Kapitalmarktbericht Euroland

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Kapitalmarktbericht Euroland
08. Dezember 2016
Kapitalmarktbericht Euroland
Nr. 6: Die Stimmung ist blendend
KONJUNKTUR UND GELDPOLITIK: Die Wirtschaftsstimmung in der Eurozone ist trotz
der vielen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheitsherde ausgezeichnet. Dies
lässt darauf hoffen, dass das Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen
leicht an Dynamik gewinnen könnte. Vor allem der private Konsum zeigte sich erneut robust und dürfte dank einer steigenden Beschäftigung weiterhin die Hauptstütze des Wachstums bleiben. Die geringe private Investitionstätigkeit spricht hingegen nach wie vor gegen eine deutliche Beschleunigung des Wachstumstempos.
Die EZB hat eine Reduktion ihres Anleihekaufprogramms, gleichzeitig jedoch dessen zeitliche Verlängerung angekündigt.
EURO: Die Gemeinschaftswährung hat im Berichtszeitraum deutlich abgewertet.
Die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik und eine infolge staatlicher Konjunkturprogramme anziehende Inflation in den USA sowie die jüngsten EZB-Beschlüsse
belasteten den Außenwert des Euro.
RENTENMARKT: Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen stiegen im Berichtszeitraum merklich an. Bessere Konjunkturdaten aus der Eurozone, steigende Zinsen
in den USA und die Perspektive eines künftig geringeren EZBStaatsanleihekaufprogramms waren hierfür die Ursachen.
AKTIENMARKT: Die Aktienmärkte in Europa konnten im Berichtszeitraum ein deutliches Plus erzielen. Trotz temporärer Rücksetzer nach der Wahl Donald Trumps
zum nächsten US-Präsident und dem abgelehnten Verfassungsreferendum in Italien setzten sich letztlich der konjunkturelle Optimismus der Anleger und deren Vertrauen auf eine anhaltend lockere Geldpolitik der EZB durch.
■ Dr. Torsten Gruber
■ Katharina Meidert
■ Torben Riedel
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Das Wichtigste in Kürze: Rück- und Ausblick
Die Stimmung der Wirtschaftsteilnehmer in der Eurozone war im Berichtszeitraum
so gut wie schon lange nicht mehr. Weder der Brexit noch der Wahlsieg Donald
Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen noch (die Aussicht auf) das Scheitern
des Verfassungsreferendums in Italien konnten den Optimismus dämpfen. Für die
kommenden Quartale lässt dies auf eine leichte Beschleunigung des Wachstums
hoffen. Im dritten Quartal stieg die Wirtschaftsleistung um 0,3% im Quartalsvergleich (Deutschland: +0,2%), wobei der private Konsum einmal mehr die wichtigste
Stütze des Wachstums war. Dank einer besseren Verbraucherstimmung und einer
positiven Arbeitsmarktentwicklung bleiben die Aussichten für den privaten Verbrauch auch für die kommenden Quartale gut. Zusätzliche Wachstumsimpulse
könnte der Außenhandel liefern, der zumindest kurzfristig von einem wieder schwächeren Euro profitieren sollte. Die Achillesferse bleiben weiterhin die Investitionen,
die im dritten Quartal erneut schwach ausfielen. Die geringe Kreditnachfrage der
Unternehmen lässt darauf schließen, dass sich daran in den nächsten Monaten
nichts grundlegend ändern dürfte. In der Summe rechnen wir daher unter dem
Strich mit einer Fortsetzung des Wachstumstrends der vergangenen Quartale.
Die Preise in der Eurozone sind im Oktober und November mit +0,5% bzw. +0,6%
im Jahresvergleich wieder etwas deutlicher gestiegen. Verantwortlich dafür war in
erster Linie die weniger negative Entwicklung der Energiepreise. Die Kernrate der
Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel lag hingegen den vierten Monat in Folge
bei +0,8%. Der positive Basiseffekt der Rohstoffpreise dürfte noch einige Monate
anhalten, ein nachhaltiger, darüber hinausgehender Inflationsdruck ist jedoch nach
wie vor nicht zu erkennen. Darin dürfte der Hauptgrund liegen, dass die EZB ihre
expansive Geldpolitik im Dezember noch einmal leicht gelockert hat.
Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar von 1,12 auf 1,06 USD/EUR nachgegeben.
