steuern_recht_5_2012

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steuern_recht_5_2012
http://tax-news.pwc.de/steuern-und-recht
Aktuelle Nachrichten für
Expertinnen und Experten
April/Mai 2012
Im Visier
Finanztransaktionen im
Konzern
Meinung geändert
Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte
Retten statt abwickeln
Was bringt die neue
Insolvenzrechtsreform?
Italien
Beihilfe zum wirtschaftlichen Wachstum
Recht auf Vorsteuerabzug
Abgrenzung zwischen
Dienstleistung und
Lieferung beim Leasing
steuern+recht
Inhalt
Steuern aktuell ........................... 4
Titel ............................................ 8
Finanztransaktionen im Visier der Betriebsprüfung ...........
8
Steuern A bis Z ............................ 11
Neuregelung des Insolvenzrechts: ein Überblick ..............
Passivierung „angeschaffter“ Rückstellungen bei
steuerlichem Ausweisverbot ............................................
Neues deutsch-niederländisches Steuerabkommen
unterzeichnet ..................................................................
Reisekosten: regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren
Tätigkeitsstätten ..............................................................
Jahressteuergesetz 2013: Entwurf veröffentlicht .............
Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug für ein Fahrzeug, das
geleast und dem Arbeitnehmer überlassen wurde ............
Nachträgliche Zuschussgewährung für die Herstellungskosten eines Gebäudes .....................................................
Poolverträge sichern bei Kapitalgesellschaften Vorteile
bei der Erbschaftsteuer ....................................................
Keine wirtschaftliche Tätigkeit beim Kauf zahlungsgestörter Forderungen: Urteile aus Luxemburg und
München .........................................................................
Schenkungen zwischen Ehegatten: Möglichkeiten der
steuerlichen Reparatur ....................................................
Datenspeicherung verfassungsgemäß ..............................
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28
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31
Recht aktuell .............................. 32
EuGH verneint Auskunftsanspruch eines abgelehnten
Bewerbers .......................................................................
Zur Beschwerdefrist nach Allgemeinem
Gleichbehandlungsgesetz ................................................
Staffelung der Urlaubstage nach Lebensalter verstößt
gegen Diskriminierungsverbot .........................................
32
32
32
Länder ........................................ 33
Ticker ......................................... 38
Impressum ................................. 39
2 PwC
Editorial
Prof. Dr. Dieter Endres,
Leiter Steuern und Mitglied
des Vorstands
„Steuerprüfer erhöhen den Druck
bei konzerninternen Verrechnungspreisen weltweit“
Die angemessene Bepreisung von Transaktionen zwischen
nahestehenden Personen hat in letzter Zeit erkennbar an
Brisanz und Aktualität gewonnen. Dafür gibt es mehrere
Gründe: Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Zinssätze in
einem Ausmaß verändert, das vorher schwer vorstellbar war.
Während sich Referenzzinssätze auf historisch niedrigem
Niveau einpendeln, sind die Risikoprämien erheblich gestiegen. Auch unabhängig davon beschäftigen sich Steuerbehörden international verstärkt mit der Festsetzung von Verrechnungspreisen bei Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen. Das Ende vom Lied ist nicht selten eine steuerliche
Berichtigung der Einkünfte. Zumindest im Bereich der Finanztransaktionen hat das Bundesfinanzministerium (BMF) jetzt in
Form einer Verwaltungsanweisung auf die unübersichtliche
Gemengelage reagiert. Hintergrund des neuen BMF-Schreibens war ein Urteil des Bundesfinanzhofs, in dem zu einem
rein nationalen Sachverhalt entschieden wurde. Danach waren
bis zum 31. Dezember 2007 Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen als abzugsfähige Gewinnminderungen anzusehen. Wie wichtig die Sicherheitsgewährung bei
der Prüfung der Fremdvergleichskonformität ist, welche
Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewährung eines Darlehens
inländischer beherrschender Gesellschafter zu unterscheiden
und welche Grundfälle eines nicht beherrschenden Gesellschafters grundsätzlich möglich sind, beschreibt der Berliner
PwC-Partner Lorenz Bernhardt in der Titelgeschichte „Finanztransaktionen im Visier der Betriebsprüfung“ ab Seite 8.
Während sich bei Lieferungen und Dienstleistungen im Konzern fast alles um den richtigen Preis dreht, steht bei Außendienstmitarbeitern die Frage im Blickpunkt, ob eine – im
Steuerdeutsch – „regelmäßige Arbeitsstätte“ angefahren wird.
Bisher konnten das auch mehrere sein. Diese bisherige Praxis
barg regelmäßig Zündstoff für Diskussionen mit der Finanzverwaltung. Häufig stritten Fiskus und Arbeitnehmer darum, ob
ein Einsatzort das Kriterium erfüllt, eine regelmäßige Arbeitsstätte zu sein. In der Konsequenz fuhren einzelne Außenmitar-
beiter bis zu 15 regelmäßige Arbeitsstätten an! Jetzt hat der
Bundesfinanzhof seine Meinung zu dieser Frage grundlegend
geändert. Richterliches Fazit: Ein Arbeitnehmer kann nur eine
regelmäßige Arbeitsstätte haben. Nach welchen Kriterien eine
regelmäßige Arbeitsstätte zu bestimmen ist, wenn der Arbeitnehmer immer wieder verschiedene Tätigkeitsstätten aufsucht,
was bei einem Einsatz in verschiedenen Filialen künftig zu beachten ist und welche Bedeutung dem täglichen Aufsuchen des
Betriebssitzes in diesem Zusammenhang zukommt, stellt Ihnen
PwC-Autor Manfred Karges in seinem Beitrag „Reisekosten:
regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten“ ab
Seite 18 vor.
Um retten statt abwickeln geht es in dem Beitrag „Neuregelung
des Insolvenzrechts: ein Überblick“ der PwC-Autoren
Dr. Steffen Huber und Karsten Horch. Ein mittelständisches
Unternehmen aus Fulda, das in der ersten Märzwoche Insolvenz anmeldete, ist dabei das erste Unternehmen, das von den
Neuregelungen im deutschen Insolvenzrecht profitieren kann.
Die neuen Bedingungen verbergen sich hinter dem sperrigen
Namen „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von
Unternehmen“, kurz ESUG genannt, und gelten seit März dieses Jahres. Ziel des Regelwerks ist es, den Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters zu stärken, das
Insolvenzplanverfahren und die Eigenverwaltung zu optimieren und auf diese Weise den Weg für eine Sanierung überlebensfähiger Unternehmen zu ebnen. Doch wie immer steckt
der Teufel im Detail. Welche grundlegenden Änderungen sich
durch ESUG für die insolvenzrechtliche Praxis ergeben haben
und welche zusätzlichen Anreize für eine rechtzeitige Einleitung von Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen
geschaffen werden, lesen Sie in dem Beitrag ab Seite 11.
Eine anregende und Nutzen bringende Lektüre dieser und aller
anderen Artikel wünscht Ihnen
Ihr
Prof. Dr. Dieter Endres
Leiter Steuern und Mitglied des Vorstands
steuern+recht April/Mai 2012 3
Steuern aktuell
Nachbesserungen zum Steuerabkommen mit der Schweiz
Deutschland und die Schweiz haben ein Ergänzungsprotokoll
zum gemeinsamen Abkommen über die Zusammenarbeit in
den Bereichen Steuern unterzeichnet. Das Protokoll führt zu
Anpassungen und Erweiterungen des Abkommens vom 21.
September 2011, speziell enthält es Verschärfungen für deutsche Steuersünder mit Schwarzgeld in der Schweiz. Es soll
nach der Beratung im Bundestag und Bundesrat Anfang 2013
in Kraft treten.
Zu Änderungen des am 21. September 2011 unterzeichneten
Steuerabkommens kommt es bei der Nachversteuerung bisher
unversteuerter Kapitalanlagen, der Behandlung von Erbfällen
und beim erweiterten Informationsaustausch. Das Protokoll
enthält zudem ergänzende Klarstellungen zur Abgrenzung der
künftigen Besteuerung von Kapitalerträgen von der Durchführung des zwischen der Schweiz und der Europäischen Union
(EU) bestehenden Zinsbesteuerungsabkommens. Die Ergänzungen berücksichtigen Bedenken und Anliegen, die vonseiten
der Europäischen Kommission und einiger Bundesländer nach
der Unterzeichnung des Steuerabkommens im vergangenen
September geäußert worden waren.
Die Eckpunkte im Einzelnen:
• Die Bandbreite der Steuersätze, die im Rahmen der pauschalen Nachversteuerung von bisher unversteuerten Kapitalanlagen anzuwenden sind, werden von 19 bis 34 Prozent auf
21 bis 41 Prozent erhöht, abhängig vom Umfang des betroffenen Kapitalvermögens. Damit sollen die in der Vergangenheit hinterzogenen Steuern ausgeglichen werden.
• Einbezogen werden die nach dem Inkrafttreten des Abkommens auftretenden Erbfälle. Stimmen die Erben einer Offenlegung gegenüber den deutschen Steuerbehörden nicht zu,
wird eine Steuer in Höhe von 50 Prozent erhoben.
• Zinszahlungen, die von dem Zinsbesteuerungsabkommen
zwischen der EU erfasst sind oder zukünftig erfasst werden,
sind vom Anwendungsbereich des deutsch-schweizerischen
Abkommens ausgenommen.
• Die Zahl möglicher Auskunftsersuchen im Rahmen des erweiterten Informationsaustauschs wird von maximal 999 auf
maximal 1.300 Fälle innerhalb eines Zweijahreszeitraums
erhöht.
• In der Frage der Besteuerung von Zinsen wird die Verlagerung von Kapitalvermögen deutscher Steuerpflichtiger aus
der Schweiz in Drittstaaten bereits mit Inkrafttreten des Abkommens zum 1. Januar 2013 nicht mehr ohne Meldung
möglich sein. Der Stichtag wurde vom 31. Mai auf den 1. Januar 2013 vorgezogen.
Dem Steuerabkommen und dem Ergänzungsprotokoll müssen
die gesetzgebenden Körperschaften in beiden Vertragsstaaten
noch zustimmen, damit das Steuerabkommen in seiner geän-
4 PwC
derten Fassung in Kraft treten und ab 1. Januar 2013 angewandt werden kann. Dies ist allerdings auf deutscher Seite
gegenwärtig nicht sicher: Die SPD ist beispielsweise gegen das
Abkommen, da ihr offenbar der Regelungsgehalt nicht weit
genug geht.
E-Bilanz: Gerüchte um eine erneute
Verschiebung
Die bevorstehende Einführung der E-Bilanz weckt Befürchtungen. Während das Bundesjustizministerium laut Zeitungsberichten gravierende rechtliche und praktische Bedenken gegen
die elektronische Version geltend macht, schlägt sich das Bundeswirtschaftsministerium nun auf die Seite der Unternehmen.
Die Befürchtung der Wirtschaft: Verbunden mit einem erhöhten Datenaufwand bekommen die Steuerbehörden über die
E-Bilanz im Handumdrehen das gläserne Unternehmen.
Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten hat das Bundesjustizministerium Finanzminister Wolfgang Schäuble aufgefordert, seine Pläne für die elektronisch zu übermittelnde
Bilanz noch einmal um zwölf weitere Monate zu verschieben.
Die E-Bilanz wäre damit erst ab dem Bilanzjahr 2014 verpflichtend für alle Betriebe einzuführen. Bei dem Ruf nach Verschiebung hätten die ministerialen Verfassungshüter vor allem
gravierende rechtliche und praktische Bedenken gegen die
E-Bilanz geltend gemacht. In dem Zeitungsbericht wird das
Justizministerium mit den Worten zitiert: „Das Interesse der
Steuerbehörden, über möglichst umfassende Daten jedes
Unternehmens zu verfügen, auch wenn sie steuerrechtlich
nicht relevant sind, dürfte nicht von der Rechtsgrundlage
gedeckt sein.“ Erleichterungen, die das Finanzministerium der
Wirtschaft für die Startphase versprochen habe, würden daran
auch nichts ändern.
Ins gleiche Horn stößt auch das Bundeswirtschaftsministerium, das sich nun auf die Seite der Wirtschaft schlägt. Der
Grund: Ungeachtet ihrer Größe müssen alle Unternehmen den
gleichen Datenaufwand betreiben. Das bedeutet gerade für die
kleinen und mittleren Unternehmen eine deutlich erhöhte
Mehrarbeit. Sicherlich keine überraschende Erkenntnis, aber
Grund genug für das FDP-geführte Ministerium, in den nächsten Wochen erneut die Meinung ausgewählter Unternehmen
und Wirtschaftsverbände einzuholen.
Nach derzeitigem Kenntnisstand werden allerdings weder die
rechtlichen noch die praktischen Bedenken, vor allem nach
den Vereinfachungen durch zusätzliche Auffangfelder, zu einer
weiteren Verschiebung der E-Bilanz führen. Nach wie vor gilt
es deshalb für die Unternehmen, sich rechtzeitig den Herausforderungen der Erstellung einer E-Bilanz zu stellen. Nach dem
Motto: Erfahrung spart Zeit und Geld, hat PwC für alle Interes-
Steuern aktuell
sierte unter pwc.de weitere Informationen zur E-Bilanz zusammengestellt. Allen Unternehmen bietet PwC ein umfangreiches
Paket an Leistungen an, um sie optimal auf die Umstellung vorzubereiten.
Studienreisen nicht automatisch als
Werbungskosten abziehbar
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt: Durch den
Beschluss des Großen Senats aus 2009 zum Aufteilungs- und
Abzugsverbot bei Auslandsreisen hat sich die Rechtsprechung
hinsichtlich der Beurteilung von Auslandsgruppenreisen nicht
grundsätzlich geändert. Es ist weiterhin erforderlich, dass
neben einer fachlichen Organisation das Reiseprogramm auf
die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen homogen
ist.
Der Große Senat des BFH hatte 2009 seine Rechtsprechung zur
Beurteilung gemischter, das heißt beruflich und privat veranlasster Aufwendungen gelockert und diese in größerem Umfang als bisher zum Abzug zugelassen. Sind berufliche und
private Veranlassungsbeiträge einer Reise jeweils nicht von untergeordneter Bedeutung, kommt ein Abzug der auf den beruflich veranlassten Anteil entfallenden Aufwendungen in
Betracht. Eine Lehrerin für die Fächer Mathematik, Geografie,
Biologie und Kunst/Keramik/kreatives Gestalten konnte diese
Vorgaben nicht erfüllen. Sie nahm unter anderem an einer vom
Landesinstitut für Schule und Ausbildung in Zusammenarbeit
mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung angebotenen und organisierten Studienreise nach China
und einer Studienreise nach Paris teil.
Der BFH lehnte den Werbungskostenabzug ab. Begründung:
Neben einer fachlichen Organisation ist für eine berufliche
Veranlassung vor allem maßgebend, dass das Programm auf
die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen gleichartig
(homogen) ist. Von Bedeutung ist auch, ob die Teilnahme freiwillig ist oder ob der Steuerpflichtige einer Dienstpflicht nachkommt. Kann die berufliche Veranlassung einer Reise nicht
festgestellt werden, so gehen Zweifel zulasten des Steuerpflichtigen. Für den BFH ließ die Ausgestaltung der Reisen eher auf
die Befriedigung allgemeiner Bildungsinteressen schließen,
während es an hinreichend konkreten Bezügen zur beruflichen
Tätigkeit der Lehrerin fehlte.
Werden Reisen von beruflichen Organisationen angeboten, so
sind die hierfür angefallenen Aufwendungen nur dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Reisen auch inhaltlich, also
nach ihrem Reiseprogramm und der tatsächlichen Durchführung, die Kriterien für eine beruflich veranlasste Fortbildungs-
reise erfüllen. Wird eine Reise durch einen Fachverband angeboten und beworben, dann jedoch – wie im Streitfall – im
Wesentlichen durch einen kommerziellen Reiseveranstalter
durchgeführt, scheidet ein Werbungskostenabzug aus, wenn
die Reise nach Programm und Ablauf einer allgemeinbildenden Studienreise entspricht. Auch hinsichtlich der Reise nach
Paris kam eine Aufteilung nicht in Betracht, weil für den BFH
keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines spezifischen Bezugs zur beruflichen Tätigkeit als Lehrerin ersichtlich waren.
Wesentliche Betriebsgrundlagen
Das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) sieht unter bestimmten Voraussetzungen steuerliche Begünstigungen für die
Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft vor.
Mit diesem Thema hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) nun in
einem Urteil auseinandergesetzt. Bei der Anwendung dieser
Begünstigung handelt es sich danach unter zwei Voraussetzungen nicht um einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch: wenn
vor der Einbringung eine wesentliche Betriebsgrundlage des
einzubringenden Betriebs unter Aufdeckung der stillen Reserven veräußert wird und die Veräußerung auf Dauer angelegt
ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage des einzubringenden Betriebs darstellt, ist in Fällen der Einbringung durch
Einzelrechtsnachfolge der Zeitpunkt der tatsächlichen Einbringung.
Der § 24 UmwStG regelt die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in Personengesellschaften. Einbringung meint: Die Übertragung des Betriebs,
Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils erfolgt nicht unentgeltlich, sondern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.
Aufgrund der Gegenleistung in Gestalt der Gewährung von Gesellschaftsrechten handelt es sich um einen tauschähnlichen
Vorgang, der als Betriebsveräußerung zu qualifizieren ist. Für
diese Form der Betriebsveräußerung greift § 24 UmwStG als
Sonderregelung ein und ermöglicht es, die Besteuerung des
Veräußerungsgewinns durch die Bewertung des übertragenen
Vermögens mit dem Buch- oder Zwischenwert ganz oder
teilweise zu vermeiden. Die vollständige oder teilweise Vermeidung der Gewinnrealisierung wird dabei über eine Wertverknüpfung zwischen dem Ansatz des übertragenen Vermögens
in der Bilanz der aufnehmenden Personengesellschaft und
dem Veräußerungserlös beim übertragenen Betrieb erreicht.
Die Einbringung in diesem Sinne verlangt jedoch, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen
Vorgang in das mitunternehmerische Betriebsvermögen der
aufnehmenden Personengesellschaft übertragen werden. Sind
die Voraussetzungen des § 24 UmwStG hingegen nicht erfüllt,
sind die in übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen
Reserven aufzudecken und sämtlich zu versteuern.
steuern+recht April/Mai 2012 5
Steuern aktuell
In dem nun vom BFH entschiedenen Fall wurden sämtliche
Aktiva und Passiva eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft eingebracht. Die Krux: Von der Übertragung
ausdrücklich ausgenommen war der Grundbesitz, der sich ursprünglich im Einzelunternehmen befunden hatte und noch
vor der Einbringung an die Ehefrau des Klägers veräußert
wurde. Nach Auffassung des BFH waren alle wesentlichen
Betriebsgrundlagen zum Zeitpunkt der Einbringung übertragen worden. Denn mit dem Verkauf des langfristig nicht mehr
benötigten Betriebsgrundstücks an die Ehefrau des Unternehmers kurz zuvor war dieses Grundstück eben keine Betriebsgrundlage des eingebrachten Unternehmens mehr. Hierin
widersprach der BFH dem Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums vom 11. November 2011 (Teilziffer 24.03
in Verbindung mit Teilziffer 20.07, BStBl. I, 1314) zum
UmwStG in Bezug auf einen Gesamtplan bei einem zeitlichen
oder sachlichen Zusammenhang zwischen der Veräußerung
einzelner Vermögensteile und der danach erfolgten Unternehmenseinbringung. Ob die Rechtsfigur des Gesamtplans in diesem Zusammenhang überhaupt noch Bestand haben kann, ließ
das Gericht allerdings offen. Auch ließ sich vorliegend kein
steuerlicher Gestaltungsmissbrauch feststellen, da angesichts
der Grundstücksveräußerung zum Teilwert eine beabsichtigte
Steuerminderung nicht erkennbar sei. Hinzu komme der
tatsächliche Übergang des Wertminderungsrisikos beziehungsweise der Wertsteigerungschance auf die Ehefrau, konstatierten die Richter in ihrer Urteilsbegründung.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 9. November 2011 (X R 60/09)
Berücksichtigung von ausländischen
Veräußerungsverlusten
Ein im Ausland realisierter Verlust aus der Veräußerung oder
Aufgabe eines Betriebs, der abkommensrechtlich in Deutschland nur bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen ist, unterliegt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht der
sogenannten Fünftel-Methode für außerordentliche Einkünfte.
Im entschiedenen Fall war streitig, ob sich der Verlust aus der
Veräußerung einer in der Schweiz betriebenen Arztpraxis nach
§ 32 b Absatz 2 Nummer 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz in
der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung nur zu einem Fünftel
oder in vollem Umfang steuersatzmindernd auswirkt. Hintergrund: Die abkommensrechtlich zugelassene Einbeziehung der
(negativen) Einkünfte bei der Festsetzung des inländischen
Steuersatzes erfolgt im Wege des sogenannten Progressionsvorbehalts. Dabei ist der Veräußerungsverlust bei der Ermittlung des Steuersatzes in vollem Umfang mindernd zu
berücksichtigen. Im entschiedenen Fall hatte die Vorinstanz
bereits ohne Rechtsfehler darauf erkannt, dass der in der
6 PwC
Schweiz erzielte und im Inland steuerfrei gestellte Veräußerungsverlust den Einkünftebegriff des § 32 b Einkommensteuergesetz erfüllt und nicht zugleich als außerordentliche
Einkunft anzusehen ist.
Übernahme von Studiengebühren
als Arbeitslohn
Das Bundesfinanzministerium hat sich zu Lohnsteuerfragen
bei der Übernahme von Studiengebühren durch den Arbeitgeber geäußert. Konkret werden dabei die steuerlichen Voraussetzungen und Folgen bei einem berufsbegleitenden Studium
einer genaueren Prüfung unterzogen.
