 65 oder demnächst vielleicht 67 Jahre hinaus. „Das wäre ein völlig neuer Ansatz. Unter dem Strich könnte das sogar beim Sparen helfen“, erläuterte der dbb Chef. Mit Blick auf die Diskussion um die Kosten der Pensionsansprüche erinnerte Heesen daran, dass die Beamten sich nicht selbst eingestellt haben, sondern die Politiker dies getan hätten. „Allerdings pochen wir darauf“, so Heesen weiter, „dass heute eingehalten wird, was man den Beamten bei ihrer Einstellung für den Ruhestand versprochen hat. Das ist ihr gutes Recht.“ > Ein völlig neuer Ansatz: freiwillig länger im Job – mit höheren Altersbezügen. Der dbb stehe zu dem Grundsatz, dass bei der Altersversorgung keine Berufsgruppe besser gestellt werden dürfe als andere. „Inzwischen werden wir aber sogar schlechter gestellt als andere“, kritisierte Heesen. Das habe das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr bestätigt. dbb > aktuell dbb Frühjahrssitzung: Hamburger Beschlüsse Der Bundeshauptvorstand des dbb, das zweithöchste Gremium zwischen den Gewerkschaftstagen, ist zu seiner Frühjahrssitzung am 7. und 8. Mai 2006 in Hamburg zusammengekommen. Die Delegierten erörterten aktuelle gewerkschaftspolitische Fragen und forderten in einer Entschließung die Sicherung guter Zukunftsperspektiven für den öffentlichen Dienst. berufspolitik 12 Die Sicherung guter Zukunftsperspektiven für den öffentlichen Dienst sei unerlässlich, weil insbesondere der Bund mit der Verlängerung der Wochenarbeitszeit, einer neuerlichen Kürzung des Weihnachtsgeldes, der Streichung des Urlaubsgeldes und der Fortsetzung pauschaler Stellenkürzungen „ein negatives Signal gesetzt“ habe, heißt es zur Begründung in der Entschließung. > Neue Kürzungen verhindern Reformen im öffentlichen Dienst dürften kein Synonym für eine verdeckte oder offene Fortsetzung der Kürzungspolitik sein, sondern müssten allein die Förderung von Qualität, Kreativität und Motivation und eine funktions- und leistungsgerechte Bezahlung zum Ziel haben. Darauf zu achten ist auch Aufgabe des dbb. Deshalb ist es jetzt erforderlich, die bisherigen Sparmaßnahmen erneut zu verhandeln mit dem Ziel, sie mindestens auszugleichen, neue Kürzungen dabei zu verhindern und Zug um Zug Fortschritte für die Beschäftigten und den Personalnachwuchs durchzusetzen. Zu den Zielen dieser Nachverhandlungen gehöre, das jetzige Bezahlungsniveau als Mindestvoraussetzung und die Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung zu sichern. Die bereits zugesagten Einmalzahlungen müssten endlich realisiert werden. Der dbb fordert weiter die volle Anrechnung der bereits vollzogenen Kürzungen der Versorgung bei der weiteren Versorgungsgesetzgebung sowie den Aufbau eines zweiten Versorgungsfonds aus Mitteln, die durch Arbeitszeitverlängerungen und durch Versorgungsrücklagen bei Neueinstellungen eingespart werden. Ziel sei auch eine gesetzlich geregelte Mitnahmefähigkeit von erworbenen Versorgungsansprüchen, um die Mobilität zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft zu fördern. > Breites Themenspektrum Des Weiteren befasste sich der Bundeshauptvorstand mit Aspekten der Föderalismusreform und deren negative Auswirkungen für die Bereiche Dienstrecht, Bildung und Umweltschutz, erörterte unter anderem neue Formen der Arbeitsorganisation, um ein flexibles Zeitmanagement zu fördern, und lehnte mit Nachdruck den Einsatz der Bundeswehr, etwa bei der Fußballweltmeisterschaft, ab. Zur Gewährleistung der inneren Sicherheit müssten stattdessen die erforderlichen Kräfte bei den Polizeien werden. Mit Blick auf die familienpolitischen Pläne der Bundesregierung haben die Delegierten aus den Landesbünden und Mitgliedsgewerkschaften des dbb die Einführung eines Elterngeldes als Lohnersatzleistung begrüßt; positiv bewerteten sie auch die geplante Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten bei der Einkommenssteuer und sprachen sich für einen zeitnahem Ausbau der Kinderbetreuung aus. Dabei wäre ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz für alle Kinder ein innovativer Schritt in eine Familienpolitik, die Männer und Frauen in ihrer Entscheidung für Kinder maßgeblich unterstützen würde. > dbb magazin | Juni 2006 dbb > aktuell Befristung nicht aufgehoben Als „völlig unbegründet“ hatte dbb Chef Peter Heesen zwischenzeitliche Überlegungen von Haushaltspolitikern zurückgewiesen, die von der Bundesregierung vorgeschlagene Halbierung der Sonderzahlung für Beamte und Pensionäre des Bundes nicht – im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes – bis 2010 zu befristen, sondern als dauerhafte Regelung einzuführen. Diese Maßnahme „stößt auf den entschiedenen Widerstand des dbb“, schrieb Heesen am 16. Mai 2006 in einem Brief an den Vorsitzenden des Bundestagshaushaltsausschusses, Otto Fricke. den Gesetzentwurf in seiner Sitzung vom 19. Mai 2006 schließlich entsprechend dem Beschluss des Haushaltsausschusses, welcher eine Beibehaltung der Befris> Eine solche Entscheidung sei insbesondere angesichts der merklichen Verbesserung der Steuereinnahmen nicht zu rechtfertigen. Sie konterkariert zugleich die Beteuerungen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen, dass ein Wirtschaftsaufschwung bevorsteht, der auch die sozialpolitischen Probleme lösen hilft“, betont der dbb Bundesvorsitzende. Er appelliere deshalb eindringlich, es bei der von der Bundesregierung beabsichtigten Befristung zu belassen. Diese Intervention war erfolgreich: Der Deutsche Bundestag verabschiedete tung der Einsparmaßnahme und eine Aufstockung des Festbetrages für die Besoldungsgruppen bis einschließlich A 8 um ein Viertel zum Inhalt hat. Bildungsmonitoring Am 12. Mai 2006 hat in Berlin ein Fachgespräch zur Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Thema Bildungsmonitoring stattgefunden, an der auch der dbb und seine Bildungsgewerkschaften teilgenommen haben. Ziel ist es, die bildungspolitische Entwicklung seit dem PISA-Schock zu ordnen und in einen Rahmen zu bringen. Grundlage hierfür werde das so genannte Bildungsmonitoring bilden, durch das eine empirisch gesicherte Grundlage geschaffen werde, deren Ergebnisse der Bildungspolitik zur Verfügung gestellt werden sollen. Der dbb, der bereits im Vorfeld des Treffens eine Stellungnahme zum Entwurf einer Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring abgegeben hatte, begrüßte die Initiative der Kultusministerkonferenz sowie die damit verbundenen Ziele, zur Transparenz der Ergebnisse systematischer Bildungsforschung beizutragen. In der Gründung eines Instituts zur Qualitätsprüfung im Bildungswesen (IQB) als gemeinsame Einrichtung der Länder sehe der dbb einen ersten wichtigen Schritt hin zu einer nationalen Bildungsstrategie. In seinen Kritikpunkten bemängelte der dbb unter anderem die Aussparung der beruflichen Bildung sowie das Fehlen von Maßnahmen zur Verbesserung der Bildungsqualität. 13 kompakt Sonderzahlungen: 7. Berliner Bundestagslauf Beim zweiten Schuss war alles anders... Als der Startschuss zum 7. Berliner Bundestagslauf fallen sollte, den der dbb auch in diesem Jahr als Sponsor unterstützt hat, klemmte der Revolverabzug. Die Langstreckenläufer störte die kleine Panne wenig; sie rannten einfach los und Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner, im Bild links mit Bundestagspräsident Norbert Lammert, schoss erst im Nachhinein. 400 Teilnehmer waren diesmal insgesamt aktiv dabei, so viele wie nie zuvor, obgleich auch in diesem Jahr der Himmel getrübt war und kurz vor dem Start der Kurzstrecke (der Revolver funktionierte inzwischen einwandfrei und knallte pünktlich los) der große Regen einsetzte. „Am 18. Mai sind doch die Eisheiligen schon vorbei“, wunderte sich der Moderator der Veranstaltung augenzwinkernd. Die dbb Bundesgeschäftsstelle war auch in diesem Jahr mit einem kleinen Laufteam beteiligt. Im rechten Bild von links: Jens-Ole Gerecke, Andreas Becker und Matthias Warnking, > dbb magazin | Juni 2006 dbb > fokus Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz (BGIA): Auf Biegen und Brechen report 14 Gesundheitsgefahren gibt es viele am Arbeitsplatz; sie zu erkennen und auszuschalten ist das Ziel der Forscher am Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitsschutz (BGIA) in Sankt Augustin. Bei ihren Tests auf Biegen und Brechen gehen sie mit zum Teil verblüffend einfachen, wenn auch unkonventionellen Methoden zu Werke. Dabei gibt es manchmal Scherben, immer aber auch eine Erkenntnis mehr. > dbb magazin | Juni 2006 > Statistisch gesehen gibt es einmal täglich in Deutschland eine Staubexplosion: Unzählige Einzelversuche tragen dazu bei, das Explosionsrisiko gerade für die industrielle Produktion einzudämmen. Für einen Moment taucht ein greller Blitz den Raum in weißes Licht. Mit einem Knall jagt eine Druckwelle durch das Labor. Dann ist es still. Hans-Jörg Teske und Hartmut Beck treten an den Versuchsschrank und ziehen einen röhrenförmigen Behälter heraus. Trotz der Wucht der Explosion scheint das Glas unversehrt. An seiner Innenseite schimmert ein silbrig-bläulicher Niederschlag. „Aluminiumoxid“, erklärt Teske. Gerade war der Glasbehälter noch durchsichtig. Dann hatte Beck ein halbes Gramm Aluminiumpulver in den Behälter gegeben und durch einen Luftstoß aufgewirbelt. Ein elektrischer Funke brachte das StaubLuft-Gemisch zur Explosion. Explosionen – was andere zu Recht fürchten, sind das Tagesgeschäft von Teske und Beck, beide Forscher am Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitsschutz (BGIA) in Sankt Augustin. Das Ziel ihrer Arbeit: Mehr über die Gefährlichkeit von Staub-Luft-Gemischen zu erfahren, wie sie zum Beispiel in der Produktion entstehen. „Statistisch gesehen gibt es ein Mal am Tag in Deutschland eine Staubexplosion“, sagt Ingenieur Beck. „Schwere – Gott sei Dank – kaum noch.“ Damit ein Hersteller nicht von den explosiven Eigenschaften eines Staubes überrascht wird, testen Beck und Teske, bei welcher Energiezufuhr und welcher Konzentration der Staub explodiert. „Er kann schon beim ersten Schuss zünden, aber so einfach wird es uns meistens nicht gemacht.“ Oft sind bis zu 300 Einzelversuche notwendig, um einen Stoff wirklich zu kennen. Sicher ist sicher, weiß der Volksmund. Doch was heißt das konkret für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz? Woher weiß ein Maschinenhersteller, dass die von ihm entworfenen Schutzvorkehrungen die Maschine auch tatsächlich sicherer machen? Woher weiß eine Bank, dass die Büroluft in der 20. Etage keine Gefahrstoffe enthält? Hier kommen die Wissenschaftler am BGIA ins Spiel. In ihrer Arbeit entwickeln sie Messver- > dbb > fokus > Grenzwerte im Visier: Gefahrstoffanalyse Ein Plastiktütchen liegt vor Silvia Loosen auf dem Tisch. Darin glänzen zwei Röhrchen. Während Loosen die Probe beschriftet und in einem Transportbehälter verstaut, überprüft ihre Kollegin Rowena Georg die Daten der Probe am Computer. Ihre Augen wan> dern über den Bildschirm und über die vor ihr liegende Liste. Nur, wenn die Daten vollständig und korrekt sind, bekommt die Probe die Freigabe fürs Labor. Das Ziel dieser Arbeit ist die Gefahrstoffanalyse. Mit deren Hilfe wird festgestellt, ob eine Probe, die der berufsgenossenschaftliche Messdienst in einem Betrieb genommen hat, Schadstoffe enthält und ob Grenzwerte überschritten wurden. Der Messdienst ist fleißig: Im Jahresdurchschnitt wandern an die 33 000 Proben über die Tische von Georg, Loosen und ihren Kollegen ins Labor. Zwei Flure von Georg und Loosen entfernt geht unterdessen Info Das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz (BGIA) Das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz (BGIA) in Sankt Augustin bei Bonn forscht, prüft und berät auf den Gebieten chemische, biologische und physikalische Einwirkungen sowie Unfallverhütung, Produktsicherheit und Ergonomie. Zwei Drittel seiner Aktivitäten zielen auf die Vermeidung von Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, ein weiteres Drittel ist der Unfallverhütung gewidmet. > Keineswegs vom anderen Stern ist dieser BGIA-Forscher, wenn er auch ganz in Grün gekleidet ist: Das Austesten von Gefahrstoffen verlangt aufwändige Schutzkleidung. ein Mann auf einem Laufband, dreht und wendet sich, so gut es die Schläuche eben zulassen, die an seiner gelben Atemschutzmaske hängen. Das Laufband wiederum befindet sich in einer Kabine. Auf ihren Stelzen erinnert die Konstruktion ein bisschen an ein gläsernes Mondlandegerät. Dicke Luftschläuche führen hinein, einer davon ragt aus dem Dach. Vor der Kabine steht eine graue Schaltwand. Rote Ziffern leuchten auf den Displays. Daneben klebt ein Zettel mit der Aufschrift „Gehen, wenden, nicken, ABC“ – Handlungsanweisungen für die Testperson in der Kabine. Mehr als 80 Prozent der Arbeiten am BGIA werden von den gewerblichen Berufsgenossenschaften als Träger der Einrichtung selbst veranlasst; fast immer ergeben sich die Fragestellungen aus der betrieblichen Arbeitsschutzpraxis. Darüber hinaus wird das Institut als europäisch anerkannte Prüf- und Zertifizierungsstelle für Hersteller von Maschinen und persönlicher Schutzausrüstung tätig. Das unmittelbar neben dem Dienstgebäude des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) gelegene BGIA hat 225 Beschäftigte, von denen etwa 39 Prozent einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss und rund 44 Prozent eine technisch-naturwissenschaftliche Fachausbildung haben. Weitere Informationen im Internet unter: www.bgia.de Die Anweisungen selbst gibt Werner Piontkowski. In Jeans und weißem Kittel sitzt der Techniker an einem kleinen Tisch und notiert die Werte, die auf den Displays erscheinen. Zusammen mit seinen Kollegen prüft der Techniker die Verlässlichkeit von Atemschutzmasken, ihre Brandfestigkeit und die Durchlässigkeit der Filter. Rund 30 verschiedene Modelle zertifiziert das La- bor im Jahr – das heißt, es bestätigt, dass ein Modell im Notfall alle Anforderungen erfüllt. „Heute prüfen wir den Dichtsitz dieser Maske“, erklärt Piontkowski. Dazu lässt er die Testperson verschiedene Bewegungen ausführen. „Mittelschwere Arbeit simulieren“ nennt der Techniker das. Durch die Luftschläuche leitet er salzhaltige Luft in die Kabine. Atmet die Testperson nun ein, so löst ein Ventil die Entnahme einer Luftprobe auf der Innenseite der Maske aus. Über zwei Schläuche gelangt die Probe dann in ein Analysegerät. „Das zeigt uns, wieviel Salz die Atemluft des Probanden noch enthält.“ Und, ob die Maske dicht genug sitzt, damit im Ernstfall keine Schadstoffe aus der Umgebungsluft eindringen können. Ein einfaches System, das ohne viel Hightech auskommt. Ganz aktuell haben es die Arbeitsschutzforscher aus Sankt Augustin auch eingesetzt, um die Schutzwirkung so genannter OP-Masken zu untersuchen: Mund und Nase bede- > > dbb magazin | Juni 2006 15 report fahren, Prüfmethoden und Leitlinien, die Herstellern, Arbeitgebern und Berufsgenossenschaften helfen, mögliche Gefahren am Arbeitsplatz zu erkennen und zu vermeiden. Mit beeindruckenden Apparaturen und spielerischer Kreativität rücken die BGIA-Wissenschaftler jedem Arbeitsschutzproblem zu Leibe. dbb > fokus ckende Schutzmasken, die vor allem in Zeiten von Vogelgrippe und SARS vor Infektionen schützen sollen. Fazit: 13 von 16 geprüften „OP“-Masken fielen durch. > Krach machen zur Lärmminderung Es ist still. So still, dass man das eigene Blut in den Ohren rauschen hört. Das Netz, über das Besucher in zwei Metern Mikros, die jedes Geräusch aufzeichnen. „Wir wollen damit herausfinden, wie viel Lärm das Gerät macht, wo er herkommt, und wie wir ihn verringern können“, erläutert Maue den Versuch, als die Maschine wieder schweigt. „Nach ersten Messungen hatten wir den Eindruck, die Hauptquelle für den Schall sind die Rollen, mit denen die und verschwindet damit durch eine der großen Bullaugen-Türen ins Labor. Dort werden die in der Luftprobe enthaltenen Stoffe zunächst aus der Aktivkohle gelöst. „Das ist notwendig, um sie später im Gas-Chromatographen analysieren zu können“, sagt Lichtenstein. Er öffnet eines der Geräte, die oberflächlich an einen Drucker erinnern. Innen ist der Apparat mit Edelstahl ausgekleidet, in der Mitte hängt eine Spirale – eine so genannte Quarzkapillare. „Das ist mit Sicherheit Styrol.