Vor allem die Aussicht auf ein großes staatliches US-Infrastrukturprogramm unter
Präsident Trump sowie eine Straffung der Geldpolitik durch die US-Notenbank
(Fed) spielte hierbei eine wichtige Rolle. Diese Erwartungen führten zu steigenden
US-Zinsen, welche wiederum die Nachfrage nach Anlagen in US-Dollar erhöhten
und dadurch den Euro schwächten. Belastend für den Euro wirkten sich zudem die
Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Italien-Referendum sowie eine auf ihrer
Dezembersitzung unerwartet expansive EZB aus. Wir erwarten, dass der US-Dollar
seine derzeitige Stärke bis zum Jahresende grundsätzlich verteidigen kann, sehen
jedoch gleichzeitig keine weitere deutliche Euroabwertung, da die Fed in diesem
Jahr keine überraschenden Maßnahmen mehr beschließen sollte.
Die Aktienmärkte konnten im Berichtszeitraum merklich zulegen. Der DAX 30
konnte von Anfang Oktober bis zum 7. Dezember um 4,5% zulegen, der Euro Stoxx
50 gewann 4,7%. Die politische Unsicherheit vor der US-Präsidentschaftswahl und
dem Verfassungsreferendum in Italien führten temporär immer wieder zu Kursrückgängen. Zum Schluss setzte sich am Markt jedoch die Erwartung einer positiven
konjunkturellen Entwicklung durch. Da für dieses Jahr fast sämtliche politischen
Unwägbarkeiten aus dem Weg geräumt sind, sollten die Aktienmärkte gestützt
durch positive saisonale Effekte bis zum Jahresende weiter moderat steigen.
Konjunkturoptimismus sehr ausgeprägt, moderates
Wachstum setzt sich
fort
Verbraucherpreise
steigen stärker dank
Rohstoffpreisentwicklung
Der Euro wertet
deutlich ab
Aktienmärkte legen
in unsicherem Marktumfeld zu
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Konjunktur und Geldpolitik
Die politische Unsicherheit hat sich in den vergangenen Monaten weltweit signifikant erhöht. Allerdings geht sie aktuell nicht wie so oft von den Schwellenländern
aus, sondern hauptsächlich von den sogenannten entwickelten Volkswirtschaften.
Egal ob Brexit, Donald Trumps Wahl zum US-Präsident oder das Verfassungsreferendum in Italien: Niemand kann aktuell verlässlich abschätzen, welche mittel- und
langfristigen politischen und damit letztlich auch wirtschaftlichen Auswirkungen
diese Entwicklungen haben werden. Sie alle schüren jedoch die Sorge, dass die
Welt an der Schwelle zu einer neuen Epoche der politischen und wirtschaftlichen
Renationalisierung stehen könnte, mit all den damit einhergehenden Gefahren für
das Weltwirtschaftswachstum. Viele Marktteilnehmer scheinen diese Befürchtungen jedoch nicht zu teilen, im Gegenteil: Betrachtet man die Landschaft der Stimmungsindikatoren, so könnte man meinen, die Perspektiven seien so gut wie schon
lange nicht mehr. Ein Beispiel hierfür ist die monatliche Umfrage der EUKommission zum Wirtschaftsvertrauen. Letzteres hat im November mit 106,5 Punkten den höchsten Stand seit Dezember des vergangenen Jahres markiert. Noch
augenfälliger ist die Entwicklung in Deutschland, wo der ifo-Index im November mit
110,4 Punkten den Wert von Oktober verteidigen konnte, der gleichzeitig der
höchste seit April 2014 war.
