Standsichere und vitale Bäume auf einer Tiefgarage
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Standsichere und vitale Bäume auf einer Tiefgarage
Standsichere und vitale Bäume auf einer Tiefgarage BERND WEIGEL und LOTHAR WESSOLLY Stadt & Grün 2/96 S. 110-113 Abbildung 1: Standort und Erscheinungsbild der Hainbuche. Das Erscheinungsbild dicht besiedelter Städte gewinnt entscheidend, wenn möglichst große Flächen begrünt sind. Dazu zählen auch Tiefgaragen oder auch andere bodennahe Bauwerke. Je größer die verwendeten Pflanzen sind, um so größer ist der gestalterische und auch klimatische Nutzen. Zur Klärung der für vitale, sicher stehende Bäume notwendige Bodenüberdeckung sollte die hier vorgestellte Stansicherheitsüberprüfung einen kleinen Beitrag leisten. Wichtig ist auch die Erfahrung mit der Pflege von bis zu 24m hohen Großbäumen auf einer nur mit 45cm dicken, mit humosem Mutterboden überdeckten Tiefgarage. Dieser einmalige Versuch bis zum endgültigen Aushebeln war durch die Umgestaltung der Tiefgarage zu einer höherwertigen Abbildung 2: Standort und Erscheinungsbild des Silberahorns. Nutzung möglich geworden. Untersucht wurde die Standsicherheit und das Versagensverhalten von 6 Bäumen unterschiedlicher Art. Die Untersuchungsmethodik entsprach der normalerweise zerstörungsfreien statikintegrierten Inclinomethode. Konzept in Baden-Baden Die Garagen in Baden-Baden sin d so in der Umgebung eingebunden, dass der künstliche Standort von außen nicht erkennbar ist. Um den Neubau des Kongresshauses in die historische Bausubstanz besser einzubinden, waren Großbäume erforderlich. Vor 30 Jahren waren die Bäume mit einem Stammum fang 35/40cm gepflanzt worden und hatten sich optimal entwickelt. Auf dem mit leichtem Gefälle angelegten Garagendach hinter der Kongresshalle bestand die erste Schicht aus 10cm Dränagekies. Als Trennung vom nur 45cm hohen Oberboden diente eine Steinwollmatte (Darstellung 1). Der leichte, humose Mutterboden (Löß) stammte aus der Rheinebene. Er war gut belüftet und wasserdurchlässig, leicht sauer und somit geeignet für Rhododendren. Wie aus der Übersicht (Tabelle 1) hervorgeht, kann diese Bodenart sehr viel Wasser speichern. Die Baumstandorte waren leicht überhöht, bzw. Die Bäume haben beim Durchtreiben der Wurzeln wegen der geringen Überdeckung das Erdreich leicht angehoben. Auch die jährliche Einbringung von Kompost hat zur Erhöhung beigetragen. Die Fläche war mit Rasen eingesät. Dr. Ing. Lothar Wessolly, öbv SV, Nittelwaldstr. 22, 70195 Stuttgart, Tel. 0711-24 40 52 Bodenart l/m³ Straßensand (humusfrei, mäßig fein) 70 humoser Dünensand 80 sehr schwerer Lehm 110 humusarmer Decksand (lehmarm) 130 leichter Lehm 150 mäßig humoser Decksand 160 schwerer lehmiger Sandboden 160 leichter lehmiger Sandboden 190 mäßig humoser Decksand 210 Löß 260 sehr humoser Decksand (stark lehmig) 270 Moor (20% organische Substanz) 330 vererdetes Moor 400 Braunerde (mäßig feiner Sand, 2% org. Substanz) 100 Braunerde (mäßig feiner Sand, 5% org. Substanz) 150 Braunerde (mäßig feiner Sand, 8% org. Substanz) 200 Tabelle 1: Wasserlieferungskapazität verschiedener Böden nach KOPINGA (1989). Darstellung 1: Der Bodenaufbau auf der Tiefgarage. Pflegeerfahrung Hätte man die Bäume sich selbst überlassen, wären sie wesentlich langsamer gewachsen oder hätten Auswirkungen von Trockenstress gezeigt. Denn im Sommer wurde nach 10 Tagen ohne Regen der Rasen im Bereich der Baum traufe braun, Es musste mit einer Unterflurberegnung gewässert werden. Zur