“ Über die Schulter seines Mitarbeiters Rachid Ngazi zeigt Lichtenstein auf den Bildschirm. Mit einem Kugelschreiber deutet er auf eine der Spitzen, die das Diagramm entlang der Zeitskala aufweist. „Peaks“ heißen diese Spitzen. „Mit ein > report 16 > Sich drehen und wenden für die Wissenschaft: Beim Test einer Atemschutzmaske wird mittelschwere Arbeit simuliert. Höhe über dem Boden gehen, dämpft jeden Schritt bis zur Lautlosigkeit. Vollschallschluckraum nennt dieser faszinierende Ort sich – und er kommt ebenfalls ganz ohne Hightech aus. Von Wänden, Decke und Boden ragen 1,20 Meter lange, gelbe Schaumstoffkeile in den Raum. Sie schlucken jedes Geräusch, noch bevor es zum Echo wird. So haben die Lärmschutzexperten des BGIA eine verlässliche Grundlage, wenn sie Messgeräte eichen oder Gehörschützer testen. Leiter der Abteilung Lärmschutz ist Dr. Jürgen Maue. Nebenan, im Semischallschluckraum, testen der Ingenieur und sein Team gerade die Lärm-Emissionen einer Baumaschine. Damit rüttelt Maues Assistent, Hermann Becker, Spezialfliesen in den Estrich. Der Krach ist ohrenbetäubend. Um die Maschine stehen fünf > dbb magazin | Juni 2006 > Fängt das Objekt Feuer? Von der Brennbarkeit eines Materials kann im Ernstfall Leben und Gesundheit eines Beschäftigten abhängen. > Krach machen in Diensten der Lärmminderung: Im Vollschall-Schutzraum wird der Geräuschpegel einer Baumaschine analysiert. Maschine die Fliesen rüttelt“, sagt Maue. Er hebt das Gerät an und klappert mit den Rollen. „Wir haben schon versucht, das Rollenlager mit einer Dämmfolie abzuschirmen“, erklärt der Ingenieur weiter. „Nun würden wir dasselbe gern noch mit dem Motor tun.“ Zu diesem Zweck hat das Team einen Karton mit weißem Schaumstoff ausgekleidet. Dieser wird nun über das Motorgehäuse der Rüttelmaschine gestülpt. Dann kalibriert Maue jedes der Mikros peinlich genau mit einem Prüfton, während Becker die Maschine an die mit Kreide markierte Startposition schiebt. Inzwischen hat die Probe von Rowena Georg das Analyselabor erreicht. Hier nimmt Dr. Norbert Lichtenstein die Aktivkohleröhrchen in Empfang dbb > fokus bisschen Erfahrung kann man sagen, hinter welchem Peak sich welcher Stoff verbirgt.“ Und falls die Erfahrung den Forschern nicht weiterhilft, gibt es immer noch eine Datenbank, die aus 30 000 Vergleichsspektren diejenigen auswählt, die am besten passen. Die Ergebnisse erhält dann die Berufsgenossenschaft, die daraus ihren Messbericht anfertigt. Zugleich wird Einen Prototyp haben seine Kollegen in der Prüfhalle des Referates Neue Technologien aufgebaut. Über einem Arbeitstisch ist eine Kamera installiert. Auf dem Computer-Monitor nebenan ist der von ihr erfasste Bereich zu sehen, den ein grünes Gitternetz überzieht. Torsten Borowski bewegt seine Hand über den Tisch. Auf dem Monitor erscheint das entsprechende Live-Bild. Dann reicht er mit Im Schallschluckraum beendet unterdessen Jürgen Maue das Experiment. Auf sein Zeichen hin stellt Hermann Becker die Rüttelmaschine ab, und beide fangen an, die Daten der Mikros abzulesen. Der Versuch, die Lärmemission zu verringern, war erfolgreich. Im Schnitt wurde die Lärmemission um acht Dezibel gesenkt. Und dabei haben die Forscher „nur mal so pro- Für die Hersteller von Schutzscheiben testet das Referat Werkstoffe des BGIA daher neue Materialien und Einsatzmöglichkeiten. Eine Versuchsreihe umfasst oft nur einige Schüsse pro Tag. Mehr ist auch nicht möglich, denn ein Test will vorbereitet sein: „Die Positionierung muss der tatsächlichen Position der Scheibe in der Maschine exakt entsprechen, damit wir richtige Resul- > Kein Raketentriebwerk und keine Wäscheschleuder: In diesem Druckbehälter können Staubexplosionen in Konzentration von 30 bis 1000 Kilogramm gefahrlos gezündet werden. jede neue Analyse in die Datenbank DOK-MEGA eingespeist, die mit 1,3 Millionen Datensätzen einen wahren Schatz an Informationen hütet. > Innovationen für die Arbeitssicherheit Ihre Arbeit und der enge Kontakt mit der Industrie bringen die Forscher am BGIA ständig in Berührung mit Innovationen im Bereich Arbeitssicherheit. Ein neuer Trend sind intelligente Schutzeinrichtungen für Maschinen, die zwischen Mensch und Werkstück unterscheiden können, teils mit unkonventionellen Ansätzen. „Wir hatten schon Hersteller, die mit Geruchserkennung gearbeitet haben“, erzählt Torsten Borowski. Momentan arbeitet der Ingenieur jedoch an einem System, das Kameras zur Erkennung von Menschen in Gefahrbereichen einsetzt. der Hand in eine rot-umrandete Fläche, das so genannten Schutzfeld. Das System schlägt Alarm. „Jetzt hat mich der Computer als schutzwürdiges Objekt erkannt.“ „Jetzt fangen wir mal an, dem Sensorsystem Böses zu tun“, beschreibt der BGIA-Forscher seine Arbeit und lächelt dabei betont unschuldig: Die Kamera wird irritiert, zum Beispiel mit Neonlicht konfrontiert, mit elektrischen Störungen, aber auch mit Verschmutzung und handfester Manipulation. Immer mit dem Ziel, herauszufinden, welche Fehlerquelle zum Ausfall des Systems führen kann. Dass die Forscher die Geräte mit viel Einfallsreichtum traktieren, hat seinen Grund, so Borowski: „Wenn eine solche Schutzeinrichtung später unbemerkt ausfällt, wäre das fatal für den Menschen, der sich darauf verlässt.“ > Glatter Durchschuss: Die Glasscheiben, die den Bediener einer Werkzeugmaschine vor Verletzungen beschützen sollen, werden durch gezielten Beschuss auf ihre Funktionstüchtigkeit getestet. biert“, wie Jürgen Maue es nennt. > Glasbruch mit Methode Glas klirrt, Scherben fallen zu Boden. „Jetzt wissen wir, wo die Grenze ist.“ Vom Boden hebt Olaf Mewes einen unscheinbaren, zylinderförmigen Gegenstand auf: das Normgeschoss. Vor wenigen Augenblicken ist das 2,5 Kilo schwere Projektil mit 360 Stundenkilometern durch die Beschussanlage gerast und gegen die Scheibe geprallt. Die Zerstörung hat System: „Wir möchten herausfinden, ob eine Sicherheitsscheibe ihren Zweck auch erfüllt“, sagt Mewes. „In modernen Werkzeugmaschinen laufen Prozesse teils mit sehr hoher Geschwindigkeit ab. Wenn sich da ein Bruchstück löst und herausgeschleudert wird, kann der Mensch, der die Maschine bedient, erheblich verletzt werden.“ tate bekommen“, erklärt Ingenieur Mewes . Manchmal sind die Ergebnisse auch echte Überraschungen. „Einmal hatte ein Hersteller Schrauben für die Befestigung des Rahmens vorgesehen. Als das Normgeschoss gegen die Scheibe prallte, schossen die Schraubenköpfe durch die Wucht des Aufpralls davon wie kleine Gewehrkugeln. Genau in Richtung des Menschen hinter der Maschine.“ Der hätte im wirklichen Leben schwere Kopfverletzungen davongetragen. Früher waren Ereignisse wie dieses nicht selten. Rund 2 400 Unfälle jährlich verzeichneten die Berufsgenossenschaften allein im Bereich Sicherheitsscheiben, bevor Tests mit der Beschussanlage begannen. Inzwischen ist die Zahl auf rund 600 gesunken. „Ein schöner Erfolg“, sagt Mewes zufrieden. „Dafür lohnen sich ein paar Scherben allemal.“ Stefan Boltz > dbb magazin | Juni 2006 report 17 dbb > fokus Hans-Jürgen Bieneck, Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Reformer ohne Furcht und Adler Seit Februar 1999 ist Hans-Jürgen Bieneck Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund. In seiner bislang siebenjährigen Amtszeit hat er sie in einen „nachhaltigen Modernisierungsprozess“ geführt, wie seine Verdienste in milchglasigem Ministerialdeutsch bewertet werden. Bieneck selbst ist eher ein Freund einfacherer Worte: „Mein Ziel ist es, die Dinge voran zu bringen“, sagte er beim „Mittagsgespräch“ mit Redakteuren des dbb magazins. mittagsgespräch 18 Irgendwann war es Zeit, den Vogel abzuschießen: „Wir haben keinen Bundesadler mehr im Erscheinungsbild“, sagt Hans-Jürgen Bieneck, als er seine Visitenkarte auf den Tisch legt. „Und unser neues Logo, das Sie zum Beispiel im Internet oder auf unseren Publikationen finden, ist hier auch noch nicht drauf. So ist das im öffentlichen Dienst: Zuerst werden die alten Sachen aufgebraucht, wenn sie noch irgendwie gut sind“, fügt Bieneck hinzu, und sein Mienenspiel gibt Anlass zu der Vermutung, dass d a s nun nichts ist, was er unter die Kategorie „Problem“ einordnen würde. Auch ohne das neue Logo liefert die schlichte Visitenkarte wichtige Informationen über den Herrn im dunkelblauen Anzug: „Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Bieneck, Präsident und Professor der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ Seit sieben Jahren ist Bieneck Chef der BAuA, die im Juli 1996 als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Behörde zugeordnet wurde. Und seitdem hat er in seiner Anstalt einiges be- > dbb magazin | Juni 2006 wegt. Dazu gehört zum Beispiel die neue Organisationsstruktur, mit der er sein Haus Mitte Mai 2001 – gut zwei Jahre nach seinem Amtsantritt – fit für die Aufgaben der Zukunft machte: Die unter der Präsidentschaft Bienecks vollzogene Interpretation eines Organisationserlasses aus dem Bundesarbeitsministerium brachte straffere Strukturen und den Neuzuschnitt von Aufgaben in weniger Fachbereichen. > „Uns geht der ganze Mensch an.“ Auch die der BAuA als Geburtsmerkmal zugedachte Trennung von Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wurde aufgehoben, weil sie den Anforderungen, die die heutige Arbeitswelt an den Arbeitsschutz stellt, nicht länger gerecht wird: Die 650 Beschäftigten der Bundesanstalt, die am Hauptsitz in Dortmund, in den kleineren Standorten Berlin und Dresden sowie der Außenstelle Chemnitz tätig sind, bedienen sich in ihren Projekten längst einer Methode, die weithin als „ganzheitlich“ bekannt sein dürfte. „Wir im Arbeitsschutz sind der Meinung, dass uns der ganze Mensch angeht,“ sagt Bieneck. „Die BAuA ist auf dem Weg, innovativer Dienstleister in allen Fragen und Problemen einer modernen, zumeist hoch technisierten Arbeitswelt zu sein“. Längst gehe es nicht mehr allein um die Erarbeitung und Überwachung von Vorschriften, die helfen, die Bevölkerung vor schweren Arbeitsunfällen zu bewahren, beim Umgang mit giftigen Stoffen bestmöglich zu schützen oder beispielsweise den Verkauf und Betrieb hoch gefährlicher Elektroprodukte aus Billigländern wirksam zu unterbinden: „Wir befassen uns heute schon zu 50 Prozent mit Beratungsaufgaben, 25 Prozent gehören der Forschung und gerade noch 25 Prozent der Wahrnehmung klassischer hoheitlicher Aufgaben im Sinne der Arbeitsschutzgesetzgebung. Das ist auch der Grund, weshalb ich den Bundesadler aus unserem Erscheinungsbild verbannt habe“, erklärt der Präsident. > „Ich habe eine gute Mannschaft.“ Bieneck ist offensichtlich kein präsidialer Machtmensch, sondern Teamer, dem das Wort anderer, von Ausnahmen abgesehen, „in denen anders kein Konsens möglich ist“, gleich viel gilt, wie sein eigenes: „Ich bin ein Ermöglicher, wenn Sie so wollen“, sagt er. „Ich habe eine gute Mannschaft und habe Mitarbeitern, von denen ich weiß, dass sie es können und wollen, auch sehr komplexe Dinge zur selbständigen Bearbeitung anvertraut.“ Seine Aufgabe sei es, die Strategie, die großen Linien im Blick zu halten. „Ich habe die Geduld, Dinge sich entwickeln zu lassen und ich habe gelernt, zu akzep- tieren, dass die eine oder andere Sache ins Ziel mäandert, und nicht die Fließgeschwindigkeit eines Wildbachs hat.“ Die Fähigkeit, weit voneinander liegende Sichtweisen und Standpunkte gelten zu lassen, scheint der BAuA-Präsident von klein auf zu besitzen: In Bienecks Vita tauchen immer wieder interessante Gegensätze auf. Am 21. Februar 1944 im Landkreis Goldberg/ Niederschlesien geboren, wuchs Bieneck als Sohn einer Flüchtlingsfamilie in der niedersächsischen Industriestadt Peine auf. Die bescheidenen Verhältnisse seiner Kindheit hinderten den jungen Hans-Jürgen aber keineswegs daran, im Orchester seines Gymnasiums so gut Oboe zu spielen, dass er bald schwankte, ob er Musik studieren solle „oder etwas vernünftiges“. Um die Entscheidung etwas ruhen zu lassen – und das für welches Studium auch immer notwendige Geld zu verdienen –, ging Bieneck nach dem Abitur erst einmal als Zeitsoldat zur Bundeswehr. Als er sie zwei Jahre später verließ, hatte er seine Entscheidung getroffen: Er wollte Wirtschaftingenieur werden, ein damals relativ neuer Studiengang, den nur ein paar Universitäten anboten. Studieren wollte er – der inhaltlichen Gewichtung wegen – in Berlin, dem WestBerlin der APO-Zeit. > Der Saxophonist und Zeitsoldat Krasser ging es wohl kaum: Der „Kulturschock“, der dem 21-jährigen Studenten der Technischen Universität bevor stand, dürfte erheblich gewesen sein. Auf der einen Seite: langhaarige Anhänger der „Außerparla- > dbb > fokus > zum Standesamt. „Unverheiratete bekamen im katholischen Rheinland zu diesen Zeiten keine gemeinsame Wohnung.“ Vom Hauch der neuen Zeit belebt aber war seine erste Anstellung: „Während die meisten meiner Kommilitonen in die Industrie gingen, habe ich etwas völlig ungewöhnliches gemacht: Ich ging zu einer Regierungskommission.“ Unter Bundeskanzler Willy Brandt initiiert, wurden für die „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel.“, KoWiSoWa, junge Visionäre rekrutiert, die hochmotiviert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im stellungen, für die der moderne Arbeitsschutz nach Lösungen sucht, sei es der demographische Wandel oder die Krankenstatistik in den verschiedenen Berufssparten, steht der humane Umgang mit den Beschäftigten im Mittelpunkt“, sagt Bieneck. Im übrigen sei der Arbeitsschutz immer dicht am technischen Fortschritt dran, der ihm immer wieder neue Aufgaben stelle. > Karl May als sozialkritischer Helfer Um die Botschaft des menschlichen Umgangs mit den Beschäftigten, der sich vom mob- BAuA – Präsident Prof. Hans-Jürgen Bieneck (Mitte) im Gespräch mit dbb magazin Redakteurin Christine Bonath und Chefredakteur Dr. Walter Schmitz. gelaunt. „Man war als junger Mensch damals in einer latenten Protesthaltung.“ Auch glaubt er, dass der Vietnamkrieg, an dem sich im Berlin der späten 60er Jahre mancher Protest entzündete, nur das naheliegende Thema war, an dem sich das Selbstverständnis der jungen Nachkriegsgeneration ausbilden konnte. 1971 übersiedelte der frisch diplomierte Wirtschaftingenieur aus dem wilden West-Berlin samt Freundin in die stockbiedere Regierungshauptstadt Bonn – und schritt schon bald modernen Nachkriegsdeutschland erforschten. 