In Anbetracht der unzweifelhaft vorherrschenden politischen Unsicherheit verwundert der derzeitige, in den meisten europäischen Ländern fast schon überbordende
Optimismus doch ein wenig. Die Bedeutung des Brexit kann man noch mit der vergleichsweise begrenzten globalen Bedeutung Großbritanniens sowohl in politischer
als auch in wirtschaftlicher Hinsicht relativieren. So ist das Vereinigte Königreich
zwar nach wie vor ein bedeutender Akteur in der Welt, jedoch weder wirtschaftlich
noch politisch für die globale Entwicklung ausschlaggebend. Auch die gescheiterte
Verfassungsreform in Italien ändert zunächst nichts am Status Quo, wenngleich sie
einmal mehr verdeutlicht, mit welchen strukturellen Problemen einzelne Mitgliedsländer in der Eurozone zu kämpfen haben und wie ungewiss deshalb auch die Zukunft für die Währungsunion in den kommenden Jahren bleiben dürfte. Gewaltiges
Unsicherheitspotential birgt hingegen die Wahl Donald Trumps zum neuen Präsidenten der letzten militärischen und wirtschaftlichen Supermacht in der westlichen
Hemisphäre. Die Richtung, die die US-Politik unter ihm in den kommenden Jahren
einschlagen wird, wird unweigerlich Folgen für die ganze Welt haben. Sollten sich
die USA wie von Trump angekündigt künftig stärker um landeseigene politische
Interessen und weniger um die ihrer Verbündeten kümmern, so dürfte dadurch das
Potential für globale Spannungen deutlich zunehmen. Darüber hinaus hat bereits
ein von Trump angestrebter stärkerer wirtschaftlicher Protektionismus das Potential, erhebliche negative Auswirkungen auf sämtliche Handelspartner, darunter
auch die Eurozone, zu entfalten.
Konjunkturoptimismus nimmt zu, …
… trotz erheblicher
Unsicherheit
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Offensichtlich spielen diese Gedankengänge bei den befragten Wirtschaftsteilnehmern aktuell jedoch keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Dafür dürfte es unterschiedliche Gründe geben: Zum einen herrscht teilweise die Meinung vor, dass
es Trump nur in abgeschwächtem Maße gelingen wird eine protektionistisch orientierte Wirtschaftspolitik zu verfolgen, da sein politisches Umfeld mäßigend auf ihn
einwirken wird. Zum anderen scheinen die Umfrageteilnehmer ihren Blick derzeit
eher auf die positiven wirtschaftlichen Aspekte einer Trump-Präsidentschaft zu richten. Trump hat nämlich angekündigt, ein großes staatliches Infrastrukturprogramm
aufzulegen, die Steuerlast der Unternehmen zu senken und den Finanzsektor zu
deregulieren. Von dem durch diese Vorhaben erwarteten Wachstumsimpuls für die
US-Wirtschaft könnten auch die Volkswirtschaften außerhalb der USA profitieren,
zumindest solange die Handelsbeschränkungen nicht deutlich zunehmen. So hat
jüngst etwa die OECD mit Verweis auf die positiven Effekte des staatlichen Investitionsprogramms in den USA auch ihre Wachstumsprognose für die Eurozone angehoben. Für 2017 prognostizieren die OECD-Ökonomen nun mit +1,6% ein um
0,2 Prozentpunkte höheres Wachstum als noch im September. Sollte die Prognose
eintreten, könnte die Eurozone das Wachstumstempo des laufenden Jahres auch
im kommenden Jahr in etwa beibehalten.
Dies ist jedoch Zukunftsmusik. In den harten Wirtschaftsdaten der Eurozone für das
dritte Quartal war bislang weder etwas von protektionistischen Maßnahmen noch
von einem Konjunkturimpuls aus den USA zu sehen. Wie bereits im Vorquartal
wuchs die Wirtschaft um 0,3% im Quartalsvergleich (+1,7% im Jahresvergleich), in
Deutschland legte die Wirtschaftsleistung um moderatere 0,2% (+1,7%) zu. Einmal
mehr war sowohl in der Eurozone insgesamt als auch in Deutschland der private
Konsum der Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung, während die Investitionen einmal mehr schwach ausfielen.
