Über die Lösung des apollonischen Berührungsproblems auf

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Über die Lösung des apollonischen Berührungsproblems auf
K. Holländer
5. Tagung der DGfGG 2009
Über die Lösung des apollonischen Berührungsproblems auf der Kugel und
im Raum mittels geometrischer Transformationen
Klaus Holländer (FH Giessen-Friedberg)
Abstract
The problem of Apollonius on the sphere is to find all circles which contact three given circles on the sphere.
This problem is solved by geometric modeling and by stereographic projection. Tangent cones are used for this
modeling. The problem of Apollonius in the space is to find all spheres which contact four given spheres in the
space. This contact problem is solved by transformation by reciprocal radii.
1. Einleitung
Das apollonische Berührungsproblem auf der Kugel besteht darin, alle Kreise zu konstruieren, die drei
auf der Kugel gegebene Kreise berühren. Im allgemeinen Fall gibt es 8 Kreise. Sonderfälle entstehen,
wenn Kreise zu Punkten entarten. Die Ebene kann als Kugel mit dem Radius Unendlich aufgefasst
werden. Auf der Ebene kann ein Kreis zu einem Punkt oder zu einer Geraden entarten. Es sind dann 9
Sonderfälle möglich.
Das apollonische Berührungsproblem im Raum besteht darin, alle Kugeln zu konstruieren, die vier im
Raum gegebene Kugeln berühren. Im allgemeinen Fall gibt es 16 Kugeln [2]. Sonderfälle entstehen,
wenn Kugeln zu Punkten oder zu Ebenen entarten.
Das apollonische Berührungsproblem auf der Kugel wird durch Modellierung und mit Hilfe der
stereographischen Projektion gelöst. Das apollonische Berührungsproblem im Raum wird mit Hilfe
der Inversion an der Kugel gelöst.
Anwendung findet das apollonische Berührungsproblem im Raum beim satellitengestützten
Navigationssystem Global Positioning System (GPS) [1, 7].
1.1 Die stereographische Projektion
Gegeben sei eine horizontale Ebene  und eine Kugel K mit dem Mittelpunkt M und dem Radius R.
Die Kugel berühre die Ebene im Punkt S. Der zu S diametral gelegene Kugelpunkt sei N. Dann wird
die Zentralprojektion der Kugel von N auf die Ebene  stereographische Projektion genannt. Die
stereographische Projektion ist kreistreu, winkeltreu und umkehrbar eindeutig [3, 5, 8, 9]. Zu jedem
Kreis auf der Kugel existiert ein Tangentialkegel (Halbkegel), der in eine Tangentialebene über geht,
wenn der Kreis zu einem Punkt entartet. Die Spitze des Tangentialkegels ist der Pol des Kreises
bezüglich der Kugel.
Die stereographische Projektion eines Tangentialkegels (Halbkegel) in die Ebene ist ein Kreis, sein
Mittelpunkt ist das Bild der Kegelspitze, d.h. der Mittelpunkt eines Kreises auf der Kugel wird nicht
Mittelpunkt des Bildkreises in der Ebene.
1.2 Die Inversion an der Kugel
Gegeben sei eine Kugel K mit Mittelpunkt M und dem Radius R. Ein Punkt P ungleich M werde wie
folgt auf den Punkt P’ abgebildet: MP·MP’ = R2. Diese Abbildung heißt Inversion an der Kugel,
Spiegelung an der Kugel oder Transformation durch reziproke Radien [3, 5, 8, 10]. P’ ist das
Spiegelbild oder der Bildpunkt von P in Bezug auf die Kugel K. Für die Inversion an der Kugel K gilt:
1. eine Ebene, die nicht durch M geht, wird in eine Kugel durch M verwandelt;
2. eine Kugel, die durch M geht, wird in eine Ebene verwandelt;
3. eine Kugel, die nicht durch M geht, wird auf eine Kugel abgebildet;
4. eine Kugel wird auf sich selbst abgebildet, wenn sie die Inversionskugel K senkrecht schneidet;
5. jeder Punkt auf der Kugel ist ein Fixpunkt.
1.3 Modellierung
Im Folgenden werden bei der Modellierung (constructive solid geometry) nur:
die elementaren Körper wie Kegel und Kugel verwendet;
die boolschen Operationen Durchschnitt, Differenz und Vereinigung angewendet;
die Transformationen Rotation, Translation und Skalierung durchgeführt.
