Kurzführer - Beethoven-Haus
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Kurzführer - Beethoven-Haus
Die Macht der Musik. Das kulturelle Leben im deutschen Kriegsgefangenenlager Bando in Japan 1917-1919 Sonderausstellung im Beethoven-Haus Bonn 21. Januar bis 19. Juni 2009 Gerade in Zeiten menschlicher Grenzerfahrung wie einer Kriegsgefangenschaft kommt der Kultur als Kraftquelle eine gar nicht hoch genug einzuschätzende Bedeutung zu. Dies lässt sich exemplarisch am deutschen Kriegsgefangenenlager Bando in Japan darstellen. Zur Vorgeschichte: In der Kolonialpolitik des Deutschen Reiches spielte die Erschließung Ostasiens als wichtiges Handelsgebiet eine große Rolle. Die Ermordung zweier deutscher Missionare in China war für Kaiser Wilhelm II. ein willkommener Vorwand, 1897 die für einen Marinestützpunkt geeignet befundene Bucht von Kiautschou an der chinesischen Ostküste zu besetzen. Im März 1898 wurde mit China ein Pachtvertrag für das Kiautschou-Gebiet mit dem kleinen Fischerdorf Tsingtau für 99 Jahre geschlossen. Zum Schutz des deutschen Pachtgebiets bildete die Kaiserliche Marine das III. Seebataillon (Marineinfanterieeinheit), das durch Matrosen-Artillerie verstärkt in Tsingtau stationiert wurde. Innerhalb weniger Jahre wurde der Ort mit erheblichen finanziellen Mitteln zu einer prosperierenden Hafen-, Handels- und Universitätsstadt ausgebaut. Die Bevölkerung stieg in 11 Jahren von 15.600 auf 55.000, davon die Anzahl der Nichtchinesen von 2500 auf 4500. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zog das Militär deutsche berufstätige Reservisten und Freiwillige aus ganz China in Tsingtau zusammen. Am 10. August 1914 stellte das mit England verbündete Japan ein unbeantwortet gebliebenes Ultimatum, in dem die vollständige Übergabe des Pachtgebiets verlangt wurde. Was folgte, war ein wochenlanger Kampf, zunächst mit örtlich begrenzten Gefechten, ab Ende Oktober mit Großangriffen der Belagerer, der schließlich mit der Kapitulation der ca. 5000 eingeschlossenen Soldaten - denen mittlerweile 60.000 Japaner gegenüberstanden - am 7. November 1914 sein Ende fand. Die Kolonie bestand also gerade einmal 16 Jahre. Die in Japan publizierte Lithographie rechts an der Wand vermittelt ein Bild des Kriegsschauplatzes Tsingtau, die große chinesische Handzeichnung zeigt eine schematische Gesamtansicht der Stadt mit den schwarz-weiß-roten Flaggen des Kaiserreichs vor dem Krieg. Die ca. 4700 transportfähigen Kriegsgefangenen (unter ihnen befand sich auch die 400 Mann starke österreichisch-ungarische Schiffsbesatzung der „Kaiserin Elisabeth“) wurden mit drei Frachtdampfern nach Japan verschifft, die Reise dauerte je nach Zielort drei bis vier Tage. Die japanischen Zeitungsausschnitte vom Dezember 1914 in Vitrine 1 zeigen die Siegesparade vor dem einstigen Hotel Prinz Heinrich und die drangvolle Enge auf dem Schiff. Da man damit rechnete, dass der Krieg – und damit auch die Internierung – nicht lange dauern würde, wurden die Kriegsgefangenen in Behelfslagern wie öffentlichen Bauten und Tempeln untergebracht. Eines dieser Tempellager war in Marugame. Die Fotos zeigen das Tempelgelände und die traditionellen japanischen Räume, die mit Tatami (Reisstrohmatten) ausgelegt waren, und als Schlaf-, Wohn- und Essplatz zugleich dienten. Da die Gefangenen nicht arbeiten mussten, konnten sie sich körperlich und geistig betätigen. Es gab Schauturnen, Konzerte der Marugamer Musikkapelle unter Leitung des Violinisten Paul Engel und Kammermusikabende. Im 1. Symphoniekonzert, dessen Programm und Einführungstext in Vitrine 1 gezeigt werden, stand Beethovens 2. Klavierkonzert B-Dur op. 19 auf dem Programm. Ergänzend zu sehen sind Beethovens sorgfältige Niederschrift der Solostimme sowie eine Kadenz zum ersten Satz, die er für seinen Schüler Erzherzog Rudolph notierte. 