1976 war es damit vorbei: Die Kommission wurde aufgelöst und ihre Mitglieder, die sich furchtlos auch mit den ministerialen Spitzenvertretern angelegt hatten, in verschiedene Ministeien aufgeteilt. Bieneck steckte man in die Abteilung Arbeitsschutz des Arbeitsministeriums. Damit wollte er zunächst nicht zu tun haben, gibt er unumwunden zu. Bis ihm klar wurde, worum es eigentlich geht: „Wie man es dreht und wendet: Bei allen Frage- bingfreien Betriebsklima über ergonomisch korrekt ausgestattete Arbeitsplätze bis hin zur Begleitung neuer Arbeitstechniken und -technologien erstreckt, und den die Beschäftigten der BAuA in unzähligen Projekten begleiten, zu unterstützen, scheut BAuA-Präsident Bieneck kaum ein Angebot zur Kommunikation: Er spricht Grußworte und hält viel beachtete Fachvorträge, begrüßt Besucher der von der BAuA initiierten Deutschen Arbeitschutzausstellung (DASA) in Dortmund und zählt zu den Moto- ren der „Initiative für eine neue Qualität der Arbeit“ INQA , eines Netzwerkes, in dem sich Sozialpartner, Sozialversicherungsträger, Behörden und Institutionen sowie Stiftungen zusammengeschlossen haben, um der modernen Arbeitswelt ein humaneres Gesicht zu geben. 2005 hat wurde Bieneck zudem für zwei Jahre zum Präsidenten von PEROSH gewählt, eines Bündnisses für Arbeitsund Gesundheitsschutz, dem bisher Institute aus 15 Nationen angehören. „Ich wäre froh, wenn dieses zarte Pflänzchen schon etwas kräftiger wäre“, sagt er mit Blick auf die noch in den Anfängen stehenden Harmonisierungbemühungen europaweiter Arbeitsschutzphilosophien. Sein Engagement geht soweit, dass er selbst dann für die Sache des Arbeitsschutzes auftritt, wenn er eigentlich Privatmann sein könnte. Im Januar hatte die Stadt-und Landesbilbiothek Dortmund den BAuAPräsidenten im Rahmen ihrer Reihe „Dortmund liest“ eingeladen, vor interessiertem Publikum aus einem Lieblingsbuch vorzulesen. Bieneck kam, las und schockierte mit der Schilderung der grässlichen und menschenfeindlichen Arbeitsbedingungen in einer Fabrik, wie sie im letzten Drittel des vorvergangenen Jahrhunderts an der Tagesordnung waren. „Sie lesen uns Karl Marx vor?“, soll eine Dame aus dem Kreis der Zuhörer indigniert gefragt haben. Darauf Bieneck: „Das ist von Karl May. Aber der hat es in seinem Schmugglerroman ,Das Buschgespenst‘, das im Arme-Leute-Millieu im sächsischen Erzgebirge spielt, sehr wohl verstanden, die verheerenden Zustände zu schildern, denen die Fabrikarbeiter damals schutzlos ausgeliefert waren.“ cri > dbb magazin | Juni 2006 19 mittagsgespräch mentarischen Opposition, APO genannt, die jegliche Autorität in Frage stellten und den tausend Jahre alten „Muff“ aus Professorentalaren und Kleinbürgerköpfen schütteln wollten. Auf der anderen Seite: der an soldatische Ordnung und Disziplin gewöhnte Reserveoffizier Bieneck. Doch Bieneck, der zu seiner Bundeswehrzeit als Saxophonist einer Band mit Tanzmusik die niedersächsische Provinz „beswingt“ und „fast mehr verdient hatte, als mit dem Soldat sein“ hatte auch mit diesem Kontrast kein Problem. „Warum auch“, fragt er beinahe vierzig Jahre später gut dbb > fokus Tarifkonflikt: . . . leidet der Dritte Mit der Allgemeingültigkeit deutschen Spruchguts ist das so eine Sache. „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“, lautet eines der gängigsten Sprichwörter. Für Anwälte mag das ja noch weitgehend unwidersprochen gelten, aber für den großen Rest der Gesellschaft trifft dies selten zu. Für die breite Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gilt eher die moderne Abwandlung – „dann leidet auch der Dritte“. die andere ?????????????? meinung 20 Nicht jedes Leiden ist sofort spürbar. So kann Rauchen tödlich sein, muss es aber nicht. Setzt man aber die Messlatte der Folgenabschätzung korrekt an, spricht alles für die Richtigkeit der Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen. Tarifauseinandersetzungen sind Streit. Kommt es gar zum Streik, eskaliert der Streik zum Kampf. Dann stehen alle Räder still – so lange, bis der Bestreikte freiwillig einlenkt oder durch öffentlichen Druck zum Kompromiss gezwungen wird. Manchmal genügt allein das Vorzeigen der gewerkschaftlichen Folterwerkzeuge, um die Gegenseite zum Einlenken zu bewegen. So lief es jüngst in der Metall- und Elektroindustrie oder bei der Deutschen Post AG. Wo die Konjunktur brummt und die Unternehmen Ausfälle nicht verkraften können, ist die Kompromissbereitschaft stets hoch entwickelt. Ganz anders ist die Situation im öffentlichen Dienst. Die Kassen, egal ob von Kommunen, Ländern oder Bund, sind schlichtweg leer. Dafür sind die Beschäftigten zwar nicht verantwortlich zu machen, doch ändert dies nichts an der Feststellung. Wo es aber keinen Verteilungsspielraum gibt, sind die Kräfteverhältnisse ungleich verteilt. Es gelten die Gesetze der Physik: Wer am kürzeren Hebel sitzt, muss erheblich mehr Druck > dbb magazin | Juni 2006 ausüben, bis sich der Partner bewegt. Fehlt dann noch die öffentliche Unterstützung für die gewerkschaftlichen Ziele in einer Tarifauseinandersetzung, wird die Lage finster. Der öffentliche Dienst hat es traditionell ohnehin schwerer als andere Tarifbereiche: Kaum ein Tarifbereich vereint so viele Berufsgruppen und unterschiedliche Tätigkeiten. Nirgends ist das Spektrum breiter: von Arbeitern bei der Müllabfuhr, Sekretärinnen in den Landesministerien bis hin zu Vollakademikern in Schulen und Hochschulen. Die öffentliche Wahrnehmung des öffentlichen Dienstes aber ist eine andere: Die Mitarbeiter werden mehr oder weniger pauschal als „Beamte“ oder gar als „Staatsdiener“ beschrieben. Ein pauschaler Trugschluss, der jedoch Folgen hat für die Sympathiewerte bei Tarifauseinandersetzungen. Allenfalls für die Forderungen von Krankenschwestern gibt es ein gewisses Verständnis, aber kaum oder gar nicht für Justizangestellte oder Mitarbeiterinnen im Sozialamt. Ausgerechnet von ihren eigenen Beschäftigten – denn nichts anderes sind eigentlich die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes – wissen die Bürger am wenigsten. Gegen Unwissenheit gepaart mit althergebrachten Vorurteilen über „Sesselpupser“ und „faule Säcke“, die ohnehin nur auf Kosten der Allgemeinheit ihre „Privilegien“ genießen, lässt sich leicht mobilisieren. Die Gewerkschaften wissen über die Vorurteile, sonst hätten sie nicht pfiffige Anzeigen geschaltet, die auf die tatsächlichen Probleme der Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufmerksam machen sollten. Wer lesen wollte, hat zumindest gelernt, dass es um weit mehr geht als 18 Minuten. Wer weiterdenkt, bringt die Nachrichten der letzten Wochen und Monate zusammen. Er ahnt zumindest, dass die Mutter aller aktuellen Schwierigkeiten die Föderalismusreform ist. 16 Landesfürsten kochen ihr eigenes Süppchen. Die Einen erhöhen die Arbeitszeit, die Anderen kürzen das Weihnachtsgeld, die Dritten machen alles gleichzeitig. Mit solchen Partnern ist schlecht verhandeln. Dass ohne öffentlichen Dienst kein Staat zu machen ist, ahnt der Bürger. Dass gute Arbeit einen gerechten Lohn verdient, gehört zum Binsenwissen in einem Sozialstaat. Polizisten müssen ihre Wohnung bezahlen können, damit die Ausnüchterungszelle für Trunkenbolde frei ist. Krankenschwestern finden allen- falls ein freies Bett, wenn die Ärzte in der Uni-Klinik streiken. Und schließlich wird auch von den 4,7 Millionen Beschäftigten im öffentlichen DIenst erwartet, dass sie ihren Konsumbeitrag zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur leisten. Kurzum: Wer nicht bereit ist, seine Mitarbeiter anständig zu entlohnen, kann über kurz oder lang als Verlierer dastehen. Wer gute Lehrer haben will, muss im Konkurrenzkampf um die Besten bestehen können. Gleiches gilt für das kommunale Bauamt, die Steuerfahndung und die Kindertagesstätte. Abwegig, weil kurzsichtig, ist die Drohung, weitere öffentliche Dienstleistungen in private Hände zu geben. Vielleicht mag > Info Der Autor (Jahrgang 1949) ist politischer Korrespondent bei der Tageszeitung Neue Westfälische, Bielefeld. Gewerkschaftlichen Themen widmet er seit Jahren seine besondere Aufmerksamkeit. Seine journalistische Leidenschaft gilt der Bildungspolitik. das auf Zeit billiger kommen; langfristig aber werden auch private Müllarbeiter ihre Arbeitskraft nicht zu jedem Preis verkaufen. Das Ergebnis einer korrekten Folgenabschätzung ist eindeutig und lässt sich am besten mit einem Bonmot aus dem angelsächsischen Sprachraum ausdrücken: If you pay peanuts, you get monkeys. Nicht einmal der knickrigste Kämmerer, der sparsamste Finanzminister und der vorurteilsbeladenste Bürger kann das ernsthaft wollen. Der Tarifkompromiss trägt dem Rechnung – in letzter Sekunde. Bernhard Hänel dbb > fokus Erfolgreich arbeiten mit IT: dbb akademie bietet zahlreiche IT-Seminare an „80 Prozent der IT-Anwender nutzen nur 20 Prozent eines Programms.“ „Heutzutage ist ITWeiterbildung doch überflüssig, da fast jeder einen PC zu Hause hat.“ Unversöhnlich scheinen sich diese beiden Ansichten gegenüber zu stehen. Einerseits sind aktuelle Anwendungsprogramme für den PC so umfangreich, dass nur noch Experten alle Funktionen nutzen können, andererseits kann heute fast jeder E-Mails senden, eine Textverarbeitung nutzen oder im Internet surfen. Was will man mehr? > mitgliederservice 22 Gefordert: Stressfreie Anwendung Anwendungsprogramme unter Windows täuschen durch ihre Benutzeroberfläche vor, dass sie einfach zu bedienen sind. Doch der Teufel steckt oft im Detail. Wer z. B. unter MS Word Dokumentvorlagen sichern möchte, mag sich wundern, dass er den entsprechenden Vorlagenordner nicht findet, weil er von MS Windows ausgeblendet wird. Erst eine Umstellung des Dateimanagers Explorer schafft hier Abhilfe, wenn die Ordneroptionen entsprechend angepasst wurden. So gibt es viele kleine Fallen, in die auch der geübte Anwender tappen kann. Viele Funktionen werden nur einmal benötigt und daher schnell vergessen. Manchmal ist die Begrifflichkeit der Anwendung missverständlich und auch die Macht der Gewohnheit hindert den Anwender oft am effektiven Umgang mit einem Programm. So kann die Arbeit mit einem Anwendungsprogramm auch in Stress ausarten. Hinzu kommen die Gefahren, die durch das Internet drohen. Experten betonen es immer wieder: der einfache Anwender > dbb magazin | Juni 2006 ist die größte Gefahrenquelle im Internet, weil er die Attacken von E-Kriminellen nicht durchschauen kann. Gefälschte Internetseiten verleiten zur Eingabe von Bankdaten, aktivierte Skripte nötigen den Internetbrowser dazu, ungewollt Programme zu übertragen, E-Mail-Anhänge enthalten Viren, Würmer oder Trojaner. Die Anwender werden zum unfreiwilligen Komplizen von kriminellen Aktivitäten. > IT-Seminare sind ein Muss IT-Seminare sind daher nach wie vor unverzichtbar. Sie befähigen den Anwender, sicher und effektiv, stressfrei und souverän mit PC-Programmen zu arbeiten. Das Verständnis der Ordnerstruktur auf den diversen Datenträgern, die Bedeutung von Dateiendungen, der effektive Einsatz von Formatierungen im Textverarbeitungsprogramm oder die souveräne Verwaltung von E-Mails in Ordnern und Archiven, der sichere Umgang mit dem Internet – all dies erleichtert die Bewältigung der täglichen Arbeitsbelastung. Die dbb akademie bietet deshalb ein umfangreiches Angebot an Seminaren zu aktuellen ITThemen. Im IT-Grundseminar lernen Einsteiger die ersten Schritte mit dem PC. In Aufbauseminaren können sie ihre Kenntnisse vertiefen, in Spezialseminaren und Workshops werden gezielt Themen behandelt, die nur von bestimmten Zielgruppen benötigt werden. Die Seminare erklären grundlegende Zusammenhänge einzelner Programmfunktionen, vermitteln in Präsentationsphasen anhand von Beispielen die Vorgehensweise bei der Nutzung bestimmter Funktionen und bieten den Teilnehmenden immer wieder die Möglichkeit, durch eigenständige Übungen die erworbenen Kenntnisse praktisch anzuwenden. Skripte dienen dazu, das Seminar selbstständig nachzubereiten, sie enthalten Übungsbeispiele und Lösungen, Anleitungen und Erklärungen. Unsere IT-Seminare befähigen die Teilnehmenden, ihr neues Wissen im beruflichen oder privaten Bereich anzuwenden und selbstständig neue Lösungen zu erarbeiten. Unsere Dozenten stehen auch nach den Seminaren für Rückfragen gerne zur Verfügung. Durch die angenehme Umgebung in unserem Bildungszentrum dbb forum siebengebirge und den Einsatz professioneller Dozenten gewährleisten wir eine entspannte Arbeitsatmosphäre und den Erfolg unserer Seminare. Unser zentral gelegener Seminarraum in Berlin ermöglicht den Teilnehmenden nach dem Seminar eine spannende Entdeckungstour im weltberühmten Zentrum unserer Bundeshauptstadt. > Aktuelle Seminare zu MS PowerPoint, MS Access und OpenOffice Wer einen Vortrag halten will, erleichtert es seinen Zuhörern, wenn er die wesentlichen Inhalte visualisiert. Das Publikum kann so den Gedankengang des Referenten nachvollziehen und komplexe Zusammenhänge anhand von grafischen Darstellungen besser verstehen. Das Programm MS PowerPoint bietet die Möglichkeit, einen Vortrag durch professionell gestaltete elektroni- > Thema Termin Ort Preis für dbb Mitglieder Übernachtung/ Vollpension MS PowerPoint 7. – 9. 6. 2006 Königswinter 270 € ja MS PowerPoint 12. – 14. 6. 2006 Berlin 170 € nein MS Access 12. – 14. 6. 2006 Königswinter 270 € ja MS Access 19. – 21. 6. 2006 Berlin 170 € nein OpenOffice 22. – 24. 8. 2006 Königswinter 270 € ja Anmeldungen unter: dbb akademie Tel.: 02 28/81 93-171 (Frau Herkenhöner) oder unter: [email protected] Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.dbbakademie.de dbb > fokus Mit dem Datenbankprogramm MS Access können eigene Adress- und Kundeninformationen, Bücher- oder CD-Sammlungen effektiv verwaltet werden. Die in Access gespeicherten Daten können für Serienbriefe, Bestandsverzeichnisse oder statistische Auswertungen verwendet werden. Datenbanken sind flexibel für eine Vielzahl von Anwendungsfällen. Das kostenlose Programm OpenOffice enthält umfangreiche und ausgereifte Komponenten für die Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationserstellung, Grafikbearbeitung und Datenbankarbeit. Es entwickelt sich mehr und mehr zu einer ernstzunehmenden Alternative zu den teuren OfficeProgrammen anderer Anbieter. > Arbeitstagung: Personalentwicklung und Fortbildungskonzepte Am 7. September 2006 führt die dbb akademie auch in diesem Jahr die eintägige Arbeitstagung „Personalentwicklung und Fortbildungskonzepte“ im dbb forum berlin durch. Die Referenten und Gesprächspartner aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie Verbänden und der Privatwirtschaft sind ausgewiesene Fachleute aus der Praxis. Sie werden Standpunkte und Arbeitsergebnisse vorstellen und mit den Teilnehmern über praktische Erfahrungen diskutieren. Aufgrund der positiven Erfahrungen im letzten Jahr bieten wir bei dieser Tagung erneut so- Die Welt entdecken ... ... mit der dbb akademie! Unsere ausführlichen Reiseangebote erhalten Sie in der Reisestelle der dbb akademie Tel: 02 28/81 93-187/Fax: 02 28/81 93-106, E-Mail: [email protected] Internet: www.dbbakademie.de/reisen wohl vormittags als auch nachmittags Arbeitsgruppen an. Themen der Veranstaltung sind zum Beispiel: Tarifreform für den öffentlichen Dienst Systematische Leistungsbewertung Leistungsfeststellung mit Hilfe von Zielvereinbarungen Mitarbeitergespräch/Qualifizierungsgespräch/Zielvereinbarung Leistungsabhängige Entgeltsysteme Führungskräfteentwicklung/ Supervision Personalentwicklung für ältere Beschäftigte Die Kosten für die eintägige Veranstaltung betragen 75 Euro. Auskunft erteilt: Brigitte Bojanowsky, Tel. 02 28/81 93-125, E-Mail: b.bojanowsky @ dbbakademie.de Ihre Anmeldung nimmt entgegen: Käthe Stelzner, Tel. 0 30/40 81 – 65 44, E-Mail: k.stelzner@ dbbakademie.de 23 mitgliederservice sche Folien zu unterstützen. Durch den gezielten Einsatz von Farben, Animationen, Bildern und Grafiken unterstreicht der Referent seine Aussagen und Argumente. > dbb magazin | Juni 2006 dbb > fokus Sitzung der Hauptversammlung der dbb bundesfrauenvertretung: Gender Mainstreaming für den dbb In der Zeit vom 28. bis 29. April 2006 hat die Hauptversammlung der dbb bundesfrauenvertretung in Königswinter ihre Frühjahrstagung durchgeführt. Die dbb Bundesleitung wurde durch die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Heinz Ossenkamp und Ilse Schedl vertreten. frauen 24 Hauptthema war die Strukturund Finanzreform im dbb und in diesem Zusammenhang besonders die tatsächliche Durchsetzung von Gender Mainstreaming. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Heinz Ossenkamp berichtete über den augenblicklichen Stand der Entwicklungen. Die Hauptversammlung hat den Ablauf des 9. dbb bundesfrauenkongresses, der vom 6. bis 7. Oktober 2006 in Potsdam stattfinden wird, weiter geplant und sich über Anträge zum dbb bundesfrauenkongress 2006 verständigt. Termin für die Delegiertenmeldung war der 22. Mai 2006; Anträge können von den Mitgliedsgewerkschaften noch bis zum 30. Juni 2006 eingereicht werden. Später eingehende Anträge gelten als verspätet. Die Hauptversammlung beschäftigte sich mit dem Thema der steuerlichen Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten. Die steuerrechtliche Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten hat sich rückwirkend zum 1. Januar 2006 verändert. Die dbb bundesfrauenvertretung hat sich in die politische Diskussion mit konstruktiven Beiträgen eingebracht und durchgehend die Absetzbarkeit als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben vom ersten Euro an gefordert. Am 31. Januar 2006 hatte > dbb magazin | Juni 2006 sich die Koalition auf folgende Regelung geeinigt: Doppelverdiener und Alleinerziehende können Betreuungskosten vom ersten Euro an zu zwei Dritteln absetzen, bei einer Absetzungshöchstgrenze von 4 000 Euro. Alleinverdiener können Betreuungskosten für Kinder zwischen drei und sechs Jahren nach denselben Grundsätzen absetzen. Der Finanzausschuss des Bundesrates hatte erwogen, auch die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten dem Sonderausgabenabzug unterwerfen zu wollen (Pläne von Schleswig-Holstein) und dem Bundesrat eine entsprechende Entschließung empfohlen. Dies wäre aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung ein Rückschritt gegenüber der Kompromisslösung vom 31. Januar 2006 (Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten wie Werbungskosten) gewesen. Deshalb hat sich die dbb bundesfrauenvertretung in einem Schreiben an den Präsidenten des Bundesrates und die Ministerpräsidenten der Länder gewandt, um diesen Rückschritt zu verhindern. Am 7. April 2006 hat der Bundesrat dem Gesetzentwurf zugestimmt und entsprechend der Empfehlung seines Finanzausschusses eine Entschließung gefasst, die dem BMF zur Verfügung gestellt wurde. > Nachdenkliche Gesichter bei den beiden stellvertretenden Bundesvorsitzenden Heinz Ossenkamp und Ilse Schedl: Helene Wildfeuer fordert die Umsetzung von Gender Mainstreaming im dbb. Die dbb bundesfrauenvertretung setzt sich nach wie vor für die volle Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten beziehungsweise Betriebsausgaben vom ersten Euro an ein. Dieses Ziel wird auch mit der neuen Rechtslage nicht erreicht. Das Musterverfahren der dbb bundesfrauenvertretung zur Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ist vom BFH (Az. VI R 42/03) nach wie vor noch nicht entschieden worden. Deswegen empfiehlt die dbb bundesfrauenvertretung auch weiterhin das Einlegen von Einsprüchen gegen den Einkommenssteuerbescheid, wenn und soweit Kinderbetreuungskosten nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Ein Musterwiderspruch kann unter www.frauen.dbb.de heruntergeladen werden. > Info 9. dbb bundesfrauenkongress Die dbb bundesfrauenvertretung wird in der Zeit vom 6. bis 7. Oktober 2006 in Potsdam ihren 9. Bundesfrauenkongress veranstalten. Die öffentliche Auftaktveranstaltung findet am Vormittag des 6. Oktober 2006 statt. Die Frauenvertretungen der Mitgliedsgewerkschaften und der Landesbünde des dbb können Anträge an den dbb Bundesfrauenkongress richten und dadurch auf die Beschlusslage der dbb bundesfrauenvertretung Einfluss nehmen. Die Mitgliedsgewerkschaften und Landesbünde können stimmberechtigte Delegierte entsenden. Auf Kosten der dbb Mitgliedsverbände können auch Gastdelegierte entsandt werden. Nähere Informationen erhalten Sie bei der dbb bundesfrauenvertretung. Ein weiteres Thema war das geplante neue Elterngeld. Voraussichtlich wird ab 2007 das neue Elterngeld eingeführt, das das bisherige Erziehungsgeld ersetzen wird. Ein Gesetzentwurf wird zur Jahresmitte 2006 erwartet. Das Elterngeld soll voraussichtlich mit Lohnersatzfunktion ausgestattet werden. Im Gespräch ist bisher eine Höhe von 67 Prozent entsprechend dem Arbeitslosengeld und eine Laufzeit von zwölf beziehungsweise 14 Monaten. Noch ist völlig unklar, welche Stellen das Elterngeld auszahlen werden – die geplanten Familienkassen bestehen noch nicht. Die Hauptversammlung forderte den Erhalt der dreijährigen Elternzeit und ein lohnersetzendes Elterngeld für alle Berufsgruppen im öffentlichen Dienst. Allein Erziehende und Geringverdiener dürfen nicht schlechter gestellt werden als nach den bisherigen Regelungen. Die Elterngelddiskussion steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau qualifizierter Ganztagsbetreuung für alle Altersgruppen von Kindern. Die Hauptversammlung beschäftigte sich auch mit einer Änderung bei den Lohnsteuerklassen III und V. Derzeit kann von Ehepaaren die Steuerklassenkombination III und V gewählt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, dies durch ein Anteilsverfahren zu ersetzen, bei dem jeder Ehegatte von vornherein annähernd die auf seinen Anteil am gemeinsamen Einkommen entfallenden Steuern bezahlen soll. Es bestand Einigkeit in der Hauptversammlung, dass die gegenwärtige Gesetzeslage insbesondere für Frauen unbefriedigend und Änderungen anzustreben sind. sch dbb > spezial Fußball-Weltmeisterschaft 2006: „Der 12. Mann“: Deutschl aktuell 26 Mehr als 1,5 Millionen Gäste werden im WMSommer nach Deutschland kommen, über drei Millionen Fußballinteressierte vom 8. Juni bis 9. Juli 2006 die 64 Partien in den Stadien verfolgen. Ein Milliardenpublikum in aller Welt wird bei den Spielen an den Fernsehbildschirmen mitfiebern. Vor Ort berichten rund 15 000 Medienvertreter über das Turnier. Damit das Spektakel reibungslos über die Bühne geht und zu einem stimmungsvollen Sportfest unter Freunden wird, rotiert neben dem austragenden Weltfußballverband auch noch eine ganz andere Mannschaft seit Monaten: Deutschlands öffentlicher Dienst. Bei Polizei, Kommunalverwaltungen, Zoll, Verkehrsplanung, im Gesundheitswesen, bei Feuerwehren, Personenverkehr und Entsorgungsbetrieben schmieden die eigens eingesetzten WM-Stäbe Einsatzpläne und Konzepte, spielen alle nur denkbaren Szenarien durch, die sich ergeben könnten. Einblicke: Der „12. Mann“ beim Warmlaufen... > dbb magazin | Juni 2006 Das Grußwort des FIFA-Präsidenten Sepp Blatter zur Fußball-WM 2006 liest sich wie eine Hymne auf den Veranstalter: „Was die geradezu legendäre deutsche Arbeitsmoral und das Organisationstalent angeht, kann ich nur bestätigen, dass diese Eigenschaften tatsächlich vorhanden sind und mehr denn je gepflegt werden ...“ Eines stand schon lange vor dem ersten Anpfiff des internationalen Turniers fest: Ohne die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wäre das Mega-Event schlicht unmöglich. Allerorten, insbesondere in und um Berlin, Dortmund, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Kaiserslautern, Köln, Leipzig, München, Nürnberg und Stuttgart organisieren, kalkulieren, simulieren sie, was das Zeug hält – auf allen Ebenen. > Nationale Schaltzentrale im BMI Die zentrale Koordinierungsstelle für alle staatlichen Handlungsfelder, quasi das nationale Superhirn in Sachen WM, sitzt im Berliner Bundesinnenministerium (BMI). Die hat den Deutschen Fußball-Bund (DFB) bereits bei der WM-Bewerbung intensiv unterstützt und gegenüber dem Weltfußball-Verband FIFA zahlreiche so genannte Regierungsgarantien abgegeben. Dazu gehören unter anderem eine zügige Visaerteilung zur Einreise und entbürokratisierte Arbeitsgenehmigungsverfahren während der WM 2006, erleichterte zoll- und steuerrechtliche Behandlung für bestimmte Personengruppen und natürlich die Gewährleistung der Sicherheit in jeder Hinsicht. Um die Umsetzung der Regierungsgarantien kümmert sich ebenso wie um Markenschutz, Akkreditierung, Umweltschutz, Protokoll, Münzen und Briefmarken, Gesundheit, Tourismus, Verbraucherschutz und logistische Unterstützung der Stab „WM 2006“ im BMI. Chef und Koordinator der Bundesregierung für die Fußball-WM ist Ex-Fußball-Profi Jürgen Rollmann. „Wir sind in der 75. Spielminute und führen 2:0. Beste Chancen – aber aufhören zu spielen, das dürfen wir jetzt nicht“ – Rollmanns Art zu umschreiben, dass die Vorbereitungen „voll im Plan“ sind. > den unterschiedlichste Übungen und Fortbildungen der Hilfsdienste statt. > Polizei: Enorme Arbeitsbelastung Eine Beschäftigtengruppe, die mit die Hauptlast während der WM tragen wird, sind die Bundes- und Landespolizisten. Jür- Weltmeisterschaft mit Sicherheit Von besonderer Bedeutung ist das Nationale Sicherheitskonzept, zu dessen Entwicklung sich die Bundesregierung gegenüber der FIFA verpflichtet hat. Es wurde in einem BundLänder-Ausschuss erarbeitet und umfasst alle notwendigen Maßnahmen vor, während und nach den Spielen: Nicht nur die Abwehr von Gefahren etwa durch gewalttätige Hooligans, sondern auch die Bekämpfung der allgemeinen und organisierten Kriminalität sowie des Terrorismus stehen im Mittelpunkt. Dem Verkehrsmanagement vor Ort und der Sicherheit des öffentlichen Personenverkehrs kommen im Nationalen Sicherheitskonzept besondere Bedeutung zu. Auch Planungen zur Notfall- und Katastrophenvorsorge und zur Sicherung der eingesetzten Kommunikationstechnik sind Teil des Konzepts. Die Länder und der Bund haben sich auf der Grundlage bestehender Notfall- und Katastrophenvorsorgeplanungen intensiv vorbereitet – im Vorfeld der WM fan- > Jürgen Schubert, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, sieht dem Turnier „mit professioneller Gelassenheit“ entgegen: „Die Polizei in Deutschland – und im Besonderen die Bereitschaftspolizeien der Länder – sind gut aufgestellt, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.“ gen Schubert, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, sieht dem Turnier „mit professioneller Gelassenheit“ entgegen: „Die Polizei in Deutschland – und im Besonderen die Bereitschaftspolizeien der Länder – sind gut aufgestellt, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.“ Ohne Frage: Die Polizei, nach wie vor betroffen von einem kontinuierlichen Personalabbau, insbesondere in den Ländern, wird sich auch wäh- > dbb > spezial ands öffentlicher Dienst > Wolfgang Speck, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) im dbb: „Ich weiß, dass wir uns einen Bärendienst erweisen, wenn wir trotz weniger Personal unsere Aufgabe gut erledigen. Doch die Kollegen sind hoch motiviert – unabhängig von der Politik.“ Auch wenn nicht in allen Bundesländern Spiele stattfinden, sind doch alle von dem Turnier betroffen – Stichwort „Public Viewing“: Alle Begegnungen der Fußballweltmeisterschaft können auch auf öffentlichen Plätzen mit Großbildleinwänden gesehen werden. Bundesweit rechnet man mit mehr als 400 Public-Viewing-Orten – eine Herausforderung für die Sicherheits- und Rettungskräfte. Ob sie der gewachsen sind, trainierten die Einheiten bundesweit bis kurz vor Beginn der WM immer wieder in konzertierten Übungen. Eine eingestürzte Großbildleinwand, ein von giftigen Dämpfen vernebelter Bahnhof sowie ein Großbrand in einer Behindertenwerkstatt waren die drei gleichzeitigen Schadenslagen der Aktion „Triangel“ am 11. März 2006 in Berlin. Der Test für den Katastrophenschutz der Hauptstadt, die größte, die jemals dort stattfand, missglückte teilweise erheblich und lieferte wichtige Erkenntnisse, die mit Hochdruck umgesetzt wurden, um die Koordination der Einsätze von Polizei, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk (THW), Bundeswehr, medizinischem Personal und Behörden zu optimieren. > Die Bahn kommt – auch zur WM Optimierung lautet auch das Schlagwort in Sachen Verkehrsinfrastruktur: Zur Bereitstel- lung flächendeckend bester Mobilitätsvoraussetzungen hatte sich die Bundesregierung gegenüber der FIFA ebenfalls verpflichtet. Zwar verfügt Deutschland über ein enges Netz von Schienen und Straßen sowie über zahlreiche Verkehrsflughäfen, doch um Engpässe zu verhindern, wird für den WM-Verkehr eine spezielle Wegeleitung eingerichtet, die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs werden zusätzliche Transportkapazitäten bereitstellen. Allen voran die Deutsche Bahn, die bereits 2004 von der FIFA zum nationalen (Be-)Förderer der WM 2006 ernannt wurde. Als Mobilitätsund Logistikdienstleister wird die Bahn Offizielle, Spieler und Betreuer ebenso wie zahlreiche Fußballfans aus aller Welt ans Ziel bringen. Auch für den gewaltigen Medientross der WM kommt die Bahn: 6 000 Medienvertreter erhalten > rend der WM als Freund und Helfer präsentieren und dafür eine enorme Arbeitsbelastung in Kauf nehmen. In allen Ländern und im Bund gilt eine Urlaubssperre, allerorten leisten die Beamtinnen und Beamten schon heute unzählige Überstunden, während sie in diversen Planungsstäben alle möglichen Einsatzvarianten vorbereiten. Wolfgang Speck, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) im dbb: „Die Überstunden kommen nicht nur durch die Spiele, sondern auch durch den Schutz der Mannschaftsquartiere, der Trainingsplätze, der Events in den Städten und der Fan-Camps zustande. Ich weiß, dass wir uns einen Bärendienst erweisen, wenn wir trotz weniger Personal unsere > Die Bahn kommt: Bereits 2004 ernannte die FIFA das Schienenunternehmen zum Nationalen (Be-)Förderer der WM 2006. > dbb magazin | Juni 2006 27 aktuell Aufgabe gut erledigen. Immer dann, wenn wir gut sind, belasten wir uns selbst.