Veranschaulichung des Wasserhaushaltes sei der größte Baum, ein 24m hoher Silberahorn, näher betrachtet. Er stand Solitär auf der Rasenfläche. Ein 2m breiter Gehweg lief im Abstand zum Wurzelanlauf vorbei. Gesetzt als Stammumfang 35/40 betrug sein Stammdurchmesser in 1,3m Höhe nach dreißig Jahren 71cm. Als mittlere Jahrringbreite ergeben sich daraus beachtliche 10mm. Die vertikal projizierte Kronenfläche mit einem Traufdurchmesser von 15m errechnet sich zu 176m². Pro Sonnentag werden nach KOSLOWSKI (1976) etwa 100 l Wasser pro 25 m² Kronenprojektionsfläche verdampft. Das sind bei dem Ahorn pro Tag: 176/25 x 100 = 700 l Wasser. Die Rasenbräune begann etwa 10 Tagen nach dem letzten größeren Regen. In diesem Zeitraum hat der Baum 7000 l verdunstet. Nach KOPINGA (1992) stehen als Wasserlieferungskapazitäten bei Lößboden 260 l Wasser/m³ Boden zur Verfügung (Tabelle 1). Bei einer Überdeckung von 45 cm errechnen sich unter Silberahorn als maximale Speicherkapazität des Lößbodens bis zur Kronentraufe: 0,45 x 176 x 260 = 20.592 l Wasser. Das sind dreimal mehr als der Verbrauch in 10 Tagen. Das bedeutet, der Boden war niemals 100% wassergesättigt. Ein nicht zu vernachlässigender Anteil wird durch die Dränschicht abgelaufen sein. Auch die Schicht unter dem 2m breiten Weg, der etwa 25m² der Speicherung entzog, könnte man vom Speichervolumen noch abziehen. Bei tieferem Boden hätte bei gleicher 30%Sättigung das Wasserpotential über Nacht von unten wiederhergestellt werden können. Somit ergibt sich bei flacher Überdeckung die Notwendigkeit zu wässern und zu düngen. In Baden-Baden erfolgt die Düngung regelmäßig im Winter durch Kompostabgabe, ca. 3 cm. Dadurch wurde eine sehr gute Pufferung verwirklicht. Die Bäume waren gesund und hatten sich sehr gut entwickelt. Die mittlere Niederschlagsmenge/Jahr beträgt in Baden-Baden 861 mm (Schwarzwald 2000 mm, Rheinebene 560 mm). Fazit der Pflegeerfahrung 1. Voraussetzung für die Bepflanzung einer Tiefgarage 2. 3. oder eines Flachdaches mit Bäumen ist ein Boden mit sehr hoher Wasseraufnahmefähigkeit. Staunässe muss vermieden werden. Eine Zwangsbewässerung muss unbedingt vorgesehen werden. Es sollten Baumarten mit geringem Wasserverbrauch gepflanzt werden. Die Standsicherheit der Bäume Auch wenn bekanntlich einige Baumarten wie Fichte und Buche ohne äußeren Zwang sehr flach wurzeln und dennoch sicher stehe, erscheint vom ersten Eindruck her eine Bodenüberdeckung von 45 cm für eine sichere Verankerung eines Herzwurzlers gering. Die ansonsten sehr dichte Herzwurzeln (Hainbuche, Ahorn) oder auch Pfahlwurzeln (Lärche) bildende Bäume wurden hier gezwungen, ein Flachwurzelsystem zu verwirklichen. Ihre Starkwurzeln müssen sich anders als gewohnt ausbreiten. Wegen der vorgesehenen Baumaßnahmen standen hier erstmals große Versuchsbäume auf einer Tiefgarage zur Verfügung. Sie konnten in ihrem Verankerungsverhalten und ihrer Standsicherheit bis zum endgültigen Kippversagen untersucht werden. Als Kontrollinstrument wurden ein Inclinometer (Neigung des Dr. Ing. Lothar Wessolly, öbv SV, Nittelwaldstr. 22, 70195 Stuttgart, Tel. 0711-24 40 52 Darstellung 3: Der Kippvorgang. Darstellung 2: Die Standsicherheit der Bäume auf Tiefgaragen. Alter Jahre 21 Höhe m 15 Laub Kg TG 3,0 Verbrauch l/Jahr 5307 Buche 21 14 2,3 3801 Kiefer 21 15 4,4 3037 Scheinzypr. 