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2. Lösung des apollonischen Berührungsproblems auf der Kugel durch Modellierung
Gegeben seien die Kreise k1 und k auf der Kugel K mit dem Radius R, die sich im Punkt C von außen
berühren. Zum Kreis k1 gehöre der Tangentialkegel mit der Spitze A und zum Kreis k der
Tangentialkegel mit der Spitze P. Die Mantellinien AC und PC liegen auf der Tangentialebene des
Kugelpunktes C und stehen senkrecht auf der gemeinsamen Tangente der Kreise k1 und k im
Berührpunkt C. Daher liegen die Punkte A, P und C auf einer Geraden. Es gilt: der Punkt P liegt auf
einer Mantellinie des Tangentialkegels von Kreis k1 und umgekehrt, der Punkt A liegt auf einer
Mantellinie des Tangentialkegels von Kreis k. Die stereographische Projektion der Tangentialkegel
liefert zwei Bildkreise mit den Mittelpunkten A’ und P’, die sich im Punkt C’ berühren, A’, P’ und C’
liegen auf einer Geraden.
Die beiden Kreise k1 und k können sich auch von innen berühren, z.B. kann der Kreis k1 innerhalb
von Kreis k liegen. Dann liegen die Punkte A, P und C auf einer Mantellinie von Kreis k.
Abb. 1: Kreise auf der Kugel und ihre Tangentialkegel (links), stereographische Projektion (rechts)
Um die Berührkreise von drei auf der Kugel befindlichen Kreisen zu bestimmen, ist es notwendig, die
Tangentialkegel als Doppelkegel zu betrachten (Abb. 2). Jeder Tangentialkegel besteht dann aus zwei
Mantelflächen, insgesamt haben die drei Doppelkegel sechs verschiedene Mantelflächen. Nach dem
Abzählprinzip gibt es n = 2·22 = 8 Möglichkeiten, drei Kegelmantelflächen auszuwählen, die zu
verschiedenen Doppelkegeln gehören. Von jeweils drei so ausgewählten Kegelmantelflächen werden
die Dreiflächenschnittpunkte mit Hilfe der boolschen Operationen Durchschnitt oder Vereinigung
ermittelt (Abb. 2 rechts). Dabei ist zu beachten, dass drei Kegelmantelflächen einen, zwei oder keinen
Dreiflächenschnittpunkt besitzen können (siehe Abb. 2). Im Fall 1 gibt es einen, im Fall 2 gibt es zwei
und im Fall 3 keinen Dreiflächenschnittpunkt. Jeder Dreiflächenschnittpunkt ist die Spitze P des
Tangentialkegels eines Berührkreises bzw. der Pol P eines Berührkreises. Aus der Strecke MP und
dem Kugelradius R können der Berührkreisradius r und sein Mittelpunkt Q bestimmt werden.
Die Konstruktion des Berührkreises aus MP und R lässt sich am bequemsten in der xy- Ebene
ausführen, dabei ist der Befehl „Ausrichten“ nützlich.
Abb. 2: links drei Beispiele (symbolische Darstellung), rechts Durchschnitt der Kegel von Fall 1
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Der Berührkreis kann auch unmittelbar auf der Kugel konstruiert werden. Dazu verbindet man den Pol
P beispielsweise mit der Spitze A des Tangentialkegels von Kreis k1. Die Verbindungsgerade AP
schneidet den Kreis k1 im Punkt C bzw. berührt die Kugel in C. Die Senkrechte von C auf die Strecke
MP trifft diese im Punkt Q, dem Mittelpunkt des Berührkreises.
3. Die Lösung des apollonischen Berührungsproblems auf der Kugel mit Hilfe der
stereographischen Projektion
Gegeben sei eine Kugel K mit dem Mittelpunkt M und dem Radius R sowie drei Kreise k1, k2 und k3
auf dieser Kugel. Man bildet die Kreise k1, k2 und k3 mittels stereographischer Projektion auf die
Ebene  ab. Da die stereographische Projektion kreistreu ist, genügt es, von jedem Kreis drei Punkte
abzubilden. An Stelle von drei Punkten kann man auch einen Kreispunkt und die Spitze des
zugehörigen Tangentialkegels abbilden. In der Ebene  können jetzt die Berührkreise nach einer der
bekannten Methoden konstruiert werden:
1. der planimetrischen Methode von L. Gaultier und J.D. Gergonne [4, 9],
2. der zyklographischen Methode [9],
3. durch Modellierung [6],
4. der Inversion am Kreis [10].