Lockerung der USFiskalpolitik könnte
auch europäisches
Wachstum fördern
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Für den privaten Konsum haben sich die Aussichten seit dem vergangenen Bericht
zudem wieder etwas verbessert, wenn man das Konsumentenvertrauen zugrunde
legt, welches die EU-Kommission monatlich erhebt. Mit -6,1 Punkten ergab sich im
November der beste Wert seit Dezember des vergangenen Jahres, was auch auf
die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt zurückzuführen sein dürfte. Mit 9,8% war
die Arbeitslosenquote im Oktober zwar nach wie vor sehr hoch, zugleich entspricht
dies dem niedrigsten Stand seit Mitte 2009. Ein Anhalten dieses positiven Trends
lässt deswegen darauf hoffen, dass die privaten Haushalte ihre Ausgaben in den
kommenden Monaten moderat steigern werden. Für die Entwicklung des Außenhandels überwiegen kurzfristig ebenfalls die positiven Aussichten. Eine erneute Abwertung des Euro macht die Unternehmen aus der Währungsunion wettbewerbsfähiger, was die Exporte zumindest kurzfristig ankurbeln sollte. Der zentrale Schlüssel für eine nachhaltig zunehmende konjunkturelle Dynamik liegt jedoch bei den
Investitionen, für die immer noch keine anhaltende Belebung abzusehen ist. Wirft
man etwa einen Blick auf die Kreditnachfrage der Unternehmen, welche in aller
Regel der Investitionstätigkeit vorausläuft, dann sollten sich die Investitionen in den
kommenden Quartalen tendenziell sogar eher noch etwas abschwächen. Auch die
bereits angesprochene globale wirtschaftliche und politische Unsicherheit dürfte
sich weiterhin bremsend auf die Investitionsneigung auswirken. Es bleibt daher unklar, ob das Wachstum wie von den Stimmungsindikatoren suggeriert anziehen
wird. Wir rechnen aktuell eher damit, dass sich das Wachstumstempo aufgrund der
Investitionsschwäche nicht nennenswert beschleunigen wird.
Ausblick für Privatkonsum weiter gut,
…
… aber Investitionen
bleiben das Sorgenkind
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Daraus folgend erwarten wir auch keine Trendwende bei der Entwicklung der Verbraucherpreise. Zwar hat die Teuerungsrate in den letzten Monaten etwas angezogen und im November mit +0,6% im Jahresvergleich den höchsten Stand seit April
2014 erreicht. Allerdings ist dies überwiegend darauf zurückzuführen, dass die
Energiepreise zunehmend weniger belastend wirken. Ihr Preisniveau wird nun mit
dem niedrigen Vorjahresniveau verglichen, als die Energiepreise eine rasante Talfahrt erlebten. Der dadurch resultierende positive Basiseffekt wird noch einige Monate anhalten, jedoch bis Mitte des kommenden Jahres zunehmend kleiner ausfallen, sofern die Energiepreise – vor allem in Form der Rohölpreise – nicht weiter
ansteigen, wofür es derzeit noch keine Anzeichen gibt. Dass der derzeitige Preisanstieg in erster Linie von der Energiepreiskomponente ausgeht, zeigt die Entwicklung der Kernrate der Inflation. Diese Größe, die ohne die volatilen Energie- und
Nahrungsmittelpreise berechnet wird, bewegt sich seit rund eineinhalb Jahren seitwärts, bei jährlichen Wachstumsraten zwischen +0,7% und +1,1% (November:
0,8%). Dafür verantwortlich ist maßgeblich die sehr zurückhaltende Lohnentwicklung infolge der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit. Da bislang nichts darauf hindeutet, dass die Währungsunion eigenständig in einen höheren Wachstumsgang
schalten kann, dürfte auch der Lohndruck nicht zunehmen und die (Kern-)Inflation
damit weiterhin vergleichsweise niedrig bleiben.
An eine nachhaltig höhere Teuerung glauben auch die Kapitalmarktanleger immer
noch nicht. Auf Sicht von drei Jahren rechnen sie lediglich mit einer durchschnittlichen Gesamtinflationsrate von rund 1% pro Jahr, wie aus Finanzmarktinstrumenten
(Inflationsswaps) abzulesen ist. Selbst auf Sicht der nächsten fünf beziehungsweise zehn Jahre liegt die Inflationserwartung mit durchschnittlich 1,1% bzw. 1,4%
noch weit vom angestrebten Inflationsziel der EZB von „unter, aber nahe bei 2%“
entfernt. Es überrascht uns deshalb nicht, dass die EZB auch weiterhin gewillt ist,
alles Mögliche zu tun, um die Teuerung anzuheizen. Zwar kündigte EZB-Präsident
Draghi auf der Dezembersitzung an, das monatliche Ankaufvolumen für Staatsanleihen ab April 2017 von monatlich 80 auf 60 Mrd. Euro zu reduzieren. Eine Reihe
Inflation zieht wieder
etwas an, …
… aber nachhaltige
Trendwende bislang
nicht abzusehen
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weiterer Beschlüsse wog diese auf den ersten Blick restriktive geldpolitische Maßnahme jedoch mehr als auf. So wurde die Laufzeit des Anleihekaufprogramms
(„Quantitative Easing“, QE) bis mindestens Dezember 2017 verlängert und die EZB
behält sich vor, falls nötig auch das Volumen wieder zu erhöhen. Zudem wurde
entschieden, künftig auch Anleihen zu kaufen, deren Rendite unterhalb des (negativen) Einlagesatzes liegt. Die jüngsten Beschlüsse bestärken uns daher in unserer
Erwartung, dass die Geldpolitik der EZB noch lange Zeit sehr expansiv bleiben und
bei Bedarf noch einmal gelockert werden dürfte.