“ Doch die Kollegen seien „hoch motiviert – unabhängig von der Politik“. Während beispielsweise Baden-Württemberg 750 000 Euro für die Entgeltung von WMbedingten Überstunden bereitgestellt habe, zahle Bayern nicht einen Cent. dbb > spezial 28 gleichzeitig mit ihrer WM-Akkreditierung die Berechtigung, sechs Wochen lang auf dem gesamten Nah- und Fernverkehrsnetz kostenfrei zu reisen. Günstiger und bequemer sind die Spielorte nicht zu erreichen – und die Umwelt freut sich. Um die Besucher aus dem Inund Ausland ideal zu empfangen, stimmt die Bahn viele Züge und die Bahnhöfe in ihrem Erscheinungsbild auf die WM ab und bildet außerdem Service-Botschafter aus: Im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums werden rund 10 000 Mitarbeiter von städtischen Betrieben, Verkehrsunternehmen, aus der Hotellerie oder von Taxi-Unternehmen in eintägigen Seminaren im gastfreundlichen Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen, in Service- und Kundenorientierung geschult. aktuell > „How do I get to the Olympiastadion?” Damit es während der WM auch keine sprachlichen Barrieren gibt, drücken die Beschäftigten, die während der WM im direkten Kontakt mit den internationalen Gästen stehen, seit geraumer Zeit die Schulbank. Für Polizisten gibt es kleine Handbücher mit Übersetzungen der gängigsten Wendungen. „How do I get to the Olympiastadion? übt man fleißig bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Um bereit für den Showdown zu sein, wenn die Fußball-Elite in Berlin zu Gast ist, wurde eigens ein Projektteam gegründet, das die Koordination aller WM-relevanten Unternehmensfelder übernimmt. So auch ganz besondere Formen der Erfolgskontrolle: Nach der trockenen Theorie sollten die Busfahrer testen, ob sich das Büffeln gelohnt hat: Gemeinsam mit Berliner Gymnasiasten erprobten die Fahrer ihre neuen Englischkenntnisse. Die Schüler der 9. Klasse schlüpften in die Rolle der Fahrgäste und stellten typische Fra- > dbb magazin | Juni 2006 > Englisch büffeln für die WM: Mit Unterstützung von Berliner Gymnasiasten frischten die Omnibusfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe ihr Fremdsprachen-Vokabular auf. gen zu Tickets, Tarifen und Fahrverbindungen. Fazit: Abschlusstraining gelungen! „Für ein glänzendes Turnier“ legen sich derweil die Kollegen von der Berliner Stadtreinigung (BSR) ins Zeug. Berlin soll sich den Gästen aus aller Welt von seiner besten Seite präsentieren: freundlich, weltoffen und vor allem sauber. Die Profis des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC sind die Stars der Sauberkeitskampagne, die pünktlich im Vorfeld der WM startete. Mit authentischen Statements rufen die Kicker in BSR-Arbeitskleidung zu sauberem Verhalten auf: „Der beste Einwurf geht direkt in die Tonne“, findet Hertha-Crack Yildiray Bastürk. „890 Quadratkilometer Reinheitsgebiet“ haben die BSR-Beschäftigten sauber zu halten. Vera Gäde-Butzlaff vom BSRVorstand: „Wir wissen, dass sehr hohe Anforderungen an uns gestellt werden, und die Mitarbeiter sind motiviert, diese Herausforderungen anzunehmen. Wir sind der 12. Mann.“ Um den WM-bedingt wachsenden Müllbergen Herr zu werden, stellt die BSR befristet zusätzliche Mitarbeiter ein, außerdem sollen die Berliner Reinemacher während der Weltmeisterschaft wie sonst nur im Winter auch nachts im Einsatz sein: an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr. > Endspurt der Kleinigkeiten Der Countdown läuft auch in der Münchener Stadtverwaltung: Wie in allen Austragungsstädten betreiben nahezu alle Referate den „Endspurt der 1 000 Kleinigkeiten“. Ob Einzelheiten eines brasilianischen Samba-Corsos auf der Leopoldstraße, wichtige Protokollfragen, Stellplätze für die Übertragungswagen ausländischer Fernsehstationen oder Fertigstellung und Räumung von Baustellen auf den wichtigsten Hauptstraßen – unter einem Zwölfstundentag geht derzeit nichts im Kreisverwaltungs- und Baureferat der Bayernmetropole. Nicht ganz so hektisch, aber nicht minder aufgeregt ist die Stimmung in den kommunalen Provinzen der Republik, insbesondere dort, wo die WM-Mannschaften Quartier genommen haben. Michael Stockenberger, Verwaltungschef der gemütlichen Schwarzwaldgemeinde Bühlertal, sieht geradezu enthusiastisch der ersten Trainingseinheit des englischen Nationalteams entgegen. Beck- ham und Co. haben die Nobelresidenz Bühlerhöhe komplett gebucht und werden sich im Bühlertaler Mittelbergstadion auf ihre Spiele vorbereiten. Jeweils an die 1 000 Medienvertreter dürften die Ränge an Trainingstagen besetzen – „Wahnsinn!“, freut sich Stockenberger. Ganz auf familiäre Freundlichkeit setzt man hunderte Kilometer weiter nördlich am Rande der Lüneburger Heide: Die niedersächsische Kleinstadt Rotenburg an der Wümme, Gastgeber für die Nationalmannschaft von Trinidad und Tobago, ist eifrig dabei, karibisches Flair zu generieren, damit sich die Fußballer heimisch fühlen. Hunderte von Nationalfahnen, rot mit schwarzer Diagonale, sind bereits geflaggt, und Reinhard Lüdemann, für Sport zuständiger Beamter im Rathaus, plant für alle Fälle auch schon Aktionen, „um schlimmstenfalls seelischen Beistand zu leisten“, falls die Karibik-Kicker bei ihrer WMPremiere nicht so erfolgreich abschneiden sollten. Die heimische Wirtschaft arbeitet Hand in Hand mit der Verwaltung: Der Pferdemarkt vorm Rathaus soll in einen Sandstrand mit Palmen und Liegestühlen verwandelt werden ... bm dbb > spezial Kleiderordnung im öffentlichen Dienst: Achtung: Dresscode! Irgendwo in einer deutschen Behörde mit Kundenverkehr: Die junge Dame hinter dem Schreibtisch ist freundlich. Der beantragte Ausweis sei fertig, teilt sie freudig mit und schreitet sofort zur Tat. Auf roten High-Heels stöckelt sie zur Ablage, bückt sich zum untersten Fach und kramt das Dokument aus der Registratur. Dem erstaunten Kunden eröffnet sich dabei ein offenherziger Blick auf das tattooverzierte Steißbein. Zu allem Überfluss blitzt auch noch der String des Tangaslip über dem Bund des ohnehin viel zu kurzen Minirocks hervor ... jugend 30 Was für eine Bedienung im Szenelokal völlig in Ordnung ist, verbietet sich für eine Behördenmitarbeiterin eigentlich. Zwar haben sich die Bekleidungssitten seit den 50er-Jahren deutlich gelockert – in der freien Wirtschaft wie im öffentlichen Dienst. Aber allzu freizügige Einblicke bleiben dennoch verpönt, wie allen gängigen Stilberatern zu entnehmen ist. Für Banker zum Beispiel gelten demnach noch immer strenge Bekleidungsvorschriften. Am Herren ist dort sogar eine allzu bunte Krawatte nicht gern gesehen, ein korrekt sitzender, gedeckter Anzug ist Pflicht. Grundsätzlich gilt, dass Kompetenz nicht am Erscheinungsbild abgelesen werden kann. Trotzdem sendet das Auftreten und damit die Kleidung Signale an die Umwelt. Besonders Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kundenkontakt im öffentlichen Dienst und seinen privatisierten Bereichen sollten auf den korrekten Sitz der vorgeschriebenen Dienstkleidung achten. Wer keine verpflichtende Kleidung trägt, tut trotzdem gut daran, einige Grundregeln zu beachten, die sich nicht von denen der Privatwirtschaft unterscheiden. Ein Beamter im Einwohnermeldeamt, dessen Schreibtisch eher t@cker „Anstoß!“ Fußball-Vokabular auf dem Titel des dbb jugend magazin – passend zum WM-Monat Juni, und wie immer symbolisch gemeint: „Das Signal aus dem Tarifbereich sollte nun auch im Beamtenbereich nicht ungehört bleiben: Die Länder haben mit ihrem eindeutigen Votum für den Kompromiss von Potsdam auch eindeutig für flächendeckend gleiche Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen ihres Personals votiert. Das sollte der Anstoß zu einem Umdenken in Sachen Föderalismusreform sein: Es muss flächendeckend gleiches Geld für gleiche öffentliche Dienstleistungen geben! Was glauben Politiker, wie ein öffentlicher Dienst arbeitet, dessen Statusgrup- > dbb magazin | Juni 2006 > Tattoos sind Geschmackssache. Im Büro sollten sie aber auf jeden Fall bedeckt bleiben. einer Müllkippe als einem Arbeitsplatz ähnelt und der zudem noch durch besonders nachlässige Kleidung „besticht“, wird vom Bürger nicht unbedingt gern gesehen, denn Auftreten und Umfeld signalisieren Desinteresse am Kunden oder sogar am Job. > Das Amt liegt nicht am Strand Besonders für Damen gilt, nicht zu viel Haut zu zeigen. Im Sommer mag Bauchfrei für die Uni in Ordnung gehen, im Büro geht es dagegen meist nicht. Röcke sollten nicht zu kurz sein, denn ein allzu körperbetontes Outfit wird oft noch immer als Vertuschung von Inkompetenz gedeutet. Das gilt auch im Sommer: Flip-Flops, Miniröcke oder hautenge TankTops gehen gar nicht. Röcke sollten das Knie bedecken, Blusen dürfen nicht allzu weit ausgeschnitten sein. T-Shirts sollten den Oberarm noch bedecken. Selbst wenn im Büro einiges toleriert wird, ist derjenige gut beraten, der die Balance zwischen Outfit und persönlichem Anspruch im Blick behält. Auf Nummer Sicher gehen Männer und Frauen streng genommen nur, wenn sie der Temperatur keinen Einfluss auf die Kleidung erlauben. Wenn also Krawatte im Job zum Standard gehört, ist das > pen nolens volens auseinander dividiert und gegeneinander ausgespielt werden? Ganz sicher weder motiviert noch engagiert“, schreibt dbb jugend-Chef Dietmar Knecht zum aktuellen Tarifabschluss für den Länderbereich. Der Juni-t@cker bietet neben diesem wie immer noch viele weitere Themen, an denen Anstoß genommen werden darf und soll: Über ein bewegendes Erinnern an die Schrecken des Holocaust berichtet die t@cker-story. Orna Birnbach, Auschwitz-Überlebende, traf sich mit dbb Jugendlichen: „Ihr seid nicht Schuld. Aber ihr seid verantwortlich.“ Das t@cker-special berichtet über den 12. Mann bei der anstehenden Fußball-WM: Deutschlands öffentlicher Dienst. Das dbb jugend magazin t@cker – am besten gleich direkt ansurfen unter www.tacker-online.de! dbb > spezial auch bei 30 Grad so. Was für Frauenbeine gilt, wird bei Männern naturgemäß enger gefasst: Sandalen und Shorts können sich selbst Mitarbeiter nicht leisten, die keinen direkten Kundenkontakt haben. Gepflegte Kurzarmhemden dagegen sind selbstverständlich erlaubt. Krawatten müssen seriös sein. Schweinchen Dick oder Bart Simpson haben darauf ebenso wenig etwas verloren wie Schriftzüge mit Meinungsäußerungen. Bei der Wahl der Schuhe muss der erfolgreiche Mann ebenso auf einen Stil achten, der die Gesamterscheinung nach unten fortsetzt. Anzug und Turnschuhe können sich Fernsehmoderatoren leisten, Referenten im Ministerium dagegen nicht. Vorsicht bei Socken, die im Sitzen ein Teil des Unterschenkels freilegen: Das sieht albern aus und wird entsprechend ungern gesehen. Für Frauen und Männer ist es daneben selbstverständlich, Frisur und – bei Männern – den Bart in gepflegter Form zu halten. Wer möchte schon Medusa oder Alm-Öhi als Kundenberater gegenübersitzen? Beim Körperschmuck ist weniger mehr: Nicht zu dick auftragen. Für Herren ziemt sich in der Regel lediglich eine Uhr oder bestenfalls ein Ring. Auch Damen sind mit dezentem Schmuck auf der sicheren Seite. Sichtbare Tattoos und Piercings sind meist unerwünscht und sollten immer durch korrekte Kleidung verborgen werden können. Auch im Sommer. > Die Uniform muss sitzen Eine Sonderstellung in Sachen Dresscode nehmen die „Trachtengruppen“ des öffentlichen Dienstes ein, also Polizisten, Grenzschützer, Zöllner oder Vollzugsbedienstete. Ihre Uniformen sind vom Dienstherrn vorgegeben und dürfen nicht durch private Kleidung variiert werden. Trotz dieser Bekleidung sollten die Beamten sich nicht in allzu großer Sicherheit wiegen, denn wer öffentlich als Ordnungskraft auftritt, unterstreicht durch eine ungepflegte Uniform oder unangemessene Haartracht nicht gerade seine Autorität. In einem Erlass des Bundesinnenministeriums vom Januar 2006 heißt es sogar für die Bundespolizei: „Ein gepflegtes Erscheinungsbild und korrektes Auftreten der Polizeibeamtinnen und -beamten ist für die Darstellung der Bundespolizei unverzichtbar. Das äußere Erscheinungsbild der Polizei hat dabei maßgeblichen Einfluss auf das Ansehen und das Vertrauen der Bevölkerung sowie in die Akzeptanz der polizeilichen Maßnahmen.“ Die Einheitlichkeit dürfe nicht durch das Tragen nicht eingeführter Bekleidungsstücke oder Ausstattungsgegenstände, die abträgliche Gestaltung von Haar- und Bart sowie das tragen persönlicher Accessoires in Frage gestellt werden. Der Erlass geht ins Detail und regelt unter anderem, die erlaubte Haar- und Bartlänge (auch aus Sicherheitsaspekten), das Tragen von Schmuck und die Bekleidungsdetails. Für Tätowierungen oder Brandings gilt natürlich, das sie erstens nicht sichtbar sein dürfen und zweitens inhaltlich nicht gegen „die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen sowie keine sexuellen, diskriminierenden, Gewalt verherrlichenden oder ähnliche Motive darstellen“. In Sachen Make-up ist für Frauen wie Männer verbindlich, dass es nur zugelassen ist, wenn „es als sozialadäquat für eine Polizeibeamtin oder einen Polzeibeamten anzusehen ist.“ Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat den weitgehenden Erlass übrigens abgelehnt: „Das ist ein alter Zopf. Er stellt die Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei öffentlich in eine Schmuddelecke“, sagte der Vorsitzende für die Bundespolizei in der DPolG Hans-Joachim Zastrow im Januar 2006 br > dbb magazin | Juni 2006 dbb > spezial Europas Einigungsprozess kommt wieder in Gang: Alles neu macht der Mai? Nach der Ablehnung des europäischen Verfassungsentwurfes durch Frankreich und die Niederlande ist es in den Medien relativ ruhig geworden um den europäischen Einigungsprozesss. Was aber keineswegs bedeutet, dass auf dem europäischen Parkett nichts bewegt wird. Das zeigt ein Blick auf neue Regelungen und Entwicklungen, die allein im vergangenen Monat angeschoben worden sind. europa 32 „Alles neu macht der Mai“ gilt durchaus auch für Europa. So hatte der damalige französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 wichtige Impulse für die europäische Einigung gesetzt, indem er den Plan seines Landsmannes Jean Monnet zur so genannten Montanunion annahm. Dieser Plan beinhaltete bereits die Grundstrukturen der späteren EWG, weswegen der 9. Mai in ganz Europa als „Europatag“ gefeiert wird. Neues ergab sich jetzt auch im Wonnemonat des Jahres 2006 vor allem auf dem Gebiet der Freizügigkeit beziehungsweise > dbb magazin | Juni 2006 der Niederlassungsfreiheit, aber auch bei den Universitäten und im stockenden Prozess der Ratifikation der Verfassung. > Aufenthaltsrecht erleichtert Umzug ins Ausland Nach einer Ende April in Kraft getretenen Richtlinie der EU wird es für EU-Bürger und ihre Familienangehörigen leichter, ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu nehmen und sich dort auf Dauer niederzulassen. Die wesentli- che Änderung zur bisherigen Rechtslage ist hierbei, dass Unionsbürger sowie deren Familie, die sich fünf Jahre lang ununterbrochen und rechtmäßig im Aufnahmemitgliedsstaat aufgehalten haben, ohne weitere Bedingungen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erwerben. Vor dem Umzug müssen die Umzugswilligen jedoch entweder eine bestehende Arbeitsstelle oder ausreichendes Vermögen sowie eine gültige Krankenversicherung vorweisen. Nach den besagten fünf Jahren fallen diese Erfordernisse für das weitere Aufenthaltsrecht jedoch weg. Insbesondere brauchen die EU-Bürger keine Aufenthaltsgenehmigung mehr, es reicht künftig eine einfache Anmeldung, in manchen EU-Ländern ist nicht einmal diese Pflicht. Darüber hinaus werden Unionsbürger und ihre Angehörigen besser vor Ausweisung geschützt: Unionsbürger, die sich in den letzten zehn Jahren rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufgehalten haben oder Minderjährige können künftig nur noch aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit ausgewiesen werden. > Bürokratieabbau lichtet das Richtliniendickicht Gleichzeitig setzte die Kommission auch Zeichen bei der Vereinfachung von Normen beziehungsweise beim Bürokratieabbau: So wurden neun bisherige Richtlinien sowie eine Verordnung in der neuen > dbb > spezial Richtlinie zusammengefasst und vereinfacht. Im Interesse der Rechtsklarheit regelt die Richtlinie jetzt alle rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt im Rahmen der Unionsbürgerschaft. Auch wenn die meisten EU-Staaten die Richtlinie noch nicht umgesetzt haben, so können sich die Bürger doch bereits seit Geltung, also seit Anfang Mai 2006, direkt auf die Richtlinie berufen. Die Bürger der mittel- und osteuropäischen Staaten können dagegen noch nicht in vollem Maße von der Freizügigkeit profitieren. Denn nach dem Beitritt der neuen EU-Staaten im Jahre 2004 hatten lediglich drei alte EU-Staaten, nämlich Großbritannien, Irland und Schweden ihren