Die von einem Arbeitgeber übernommenen Studiengebühren
für ein berufsbegleitendes Studium des Arbeitnehmers sind
grundsätzlich Arbeitslohn und gehören zu den Einkünften aus
nicht selbstständiger Arbeit. Das Ministerium äußert sich im
Detail zu Fällen, in denen das berufsbegleitende Studium im
Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses stattfindet. Voraussetzung ist: Die Teilnahme an dem Studium gehört zu den Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis. Dies ist
beispielsweise bei Teilzeitbeschäftigten ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung nicht der Fall. Ist der Arbeitgeber Schuldner der Studiengebühren, wird stets ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers unterstellt und steuerlich
kein Vorteil mit Arbeitslohncharakter angenommen. Anders
wenn der Arbeitnehmer vertraglich zur Zahlung verpflichtet ist
und der Arbeitgeber die Gebühren übernimmt. Um einen lohnsteuerlichen Vorteil zu vermeiden, muss sich der Arbeitgeber
zur Übernahme vertraglich verpflichten und die Möglichkeit
haben, die gezahlten Studiengebühren vom Arbeitnehmer im
Falle dessen freiwilligen Ausscheidens innerhalb von zwei
Jahren nach Studienabschluss zurückzufordern.
Zu Fragen des berufsbegleitenden Studiums im Rahmen einer
beruflichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahme des Arbeitgebers (in diesem Fall führt die Übernahme der Studiengebühren
durch den Arbeitgeber nicht zu Arbeitslohn) wird ein Prüfschema an die Hand gegeben. Das Bundesfinanzministerium
versäumt nicht, darauf hinzuweisen, dass die lohnsteuerliche
Beurteilung als berufliche Fort- und Weiterbildung immer anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist.
Einheitlicher Raum für den EuroZahlungsverkehr
Das Bundeskabinett hat am 25. April 2012 den Entwurf des
Begleitgesetzes für das Single Euro Payments Area (SEPA)
beschlossen. Ziel dieses Vorhabens: die Vereinheitlichung des
Steuern aktuell
Zahlungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union, wodurch
inländische und grenzüberschreitende Zahlungen einfacher,
schneller und damit effizienter werden sollen.
Am 31. März 2012 ist die europäische Verordnung für das
SEPA in Kraft getreten. Nach ihr müssen Überweisungen und
Lastschriften ab dem 1. Februar 2014 einheitlichen rechtlichen
und technischen Anforderungen im europäischen Zahlungsraum genügen. Deshalb können auch die in Deutschland gebräuchlichen Überweisungs- und Lastschriftverfahren ab dem
1. Februar 2014 nicht mehr genutzt werden. Ab diesem Zeitpunkt sind entsprechende bargeldlose Zahlungen grundsätzlich nur noch im Wege der SEPA-Überweisung und -Lastschrift
möglich. Mit dem SEPA-Begleitgesetz macht Deutschland jedoch jetzt von einzelnen Übergangsbestimmungen der Verordnung der Europäischen Union Gebrauch, um die
SEPA-Umstellung so einfach wie möglich zu gestalten. Danach
erhalten Privatkunden die Möglichkeit, die ihnen geläufige
Kontonummer und Bankleitzahl bis zum 1. Februar 2016 weiter zu verwenden. Später gilt dann nur noch die International
Bank Account Number.
Das Bundesfinanzministerium hat auf seiner Homepage
www.bundesfinanzministerium.de eine Reihe von Fragen im
Zusammenhang mit der Umstellung auf SEPA gesammelt und
beantwortet.
(GS)
Meilicke II: Anrechnungsverfahren
und Steuergutschrift bei ausländischen Dividenden
Das Finanzgericht Münster hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Falle Meilicke aufgegriffen
und die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer
verweigert, weil der Nachweis zur Höhe der tatsächlich angefallenen ausländischen Körperschaftsteuer nicht exakt geführt
wurde. Der Fall ist nun beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.
Probleme bei der Beschaffung der entsprechenden Unterlagen,
denn diese seien im Verhältnis der Gesellschaften zu ihren
Anteilseignern begründet. Der fehlende Informationsfluss
könne folglich nicht durch den jeweiligen Mitgliedstaat aufgefangen werden. (MH)
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 19. Januar 2012
(5 K 105/07 E, Revision beim BFH eingelegt)
Berechnung der 183-Tage-Regelung
In der Frage des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus nicht
selbstständiger Arbeit nach dem Doppelbesteuerungsabkommen weicht der Bundesfinanzhof (BFH) bei der Berechnung
des Zeitraums von 183 Tagen von der Auffassung der Finanzverwaltung insoweit ab, als dabei Wochenenden und Feiertage
nur dann mitberücksichtigt werden dürfen, wenn sich der Arbeitnehmer auch physisch im Tätigkeitsstaat aufgehalten hat.
Übt ein Arbeitnehmer eine nicht selbstständige Tätigkeit in
einem von seinem Ansässigkeitsstaat abweichenden Staat aus,
so bestimmt sich das Besteuerungsrecht grundsätzlich nach
der „183-Tage-Regel“. Danach hat der Tätigkeitsstaat nur dann
das Besteuerungsrecht, wenn sich der Arbeitnehmer an mehr
als 183 Tagen im betreffenden Steuerjahr dort aufhält oder die
Vergütung des Arbeitnehmers wirtschaftlich von einem Arbeitgeber mit Sitz im Ansässigkeitsstaat getragen oder gezahlt
wird. Der BFH hat nunmehr im Falle eines in Deutschland als
Monteur tätigen französischen Staatangehörigen entschieden,
dass bei Berechnung der Dauer des Aufenthalts nach der 183Tage-Regel nur solche Tage zu berücksichtigen sind, an denen
sich der Arbeitnehmer tatsächlich („physisch“) im Tätigkeitsstaat aufgehalten hat. (MH)
Fundstelle
BFH, Urteil vom 12. Oktober 2011 (I R 15/11)
Nach dem EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 (C-262/09,
Meilicke II) ist zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer zwar keine amtliche Bescheinigung erforderlich. Allerdings sind die Steuerbehörden befugt, von dem Empfänger die
Vorlage von Belegen zu verlangen, anhand derer sie eindeutig
und genau überprüfen können, ob die in den nationalen
Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme einer Steuergutschrift vorliegen und welche
Steuerabzüge im anderen Staat tatsächlich vorgenommen
worden sind. Keinesfalls, so das Finanzgericht Münster, kann
die ausländische Steuer aus den Geschäftsberichten errechnet
werden, denn dort ist die tatsächlich auf den Dividenden
lastende Körperschaftsteuer nicht erkennbar. Das Gericht
negierte auch die von den Steuerpflichtigen vorgetragenen
steuern+recht April/Mai 2012 7
Titel
Finanztransaktionen im Visier
Die angemessene Bepreisung von Finanztransaktionen zwischen nahestehenden Personen hat in letzter
Zeit erkennbar an Brisanz und Aktualität gewonnen.
Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Zinssätze in einem Ausmaß verändert, das vorher schwer vorstellbar war. Während sich
Referenzzinssätze auf historisch niedrigem Niveau
einpendeln, sind die Risikoprämien erheblich gestiegen. Auch unabhängig davon beschäftigen sich Steuerbehörden international verstärkt mit der Verrechnungspreissetzung für Finanztransaktionen. In
diesen Zusammenhang kann auch eine neue Verwaltungsanweisung des Berliner Bundesfinanzministeriums gestellt werden.
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … wie wichtig die Sicherheitsgewährung bei der
Prüfung der Fremdvergleichskonformität ist.
• … welche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewährung eines Darlehens inländischer beherrschender Gesellschafter zu unterscheiden sind.
• … welche Grundfälle eines nicht beherrschenden
Gesellschafters grundsätzlich möglich sind.
Hintergrund des neuen Schreibens aus dem Berliner Finanzministerium (BMF) war ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 14. Januar 2009 (I R 52/08) zu einem rein nationalen
Sachverhalt. Danach sind Teilwertabschreibungen auf Darlehen, die Eigenkapital ersetzen, als abzugsfähige Gewinnminderungen im Sinne der (ehemaligen Fassung des) § 8 b Absatz
3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) anzusehen. Am 29. März
2011 veröffentlichte das BMF dann das Schreiben zur Anwendung des § 1 Außensteuergesetz (AStG) auf Fälle von Teilwertabschreibungen und anderen Wertminderungen auf Darlehen
an verbundene Unternehmen. Es behandelt die durch den BFH
zu entscheidenden Fragen nunmehr für grenzüberschreitende
Fälle. Der Inhalt des neuen Schreibens geht dabei deutlich
über seinen Titel hinaus und äußert sich auch zu Fragen im
Zusammenhang von Verrechnungspreisen wie der Zinssatzhöhe und der Notwendigkeit von Sicherheiten bei konzerninternen Darlehen. Obwohl Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen durch die Neufassung von § 8 b Absatz 3
KStG mittlerweile ohnehin kaum noch möglich sind, lassen
sich aus dem BMF-Schreiben wesentliche Parameter für die
Verrechnungspreisprüfung bei konzerninternen Darlehen aufzeigen. Die folgenden Absätze fassen die Inhalte des Schreibens, die sich mit Verrechnungspreisen auseinandersetzen,
zusammen.
8 PwC
Das BMF berücksichtigt bei der Analyse der Fremdvergleichskonformität vor allem die Frage nach der Notwendigkeit einer
Sicherheitsgewährung für konzerninterne Darlehen. Nach der
Rechtsprechung des BFH ist bei der Gewährung eines Darlehens im Konzern grundsätzlich keine Sicherheitsgewährung
notwendig, da die Konzernbeziehung allein bereits als ausreichende Sicherheit angesehen wird. Dies hat zur Folge, dass
das Fehlen einer Sicherheit bei Konzernsachverhalten nicht
automatisch zu einer Zinsanpassung führt. Vor diesem Hintergrund differenziert das BMF zwischen Darlehen inländischer
beherrschender Gesellschafter, Forderungen aus laufenden
Geschäftsbeziehungen und anderen Fällen.
Das BMF unterscheidet insoweit bei der Gewährung eines
Darlehens eines beherrschenden Gesellschafters drei Möglichkeiten der Gestaltung:
• Darlehensgewährung gegen Vereinbarung einer tatsächlichen Sicherheit, wobei der vereinbarte Zinssatz diese
Sicherheit berücksichtigt
• keine Vereinbarung einer tatsächlichen Sicherheit, jedoch
Absprache eines angemessenen Risikoaufschlags beim Zinssatz
• keine Vereinbarung einer tatsächlichen Sicherheit und aufgrund des Konzernrückhalts kein Risikoaufschlag
Die Verwaltungsanweisung bestätigt: Im ersten und zweiten
Fall ist der Fremdvergleichsgrundsatz eingehalten, wenn der
Zinssatz und alle weiteren Umstände in Zusammenhang mit
der Darlehensgewährung auch von fremden Dritten vereinbart
worden wären und somit fremdvergleichskonform sind. Im
Hinblick auf den dritten Fall wird die Teilwertabschreibung
grundsätzlich verweigert, da der Konzernrückhalt als „fortbestehende fremdübliche Sicherheit“ angesehen wird. Ein Konzernrückhalt bestehe so lange, wie der beherrschende Gesellschafter die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherstelle.
Korrespondierend wird man das BMF-Schreiben allerdings
auch so verstehen können, dass das Fehlen eines Risikoaufschlags bei unbesicherten Darlehen zwar die Möglichkeit einer
Teilwertabschreibung einschränken kann, jedoch grundsätzlich keine Notwendigkeit für eine Verrechnungspreiskorrektur
(also einer Erhöhung des Zinssatzes) auslöst.
Stehen gelassene Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Auch in Fällen konzerninterner Forderungen aus Lieferungen
und Leistungen muss die Fremdüblichkeit geprüft werden, sollten die Vereinbarungen nicht erfüllt werden können. Eine über
den Eigentumsvorbehalt hinausgehende Sicherheit erscheint
hier als unüblich. Befindet sich ein Unternehmen in der Krise,
muss es im Zweifelsfall für jede Lieferung auf Rechnung eine
Titel
der Betriebsprüfung
Sicherheit oder eine Rahmenvereinbarung vereinbaren. Sollten die Geschäfte trotzdem fortgeführt werden, sei die Fremdüblichkeit nur dann gegeben, wenn die Bezahlung der künftigen Lieferungen und Leistungen gesichert ist. Werden die
Forderungen stehen gelassen und wird von einer Darlehensgewährung ausgegangen, so wird hier wiederum vom Konzernrückhalt ausgegangen, soweit keine Sicherheiten vorliegen.
Darlehensgewährung eines nicht beherrschenden Gesellschafters
Auch hier werden drei Grundfälle von Darlehensgewährung
unterschieden:
• einer inländischen, nicht beherrschenden Kapitalgesellschaft
an eine nahestehende ausländische Gesellschaft
• einer inländischen Kapitalgesellschaft an eine übergeordnete
ausländische Gesellschaft oder einen ausländischen Anteilseigner und
• einer inländischen Kapitalgesellschaft an eine nahestehende
ausländische Schwesterngesellschaft
Die Fremdvergleichskonformität gilt nach Auffassung des BMF
in allen Fällen als nicht gewahrt, wenn das Darlehen ohne ausreichende Sicherheit gewährt wurde. Dies kann (nur) durch
einen Zinssatz mit entsprechendem Risikoaufschlag behoben
werden.
Da es sich durch das Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen
Vereinbarung um eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1
Absatz 5 AStG handelt, sind grundsätzlich fremdübliche
Konditionen zu vereinbaren. Der Zinssatz muss daher für die
gesamte Laufzeit gelten, um das Bestehen einer fremdvergleichskonformen Sicherheit zu rechtfertigen. Daher erfolgt im
Grundsatz keine Anpassung des Zinssatzes, sondern die Sicherheit wird fingiert. Diese Sicherheit führt zur Korrektur einer
Teilwertabschreibung nach § 1 AStG. An dieser Stelle wird im
BMF-Schreiben aber nicht klargestellt, ob diese Sicherheit der
Konzernrückhalt ist.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Eigenkapitalersetzende
Darlehen, die nicht gesellschaftsvertraglich verankert sind,
werden als schuldrechtliche Geschäftsbeziehungen angesehen.
Darlehensgewährungen zwischen einem inländischen beherrschenden Gesellschafter und ausländischen, ihm nahestehenden Personen ohne Sicherheitengewährung führen aufgrund
des Konzernrückhalts nicht automatisch zur Verneinung der
Fremdvergleichskonformität, jedoch zur Versagung möglicher
Teilwertabschreibungen. Bei Darlehensgewährungen zwischen
einem nicht beherrschenden Gesellschafter und einer ihm nahestehenden ausländischen Gesellschaft ist die Vereinbarung
von Sicherheiten oder eines angemessenen Risikoaufschlags
zwingend erforderlich, um den Fremdvergleichsgrundsatz einzuhalten. Wird dies nicht vereinbart, besteht das Risiko der
Nichtanerkennung der Teilwertabschreibung oder der Gewinnberichtigung.
Grundsätze der Konzernfinanzierung
Die zentrale gesetzliche Regelung für die Festsetzung von Verrechnungspreisen ist § 1 AStG, nach dem Verrechnungspreise
dem Fremdvergleich entsprechen müssen. § 1 Absatz 3 AStG
bezieht sich auf die anzuwendenden Methoden zur Ermittlung
eines angemessenen Verrechnungspreises. Keine eindeutigen
Regelungen enthält dieser Paragraf allerdings zur Preisgestaltung für konzerninterne Finanzierungsleistungen.
Die deutsche Finanzverwaltung hatte bereits im Jahr 1983 die
Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze)
veröffentlicht. Speziell Abschnitt 4.2 der Verwaltungsgrundsätze enthält Details zur Festlegung der Zinssätze konzerninterner Darlehen. Danach sollte unter anderem die Prüfung
konzerninterner Zinssätze auf Basis der Zinssätze durchgeführt werden, die eine Bank fremden Dritten für die gleiche
Transaktion unter gleichen oder ähnlichen Umständen gezahlt
hätte. Heute herrscht allerdings die Meinung vor, interne Konzernfinanzierungen sollten nur in Ausnahmefällen auf Basis
von Bankzinsen ermittelt werden, da die in beiden Fällen betroffenen Parteien (Darlehen zwischen Konzerngesellschaften
einerseits und von einer Bank – mit entsprechendem eigenen
Geschäftsbetrieb – vergebenen Darlehen andererseits) als nicht
vergleichbar angesehen werden.
Neben den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen und den (rudimentären) Verwaltungsanweisungen gibt es auch nur wenige
Gerichtsurteile, die sich mit der angemessenen Verzinsung
konzerninterner Darlehen befassen, an denen man sich orientieren könnte.
Der BFH hat in seinem Urteil vom 28. Februar 1990 ein zweistufiges Verfahren zur Ermittlung angemessener Zinssätze entwickelt. In dem genannten Verfahren hatte eine GmbH ihren
einzigen Anteilseignern (Bruder und Schwester) ein Darlehen
gewährt. Der BFH stellte fest: Der angemessene Zinssatz hängt
davon ab, ob die Gesellschaft das Geld selbst extern aufgenommen hat. Ist das der Fall, sollte sich der festgelegte konzerninterne Zinssatz auf den Refinanzierungszinssatz beziehen. Hat
die GmbH eigenes Kapital zur Verfügung, sollten jedoch (bankübliche) Soll- und Habenzinsen ausschlaggebend sein. Dabei
sollten die Habenzinsen (die von der Bank auf Guthaben gezahlt werden) das untere Ende einer Bandbreite zutreffender
Verrechnungspreise und die Sollzinsen (die an die Bank auf
steuern+recht April/Mai 2012 9
Titel
Sollsalden gezahlt werden) das obere Ende der Bandbreite
darstellen. Der angemessene Zinssatz sollte dann innerhalb
dieser Grenzen festgelegt werden. Da sich dieses Urteil auf ein
Familienunternehmen bezog, scheint es fraglich, ob sich und,
wenn ja, welche Schlussfolgerungen daraus für multinationale
Konzerne ziehen lassen. Darüber hinaus wurde die Bestimmung von angemessenen konzerninternen Zinssätzen anhand
von banküblichen Soll- und Habenzinsen festzulegen bereits
infrage gestellt.
Einen weiteren Fall entschied der BFH am 21. Dezember 1994
zu einem niederländischen Trust, der zwei niederländische
Kapitalgesellschaften gegründet und ihnen verzinsliche Darlehen gewährt hatte. Die Struktur betraf Immobilieninvestitionen in Deutschland, bei denen die Zinszahlungen der
Kapitalgesellschaften in der deutschen Steuererklärung zum
Abzug gebracht wurden. Die Entscheidung diskutierte unter
anderem die Notwendigkeit, Kredite zwischen verbundenen
Parteien etwa durch Immobilien zu sichern – wie man es
typischerweise bei Bankkrediten erwartet. Das Gericht
entschied, in einer konzerninternen Transaktion sei eine
Sicherheit grundsätzlich nicht notwendig, da ein Darlehen an
eine Tochtergesellschaft immer durch den Einfluss eines Mehrheitseigners als besichert angesehen werden könne. Daher
wären zusätzliche Sicherheiten für Kredite zwischen Unternehmen innerhalb der gleichen Unternehmensgruppe ungewöhnlich. Das Gericht kommt außerdem zu dem Schluss: Für
konzerninterne Darlehen angemessen sind nur die Zinssätze,
die für besicherte Kredite angesetzt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen: In Deutschland gibt es
noch wenig konkrete und zuverlässige regulatorische Richtlinien zur angemessenen Bepreisung von konzerninternen
Krediten. Inwieweit dies der Betriebsprüfung und den ausländischen Steuerbehörden in die Hände spielt, bleibt abzuwarten.
Ihre Fragen beantwortet Ihr Ansprechpartner gern. – Bitte rufen
Sie ihn an oder schicken ihm einfach eine E-Mail.
Lorenz Bernhardt
Tel.: +49 30 2636-5204
[email protected]
10 PwC
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 29. März 2011 (IV B 5 – S 1341/09/
10004; BStBl. I 2011, 277)
Ausblick
In der nächsten Ausgabe von steuern+recht widmet sich der
Autor dem Thema „Regelung von Funktionsverlagerungen und
ihren Erscheinungsformen“.
Restrictions on write-offs of receivables from
foreign related parties and arm’s length requirements
From 2008 onwards, the Corporation Tax Act excludes a
tax deduction for the write-off of related-party receivables
(common shareholding of more than 25%) unless the
taxpayer can show that an independent third-party in
similar circumstances would also have allowed the debt
to remain outstanding. In 2009, the Supreme Tax Court
held in a case based on earlier circumstances, that a
troubled loan to an under-capitalised subsidiary could be
written down with tax effect for want of an express prohibition. In March 2011 the finance ministry reacted with
a decree pointing out that the Foreign Tax Act provides
for income adjustment in respect of transactions with
foreign related parties that were other than at arm’s
length. The ministry concludes from this that a bad debt
loss on a receivable from a foreign related party is only
allowable where the taxpayer can show that a third-party
would not have taken steps beforehand to recover or
secure the outstanding. It suggests that this could be the
case where it was clearly in the business interests of the
lender not to pursue vigorously debt recovery in order to
maintain trading relationships. The ministry's reasoning
is based on the arm's length requirement of the Foreign
Tax Act. This includes adequate security for a related
party debt. Adequate security can, however, be seen in
overall group support to enable a subsidiary to meet its
debts as they fall due. Accordingly, no charge can be
made for enhanced risk of default within a group.
Although Section 1 Foreign Tax Act offers various
methods to determine the adequate transfer price, it is
rather devoid of clues on intercompany financing. In
conclusion and in spite of the decree it must be conceded
that under German tax jurisdiction no detailed and
reliable transfer pricing guidelines exist with respect to
intercompany loans. This issue therefore continues to
remain one of the contentious points of tax audits. (MH)
Steuern A bis Z
Neuregelung des Insolvenzrechts:
ein Überblick
Am 1. März 2012 trat das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen in Kraft. –
Seine Ziele: den Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters zu stärken, das Insolvenzplanverfahren und die Eigenverwaltung zu
optimieren sowie ein Moratorium im Vorfeld einer
Insolvenz („Schutzschirmverfahren“) einzuführen.