EZB passt Anleihekaufprogramm an
Euro
Der Euro verlor über den Berichtszeitraum gegenüber dem US-Dollar deutlich an
Wert. Für eine Einheit der Gemeinschaftswährung erhielt man nach der EZBSitzung am 8. Dezember lediglich noch 1,06 US-Dollar, während man Anfang Oktober noch 1,12 US-Dollar bekommen hätte (-5,6%). Ausschlaggebend für die
starke Abwertung des Euros waren hauptsächlich zwei Entwicklungen in den USA.
Dort verbesserten sich die Wirtschaftsdaten langsam aber stetig, sodass die Marktteilnehmer mehr und mehr mit einem weiteren Leitzinsanhebungsschritt der USNotenbank (Fed) noch in diesem Jahr rechneten. Als dann Donald Trump zum USPräsidenten gewählt wurde, gewann diese Interpretation noch an Gewicht, da er
sich bislang ablehnend gegenüber der Fed-Politik geäußert hatte, bei der aktuell
robusten Konjunktur der US-Volkswirtschaft den Leitzins derart niedrig (derzeit:
0,5%) zu belassen. Darüber hinaus haben indirekt auch die von Trump im Wahlkampf angekündigten staatlichen Infrastrukturmaßnahmen dem Dollar Auftrieb verliehen. Sie dürften überwiegend kreditfinanziert werden und dadurch letztlich den
Schuldenstand erhöhen, wodurch sich das Risiko für Investoren erhöht. Zugleich
sehen Anleger in einem staatlich finanzierten Infrastrukturprogramm die Möglichkeit, dass sich die Konjunktur weiter belebt und dadurch die Inflation zunimmt. Für
beides fordern Investoren einen Renditeausgleich, weshalb die US-Zinsen anstie-
Wertverlust des
Euro …
… zunächst durch
Entwicklungen in
USA bedingt, …
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gen. Dieser Zinsanstieg machte jedoch Anlagen in US-Dollar – vor allem im Vergleich zu den niedrig verzinsten Anlagealternativen im Euroraum – für ausländische
Investoren attraktiver, was dem Dollar zur Stärke verhalf und den Euro schwächte.
Anfang Dezember konnte sich der Euro dann zunächst wieder etwas erholen,
wurde dann jedoch durch die neuen geldpolitischen Entscheidungen der EZB abermals geschwächt.
In unserem Hauptszenario gehen wir davon aus, dass der US-Dollar seine Stärke
bis Jahresende verteidigen und eventuell noch einmal leicht gegenüber dem Euro
aufwerten wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die US-Notenbank im Dezember die Zinsen anhebt, wovon wir fest ausgehen. Einen weiteren starken Wertverlust des Euros halten wir unterdessen für eher unwahrscheinlich. So sind bis
Jahresende mit Ausnahme der US-Notenbanksitzung alle (absehbaren) politischen
Unsicherheiten beseitigt. Des Weiteren scheint eine anhaltende Straffung der USGelpolitik durch die Fed mittlerweile zu einem guten Teil eingepreist zu sein, was
das künftige Enttäuschungspotential zu Lasten des Dollar erhöht. Vor diesem Hintergrund halten wir daher an unserer seit langem bestehenden Prognose eines
EUR/USD-Kurses von rund 1,05 bis 1,10 EUR/USD bis Jahresende fest.