Arbeitsmarkt für Zuzügler aus diesen Ländern geöffnet. Inzwischen haben sich Finnland, Spanien, Portugal und Griechenland diesen Staaten angeschlossen und ihre Beschränkungen komplett aufgehoben. Einen lediglich teilweisen Zuzug zum heimischen Arbeitsmarkt gestatten dagegen Frankreich, Belgien, Luxemburg und Italien. Die Niederlande wollen zunächst ihre Beschränkungen beibehalten, aber nächstes Jahr das Thema erneut beraten. Deutschland, Österreich und Dänemark wollen ihre Beschränkungen jedenfalls für die nächsten drei Jahre aufrecht erhalten. > Europas Unis als „Kraftwerke des Wissens“ Mehr Freizügigkeit soll auch an Europas Universitäten möglich werden. Es soll nach einer neuen Initiative der EU-Kommission beispielsweise einfacher werden, in anderen Mitgliedstaaten Hochschulzeugnisse anerkannt zu bekommen. Die Verfahren zur Anerkennung von Hochschulzeugnissen sollen an die Verfahren zur Anerkennung von Berufsqualifikationen angeglichen werden. Auch soll der Anteil der Gradu- Obwohl die EU originär für Bildung gar nicht zuständig ist, sondern das Thema nur über die Umwege Chancengleichheit im Binnenmarkt beziehungsweise über die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung entsprechend vorsichtig angeht, möchte die Kommission aber durchaus auch Einfluss auf Lehrinhalte nehmen: So soll als eine Komponente von Forscherlaufbahnen die Beschäftigung mit dem Recht des geistigen Eigentums, Kommunikation, die Unterhaltung von Netzwerken, Unternehmertätigkeit sowie Teamarbeit eingeführt werden. Ferner soll die Anzahl von Kursen angehoben werden, um im Sinne des lebenslangen Lernens auch Weiterbildung in späteren Lebensphasen anbieten zu können. Die Kommission möchte mit den beschriebenen Maßnahmen die Hemmnisse an den Universitäten abbauen, die bislang noch verhindern, dass sie ihr volles Potenzial entfalten. Denn die Universitäten seien nach den Worten des für Forschung zuständigen Mitgliedes der Kommission, Janez Potonik, „Kraftwerke zur Erzeugung von Wissen“. Sie müssten sich daher ebenso wie andere Gesellschaftsbereiche an die Anforderungen einer globalen, wissensbasierten Wirtschaft anpassen. Der eingeschränkten Zuständigkeit ist jedoch geschuldet, dass die Kommission hier kaum mit gesetzgeberischen Maßnahmen „durchregieren“ kann, sondern die vorgenannten Ziele mit Förderinstrumenten voranbringen möchte. > Ratifizierungsprozess geht langsam voran Nichts bahnbrechend Neues, aber doch zumindest einzelne Signale wurden von der Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf die offene Frage nach Europas Verfassung ausgesendet: So hat Estland Anfang Mai als 15. Mitgliedstaat die Verfassung im parlamentarischen Verfahren ratifiziert. Auch Finnland und Deutschland, die ab Juli 2006 beziehungsweise Januar 2007 jeweils die EU-Ratspräsidentschaft innehaben werden, möchten die Verfassung trotz der verfahrenen Lage nach den verlorenen Referenden in Frankreich und den Niederlanden nicht begraben. So bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich ihrer europapolitischen Regierungserklärung, dass Europa „unbedingt“ den Verfassungsvertrag brauche. Hierbei wolle man aber auch keinen „Schnellschuss“ machen. Auch die Kommission will die Denkpause in der Verfassungsfrage durchaus noch verlängern: Die Rede ist vom Jahr 2008. Vorher sollen die europäischen Staats- und Regierungschefs anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der römischen Verträge im März 2007 ein Bekenntnis zu Europa abgeben, um dem Prozess neues Leben einzuhauchen. Nur hinter vorgehaltener Hand wird hierbei kolportiert, erst müssten die 2007 stattfindenden Wahlen in Frankreich und den Niederlanden überstanden sein, damit man in der Verfassungsfrage wieder voranschreiten könne. hz > dbb magazin | Juni 2006 33 europa ierten, die mindestens ein Semester im Ausland oder in der Wirtschaft absolvieren, erhöht werden. Hierbei soll den Studierenden auch der Zugang zu nationalen Darlehen und Beihilfen erleichtert werden. Sogar nationale Studiengebühren und im Zusammenhang damit die Finanzierung der Universitäten werden überprüft. Die Kommission spricht sich weiter dafür aus, dass die Universitäten mehr Autonomie und Verantwortung erhalten, insbesondere, was die Auswahl des Lehrund Forschungspersonals anbelangt. dbb > spezial Fußball-Patente: Wer hat’s erfunden? Schon William Shakespeare lässt in seiner 1592 entstandenen „Komödie der Irrungen“ einen Akteur klagen, dass er wenigstens in Leder genäht werden möchte, sofern man ihn weiter wie einen Fußball herumzustoßen gedenke. Aber Vorsicht – nicht die Briten, auch wenn sie es sicher gern täten, dürfen sich die Erfindung des Fußballs auf die Fahnen schreiben. aktuell 38 Und wer hat’s erfunden? Das kann auch das Deutsche Patent- und Markenamt in München nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber dort ist man den Ideen fußballbegeisterter Erfinder auf den Grund gegangen – ein sehr informativer, stellenweise skurriler Beitrag der Bundesoberbehörde zur Fußball-WM. Kaum zu glauben, was rund um den Globus erdacht wurde, um Erfolg und Spaß beim Spiel der Spiele zu steigern! Und vieles davon ist nicht nur patent, sondern eben auch Patent. Nicht nur, wenn es ums runde Leder selbst geht (heute auch gern KunststoffLaminat) – jede Menge Betätigungsfelder für Tüftler. > Ts’uh-küh in China Die gab es offenbar zu allen Zeiten. Im Jahr 2697 vor Christus wurde in China „Ts’uh-küh“ gespielt, die älteste bekannte und zweifelsfrei belegbare Fußballversion. Dabei bedeutet „Ts’uh“ den Ball mit dem Fuß stoßen, „küh“ beschreibt das Spielgerät: einen mit Haaren und Federn gefüllten Lederball. 1 000 Jahre später wird erstmals über einen aus Ledersegmenten zusammengenähten Ball berichtet. In Japan trafen sich Priester und Adlige um 300 v. Chr. zu einer Art Kreisfußball – dieses „Kemari“ wird bis heute ge- > dbb magazin | Juni 2006 spielt, mit einem Hirschlederball, der mit einer Gerstenfüllung in Form gebracht und mit Pferdehaut zusammengenäht wird. Auch im alten Ägypten, im antiken Griechenland, im Römischen Reich und im mittelalterlichen Europa stand das Spiel hoch im Kurs, allerdings als militärische Ertüchtigung. Als Ball dienten den Griechen aufgeblasene Schweineblasen, in Leder eingenäht – die Urform des heutigen aus zwei Schalen gebildeten, luftgefüllten Lederfußballs. Die Römer waren es, die auf ihren Eroberungsfeldzügen das Spiel auf die Britischen Inseln, nach Gallien und Germanien (!) brachten, wo es immer mehr zur Volksbelustigung wurde. Auch Regeln und sportliche Fairness stehen nicht erst seit der Neuzeit zur Debatte: 1460 wurde in Italien festgelegt, dass die zwei Mannschaften versuchen sollten, den Ball mit „nicht kriminellen Mitteln“ über eine Begrenzungslinie zu befördern. > 500 Spieler auf dem Feld Auch in Amerika wurde lange vor der Zeitenwende „Tlachtli“ gespielt, verbunden mit kultischen Opfern. Es sei eine alte Streitfrage, berichten die Experten, ob die Sieger wegen ihres göttlichen Spiels oder die Verlierer wegen ihrer Unzulänglichkeiten den Göttern geopfert wurden... Um 1600 spielten nordamerikanische Ureinwohner eine Art Strand-Fußball – mit bis zu 500 Mitspielern pro Team, auf einem Spielfeld von rund 1,6 Kilometer Länge und mit 800 Meter breiten Toren. Die Inuit gingen, wie könnte es anders sein, aufs Eis – mit einem schweren Ball, der mit Gras, Karibu-Haaren und Moos gefüllt war. Die Tore sollen bis zu 16 Kilometer auseinander gelegen haben. > Hülle, Blase und Ventil Entscheidende Veränderungen hat der Fußball als Spielgerät vor allem in den letzten 125 Jahren durchlaufen. Zwar sind die Hauptbestandteile Außenhülle und Gummiblase geblieben, aber als Materialien kommen inzwischen Kunststoff, Schaumgummi, Latex- und Textilschichten zum Einsatz. Erst 2004 bekam der Laminatfußball mit mehrlagiger Außenhülle eine US-amerikanische Patentnummer. Ein US-Patent war es auch, das 1844 Charles Goodyear für die Vulkanisierung von Kautschuk bekam, wodurch Naturgummi wasserundurchlässig wurde – eine wichtige Voraussetzung für die Erfindung des Gummifußballs: Dabei wurde über eine sehr dünne Gummihülle, die als Blase diente, eine stabilere Gummiaußenhülle gezogen. 1886 wurde in Großbritannien erstmals ein Ventil in eine Gummiblase eingeklebt, ein Jahr später gab es das Patent für die klassische Fußball-Luftpumpe. Die hat sich übrigens bis heute kaum verändert. Auf deutsche Erfinder des Jahres 1989 geht die Aufteilung der Blase in mehrere Kammern zurück (Patentnummer DE 3918038A1, während die Briten 1998 per Patent anregten, auf eine Gummiblase ganz zu verzichten und stattdessen dünnes Metallblech zu verwenden. > „Intelligenter Ball“ aus Deutschland Des deutschen Fußballerfinders Herz schlägt offensichtlich hö- her bei allem, was dem sicheren Verschließen des runden Leders dient. Seit 1921 ein Patent für ein „Löffelartiges Werkzeug zum Verklemmen eines Einfüllstutzens am Fußball“ vergeben wurde, folgten bis zum Jahr 1949 allein zehn andere DE-Patentnummern, darunter für einen „riegelartigen Laschenverschluss“, ein „Hebelwerkzeug zum Verklemmen eines Einfüllstutzens“ und für einen „Verschluss der Ballhülle durch Verschnüren übereinanderliegender Lederlaschen“. Aber auch unterschiedliche Beschichtungen der Ballhülle tragen DE-Patentnummern. Und schließlich sind auch die „Fußballaußenhülle aus Fünfecken und dreiarmigen Sternflächen“ (DE 19541395 A1) aus dem Jahr 1995 und der so genannte intelligente Ball mit integriertem Radiosender zur Positionsbestimmung (DE 10338620 A1) von 2003 deutsche Erfindungen. Die Fußballherstellung ist keine leichte Sache, wie sich lesen lässt: Die Blase wird mit dem Ventilstutzen mittels eines verstärkten Klebefadens umwickelt, bis daraus eine Art Gewebeschicht entsteht, die erhitzt und mit der Blase verschmolzen wird. Die aus Leder oder Kunstleder ausgeschnittenen Mehrecke werden maschinell so zusammengenäht, dass alle Nähte nach außen weisen. Dann wird der Ball durch eine noch vorhandene Öffnung umgestülpt, die verstärkte Blase eingeführt und der Ventilstutzen in dem in einem der Mehrecke vorhandenen Ventilloch verklebt. Die Öffnung wird per Handnaht verschlossen und der Ball kann aufgepumpt werden. Noch Fragen? Mehr „Patentes“ über Trainerbank und Eckfahne, Fußballtor und Stollenschuh, Spielerdress und Torwarthandschuhe im Internet unter www.dpma.de cok dbb > spezial füllt mit einem Schiri-Set, bestehend aus Trillerpfeife nebst gelber und roter Karte. Selbst Küchenrollen und Klopapier gibt es in Kombi-Fußball-Packs mit witzigen Fußball-Sprüchen auf den Packungen ... Alles für die Fans Doch damit nicht genug, neben vorsorglich gehorteten Tröten, Sirenen, Rasseln und Trommeln (in fast allen Landesfarben) trinkt der wahre Fan aus WMFußballgläsern oder DFB-Biertulpen, kauft Cola in der Kiste und bekommt den Original Coca-Cola Fanschlauch dazu, isst Butter, Kick-it-WürstchenSnacks, Pommes und Konfekt in Fußballform und nimmt für sein Frühstückchen halbzehn in Deutschland die KnoppersHalbzeitbox mit ins Büro oder in die Fabrik. Wer eingeladen ist, verschenkt keine Blumen, sondern zwei Flaschen des berühmten weißen Rums, der meistens unter Palmen am Strand getrunken wird. Zwei Flaschen deshalb, weil es dann ein Deutschland-Trikot gratis gibt. Wer keinen Rum mag, labt sich an Fußball-Riesling oder Fußball-Dornfelder Fifa World Cup 2006. Selbstverständlich kaufen die Fans nur noch Grillsaucen in Trikot geschmückten Flaschen, Mini-Spirituosenfläschchen in Fußballform und Schokoladen-Fußballschule, ge- Alles für die Fans. An alles ist gedacht. Wirklich an alles? Offenbar nicht, denn ein wichtiges Feld scheint unbeackert geblieben zu sein. Wo gewonnen wird, wird auch verloren, und das kostet Tränen. Wo sind sie, die Papiertaschentücher (in fast allen Landesfarben) mit dem dezenten schwarzen Trauerrand? Wahrscheinlich auf Lager, und die Auslieferung erfolgt kurzfristig je nach Bedarf. Unsere Fanartikel-Branche ist doch nicht blöd, sondern sensibel und weiß, wann der gute Geschmack endet. Schließlich ist die Welt zu Gast bei Freunden ... sm 39 glosse König Fußball regiert. In den kommenden Wochen werden die besten Kicker der Welt im edlen Wettstreit gegeneinander antreten, um nach harten aber fairen Spielen den Weltmeister 2006 auf den Schild zu heben. Bis es soweit ist, muss das Runde noch ziemlich oft ins Eckige, doch sei’s drum, der heimliche Sieger der Spiele steht längst fest: Es ist die Fanartikel-Branche. Sie hat es locker geschafft, aus einem turnusmäßig stattfindenden Sportwettkampf für die Zuschauer ein ganzheitliches Bekenner-Event zu stilisieren, das den wahren Fan seit Wochen schon in allen Lebenslagen begleitet. Socken, Hemden und Hosen, Kappen, Schuhe und Taschen, Schals, Krawatten und Unterwäsche, alles gibt es (in fast allen Landesfarben) bestickt, bedruckt oder stilecht beflockt mit „Italy“, „Brasil“, „Germany“... > dbb magazin | Juni 2006 dbb > finale Nichtraucherschutz im öffentlichen Dienst: Die Nebel gelichtet Jetzt hat es die Bundesregierung schwarz auf weiß: Die EU will vor Gericht erstreiten, dass Deutschland endlich das EU-Tabakwerbeverbot umsetzt. Dabei wird Nichtraucherschutz in Deutschland bislang auch ohne Gesetz groß ge- brennpunkt 40 Dennoch lässt EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou nicht locker und will die 2003 erlassene Richtlinie umgesetzt sehen, die das Tabakwerbeverbot regelt. Konkret: Keine Tabakwerbung mehr in Printmedien und im Internet. Auch Zigarettenkonzerne sollen nicht mehr wie bisher grenzüberschreitende Veranstaltungen durch Werbung mitfinanzieren dürfen. Die Argumente indes mögen für Jugendliche treffen, die durch Werbung à la „Rauchen ist cool“ zum Tabakkonsum verführt werden. Aber ob Erwachsene wirklich durch Tabakwerbung mehr Konsumieren oder nach der Entwöhnung gar rückfällig werden, sei dahingestellt. Wie dem auch sei, zwei Fakten stehen fest: Rauchen ist ungesund und Deutschland ist neben Luxemburg das einzige Land, in dem es weder ein komplettes Tabakwerbeverbot noch ein Nichtrauchergesetz gibt. Nachdem die Bundesregierung die bis Anfang April 2006 gesetzte Frist zur Umsetzung des Werbeverbots hat verstreichen lassen, wird die EU-Kommission am 28. Juni 2006 entscheiden, ob es zur Klage kommt. Deutschland seinerseits hat indes den Europäischen Gerichtshof angerufen, weil es die EU-Kompetenz in diesem Bereich anzweifelt. > dbb magazin | Juni 2006 > „Rauchfrei“ ist in Was den Nichtraucherschutz in der Öffentlichkeit betrifft, positioniert sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing in ihrem Suchtund Drogenbericht 2006 deutlich: Bätzing schließt ein gesetzliches Rauchverbot für Gaststätten nicht mehr aus, sollten Lokale ihre freiwillige Vereinbarung bis März 2008 nicht umsetzen, genügend Nichtraucherplätze zu schaffen. Damit liegt sie im Trend, denn EU-weit geht es Rauchern immer rigider an den Kragen. So ist „Rauchfrei“ beispielsweise in der Öffentlichkeit Italiens oder der skandinavischen Länder längst en vogue. Dänemark plant für 2007 ein gesetzliches Rauchverbot in Ministerien, Ämtern, staatlichen Unterneh- schrieben, Rauchverbote funktionieren: Rauchfreie Restaurants werden immer beliebter, Nichtraucherflüge sind eine Selbstverständlichkeit und auch im öffentlichen Dienst ist die rauchfreie Amtsstube mittlerweile weit verbreitet. men und Einkaufszentren. Gaststätten bis 100 Quadratmetern Fläche sollen frei über ein Rauchverbot entscheiden können. Selbst für die bislang rauchfreundlichen Spanier hat die öffentliche Qualmerei seit 1. Januar 2006 ein Ende. Das in Spanien nicht ungewöhnliche Bild rauchender Menschen im Supermarkt oder in der U-Bahn gehört damit der Vergangenheit an. Wer sich wiederholt nicht an das Verbot hält, muss bis zu 600 Euro Bußgeld berappen. Nur Deutschland steht zumindest offiziell als eine der letzten Qualm-Bastionen. Einen nicht geringen Anteil daran hat die starke Lobbyarbeit der Tabakindustrie, und rund 14 Milliarden Tabaksteuer für 2005 tun den geschundenen Haushalten der Republik nicht schlecht. Inoffiziell präsentiert sich Realität dagegen erfreulich anders, denn trotz fehlender Nichtrauchergesetze funktionieren Rauchverbote auf freiwilliger Basis hierzulande nahezu perfekt: Nicht nur rauchfreie Bahnhöfe und Flughäfen sind ebenso Standard wie die wachsende Zahl an Nichtraucherbereichen in Restaurants. Gut 55 Prozent der Bevölkerung haben sich einer Umfrage des Fernsehsenders n-tv zur Folge für rauchfreie Lokale ausgesprochen. > Vorreiter öffentlicher Dienst Gerade auch im öffentlichen Dienst wird rauchfrei immer mehr zur Normalität. Dienstvereinbarungen regeln > dbb > finale Das Umweltbundesamt in Dessau ist beispielsweise komplett rauchfrei und einzelne Städte und Kommunen regeln den Nichtraucherschutz eigenverantwortlich. So hat beispielsweise die Stadt Erfurt ein eigenes Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden erlassen. „Das Rauchverbot im Bundesumweltamt wird strikt eingehalten“, freut sich Christine Pistorius und verweist darauf, dass im nach modernsten ökologischen Erkenntnissen gestaltete Amt eine Belüftungsanlage arbeitet, die den > überzogene Reglementierung ab“, so Boese. > > Auf dem Weg zum Nikotinverzicht hilft das Rauchfrei-Paket der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über die ersten Hürden. Besonders der Anti-Stress-Ball kommt oft zum Einsatz. Rauch im ganzen Gebäude verteilen würde. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn für alle Behörden ein Rauchverbot ausgesprochen würde. Warum können nicht auch Raucher anderer Behörden ihrem Bedürfnis außerhalb des Gebäudes nachgehen?“ Auch Dieter Welzel von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen ist relativ zufrieden mit der dort geltenden Nichtraucherregelung. Es wurden teilweise sogar Raucherkabinen errichtet. Dennoch stört ihn, dass es in Kantine und Cafeteria der Bonner BMF-Liegen- Nichtraucher werden Das Rauchen aufzugeben fällt den meisten Rauchern schwer. Viele greifen zu teuren Therapien mit ungewissem Effekt. Von der Akupunktur über Hypnose bis hin zu Laserbehandlungen reicht die Palette. Dabei gibt es auch völlig kostenlose Angebote, die auf dem unbedingten Willen beruhen, das Qualmen aufzugeben. So bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Rauchfrei-Paket an, das online unter www.bzga.de bestellt werden kann. Das schmucke Kästchen enthält neben Informationsmaterial und einem Nichtraucherkalender einen Anti-Stress-Ball und Pfefferminzpastillen, um der akuten Rückfallgefahr zu entgehen. Insgesamt will die Bundeszentrale leidgeplagten Rauchern das Rüstzeug an die Hand geben, den Ausstieg zu schaffen. Letztlich aber braucht der Raucher, der zum Nichtraucher werden will, vor allem eines: eisernen Willen. schaft immer noch einen offenen Raucherbereich gibt. Auch die vorhandenen Zigarettenautomaten ließen sich kaum mit dem Nichtraucherkonzept vereinbaren. > Paffende Gaunerjäger? Bei den Polizeien des Bundes und der Länder gilt, dass uniformierte Beamte, die in der Öffentlichkeit Dienst tun, nicht rauchen. Knöllchen verteilen und Diebe jagen mit Kippe im Mund? Unmöglich! Auch in den Amtsstuben wird immer weniger geraucht, Beispiel Bundeskriminalamt in Meckenheim: Der Interessenausgleich zwischen Rauchern und Nichtrauchern hat lange Zeit gut funktioniert. Nach sich mehrenden Beschwerden hat der Dienstherr im Jahr 2001 eine offizielle Nichtraucherregelung getroffen, die die Interessen der Raucher mit der Einrichtung von Raucherbereichen wahrt und ansonsten für alle Beschäftigten und Besucher sowie in Dienstfahrzeugen gilt. In der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Cottbus scheint der freiwillige Nichtraucherschutz zu funktionieren. Facilitymanager Andreas Boese freut sich als Nichtraucher über einen rauchfreien Arbeitsplatz und ein beachtetes Rauchverbot bei Besprechungen und in der Kantine. „Ein generelles Rauchverbot im öffentlichen Dienst lehne ich allerdings als Freiwillig funktioniert Insgesamt belegen viele Stichproben, dass Freiwilligkeit bei Nichtrauchervereinbarungen in zahlreichen Ämtern und Behörden funktioniert. Von der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei über das dortige Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie bis hin zur Steuerverwaltung gibt es eine Fülle entsprechender Vereinbarungen, in anderen Bundesländern verhält es sich ähnlich. Das bestätigt auch Hans-Werner Kaldenhoff, Vorsitzender des DSTGLandesverband Nordrhein-Westfalen: „Die freiwillig vereinbarten Rauchverbote werden akzeptiert.“ Mitunter stößt man allerdings auch auf Kurioses: So ist der Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung für die Stadtverwaltung Bielefeld zu entnehmen, dass „der Konsum von Alkohol, Drogen und anderen Suchtmitteln – auch außerhalb der Dienst- bzw. Arbeitszeit – [...] die Dienst- bzw. Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigen [darf]“. Zur Beruhigung: Die Stadtverwaltung Bielefeld hat auch eine umfangreiche Dienstvereinbarung über die Behandlung suchtgefährdeter Beschäftigter geschlossen. Auch in vielen Schulen verschwinden die Raucherzonen. Paffende Schüler müssen das Gelände verlassen, um ihrem Laster zu frönen. In NordrheinWestfalen ist das wie in den meisten neuen Bundesländern im Schulgesetz festgelegt, ebenso wie der Ausschank alkoholischer Getränke, berichtet Udo Beckmann vom VBE NRW. Insgesamt betrachtet ist der Glimmstängel im öffentlichen Raum also im Rückzug, und man kann darüber streiten, ob in Bereichen, wo freiwillige Vereinbarungen weitgehend funktionieren, neue Gesetze überhaupt vonnöten sind. br > dbb magazin | Juni 2006 41 brennpunkt bereits heute weitgehend den Nichtraucherschutz und kommen dabei ganz ohne die Gesetzeskeule der Bundesregierung aus. dbb > finale Buchtipps Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen: Tabakabhängigkeit Die über 100 Seiten starke Broschüre klärt sachlich über die Risiken des Nikotinkonsums auf und vermittelt fundiert medizinische Fakten, die auch Laien Versorgung: Petra Neumayr: Nichtraucher – Aber bitte für immer! Dem Rauchen abzuschwören hat man sich schnell vorgenommen. Meist scheitert das Vorhaben an der Praxis, spätestens, wenn der Körper mal wieder seine Dosis Nikotin verlangt. Die Medizinjournalistin Petra Neumayer versucht in Ihrer Nichtraucherfibel unkonventionelle Wege weg von der Sucht aufzuzeigen. Ohne erhobenen Zeigefinger oder gar Schockbilder von Raucherlungen wird der angehende Nichtraucher dazu animiert, eine Runde Tango zu tanzen oder Liftzigaretten zu rauchen, wenn der Drang zum blauen Dunst übermächtig wird. Ein Schwerpunkt des Buches bildet die Entwöhnung Nicht alle Eier in einen Korb Eine kluge und stabile Altersvorsorge ruht auf mehreren Säulen: Neben der Versorgungszusage des Dienstherrn empfiehlt sich eine zusätzliche Absicherung u.a. durch die staatlich geförderte Riester-Rente, private Lebensversicherungen oder Investmentfonds. Individuelle Vorsorge macht also Sinn. Das dbb vorsorgewerk erreichen häufig Anfragen, wie man idealer weise vorgeht. Unsere Empfehlung: Orientieren Sie sich an den folgenden fünf Regeln. Regel 1: Man kann nicht früh genug anfangen mitgliederservice 42 verstehen. Darüber hinaus werden soziale und psychische Aspekte des Rauchens veranschaulicht und sogar die Ausflüge in die Pharmakologie des Rauchens langweilen nicht. Wer diesen Teil hinter sich gebracht hat, ist allein aufgrund der Fakten bereits auf Nichtraucherkurs. Hilfe gibt das Buch mit der Beschreibung möglicher Entwöhnungsverfahren und Präventionsmaßnahmen. Insgesamt ist „Tabakabhängigkeit“ trotz der wenig ansprechenden Aufmachung ein faktenreiches, sachliches und aufgeräumtes Buch, das großes Erfolgspotenzial birgt. Die informative Broschüre kann gegen Rückporto über die Internetseite der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. bestellt werden (www.dhs.de). Ob Tango tanzen oder Fakten studieren: Für beide hier vorgestellten Publikationen gilt: Letztlich werden nur Menschen zu Nichtrauchern, die vor allem eines wirklich wollen: Aufhören. > dbb magazin | Juni 2006 durch alternative Heilverfahren. Es lässt sich darüber streiten, ob der teure und in der Wirkung umstrittene thahitianische Noni-Saft für rund 50 Euro pro Liter hilft, über den sinkenden Nikotinpegel hinwegzukommen. Auch das ewige Märchen vom „Entschlacken“ findet seinen Platz. Aber Bach-Blüten haben noch niemandem geschadet, und zudem baut Petra Neumayer keine Luftschlösser auf: Das Aufhören ist nicht leicht, angehende Nichtraucher sind nicht fröhlich und sie nehmen in der Regel zu. Fakten, die der angehende Nichtraucher schlicht akzeptieren muss. R. Mankau Verlag, ISBN 3-9800565-9-8, 105 Seiten, 9,95 Euro. Wer jung ist, hat meistens wenig Geld und viele Wünsche. Dafür aber einen mächtigen Verbündeten für die Altersvorsorge – die Zeit. Damit können die Jüngeren den Zinseszinseffekt voll nutzen. Beispiel: Bei einem auf 40 Jahre angelegten Vorsorgesparen von 100 Euro im Monat und einer angenommenen Rendite von 8 % führt Zaudern von nur einem Jahr zu einer Einbuße von 26.703 € (verlorenes Kapital abzüglich gesparter Beiträge von nur 12-mal 100 Euro)! Regel 2: Nicht alle Eier in einen Korb Streuen Sie den Vermögensaufbau über mehrere Anlageformen. Das Ersparte über Jahre nur auf mager verzinsten Sparbüchern stehen zu lassen, heißt Geld zu verschenken. Und: Die Börse gehört in jedem Fall dazu (siehe Regel 5). Regel 3: Verschenken Sie nichts So schießt der Fiskus bei Riester oft für Ihren Euro einen aus der Staatskasse hinzu. Nutzen Sie auch Steuervorteile im Ruhestand mithilfe privater Rentenversicherungen oder handfeste Mitgliedsrabatte wie beim dbb vorsorgewerk, wo Sie im o.g. Beispiel knapp 3 000 Euro sparen könnten. Regel 4: Seien Sie diszipliniert, halten Sie durch Jeder zweite Vorsorgevertrag wird vorzeitig abgebrochen; das kostet Geld und Vermögen. Stellen Sie auch einmal Konsum oder gelegentliche impulsive Anschaffungen zurück. Und: Investieren Sie z. B. bei Fondspolicen antizyklisch mit dem sog. „Cost-Average Effekt“: Bei hohen Kursen kaufen Sie bei regelmäßigen Monatsbeiträgen automatisch weniger Fondsanteile, bei niedrigen Kursen mehr. Regel 5: Nutzen Sie auch die Börse für Ihre Altersvorsorge Wenn es Ihre finanziellen Möglichkeiten erlauben, können auch Wertpapiere ein sinnvoller Beitrag zur Alterssicherung sein. In jungen Jahren können Sie mit der Börse den Zinseszinseffekt voll ausspielen (Regel 1). Steigen Sie später, mit 40, 45 oder 50 Jahren, in den Aufbau eines Altersvermögens ein, entscheiden die Renditepotenziale der Börse darüber, ob Sie im Ruhestand Sekt oder Selters trinken. Wenn Sie von steigenden Aktienkursen profitieren, gleichzeitig die investierten Sparbeträge und erzielten Wertsteigerungen gegen Risiken wie den Kursrutsch der letzten Tage absichern wollen, sollten Sie sich über unser neues, innovatives Angebot, die winFonds-Police von DBV-Winterthur und dbb vorsorgewerk, informieren. Mehr dazu im nächsten dbb magazin, im Internet unter www.dbb-vorsorgewerk.de oder vom Service-Team des dbb vorsorgewerk, Montag bis Freitag von 8.00 bis 18.00 Uhr unter: 0180 – 5222170 (12 Cent/Minute). as dbb > finale > DPhV Scientology im Schulbereich aktiv Strahlte mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen um die Wette: Herbert Bartsch, der Bundesvorsitzende des Seniorenverbandes BRH im dbb. 8. Deutscher Seniorentag in Köln: Alter als Chance Alle drei Jahre veranstaltet die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) jeweils in einem anderen Bundesland ihren Seniorentag – und das mit wachsender Resonanz bei den reiferen Jahrgängen: Zum 8. Seniorentag, der im Mai 2006 in Köln stattfand, waren auch die komba gewerkschaft und der Seniorenverband BRH im dbb mit von der Partie. Als der 8. Deutsche Seniorentag, der in Wirklichkeit drei Tage dauert, am 18. Mai zu Ende gegangen war, konnten sich seine Initiatoren von der Bundesarbeitsgemeinschaft der SeniorenOrganisationen (BAGSO) über ein Rekordergebnis freuen: Vom 16. bis zum 18. Mai hatten rund 20 000 Gäste sich in Foren, Workshops, Infoständen und auf der angeschlossenen Messe SenNova zum Thema „Alter als Chance informiert – rund doppelt so viele wie beim vorangegangenen Seniorentag, der 2003 in Hannover stattgefunden hatte. Unter den dbb Fachgewerkschaften präsentierten sich die komba und der Seniorenverband BRH, beide engagieren sich seit Jahren in der BAGSO für die Belange der älteren Generation. Ein Einsatz, den auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und Bundespräsident Horst Köhler zu würdigen wissen. Beide nahmen sich bei ihren Aufenthalten Zeit zu einem kurzen Gespräch mit dem BRH-Bundesvorsitzenden Herbert Bartsch, beziehungsweise am Stand der komba mit deren Vorsitzenden Heinz Ossenkamp. > Zeigte sich einig mit Bundespräsident Horst Köhler, dass die Kompetenz älterer Beschäftigter künftig besser genutzt werden muss: komba-Chef Heinz Ossenkamp. > > Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des DPhV trum für individuelles und effektives Lernen“ (ZIEL), die „Applied Scholastics“ (u. a. Englischkurse) und „Ziel Concept“. Meidinger: „Wir können nur dringend raten, private Unternehmen mit Angeboten und Materialien zu Lernmethodiken, Nachhilfe oder auch Therapie von Teilleistungsstörungen genauestens auf ihre Seriosität zu überprüfen.“ Eine Kriterienliste, die Eltern und Studenten bei der Auswahl seriöser Anbieter helfen soll, kann bei der DPhV-Bundesgeschäftsstelle angefordert werden. VBOB-Bundesvertretertag Der Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB) hat die Politik aufgefordert, ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten gerecht zu werden. „Die Beschäftigten der Bundesverwaltung brauchen eine klare und für sie verlässliche Zukunftsperspektive“, sagte der Bundesvorsitzende des VBOB, Rainer Schwierczinski, am 19. Mai 2006 auf dem Bundesvertretertag seines Verbandes in Berlin. Schwierczinski, der seit 1998 an der Spitze des Verbandes steht, war von den Delegierten einstimmig in seinem Amt bestätigt worden. Scharfe Kritik übte er vor den rund 130 Delegierten und im Beisein von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble an den von der Bundesregierung geplanten neuerlichen Kürzungen in der Bundesverwaltung. Diese seien“eine überproportionale und ungerechtfertigte Belastung“. Der VBOB fordere, das jetzige Bezahlungsniveau als Mindestvoraussetzung ebenso zu sichern wie die Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung, die von der Vorgängerbundesregierung zugesagten Einmalzahlungen endlich zu realisieren und bereits vollzogene Kürzungen bei der weiteren Versorgungsgesetzgebung voll anzurechnen. > dbb magazin | Juni 2006 43 senioren/mitgliedsgewerkschaften > Nach aktuellen Beobachtungen des Deutschen Philologenverbandes (DPhV) hat die Scientology-Organisation ihre Aktivitäten in den Bereichen Schule und Erziehung verstärkt. DPhV-Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger machte am 11. Mai 2006 in Berlin darauf aufmerksam, dass es inzwischen eine ganze Reihe von überregional oder sogar bundesweit tätigen Nachhilfestudios und Studienförderkurse gibt, die Scientology zugerechnet werden. Dort werde versucht, Einfluss auf Jugendliche und Kinder zu gewinnen. Darauf hätten auch Verfassungsschutzberichte der Bundesländer in jüngster Zeit hingewiesen. Zu den Organisationen, die der Scientology-Organisation nahe stehen, gehören u. a. das „Zen- dbb > finale > > Verstorben Egon Schley ist am 5. Mai 2006 im Alter von 74 Jahren nach langer schwerer Krankheit verstorben. Egon Schley war seit 1953 Mitglied der komba gewerkschaft, wo er sich als zuverlässiger, sachkundiger und engagierter Streiter für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen eingesetzt hat. Sein gewerkschaftliches Engagement erstreckte sich nicht nur auf die Arbeit als komba Ortsvorsitzender und Vorsitzender des Gesamtpersonalrates bei der Stadtverwaltung Bonn, sondern insbesondere auf die langjährige Arbeit als stellvertretender komba Bundesvorsitzender. Von 1988 bis 1995 war Egon Schley Mitglied des dbb Bundesvorstandes sowie des dbb Bundeshauptvorstandes und war seit 1995 dbb Bundesrechnungsprüfer. Sein gewerkschaftlicher Einsatz wurde 1988 durch den Bundespräsidenten mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gewürdigt. Seine selbstverständliche Hilfsbereitschaft, sein aufrichtiger Charakter und sein freundliches Wesen werden allen, die ihn über lange Jahre kannten und mit ihm zusammenarbeiten konnten, in dankbarer Erinnerung bleiben. 