Die von der Bundesregierung angestrebte Reform will
auf diesem Weg die Instrumente zur Sanierung überlebensfähiger Unternehmen verbessern. – Welche Neuerungen das Gesetz im Einzelnen mit sich bringt, lesen
Sie im Beitrag von Steffen Huber und Karsten Horch.
Einleitung
Die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung
von Unternehmen (ESUG) einhergehenden Änderungen des
Insolvenzrechts sind sowohl für Berater als auch für Mandanten von erheblichem Interesse. Denn sie erweitern die Möglichkeiten der Gestaltung und Einflussnahme für Gläubiger und
Schuldner. So sollen die Gläubiger künftig die Möglichkeit
haben, schon im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, um ein Mitspracherecht bei der
Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der
Eigenverwaltung zu haben.
Vorläufiger Gläubigerausschuss
Das Insolvenzgericht ist nun verpflichtet, einen vorläufigen
Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei folgenden Schwellenwerte erreicht (§ 21 Absatz 1 Nummer 1 a in
Verbindung mit § 22 a Insolvenzordnung, InsO):
• eine Bilanzsumme in Höhe von 4,84 Millionen Euro
• 9,68 Millionen Euro Umsatzerlöse
• 50 Arbeitnehmer im Jahresmittel
Unabhängig davon soll das Insolvenzgericht einen vorläufigen
Gläubigerausschuss einsetzen, wenn der Schuldner, der vorläufige Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger Personen benennt, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses
in Betracht kommen, und dem Antrag eine Einverständniserklärung der benannten Personen beigefügt ist (§ 22 a Absatz 2
InsO). Das Gericht darf die Einsetzung nur verweigern, wenn
sie mit Blick auf die zu erwartende Insolvenzmasse unverhältnismäßig wäre oder zu einer Verzögerung führen würde, die
eine nachteilige Veränderung der Vermögensmasse des
Schuldners zur Folge hätte (§ 22 a Absatz 3 InsO).
Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt, ist diesem
neben der Übernahme der bereits bekannten Aufgaben (§§ 69
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … welche grundlegenden Änderungen sich durch
das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen für die insolvenzrechtliche
Praxis ergeben.
• … welche zusätzlichen Anreize für eine rechtzeitige Einleitung von Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen das Gesetz schafft.
• … was es mit der Einführung eines dem amerikanischen Chapter-11-Verfahren vergleichbaren Schutzschirmverfahrens auf sich hat.
bis 73 InsO) Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen,
die an den Verwalter zu stellen sind, und zur Person des Verwalters zu äußern (§ 56 a Absatz 1 InsO). Schlägt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig eine Person als Insolvenzverwalter vor, ist ein Abweichen des Insolvenzgerichts von diesem Vorschlag nur möglich, wenn die vorgeschlagene Person
für das Amt nicht geeignet ist (§ 56 a Absatz 2 InsO). Hat das
Gericht bei der Bestellung des Insolvenzverwalters von einer
Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses abgesehen, so
kann der Ausschuss in seiner ersten Sitzung einstimmig eine
andere als die bestellte Person zum Insolvenzverwalter bestellen (§ 56 a Absatz 3 InsO).
Auch vor der Entscheidung eines Gerichts über den Antrag
auf Anordnung von Eigenverwaltung ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu äußern (§ 270
InsO).
Die Gesetzesänderung stärkt auch den Einfluss des Schuldners.
So soll eine Person nicht ihre Unabhängigkeit verlieren, die für
die Bestellung als Insolvenzverwalter erforderlich ist, weil der
Schuldner oder ein Gläubiger diese Person vorschlägt oder
weil sie den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und dessen
Folgen beraten hat. – Allerdings ist noch offen, wie die Insolvenzgerichte den Begriff „Beratung in allgemeiner Form“ in
der Praxis auslegen werden. Vermutlich wird die konkrete
Erteilung von Handlungsanweisungen oder die Zusage, als
Insolvenzverwalter bestimmte Verfahrensschritte vorzunehmen, über eine „allgemeine“ Beratung hinausgehen und somit
eine Bestellung als Insolvenzverwalter unmöglich machen. Auf
jeden Fall sind die Schranken des § 45 Bundesrechtsanwaltsordnung zu beachten.
Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung
im Insolvenzplan
Bei der Novellierung des Insolvenzrechts wurden insolvenzund gesellschaftsrechtliche Regelungen miteinander verzahnt
(§ 225 a InsO). Das bedeutet: Im gestaltenden Teil des Insol-
steuern+recht April/Mai 2012 11
Steuern A bis Z
venzplans lassen sich – neben jeder sonstigen gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelung (etwa übertragende Sanierung,
Aufnahme stiller Gesellschafter, Änderung der Rechtsform,
Änderung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen und/oder
Beteiligungsverhältnisse) – auch Forderungen von Gläubigern
in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldnerunternehmen umwandeln (ein sogenannter Debt-to-Equity-Swap). Hierbei bringt der Gläubiger seine Forderung gegen den Schuldner
im Wege einer Herabsetzung des Kapitals und anschließender
Kapitalerhöhung als Sacheinlage ein. Eine Umwandlung gegen
den Willen der betroffenen Gläubiger ist nicht möglich.
Um eine erfolgreiche Sanierung zu ermöglichen und das Eingreifen von Change-of-Control-Klauseln zu verhindern, berechtigen Maßnahmen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung im Insolvenzplan darüber hinaus grundsätzlich nicht zum
Rücktritt oder zur Kündigung von Verträgen, an denen der
Schuldner beteiligt ist (§ 225 a Absatz 4 InsO). Macht ein
Gesellschafter aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im Insolvenzplan von seinem Austrittsrecht Gebrauch, sieht die InsO zwecks Bestimmung der Höhe eines
etwaigen Anspruchs des austrittswilligen Gesellschafters auf
eine Abfindung die Bedingung vor: Der Liquidationswert ist
maßgeblich und die Auszahlung des Abfindungsguthabens
kann über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren verzinslich
gestundet werden.
Eigenverwaltung durch den Schuldner
Mit Einführung des § 270 a InsO soll dem Schuldner in geeigneten Fällen Gelegenheit gegeben werden, trotz Einleitung
eines Insolvenzverfahrens selbst die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten. Ist ein Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung gestellt und nicht offensichtlich aussichtslos und
führt die Anordnung der Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen
für die Gläubiger, soll das Gericht von der Auferlegung eines
allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten eines Insolvenzverwalters absehen und einen
vorläufigen Sachwalter bestellen (§ 270 a InsO). Vor der Entscheidung des Gerichts über die Anordnung der Eigenverwaltung ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu
geben, Stellung zu nehmen (§ 270 Absatz 3 InsO). Unterstützt
der vorläufige Gläubigerausschuss den Antrag des Schuldners
einstimmig, gilt die Anordnung der Eigenverwaltung als nicht
nachteilig für die Gläubiger (§ 270 Absatz 3 Satz 2 InsO).
Wichtige Änderungen
in Recht und Gesetz
Verhindern kann ein Gläubiger die Anordnung der Eigenverwaltung dann nur noch, indem er selbst einen Insolvenzantrag
stellt und dem Antrag des Schuldners auf Anordnung der
Eigenverwaltung nicht zustimmt (§ 270 Absatz 2 Nummer 2
InsO).
Das Schutzschirmverfahren
Im Rahmen des neu eingeführten Schutzschirmverfahrens
bestimmt das Gericht auf Antrag des Schuldners eine Frist von
maximal drei Monaten, während denen der Schuldner einen
Insolvenzplan vorlegen muss. Die Anordnung des Schutzschirmverfahrens ist an drei Bedingungen geknüpft:
• Der Schuldner beantragt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.
• Er stellt einen Antrag auf Eigenverwaltung.
• Die Sanierung ist nicht offensichtlich aussichtslos.
Ist die Zahlungsunfähigkeit schon eingetreten, ist ein Schutzschirmverfahren also ausgeschlossen. Der Schutzschirm, unter
den sich der Schuldner bei Anordnung durch das Insolvenzgericht begibt, hat generell zur Folge: Die Zwangsvollstreckung
gegen den Schuldner ist für die Dauer des Schutzschirmverfahrens untersagt oder einstweilen einzustellen, wenn nicht unbewegliche Gegenstände davon betroffen sind. Außerdem kann
das Gericht Maßnahmen zur Sicherung des Vermögens anordnen (§ 21 Absatz 1 sowie Absatz 2 Nummer 3 und 5 InsO).
Zusätzlich muss der Schuldner eine begründete Bescheinigung
eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorlegen, aus der sich ergibt: Es
droht eine Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung, aber
es liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor und die angestrebte
Sanierung ist nicht offensichtlich aussichtslos (§ 270 b InsO).
Mit der Anordnung des Schutzschirmverfahrens bestellt das
Gericht einen vorläufigen Sachwalter, der nicht personenidentisch mit dem Aussteller der Bescheinigung sein darf.
Beachten Sie bitte: Das Schutzschirmverfahren kann unter
bestimmten Umständen vor Ablauf der Frist zur Vorlage des
Insolvenzplans wieder aufgehoben werden (§ 270 b Absatz 4
InsO). Das ist vor allem dann der Fall, wenn der vorläufige
Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt.
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Überleitungsvorschrift
Die Neuerungen gelten nur für Insolvenzverfahren, deren
Eröffnung ab dem 1. März 2012 beantragt wird. Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. März 2012 beantragt wurden, sind
weiterhin die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden.
Wenn Sie Fragen haben oder beraten werden möchten, rufen Sie
bitte Ihre Ansprechpartner an oder schicken ihnen einfach eine
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Dr. Steffen Huber
Tel.: +49 711 25034-3603
steff[email protected]
Passivierung „angeschaffter“ Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot
In seinem Urteil vom 14. Dezember 2011 beantwortete
der Bundesfinanzhof folgende Frage: Gelten Passivierungsverbote auch für Verbindlichkeiten, die im Zuge
eines Betriebserwerbs übernommen werden? – Wie
das Gericht entschied und wie es seine Entscheidung
begründete, fasst der folgende Beitrag für Sie zusammen.
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … warum sich der Erste Senat gegen eine Trennung
des Anschaffungsvorgangs von der Bilanzierung
auf den Bilanzstichtag ausspricht.
• … in welchen Fragen sich der Bundesfinanzhof
detailliert von der Auffassung der Finanzverwaltung distanziert.
Sachverhalt
Karsten Horch
Tel.: +49 711 25034-1244
[email protected]
Eine GmbH (Klägerin und Revisionsklägerin) übernahm zum
1. Juli 1994 den Betrieb einer Tochtergesellschaft im Wege
eines Asset Deals: Sie übernahm sämtliche Wirtschaftsgüter.
Mit Ausnahme der erworbenen Patente, Lizenzen und Handelsmarken sowie des Firmenwerts wurden die Vermögensgegenstände und Schulden in der (handelsrechtlichen) Eröffnungsbilanz der GmbH mit den Buchwerten angesetzt. In
diesem Kontext wurden unter anderem auch Jubiläumsverpflichtungen (Rückstellung für Dienstjubiläum) übernommen,
die bei der Bemessung des (Gesamt-)Kaufpreises der Wirt-
New regulations on German insolvency law
The German Insolvency Law Reform (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, or ESUG) is in
force since March 1, 2012. The ESUG seeks to accommodate some of the major weaknesses of current insolvency regulations, namely providing for an increased creditor’s influence to appoint the insolvency trustee, establishing a preliminary
creditor’s committee already at an early stage and facilitating debtor’s access to self-administration. The appointment of a
preliminary creditors’ committee is now compulsory if at least two of the following three criteria are met: a balance sheet
total of €4.84 million, revenues of €9.68 million and an annual average of 50 employees. In the course of restructurings to
consolidate the company the ESUG now explicitly admits so-called debt-equity swaps as part of an insolvency plan. As an
alternative to a trustee the debtor may now himself act as administrator under the supervision of a custodian. This can only
be denied if there are specific facts indicating that the proceedings are disadvantageous for the creditors. Under certain
conditions the ESUG provides for a pre-solvency rescue package: Within three months the debtor company should set up its
own insolvency plan and it has the opportunity to restructure itself on its own. In addition, the debtor should submit an
expert opinion (tax advisor, certified accountant, legal counsel etc.) explaining that insolvency is imminent but that the
anticipated restructure is not hopeless altogether. Under the rescue package a preliminary trustee other than the one giving
the expert opinion is appointed by the court. The new ESUG rules are not available for insolvency proceedings proposed
before March 1, 2012.
(MH)
steuern+recht April/Mai 2012 13
Steuern A bis Z
schaftsgüter berücksichtigt wurden. Der Ansatz der Rückstellung erfolgte in der Handelsbilanz zum 1. Juli 1994 in Höhe
von 924.700 DM. Der unter Berücksichtigung des Passivierungsverbots nach § 5 Absatz 4 Einkommensteuergesetz
(EStG) ansetzbare steuerliche Wert betrug hingegen lediglich
82.850 DM. Strittig war zwischen den Beteiligten – der Klägerin und dem Finanzamt (FA) –, wie die GmbH die übernommene Verpflichtung in der Steuerbilanz zum 1. Juli 1994 und
zum 31. Dezember 1994 zu bewerten habe.
Die GmbH begehrte, die übernommene Verpflichtung unmittelbar in der Eröffnungsbilanz mit dem steuerlichen Wert unter
Beachtung des § 5 Absatz 4 EStG zu bewerten und den Firmenwert um den Unterschiedsbetrag zur Handelsbilanz zu kürzen.
Die Ergebniswirkung aus dem steuerlichen Passivierungsverbot erfolgt in diesem Fall über die geringere steuerliche Abschreibung der Anschaffungskosten des Firmenwerts.
Das FA vertrat hingegen in Übereinstimmung mit dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 24. Juni 2011
die Auffassung, die übernommene Verpflichtung sei zum
1. Juli 1994 in der steuerlichen Eröffnungsbilanz mit dem
gemeinen Wert (924.700 DM) anzusetzen. In der folgenden
Schlussbilanz zum 31. Dezember 1994 sei diese jedoch unter
Beachtung des steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalts
nach § 5 Absatz 4 EStG lediglich in Höhe von 82.850 DM zu
passivieren. Die streitbefangene Rückstellung sei folglich im
Streitjahr gewinnerhöhend aufzulösen. Den hieraus resultierenden steuerlichen Gewinn setzte das FA gegenüber der Klägerin fest. Hiergegen richtete sich der Einspruch der Klägerin.
Da das Einspruchsverfahren erfolglos endete, bestritt die
GmbH den Rechtsweg. Im Klageverfahren argumentierte die
Klägerin unter Verweis auf die zwischenzeitlich ergangene
höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs, BFH, vom 16. Dezember 2009; I R 102/08): Betriebliche Verbindlichkeiten, die beim Veräußerer aufgrund
von Rückstellungsverboten in der Steuerbilanz nicht bilanziert
worden sind, sind bei dem Erwerber, der die Verbindlichkeiten
im Zuge eines Betriebserwerbs gegen Schuldfreistellung übernommen habe, keinem Passivierungsverbot unterworfen. Der
vom BFH seiner Entscheidung zugrunde gelegte Grundsatz,
nach dem Anschaffungsvorgänge auch hinsichtlich übernommener Passivpositionen erfolgsneutral zu behandeln sind, sei
auch auf den Streitfall anzuwenden. Folglich sei unter anderem auch die Jubiläumsrückstellung als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen, die mit den Anschaffungskosten oder
dem höheren Teilwert zu bewerten sei. Die vom FA den Gewinn erhöhende Auflösung der Rückstellung zum 31. Dezember 1994 habe demzufolge zu unterbleiben.
Die Klage gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer hatte
Erfolg. Das FA rügt daraufhin die Verletzung materiellen
Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Klage abzuweisen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung
14 PwC
ist das BMF dem Revisionsverfahren beigetreten. Die Klägerin
beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen beziehungsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzgericht hat demnach im Ergebnis zu Recht entschieden,
dass betriebliche Verbindlichkeiten, die beim Veräußerer aufgrund steuerlicher Rückstellungsverbote (hier: für Jubiläumszuwendungen) in der Steuerbilanz nicht bilanziert worden
sind, beim Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs übernommen hat, keinem Passivierungsverbot
unterworfen sind. Diese sind als ungewisse Verbindlichkeit
auszuweisen und vom Erwerber auch an den nachfolgenden
Bilanzstichtagen nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG 1990 mit
ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu
bewerten. Das Passivierungsverbot nach § 5 Absatz 4 EStG sei
in diesem Kontext nicht einschlägig.
Der Erste Senat begründet seine Entscheidung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung: Aus dem Realisationsprinzip (§ 252 Absatz 1 Nummer 4 Halbsatz 2 Handelsgesetzbuch, HGB) folgt das Anschaffungskostenprinzip: Danach sind
Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln, da eine
Gewinnrealisierung nur aufgrund nachfolgender betrieblicher
Umsatzakte erfolgen kann. So führt der Zugang von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen zu einer bloßen Vermögensumschichtung in Höhe der Anschaffungskosten.
Zentral für die Argumentation des BFH ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Anschaffungskosten: Mangels einer
eigenständigen Definition im EStG ist auch für steuerliche Belange auf den handelsrechtlichen Begriff der Anschaffungskosten abzustellen. Anschaffungskosten sind nach § 255 Absatz 1
Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. So muss, wie der
BFH betont, der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung
von Anschaffungsvorgängen auch auf übernommene Passivpositionen angewandt werden, die in der Steuerbilanz einem –
von der Handelsbilanz abweichenden – Ausweisverbot ausgesetzt sind. Denn auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht
nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber
zu entrichtenden Entgelts und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten. Mit Blick auf das spezifisch steuerbilanzielle
Ansatzverbot für die streitgegenständliche Jubiläumsverpflichtung führt der BFH aus: Durch dieses Verbot sollen lediglich
am Stichtag bereits vorhandene Verpflichtungen entgegen den
Vorgaben des (handels-)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips
(§ 252 Absatz 1 Nummer 4 Halbsatz 1 HGB) auf künftige Veranlagungszeiträume verlagert werden. Dieses Ansatzverbot
greift für den Fall des entgeltlichen Erwerbs der Zahlungsverpflichtung nicht, denn dann ist die Verpflichtung realisiert.
Steuern A bis Z
Folglich ist die Verpflichtung vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen.
Darüber hinaus spricht sich der BFH gegen eine Trennung des
eigentlichen Anschaffungsvorgangs von der (nachfolgenden)
Bilanzierung auf den Bilanzstichtag aus. Umfang und Höhe der
Anschaffungskosten werden durch tatsächliche Gegebenheiten
bestimmt. In diesem Umfang und in jener Höhe, in denen sie
tatsächlich entstanden sind, gehen sie erfolgsneutral in die
(nachfolgende) Bilanzierung ein. Der Bewertungsansatz darf
dabei (nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG 1990) weder übernoch unterschritten werden. Das betrifft auch „miterworbene“
Schulden, die als solche einem steuerlichen Ausweisverbot
unterworfen sind. Andernfalls würde genau jener „Erwerbsgewinn“ ausgewiesen, der dem Anschaffungskostenbegriff und
-verständnis widerspreche. Für die Annahme eines ausnahmsweise auszuweisenden „gesetzlichen Bewertungsgewinns“ gibt
es nach Auffassung des BFH keine gesetzliche Grundlage.
Hervorzuheben ist die Entscheidung des BFH besonders vor
folgendem Hintergrund: Mit seiner oben skizzierten Rechtsprechung wendet sich der Erste Senat explizit und wiederholt
gegen die Ausführungen der Finanzverwaltung in ihrem
Schreiben vom 24. Juni 2011. Nach Auffassung der Finanzverwaltung verdrängen steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte in der ersten für die Besteuerung maßgebenden
Schlussbilanz nach Übernahme von Verpflichtungen den
handelsrechtlichen Grundsatz der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen. Anders ausgedrückt: Der Anschaffungsvorgang und damit die Erfolgsneutralität werde in der handelswie steuerrechtlichen Eröffnungsbilanz abschließend abgebildet. Folglich greife in der ersten Schlussbilanz wiederum das
steuerliche Ausweisverbot.
Bemerkenswert ist zudem: Der BFH spricht sich eindeutig
gegen die von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom
24. Juni 2011 vorgenommene Differenzierung bei der Übernahme schuldrechtlicher Verpflichtungen im Wege der Schuldübernahme und der Schuldfreistellung aus. Zum einen zitiert
der BFH seine frühere Entscheidung hinsichtlich der Schuldfreistellung. Für diesen Fall ist der Erwerber im Verhältnis zum
Veräußerer verpflichtet, diesen von der gegenüber dem Gläubiger der Schuld weiter bestehenden Zahlungspflicht freizustellen. Die entsprechende Freistellungsverpflichtung ist aufgrund
des vorangegangenen Realisationsakts vom Erwerber sowohl
in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen.
sei. Allerdings sei die Verpflichtung beim Veräußerer infolge
des „Ankaufs“ zwischenzeitlich als solche realisiert worden. So
übernehme die Klägerin zwar ein (weiterhin) schwebendes Geschäft, jedoch markiere die (befreiende) Schuldübernahme die
ausschlaggebende Zäsur: Die Verpflichtung sei dadurch beim
Veräußerer realisiert worden und das Einstehen für die Schuld
durch die Klägerin sei fortan nicht mehr (Gegen-)Leistung im
Rahmen des schwebenden Vertrags, sondern nur noch eine
Erfüllungsleistung. Auf diesem Realisationsakt – und den dafür
aufgewendeten Anschaffungskosten – baut sodann wiederum
die nachfolgende handels- wie steuerrechtliche Bilanzierung
auf. Nach Auffassung des BFH bestimmt auch in diesem Fall
die handels- wie steuerrechtliche „Erfolgsneutralität“ der
Anschaffung den Bilanzierungsansatz. So wird der Ansatz
unbeschadet des fortbestehenden Charakters der auszuweisenden Verbindlichkeit ohne einen gegenläufigen Regelungsbefehl
nicht von steuerlichen Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen und -verboten verdrängt. Da es jedoch an einem derartigen
gegenläufigen Regelungsbefehl fehlt, ist die entsprechende
Verpflichtung – wie im Falle der Schuldfreistellung auch – vom
Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz
passivisch auszuweisen.