… dann durch EZBEntscheidung
Anhaltende Dollarstärke zu erwarten
Rentenmarkt
Am Rentenmarkt hat sich in den vergangenen zwei Monaten viel getan, zumindest
gemessen an der Entwicklung der letzten Jahre. So stieg die Rendite zehnjähriger
Bundesanleihen von -0,12% Anfang Oktober auf 0,4% unmittelbar nach der EZBSitzung am 8. Dezember. Dieser vergleichsweise starke Zinsanstieg ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Zum einen haben sich die Konjunkturdaten aus der
Eurozone in den letzten Wochen stetig verbessert und dabei die Markterwartungen
vermehrt übertroffen. Gleichzeitig hat die Inflationsrate durch den Basiseffekt der
Rohstoffpreisentwicklung angezogen, was die Erwartungen geschürt haben dürfte,
dass die Zeit der stagnierenden Inflationsraten allmählich vorüber ist. Hinzu kamen
Renditen steigen
deutlich, …
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außerdem Gerüchte und schließlich der Beschluss einer Reduzierung des QEProgramms der EZB sowie der durch die Investitionsvorhaben Trumps in den USA
ausgelöste Zinsanstieg, der auf den Markt für Bundesanleihen überschwappte.
Einen Anstieg verzeichneten auch die Renditen der Staatsanleihen aus der Europeripherie. In diesem Zusammenhang stach vor allem die Entwicklung italienischer
Staatstitel hervor. Mit 2% liegt die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen knapp 0,8 Prozentpunkte höher als noch Anfang Oktober. Neben dem allgemeinen Zinsanstieg ist dafür die bereits im Vorfeld des gescheiterten Verfassungsreferendums in Italien wieder gestiegene politische Unsicherheit verantwortlich.
Diese hatte zur Folge, dass die Renditedifferenz („Spread“) zwischen italienischen
Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren und zehnjährigen Bundesanleihen
von 1,3 Prozentpunkten Anfang Oktober auf 1,6 Prozentpunkte in der ersten Dezemberwoche anstieg, nachdem sie in der Spitze sogar bei fast 1,9 Prozentpunkten
gelegen hatte. Auch zehnjährige spanische Staatsanleihen verzeichneten einen
Rendite- und Spreadanstieg, der jedoch mit +0,6 bzw. +0,1 Prozentpunkten deutlich geringer ausfiel.
Wir halten es für wahrscheinlich, dass der allgemeine Zinsanstieg noch etwas anhält. So scheint die schon beinahe dogmatische Erwartung vieler Kapitalmarktteilnehmer, dass das Extremniedrigzinsumfeld dank der Entschlossenheit und Tatkraft
der EZB noch längerfristig bestehen wird, nun erste Risse zu bekommen. Viele Investoren, die auf weiterhin niedrige Zinsen gesetzt haben, wurden durch den jüngsten Zinsanstieg bereits auf dem falschen Fuß erwischt. Je länger er anhält, umso
stärker geraten die Positionen dieser Investoren unter Druck. Dadurch steigt kurzfristig die Gefahr, dass immer mehr Anleger die Reißleine ziehen könnten, um die
Verluste aus ihren Anleihepositionen zu begrenzen bzw. ihre Gewinne zu sichern,
was den Zinsanstieg sogar noch verstärken könnte. Auch die – derzeit eher rechnerisch bedingte – Erholung der Inflationsrate könnte einen Zinsanstieg in den kommenden Monaten begünstigen. Dennoch gehen wir nicht davon aus, dass sich be-
… auch in der Peripherie
Zinsanstieg sollte
anhalten, …
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reits eine nachhaltige Zinswende abzeichnet. So dürfte die Inflationsrate in der Eurozone auf absehbare Zeit kein Ausmaß annehmen, welches Investoren so beunruhigen würde, dass sie signifikante Inflationsprämien für das Halten lang laufender
Staatsanleihen verlangen werden. Zudem wird die EZB selbst nach einem perspektivischen Ausstieg aus dem QE-Programm den Leitzins noch lange Zeit bei null
Prozent halten, wodurch ein Zinsanstieg am langen Ende der Zinskurve (z.B. bei
zehnjährigen Bundesanleihen) begrenzt werden dürfte. Darüber hinaus ist nicht damit zu rechnen, dass die EZB einem „unkontrollierten“ Zinsanstieg untätig zusehen
würde. In diesem Fall wäre wohl damit zu rechnen, dass sie beizeiten verbal und
gegebenenfalls auch tatsächlich an den Kapitalmärkten intervenieren würde, um
die Erwartungen der Investoren hinsichtlich eines zu raschen Zinsanstieges zu
dämpfen. Zudem ist auch ein nachhaltiger Zinsanstieg in den USA, der sich auf den
europäischen Markt auswirken könnte, noch keine ausgemachte Sache. So bleibt
etwa abzuwarten, welche konjunkturellen Maßnahmen der neue US-Präsident
letztlich ergreifen wird und wie deren tatsächliche konjunkturellen Auswirkungen
ausfallen werden. Da diesbezüglich bereits einiges in den Anleiherenditen eingepreist sein dürfte, nimmt auch das Enttäuschungspotential zu, sollten sich diese
Erwartungen nicht manifestieren.