1 Die Übersichtskarte in Vitrine 2 zeigt die 12 provisorischen Lager, die jedoch nach und nach aufgelöst wurden, als klar wurde, dass ein baldiges Ende des Krieges nicht zu erwarten war und überdies auswärtige Beobachter Kritik an den z.T. unzureichenden, beengten und überbelegten Unterbringungen äußerten. Stattdessen wurden sechs architektonisch weitgehend identische größere Barackenlager neu erbaut (in der Karte rot markiert): Kurume, Nagoya, Narashino, Aonogahara, Ninoshima und Bando. Im April 1917 wurden die ca. 1000 Gefangenen aus den drei auf der Insel Shikoku gelegenen Lagern Marugame, Matsuyama und Tokushima nach Bando (ca. 12 km von der Präfekturhauptstadt Tokushima entfernt, heute zur Stadt Naruto gehörend) verlegt. Lagerkommandant wurde Matsue Toyohisa (Foto an der Wand), der sich bereits in der Leitung des Lagers Tokushima bewährt hatte. Er verwaltete das Lager human und liberal, gestattete den Gefangenen vielerlei Aktivitäten und pachtete zusätzliche Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung und die Errichtung von Sportstätten an. Durch seine abgelegene Lage in einer bäuerlich-ländlichen Gegend, noch dazu auf einer Insel ohne Zugang zu einem internationalen Hafen, war die Fluchtgefahr sehr gering, weshalb man weniger streng als in anderen Lagern verfahren konnte. Dies hatte einen regen Kontakt mit der japanischen Landbevölkerung zur Folge. Seitens der japanischen Regierung wurde Bando denn auch bewusst als „Vorzeigelager“ etabliert. Diese Sonderstellung wirkt zwar bis heute fort, ist aber eigentlich nicht wirklich begründbar. Die Bilder des Streichorchesters von Narashino und des Orchesters von Nagoya zeigen, dass auch in den anderen Lagern kulturelles Leben stattfand; in allen Lagern gab es eine Lagerdruckerei. Aus Anlass der Aufnahme von 90 Kriegsgefangenen aus Kurume wurde im August 1918 ein „Fremdenführer“ durch das Lager Bando gedruckt. Die aufgeschlagene Karte zeigt einen Rundgang, die Erläuterungen zu den Ziffern finden sich im Führer. Im Südwesten entstand ein Geschäftsviertel („Budenviertel Tapautau“ – so hieß eine Einkaufsstraße in Tsingtau), wo die Internierten ihr Handwerk ausübten und gegenseitig verschiedene Dienstleistungen sowie Lebens- und Genussmittel anboten. Weiterhin nennt der Führer die verschiedenen Musikgruppen des Lagers und gibt einen Überblick über die aufgeführten Theaterstücke. Es gab zwei aus jeweils 45 Musikern bestehende Orchester (Tokushima- und Engel-Orchester), zwei Blasmusikkapellen und zwei Chöre mit jeweils 60 Sängern. Die Fotos an der gegenüberliegenden Wand zeigen die verschiedenen Formationen. Auf den beiden Hügeln im Lager bauten sich die Gefangenen Lauben zur privaten Nutzung. Auch Heinrich Thies, aus dessen Nachlass der größte Teil der ausgestellten Dokumente stammt, nannte eine solche sein eigen. Die Kommandantur unterstütze die Selbstverwaltung, so wählten beide „Stadtteile“ (Bando-Ost und Bando-West) je einen Bürgermeister. Thies kandidierte 1918, an der Wand sind die Wahlplakate zu sehen. Nach Auskunft des Fremdenführers siegte allerdings Karl Haack in der Stichwahl. Die Vitrinen 3 bis 7 zeigen Konzertprogramme mit Werken von Beethoven. In