URTEIL

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URTEIL
9 Sa 782/03
11 Ca 2983/03
(München)
Verkündet am:
03. März 2004
Janowski, Amtsinsp.
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
G.
- Kläger und Berufungsbeklagter Prozessbevollmächtigte:
gegen
M.
- Beklagte und Berufungsklägerin Prozessbevollmächtigte:
hat die neunte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter
am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl sowie die ehrenamtlichen Richter Rainer
von Zezschwitz und Peter Gebhardt für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil
des Arbeitsgerichtes München vom 5.6.2003
- 11 Ca 2983/03 – wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangte von der Beklagten Elternzeit vom 11.2.2003 bis 21.3.2004
mit einer Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden.
Der Kläger ist seit 1.6.1990 als technischer Angestellter (Systemingenieur
Telekommunikation) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 5.710,-- bei
der Beklagten im Betrieb M, in dem circa 9.000 Mitarbeiter tätig sind,
beschäftigt. Er war vor dem 11.2.2003 im Bereich ICN CP STS IT 14
eingesetzt. Der Kläger ist verheiratet und Vater eines Sohnes (geboren
21.3.2001) und einer Tochter (geboren 16.11.2002). Seine Ehefrau ist nicht
berufstätig.
Mit Schreiben vom 17.12.2003 (Fotokopie Bl. 8 d. A.) beantragte der Kläger für
die Zeit vom 11.2.2003 bis 21.3.2004 Elternzeit in Bezug auf seinen Sohn und
eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden während der
Elternzeit.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 18.12.2002 (Fotokopie Bl. 9 d.
A.) mitgeteilt, dass sie seinen Antrag auf Elternzeit zur Kenntnis nehme und er
hierzu noch eine detaillierte Bestätigung erhalte. Seinem Wunsch auf Teilzeit
von 30 Stunden pro Woche könne nicht entsprochen werden, da sein
Arbeitsplatz entfalle. Dies sei ein dringender betrieblicher Grund gemäß § 15
Abs. 4 BErzGG.
Der Kläger machte mit seiner Klage zum Arbeitsgericht München geltend, er
könne gemäß § 15 Abs. 1 BErzGG Elternzeit und gemäß § 15 Abs. 7 BErzGG
Verringerung seiner Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden verlangen.
Entgegenstehende dringende betriebliche Gründe lägen nicht vor. Der
Arbeitsplatz des Klägers sei nicht entfallen. Die Beklagte sei lediglich dabei ihr
Personal umzuschichten und die Abteilung des Klägers umzuorganisieren.
Der Kläger hat beantragt:
die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu 30 Wochenstunden bei im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen
als Systemingenieur Telekommunikation für den Bereich
Übertragungssysteme in der Abteilung ICN CP STS IT 14
im Betrieb H in tatsächlich
zu beschäftigen.
Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, ihre Zustimmung zur
Änderung des Arbeitsverhältnisses des Klägers in ein TeilzeitArbeitsverhältnis in der Elternzeit zu 30 Wochenstunden zu erteilen.
Die Beklagte hat dagegen beantragt
die Klage abzuweisen
und trug vor, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen, so dass eine
Beschäftigung des Klägers zu 30 Wochenstunden bei im Übrigen unveränderten
Arbeitsbedingungen unmöglich sei. Das Geschäft mit
Telekommunikationsnetzen, Information & Communication Networks (ICN)
befinde sich seit über zwei Jahren in einer nachhaltigen strukturellen Krise.
Nach Verlusten im Geschäftsjahr 00/01 und 01/02 habe der Bereichsvorstand im
September 2002 beschlossen, den Bedarf an Arbeitnehmern an den reduzierten
Umsatz und Auftragseingang anzupassen, wodurch rechnerisch circa 2.300
Arbeitsplätze wegfallen würden. In der Umsetzung des Vorstandsbeschlusses
seien in dem neu gegründeten Cort Center ICN CP die Entwicklungsabteilungen
der ehemaligen Geschäftsgebiete für Vermittlungssysteme (ICN WN),
Übertragungssysteme (ICN ON) und Netzzugangssysteme (ICN AS)
zusammengefasst worden. Dies habe zu erheblichen Synergieeffekten und zum
Abbau von Doppelarbeit geführt. Ferner sei das Budget bei ICN CP im
Geschäftsjahr 02/03 von 789 Millionen auf 550 Millionen Euro gesenkt worden.