… jedoch im Ausmaß begrenzt ausfallen
Schließlich spricht aus unserer Sicht auch die 2017 anhaltende politische Unsicherheit allerorten gegen eine fundamentale Trendwende am Anleihemarkt. Wie bereits
erwähnt, ist mit Blick auf die USA nach wie vor unklar, wie die zukünftige Wirtschafts- und Außenpolitik unter einem Präsident Trump aussehen wird. Des Weiteren stehen im nächsten Jahr in Deutschland und Frankreich, den beiden größten
Volkswirtschaften der Eurozone, Parlaments- bzw. Präsidentschaftswahlen an.
Derweil schwelt die Eurokrise unter einer trügerisch ruhigen Oberfläche weiter. Es
ist beispielsweise weiterhin unklar, ob Italien bis zur regulären Parlamentswahl
2018 eine stabile Übergangsregierung haben wird und auch das Problem des maroden italienischen Bankensektors bleibt ungelöst. In Griechenland steht indessen
ein (erneuter) Schuldenschnitt im Raum und auch Portugal taumelt mit Blick auf
seine Staatsfinanzen nach wie vor am Abgrund. All diese Probleme dürften zeitweise immer wieder an die Oberfläche treten und die Nachfrage nach sicheren Anlageklassen wie Bundesanleihen erhöhen, was den Zinsanstieg bei Bundesanleihen ebenfalls begrenzen sollte. Umgekehrt dürften in solchen Phasen Kurse der
Peripherieanleihen sinken und deren Renditen entsprechend ansteigen.
Unsicheres globales
Umfeld bleibt bestehen
Aktienmarkt
Die Entwicklung der europäischen Aktienmärkte im Berichtszeitraum glich einer
Achterbahnfahrt, an deren Ende sowohl der DAX 30 (+4,5%) als auch der Euro
Stoxx 50 (+4,7%) deutlich höher standen. Unterstützt durch sich verbessernde
Konjunkturdaten und eine positiv verlaufene Unternehmensberichtssaison konnten
der DAX 30 und der Euro Stoxx 50 von Anfang bis Mitte Oktober zunächst zulegen.
Dann machte sich jedoch Nervosität breit, als sich mit Blick auf die USPräsidentschaftswahlen abzeichnete, dass es wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen Hillary Clinton und Donald Trump um das mächtigste Amt der Welt geben
würde. Als der Wahlsieg Trumps feststand, reagierten die Börsen zunächst äußerst
verschreckt, konnten die Verluste jedoch noch am selben Tag bereits wieder
egalisieren. Kurz darauf schlug die anfängliche Panik sogar in Optimismus um, als
Anleger die erwarteten positiven (globalen) Konjunktureffekte des geplanten USInfrastrukturprogramms, der vorgesehenen Steuererleichterungen für US-
Aktienmärkte verbuchen Gewinne
Politische Entwicklungen belasten nur
kurzfristig
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Unternehmen und einer möglichen Deregulierung des US-Bankensystems in den
Vordergrund rückten.
Die Folge waren weitere Kursgewinne, bis dann die nächste politische
Gewitterwolke in Form des anstehenden Verfassungsreferendums in Italien aufzog.
Die erwartete Ablehnung durch das italienische Volk drückte die Börsenkurse
zunächst, dennoch reagierten die Börsen bereits am Tag nach dem negativen
Referendum überwiegend mit Kursgewinnen. Die positive Stimmung an den Börsen
trieb den DAX 30 bis zum 7. Dezember auf 10.987 Punkte, was dem höchsten
Stand seit knapp einem Jahr entsprach. Der Euro Stoxx 50 schloss den
Berichtszeitraum bei 3.142 Punkten – ebenfalls ein Einjahreshoch. Sofern die Notenbanksitzung der Fed ohne größere Überraschungen vonstattengeht, dürften die
Effekte auf die Börsen nicht allzu groß ausfallen. Die saisonalen Effekte im letzten
Monat des Jahres sollten sich hingegen unterstützend auswirken. Wir gehen daher
insgesamt davon aus, dass die Aktienmärkte relativ ruhig und mit einer leicht positiven Tendenz in den Jahreswechsel gehen sollten.