Bando gab es zwei Druckereien: die Steindruckerei und die Lagerdruckerei, aus der die meisten Publikationen stammen. Im Gegensatz zum Hektographie-Verfahren mit Matrizen, das man in Marugame verwendet hatte, bediente man sich in Tokushima und in der Folge auch in Bando eines komplizierteren Wachsblatt-Vervielfältigungsverfahrens. Dieses ermöglichte die Herstellung der eindrucksvollen, mehrfarbigen Programme, Postkarten, Landkarten, lagerinterner Briefmarken und Lagergeld, ja sogar von Büchern und Broschüren. Die vielfarbigen Veranstaltungsprogramme sind wertvolles historisches Material, das ein eindrucksvolles Bild der vielseitigen kulturellen Aktivitäten im Lager vermittelt. In den rund 32 Monaten der Kriegsgefangenschaft in Bando lassen sich über 100 Konzerte, Kammermusik-, Lieder- und Unterhaltungsabende nachweisen. Zudem wurden mindestens 21 Theaterstücke z.T. mehrfach hintereinander aufgeführt. Für die Aktiven war die Mitgliedschaft in Orchester, Chor oder Theatergruppe eine Möglichkeit, der Langeweile zu entfliehen (die Kriegsgefangenen mussten keiner Zwangsarbeit nachgehen) und einem 2 „Lagerkoller“ vorzubeugen; für die Zuhörer boten die kulturellen Veranstaltungen eine angenehme Unterbrechung des Lageralltags. Die Instrumente hatten die Musiker zum Teil aus China in die Internierung mitgenommen; weitere wurden entweder regulär gekauft, in der Lagertischlerei hergestellt oder von in Japan in Freiheit lebenden deutschen Privatleuten oder japanischen Militärs gespendet. Zum allergrößten Teil wurden gemischte Unterhaltungsprogramme mit leichter Musik gespielt: damals beliebte und bekannte Stücke aus Wiener Operetten von Johann Strauß, Franz von Suppé und Carl Zeller, Märsche und Walzer von Zeitgenossen wie den Berlinern Leon Jessel und Paul Lincke (letzterer bekannt als Vater der „Berliner Operette“ durch den Titel „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft“ aus der erfolgreichen „Frau Luna“), aber auch Ouvertüren von Offenbach und Rossini. Nur 18 der 68 vorliegenden Programme boten anspruchsvollere, im engeren Sinne „klassische“ Konzerte, darunter sieben Kammermusikabende. Von letzteren waren zwei reine Beethoven-Abende, ein weiterer enthielt Werke Beethovens. Unter den verbleibenden 11 Symphoniekonzerten sind allerdings eindrucksvolle vier reine Beethoven-Programme, weitere zwei Konzerte enthalten zumindest Werke von Beethoven. Die Rezeption des Nationalheiligen, des Heroen und Titanen Beethoven entsprach der patriotischen Gesinnung der Kriegsgefangenen. Wie schon durch Beethoven selbst, erklang seine Musik auch zu wohltätigen Zwecken, hier zu Gunsten der lagereigenen Krankenkasse die Prometheus-Ouvertüre op. 43. Das TokushimaOrchester spielte in einem Beethoven-Abend vermutlich die japanische Erstaufführung der 4. Symphonie op. 60; dazu gab es einen Einführungstext, dem Max Chops Publikation über „Ludwig van Beethovens Symphonien“ von 1910 zugrunde liegt. Der Oberhoboistenmaat (Obermaat ist die Dienstgradbezeichnung der Kaiserlichen Marine, Hoboist ein Militärmusiker) Hermann Richard Hansen aus Flensburg leitete sowohl die Kapelle der M.A.K. (Matrosen-Artillerie Kiautschou) als auch das Tokushima-Orchester. Er spielte Violine und mehrere Blasinstrumente. Im Beethoven-Kammermusikabend vom 3. Februar 1918 wurde außer einer Übertragung des Bläserquintetts op. 16 für Klavierquartett die „Kreutzer-Sonate“ op. 47 gegeben, deren Originalhandschrift in Vitrine 3 zu sehen ist. Ende April 1918 spielte das Engel-Orchester