Nach der Konstruktion der Berührkreise in der Ebene  werden diese auf die Kugel zurücktransformiert. Wegen der Kreistreue genügt es, von jedem gefundenen Berührkreis drei Punkte auf die
Kugel zu transformieren.
Abb. 3: auf der Kugel gibt es 8 Berührkreise
4. Die Lösung des apollonischen Berührungsproblems im Raum mit Hilfe der Inversion
an der Kugel
Die Lösung des apollonischen Berührungsproblems mittels Inversion verläuft im Raum ganz ähnlich
wie in der Ebene [10]. Deshalb soll zunächst die Methode in der Ebene skizziert werden.
Gegeben seien drei Kreise k1, k2 und k3 mit den Radien 0 <= r1 < = r2 < = r3. Im ersten Schritt wird
der Radius r1 = 0 gesetzt, d.h. der kleinste Kreis entartet zu einem Punkt M, während die Radien der
beiden anderen Kreise unabhängig voneinander um r1 verkleinert oder vergrößert werden, das ergibt
m = 4 Kreispaare (k2’, k3’). Im zweiten Schritt wählt man den Mittelpunkt M des Kreises k1 zum
Inversionszentrum, sein Radius R kann beliebig gewählt werden. Hier wird der Radius R so gewählt,
dass er den Kreis k3’ senkrecht schneidet (siehe Abb. 5). Führt man die Inversion durch, so wird Kreis
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Abb. 4: Inversion am Kreis
k2’ am Inversionskreis gespiegelt, während Kreis k3’ auf sich selbst abgebildet wird (k3’ ist ein
Fixkreis). Werden beide Kreise verkleinert oder vergrößert, so müssen k2’ und k3’ entweder innerhalb
oder außerhalb des gesuchten Berührkreises k’ liegen, da sich sonst Schritt 1 nicht umkehren lässt.
Wird ein Kreis verkleinert und der andere vergrößert, so werden die Berührkreise k’ gesucht, die den
einen Kreis von innen und den anderen von außen berühren. Die invertierten Kreise k2’’ und k3’’
besitzen 4 Tangenten, von denen jeweils nur n = 2 Tangenten Berührkreise liefern. Im allgemeinen
Fall gibt es demnach N = m  n = 8 verschiedene Berührkreise. In Abbildung 5 ist nur eine Tangente
angegeben. Wird die Inversion rückgängig gemacht, so geht die Tangente in einen Kreis durch das
Inversionszentrum M über und berührt die beiden Kreise k2’ und k3’.
Im Raum verläuft die Inversion an der Kugel fast analog. Gegeben seien vier Kugeln mit den Radien
0 <= r1 <= r2 <= r3 <= r4. Der Radius der kleinsten Kugel wird auf Null gesetzt, während die Radien
der anderen Kugeln unabhängig voneinander um r1 verkleinert oder vergrößert werden, das sind 8
Möglichkeiten. An Stelle von zwei Kreisen hat man im Raum drei Kugeln und an Stelle von
Tangenten an zwei Kreise hat man im Raum Tangentialebenen an drei Kugeln zu konstruieren. Die
Konstruktion der Tangentialebenen erfolgt mit Hilfe des Satzes von Monge [4, 5]. Dazu bestimmt man
in der von den drei Kugelmittelpunkten aufgespannten Ebene die Ähnlichkeitsachsen. Es gibt p = 4
Ähnlichkeitsachsen (mongesche Geraden). Durch ähnliche Überlegungen wie im ebenen Fall erhält
man im räumlichen Fall bis zu 16 Berührkugeln.
Abb. 5: Inversion am Kreis
Als Beispiel werden Kugeln mit den Radien: r1 = 20, r2 = 40, r3 = 50, r4 = 90 und den Mittelpunkten
M1(125.7| 93.40|54.15), M2(54.06|78.54|114.47), M3(34.82|181.71|29.32), M4(147.28|213.94|204.03)
gewählt (Abb. 6 links).
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Abb. 6: links die gegebenen Kugeln, rechts unten die Inversionskugel
Im Folgenden wird beispielhaft eine Berührkugel konstruiert. Im 1. Schritt wird der Radius r1 = 20 der
kleinsten Kugel auf Null gesetzt und die Radien der anderen Kugeln um r1 = 20 vergrößert. Im 2.