Abschließend ist festzuhalten: Der BFH spricht sich auch eindeutig gegen die von der Klägerin im Einspruchsverfahren
vorgetragene Bilanzierungsweise aus, nach der die steuerrechtlichen Ansatzrestriktionen bereits in der (handelsrechtlichen) Eröffnungsbilanz zu berücksichtigen sind und die
„Neutralisierung“ der dadurch bedingten Ausweisdifferenz zugleich über eine Abstockung des Firmenwerts erfolgt. Mit den
Worten des BFH ausgedrückt: Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung geben eine solche Bilanzierung nicht her.
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eine E-Mail.
Dr. Michael Scheel
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Zum anderen gab der zugrunde liegende Streitfall dem BFH
die Möglichkeit, sich zur steuerlichen Beurteilung der Schuldübernahme zu äußern. Im Streitfall hatte die Klägerin anstelle
des Veräußerers die Jubiläumsverpflichtung übernommen. So
betont der BFH zwar, auch nach der Veräußerung handele es
sich um eine Verpflichtung des (neuen) Schuldners, welche
„an sich“ dem steuerbilanziellen Ausweisverbot unterworfen
steuern+recht April/Mai 2012 15
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Matthias Reitzenstein
Tel.: +49 69 9585-2037
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Fundstellen
• BFH, Urteil vom 14. Dezember 2011 (I R 72/10)
• BFH, Urteil vom 16. Dezember 2009 (I R 102/08)
• FG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2010 (6 K 7287/00 K)
• BMF, Schreiben vom 24. Juni 2011 (IV C 6 – S 2137/0-03)
Neues deutsch-niederländisches
Steuerabkommen unterzeichnet
Das Bundesfinanzministerium hat jetzt das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden veröffentlicht. Die steuerlichen Rahmenbedingungen, die
bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten regelmäßig
eine wichtige Grundlage für Investitionen bilden,
werden verbessert. Das Abkommen wurde zusammen
mit der zugehörigen Verständigungsvereinbarung am
12. April 2012 unterzeichnet, muss allerdings noch
ratifiziert werden.
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … für welche Steuerpflichtige das neue Abkommen
besonders interessant sein dürfte.
• … was grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige
künftig beachten sollten.
• … welcher Artikel aus Sicht Deutschlands in Kontrast zu einem Urteil des Bundesfinanzhofs steht.
Das neue Doppelbesteuerungsabkommen wird nach seiner abschließenden Ratifizierung den alten, inzwischen in die Jahre
European Customs & Trade
Communiqué
gekommenen Vertrag aus dem Jahr 1959 ersetzen. Es sei wichtig – so die Vertreter beider Staaten bei der Unterzeichnung –,
künftig eine Vereinbarung zu haben, die den Anforderungen
der Zeit genüge. Durch das neue Steuerabkommen sollen existierende steuerliche Hemmnisse und Lücken abgebaut, die
Wirtschaftsbeziehungen beider Länder weiter vertieft und die
Attraktivität grenzüberschreitender Investitionen erhöht werden. Profitieren werden davon zum einen Grenzpendler, zum
anderen aber auch grenzüberschreitend tätige Unternehmen.
Die neuen Regelungen treten voraussichtlich zum 1. Januar
2014 in Kraft.
Die Mehrzahl der bilateralen Regelungen wurde gründlich
revidiert und das neue Abkommen inhaltlich weitgehend an
das Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung angeglichen. Steuerpflichtige mit Wohnsitz in den Niederlanden, die in Deutschland
einer Beschäftigung nachgehen, sollen beispielsweise künftig
spezielle von der Steuer abzugsfähige Ausgaben wie etwa den
niederländische „hypotheekrenteaftrek“ (Abzug von Hypothekenzinsen) geltend machen können. Für niederländische
Staatsbürger soll es dadurch wesentlich attraktiver werden,
einer Tätigkeit jenseits der Grenze nachzugehen.
Weitere ausgewählte Eckpunkte des neuen
Abkommens
Abkommensberechtigung (Artikel 4): Personengesellschaften oder andere transparente Vehikel sind nicht selbst abkommensberechtigt (sondern deren Gesellschafter), außer sie
sind in einem der Staaten unbeschränkt steuerpflichtig. Bei
Doppelansässigkeit juristischer Personen kommt es auf den Ort
der tatsächlichen Geschäftsleitung an.
Betriebsstätte (Artikel 5): Projekttätigkeiten vor der Küste
führen unter Umständen zu einer Betriebsstätte, es sei denn,
die betreffenden Tätigkeiten werden insgesamt weniger als
30 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ausgeübt. Grundsätzlich muss einer Betriebsstätte der Gewinn
unter Fremdvergleichsmaßstäben und unter Berücksichtigung
der Aufgaben- und Risikoverteilung zugerechnet werden
(Artikel 7).
Dividenden (Artikel 10): Festgehalten wird das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats, jedoch mit Abzugsrecht des
Beiträge zum Themenbereich Zoll
finden Sie in der neuen Ausgabe von
European Customs & Trade Communiqué.
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Quellenstaats. Für Schachtelbeteiligungen (bei einer Beteiligung von mindestens zehn Prozent) beträgt die Quellensteuer
fünf, bei niederländischen Pensionsfonds zehn und 15 Prozent
in allen anderen Fällen. Der Dividendenregelung unterfallen
auch Ausschüttungen aus einem deutschen Investmentvermögen.
Zinsen und Lizenzen (Artikel 11 und 12): Das Besteuerungsrecht hat grundsätzlich der Empfängerstaat. Mit anderen
Worten: Quellensteuer wird nicht abgezogen, wenn die entsprechende Zahlung Fremdvergleichsgrundsätzen entspricht.
Dividenden und Zinsen, die auf Rechten oder Forderungen mit
Gewinnbeteiligung beruhen und die bei der Gewinnermittlung
des Schuldners abzugsfähig sind, können jedoch insgesamt
nach dem Recht des Quellenstaats besteuert werden. Wandelanleihen sind davon ausgenommen.
Veräußerungsgewinne (Artikel 13): Hier wird neben der
Veräußerung von unbeweglichem und beweglichem Vermögen
auch die Veräußerung von Aktien einer Gesellschaft oder von
vergleichbaren Anteilen geregelt. Letzteres meint bestimmte
Grundstücksgesellschaften, deren Aktivvermögen zu mehr als
75 Prozent aus Immobilien besteht: Das Besteuerungsrecht
wird hier nur dann dem Belegenheitsstaat der Immobilie zugewiesen, wenn dem Veräußerer mindestens 50 Prozent der
Anteile gehörten und die Gewinne nicht im Rahmen der
Umstrukturierung eines Unternehmens erzielt wurden.
Unselbstständige Tätigkeit (Artikel 14): Die sogenannte 183-Tage-Regelung wird nicht nach dem Kalenderjahr,
sondern zeitraumbezogen über zwölf Monate bestimmt.
Vermeidung der Doppelbesteuerung (Artikel 22):
Dieser Teil des Abkommens sieht unter bestimmten Fallkonstellationen sogenannte Switch-over-Klauseln vor. In solchen
Fällen wird nicht die Freistellungsmethode angewandt, sondern auf das Anrechnungsverfahren zurückgegriffen.
Missbrauchsklausel (Artikel 23): Kommt es infolge einer
nationalen Missbrauchsregelung zur Doppelbesteuerung, soll
ein Verständigungsverfahren zur Beseitigung der Mehrfachbesteuerung führen.
Gleichbehandlung (Artikel 24): Diese Diskriminierungsvorschrift erlaubt es den beiden Staaten, ihre Gruppenbesteuerung (Organschaft) auf in dem jeweiligen Staat ansässige
Personen oder dort belegene Betriebsstätten zu beschränken.
Aus Sicht Deutschlands steht dies in Widerspruch zum Urteil
des Bundesfinanzhofs vom 9. Februar 2011 (I R 54, 55/10) zur
grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft.
(MH)
New tax treaty between Germany and the
Netherlands signed
A new tax treaty between Germany and the Netherlands
was signed on April 12, 2012. It will replace the present
bilateral agreement from 1959 and largely comply with
OECD-model treaty standards, although there are some
deviations. It comes into force as of January 1, 2014.
Most likely, cross-border commuters from the Netherlands will benefit and also cross border investment
should improve. Some of the highlights of the new
treaty:
Partnerships and similar transparent vehicles would not
be protected as only its partners are considered as
“persons” within the meaning of the treaty. Offshore
activities might be regarded as a permanent
establishment if the operation is carried out for a minimum of 30 days within a period of 12 months. Withholding tax on dividends is 15 per cent, a rate of five per
cent applies on qualified holdings of at least 10 per cent
and distributions from certain Dutch pension funds are
subject to 10 per cent withholding. There is no tax withholding on interest and royalties and such income is
taxed in the country of the recipient, providing the
remuneration is at arm’s length. Taxation is not limited
regarding the income from rights and shares in a
company’s profits being tax-deductible for the payer
(i.e. profit-participating rights, silent partner shares and
profit-sharing bonds), with the exception of convertible
bonds. Gains from the sale of shares in certain real estate
companies (i.e. whose own real estate is more than
75 per cent of its total assets) are taxed in the country
where the real estate is located, provided the seller owns
at least 50 per cent of the shares in that company. In
addition to the general rule that income from employment be taxed in the country of employment, such income may be taxed in the country of residence if, i.e., the
presence of the employee in the country of employment
does not exceed 183 days over a period of 12 months
(the old treaty strictly referred to the calendar year as a
basis). In case of double taxation as a result of local antiabuse provisions, the additional tax should be eliminated
by way of mutual consultation procedures. Under bilateral non-discrimination rules both states may restrict a
tax grouping locally (this, by the way, is in contrast to a
recent Supreme Tax Court decision permitting a trade
tax grouping with a foreign parent).
(MH)
Fundstelle
Abkommen vom 12. April 2012 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
steuern+recht April/Mai 2012 17
Steuern A bis Z
http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_74738/DE/BMF
__Startseite/Aktuelles/BMF__Schreiben/Internationales__
Steuerrecht/Staatenbezogene__Informationen/Niederlande/
009__a,templateId=raw,property=publicationFile.pdf
Reisekosten: regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten
Nach gleich drei ergangenen Urteilen des Bundesfinanzhofs aus dem letzten Jahr kann ein Arbeitnehmer
nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben. Die Urteile ändern das steuerliche Reisekostenrecht wegweisend. Durch sie entfallen komplizierte
Berechnungen steuerfreier Verpflegungspauschalen
und Ermittlungen hinsichtlich zusätzlicher Nutzungsvorteile bei Firmenwagennutzern.
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … nach welchen Kriterien eine regelmäßige Arbeitsstätte zu bestimmen ist, wenn der Arbeitgeber
immer wieder verschiedene Tätigkeitsstätten aufsucht.
• … was bei einem Einsatz in verschiedenen Filialen
künftig zu beachten ist.
• … welche Bedeutung dem täglichen Aufsuchen des
Betriebssitzes in diesem Zusammenhang zukommt.
Komplizierte Berechnungen des geldwerten Vorteils wegen
mehrerer regelmäßiger Arbeitsstätten, das „Aufsplitten“ der
Entfernungspauschale beim Aufsuchen mehrerer Tätigkeitsstätten an einem Arbeitstag und die entsprechend komplizierte
Ermittlung von Verpflegungsmehraufwendungen sind dank
neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) künftig
entbehrlich. Der Beitrag stellt Ihnen die einschlägigen Urteile,
ihre Folgen und ihre teilweise kontroverse Diskussion in der
Literatur im Überblick dar.
Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren
Tätigkeitsstätten
Ein Arbeitnehmer kann nach Auffassung des BFH nicht mehr
als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben, auch wenn er
fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten
seines Arbeitgebers aufsucht. In einem solchen Fall ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen
Tätigkeit (regelmäßige Arbeitsstätte) zu bestimmen. Dabei ist
besonders zu berücksichtigen …
• … welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zugeordnet hat.
18 PwC
• …welche Tätigkeit der Arbeitnehmer an den verschiedenen
Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat.
• … welches Gewicht dieser Tätigkeit jeweils konkret zukommt.
Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder aufsuche, reiche für
die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte jedenfalls nicht
aus. Ihr muss nach Ansicht der obersten Finanzrichter vielmehr zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen.
In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung – wonach der
Arbeitnehmer auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten innehaben konnte – führte der BFH in seiner Urteilsbegründung
weiter aus, der ortsgebundene Mittelpunkt einer beruflichen
Tätigkeit könne nur an einem Ort liegen. Der Lohnsteuersenat
begründete seine geänderte Rechtsmeinung damit, dass sich
ein Arbeitnehmer nur insoweit auf die immer gleichen Wege
einstellen und zum Beispiel durch Teilnahme an einer Fahrgemeinschaft, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder
durch die gezielte Wohnsitznahme auf eine Minderung seiner
Wegekosten hinwirken könne. Nur dieser Ansatz rechtfertige
die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips in Bezug auf
die Einschränkung von steuerlich abziehbaren Wegekosten
durch die Entfernungspauschale. Arbeitnehmer, die an mehreren Einrichtungen ihrer Arbeitgeber beruflich tätig werden,
können demgegenüber nicht durch eine der genannten Maßnahmen eine Reduzierung der Wegekosten herbeiführen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 9. Juni 2011 (VI R 55/10; BB 2011, 1897)
Auswärtstätigkeit bei Einsatz in verschiedenen Filialen
Ein Arbeitnehmer, der in verschiedenen Filialen seines Arbeitgebers wechselnd tätig ist, übt eine Auswärtstätigkeit aus,
wenn keine der Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale
Bedeutung gegenüber den anderen Tätigkeitsorten hat. Im entschiedenen Fall war die Klägerin als angestellte Distriktmanagerin für den Erfolg der ihr zugeordneten Filialen zuständig.
Als Führungskraft war sie für die fachliche und persönliche
Entwicklung der jeweiligen Marktleiter verantwortlich. Mit
dem ihr überlassenen Firmenwagen suchte sie die ihr zugeordneten 15 Filialen in regelmäßigen, aber auch in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf. In ihrer Steuererklärung
beantragte sie den Abzug von Reisekosten nach den Grundsätzen der Einsatzwechseltätigkeit. Dies lehnten sowohl das
beklagte Finanzamt als auch das Finanzgericht (FG) ab. Ergebnis: Die Revision der Klägerin war begründet. Sie führte zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung
der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhand-
Steuern A bis Z
lung und Entscheidung. Das FG hatte der Klägerin zu Unrecht
mehrere regelmäßige Arbeitsstätten zugeordnet. Unter Verweis auf die Entscheidung VI R 55/10 wiederholt der BFH
seine geänderte Rechtsauffassung und gibt dem FG auf, im
zweiten Rechtszug zu prüfen, ob die Klägerin in den Streitjahren überhaupt eine regelmäßige Arbeitsstätte innehatte. Denn
für den Fall, dass keiner der 15 Filialen im Vergleich zu den anderen Filialen eine hinreichend zentrale Bedeutung zukommt,
hätte die Klägerin insgesamt eine Auswärtstätigkeit unternommen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 9. Juni 2011 (VI R 36/10; DStR 2011, 1654)
Aufsuchen des Betriebssitzes zu Kontrollzwecken
Der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer zwar
regelmäßig, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne
dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, ist
nicht die regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Absatz 1
Satz 3 Nummer 4 Einkommensteuergesetz. Nutzt der Arbeitnehmer den ihm überlassenen Dienstwagen für Fahrten zum
Betriebssitz seines Arbeitgebers, der nicht die regelmäßige
Arbeitsstätte ist, so steht ihm dafür die Entfernungspauschale
nicht zu. Werbungskosten kann er nur abziehen, soweit ihm
dafür Aufwendungen entstehen. Im Streitfall war der Kläger
im Außendienst tätig. Für das Streitjahr gab der Leiter der Betriebsstätte die Weisung, dass jeder Außendienstmitarbeiter zu
Kontrollzwecken und für Absprachen mit dem jeweiligen Kundenberater täglich in den Betrieb kommen musste, bevor er in
sein Einsatzgebiet fahren durfte. Der Kläger verfügte in diesem
Betrieb über keinen individuell für ihn eingerichteten Arbeitsplatz. Für den ihm überlassenen Dienstwagen wurde lediglich
der Ein-Prozent-Wert lohnversteuert. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger für 230 Tage Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und
1. Dauerhafte oder vorübergehende Tätigkeit
2. Ortsfeste Tätigkeitsstätte an einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers
Verpflegungsmehraufwand geltend. Das Finanzamt reduzierte
die Anzahl der Fahrten und erhöhte den Arbeitslohn um den
0,03-Prozent-Zuschlag. Die dagegen eingereichte Klage wurde
abgewiesen. Anders beurteilte der BFH den Fall und hielt die
Revision des Klägers teilweise für begründet.
In Ergänzung zu den Urteilsbegründungen der Rechtssachen
VI R 55/10 und 36/10 führte der BFH hierzu aus: Regelmäßige
Arbeitsstätte kann nicht jede beliebige Arbeitgebereinrichtung
sein. Es komme vielmehr darauf an, wo der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen
habe. In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung stellte
der BFH klar, es komme nun auch darauf an, in welchem zeitlichen Umfang ein Arbeitnehmer die betriebliche Einrichtung
seines Arbeitgebers aufsuche. Weiterhin bestimme sich der
Mittelpunkt der dauerhaft angelegten Tätigkeit nach den qualitativen Merkmalen einer wie auch immer gearteten Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer wahrzunehmen hat, und nach dem
konkreten Gewicht dieser Tätigkeit. Das bloße Aufsuchen des
Betriebs zu Kontrollzwecken ließ nach Ansicht der Richter
nicht den Schluss zu, dass es sich bei dem Betrieb um die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers handle, der seine eigentliche
Tätigkeit außerhalb des Betriebs ausübte.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 9. Juni 2011 (VI R 58/09; DStR 2011, 1655)
Beratungshinweis
Die geänderte Rechtsprechung führt zur Abschaffung der sogenannten 46-Tage-Regelung. Selbst wenn ein Arbeitnehmer den
Betriebssitz arbeitstäglich aufsucht, seine eigentliche Tätigkeit
aber an anderer Stelle verrichtet, hat er am Betriebssitz keine
regelmäßige Arbeitsstätte (VR R 58/09). Denn maßgeblich für
die Bestimmung der einen regelmäßigen Arbeitsstätte ist nun,
dass der Arbeitnehmer in dem Betrieb, dem er zugeordnet ist
und den er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen
Grundsatzprüfung:
Festlegung, an welcher/n Tätigkeitsstätte/n für einen
Arbeitnehmer dem Grunde nach eine regelmäßige Arbeitsstätte angenommen werden könnte
3. Zuordnung
4. Nachhaltigkeit
5. Art und Gewicht der Tätigkeit (Qualität und Quantität)
Tab.: Schema für die Prüfung einer regelmäßigen Arbeitsstätte
Qualitative und quantitative Prüfung:
Welcher Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers kommt –
gegebenenfalls im Verhältnis zu anderen Tätigkeitsstätten –
eine zentrale Bedeutung zu?
Quelle: Strohner/Bode, DB 2011, 2566
steuern+recht April/Mai 2012 19
Steuern A bis Z
Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht,
die Tätigkeit ausübt, die er im Schwerpunkt nach seinem
Arbeitsvertrag zu erbringen hat. Die vom BFH aufgestellten
Grundsätze und zum Teil unbestimmt belassenen Rechtsbegriffe helfen in der Praxis, in der die steuerliche Behandlung
von Reisekosten einen Massensachverhalt darstellt, nur bedingt. Eine Möglichkeit, die neuen Rechtsgrundsätze für den
Praktiker anwendbar zu machen, zeigen Strohner/Bode auf,
die die Prüfung einer regelmäßigen Arbeitsstätte nach dem
Schema in der Tabelle auf Seite 19 vornehmen.
Die geänderte Rechtsprechung hat auch Auswirkungen auf die
Frage, ob und, wenn ja, in welchem Umfang Reisekosten bei
einem nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer steuerfrei
erstattet werden können. Hierzu vertreten Teile der Finanzverwaltung die Auffassung, eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit sei beispielsweise dann nicht mehr gegeben, wenn der
ausländische Arbeitnehmer einen lokalen Anstellungsvertrag
mit der aufnehmenden Gesellschaft in Deutschland schließe.
Nach Auffassung von Strohner/Rindelaub ist diese Ansicht zu
undifferenziert, da nicht alle den Einzelfall beschreibenden
Umstände hinreichend berücksichtigt würden. So werden
lokale Anstellungsverträge oft nur aus dem Grund abgeschlossen, die arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Genehmigungen
einfacher zu erhalten. Darüber hinaus besteht in der Mehrzahl
der Fälle ein „ruhend“ gestellter Hauptarbeitsvertrag, in dem
die wesentlichen Rechte und Pflichten geregelt sind, während
der lokale Vertrag oft nur die konkreten Bestimmungen für die
Dauer der befristeten Tätigkeit in Deutschland enthält. Es
bleibt abzuwarten, wie der BFH in einem solchen Fall entscheidet. Dabei müsste auch beurteilt werden, ob eine regelmäßige
Arbeitsstätte nur bezogen auf das Beschäftigungsverhältnis
oder bezogen auf die Person des Arbeitnehmers zu bestimmen
ist.
Die Finanzverwaltung folgt in weiten Teilen der Ansicht der
BFH-Richter, vergleichen Sie bitte das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 15. Dezember 2011 (IV C 5 –
S 2353/11/10010) und die Verfügung der Oberfinanzdirektion Rheinland vom 29. März 2012 (S 2338 – 1015 – St 215).