Dies habe sich auch auf die Abteilung des Klägers ausgewirkt. Der Kläger sei
als Systemtester in der Systemabteilung des Bereiches optische
Übertragungssysteme ICN CP STS IT 14 tätig gewesen. In dieser Abteilung sei
an zwei großen Projekten gearbeitet worden, nämlich –Surpass hiT 7070 (MSI),
ein hochmodernes Datenübertragungssystem für Glasfaserleitungen und MTS
(Multiwave Transport System), ein optisches Übertragungssystem. Der Kläger
sei für das Projekt MTS eingeplant gewesen. Im Zuge der Umsetzung der CPLeitungsentscheidung sei im Oktober 2002 beschlossen worden, das Ultra
Longhaul Projekt MTS 2.1 nicht weiter zu entwickeln und anstelle einer
Neuentwicklung nur noch Maßnahmen zur Kostenreduzierung der Baugruppen
durchzuführen. Auf Grund dieser Entscheidung seien in der Fachgruppe, in der
der Kläger tätig war, zwei von vier Arbeitsplätzen weggefallen, darunter der
Arbeitsplatz des Klägers. Deshalb sei eine Teilzeitarbeit während der Elternzeit
nicht möglich. Eine Versetzungsmöglichkeit auf einen anderen vergleichbaren
Arbeitsplatz im Unternehmen bestehe nicht.
Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 5.6.2003 die Beklagte
gemäß dem Hilfsantrag verurteilt, ihre Zustimmung zur Verringerung der
Arbeitszeit des Klägers auf 30 Wochenstunden zu erteilen. Es hat zur
Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zum Teil sehr ausführlich
vorgetragen, welche Rationalisierungsmaßnahmen sie durchgeführt habe, habe
es jedoch nicht den kausalen Zusammenhang zwischen diesen Maßnahmen und
dem behaupteten Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers auf nachvollziehbare
Weise dargelegt. Vielmehr habe sie sich darauf beschränkt, jeweils stereotyp
und lapidar zu behaupten, die fraglichen Maßnahmen führten bei ICN CP zu
einem Wegfall von rechnerisch 563 Arbeitsplätzen; in der Fachgruppe des
Klägers entfielen zwei von vier Arbeitsplätzen. Warum nicht drei? Oder nur
einer? Die Beklagte hätte hier schon die genauen Auswirkungen der einzelnen
Maßnahmen auf die Beschäftigungslage darlegen müssen. Das Vorbringen der
Beklagten sei ohne unzulässige Ausforschung der angebotenen Zeugen einer
Beweisaufnahme nicht zugänglich. Das gleiche gelte für den angeblichen
Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers. Auch in diesem Zusammenhang könne
nicht ohne weiteres nachvollzogen werden, inwiefern der Arbeitsplatz des
Klägers ersatzlos entfallen sein solle.
Bezüglich des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der
rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Einzelnen wird auf den Inhalt
des Endurteiles des Arbeitsgerichtes München vom 5.6.2003 verwiesen.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 18.6.2003 zugestellt wurde, am
18.7.2003 Berufung eingelegt und diese am 30.9.2003 innerhalb der
verlängerten Frist auch begründet.
Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes habe sie den
Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers hinreichend substantiiert dargelegt.
Soweit das Erstgericht einwende, der kausale Zusammenhang zwischen den
getroffenen Maßnahmen einerseits und dem behaupteten Wegfall des
klägerischen Arbeitsplatzes andererseits sei nicht auf nachvollziehbare Weise
dargelegt, verkenne es, dass die Festlegung der Zahl an Arbeitnehmern, die von
einer unternehmerischen Entscheidung betroffen werden, zwangsläufig Teil
dieser unternehmerischen Entscheidung sei. Insoweit sei die in der
Klageerwiderung für die jeweilige Geschäftsgebietsebene genannte Zahl an
betroffenen Arbeitnehmern dahingehend zu verstehen, dass nach der
unternehmerischen Entscheidung in Umsetzung der beschlossenen
Umstrukturierungsmaßnahmen für die jeweils genannte Zahl an Arbeitnehmern
die Beschäftigungsmöglichkeit entfalle.
