Weimarer Studenten wollen verfallene Bahnhöfe

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Weimarer Studenten wollen verfallene Bahnhöfe
Die Unstrutbahn - Unstrut-Bahnerlebnis zwischen Naumburg und Artern
Weimarer Studenten wollen verfallene Bahnhöfe wiederbeleben
VON LAVINIA MEIER-EWERT
Weimar. Nach anderthalb Stunden Studentenvorträgen steht auf einmal der einzige Anzugträger des Abends auf:
"Behrens, Nahverkehrsservice-Gesellschaft Thüringen." Da geht ein Raunen durch das Stellwerk-Theater, in dem
Urbanistik- und Architektur-Studenten der Bauhaus-Uni am Mittwoch ihre Ideen für eine sinnvolle Nutzung
abgehängter, verfallender und nutzlos gewordener Thüringer Bahnhöfe vorgestellt haben.
In Reinsdorf bei Artern wird ab September 2015 kein Zug mehr halten. Die Studenten möchten hier einen Hofladen mit
Bistro einrichten. Foto: Susann Salzmann
Denn zu Beginn hatte man zur allgemeinen Belustigung noch eine
schlecht gelaunte Antwort der Deutschen Bahn verlesen, die die Einladung der Studenten ausgeschlagen hatte: "Der
Terminus abgehängt ist verkehrstechnisch zu verstehen. Bitte beachten Sie dies seriöserweise."
Zukunft des Bahnhofs Apolda gestern geklärt
"Aber ich bin da", sagt NVS-Geschäftsführer Arne Behrens. "Und ich möchte Ihnen ein Angebot machen." Die
Stadtplaner könnten sich an den Überlegungen zur Zukunft des Bahnhofs Reinsdorf bei Artern beteiligen. Man sei derzeit
im Gespräch mit Landtagsabgeordneten und Staatssekretärin Inge Klaan .
Die Studenten wollen den einstigen Umsteigebahnhof Reinsdorf, an dem von September 2015 an überhaupt kein Zug
mehr halten wird (TA berichtete), mit Hilfe der zahlreichen Vereine im Ort am Leben erhalten: Zuerst müsse der
Verfall des Gebäudes aufgehalten werden. Später, so die Idee, könne man dort einen Hofladen mit Feldküche
einrichten, der auch Kunden von der angrenzenden B86 anziehen solle. "Wir können ja", kommentiert der NVSGeschäftsführer, "ihr Konzept mal an der Realität kalibrieren."
Reinsdorf ist ein typisches Beispiel für die Abwärtsentwicklung, die Bahnhöfe - nicht nur in Thüringen - in den
vergangenen Jahren genommen haben: Von der Empfangshalle zum verödeten Haltepunkt. Die Bahn lässt die
Gebäude, die keiner mehr braucht, zumeist links liegen oder stellt sie zum Verkauf. Bei Versteigerungen sind
Thüringer Bahnhöfe bereits für wenige Tausend Euro zu haben.
Für die Stadtplaner und Architekten der Bauhaus-Uni ist das auch ein gesellschaftliches Problem. Sie beklagen den
soziokulturellen Verlust. Ihre Projekte zielen zum einen mit auf den Erhalt des historischen Erbes, zum anderen darauf,
die Mobilität der Menschen zu verbessern, indem man Bus, Bahn, Auto und Rad besser miteinander verknüpfen kann.
"Multimodale Mobilität" nennt sich das - "nicht neu, aber in Thüringen unzureichend umgesetzt", so Stadtplaner Arvid
Krüger.
Dass auch jenseits von studentischer Initiative Bewegung in die Bahnhofsfrage kommt, zeigte die gestern
unterzeichnete Absichtserklärung zur Zukunft des Bahnhofs Apolda. Die Stadt Apolda, die Landesregierung, die
Landesentwicklungsgesellschaft sowie die IBA Thüringen GmbH kamen überein, dass die LEG den Bahnhof und
sein 1,4 Hektar großes Umfeld im Frühjahr kaufen wird. Das Bahnhofsgebäude wird bis zum Sommer 2015 saniert
und zu einem "IBA Campus.Lab" aus- und umgebaut. Dazu gehören eine Studentenwerkstatt und
Studentenappartements. In den Bahnhof wird zudem die Geschäftsstelle der noch zu gründenden Apoldaer
Landesgartenschau-Gesellschaft einziehen. Das Geld für die denkmalgerechte Sanierung des Gebäudes soll vom
Thüringer Bauministerium und von der Stadt Apolda kommen.
Die Ideen der Studenten
- Schmölln: In den fußläufig vom Ort erreichbaren Bahnhof könnte die Stadtinformation einziehen sowie ein
Bürgerarchiv; zudem ein Raum für Ausstellungen und Veranstaltungen, da so etwas in Schmölln bislang fehlt.
- Papiermühle bei Jena: Das im Zeitzgrund gelegene Backsteinhaus wollen die Studenten touristisch nutzen: mit
einem Café. Der Tourismusverband erarbeitet derzeit hierzu auch ein Konzept.
- Mellingen, Weimarer Land: Könnte ein Knotenpunkt werden, zu dem man von überall her gelangen kann: per
Rufbus, Rad oder Auto ("Park & Ride"). Statt in jedem Ort eine Buslinie zu haben, die kaum fährt, soll der Weg von
einem Dorf ins andere immer über einen solchen Knotenpunkt führen, an dem sich dann auch Läden oder Ärzte
ansiedeln sollen.