44 GdS Gesetzliche Unfallversicherung erhalten Für den Erhalt der Grundzüge der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) hat sich die Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) eingesetzt. Der GdS-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt forderte am 19. Mai 2006 die Politik auf, bei einer Novellierung des UVRechts den bereits sichtbaren Reformwillen der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der UV-Träger der öffentlichen Hand angemessen zu berücksichtigen und keine Entscheidungen gegen die Selbstverwaltung durchzusetzen. Die UV sei der einzige Zweig der Sozialversicherung, der schon seit Jahrzehnten stabile Beitragssätze aufweist. Branchengliederung, Präven- > Klaus Dauderstädt, Bundesvorsitzender der GdS tion und Rehabilitation „mit allen geeigneten Mitteln“, das Prinzip „Alle Leistungen aus einer Hand“ und die Selbstverwaltung seien „die tragenden Säulen der UV“. Verbesserungen und Weiterentwicklungen im bisherigen System der UV werden von der GdS mitgetragen, so Dauderstädt. Abgelehnt werden dagegen Maßnahmen, die den Arbeits-, Gesundheits- und Unfallversicherungsschutz der Arbeitnehmer verschlechtern. mitgliedsgewerkschaften Kurt Kleff ist am 8. Mai 2006 im Alter von 70 Jahren gestorben. Mit seinem Wirken in zwei dbb Gewerkschaften – von 1957 bis 1968 in der GDBA, seit 1969 im VBOB – sowie im dbb hatte er sich die hohe Wertschätzung seiner Kollegen erworben. Für seinen Einsatz im Dienste des Gemeinwesens wurde Kleff 1986 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Kurt Kleff kam als junger Eisenbahner 1957 in die Verkehrsgewerkschaft, wo ihn sein Weg später in den Vorstand des GDBA Bezirkes Essen führte. 1969 wechselte er ins Bundeswirtschaftsministerium und engagierte sich im Verband der Beschäftigten der oberen und obersten Bundesbehörden. Zunächst stellvertretender Bundesvorsitzender, stand er von 1986 bis 1998 an der Spitze des VBOB, danach blieb er dem Verband als dessen Ehrenvorsitzender verbunden. Mit viel persönlichem Einsatz und großem Erfolg stritt Kurt Kleff auch in seiner langjährigen Personalratstätigkeit für bessere Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen. Unvergessen wird auch sein Engagement im dbb bleiben. In den 70er-Jahren war Kleff Referent für Besoldung und Versorgung in der Bundesgeschäftsstelle, seit Ende der 80er-Jahre Mitglied in Bundesvorstand und Bundeshauptvorstand des dbb. Von 1992 an übernahm er den Vorsitz der BuHaVo-Kommission für Besoldung und Versorgung. Ferner arbeitete er jahrelang engagiert im Beirat des „dbb magazin“ mit, war Mitglied der Strategiekommission und Vorsitzender der Projektgruppe Alterssicherung. Das gewerkschaftliche und gesellschaftliche Engagement Kurt Kleffs hat Maßstäbe gesetzt. Der dbb wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. > dbb magazin | Juni 2006 > VDR 21. Bundesrealschultag Der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) hat auf seinem 21. Bundesrealschultag vom 11. bis 13. Mai 2006 in Saarbrücken ein Ende „überflüssiger Schulstrukturdebatten und ungerechtfertigter Schuldzuweisungen“ gefordert. Das gegliederte Schulsystem habe sich bestens bewährt und müsse als solches in all seiner Differenziertheit mit einer eigenständigen Realschule angeboten werden. Eine schulformbezogene Lehrerausbildung bleibe unverzichtbar. Daneben müssten pädagogische Hilfskräfte, wie Sozialarbeiter und Psychologen, die Lehrkräfte vermehrt bei ihren Bildungs- und Erziehungsaufgaben unterstützen. Dies gilt in besonderem Maße für Schulen mit hohem Migrantenanteil. Alle Schularten müssten Eltern für eine verstärkte Zusammenarbeit > Albert Obert, Vorsitzender des VDR im Erziehungs- und Bildungsprozess gewinnen. Die Erziehung in der Familie sei eine unabdingbare Grundlage für einen erfolgreichen Bildungsweg. Der VDR forderte ferner, finanzielle Mittel, die aufgrund zurückgehender Schülerzahlen frei werden, für die bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Schulen zur Verfügung zu stellen.Die 150 Delegierten des Bundesrealschultages bestätigten mit großer Mehrheit den bisherigen Bundesvorsitzenden des VDR, Albert Obert, in seinem Amt. dbb > finale > DSTG Mehrwertsteuererhöhung ad hoc schadet Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), Dieter Ondracek, hat sich grundsätzlich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent ausgesprochen. „Drei Prozent ad hoc richten wirtschaftlich mehr Schaden an als sie nutzen“, sagte Ondracek am 9. Mai 2006 dem rbb Inforadio. Damit der Staat wieder zu höheren Einnahmen kommt, mitgliedsgewerkschaften 46 > Dieter Ondracek, Bundesvorsitzender der DSTG müssten Subventionen wie Kohleförderung, Sonderabschreibungen oder Wirtschaftsfördermaßnahmen auf den Prüfstand. „Laut Koch-Steinbrück-Papier belaufen sich diese auf 110 Milliarden Euro. Wenn man da nur mit zehn Prozent Kürzungen heran ginge, wären das schon zehn Milliarden.“ Einen weite- ren Weg zur Verbesserung der Einnahmenseite des Staates sieht Ondracek in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, die derzeit ein Volumen von 70 Milliarden Euro pro Jahr hat. Die Steuerverwaltung müsse in die Lage versetzt werden, dies auch zu tun. > Aktionstag zum Nahverkehr Mitglieder der Verkehrsgewerkschaft GDBA haben sich am 5. Mai 2006 bundesweit an einer Unterschriftenaktion der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) beteiligt, die sich gegen massive Einschränkungen bei der Vergabe von Nahverkehrsleistungen wendet. Schwerpunktorte der Aktion waren Frankfurt am Main, Bebra, Regensburg, Tübingen, Köln, Dortmund, Hamburg, Hannover und Berlin. Die Aktion stieß auf große Resonanz. GDBA-Bundesvorsitzender Klaus-Dieter Hommel sagte: „Wir wenden uns gegen Bestrebungen der EU, den öffentlichen Personennahverkehr eu- > dbb magazin | Juni 2006 Angesichts wieder sprudelnder Steuerquellen in Schleswig-Holstein hat die Vorsitzende des dbb Landesbundes, Anke Schwitzer, Korrekturen bei den Sparplänen zu Lasten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefordert: „Wenn mehr Geld hereinkommt, dann kann es nicht sein, dass das Land weiterhin seinem Personal Sonderopfer in unveränderter Höhe abverlangt“, sagte Schwitzer am 11. Mai 2006. Das Land erwarte für das laufende Jahr sogar Steuermehreinnahmen von rund 100 Millionen Euro. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst hätten ein Recht auf Bezahlung ihrer geleisteten Arbeit. den. Das würde nach Einschätzung der GDBA auf „Lohndumping und Preisdrückerei“ hinauslaufen. > Klaus-Dieter Hommel, Bundesvorsitzender der Verkehrsgewerkschaft GDBA ropaweit durch eine in allen Ländern einheitlich geltenden Verordnung zu regeln.“ Geht es nach dem Willen der europäischen Verkehrsminister, sollen die Kommunen künftig nicht mehr eigenständig entscheiden können, an wen sie Nahverkehrsleistungen vergeben wollen. Jede Buslinie, jede Straßenbahn- oder U-Bahn-Strecke müsste ausgeschrieben wer- DPoIG Präventionsarbeit stärken Angesichts zunehmender Gewaltkriminalität im Jahr 2005 fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), die polizei- > > Personaleinsparung korrigieren GDBA > Berufsschulen brauchen mehr Lehrer Angesichts steigender Schülerzahlen an den beruflichen Schulen Baden-Württembergs hat der Vorsitzende der Berufsschullehrerverbände (BLV), Herbert Huber, mehr Lehrerstellen gefordert. Bei einer Anhörung der Verbände am 26. April 2006 in Stuttgart verwies Huber darauf, dass sich in diesem Punkt das berufliche vom allgemein bildenden Schulwesen unterscheide. Deshalb müsse es auch in der neuen Legislaturperiode einen jährlichen Stellenzuwachs bei den beruflichen Schulen im Umfang von etwa 200 Stel len geben, so Huber. > > bgv Digitalfunk muss kommen Die Staatssekretäre der Innenministerien des Bundes und der Länder haben am 11. Mai 2006 das Verwaltungsabkommen zur Errichtung des Digitalfunknetzes für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) paraphiert. „Damit kann endlich auch in Deutschland ein modernes und abhörsicheres Funksystem für die Polizeien des Bundes und der Länder sowie die anderen BOS-Behörden Realität werden“, sagte der Bundesvorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft bgv, Knut Paul, am 12. Mai 2006. Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen noch Wolfgang Speck, Bundesvorsitzender der DPolG liche Präventionsarbeit zu verstärken. Es müsse mehr Geld und Personal für die vorbeugende Arbeit der Polizei zur Verfügung gestellt werden, sagte DPolG-Bundesvorsitzender Wolfgang Speck am 15. Mai 2006 nach der Vorstellung der Kriminalstatistik 2005 in Berlin. Mit Blick auf die gestiegene Zahl von Betrugsfällen im Internet fordere die DPolG, für diesen Deliktsbereich mehr polizeiliches Personal einzustellen. Die insgesamt gesunkene Zahl von Straftaten sowie die gestiegene Aufklärungsquote im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr wertet die DPolG als Ausweis einer nach wie vor effektiven Polizeiarbeit – trotz Personalabbau und Einkommenskürzungen. > Knut Paul, Bundesvorsitzender des bgv die Parlamente beteiligt werden sowie die Innenminister von Bund und mindestens zehn Ländern das Abkommen unterzeichnen. Paul appellierte an die zuständigen Gremien, keinen weiteren Zeitverzug zuzulassen, damit das Abkommen noch in diesem Jahr in Kraft treten kann. Bis spätestens Ende 2010 soll ein bundeseinheitlich ausgestattetes digitales Sprech- und Datenfunksystem für die BOS eingeführt werden. dbb > finale Welt wird von einem bekannten Versandhaus in zwei Varianten angeboten: einmal in 20 x 30 Zentimeter-Stücken, einmal in Acryl gegossen in 14 x 8 x 5 Zentimeter-Blöcken: Originalrasen vom WM-Finale im Berliner Olympiastadion. 75 Euro muss der Fan für diese exklusive und streng limitierte Fußballreliquie berappen. Auslieferung erfolgt natürlich nur solange der Vorrat reicht in haushaltsüblichen Mengen, und ein Rückgaberecht wird nicht gewährt. Allerdings gibt es als Zugabe ein Echtheitszer- WM-Spiele live verfolgen, sondern auch 320 ausländische Polizisten die deutschen Sicherheitskräfte unterstützen. Das Bundeskriminalamt hat alle teilnehmenden Staaten – außer Iran und Saudi-Arabien – um Entsendung von Verbindungsbeamten gebeten. Die größten Kontingente mit jeweils 40 uniformierten Sicherheitskräften kommen aus Großbritannien, Polen, Frankreich und den Niederlanden. Sie werden im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei eingesetzt. > Auf der Homepage eines bekannten Kaufhauses gibt es besonders Außergewöhnliches zur WM: „Holen Sie sich ihr ganz persönliches Stück vom ‚Heiligen Rasen‘ zu sich nach Hause und werden Sie Platzwart für ihr eigenes Stück WM-Rasen,“ heißt es dort. Zum Preis von nur 9,95 Euro erhält der Fußballfan eine Box mit Originalsamen „FIFA-WM-Stadionrasen“. Das Pflanzsubstrat muss in der Kunststoffbox verteilt und vorsichtig mit Wasser begossen werden, dann kommt der Samen dazu, nochmals gießen und wachsen lassen. Nach 14 Tagen kann der Rasen bereits auf die gewünschte Spielfeldlänge geschnitten werden. Der begehrteste Fan-Artikel der Der Direktor des tschechischen Geheimdienstes, Karel Randak, ist > zum General befördert worden. Da diese Zeremonie laut Gesetz öffentlich stattfinden muss, erschien Randak mit langen Haa- im Gesicht hatte, bestritt diese Version vehement. Er sei von einem der beiden Männer vom Rad gestoßen und mit der Faust mehrmals ins Gesicht geschlagen worden. Erneute Handgreiflichkeiten konnten die Beamten verhindern, die jetzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ermitteln. Die Beteiligten sind zwischen 75 und 80 Jahre alt. > Tausche Podolski gegen Lehmann – geht nicht, denn der hat es nicht mehr in die Sammeltütchen mit Fußballbildern Heiliger Rasen 47 kulisse > Nicht nur Fußballfans aus aller Welt werden die und er in die Rolle des besseren Bundestrainers schlüpft. 18 Kurzgeschichten sollen jeweils die langweiligsten 9o Minuten im Leben einer Fußballwitwe verkürzen. Und praktische Lebenshilfe gibt es auch: Tipps, wie man oder besser gesagt frau ihn vom Fußball loseisen oder ganz loswerden kann. tifikat. Fans mit Weitblick sollten vorsorgen, denn je nach WM-Gewinner dürfte der Wert der Rasenstücke beträchtlich steigen. > Angeblich gibt es mehr Frauen, die Fußball nicht mögen als Männer. Wie dem auch sein mag, das Klischee wird immer wieder bedient. So gibt es pünktlich vor Anstoß der WM „Die Venusfalle“, das Buch, das in den kommenden Wochen die Fußballwitwen trösten soll, wenn sie auf der Ersatzbank schmort ren, Brille und Vollbart bei Staatspräsident Vaclav Klaus. Sein wahres Gesicht dürfe er nicht zeigen, weil er sich an verdeckten Aktionen beteilige, erklärte der frühere Berufssoldat. Er könne es nicht erwarten, sich zu rasieren, fügte Randak hinzu, der angesichts des ganzen Aufwandes lieber Oberst geblieben wäre. > Ein angeblicher Unfall zwischen vier Fußgän- gern und einem Radfahrer stellte sich als handfeste Auseinandersetzung heraus. Die Fußgänger erklärten der herbeigerufenen Polizei zunächst, dass der Radfahrer mit Absicht in die Gruppe gefahren sei, deshalb hätten ihn die beiden Frauen mit den Handtaschen attackiert. Der Radfahrer, der Verletzungen geschafft, die seit Ende April in Deutschland wieder verkauft werden. 30 Millionen Tüten gibt es, und 597 Sticker müssen gesammelt werden, bis das Album, davon gibt es 650 000 Stück, komplett ist. Dass manche Spieler nur in bestimmten Regionen in die Tüte beziehungsweise in den Handel kommen, ist dabei genau so ein Gerücht wie die Behauptung, einige Sticker würden nur in ganz geringer Auflage gedruckt, um den geplagten Sammlern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Fußballbilder werden in Deutschland übrigens im großen Stil bereits seit der WM 1970 in Mexiko gesammelt, und manche Freaks versuchen heute noch, über das Internet ihre Alben von damals zu komplettieren. sm > dbb magazin | Juni 2006