Beethovens 5. Symphonie, die im vorangegangenen Jahr bereits im musikalisch besonders aktiven Lager Kurume aufgeführt worden war. Dort fanden auch die japanischen Erstaufführungen der 8. (1916) und der 7. Symphonie (1919) statt. Paul Engel (Foto in Vitrine 4) gab im Lager Musikunterricht und es war ihm gestattet, zweimal pro Woche japanische Schüler außerhalb des Lagers zu unterrichten. Nach der durch die Amerikaner erzwungenen Öffnung des Landes in den 1860er Jahren war es zu einer tief greifenden Modernisierung des Landes nach westlichem Vorbild gekommen. Dazu gehörte auch eine breite und intensive Pflege westlicher Musik, die in Japan Mitte des 16. Jahrhunderts durch portugiesische Missionare eingeführt worden war. Vitrine 5 ist der japanischen Erstaufführung der 9. Symphonie am 1. Juni 1918 gewidmet. Bereits ein gutes Jahr zuvor stand die Ode „An die Freude“ – natürlich in einer Bearbeitung für Männerstimmen - auf einem Programm des Tokushima-Orchesters, in dem einmal mehr auch der von Paul Engel komponierte Tsingtau-Kämpfer-Marsch erklungen war. Für die komplette Aufführung wurde laut Mitteilungen im „Täglichen Telegramm-Dienst Bando“ seit dem 3. April geprobt, am 31. Mai gab es eine öffentliche Generalprobe mit dem 80 Mann starken Chor. Wie die meisten Konzerte fand auch dieses wohl in der „Mehrzweckhalle“ - der auf der Postkarte abgebildeten „Baracke 1“ - statt. Das Konzertprogramm ist bezeichnenderweise mit der 1902 in der Ausstellung der Wiener Secession erstmals gezeigten Beethoven-Statue von Max Klinger illustriert, die den Komponisten als antiken Gott stilisiert. Das Originalmodell Klingers ist im Pavillon im Hof des Beethoven-Hauses zu besichtigen. Der Odentext war dem Programm beigegeben, die Mitwirkenden erhielten zur Erläuterung des Werks eine schriftliche Einführung, die wiederum auf der Analyse von Max Chop beruht. 3 Bei dem ausführlichen gedruckten Text über die Symphonie handelt es sich möglicherweise um die Niederschrift eines Vortrags. Er ist von Wagners Beethoven-Bild geprägt und gibt in Auszügen auch das von jenem formulierte „Programm“ wieder. In der wöchentlich (später monatlich) herausgegebenen Lagerzeitung „Die Baracke“ erschien im Gegensatz zu anderen Konzerten zwar keine Rezension, aber in den nächsten zwei Ausgaben eine lange kulturwissenschaftliche Abhandlung von Peter Spurzem mit dem Untertitel „Schiller – Beethoven – Goethe“. Kurze Zeit später wurde die Symphonie auch in den Lagern Kurume und Narashino aufgeführt. Ihren „Siegeszug“ in Japan konnte „Daiku“, Nummer Neun, wie die Japaner sie nennen, allerdings erst nach Kriegsende antreten. Erst durch Aufführungen außerhalb der Lager wie z.B. in der Mädchenschule Kurume konnte das Werk allgemein bekannt werden. Es erfreut sich seither einer ungebrochenen Popularität und alljährlich einer Vielzahl von Massenaufführungen. Die ausgestellte Beethoven-Handschrift mit einem Teil der Coda des 2. Satzes ist heute Bestandteil des von der UNESCO definierten „Memory of the World“. In Vitrine 6 ist eine Wiederaufnahme der 5. Symphonie zu sehen, die nun mit der 1. Symphonie kombiniert wurde. Das Konzert wurde in der Lagerzeitung rezensiert. Im Kammermusik-Konzert vom 26. März 1919 wurde die Violinsonate op. 30 Nr. 2 gespielt. Deren Originalhandschrift ist hier gleichfalls zu sehen. Fast ein Jahr nach Kriegsende – die Abwicklung und die logistischen Herausforderungen zogen die Heimkehr in die Länge – veranstaltete man mehrere Wohltätigkeitskonzerte zu Gunsten der