- Erfurt-Jena-Weimar: Zwischen den drei Städten sollte es eine Art S-Bahn-Verkehr geben, ähnlich wie zwischen Köln
und Bonn.
- Unstrut-Hainich-Kreis: Den Bahnhof in Oberdorla hat eine junge Familie ausgebaut, im ehemaligen Lokschuppen
befindet sich ein Veranstaltungsraum. Der Bahnhof Diedorf wurde von einer Familie saniert und zu neuem Leben
erweckt. Den Bahnhof Bad Langensalza hat die Bahn 2010 verkauft. Das Haus verfällt.
- Ilmenau, Ilmkreis: Nach dem Kauf des Ilmenauer Bahnhofs durch die Stadt ist aus dem schlichten Backsteinbau
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Generiert: 13 January, 2017, 13:02
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inzwischen ein moderner Firmensitz geworden, der heute den Namen Terminal A trägt. Architektonisch wurde die alte
Bausubstanz mit großen Glaselementen bestückt und fortan zum Bürokomplex.
- Leinefelde, Eichsfeld: Die Stadt Leinefelde-Worbis hat den Bahnhof in Leinefelde 2007 gekauft. Schon damals sei klar
gewesen, dass größere Baumaßnahmen anstehen, sagt Bürgermeister Gerd Reinhardt (CDU). 2013 wurde der
Dachstuhl erneuert. Ein Nutzungskonzept werde jetzt gemeinsam mit der Bahn erarbeitet.
- Bachra, Landkreis Sömmerda: 1994 bot die Stadt Rastenberg, deren Ortsteil Bachra ist, den Bahnhof mit
Kohleschuppen samt Toiletten sowie einen Teil des Bahndamms zum Verkauf an. Seitdem ist er in Privatbesitz von
Karsten und Gabi Lange. Der Wasserturm wurde stillgelegt. Nun steht dieser mit kleinem Gelände zum Verkauf.
- Ellrich, Landkreis Nordhausen: Das baufällige Empfangsgebäude des ehemaligen Grenzbahnhofs wollte die Deutsche
Bahn durch einen gläsernen Haltepunkt ersetzen die Stadt aber kaufte 2006 Bahnhof und Packkammer samt Gelände
und investierte 1,5 Millionen Euro. Seit 2008 hat die Freiwillige Feuerwehr Ellrich ihre Einsatzzentrale, Büros und
Schulungsräume im Empfangsgebäude; im früheren Güterschuppen ist Platz für fünf Großfahrzeuge.
- Treffurt, Wartburgkreis: Der Bahnhof wurde nach 1900 im Zuge des Streckenneubaus nach Eschwege und
Mühlhausen errichtet. Nach der Wende kaufte eine Familie das Gebäude und betreibt dort in einem Anbau eine
Wäscherei für Berufsbekleidung. Die Familie wohnt aber auch in einer der vier Wohnungen im Haus. Außerdem
befinden sich ein Schuhladen und eine Fahrschule im Bahnhof. Das Gebäude wurde komplett saniert.
- Donndorf, Kyffhäuserkreis: Der Donndorfer Mike Rahaus hat 2013 den verlassenen Bahnhof gekauft und will hier eine
Kelterei für Obstsäfte und -weine sowie eine Ferienwohnung einrichten. Der Backstein-Bahnhof mit den großen
Kastatienbäumen davor liegt an der Strecke der Unstrutbahn, die schon seit Jahren nicht mehr von der Bahn AG
bedient wird. Stattdessen organisiert eine Interessengemeinschaft Ausflugsfahrten, die in Donndorf halten.
- Gotha, Landkreis Gotha: Der Bahnhof ist ein janusköpfiges Gebilde. Außen hui, innen pfui. Der Eindruck: riesiger
Vorplatz, wenig einladendes Em-pfangsgebäude. Die Immobilie gehört einem Berliner Investor, der nichts tut. Auch der
Parkplatz ist keine Augenweide. Ermahnungen an ihn, etwas für das Erscheinungsbild zu tun, blieben ungehört.
Gotha spielte mit dem Gedanken, die Bahn dazu zu bewegen, den Verkauf rückgängig zu machen.
- Erfurt: Mit seinem Plattenladen will Joshi Korte im April in das ehemalige Bahnhofsgebäude am Erfurter Nordbahnhof
einziehen. Ein Cafè und ein Klub sollen hier bald eröffnet werden.Gekauft hat Korte das Bahngebäude bereits 2012
und wollte eigentlich im vergangenen Jahr sein Geschäft aus der Michaelisstraße verlegen. Allerdings verzögerte sich
der Umbau des alten Bahnhofs durch immer neue Auflagen von der Bauaufsicht.
- Tannroda, Weimarer Land: Der Bahnhof ist das Musterbeispiel eines geglückten Verkaufs. Ein Mittvierziger aus
dem Ort hatte das im Jahr 1925 an der heutigen Ilmtalbahn errichtete Fachwerkhaus vor sieben Jahren erworben und
umgebaut. Heute beherbergt das historische Gebäude ein Restaurant, das vor allem für seinen Mittagstisch bekannt
ist, und einen kleinen Saal, der gern für kleine Feiern angemietet wird.
(Aus der Thüringer Allgemeine/ Landesausgabe/ Vermischtes vom 17.02.2014)
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