21 15 6,1 2368 Art Birke Das heißt, eine gleichalte und gleichhohe Birke verbraucht mehr als doppelt soviel wie eine Scheinzypresse. Tabelle 2: Wasserverbrauch einiger Baumarten. Aus SAUTER (1989). Produktivität Blattfläche m²/100 Liter 0,63 Verbrauch l/Jahr Populus „robusta" 1,00 747 Populus „barna“ 1,00 850 Populus „oxfort“ 1,10 657 Fraxinus ecx. 0,96 342 Alnus glutinosa 0,89 369 Acer pseudopl. 0,87 110 Art Salix alba 823 Acer platanoides 1,80 140 Das bedeutet, pro Blattfläche verdunstet die Weißweide dreimal mehr als der Spitzahorn Tabelle 3: Wasserverbrauch einiger Jungbäume. Aus KOPINGA 1989 nach BRAUN, 1974). Wurzelstocks) und ein Dynamometer (Zuglast) eingesetzt. Gezogen wurde an einem in der Kronen befestigten Seil mittels Greifzug. Eine Lastanalyse hatte vordem ergeben, wie stark ein Orkan den belaubten Baum belastet. Der Boden war zum Zeitpunkt der Untersuchung sehr feucht. Stansicherheit ist das Verhältnis vom Kippmoment, an dem sich die in die Kronen eingeleitete Last nicht mehr steigern lässt (vertikale Tangente im Diagramm), zum Orkanmoment. Ergebnis der Kippversuche Der Verlust der Standsicherheit muss differenziert betrachtet werden. Kippt ein Baum, kann er mit hoher oder niedriger Zerstörungswucht umfallen. Bei letzterem sind bremsende Systeme im Einsatz, die die Zerstörungsenergie aufzehren. Diese Aufgaben übernehmen die Starkwurzeln, die mit zunehmender Neigung eine nach der anderen zuerst gerade gezogen werden, unter Spannung geraten und dann am Rand des Wurzelballens abreißen. Bei Bäumen mit niedriger Zerstörungswucht ist der Versagensbeginn durch Schrägstellung gut erkennbar. Dem versagenden Baum kann man ausweichen, er stellt keine Gefahr dar. Man muss nicht übervorsichtig sein. Bäume, die schlagartig versagen besitzen eine hohe Zerstörungsenergie. Der Beginn dieses Versagens lässt sich nicht erkennen. Stamm- und Wurzelhalsbrüche setzen die Energie schlagartig frei. Die untersuchten Bäume besaßen eine niedrige Zerstörungsenergie. Sei erwiesen sich zwar in der Versagenslast als weniger standsicher als vergleichbare Bäume mit optimal durchwurzeltem Standort. Aber wenn die Starkwurzeln intakt sind, halten sie halten sie den geneigten Baum selbst bis zu einem Neigungswinkel von 45° und lassen ihn dann sanft gebremst bis zur Horizontalen gleiten. Alle herausgezogenen Wurzelballen zeigten eine gute Durchwurzelung des stammnahen Bereiches. Einzig die Lärche hatte Probleme, da bei der Pflanzung der Jutesack nicht entfernt worden war. Er hatte sich nicht zersetzt, sondern war in großen Teilen noch vorhanden. Auf die Standsicherheit hatte das keinen Einfluss. Nach Abschluss der Baum aßnahmen erfolgte die Neubepflanzung des unterirdischen Bauwerks in ähnlicher Weise. Allerdings wäre es für die Dr. Ing. Lothar Wessolly, öbv SV, Nittelwaldstr. 22, 70195 Stuttgart, Tel. 0711-24 40 52 Abbildung 3: Wurzelteller der Hainbuche beim Kippversuch. Selbst in dieser Position kippt der Baum nicht von selbst, sondern benötigt weiterhin die gleiche Zuglast wie beim Versagensbeginn. Die Verankerung war sehr stabil. (Darstellungen und Fotos: Verfasser). Art Höhe m StammdurchBodentiefe Orkanlast messer cm cm kNm Standsicherheit % Hainbuche 17 35 45 79 125 Silberahorn 24 71 45 420 80 Blutbuche 1 16,3 39 80 100 150 Blutbuche 2 15,8 42 80 115 100 Lärche 20 50 45 100 175 Pyr. Eiche 21 44 frei 119 175 Tabelle 4: Die gekippten Bäume Feuchtespeicherung und zur Verringerung des Gießaufwandes besser, wenn die Bodenüberdeckung höher wäre. Auch der Standsicherheitswert würde ansteigen. Dazu müsste natürlich die Tragkraft der Decke größer bemessen sein. Der Vorschlag der Stadt Baden-Baden für einen optimalen Untergrund 80 cm Überdeckung zu verwirklichen, deckt sich gut mit KOPINGA (1989), der ¾ m² gut durchwurzelbaren Boden pro m² Kronenprojektionsfläche vorschlägt, wenn der Baum gänzlich auf Regenwasser angewiesen ist. Fazit der Standsicherheitsmessung Natürlich lässt diese Untersuchung noch keine Verallgemeinerung zu, somit sind die Ergebnisse erste Hinweise. 