notleidenden Kriegsgefangenen in Sibirien (Vitrine 7). Das Engel-Orchester gab seinen 2. Beethoven-Abend mit dem Violinkonzert op. 61 (Solist war Paul Engel, das Orchester wurde von Willy Werner dirigiert, der auch einen Chor leitete) und der 6. Symphonie. Außer der eigenhändigen Partitur dieses außergewöhnlichen Werkes befindet sich in der Sammlung des Beethoven-Hauses auch jene vom Komponisten überprüfte und mit vielen Rötelkorrekturen versehene Abschrift, die als Vorlage für den Erstdruck diente. Vitrine 8 zeigt eine Auswahl weiterer interessanter Konzertprogramme. Im März 1919 wurde in Tokushima ein öffentliches deutsch-japanisches Konzert mit dem Engel-Orchester gegeben. Vermutlich rekrutierten sich die japanischen Mitwirkenden aus Engels Schülern. Zu allen patriotischen Anlässen wurden Konzerte mit Militärmusik veranstaltet. Beispiele sind das Konzert zur 4-jährigen Wiederkehr des Sieges bei Tannenberg (Ostpreußen) mit „Hoch Hindenburg“ und dem Chorsatz „Wir müssen siegen“ vom Kapellmeister Hansen unter Beteiligung des Moltrecht-Chors und einer weiteren Spielmannskapelle sowie das Konzert zum Geburtstag des Kaisers. Dieses vollzog als Themenkonzert einen Gang durch die Geschichte des Militärmarschs vom 13. bis ins 19. Jh. und enthielt auch Beethovens „York’schen Marsch“ WoO 18. Zur Einweihung des Bandoer Stadtparks spielte die M.A.K.Kapelle populäre Märsche des Militärmusikers Carl Teike. Natürlich gab es auch Weihnachtskonzerte, 1918 spielte die M.A.K.-Streichmusik ein von Hansen zusammengestelltes „Weihnachtspotpourri“. Gemeinsam mit sechs weiteren Gefangenen aus Schleswig-Holstein wurde Hansen bereits am 26. August 1919 entlassen, um an der Abstimmung über die Zugehörigkeit Schleswigs zu Deutschland oder Dänemark teilnehmen zu können. Am Vorabend gab er sein Abschiedskonzert. Auch an mehreren „Bunten Abenden“ wirkten Musikgruppen mit. Ende Juli 1919 erklang das in der Lagerzeitschrift abgedruckte Couplet von Hansen „Warum denn diese Eile, wir warten noch ’ne Weile“. Raum 12 im Erdgeschoss zeigt weitere Bereiche der Kulturpflege in den Kriegsgefangenenlagern. Verbreitet war das Theaterspiel, wobei zur Ablenkung vom Gefangenendasein vor allem Komödien gespielt wurden. Es standen aber auch 4 anspruchsvollere Stücke auf dem Programm. Da die Bühne in Baracke 1 erst später gebaut wurde, wich man für Schillers „Räuber“ noch auf eine Freilichtaufführung aus. Die weiblichen Rollen mussten natürlich mit Männern besetzt werden. Bei den meisten Stücken beteiligten sich die Lagerorchester oder Teile von ihnen mit Ouvertüren und Zwischenaktmusiken. Ein Höhepunkt war sicher die fünf Mal wiederholte Vorstellung von Goethes Trauerspiel „Egmont“ mit der Bühnenmusik von Beethoven. Die ausgestellte Abschrift enthält nicht nur Korrekturen des Komponisten im Notentext, sondern auch viele Regieanweisungen, die die Musik mit dem Schauspiel verbinden. Die Sammlung von Bühnenbildern, die in der letzten Ausgabe der „Baracke“ wiedergegeben ist (ein Teil ist an der Wand zu sehen), belegt das Engagement und die Kunstfertigkeit der Theaterenthusiasten unter den Gefangenen. Zu „Egmont“ druckte die Lagerzeitung eine Einführung, die den im Werk thematisierten Freiheitsgedanken und Heldentod mit der eigenen Situation als Kriegsgefangene verglich. Der Rezensent betont zwar die unvermeidbaren Mängel der Aufführungen durch die Umstände im Lager, stellt aber das Gelungene besonders heraus. Möglicherweise war Hansen der Autor der ausführlichen Erläuterung der