So könne der angebotene Zeuge D mit seiner Aussage belegen, dass durch seine
auf Abteilungsebene getroffene Entscheidung das Ultra Longhaul Projekt MTS
2.1 nicht weiter zu entwickeln und anstelle einer Neuentwicklung nur noch
Maßnahmen zur Kostenreduzierung der Baugruppe durchzuführen, die
ursprünglich vorgesehene Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers im Projekt
MTS entfallen sei.
Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe mit der Firma A einen
umfangreichen Auftrag unterschrieben, werde bestritten. Entgegen der
Behauptung des Klägers könne dieser nicht mit den nach der Umstrukturierung
in der Abteilung ICN CT STS IT 14 verbleibenden Aufgaben betraut werden.
Der Kläger verfüge anders als die in der Abteilung verbliebenen Herren N und F
insbesondere nicht über die für dieses Projekt erforderlichen Produkt- und
Testkenntnisse. Außerdem fehle dem Kläger das für die Durchführung der
verbliebenen Aufgaben spezielle Fachwissen und die erforderlichen praktischen
Erfahrungen. Die Zeit für die Einarbeitung in dieses für die Beschäftigung
erforderliche technische Know-how betrage mindestens 24 Monate.
Es bestehe auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger.
Für eine Beschäftigung in den vom Kläger benannten Dienststellen ICN STS IT
11, 12 und 13 fehlten dem Kläger ebenfalls die erforderlichen Kenntnisse und
Erfahrungen im Bereich Surpass hiT 7070. Die Zeit für die Einarbeitung in
dieses für die Beschäftigung erforderliche technische Know-how betrage
mindestens 24 Monate.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird
auf den Inhalt der Schriftsätze vom 30.9.2003 (Bl. 61 – 66 d. A.) und vom
28.1.2004 (Bl. 100 – 104 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
1. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom
5.6.2003 – 11 Ca 2983/03 – wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Der Kläger beantragt dagegen
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen
und trägt vor, die Erwägungen des Arbeitsgerichtes seien zwar im Ergebnis
richtig, hätten jedoch nicht den richtigen dogmatischen Ansatz. Der dringende
betriebliche Grund sei nämlich darauf zu beziehen, ob eine Reduzierung der
Arbeitszeit auf 30 Stunden möglich sei oder nicht. Die verbleibende Arbeitszeit
von 30 Stunden bestehe von Gesetzes wegen. Wolle sich die Beklagte dieser
Verpflichtung entledigen, so habe sie das Kündigungsverfahren einzuleiten.
Denn der Anspruch aus § 15 Abs. 7 BErzGG solle den Anspruch auf Elternzeit
sichern, nicht jedoch gesetzlichen Bestandsschutz schmälern oder helfen zu
umgehen. § 15 Abs. 7 BErzGG beziehe sich deshalb auf die Verringerung der
Arbeitszeit, nicht jedoch auf die vom Verringerungswunsch nicht betroffene
verbleibende Arbeitszeit. Dass lediglich der Teil der Arbeitszeit, der sich
verringern soll, nicht dringenden betrieblichen Gründen entgegenstehen soll,
ergebe sich schon daraus, dass bei Arbeitnehmern, bei denen die
Wochenarbeitszeit zuvor 30 Stunden betrug, es zur Begründung eines
Elternzeitarbeitsverhältnisses keiner Vereinbarung bedürfe.
Der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers werde bestritten. Die Beklagte
behaupte, der Kläger sei für das Projekt MTS 2.1 eingeplant gewesen, dieses
Projekt werde nicht weiterentwickelt. Der Kläger wisse nichts davon, dass er für
dieses Projekt eingeplant gewesen sei. Er sei bislang für die Systeme SXG,
Waveline und MSI tätig und verplant gewesen.
Aber selbst wenn man dem dogmatischen Ansatzpunkt des Arbeitsgerichtes
folge, so seien ebenfalls keine dringenden betrieblichen Gründe gegeben, die
dem Verlangen auf Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen würden. Es sei
nicht schlüssig dargelegt und werde nach wie vor bestritten, dass die
Unternehmerentscheidung der Beklagten zum Wegfall des Arbeitsplatzes des
Klägers geführt habe.