Einzig in Bezug auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern und im
Fall des Outsourcings bleibt abzuwarten, ob die Ansicht der
Verwaltung, dass ein Arbeitnehmer auch in einer Kundeneinrichtung eine regelmäßige Arbeitsstätte haben kann, durchsetzen wird. Leiharbeitnehmer haben nach einem Urteil des
BFH vom 17. Juni 2010 (VI R 35/08) typischerweise keine
regelmäßige Arbeitsstätte. Offen ließ der BFH in dieser Entscheidung jedoch die Frage, ob der Auffassung der Finanzverwaltung zu folgen sei, dass ein Leiharbeitnehmer, der vom
Verleiher für die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses dem
Entleiher überlassen wird, über eine regelmäßige Arbeitsstätte
verfügt. Denn im genannten Urteilsfall war der Kläger jeweils
nur kurzfristig für verschiedene Kunden seines Arbeitgebers
tätig. Im Fall des Outsourcings ist gegenwärtig unter dem
20 PwC
Aktenzeichen VI R 22/10 ein Revisionsverfahren vor dem BFH
anhängig.
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Manfred Karges
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Fundstellen
• BFH, Urteile vom 9. Juni 2011 (VI R 55/10, BStBl. II 2012,
38; VI R 36/10, BStBl. II 2012, 36; VI R 58/09, BStBl. II
2012, 34
Literaturhinweise
Strohner/Bode, DB 2011, 2566; Geserich, nwb 2011, 3531;
Strohner/Rindelaub, DB 2011, 1296
Jahressteuergesetz 2013: Entwurf
veröffentlicht
Das Bundesfinanzministerium veröffentlichte Anfang
März den Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz
2013. Darin ist zu lesen, es habe sich in einigen Bereichen des deutschen Steuerrechts „fachlich notwendiger Gesetzgebungsbedarf“ ergeben. Hierzu gehörten
Anpassungen an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union – speziell an die Amtshilferichtlinie
der Union (Richtlinie 2011/16/EU) – sowie Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens. Einen
Überblick über die wichtigsten Regelungen des Entwurfs gibt Ihnen der aktuelle Beitrag.
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … was sich für Unternehmen und was sich für Privatpersonen ändert.
• … welche Änderungen der Entwurf im Bereich Umsatzsteuerrecht vorsieht.
• … wie der Entwurf deutsches Recht bestehendem
europäischem Recht anpassen will.
Steuern A bis Z
Änderungen für Unternehmen und Privatpersonen
Elektrofahrzeuge. Der Referentenentwurf sieht vor, eine
Regelung im Einkommensteuergesetz zum Nachteilsausgleich
für die private Nutzung von betrieblichen Elektrofahrzeugen
aufzunehmen.
Hintergrund: Die Bewertung der Entnahme für die private
Nutzung eines Kraftfahrzeugs nach dem Listenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich der Umsatzsteuer (die Ein-ProzentRegelung) benachteiligt aktuell Elektrofahrzeuge. Denn der
Listenpreis für Elektrofahrzeuge ist in der Regel höher als der
Listenpreis für Kraftfahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor.
Die Nutzung von Elektrofahrzeugen sieht die Bundesregierung
jedoch als wesentliche Maßnahme zur Reduktion des Ausstoßes an Kohlendioxid an. Die Verbreitung solcher Fahrzeuge soll
daher nicht durch den Ansatz des höheren Listenpreises behindert werden. Hierzu wird der Listenpreis als Bemessungsgrundlage um die in diesem enthaltenen Kosten für den
Akkumulator (Batterie) gemindert. Diese Minderung des Listenpreises ist laut Entwurf allerdings nur dann gerechtfertigt,
wenn er durch die andere Antriebstechnologie gegenüber
einem Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor tatsächlich erhöht ist. Die Regelung wird zeitlich beschränkt auf den Erwerb
von Elektrofahrzeugen, die bis zum 31. Dezember 2022 angeschafft werden. Sie gilt ab dem Zeitpunkt, an dem das Jahressteuergesetz in Kraft tritt, auch für Elektrofahrzeuge, die
bereits im Betriebsvermögen vorhanden sind und für die eine
Entnahme oder ein geldwerter Vorteil zu versteuern ist. Die
Neuregelung gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013.
Minijobs. Der Arbeitgeber kann für das Gehalt aus einer
geringfügigen Beschäftigung die Lohnsteuer mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz von insgesamt zwei Prozent des
Arbeitsentgelts erheben und zusammen mit den Beiträgen zur
Sozialversicherung an die Deutsche Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See zahlen.
Hintergrund: Der Bundesrechnungshof schlug vor, beim Verfahren zur Erhebung der Pauschsteuer die sozialrechtlichen
Vorschriften anzuwenden. Nach Ansicht der Rechnungsprüfer
ist es sehr aufwendig für die Minijob-Zentrale, steuerrechtliche
und sozialrechtliche Verfahrensvorschriften nebeneinander
anzuwenden.
Leiharbeiter. Werden einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen, haftet er grundsätzlich –
neben dem Arbeitgeber der Leiharbeiter – für die Einbehaltung
und Abführung der Lohnsteuer.
Hintergrund: Bislang galt die Erlaubnispflicht für die Überlassung eines Arbeitnehmers ausschließlich für Verleiher, die
Leiharbeitnehmer gewerbsmäßig an Dritte zur Arbeitsleistung
überlassen wollten. Der Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie ist aber nun erweitert worden und erfasst natürliche
und juristische Personen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit
ausüben, und zwar unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke
verfolgen oder nicht. Daher stellt der Gesetzgeber nun darauf
ab, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird. Auf die
Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung kommt es
indes für die Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung
nicht mehr an.
Fremdvergleich. Der Referentenentwurf schafft eine innerstaatliche Rechtsgrundlage in § 1 Außensteuergesetz, um den
international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz (Standard der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, OECD) uneingeschränkt auf internationale
Betriebsstättenfälle anwenden zu können. Hier folgt er auch
dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010.
Hintergrund: Um den Fremdvergleichsgrundsatz auf internationale Betriebsstättenfälle anzuwenden und auch belastende
Rechtsfolgen darauf stützen zu können, reichen die Doppelbesteuerungsabkommen derzeit nicht aus. Die Gesetzesänderung
soll klare, an internationale Grundsätze angepasste innerstaatliche Regelungen schaffen. Von den OECD-Regelungen sind
dabei nur Betriebsstätten betroffen, die rechtlich unselbstständiger Bestandteil eines Unternehmens sind und keine selbstständigen Rechtsträger (einfache Betriebsstätte). Die OECDRegelungen betreffen nicht Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft, die innerstaatlich
und abkommensrechtlich ebenfalls als Betriebsstättenfälle
gelten, da den Gesellschaften die Betriebsstätten ihrer Gesellschaft anteilig zugerechnet werden (transparente Besteuerung). Anders als ein Unternehmen im Verhältnis zu seiner
rechtlich unselbstständigen Betriebsstätte kann aber zum Beispiel ein Gesellschafter mit seiner Personengesellschaft – so
wie mit einer Kapitalgesellschaft – zivilrechtlich wirksame
Verträge abschließen. Die Neuregelung in § 1 Absatz 5 Außensteuergesetz betrifft deshalb nur rechtlich unselbstständige
Betriebsstätten unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens. Eine Beteiligung an einer Personengesellschaft oder
Mitunternehmerschaft wird dagegen vom neuen Satz 2 in
Absatz 1 erfasst, da sich in diesen Fällen – so wie bei nahestehenden Kapitalgesellschaften – selbstständige Rechtsträger
gegenüberstehen. Auf diesem Weg werden Geschäftsbeziehungen von Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften
den Geschäftsbeziehungen von Kapitalgesellschaften bei der
Einkünfteabgrenzung gleichgestellt. Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist
überdies unter anderem, dass eine Geschäftsbeziehung mit
einer nahestehenden Person vorliegt. Nach den bisherigen
Regelungen sind Geschäftsbeziehungen schuldrechtliche
Beziehungen, denen keine gesellschaftsvertragliche Regelung
zugrunde liegt. Da zwischen einem Unternehmen und seiner
rechtlich unselbstständigen Betriebsstätte keine schuldrecht-
steuern+recht April/Mai 2012 21
Steuern A bis Z
lichen Beziehungen möglich sind, fehlte es in der Vergangenheit schon an dieser Tatbestandsvoraussetzung, um eine Korrektur der Einkünfteaufteilung zwischen einem Unternehmen
und seiner Betriebsstätte durchzuführen. Die Neuregelung ändert das.
Lohnsteuer-Ermäßigung. Ein im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigender Freibetrag gilt für zwei Jahre, statt
wie bislang für ein Jahr.
Hintergrund: Durch diese Vereinfachung des Verfahrens für
den Arbeitnehmer wie auch für die Finanzverwaltung kann der
Arbeitnehmer beantragen, dass die Geltungsdauer eines im
Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigenden Freibetrags
künftig auf zwei Kalenderjahre verlängert wird. Damit braucht
der Arbeitnehmer den Antrag auf Ermäßigung der Lohnsteuer
nicht mehr jährlich beim Finanzamt einzureichen.
Versicherungen. Derzeit kommen Sonderausgaben nur in
Betracht, wenn das Versicherungsunternehmen sein Geschäft
im Inland betreiben darf. Durch die geplante Gesetzesänderung ist der Abzug auch für Beiträge zum Erwerb eines Basiskrankenversicherungsschutzes an ein Versicherungsunternehmen außerhalb der Europäischen Union (EU) möglich.
Abspaltung. Um die Abgeltungsteuer praktikabel auszugestalten, wird ihr Anwendungsbereich auf Abspaltungen ausgedehnt.
Hintergrund: Durch die entsprechende Anwendung bei Abspaltungen von Körperschaften treten die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft anteilig an die Stelle der Anteile der
übertragenden Gesellschaft. Abweichend von den einschlägigen Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes besteht kein
Erfordernis, die Fortführung der Anschaffungskosten zu beantragen. Die Anschaffungskosten sind entsprechend dem Umtauschverhältnis laut Spaltungsvertrag oder -plan aufzuteilen.
Ist weder Vertrag noch Plan bekannt, wird wie bisher das rechnerische Splittingverhältnis angewandt. Die erhaltenen Anteile
übernehmen überdies den steuerlichen Status der Anteile an
der übertragenden Gesellschaft.
Änderungen im Bereich der Umsatzsteuer
Ortsregelung. Bislang wurden Leistungen, die der Art nach
grundsätzlich unter die Ortsregelung des § 3 a Absatz 2 Umsatzsteuergesetz fallen und an den nicht unternehmerischen
Bereich einer juristischen Person erbracht wurden, die sowohl
unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig ist, an
dem Ort besteuert, an dem der leistende Unternehmer seinen
Sitz oder eine Betriebsstätte hat, von der aus der Umsatz tatsächlich erbracht wurde. In Zukunft richtet sich bei Leistungen
an juristische Personen, die sowohl unternehmerisch und darüber hinaus auch nicht unternehmerisch tätig sind, der Leistungsort nach ihrem Sitz. Etwas anderes gilt nur, wenn der
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Bezug für den privaten Bedarf des Personals erfolgt – insoweit
ist der Leistungsort am Sitz des Unternehmens.
Vermietung eines Sportboots. Die langfristige Vermietung eines Sportboots an Nichtunternehmer unterliegt bislang
der Umsatzbesteuerung am Sitz oder der Betriebsstätte des
leistenden Unternehmers, wenn die Leistung von dieser tatsächlich erbracht wird. Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 wird
dieser Leistungsort an den Ort verlagert, an dem das Sportboot
dem Leistungsempfänger zur Verfügung gestellt wird.
Vermietung von Beförderungsmitteln. Bislang unterliegt die langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln an
Nichtunternehmer der Umsatzbesteuerung am Sitz oder der
Betriebsstätte des leistenden Unternehmers, wenn die Leistung
von dieser tatsächlich erbracht wird. Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 verlagert sich dieser Leistungsort an den Wohnsitz
oder den Sitz des Leistungsempfängers.
Unternehmerdefinition. Der Begriff des im Ausland ansässigen Unternehmers wird an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (C-421/10, Stoppelkamp) angepasst.
Danach ist ein Unternehmer auch dann im Ausland ansässig,
wenn er dort den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, seine
Geschäftsleitung oder eine feste Niederlassung und im Inland
nur einen Wohnsitz hat. Hat der Unternehmer aber weder den
Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch die Geschäftsleitung
oder eine Betriebsstätte im Ausland, von wo aus die Umsätze
ausgeführt worden sind, im Inland aber einen Wohnsitz, ist er
im Inland ansässig.
Rechnungsstellung. Nach dem neuen § 14 Absatz 7 Umsatzsteuergesetz richtet sich das Recht für die Rechnungsausstellung nach den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der
Umsatz ausgeführt wird. Ist weder ein Sitz noch eine feste Niederlassung vorhanden, gilt das Recht des Staates, in dem der
Unternehmer Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Vorsteuerabzug. Der Anspruch auf Abzug der Vorsteuer aus
dem innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für
das Unternehmen wird aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf Fälle eingeschränkt, in denen der
innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3 d Satz 1 Umsatzsteuergesetz in Deutschland bewirkt wird, da in Deutschland die
Beförderung und Versendung tatsächlich endet.
Änderungen, um Recht der Europäischen
Union umzusetzen
Informationsaustausch. Die unmittelbare Umsetzung von
EU-Recht erfolgt durch die Einführung des EU-Amtshilfegesetzes über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, um
speziell Steuern bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ordnungsgemäß festzusetzen. Dazu werden Prüfungsmöglichkei-
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Draft of Annual Tax Bill 2013 published
Early in March 2012 the Federal Finance Ministry has
published the draft of an Annual Tax Bill 2013 dealing
with a number of amendments which the tax administration sees necessary as a result of recent developments
and in EU jurisdiction and EU law, especially implementing Council Directive 2011/16/EU on administrative
cooperation in the area of taxation and repealing Directive 77/799/EEC (Mutual Assistance Directive) into
German law. This means that the exchange of information on transfer pricing and information on foreign
entities would improve. Also, tax neutral business
spin-offs are to fall within the scope of the German flat
rate withholding. Apart from various other changes on
the private use of electrically powered vehicles and the
introduction of a flat rate wage tax of two per cent on
minor employments the draft deals in some detail with
amendments to the Foreign Tax Act (FTA) and on VAT.
In Section 1 of the FTA the allocation of profits to
permanent establishments will specifically be included.
Therefore, the OECD-model standards will apply to all
types of cross-border transactions involving legally independent permanent establishments. Transfer pricing
rules under the perspective of Section 1 FTA would also
apply to cross-border transactions of active partnerships.
The amendments in the VAT Act give some clarification
on the place of supply of services: Currently, services
provided to those legal entities performing both nonbusiness and business related outputs and which are
specifically used for non-business purposes are subject to
VAT at the place where the entrepreneur rendering the
services has his registered seat or permanent establishment. In the future – as a measure of simplifying the
conundrum whether input services are used for business
or non-business – such services are generally subject to
VAT at the place of the customer, i.e. where the recipient
of the service has its registered seat. From 2013 the longterm car hire to non-businesses is to be taxed at the place
of the lessee. Entrepreneurs living in Germany will in
future be viewed as being resident abroad for matters of
VAT if they pursue business activities from there, if they
have seat, management or a permanent establishment
abroad. Invoicing is subject to the tax requirements of
the country where the service is provided. Clarification is
given that deduction of input VAT on intra-community
supplies is restricted to cases where the supply is made in
Germany. The long-term rental of sporting boats will be
taxable in the country where the boats are put at the
disposal of the hirer. (At present, such transaction is
subject to VAT in the country where the supplier of the
service has his seat or permanent establishment, as the
case may be.)
(MH)
ten und Mindeststandards festgelegt. Außerdem wird der
OECD-Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch für Besteuerungszwecke verbindlich für alle 26 Mitgliedstaaten eingeführt. Das bedeutet: Die Mitgliedstaaten sind
zukünftig verpflichtet, auf Ersuchen alle für ein Besteuerungsoder Steuerstrafverfahren erforderlichen Informationen zu erteilen. Davon ausgeschlossen sind reine Beweisausforschungen.
Dividendenzahlungen. Die Regelungen zur Vermeidung
einer Doppelbesteuerung von Dividendenzahlungen und anderen Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihrer
Muttergesellschaft werden via Referentenentwurf der Neufassung der EU-Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem
der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten angepasst.
(GS)
Fundstelle
http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_128698/DE/
BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Referentenentwuerfe/06-03-2012-Jahressteuergesetz2013__Anlage,templateId=raw,property=publicationFile.pdf
Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug für
ein Fahrzeug, das geleast und dem
Arbeitnehmer überlassen wurde
Am 16. Februar 2012 erging die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs in Sachen Eon Aset
Menidjmunt OOD. In seinem Urteil macht das oberste
rechtsprechende Organ der Europäischen Union einige wichtige Aussagen zum Recht auf Vorsteuerabzug
sowie zur Abgrenzung zwischen einer Dienstleistung
und einer Lieferung beim Leasing. Der folgende Beitrag fasst für Sie alles Wichtige zu den Hintergründen
und Folgen dieser Entscheidung zusammen.
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … wie der Gerichtshof zwischen einer Dienstleistung und der Lieferung eines Gegenstands im Rahmen eines Leasingvertrags unterscheidet.
• … unter welchen Voraussetzungen und in welchem
Umfang die Richter den Vorsteuerabzug für ein
geleastes oder gemietetes Kraftfahrzeug gewähren.
• … ob die Arbeitnehmerbeförderung zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte unternehmerischen
oder privaten Zwecken dient.
steuern+recht April/Mai 2012 23
Steuern A bis Z
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine in Bulgarien ansässige Gesellschaft, die
ihre wirtschaftliche Tätigkeit in verschiedenen Bereichen
ausübt. Für die unentgeltliche Beförderung ihres angestellten
Geschäftsführers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verwendete sie einerseits ein angemietetes und andererseits ein
mit einer Laufzeit von 48 Monaten geleastes Kraftfahrzeug. Im
Streit war die von der Klägerin aus der Anmietung beziehungsweise dem Leasing geltend gemachte Vorsteuer. Die bulgarischen Finanzbehörden waren der Auffassung, die Fahrzeuge
würden nicht für Zwecke des Unternehmens der Klägerin genutzt, und versagten daraufhin den Vorsteuerabzug.
Fragen
Das zuständige bulgarische Gericht nahm den vorliegenden
Rechtsstreit zum Anlass, um dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens mehrere Fragen zum Recht auf Vorsteuerabzug zu stellen. Unter
anderem musste sich der EuGH mit der Frage auseinandersetzen, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt ein Steuerpflichtiger zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, die er einerseits aufgrund eines Mietvertrags und
andererseits aufgrund eines Leasingvertrags über Kraftfahrzeuge entrichtet hat.
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Der EuGH hat zunächst im Rahmen einleitender Erwägungen
dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen das
Leasing eines Kraftfahrzeugs eine Dienstleistung oder Lieferung darstellt. Während die Vermietung eines Kraftfahrzeugs
grundsätzlich eine Dienstleistung und keine Lieferung sei,
könne die Miete eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines Leasingvertrags gleichwohl im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Lieferung erfolgen. Für die Abgrenzung zwischen Lieferung und
sonstiger Leistung greift der Gerichtshof auf die Unterscheidung zwischen einem Finanzierungsleasing und einem Operating-Leasingverhältnis nach dem International Accounting
Standard (IAS) 17 zurück. Das Finanzierungsleasing, bei dem
die mit dem rechtlichen Eigentum verbundenen Chancen und
Risiken zum überwiegenden Teil auf den Leasingnehmer übertragen werden, könne als Lieferung eingestuft werden. Zudem
weist der EuGH auf seine Rechtsprechung hin, wonach sich der
Begriff „Lieferung von Gegenständen“ nicht auf die Eigentumsübertragung nach dem nationalen Zivilrecht bezieht, sondern
jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands umfasst, die
den Erwerber ermächtigt, über diesen Gegenstand so zu verfügen, als wäre er sein Eigentümer (vergleichen Sie bitte
EuGH, Urteil vom 6. Februar 2003, C-185/01, Auto Lease
Holland; UR 2003, 137). Er nimmt darum die Lieferung eines
Investitionsguts für den Fall an,
24 PwC
„dass das Eigentum an dem Fahrzeug am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird oder dass der
Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an
dem Fahrzeug verfügt, insbesondere dass die mit dem rechtlichen Eigentum an dem Fahrzeug verbundenen Chancen und
Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden
und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem
Verkehrswert des Gegenstands entspricht“.
Hinsichtlich des Rechts zum Vorsteuerabzug weist der EuGH
zunächst darauf hin, dass nach Artikel 168 Buchstabe a Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ein Steuerpflichtiger die Vorsteuer
für Gegenstände und Dienstleistungen nur abziehen darf, soweit er diese Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet. Dabei sei
danach zu differenzieren, ob es sich bei der Eingangsleistung
um den Erwerb einer Dienstleistung oder eines Investitionsguts handelt.
Für den Fall einer Dienstleistung setze der Vorsteuerabzug
voraus, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang
zwischen der Verwendung des angemieteten Fahrzeugs und
der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen besteht.
Zudem entstehe das Recht auf Vorsteuerabzug mit Ablauf des
Zeitraums, auf den sich die jeweilige Zahlung bezieht. Ist
dagegen das Anmieten eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines
Leasingvertrags als Lieferung zu werten, steht dem Steuerpflichtigen, so der EuGH, das sogenannte Zuordnungswahlrecht zu. Ein aufgrund eines Leasingvertrags gemietetes und
als Investitionsgut eingestuftes Fahrzeug wird danach als für
die Zwecke der besteuerten Umsätze verwendet angesehen,
wenn der Steuerpflichtige es als solches erwirbt und vollständig dem Vermögen seines Unternehmens zuordnet. Die Vorsteuer ist dann grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar.
Jede Verwendung des genannten Gegenstands für den privaten
Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals
oder für unternehmensfremde Zwecke ist dann jedoch einer
Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt.