Schauspielmusik. Das Programm zu Lessings „Minna von Barnhelm“ in Vitrine 2 weist auf das von der japanischen Lagerleitung erlassene Klatschverbot hin. Der Dichter der „Rabensteinerin“, Ernst von Wildenbruch, hatte 1891 ein Gedicht zur Weihe des Beethoven-Hauses verfasst. Im Lager wurde auch Puppentheater mit kunstvoll von Hand geschnitzten Marionetten gespielt. Die „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit“ im März 1918 zeigte außer den aufwändig in den Lagerwerkstätten hergestellten Theaterrequisiten und Kostümen auch das Marionettentheater. Die Gemeinde Bando stellte für die Ausstellung ihre Versammlungshalle mit großen Nebengebäuden und Außengelände zur Verfügung. Die Kriegsgefangenen präsentierten über 450 Exponate, wovon die meisten verkäuflich und nachbestellbar waren. Der Bereich „Bildkunst“ umfasste über 200 Kreide-, Kohle-, Tusche- und Aquarellzeichnungen sowie einige Ölbilder. Der Bereich „Handfertigkeit“ gliederte sich in 11 Unterabteilungen wie z.B. Schiffbau, Kinderspielsachen, Lebensmittel, aber auch Musikinstrumente (mit 7 Exponaten) und Sammlungen von ausgestopften Tieren und präparierten Pflanzen, ein Hobby, dem Heinrich Thies nachging. Die Ausstellung stieß auf großes öffentliches Interesse, 19 Dolmetscher führten über 50.000 Besucher, worunter auch viele Schulklassen waren. Auch die anderen Lager veranstalteten solche Ausstellungen, wie der Ausstellungskatalog aus Ninoshima und die Postkarte aus Kurume belegen. Solche Postkarten wurden zu allen besonderen Gelegenheiten in den Lagerdruckereien gedruckt und mit Einheitstextstempeln versehen. Das vereinfachte die Zensur und trug so wesentlich zu einer schnelleren Laufzeit bei. In Vitrine 3 sind Dokumente zur Heimkehr der Kriegsgefangenen zu sehen. In Erwartung der baldigen Abreise erschien die letzte Ausgabe der „Baracke“ im September 1919. Es dauerte allerdings noch bis Jahresende, bis die japanische Regierung den Heimtransport mit sechs gecharterten Frachtschiffen organisiert hatte. Die Gefangenen aus Bando reisten auf der „Hofuku Maru“, die am 30. Dezember in Kobe ablegte und 56 Tage später, am 24. Februar 1920, in Wilhelmshaven einlief. Die Gerätschaften der Lagerdruckerei hatte man mit auf die Reise genommen, an Bord erschienen sechs Ausgaben der Zeitschrift „Die Heimkehr“. Auf dem Schiff wurde ein Liederabend veranstaltet, auf dessen Programm auch eine Bearbeitung des Andante-Satz aus der Klaviersonate „Appassionata“ op. 57 für Männerchor von Friedrich Silcher („Hymne an die Nacht“) stand. Als bleibende Erinnerung an die in der Gefangenschaft verstorbenen acht Soldaten war ein Gedenkstein auf dem Lagergebiet errichtet worden, der im Fotoalbum von Heinrich Thies zu sehen ist. Erst in den 1960er Jahren kam eine Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen ehemaligen Kriegsgefangenen und der 5 Bevölkerung von Bando zustande. 1972 wurde auf dem ehemaligen Lagergelände das „Deutsche Haus Naruto“ als Erinnerungsstätte eingerichtet. Gedankt sei den Leihgebern Frau Ingeborg Esser und Herrn Prof. Peter Pantzer sowie dem Deutschen Haus Naruto und dem Deutschen Institut für Japanstudien in Tokyo für ausgiebige Informationen. Der Gielen-Leyendecker-Stiftung, der Hans-Joachim-Feiter-Stiftung, dem Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute e.V., dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen sei für die Förderung der Ausstellung verbindlich gedankt. N.K./M.L. Beethoven-Haus Bonn Bonngasse 20 D-53111 Bonn www.beethoven-haus-bonn.de 6