Es sei auch unzutreffend, dass der Kläger für die in der Abteilung ICN CP STS
IT 14 verbleibenden Aufgaben ungeeignet sei. Alle Mitarbeiter in den
Dienststellen ICN STS IT 11 – 14 hätten maximal sechs Monate praktische
Erfahrungen. Eine Einarbeitung von 24 Monaten sei damit bei den Kollegen
nicht erforderlich gewesen. Denn ein Wissensvorsprung von 24 Monaten sei
denklogisch ausgeschlossen. Wenn die Kollegen F und N derzeit erfolgreich im
Projekt arbeiten, dann könne dies der Kläger ebenso.
Bezüglich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird
auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 31.10.2003 (Bl. 67 – 73 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes München
vom 5.6.2003 ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat gemäß § 15
Abs. 7 BErzGG zu Recht dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben.
1. Gemäß § 15 Abs. 7 BErzGG hat ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf
Elternzeit hat, auch Anspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit, so- fern
die Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 Ziff. 1 – 5 BErzGG erfüllt sind.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die
Anspruchsvoraussetzungen auf Elternzeit für die beantragte Zeit ab
11.2.2003 erfüllt, und dass auch die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 15
Abs. 7 Ziff 1, 2, 3 und 5 BErzGG erfüllt sind; zwischen den Parteien ist
lediglich streitig, ob dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit
dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 15 Abs. 7 Ziff. 4 BErzGG
entgegenstehen.
2. Der Kläger hat mit Schreiben vom 17.12.2002 Elternzeit für die Zeit
11.2.2003 bis 21.3.2004 beantragt und gleichzeitig die Verringerung seiner
wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche. Aus §§ 15, 16
BErzGG lässt sich nicht entnehmen, in welchem Verhältnis der Anspruch auf
Verringerung der Arbeitszeit zum Anspruch auf Elternzeit steht. Es stellt sich
die Frage, stehen die beiden Ansprüche nebeneinander mit der Auswirkung,
dass der Arbeitnehmer die verlangte Elternzeit antreten muss, auch wenn der
Arbeitgeber mit dem Verlangen auf Teilzeittätigkeit nicht einverstanden ist,
oder stellt das Verlangen auf Elternzeit mit gleichzeitigem Verlangen auf
Verringerung der Arbeitszeit eine besondere Form der Elternzeit dar, also die
Inanspruchnahme der Elternzeit unter der Bedingung der
Teilzeitbeschäftigung (vgl. hierzu Leßmann DB 2001, 94).
Die rechtlichen Auswirkungen sind gravierend, denn im ersten Falle müsste
der Arbeitnehmer die Elternzeit antreten; er wäre von seiner Arbeitsleistung
voll freigestellt, bis er sich durch rechtskräftiges Urteil die Zustimmung des
Arbeitgebers zur Teilzeittätigkeit erstreitet.
Im zweiten Falle käme bei Ablehnung der Teilzeitbeschäftigung die
Elternzeit nicht zustande und der Arbeitgeber müsste den Arbeitnehmer zu
den bisherigen Arbeitsbedingungen mit der bisherigen Arbeitszeit
weiterbeschäftigen; tut er dies nicht, käme der Arbeitgeber in
Annahmeverzug.