1. 2. Die zum Kippen erforderliche Kipplast der zwangsweise flachwurzelnden Bäume ist etwas geringer als wenn sie ihre Herzwurzel ungestört ausgebildet hätten. Es waren je nicht mal die bei Flachwurzlern typischen Senkerwurzeln möglich. Standsicherheitsprobleme nach einem Orkan würden sich an möglichem Schiefstand des Baumes erkennen lassen. Schlagartiges Versagen aufgrund 3. der flachen Durchwurzelung ist nicht zu befürchten. Die Standsicherheit der Bäume war selbst bei einer Bodenüberdeckung von 45 cm gegeben. Auch in den zurückliegenden 30 Jahren sind keine Standsicherheitsprobleme während eines Orkans zutage getreten. Bäume ist vor allem eine ausreichende Wasserversorgung. Denn je geringer die Speicherkapazität des Bodens, die abhängig von Bodenart und Bodenvolumen ist, um so mehr muss gewässert und gedüngt werden. Diese Untersuchung konnte erste Hinweise geben. Zur abschließenden Beurteilung der notwendigen Überdeckung einer Tiefgarage mit Großbäumen wären zusätzliche Standsicherheitsuntersuchungen notwendig. Sie könnten über die verallgemeinerte Kippkurve für Bäume mit nahezu gleichem Aussagewert wie bei der hier vorgestellten Untersuchung dann zerstörungsfrei durchgeführt werden. Literatur BRAUN, H.J., (1974): Rhythmus und Größe von Wachstum, Wasserverbrauch und Produktivität des Wasserverbrauchs bei Holzpflanzen. Allg. Forst- u. J. Ztg. (5) 81-86 BRAUN, H.J., (1988): Bau und Leben der Bäume. Feiburg Zusammenfassung Auf einer Tiefgarage mit nur 45 cm Bodenüberdeckung waren vor 30 Jahren Bäume gepflanzt worden. Der Höchste maß inzwischen 24 m. Wegen einer Umgestaltung mussten die Bäume entfernt werden. Dieser Umstand wurde zur Untersuchung des Verankerungsverhaltens der Bäume genutzt. Zum Einsatz kam die Inclinomethode, mit der normalerweise die verletzungsfreie Standsicherheitsuntersuchung erfolgt. Drei der gekippten Bäume mussten ein artuntypisches Flachwurzelsystem ausbilden. Die Auswertung der Messwerte ergab, dass sie geringere Standsicherheitswerte als tiefwurzelnde Bäume aufweisen. Sie sind aber dennoch keine Gefahrenbäume, weil die Wurzeln den Kippvorgang bis in beachtliche Schräglage bremsten. Wichtig für die zum Flachwurzeln gezwungenen KOPINGA, J.;(1989): Der Wasserverbrauch von Stadtbäumen. 7.Osnabrücker Baumpflegetage 1989 KOSLOWSKI, T.T.,(1977): Drought and transplantability of trees. USDA For. Serv. Techn. Rep. Ne-22:77 LIESECKE, H.J., B. W. KRUPKA, G., LÖSKEN, H. BRÜGGEMANN,(1989): Grundlagwn der Dachbegrünung. Berlin und Hannover SAUTER,J. J.,(1989) : Der Wassertransport im Baum. 7.Osnabrücker Baumpflegetage 1989 SIEWNIAK, M.; KUSCHE, D.,(1994): Baumpflege heute. Berlin und Hannover VRECENAK, A. J., L. P. HERRINGTON, (1984): Estimation of water use of landscape trees, Journal of Abriculture 10 (12)313-319 WESSOLLY, L., (1994): Wurzelschäden und Standsicherheit von Bäumen. Neue Landschaft 39 (11) 853 WESSOLLY, L., (1993): Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen. Das Gartenamt 42 (8) 486 WESSOLLY, L., (1995): Bruchdiagnose von Bäumen. Stadt und Grün 44 (6) Dr. Ing. Lothar Wessolly, öbv SV, Nittelwaldstr. 22, 70195 Stuttgart, Tel. 0711-24 40 52