Abschließend stellt der EuGH klar: Das Zurverfügungstellen
des Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer für Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte erfolgt grundsätzlich zu unternehmensfremden Zwecken.
Schlussfolgerung und Beratungshinweis
Zunächst definiert der EuGH, wann im Rahmen des Leasings
eines Investitionsguts eine Lieferung vorliegt. Hierfür greift er
auf den IAS 17 zurück (vergleichen Sie bitte die Seiten 91, 93
ff.). Die im Einzelfall vorzunehmende Abgrenzung, ob eine
Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt, sollte jedoch in
Deutschland zunächst auch weiterhin anhand der Leasingerlasse der Finanzverwaltung vorgenommen werden. (Vergleichen Sie dazu zum Beispiel den Abschnitt 3.5 Absatz 5 ff.
Umsatzsteuer-Anwendungserlass; Oberfinanzdirektion Ham-
Steuern A bis Z
burg, Schreiben vom 13. September 1991, UR 1991, 327, mit
weiteren Nachweisen.) Danach liegt grundsätzlich eine Lieferung vor, wenn der Leasingnehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt
ist, wie ein Eigentümer über den Leasinggegenstand zu verfügen.
Bislang konnte durch die unterschiedliche umsatzsteuerliche
Behandlung des Leasings (als Lieferung oder sonstige Leistung) in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union (EU) teilweise eine Nichtbesteuerung erreicht werden
(vergleichen Sie dazu das Urteil des EuGH vom 22. Dezember
2010; C-277/09, RBS Deutschland Holdings). Da der EuGH im
vorliegenden Fall auf IAS 17 zurückgegriffen hat, empfiehlt es
sich, solche oder ähnliche Gestaltungen im Lichte des vorliegenden Urteils genauer zu überprüfen.
Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt der EuGH seine
bisherige Rechtsprechung und die daraufhin ergangenen zahlreichen Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Vorsteuerabzug (etwa seine Urteile vom 27. Januar 2011, V R 38/09, vom
9. Dezember 2010, V R 17/10, oder vom 13. Januar 2011, V R
12/08). Vor allem steht die vorliegende Entscheidung im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des BFH. Sie versagt
einen Vorsteuerabzug bei einer ausschließlichen Verwendung
bezogener Leistungen für unentgeltliche Wertabgaben im
Sinne von § 3 Absatz 1 b und/oder Absatz 9 a Umsatzsteuergesetz (zum Beispiel BFH, Urteil vom 9. Dezember 2010, V R
17/10; BFH, Urteil vom 13. Januar 2011,V R 12/08). Betrof-
fene Unternehmer sollten dabei beachten: Im Falle einer (zunächst) ausschließlich nicht unternehmerischen Nutzung eines
Gegenstands ist der Vorsteuerabzug komplett ausgeschlossen.
Das kann im Falle einer unternehmerischen Nutzung zu einem
späteren Zeitpunkt nicht mehr korrigiert werden. Mehr über
die Umsetzung der genannten BFH-Urteile durch die Finanzverwaltung und die daraus erwachsenden Konsequenzen
erfahren Sie im Beitrag „Umsatzsteuer: Neuerungen beim
Vorsteuerabzug“, in der Ausgabe Februar/März 2012 Ihrer
steuern+recht, ab Seite 20.
Bitte beachten Sie: Die deutsche Finanzverwaltung sieht die
Überlassung eines Kraftfahrzeugs an einen Arbeitnehmer im
Gegensatz zum EuGH in der vorliegenden Entscheidung als
(steuerbaren) tauschähnlichen Umsatz an (bitte vergleichen
Sie das Schreiben des BMF vom 29. Mai 2000, BStBl. I, 819).
Das Entgelt für die Überlassung des Pkw besteht danach in der
anteiligen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sodass solche
Fahrzeuge insgesamt als unternehmerisch genutzt gelten.
Ihre Ansprechpartner beantworten Ihre Fragen gern. Bitte rufen
Sie sie an oder schreiben ihnen einfach eine E-Mail.
Input VAT recovery on leased company cars used by employee
The ECJ has commented on the issue of input tax deduction in cases where VAT is incurred on supplies intended for
non-business use and for free-of-charge services. A Bulgarian company rented a car used by the managing director for
commuting between his home and his workplace and had leased another one for the same purpose. The local tax authorities
argued that the cars were not used for the company’s business activities and thus denied recovery of input VAT.
In the first place, the ECJ dealt with the question whether – under the auspices of the relevant EU Directive – leasing was a
delivery rather than a service. Referring to IAS 17 it held that as far as finance leases are concerned (i.e. ownership of the
car and risks incidental to legal ownership are transferred to the lessee) a supply of goods takes place.
The ECJ held further that the use of the car was for purposes other than those of the business. If the car rental should be
regarded as a service, a direct and immediate link between the use of the vehicle and the taxpayer’s economic activity
needs to be shown. In case the lease is seen as a delivery of goods the car must be allocated to the business in order to enjoy
input VAT deduction.
The present ECJ ruling is basically in line with the reasoning of the German Supreme Tax Court on similar issues. The
court, in a judgment of December 9, 2010, has disallowed the input tax deduction on the costs of a staff outing because
such costs must be seen as carrying at least an element of employee reward. The court went on to mention that employee
benefits in kind substitute costs that an employee would otherwise have borne out of his own pocket, and so cannot lead to
an input tax deduction for the employer without a taxable output.
Interestingly, however, the German tax administration – as opposed to the position of the ECJ – accepts the private use of a
company car as an exchange of services and as a result considers the car as being used for business purposes.
(MH)
steuern+recht April/Mai 2012 25
Steuern A bis Z
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … wie verlorene Zuschüsse bei der Ermittlung von
Anschaffungs- und Herstellungskosten zu behandeln sind.
• … welche Auswirkungen nachträglich gewährte
Zuschüsse haben.
Aleksandra Kostecka
Tel.: +49 211 981-1904
[email protected]
Franz Kirch
Tel.: +49 221 2084-459
[email protected]
Fundstellen
• EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 (C-118/11; Eon Aset
Menidjmunt OOD)
• EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 (C-277/09; RBS
Deutschland Holdings)
• http://www.ifrs-portal.com/Publikationen/
IFRS_Texte_1.0_2011_11.pdf
Nachträgliche Zuschussgewährung
für die Herstellungskosten eines
Gebäudes
Aus den verschiedensten Gründen werden bei der
Errichtung oder Renovierung von Gebäuden öffentliche Zuschüsse gewährt, wenn ein öffentliches Interesse daran besteht, die Gebäude in einer bestimmten
Zeit oder in einer bestimmten Weise zu errichten.
Stehen solche Gebäude in Sanierungsgebieten, können
zunächst gewährte Darlehen, wie es das Städtebauförderungsgesetz als Besonderheit vorsieht, nach Jahren
in verlorene Zuschüsse umgewandelt werden. Ein derartiger Fall gab dem Bundesfinanzhof Gelegenheit,
über die steuerlichen Wirkungen derartiger Zuschüsse
zu entscheiden.
Sachverhalt
Die Eigentümerin (E) eines in der Innenstadt von M. gelegenen
denkmalgeschützten Gebäudes schloss 1987 mit der Stadt eine
26 PwC
Modernisierungs- und Instandsetzungsvereinbarung, um im
Rahmen der Sanierungsziele der Stadt das Gebäude an die
neuzeitliche Entwicklung anzupassen. Unter bestimmten Voraussetzungen, die das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG)
definiert und die im entschieden Fall erfüllt waren, unterstützt
die Stadt die Sanierung eines Gebäudes aus „Sanierungsförderungsmitteln“. Demgemäß erhielt E circa 500.000 DM als Förderungsmittel. Diese wurden dem StBauFG entsprechend
zunächst als zins- und tilgungsfreie Darlehen gewährt. Die
Rückzahlungsverpflichtung wurde durch die Eintragung einer
Grundschuld zugunsten von M. gesichert.
E machte von 1988 bis 1997 die in § 7 i Einkommensteuergesetz (EStG) ermöglichten erhöhten Abschreibungen bei Baudenkmälern auf der Basis der gesamten Herstellungskosten
geltend, wodurch circa 90 Prozent der Kosten in den elf Jahren
abgeschrieben waren.
Im Jahre 2004 erklärte die Stadt, das gewährte Darlehen
werde in einen verlorenen Zuschuss von dann ungefähr
252.000 Euro umgewandelt, und reichte die Urkunde über die
Bestellung der Grundschuld zurück.
Zwischen E und dem Finanzamt wurde die steuerliche Behandlung des Zuschusses streitig.
Entscheidung
Rein theoretisch sind verschiedene Möglichkeiten denkbar:
• Der später gewährte Zuschuss wirkt auf den Herstellungszeitpunkt zurück und mindert die Herstellungskosten
entsprechend mit der Folge einer Korrektur der in der
Vergangenheit vorgenommenen Abschreibungen.
• Der Zuschuss ist als steuerbare Einnahme im Jahr der
endgültigen Gewährung (2004) zu behandeln.
• Die im Jahr der Zuschussgewährung verbliebenen Herstellungskosten werden um den Zuschuss gemindert und
dementsprechend die Basis der Abschreibung für die folgenden Jahre gemindert.
Übersteigt allerdings die Höhe des Zuschusses die verbliebenen Herstellungskosten, so stellt sich die Frage, wie der übersteigende Teil des Zuschusses steuerlich zu würdigen ist.
Das Finanzamt hatte (natürlich) die fiskalisch ergiebigste
Lösung gewählt: Nach seiner Auffassung handelte es sich um
Steuern A bis Z
eine steuerbare Einnahme im Jahre 2004. Dem folgte der Bundesfinanzhof (BFH) nicht.
Generell ist die Behandlung sogenannter verlorener Zuschüsse
handels- und steuerrechtlich nicht unumstritten. Für die hier
infrage stehenden Zuschüsse zu Anschaffungen oder Herstellungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sieht R
6.5 Absatz 2 Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) ein Wahlrecht vor: Entweder führt ein derartiger Zuschuss zu einer
entsprechenden Minderung der Anschaffungs-/Herstellungskosten (AHK) oder er führt zu einer steuerbaren Betriebseinnahme bei unveränderten AHK. Zwischen beiden
Möglichkeiten kann der Steuerpflichtige wählen.
Die einzelnen Senate des BFH folgen dieser Ansicht (der Erste
Senat zum Beispiel mit seinem Urteil vom 19. Juli 1995, I R
56/94, BStBl. II 1996, 28) oder sprechen sich nur für eine Minderung des AHK aus (der Dritte Senat zum Beispiel in seinem
Urteil vom 28. April 1989, III R 4/87, BStBl. II 1989, 618; der
Vierte Senat zum Beispiel in seinem Urteil vom 5. Juni 2003,
IV R 56/01, BStBl. II 2003, 801). Der Neunte Senat scheint sich
nun der letzteren Ansicht anzuschließen: „Nach allgemeinen
Grundsätzen führt dies (die Gewährung eines Zuschusses zu
den Herstellungskosten eines Gebäudes) zu einer Minderung
der AfA-Bemessungsgrundlage“ (Teilziffer 14 des Urteils).
Bleibt die Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Minderung eintritt. Da es sich um eine nachträgliche Umwandlung des Darlehens in einen Zuschuss handelt und die früheren Bescheide im
Zweifel bestandskräftig sind, könnte eine Rückwirkung mit
Änderung der Bescheide nur nach § 175 Absatz 1 Nummer 2
Abgabenordnung in Betracht kommen. Dann müsste es sich
um ein „Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit“ handeln. Bereits 1995 hatte der Senat entschieden: Die
Entscheidung der Umwandlung von Darlehen in Zuschuss
wirkt materiell nicht auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung zurück (Urteil vom 14. Februar 1995, IX R 5/92, BStBl. II
1995, 380). Ob die Finanzverwaltung das ebenso sieht, wird
sich zeigen. Nach der EStR 6.5 Absatz 3 ist im Fall einer nachträglichen Umwandlung eines Darlehens in einen Zuschuss
Letzterer „nachträglich von den gebuchten Anschaffungs- oder
Herstellungskosten abzusetzen“. Was hier mit „nachträglich“
und „gebucht“ gemeint ist, erschließt sich nicht.
Gegen eine Rückwirkung der Zuschussgewährung spricht entschieden: Während des Schwebezustands ist das Darlehen ein
wirkliches Darlehen, da mit einer Rückzahlung immer zu rechnen ist und der Steuerpflichtige keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Umwandlung hat.
Im Ergebnis ist daher der nachträglich gewährte verlorene
Zuschuss von dem Restbuchwert der AHK abzuziehen. Der
Neunte Senat erwägt nicht, ob E ein Wahlrecht besaß, den
Zuschuss als steuerbare Einnahme zu behandeln und die Abschreibungsgrundlage unverändert zu lassen. Das ist darauf
zurückzuführen, dass E das Gebäude nicht in einem Betriebsvermögen hielt, sondern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG erzielte. Bei derartigen Einkünften
scheidet ein Wahlrecht aus, da der Zuschuss nicht zu Einnahmen im Sinne § 21 EStG führt; denn er wird nicht für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des Gebäudes seitens
der Stadt gewährt. Der Zuschuss ist kein Mietzins.
Wäre der Restbuchwert des Gebäudes zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung niedriger als der Zuschuss, so führt aus eben
diesem Grunde der übersteigende Teil des Zuschusses nicht zu
Einnahmen im Sinne von § 21 EStG. „Jenseits (der Verrechnung mit der verbliebenen Bemessungsgrundlage der AfA)
konnte sich die Reduzierung der Herstellungskosten einkommensteuerlich nicht auswirken“ (Teilziffer 16). Das führt zu
einer ungleichmäßigen Besteuerung – je nachdem ob der Zuschuss zu Beginn oder nachträglich gewährt wird. Im letzteren
Fall hat der Steuerpflichtige die Abschreibung mehrere Jahre
in voller Höhe in Anspruch genommen und vereinbart den
übersteigenden Teil des Zuschusses steuerfrei. Er wird doppelt
begünstigt. Im Streitfall waren die bezuschussten Herstellungskosten wegen § 7i EStG vermutlich vollständig abgeschrieben
und E vereinnahmte den Zuschuss somit in voller Höhe steuerfrei. Darin liegt, nach Ansicht des BFH, kein Verstoß gegen
Artikel 3 Grundgesetz – dem Grundsatz der gleichmäßigen
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Das sei eine Folge
der Abschnittsbesteuerung, die die Leistungsfähigkeit veranlagungszeitraumbezogen beurteile. Sehr überzeugend ist
dieses Argument nicht, da es im Jahr der (nachträglichen) Zuschussgewährung und nicht in den Vorjahren zur unterschiedlichen Besteuerung kommt. Das Problem – und darin hat der
BFH recht – liegt im Fehlen eines Tatbestands zur Steuerbarkeit des Zuschusses bei den Überschusseinkünften.
Nicht entschieden hat das Gericht somit, wie es sich bei den
Gewinneinkünften verhält. Bei diesen führt der Zuschuss
grundsätzlich zu einer Betriebseinnahme, soweit er nicht zur
Minderung der AHK führt. Daraus folgt: Dann, wenn nach
Minderung der AHK noch ein Betrag verbleibt, wird dieser
steuerlich wirksam.
Schlussfolgerung
Das Urteil betrifft lediglich den Fall der nicht gewerblichen Vermietung eines Gebäudes und eines öffentlichen Zuschusses zu
dessen Modernisierung. Wird der Zuschuss nachträglich gewährt, sind die noch verbliebenen Herstellungskosten um den
Zuschuss zu mindern. Ein übersteigender Betrag ist nicht zu
versteuern. Das gilt jedoch nicht bei gewerblicher Vermietung.
Offen ist, ob dem Steuerpflichtigen dann das von der Verwaltung eingeräumte Wahlrecht verbleibt.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 7. Dezember 2010 (IX R 46/09)
steuern+recht April/Mai 2012 27
Steuern A bis Z
Autor
Prof. Dr. Jörg Manfred Mössner ist
emeritierter Professor für öffentliches
Recht, Steuerrecht und Rechtsinformatik an der Universität Osnabrück
und Mitglied des Wissenschaftlichen
Beirats von PwC.
Poolverträge sichern bei Kapitalgesellschaften Vorteile bei der
Erbschaftsteuer
Kapitalgesellschaften sind gegenüber Personengesellschaften bei der Erbschaftsteuer grundsätzlich benachteiligt. Wird eine Beteiligung an einer Personengesellschaft vererbt oder verschenkt, spielt die Höhe
der Beteiligung des Erblassers beziehungsweise Schenkers für die Erbschaftsteuerbefreiung keine Rolle. Sollen dagegen GmbH-Anteile, Aktien oder Anteile an
einer Kommanditgesellschaft auf Aktien unentgeltlich
übertragen werden, fordert das aktuelle Erbschaftsteuerrecht eine Beteiligung des Erblasser/ Schenkers
von mehr als 25 Prozent. Geringere Beteiligungen werden grundsätzlich in voller Höhe besteuert.
Die im Gesetzgebungsverfahren von Familienunternehmern
durchgesetzte sogenannte Familienkomponente sieht jedoch
vor, dass Aktionäre oder GmbH-Gesellschafter die 25-ProzentHürde des Erbschaftsteuerrechts zusammen mit anderen
Gesellschaftern nehmen können, wenn sie sich mittels eines
Poolvertrags aneinander binden. Dieser Poolvertrag kann
entweder als Satzungsregelung oder als selbstständiger Gesellschaftsvertrag einer Innengesellschaft, wie zum Beispiel einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vereinbart werden. Eine
Regelung in der Satzung ist jedoch bei einer Aktiengesellschaft
nicht möglich, da dies der Grundsatz der Satzungsstrenge
gemäß § 23 Absatz 5 Aktiengesetz verbietet.
Inhaltlich muss der Poolvertrag die Gesellschafter dazu verpflichten, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie
ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben. Doch hier kollidiert das Erbschaftsteuerrecht mit
Regelungen in anderen Rechtsgebieten. So kann das Gebot der
einheitlichen Verfügung nicht Übergänge von Geschäftsanteilen von Todes wegen erfassen, da sonst ein Verstoß gegen das
Verbot, bestimmte Verfügungen von Todes wegen zu errichten
oder nicht zu errichten, vorliegen könnte. Sollten durch den
28 PwC
Vertrag mehr als 30 Prozent der Aktien einer an einer deutschen Börse notierten Aktiengesellschaft gepoolt werden, so
könnte dies zu einem Pflichtangebot nach §§ 29 ff. Wertpapierhandelsgesetz und zu weiteren Mitteilungspflichten führen.
Friktionen könnten sich auch aus § 136 Aktiengesetz ergeben:
So darf durch den Poolvertrag das im Aktiengesetz verbriefte
Stimmrechtsverbot nicht umgangen werden. Ein Poolvertrag
wäre sogar nichtig, wenn sich Aktionäre darin verpflichten, ihr
Stimmrecht nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder
des Aufsichtsrats auszuüben. Diese rechtlichen Klippen können
aber bei entsprechender Ausgestaltung des Poolvertrags umschifft werden.
Schließlich droht bei Abschluss eines Poolvertrags Ungemach
im Hinblick auf die Ertragsteuer. So hat die Finanzverwaltung
bislang noch nicht klargestellt, dass der Abschluss eines
(erbschaftsteuerlich notwendigen) Poolvertrags in Bezug auf
steuerliche Verlustvorträge unbedenklich ist.
Sie sind an Details interessieert? – Bitte rufen Sie Ihren Ansprechpartner an oder schicken Sie ihm einfach eine Mail.
Dr. Martin Liebernickel
Tel.: +49 711 25034-1807
[email protected]
Keine wirtschaftliche Tätigkeit
beim Kauf zahlungsgestörter Forderungen: Urteile aus Luxemburg und
München
Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Urteil
vom 27. Oktober 2011 in der Rechtssache GFKL zu der
Frage Stellung genommen, ob der Käufer von zahlungsgestörten Forderungen eine Dienstleistung an
den Verkäufer der Forderungen erbringt. – Der Bundesfinanzhof bestätigte darauf in seinem Nachfolgeurteil vom 26. Januar 2012: Sowohl der Erwerb von
zahlungsgestörten Forderungen als auch der anschließende Einzug dieser Forderungen stellen keine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Ein Vorsteuerabzug nach
Paragraf 15 Umsatzsteuergesetz aus Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug ist ausgeschlossen.
Steuern A bis Z
In diesem Beitrag erfahren Sie …
• … warum im vorliegenden Fall keine steuerpflichtige Factoringleistung erbracht wurde.
• … welche Auswirkungen diese Urteile auf den
Vorsteuerabzug des Forderungserwerbers haben.
Sachverhalt
Die GFKL Financial Services AG (GFKL) erwarb im Jahr 2004
von einer Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70
gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen im Nennwert von circa 15,5 Millionen Euro.
In seinem Urteil vom 26. Juni 2003 sah der Europäische
Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache MKG (C-305/01)
einen Forderungskauf unter Übernahme des Ausfallrisikos und
gegen Erhalt einer Gebühr als wirtschaftliche Tätigkeit an. Um
das genannte EuGH-Urteil umzusetzen, erging am 3. Juni 2004
ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF), das unter
anderem Vorgaben zur Bemessungsgrundlage auch beim Kauf
zahlungsgestörter Forderungen enthielt.
Basierend auf diesem BMF-Schreiben vereinbarten GFKL und
der Forderungsverkäufer einen sogenannten wirtschaftlichen
Nennwert der verkauften Forderungen, der unter Berücksichtigung eines Zinsanteils (Abzinsung über einen Realisationszeitraum von drei Jahren) auf rund 8,4 Millionen Euro festgelegt
wurde. Als Kaufpreis wurden etwa acht Millionen Euro vereinbart. GFKL ging davon aus, beim Kauf zahlungsgestörter Forderungen handele es sich um keine steuerpflichtige Leistung
des Käufers an den Verkäufer. Nachdem das Finanzamt zu
einer anderen Auffassung gelangt war, klagte GFKL beim Finanzgericht, das der Klage stattgab. Basierend auf der Revision
des Finanzamts setzte der Senat des Bundesfinanzhofs (BFH)
das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Kernfrage zur
Vorabentscheidung vor:
• Liegt beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen
aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vor, wenn sich
der Kaufpreis
– nicht nach dem Nennwert der Forderungen unter Vereinbarung eines pauschalen Abschlags für die Übernahme
von Forderungseinzug und des Ausfallrisikos bemisst,
– sondern nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten
Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag
nur untergeordnete Bedeutung zukommt?