Nach Auffassung des Berufungsgerichtes kann diese Frage jedoch im
vorliegenden Prozessstadium noch dahingestellt bleiben, da im Zeitpunkt der
Entscheidung der Zeitraum der beantragten Elternzeit noch nicht ganz
beendet ist (dieser Zeitraum endet am 21.3.2004) und somit über den
Klageantrag noch entschieden werden kann. Die Frage wird also erst
relevant, wenn der Zeitraum der beantragten Elternzeit beendet ist und die
Parteien über einen finanziellen Ausgleich für die zu Unrecht nicht gewährte
Teilzeittätigkeit streiten. Hat der Arbeitgeber die Zustimmung zur
Teilzeitarbeit zu Unrecht verweigert, so besteht nach der ersten Variante
lediglich ein Schadensersatzanspruch auf Ausgleich der entgangenen
Vergütung, der aber Verschulden voraussetzt, wogegen nach der zweiten
Variante für den Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht
weiterbeschäftigt hat, ein Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des
Annahmeverzuges gemäß § 615 S. 1 BGB bestehen kann und zwar bezogen
auf die bisherige und nicht auf die beantragte verringerte Arbeitszeit, sofern
nicht gemäß § 297 BGB angenommen werden kann, dass der Leistungswille
des Arbeitnehmers nur auf die verringerte Arbeitszeit beschränkt war.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die Verringerung der Arbeitszeit auf 30
Stunden wöchentlich für die Zeit 11.2.2003 bis 21.3.2004 zu Unrecht
verweigert.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob im Rahmen des § 15 Abs. 7 BErzGG
zu unterstellen ist, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers vorhanden ist
und somit nur überprüft werden kann, ob lediglich der reinen Reduzierung
der bisherigen Arbeitszeit auf eine Arbeitszeit zwischen 15 und 30
Wochenstunden dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, oder ob im
Rahmen des § 15 Abs. 7 BErzGG das Verlangen auf Verringerung der
Arbeitszeit auch deswegen abgelehnt werden kann, weil überhaupt keine
Beschäftigungsmöglichkeit, also auch nicht einmal in Teilzeit, mehr besteht.
Denn selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ein
dringender betrieblicher Grund im Sinne des § 15 Abs. 7 Ziff. BErzGG darin
liegt, dass überhaupt keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht, so fehlt
es insoweit an der schlüssigen Darlegung durch die Beklagte. Es ist - soweit
dem Berufungsgericht ersichtlich – einhellige Meinung, dass der Arbeitgeber
die Darlegungs- und Beweislast dafür hat, dass dem Teilzeitbegehren des
Arbeitnehmers gemäß § 15 Abs. 7 Ziff. 4 BErzGG dringende betriebliche
Gründe entgegenstehen (vgl. Erfurter Kommentar 170 § 15 BErzGG Rz. 24;
Opitz, AuR 2003 165 Fußn. 9 m.w.N.), da es sich bei § 15 Abs. 7 Ziff. 4
BErzGG um eine rechtshindernde Einwendung handelt. Es fehlt bereits an
der schlüssigen Darlegung durch die Beklagte, dass die
Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers in seiner bisherigen Fachgruppe
entfallen ist. Die Beklagte trägt zwar vor (Schriftsatz vom 16.5.2003 S. 8),
dass durch die Umsetzung der CP Leitungsentscheidung, das Ultra Longhaul
Projekt MTS 2.1 nicht weiter zu entwickeln (Portfolio Bereinigung) und
anstelle einer Neuentwicklung nur noch Maßnahmen zur Kostenreduzierung
der Baugruppen durchzuführen und dadurch, dass keinerlei
Weiterentwicklungen der bereits im Kundeneinsatz befindlichen
Network-Transportprodukte durchgeführt werden, in der Fachgruppe des
Klägers zwei von vier Arbeitsplätze entfallen seien. Hierbei handelt es sich
um eine Pauschalbehauptung, die mangels eines sie ausfüllenden
Tatsachenvortrages nicht nachvollziehbar ist. Aus dem Umstand, dass in
einer Arbeitsgruppe Aufgaben reduziert worden
sind, ergibt sich ohne nähere Darlegung des bisherigen Umfanges der
Gesamtaufgabe und des Umfanges der verbleibenden Restaufgabe nicht, in
welchem Umfang damit auch das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung von
Arbeitnehmern der Arbeitsgruppe entfallen ist. Auf diesen Umstand wurde
die Beklagte bereits in den Entscheidungsgründen des Endurteiles vom
5.6.2003 hingewiesen, dennoch hat sie auch in der Berufung ihren
Sachvortrag nicht entsprechend konkretisiert.