Freundlicher Jahresausklang für Aktien
erwartet
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Prognoseübersicht
G3 (+UK) Konjunkturindikatoren und Wechselkurse
Inflation (CPI)1
Reales BIP Wachstum (%)
Arbeitslosenquote (%)1
2013 2014 2015 2016e 2017e 2013 2014 2015 2016e 2017e 2013 2014 2015 2016e 2017e
-0,3
0,9
1,5
1,5
0,9
1,3
0,4
0,0 0,25 1,0 12,0 11,6 10,9 10,2 9,9
0,3
1,6
1,7
1,5
1,0
1,5
0,8
0,2
0,5 1,25 6,9
6,7
6,4
6,1
6,2
2,2
2,9
2,2 1,75 0,0
2,6
1,5
0,0
1,0
2,0
7,6
6,3
5,4
5,0
4,8
1,5
2,4
2,4 1,75 1,75 1,5
1,6
0,1 1,25 1,75 7,4
6,2
5,3
4,8
4,6
1,4
0,0
0,5
1,0 0,25 0,4
2,7
0,8 0,25 0,5
4,0
3,6
3,4
3,2
3,0
EWU
- Deutschland
UK
USA
Japan
EWU
- Deutschland
UK
USA
Japan
Leistungsbilanz
(% des BIP)
Budgetsaldo (% des BIP)
Wechselkurs (US$)2
2013 2014 2015 2016e 2017e
2,0
2,4
3,0
3,5
3,2
6,8
7,3
8,5
8,4
8,0
-4,5 -5,1 -4,3 -4,3 -4,0
-2,3 -2,2 -2,7 -2,9 -3,3
0,8
0,5
3,3
3,8
3,7
2013 2014 2015 2016e 2017e
-3,0 -2,6 -2,0 -1,9 -1,5
0,1
0,3
0,6
0,1
0,1
-5,6 -5,6 -4,4 -3,2 -2,2
-4,4 -4,1 -3,7 -3,8 -3,7
-8,5 -6,2 -5,2 -4,9 -3,9
2013 2014 2015 2016e 2017e
1,38 1,13 1,09 1,08 1,03
1,66 1,51 1,47 1,27 1,14
1,00 1,00 1,00 1,00 1,00
105 117 120
95
110
1 Jahresdurchschnitt
2 US$ gg. Währung, Japan: JP¥ gegen US$, jeweils zum Jahresende
Quelle: Daten für Leistungsbilanz und Budgetsaldo vom IWF (einschließlich der Prognosewerte). Sonstige Prognosen von W&W Asset Management GmbH, historische Daten werden über Bloomberg bezogen.
G3 (+UK) Zinsen
Leitzinsen
2013
0,25
0,5
0-0,25
0-0,1
EWU
UK
USA
Japan
2014
0,05
0,5
0-0,25
0-0,1
2015
0,05
0,5
0,25-0,5
0-0,1
10 Y (Government)
2016e
2017e
0,0
0,0
0,1
0,1
0,5-0,75 1,00-1,25
0-0,1
0-0,1
2013
1,9
3,0
3,0
0,7
2014
0,5
1,8
2,2
0,3
2015
0,6
2,0
2,3
0,3
2016e
0,0
1,0
1,75
-0,2
2017e
0,6
1,25
2,25
-0,3
(Angaben jeweils zum Jahresende)
Quelle: Für historische Daten Bloomberg. Prognosen von W&W Asset Management GmbH.
Rohstoffe
CRB-Index1
Ölpreis (Brent)1*
Q2 14
Q3 14
Q4 14
Q1 15
Q2 15
Q3 15
Q4 15
Q1 16
Q2 16
Q3 16
30.11.
308,2
112,1
278,5
93,2
230,0
55,8
211,9
53,3
227,2
61,4
193,8
47,1
176,1
35,8
170,5
38,7
192,6
48,4
186,3
47,7
189,31
46,7
1 Angaben jeweils zum Periodensende
* Oil Brent Physical Del, US$/Barrel
Quelle: Bloomberg
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