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom
27. Oktober 2011
Der EuGH stellte in seinem Urteil vom 27. Oktober 2011
(C-93/10) fest: Im vorliegenden Fall erbrachte GFKL mangels
Entgelt keine Dienstleistung an die Bank und übte somit auch
keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Während sich der Erwerber
in der Rechtssache MKG verpflichtet hatte, Factoringdienstleistungen an den Veräußerer gegen Erhalt einer Gebühr zu
erbringen, sieht der EuGH in der Rechtssache GFKL in der
Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis kein Entgelt. Die
Differenz ist nach dieser Sichtweise vielmehr der tatsächliche
wirtschaftliche Wert der Forderungen zum Zeitpunkt ihrer
Übertragung, der durch die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Ausfallrisiko der Schuldner begründet ist.
Urteil des Bundesfinanzhofs vom
26. Januar 2012
Der BFH hat nun in seinem Nachfolgeurteil vom 26. Januar
2012, das am 7. März 2012 veröffentlicht wurde (V R 18/08),
bestätigt: Der Erwerb der zahlungsgestörten Forderungen
führt zu keiner steuerpflichtigen Leistung an den Forderungsverkäufer. Aus dem vereinbarten Abschlag lässt sich nicht ableiten, dass die Parteien einen Forderungskauf zu einem unter
dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert liegenden Kaufpreis
vereinbaren wollten. Die Vereinbarung eines wirtschaftlichen
Werts und des Abschlags erfolgten nur aufgrund der Vorgaben
der Finanzverwaltung in Form des genannten BMF-Schreibens.
Sowohl der Erwerb zahlungsgestörter Forderungen als auch
der anschließende Einzug dieser Forderungen stellen keine
wirtschaftliche Tätigkeit dar. Ausdrücklich weist der BFH
darauf hin, dass es für die umsatzsteuerliche Behandlung
unerheblich sei, ob nach ertragsteuerlichen Grundsätzen eine
gewerbliche Tätigkeit vorliegt.
Mit Blick auf den Steuerausweis in einer Rechnung und den
Vorsteuerabzug sind im vorliegenden Fall die abschließenden
Feststellungen durch das zuständige Finanzgericht zu treffen.
Der BFH macht jedoch einige grundsätzliche Ausführungen:
Hinsichtlich einer möglicherweise notwendigen Rechnungskorrektur wird auch die auf einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 c Umsatzsteuergesetz (UStG) geschuldet.
Eine Rechnungsberichtigung ist nur im Ausstellungsjahr zur
berücksichtigen, wenn sie auch im Ausstellungsjahr erfolgt.
Eine spätere Rechnungsberichtigung wirkt nach § 14 c UStG in
Verbindung mit § 17 Absatz 1 UStG erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung, das heißt ohne Rückwirkung auf
den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung.
Aufgrund des Verweises auf ein früheres BFH-Urteil scheint
der BFH von einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14 c Absatz 1 UStG auszugehen. Da aber umsatzsteuerlich keine Leis-
steuern+recht April/Mai 2012 29
Steuern A bis Z
tung erbracht wurde, stellt sich die Frage, ob nicht ein unberechtigter Steuerausweis nach § 14 c Absatz 2 UStG vorliegt. In
diesem Fall könnte eine Rechnungsberichtigung in bestimmten
Fällen auf den Zeitpunkt der Ausstellung zurückwirken, beispielsweise wenn der Rechnungsempfänger (im vorliegenden
Fall die Bank) keinen Vorsteuerabzug vorgenommen hat.
Nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von
einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt
worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach der Erläuterung des
BFH ist das Tatbestandsmerkmal „für sein Unternehmen“
gleichgestellt mit der Absicht des Unternehmers, die bezogene
Leistung für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, um
entgeltliche Leistungen zu erbringen. Im vorliegenden Fall hat
der Forderungskäufer, in Ermangelung einer wirtschaftlichen
Tätigkeit, kein Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aus
Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug. Das Argument der Klägerin GFKL, durch den Forderungseinzug eine Einnahmeerzielungsabsicht zu verfolgen,
reicht für die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht
aus. Dafür müssen entgeltliche Leistungen erbracht werden. Es
bedarf also eines Rechtsverhältnisses zwischen Unternehmer
und Leistungsempfänger, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, sodass das
Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist. Im Streitfall ist dieses Kriterium nicht erfüllt, da GFKL mit dem Forderungseinzug keine Leistung gegenüber einer anderen Person
erbringt und der eingezogene Forderungsbeitrag keinen Entgeltcharakter aufweist.
in die Grundregel des § 3 a UStG fallen, und führt der Käufer
auch keine andere wirtschaftliche Tätigkeit aus, ist nun der § 3
a Absatz 1 UStG anwendbar. Mit anderen Worten: Das Empfängerortprinzip greift nicht, der Leistungs- und damit der
Besteuerungsort ist nun der Ort des Leistungserbringers.
Während das Urteil Rechtssicherheit für die umsatzsteuerliche
Behandlung auf Ebene des Forderungserwerbers schafft, bleiben die entsprechenden Konsequenzen seitens des Forderungsverkäufers unklar. Dazu gehören unter anderem, wie sich die
umsatzsteuerliche Behandlung der Forderungsveräußerung
darstellt und ob die dem Veräußerer im Zusammenhang mit
der Transaktion entstandene Vorsteuer abzugsfähig ist. Diese
Fragen waren jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Nach Auffassung der Autoren ist der Verkauf der Forderungen seitens des Forderungsverkäufers eine steuerfreie
Dienstleistung im Sinne des § 4 Nummer 8 Buchstabe c UStG.
Sowohl Käufer als auch Verkäufer sollten dieses Urteil bei
künftigen Transaktionen berücksichtigen. Für Transaktionen
in der Vergangenheit ist zu entscheiden, ob die Aussagen des
BFH-Urteils angewandt werden sollen – und können. Mit Blick
auf den Steuerausweis bleibt das abschließende Urteil des
Finanzgerichts abzuwarten.
Sie möchten mehr Informationen zu diesem Thema? – Bitte rufen
Sie Ihre Ansprechpartner an oder schreiben ihnen einfach eine
E-Mail.
Ein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe auch nicht aufgrund der
Vorschrift des § 43 Nummer 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung. Nach dieser Vorschrift führen Umsätze von Geldforderungen, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende
Umsätze zugrunde liegen, nur dann zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs, wenn die Eingangsleistungen diesen ausschließlich zuzurechnen sind (sogenannte Hilfsumsätze). Im vorliegenden Fall führte der Forderungskäufer aber keine zum
Vorsteuerabzug berechtigenden Leistungen aus.
Beratungshinweis
Felix Becker
Tel.: +49 69 9585-6665
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Die Urteile des EuGH und des BFH beenden einen langjährigen
Streit zwischen Finanzverwaltung und Praxis über die Anwendung des MKG-Urteils im Fall von zahlungsgestörten Forderungen. Das Urteil stellt klar: Der Käufer zahlungsgestörter
Forderungen erbringt keine Dienstleistung an den Verkäufer
und wird auch nicht wirtschaftlich tätig. Insoweit ist der Käufer kein Unternehmer und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Fundstellen
• EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 (C-93/10, GFKL Financial Services AG)
• EuGH, Urteil vom 26. Juni 2003 (C-305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring-GmbH)
• BFH, Urteil vom 26. Januar 2012 (V R 18/08)
Diese Feststellungen können in der Praxis Auswirkungen auf
den Leistungsort bei Dienstleistungen haben, die an den Käufer erbracht werden. Handelt es sich dabei um Leistungen, die
30 PwC
Imke Murchner
Tel.: +49 89 5790-6779
[email protected]
Steuern A bis Z
Schenkungen zwischen Ehegatten:
Möglichkeiten der steuerlichen
Reparatur
Auch Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten
unterliegen der Schenkungsteuer, wenn der persönliche Freibetrag überschritten wird. Häufig ist dies
den Ehegatten gar nicht bewusst. Sie machen sich beispielsweise keine Gedanken darüber, wenn Gelder auf
gemeinschaftliche Konten eingezahlt werden.
Je nach Fallkonstellation kann sich hinter der Verschiebung
von Vermögen zwischen Ehegatten eine Schenkung verbergen.
Das Zivilrecht stellt in § 430 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
bei Gesamtgläubigern die Vermutung auf, dass beide zu gleichen Teilen berechtigt sind, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Unproblematisch ist dies, sofern die Einzahlungen eines Ehegatten auf das Gemeinschaftskonto nur den üblichen Lebensaufwand der Familie decken sollen.
Anders sieht es jedoch aus, wenn zum Beispiel sehr hohe
Bonuszahlungen eines Ehegatten oder Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen, die nur einem der
beiden Ehegatten gehörten, auf einem Gemeinschaftskonto eingehen. In diesen Fällen ging die Finanzverwaltung bisher in der
Regel von einer Schenkung des Einzahlenden an den anderen
Ehegatten in Höhe der hälftigen Einzahlungssumme aus. Nach
einer Ende April 2012 veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. November 2011 (II R 33/10) trifft
allerdings das Finanzamt grundsätzlich die Beweislast für das
Vorliegen einer Schenkung. Das Finanzamt müsse anhand objektiver Tatsachen nachweisen, dass der nicht einzahlende Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und
rechtlich frei zur Hälfte über das einzahlende Guthaben verfügen
könne. Bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung solle insbesondere die tatsächliche Verwendung des Guthabens auf dem
gemeinsamen Konto entscheidend sein. Auch wenn diese Entscheidung in vielen Fällen eine große Beweiserleichterung bedeutet, wird sie in den Fällen nicht weiterhelfen, in denen der
nicht einzahlende Ehegatte häufig auf das Konto zugreift, um mit
diesem Geld eigenes Vermögen zu erwerben. Zumindest in Höhe
dieser Abhebungen sind auf jeden Fall Schenkungen gegeben.
Wenn die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft
leben, sie also nichts Abweichendes vereinbart haben, existiert
eine elegante Möglichkeit, eine entstandene Schenkungsteuerschuld zum Erlöschen zu bringen: Die Eheleute vereinbaren
notariell Gütertrennung und lösen damit einen Zugewinnausgleichsanspruch des „ärmeren“ Ehegatten aus. Da es sich dabei
um eine familienrechtliche Ausgleichsforderung handelt,
unterliegt sie nicht der Schenkungsteuer. Während der Ehe
erfolgte Schenkungen werden auf den Zugewinnausgleichsanspruch angerechnet und „entfallen“ damit rückwirkend.
Wichtig ist allerdings, dass der Zugewinn auch tatsächlich aus-
geglichen wird. Dabei ist zu beachten, dass die tatsächliche
Durchführung des Zugewinnausgleichs gegebenenfalls einkommensteuerliche Konsequenzen haben kann, wenn steuerverhaftete Vermögensgegenstände übertragen werden müssen.
Im Jahr 2005 hat der BFH bereits entschieden: Den Ehegatten
ist es anschließend wieder unbenommen, in den Güterstand
der Zugewinngemeinschaft zurückzuwechseln, um weiterhin
von der Steuerfreiheit der Ausgleichsforderung für zukünftige
„einseitige“ Vermögenszuwächse in der Ehe profitieren zu können. In den neuen Erbschaftsteuerrichtlinien hat sich die Finanzverwaltung dieser BFH-Rechtsprechung zur sogenannten
Güterstandsschaukel ausdrücklich angeschlossen.
Ihre Ansprechpartnerin beantwortet Ihre Fragen gern. Bitte rufen
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RA StB Sabine Gregier
Tel.: +49 211 981-7394
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Datenspeicherung verfassungsgemäß
Der Bundesfinanzhof hat entschieden: Die Zuteilung
der Identifikationsnummer und die dafür beim Bundeszentralamt für Steuern erfolgte Datenspeicherung
sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn das sei
durch überwiegende Interessen des Gemeinwohls
gerechtfertigt.
Die Steuer-Identifikationsnummer wird seit August 2008 vom
Bundeszentralamt für Steuern an alle Einwohner versandt.
Hierzu erhält das Bundeszentralamt von allen Meldebehörden
elektronisch die im Melderegister gespeicherten Daten. Daneben
werden auch lohnsteuererhebliche Daten, wie etwa Religionszugehörigkeit, Krankenversicherungsbeiträge, Zahl der Lohnsteuerkarten und Kinder, mit ihrer Identifikationsnummer gespeichert.
Jetzt sah eine Steuerpflichtige die Finanzverwaltung hier auf dem
Pfad der Verfassungswidrigkeit und klagte deshalb vor dem Bundesfinanzhof. Ohne Erfolg. Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung sind danach
verfassungsgemäß.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 18. Januar 2012 (II R 49/10)
steuern+recht April/Mai 2012 31
Recht aktuell
EuGH verneint Auskunftsanspruch
eines abgelehnten Bewerbers
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteil vom
19. April 2012 (C-415/10), dass ein Bewerber im Fall seiner
Ablehnung grundsätzlich keinen Anspruch auf Auskunft habe,
warum seine Bewerbung nicht erfolgreich war. In dem zu
entscheidenden Fall bewarb sich eine Frau mittleren Alters und
russischer Herkunft zweimal auf eine ausgeschriebene Stelle
und wurde beide Male, ohne die Angabe der Gründe für die
Ablehnung, nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Die
Klägerin war der Auffassung, dass sie die Anforderungen für
die betreffende Stelle erfüllt habe und wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft ungerechtfertigt benachteiligt worden sei. Sie klagte gegen den
potenziellen Arbeitgeber auf Zahlung von Schadensersatz
wegen Diskriminierung sowie auf Vorlage der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers. Der EuGH hat entschieden, dass die Klägerin die Auskunft ihres potenziellen Arbeitgebers nicht erzwingen kann. Zudem trage, wer sich als Bewerber im Einstellungsverfahren unmittelbar oder mittelbar
benachteiligt wähnte, im Gerichtsverfahren hierfür nach § 22
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz die Beweislast.
Allerdings, so der EuGH, habe das befasste Gericht nicht nur
darauf abzustellen, was der Bewerber zur Benachteiligung
vorbringen könne, sondern die Gesamtsituation zu berücksichtigen. Dazu gehöre auch das Verhalten der Gegenpartei.
Verweigere die Gegenpartei – wie im vorliegenden Fall – vollständig zu begründen, weshalb sie den unstreitig geeigneten
Bewerber abgelehnt habe, könne dies auf eine mittelbare
Diskriminierung hindeuten.
Zur Beschwerdefrist nach Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz
Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz aus dem
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat ein Bewerber innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Absatz 4 AGG geltend zu machen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht
(BAG) mit Urteil vom 15. März 2012 (8 AZR 160/11). In dem
dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt lud ein Bundesland einen schwerbehinderten Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch ein, obwohl es nach § 82 Sozialgesetzbuch IX
dazu verpflichtet gewesen wäre. Die Frist zur Geltendmachung
der Ansprüche beginne, sobald der Bewerber von den Tatsachen Kenntnis erlange, die ihn seiner Auffassung nach benachteiligten. Vorliegend sei der Erhalt des Ablehnungsschreibens
als Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung zu
werten gewesen und die Geltendmachung der Ansprüche
daher verspätet.
32 PwC
Staffelung der Urlaubstage nach
Lebensalter verstößt gegen Diskriminierungsverbot
In einem Urteil vom 20. März 2012 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG): Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach
dem Lebensalter gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 Tarifvertrag des
öffentlichen Dienstes (Allgemeiner Teil, TVöD-AT) benachteiligt Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, und verstößt damit gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Für Beschäftigte nach dem TVöD erhöhen sich die
Urlaubstage mit den Lebensjahren. Eine Arbeitnehmerin im öffentlichen Dienst wollte festgestellt haben, dass ihr schon vor
ihrem 40. Geburtstag die volle Anzahl der Urlaubstage zugestanden hätte. In seiner Revisionsentscheidung stimmte das
BAG dem zu. Ein legitimes Ziel für die Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer konnte das BAG nicht erkennen. Insbesondere steige das Erholungsbedürfnis der Arbeitnehmer ab dem
30. beziehungsweise 40. Lebensjahr nicht, sobald sie ein weiteres Lebensjahrzehnt vollendet hätten.
Abzuwarten bleibt, ob das BAG ein gesteigertes Erholungsbedürfnis und damit ein legitimes Ziel für eine Ungleichbehandlung ab einem höheren Alter (beispielsweise ab dem 50.
Lebensjahr) anerkennt.
Haben Sie Fragen? Dann rufen Sie bitte Ihre Ansprechpartner an
oder schicken Sie ihnen einfach eine E-Mail.
Nina Stößel
Tel.: +49 40 6378-2821
[email protected]
Dirk Kohlenberg
Tel.: +49 40 6378-2370
[email protected]
Länder
Länderreport
Italien
Grundzüge
Beihilfe zum wirtschaftlichen
Wachstum
Mit dem Gesetzes-Dekret 201/2012 vom 6. Dezember
2012 führte der italienische Staat Maßnahmen zum
Wirtschaftswachstum ein, um der Wirtschaftskrise
entgegenzuwirken. Eine dieser Maßnahmen, die
Beihilfe zum wirtschaftlichen Wachstum („aiuto alla
crescita economica“, ACE), zielt darauf, die Eigenkapitalbildung in den italienischen Unternehmen zu
stimulieren. Das ACE-Regime erlaubt einen fiktiven
Zinsabzug auf Eigenkapitalmehrung und gilt als eine
der wenigen reellen Maßnahmen zur Förderung der
italienischen Unternehmen. Parallelen zum belgischen System des fiktiven Eigenkapitalzinsabzugs
(„notional interest deduction“) sind dabei unübersehbar. Das Gesetzes-Dekret verfügt auch mittels
Ministerialdekret detaillierte Bestimmungen zu
seiner Ausführung. Über die wichtigsten Aussagen,
dieser Verfügung, die am 14. März 2012 erlassen
wurde, informiert Sie der aktuelle Beitrag.
Kurzübersicht
• Fiktive Zinsen können steuerlich in Ansatz gebracht werden,
soweit das Eigenkapital im Vergleich zu dem am 31. Dezember 2010 ausgewiesenen erhöht ist.
• Bei abweichendem Wirtschaftsjahr ist der erste Bilanzstichtag nach dem 31. Dezember 2010 maßgeblich.
• Für die Jahre 2011, 2012 und 2013 wird der fiktive Zinsabzug auf drei Prozent festgesetzt.
• Für die Jahre ab 2013 wird der Zinssatz (unter Bemessung
der italienischen Staatsanleihen) per Rechtsverordnung
durch das Finanzministerium erneut festgesetzt werden.
Aktuelles aus
Mittel- und Osteuropa
In Italien ansässige Unternehmen und italienische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen können von dem zu versteuernden Gewinn (nach Abzug der steuerlichen Verluste der
Vorjahre) fiktive Zinsen absetzen. Bemessungsgrundlage des
Zinsabzugs bilden Eigenkapitalmehrungen ab dem Wirtschaftsjahr 2011, wobei für inländische Betriebstätten das
Dotationskapital maßgeblich ist, das in der Steuererklärung
ausgewiesen wurde.
Der Abzug kann geltend gemacht werden, wenn ein positiver
zu besteuernder Gewinn im Jahr erwirtschaftet wird. Ein gegebenenfalls nicht genutzter Zinsabzug des betreffenden Jahres
kann ohne zeitliche Beschränkung vorgetragen und in den Folgejahren genutzt werden. Gehört eine ACE-fähige Gesellschaft
einem Organkreis an, kann dieser von ihr nicht genutztes ACEVolumen zum Abzug bringen.
Der Zinsabzug wird nur für Zwecke der italienischen Körperschaftsteuer (IRES) oder Einkommensteuer (IRPEF) angewandt. Basierend auf dem derzeitigen Körperschaftsteuersatz
von 27,5 Prozent beträgt der effektive Steuervorteil für Körperschaften oder deren Betriebsstätten derzeit jährlich 0,825 Prozent der Eigenkapitalerhöhung. Bei Gesellschaften, die im
Energiewirtschaftsbereich tätig sind, erhöht sich der Steuervorteil auf circa 1,14 Prozent, da deren Steuersatz 38 Prozent
beträgt.
Zinssatz
Der anzuwendende Zinssatz wird vom italienischen Finanzministerium jährlich festgesetzt und orientiert sich an der durchschnittlichen Vergütung der Staatsanleihen. Er kann um bis zu
weitere drei Prozent im Vergleich zu diesen Schuldverschreibungen erhöht werden. Für die Jahre 2011, 2012 und 2013
wurde der Zinssatz bereits auf drei Prozent festgelegt.
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steuern+recht April/Mai 2012 33
Länder
Berechnung des fiktiven Zinsabzugs
Maßgeblich für die Berechnung des Zinsabzugs sind Eigenkapitalmehrungen ab dem 1. Januar 2011. In die Berechnung der
Kapitalzuführung wird auch der erwirtschaftete Gewinn des
Jahres 2010 einbezogen, soweit er als Gewinnrücklage thesauriert bleibt. Unterjährige Eigenkapitalmehrungen werden zeitanteilig (pro rata) erfasst.
Eingeschränkte Nutzbarkeit für Verlustgesellschaften
Die Eigenkapitalzuführung des betreffenden Jahres wird der
Höhe nach derart begrenzt, dass die für die Berechnung des
fiktiven Zinsabzugs herangezogene Kapitalzuführung nicht das
am Ende des Wirtschaftsjahrs bestehende Eigenkapital überschreiten kann. Die Vorschrift ist besonders für Verlustgesellschaften relevant: Hat eine Gesellschaft mit beispielsweise
25.000 Euro Kapitalausweis am 1. Januar Verluste in Höhe von
einer Million Euro und gleicht der Gesellschafter diese aus,
wird für Zwecke des ACE keine Eigenkapitalzuführung von
einer Million Euro berücksichtigt, sondern nur von 25.000
Euro.