Aber selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellen würde, dass die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers in seiner Fachgruppe
tatsächlich entfallen ist, so fehlt überdies die schlüssige Darlegung, dass der
Kläger nicht anderweitig im Unternehmen mit 30 Wochenstunden während
der beantragten Elternzeit beschäftigt werden kann. Nach dem Wortlaut des §
15 Abs. 7 Ziff. 3 BErzGG müssen die dem Teilzeitbegehren des
Arbeitnehmers entgegenstehenden betrieblichen Gründe dringend sein; damit
sollen betriebliche Gründe dem Teilzeitbegehren nur im Ausnahmefall
entgegenstehen. Der Arbeitgeber muss also alle Möglichkeiten der
betrieblichen Umorganisation prüfen und im Streitfalle überzeugend
darlegen, dass eine Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit anstelle des vom
Gesetz ohne Einschränkung vorgesehenen Totalausfalles für die Dauer der
Elternzeit nicht machbar ist (vgl. Erfurter Kommentar 170 § 15 BErzGG Rz.
25). Ist eine Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeit auf dem bisherigen
Arbeitsplatz des Arbeitnehmers nicht gegeben, so darf der Arbeitgeber das
Teilzeitbegehren nicht einfach ablehnen, sondern muss prüfen, ob er den
Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers mit der Zuweisung einer anderen
Arbeitsaufgabe oder durch Umorganisation erfüllen kann. Diese
Verpflichtung des Arbeitgebers ergibt sich aus dem grundsätzlichen
Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Elternzeit, und zwar auch in Form
einer Teilzeitbeschäftigung, der nur durch dringende betriebliche Gründe
aufgehoben werden kann. Dringlich können aber Gründe nur sein, wenn sie
sich nicht nur aus Zweckmäßigkeits- oder Praktikabilitätsüberlegungen
ergeben, sondern wenn die Gründe die Unmöglichkeit oder zumindest die
Unzumutbarkeit des Teilzeitverlangens ergeben. In Anknüpfung an den
Begriff der Dringlichkeit in § 1 Abs. 2 KSchG bei der betriebsbedingten
Kündigung ist auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auf die
Unvermeidbarkeit abzustellen (vgl. hierzu für das Kündigungsrecht KR-Etzel
§ 1 KSchG Rz. 545 m.w.N.). Wie der Arbeitgeber eine betriebsbedingte
Kündigung erst aussprechen darf, wenn es ihm nicht möglich ist, die
Kündigung durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem
oder wirtschaftlichem Gebiet zu vermeiden (vgl. BAG EzA § 1 KSchG
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65; KR-Etzel a.a.O.), so muss vom
Arbeitgeber auch im Rahmen des § 15 Abs. 7 BErzGG gefordert werden, das
Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers nur dann zurückzuweisen, wenn er die
begehrte Teilzeitbeschäftigung auch nicht durch organisatorische
Maßnahmen ermöglichen kann. Dass dies der Beklagten nicht möglich oder
nicht zumutbar ist, hat sie nicht schlüssig dargelegt. Selbst wenn man hierbei
wiederum zugunsten der Beklagten unterstellt, dass eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Abteilung ICN CP STS IT 14 im
Rahmen der verbleibenden Aufgaben nicht besteht und der Kläger die von
den Arbeitskollegen F und N wahrzunehmenden Aufgaben mangels
spezieller Fachkenntnisse auch nicht übernehmen kann, so hat die Beklagte
dennoch nicht dargelegt, dass sie den Kläger nicht anderweitig im Rahmen
seiner Kenntnisse und Fähigkeiten entsprechend seiner Eingruppierung
zumindest am Standort München Hofmannstraße mit 30 Stunden pro Woche
weiterbeschäftigen kann. Die Beklagte hat sich nur darauf beschränkt
auszuführen, dass sie den Kläger auch nicht in den Dienststellen ICN STS IT
11, 12 und 13 einsetzen könnte.
4. Das Arbeitsgericht hat somit dem Antrag des Klägers auf Zustimmung der
Beklagten zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden zu
Recht stattgegeben. Die Parteien werden aber vorsorglich darauf
hingewiesen, dass der Zeitraum bis Ablauf des 21.3.2004 beschränkt ist.
Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen,
§ 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision zum Bundesarbeitsgericht
einlegen.
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und
innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden. Die Frist beginnen
mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteiles, spätestens
aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteiles.
Die Revision muss beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt,
Postanschrift:
Bundesarbeitsgericht
99114 Erfurt,
Fax-Nr. (0361) 2636-2000
eingelegt und begründet werden. Die Revisionsschrift und die
Revisionsbegründungsschrift müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
Dr. Dunkl
von Zezschwitz
Gebhardt