Schritt wird die Inversionskugel festgelegt. Der Mittelpunkt M der kleinsten Kugel wird Mittelpunkt
der Inversionskugel. Ihr Radius wird so gewählt, dass sie die Kugel K2 mit dem Radius r = r2 + r1
senkrecht schneidet, damit wird die Kugel K2 bei der Inversion auf sich selbst abgebildet. Im dritten
Schritt werden die beiden anderen Kugeln mit den Radien r3 + r1 und r4 + r1 an der Inversionskugel
gespiegelt. Die gespiegelten Kugeln seien K3 und K4. Im 4. Schritt werden die Ähnlichkeitsachsen
der Kugeln K2, K3 und K4 konstruiert [4, 5]. Durch jede Ähnlichkeitsachse gehen zwei Tangentialebenen. Es wird eine Tangentialebene  gewählt, die durch die Ähnlichkeitsachse der äußeren
Ähnlichkeitspunkte geht.
Im 5. Schritt wird der Schnittkreis k zwischen der Inversionskugel und der Tangentialebene 
konstruiert. Der Schnittkreis k und der Mittelpunkt M der Inversionskugel bestimmen eine Kugel, die
die Kugeln K1, K2 und K3 berührt (Abb. 7). Sie hat den Mittelpunkt O und den Radius r’ = OM. Die
gesuchte Berührkugel hat denselben Mittelpunkt O aber den Radius r = OM + r1. Die kleinste Kugel
liegt innerhalb und die anderen Kugeln liegen außerhalb dieser Berührkugel (Abb. 7 links).
Abb. 7: links Berührkugel r = 65.34, rechts Berührkugel r’ = 45.34
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Abb. 8: Berührkugeln: links r2 = 180.14, rechts r1 = 48.54
Anmerkungen
Die vier Kugeln des obigen Beispiels haben nur 14 verschiedene Berührkugeln. Die kleinste Kugel hat
den Radius r = 48.54 und die größte Kugel den Radius r = 940.12.
Beim Navigationssystem GPS sind nur zwei Fälle von Interesse: alle Kugeln liegen innerhalb der
Berührkugel (Abb. 8 links) und alle Kugeln liegen außerhalb der Berührkugel (Abb. 8 rechts).
Die numerische Lösung des apollonischen Berührungsproblems im Raum führt auf ein polynomiales
Gleichungssystem mit vier Unbekannten [1, 2, 7]. Es kann (fast) wie ein lineares Gleichungssystem
nach dem Eliminationsverfahren von Gauß gelöst werden. Die Rechnung mit zwei Nachkommastellen
ergibt für die speziellen Berührkugeln nach Abbildung 8 die Radien und Mittepunkte: r1 = 48.59 ,
M1(104,2|147,4|90,39) und r2 = 179.71 , M2(76,12|212,47|148.74).
Alle Konstruktionen und Zeichnungen wurden mit AutoCAD 2002 erstellt.
Literatur
[1] Awange, J. L. und E. W. Grafarend: Solving algebraic computational problems in geodesy and
geoinformatics, Springer Verlag, Berlin, 2005
[2] Gergonne, J. D.: Sur le cercle tangent à trois cercles donnés, et sur la sphère tangente à quatre
sphères données, Mémoires de l’Académie Royale des Sciences de Turin, tome 22, 1816
[3] Glaeser, G.: Geometrie und ihre Anwendungen in Kunst, Natur und Technik, Spektrum Verlag/
Elsevier, Heidelberg, 2005
[4] Haußner, R.: Analytische Geometrie der Ebene, Sammlung Göschen Band 65, 1942
[5] Hilbert, D. und S. Cohn-Vossen: Anschauliche Geometrie (Nachdruck), Springer Verlag, Berlin
Heidelberg New York, 1996
[6] Holländer, K.: Ähnlichkeiten zwischen dem apollonischen Berührungsproblem und einem
Vermessungsproblem, 4. Tagung der DGfGG, Stuttgart, 2007
[7] Joswig, M. und T. Theobald: Algorithmische Geometrie, Vieweg Verlag, Wiesbaden, 2008
[8] Klein, F.: Geometry, Dover Publications (Reprint), Mineola New York , 2004
[9] Müller, E. und L. Krames: Vorlesungen über Darstellende Geometrie II, Leipzig und Wien, 1929
[10] Scheid, H: Elemente der Geometrie, Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin Oxford, 1996
Prof. Dr. Klaus Holländer
Fachbereich MNI
FH Giessen-Friedberg
Wiesenstraße 14
35390 Giessen
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