In die Eigenkapitalzuführung einzubeziehende Bestandteile
• In diese Rubrik gehören stehen gelassene Gewinne, soweit
sie hätten ausgeschüttet werden können.
• Einzubeziehen sind auch Kapitalerhöhung und Bareinlagen,
die in das Eigenkapital gebucht werden (darunter fallen zum
Beispiel auch Einlagen, die zur Deckung von Verlusten dienen).
• Aus dem Bereich Sacheinlagen zählen nur die Forderungsverzichte seitens des Gesellschafters dazu.
Eigenkapitalminderungen
Abzugsposten bilden sämtliche Rückführungen von Eigenkapital an den Gesellschafter, wobei auch sämtliche Handlungen
einzubeziehen sind, die darauf ausgerichtet sind, der Gesellschaft Eigenkapital zu entziehen.
Missbrauchsregelungen
Der italienische Gesetzgeber hat spezifische Vorschriften zur
Missbrauchsbekämpfung im Rahmen des ACE-Regimes vorgesehen, die zur Nichtanerkennung folgender Transaktionen
oder Handlungen führen:
• Einlagen einer Gesellschaft in beherrschte Unternehmen
führen nicht dazu, dass sowohl Mutter- als auch die beherrschte Gesellschaft den Abzug nach ACE geltend machen
kann.
34 PwC
• Wird die Eigenkapitalmehrung für einen Erwerb von Anteilen an beherrschten Konzernunternehmen verwendet,
erhöht sie das ACE-Volumen nicht; Entsprechendes gilt für
den Erwerb von Geschäftsbetrieben oder Teilbetrieben von
Konzernunternehmen.
– Nicht berücksichtigt werden auch Einlagen von ausländischen Unternehmen in ein inländisches Unternehmen,
wenn das ausländische Unternehmen seinerseits von
einem italienischen Unternehmen beherrscht wird.
– Nicht angerechnet werden Einlagen von ausländischen
Gesellschaftern, die ihren Sitz in Niedrigsteuerländern
haben (Black-List-Länder).
– Verboten ist schließlich auch die Verwendung der Eigenkapitalmehrung zur Fremdkapitalfinanzierung von Unternehmen, die abhängig sind oder gemeinsam von einem
Unternehmen beherrscht werden.
Die Regelungen des Ministerialdekrets haben ein gemeinsames
Ziel: Sie wollen verhindern, dass das ACE-Regime dazu missbraucht wird, mittels einer Eigenkapitalzuführung (etwa in
Gestalt einer Geldeinlage) eine mehrfache Nutzung des fiktiven Zinsabzugs zu erreichen (Vervielfältigung der steuerlichen
Vorteile).
Fiktiver Zinsabzug und Zinsschranke
Der fiktive Zinsabzug unterliegt nicht der Zinsschranke. Diese
ist vergleichbar mit der deutschen Zinsschranke und sieht vereinfacht dargestellt Folgendes vor: Zinsaufwendungen sind,
abzüglich der Zinserträge, nur in Höhe von 30 Prozent des
Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände abzugsfähig. Sollten beispielsweise Zinsaufwendungen auf Gesellschafterdarlehen unter die Zinsschranke fallen und daher nicht
abzugsfähig sein, sollte in Einzelfällen geprüft werden, ob es
sinnvoll wäre, eine Eigenkapitalzuführung vorzunehmen, statt
die Gesellschaft über Fremdkapital zu finanzieren. Ebenso ist
es in diesen Fällen vorteilhaft, bestehende Finanzierungen in
Eigenkapital umzuwandeln.
ACE-Regime und steuerliche Verluste
Der fiktive Zinsabzug generiert keine steuerlichen Verluste,
sondern wird maximal in Höhe der positiven steuerlichen
Bemessungsgrundlage (vor ACE) abgezogen. Ein verbleibender Zinsabzug kann in die Folgejahre vorgetragen werden.
Die italienischen Regelungen zur Mindestbesteuerung sehen
vor, dass Vorjahresverluste nur zu 80 Prozent des zu besteuernden Gewinns angesetzt werden können. Der fiktive Zinsabzug
kommt erst nach Nutzung der Verlustvorträge zur Anwendung.
Praktisch heißt das etwa bei Verlustvorträgen und einem Einkommen vor Verlustnutzung von beispielsweise 100: Im ersten
Schritt können Verluste in Höhe von 80 genutzt werden. Im
Länder
Italy: Notional Interest Deduction Regulations
In a decree dated March 14, 2012 the Italian Ministry of
Finance – as a new incentive to spur investment – introduced regulations on the Notional Interest Deduction
(NID), also known as Allowance for Corporate Equity, or
ACE. Italian resident companies and Italian permanent
establishments of non-resident companies may deduct
from their net tax base a notional interest computed on
the new equity, i.e. the amount of increase in equity over
a 2010 base equity amount. For permanent establishments the equity equals the free capital as determined
for tax. For the first three fiscal years (i.e., 2011, 2012,
and 2013) the NID is set at three per cent. For subsequent years it will be based on the Italian public debt
securities’ average return with increases to account for
the risk component. The new equity equals any increase
over the equity at the end of the fiscal year in progress at
December 31, 2010. The latter amount does not include
any profits from that year. Under the new regulations,
the new equity can be calculated based on certain
upward and downward adjustments after 2010. These
would comprise cash contributions (upward adjustments) and shareholder distributions or certain transactions under the anti-avoidance provisions (downward
adjustments) – to name few. Under no circumstances,
however, must the new equity exceed the company’s
equity at the end of the given fiscal year. The NID is not
subject to the Italian Interest Limitation regulation. It is
also not included when computing income of foreign
controlled companies under the controlled foreign
corporation (CFC) rules.
Overall, the new ACE will clearly influence multinational
corporations in their efforts to refinance investments in
Italy.
(MH)
zweiten Schritt können die verbleibenden 20 über den fiktiven
Zinsabzug nach ACE gemindert und im besten Falle vollständig
neutralisiert werden, sodass sich ein zu versteuerndes Einkommen von null ergibt.
Grundsätzliche Vorteile des italienischen
ACE-Regimes im Überblick
Als besondere Vorteile des italienischen ACE-Regimes können
die folgenden Aspekte aufgeführt werden:
• Im Vergleich zu anderen Finanzierungsgestaltungen (zum
Beispiel hybride Finanzierungsinstrumente) bietet die
Nutzung des ACE-Regimes einen sehr sicheren und konservativen Ansatz zur steueroptimierten Konzerninnenfinanzierung.
• Der fiktive Zinsabzug unterliegt nicht der in Italien geltenden
Zinsschranke.
• Anders als Regelungen zur Mindestbesteuerung, nach denen
Verlustvorträge das Einkommen nur zu 80 Prozent mindern
können, unterliegt der fiktive Zinsabzug keinen derartigen
Beschränkungen.
• Der fiktive Zinsabzug kann ohne zeitliche Befristung vorgetragen werden.
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bitte Ihre Ansprechpartner an oder schicken ihnen einfach eine
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Giovanni Consiglio
Tel.: +49 89 5790-6296
Claus Herrmann
Tel.: +39 29160-5425
Estland
Umsatz- und Körperschaftsteuer bei Rechnungen, die
nicht vom tatsächlichen Verkäufer ausgestellt wurden
Am 1. Februar 2012 verkündete das oberste Gericht eine Entscheidung im Fall 3-3-1-60-11 zum Vorsteuerabzug und der
Nichtabzugsfähigkeit von Kaufpreiszahlungen als betrieblich
veranlasste Aufwendungen in Fällen, in denen Rechnungen
nicht durch den tatsächlichen Verkäufer ausgestellt wurden.
Im entschiedenen Fall wurde im Rahmen einer Betriebsprüfung des Unternehmens Tolmet Eesti OÜ, das im Bereich der
Metallschrottverwertung tätig ist, festgestellt: Die nach einem
Ankauf in der Rechnung ausgewiesene Person konnte nicht der
tatsächliche Verkäufer der Waren gewesen sein. Tolmet Eesti
OÜ konnte im anschließenden Verfahren weder das Gegenteil
noch den entlastenden Umstand beweisen, dass es den angekauften Schrott in gutem Glauben von der in der Rechnung
ausgewiesenen Person gekauft hatte.
steuern+recht April/Mai 2012 35
Länder
Das Gericht entschied: In diesem Fall
kann das Unternehmen weder den Vorsteuerabzug noch den Abzug geleisteter
Zahlungen als betrieblich veranlasste
Aufwendungen geltend machen. Für körperschaftsteuerliche Zwecke könnten
solchen Zahlungen generell nicht als geschäftliche Ausgaben behandelt werden
und würden damit der Besteuerung (gegebenenfalls als verdeckte Gewinnausschüttung) unterliegen.
Das Gericht urteilte ferner: In Fällen, in
denen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines
Warenkaufs von Einzelpersonen und der
tatsächlichen Preiszahlung existierten,
soll zumindest ein Teil der Zahlung als
betrieblich veranlasst gelten. Wie hoch
dieser Anteil sei, solle im Rahmen des
pflichtgemäßen Ermessens durch die
Steuerbehörden bestimmt werden. Falls
der so bestimmte Kaufpreis geringer sei
als die in den Konten verzeichnete Zahlung, solle die Differenz als verdeckte
Gewinnausschüttung behandelt werden
und insoweit das zu versteuernde Einkommen nicht mindern.
(Quelle: Osteuropa kompakt)
Villi Töntson
Tel.: +372 6141-816
Rumänien
Klarstellungen bezüglich der
steuerlichen Verpflichtungen für
Einkommen aus selbstständiger
Arbeit
Am 22. Februar 2012 veröffentlichte die
Verwaltung eine Anweisung zur Besteuerung von Einkommen aus selbstständiger
Arbeit. Die Anweisung bringt Klarheit
über zu leistende Steuervorauszahlungen für bestimmte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Zusammenhang mit
neuen Regelungen des Zivilrechts, die
seit 1. Oktober 2011 anzuwenden sind.
Die Verwaltung stellt klar: Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbstständiger
Arbeit als freie Mitarbeiter, im Rahmen
von Einzel- oder Familienunternehmen
oder aufgrund ihrer Tätigkeit als Freiberufler erzielen, müssen auch weiterhin
36 PwC
vierteljährliche Steuervorauszahlungen
auf Grundlage des Nettoeinkommens aus
dem letzten Jahr oder des voraussichtlichen Einkommens des laufenden Jahres
leisten. Im Gegenzug sind solche Steuerpflichtigen nicht verpflichtet, Quellensteuer in Höhe von zehn Prozent auf
erhaltene Zahlungen abzuführen. Dieselben Regelungen gelten auch für Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung, die die vorgenannten Steuerpflichtigen erzielen.
(Quelle: Osteuropa kompakt)
Maxim Banaga
Tel.: +373 2223-8122
Russland
Doppelbesteuerungsabkommen
zwischen Russland und Zypern
endlich ratifiziert
Das Protokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Russland
und Zypern, das bereits am 7. Oktober
2010 in Nikosia unterzeichnet worden
war, ist am 15. Februar 2012 endlich von
der russischen Duma ratifiziert worden
(Zypern hatte das Protokoll bereits im
August 2011 ratifiziert). Dieses Protokoll
wird ab dem Jahr 2013 gelten. Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten
Regelungen, die ab 2013 gelten sollen:
Keine Änderung der Quellensteuersätze
Eine der vorteilhaftesten und auch wesentlichsten Regelungen des DBA sind
die günstigen Quellensteuersätze für
grenzüberschreitende Zahlungen von
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. Die Geschäftswelt begrüßt die positive sowie wichtige Entscheidung, die
aktuellen Quellensteuersätze nicht zu
ändern: Diese lauten nach wie vor wie
folgt:
Dividenden:
fünf Prozent/
zehn Prozent
Zinsen:
null Prozent
Lizenzgebühren:
null Prozent
Der Quellensteuersatz von zehn Prozent
bei Direktinvestitionen in das Kapital
eines russischen Unternehmens bis zu
einer Summe von 100.000 US-Dollar
wurde geändert. Ab jetzt wird der zehnprozentige Satz bei einer Direktinvestition von unter 100.000 Euro angewandt.
Neue Definition von Dividenden
Das Protokoll stellt klar: Ausschüttungen
aus Investmentfonds und ähnlichen kollektiven Anlageinstrumenten unterliegen
dem normalen Quellensteuersatz für
Dividenden, also fünf beziehungsweise
zehn Prozent. Dadurch ist die bislang bestehende Unsicherheit bei der Anwendung der Quellensteuersätze auf solche
Ausschüttungen beseitigt worden. Die
Definition der Dividenden wurde ebenfalls um den Bereich der Ausschüttungen
aus Anteilen in Form von Hinterlegungsscheinen erweitert.
Neue Definition von Zinsen
Die angepasste Definition von Zinsen regelt unter anderem: Der Begriff „Zinsen“
deckt auch Einkommen aus Forderungen
jeglicher Art ab. Dabei ist es irrelevant,
ob diese Forderungen mit einer Hypothek besichert sind oder nicht und ob es
ein Recht auf Gewinnbeteiligung gibt
oder nicht. Strafgebühren für verspätete
Zahlungen sowie Zinsen, die aufgrund
anderer Regelungen wieder als Dividenden eingestuft wurden, sind in der Definition nicht enthalten. Sämtliche Zinsen,
die durch die russischen Finanzbehörden
als Dividenden eingestuft wurden (etwa
aufgrund russischer Regelungen zur
Unterkapitalisierung), unterliegen den
Quellensteuersätzen für Dividenden.
Informationsaustausch
Dieser Artikel des DBA wurde in Einklang mit Artikel 26 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen überarbeitet und spiegelt die Änderungen wider, die bereits 2008 in der
zypriotischen Steuergesetzgebung eingeführt wurden. Die Änderungen sollen zu
einer Anpassung an die OECD-Standardrichtlinien, zu steuerlicher Transparenz
und zu einem verbesserten Informationsaustausch über steuerliche Angelegenheiten führen.
Länder
Beschränkung der Vorteile aus dem
Doppelbesteuerungsabkommen
Die eingeführte Beschränkung der Vorteile wird auf in Russland oder Zypern
verbundene Unternehmen nicht angewandt. Die Beschränkung der Vorteile
gilt für russische oder zypriotische Steueransässige (keine Unternehmen), die in
keinem der beiden Staaten registriert
sind, nur für den Fall, dass sich die Steuerbehörden der beiden Länder einig sind
bezüglich des Hauptzwecks beziehungsweise einem der Hauptzwecke der Unternehmen: sich Vorteile aus dem DBA zu
verschaffen.
Andere Änderungen
Das DBA führt eine Erklärung der sogenannten Tiebreaker-Klausel hinsichtlich
des Wohnsitzes ein, sodass die russischen und zypriotischen Steuerbehörden
in Fällen, in denen die tatsächliche Verwaltung nicht bestimmt werden kann,
sich untereinander beraten und diesbezüglich abstimmen können. Das DBA
erweitert die Definition der Betriebsstätte, um Tätigkeiten eines Unternehmens durch Leistungen von Einzelpersonen in dem anderen Land für mehr als
183 Tage in einem Zeitraum von zwölf
Monaten abzudecken. Hinzu kommen
bestimmte spezielle Kriterien, die erfüllt
sein müssen, bevor solche Leistungen zu
der Entstehung einer Betriebsstätte in
dem anderen Land führen.
Einkommen aus internationalem Verkehr
unterliegt der Besteuerung in dem Land,
in dem der tatsächliche Verwaltungssitz
der Person liegt, die das Einkommen erlangt.
Weiterhin wurde klargestellt, dass Einkommen aus Immobilienfonds oder ähnlichen kollektiven Anlageinstrumenten
nach Artikel 6 DBA als „Einkommen aus
Immobilien“ behandelt wird und der
Besteuerung in dem Land unterliegt, in
dem sich die Immobilien befinden.
Regelungen wirksam ab 2017 –
Kapitalgewinne
Grundsätzlich unterliegen Kapitalgewinne aus der Veräußerung von Anteilen
dem exklusiven Besteuerungsrecht des
Ansässigkeitsstaats des Veräußerers.
Eine wichtige Änderung betrifft die Veräußerung durch einen Ansässigen eines
Landes mit Anteilen an Unternehmen,
die einen beträchtlichen Teil ihres Werts
(über 50 Prozent) im anderen Land herleiten. In diesem besonderen Fall hat das
Land, in dem sich die Immobilien befinden, ebenfalls ein Recht, den Gewinn zu
besteuern, der aus der Veräußerung resultiert. Diese Änderung steht im Einklang mit dem OECD-Musterabkommen
zur Vermeidung von Doppelbesteuerung
von Einkommen und Vermögen. – Dabei
sind folgende Vorgaben zu beachten:
• Die Änderung wird vier Jahre nach
dem Wirksamwerden des Protokolls in
Kraft treten.
• Das exklusive Besteuerungsrecht verbleibt beim Ansässigkeitsstaat des Veräußerers, falls
– die Veräußerung die Kriterien für
eine Unternehmensumstrukturierung erfüllt
– oder die veräußerten Anteile an
einer anerkannten Börse notiert sind
– oder der Veräußerer eine Rentenversicherung, eine Altersvorsorge oder
die Registrierung einer der beiden
Staaten ist.
Ratifizierungen weiterer Protokolle zu
den DBA mit der Schweiz und Luxemburg folgen.
(Quelle: Osteuropa kompakt)
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Nächste Schritte
Eine weitere beträchtliche Änderung ist
die geplante Besteuerung von Umsätzen
aus Aktien, die nicht an der Börse zugelassen sind; Steuerpflichtigen wurde eine
Schonfrist von vier Jahren eingeräumt.
Mit Beginn des Jahres 2017 werden Einkünfte zypriotischer Unternehmen aus
dem Verkauf von Anteilen an russischen
Unternehmen, die russische Immobilien
besitzen, in Russland versteuert.
Erneute Verschiebung der Pflicht
zur elektronischen Einreichung
von Unterlagen
Nach den neuen Regelungen des Steuerverwaltungsgesetzes müssen alle Steuerpflichtigen, die entweder umsatzsteuerpflichtig sind oder im Besteuerungsverfahren durch Steuerberater, Rechtsanwälte oder andere Personen vertreten
werden, Unterlagen bei den Steuer- oder
Zollbehörden in elektronischer Form einreichen. Ursprünglich sollte diese Vorschrift am 1. Januar 2012 in Kraft treten,
allerdings wurde die Einführung bereits
einmal auf den 1. April 2012 verschoben. Nach Verstreichen dieser Frist hat
das slowakische Parlament nunmehr
eine erneute Verschiebung bis 1. Januar
2013 verabschiedet. Die entsprechende
Gesetzesänderung muss derzeit allerdings noch vom Präsidenten unterzeichnet werden.
Der Ratifizierung des Protokolls zum
DBA mit Zypern könnten bald auch die
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Wird Zypern aus der „schwarzen
Liste“ gestrichen?
Die Ratifizierung sollte dazu führen, dass
Zypern von der sogenannten schwarzen
Liste gestrichen wird. Das würde bedeuten: Der Null-Körperschaftsteuersatz
würde auf Dividenden angewendet werden, die in Russland aus zypriotischen
Quellen erhalten wurden.
steuern+recht April/Mai 2012 37
Ticker
Steuern & Recht: die Seite für alle Steuerfragen
BFH – kurz und knapp
In allen Phasen des wirtschaftlichen Handelns spielen Steuerfragen eine wichtige
Rolle. Die Quellen des Steuerrechts sind mannigfaltig, international vor allem durch
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und im Inland durch Verfügungen
der Finanzverwaltung sowie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geprägt. Umfassend und aktuell stellt Ihnen PwC deshalb die erforderlichen Informationen online auf der Steuern-&-Recht-Seite in deutscher und englischer Sprache
zur Verfügung. Neben aktuellen Steuernachrichten, Newslettern und Publikationshinweisen erläutern die Steuerexperten von PwC Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen.
Abschreibungsbeginn bei Windrädern
Bei einem Windpark sind einerseits jede
einzelne Windkraftanlage einschließlich
des dazugehörigen Transformators und
der verbindenden Verkabelung, andererseits die externe Verkabelung und die Zuwegung im Regelfall ein jeweils eigenständiges Wirtschaftsgut. Der Beginn der Abschreibung ist somit für jedes Wirtschaftsgut eigenständig zu prüfen. Die Abschreibung kann insoweit zwar schon vor der
Inbetriebnahme des Windrads beginnen.
Im Falle ihrer Anschaffung müssen
(Eigen-)Besitz, Gefahr, Nutzungen sowie
Lasten auf den Erwerber übergehen und
dieser damit das wirtschaftliche Eigentum
an der Windkraftanlage erlangen.
BFH, Urteil vom 1. Februar 2012
(I R 57/10)
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Auflösung der Ansparrücklage für
Existenzgründer
Eine GmbH & Co. KG kann keine Rücklage für Existenzgründer bilden, wenn
an der Komplementär-GmbH eine natürliche Person beteiligt ist, die kein Existenzgründer im Sinne der einschlägigen
Vorschriften ist.
BFH, Urteil vom 2. Februar 2012
(IV R 16/09)
Kein Kindergeld während einer
Übergangszeit
Der anspruchsberechtigte Elternteil erhält für ein Kind, das nach Beendigung
seiner Schulzeit – unabhängig davon, ob
absehbar oder nicht – länger als vier
Monate auf den Beginn des gesetzlichen
Wehr- oder Zivildienstes wartet, während
dieser Übergangszeit kein Kindergeld.
BFH, Urteile vom 22. Dezember
2011 (III R 5/07 und III R 41/07)
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38 PwC
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steuern+recht April/Mai 2012 39
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