Back to nature - Hosannah`s dsungarische Zwerghamster

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Back to nature - Hosannah`s dsungarische Zwerghamster
Zucht
Back to nature
Artreine Dsungarische Zwerghamster
werden immer seltener
Von Andrea Zachrau
Runde Knopfaugen, süße Fledermausöhrchen, geflecktes Fell: „Feli“
ist zweifelsohne ein Zwerghamster
zum Verlieben. Sie kam aus einem
Animal-Hording-Fall und wurde gemeinsam mit zahlreichen anderen
Nagern gerettet. Jetzt wartet sie in
der Hamsterhilfe Nord auf ein neues
Zuhause. Erkundigen sich Interessenten allerdings nach ihrer Art, kann
die Pflegestelle keine konkrete Antwort geben. Feli ist ein Hybride in der
Dsungarenfarbe Saphir mit der Campbell-typischen Scheckung mottled,
eine Mischung aus beiden Zwerghamsterarten.
Die Kopfform des Dsungarischen Zwerghamsters ist breit und rund, die Augen
stehen weiter auseinander und die
Ohren sind klein und rund.
Foto: A. Zachrau
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Das Schicksal dieses „Nothamsters“
ist kein seltenes in Deutschland.
Mittlerweile sind Hybriden so weit
verbreitet, dass vor allem bei den
Dsungarischen Zwerghamstern (Phodopus sungorus) kaum noch von
Artreinheit gesprochen werden kann.
Unwissenheit von Züchtern und gezielte Verpaarungen für eine größere
Farbvielfalt haben dafür gesorgt, dass
in fast jedem Dsungaren auch Gene
des Campbell-Zwerghamsters (Phodopus campbelli) stecken.
Tatsächlich sehen sich die beiden
Zwerghamsterarten auf den ersten
Blick zum Verwechseln ähnlich. So
herrschte selbst bei Wissenschaftlern
lange Zeit Verwirrung, um welche
Art es sich tatsächlich handelte.
Zum Verwechseln
ähnlich
Bis 1967 galt der Campbell-Zwerghamster (bis dato wissenschaftlich
als Phodopus sungorus campbelli
eingeordnet) als Unterart des Dsungarischen Zwerghamsters (Phodopus sungorus). Die Zoologen glaubten, dass sich die beiden Formen
durch ihre geografische Entfernung
unterschiedlich entwickelt hatten.
Der Dsungarische Zwerghamster ist
in Südwest-Sibirien und NordostKasachstan
beheimatet und hat sich seiner
natürlichen Umgebung perfekt angepasst: Er färbt sich im Winter weiß,
um vor Fressfeinden geschützt zu
sein. Der Campbell-Zwerghamster ist
in der Mongolei und südöstlich des
mittelasiatischen Altai-Gebirges zu
Hause – dort vornehmlich in der
Dsungarei, was für noch mehr Verwirrung in der Namensgebung der
beiden Arten sorgte. Im Gegensatz
zum Dsungaren bekommt er kein
Winterfell.
Russische Forscher (VORONTSOV et al.
1967) stellten dann aber fest, dass
die DNA der beiden Arten deutlich
voneinander abweicht und es sich
damit keinesfalls um Unterarten
handeln kann. Das Y-Chromosom
unterscheidet sich und liegt beim
Campbell auf einer anderen Position
als beim Dsungarischen Zwerghamster. Als das Ergebnis der Forschung
auch außerhalb Russlands bekannt
wurde, korrigierten Zoologen ihre
Annahme, der Campbell-Zwerghamster sei eine Unterart
des Dsungaren.
Seit Mitte der 1980er-Jahre wird er
nur noch als Phodopus campbelli
geführt. Er gehört gemeinsam mit
dem Dsungaren und dem Roborowski-Zwerghamster (Phodopus
roborovskii) der Gattung der Kurzschwanz-Zwerghamster an.
Doch die Erkenntnis, dass es sich bei
Dsungaren und Campbells um zwei
unterschiedliche Tierarten handelt,
sorgte nicht für eine Separierung
der Spezies in der Haltung. Im Gegenteil: Das Genmaterial wurde immer weiter vermischt. Dass besonders der Dsungarische Zwerghamster unter der Kreuzung litt, ist
darin begründet, dass in der reinen
Art nur wenige Farbmutationen vorkommen. Die Kreuzung mit dem
Campbell-Zwerghamster schien willkommen, um eine größere Farbvielfalt zu erreichen.
Riskante Verpaarungen
Die Verpaarung der beiden Arten ist
mit einigen Risiken verbunden. Der
Unterschied des Y-Chromosoms
sorgt dafür, dass die männlichen
Tiere aus einer direkten Verpaarung
Dsungare x Campbell unfruchtbar
sind. Wird ein Dsungaren-Weibchen
mit einem Campbell-Männchen verpaart, kann es bereits während der
Geburt zu Komplikationen kommen,
da der Kopf der Campbells deutlich
größer ist als der des Dsungaren.
Martin Braak, Zwerghamsterzüchter
aus dem holländischen Vroomshoop,
war einer der Ersten, die in den
80er-Jahren gezielt Verpaarungen
Campbell x Dsungare durchführten.
Die Kopfform des Campbell-Zwerghamsters ist eher dreieckig, er hat kleinere,
näher beisammen stehende Augen und
größere, spitzere Ohren. Foto: A. Zachrau
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Hybriden in der Farbe Mushroom sind besonders anfällig für das
Backflipping-Syndrom. Foto: A. Zachrau
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Mittlerweile führt er nicht nur seine
Linie mit artreinen Dsungaren fort,
sondern auch eine mit hybridbasierten Farben. „Bei der direkten
Kreuzung der beiden Arten ähneln
die Nachkommen dem Campbell“,
berichtet er. Um die Farben des
Campbell-Zwerghamsters, aber ansonsten das Aussehen des Dsungaren zu erhalten, werden die darauf folgenden Generationen ausschließlich mit artreinen Dsungaren
verpaart. „Nach fünf Generationen
sehen die Tiere wie Dsungaren aus.
Dann stammen von den 28 Chromosomen nur noch ein bis zwei
vom Campbell.“ Dennoch warnt er:
„Ein Hybrid wird immer ein Hybrid
bleiben.“
In seinen Linien konnte er vor allem
in den direkten Kreuzungen von
Campbells und Dsungaren diverse
Probleme beobachten. Aufgrund der
Vermischung des Genmaterials werden Tiere mit krummen Wirbelsäulen, zu großen Augen und Ohren, zu
langen Schwänzen sowie haarlose
Nachkommen geboren. „Die große
Gefahr besteht darin, dass artreine
mit hybridbasierten Linien vermischt werden und am Ende keine
reinen Tiere mehr vorhanden sind“,
warnt BRAAK. Dann erhöht sich der
Anteil der Campbellgene und damit
auch das Erkrankungsrisiko der
Nachkommen.
Selbst wenn in Wildfangnachzuchten
des Dsungarischen Zwerghamsters
Tiere mit Diabetesproblemen auftauchen, ist ihre Anzahl verschwindend gering. Hybriden indes leiden,
wie auch sehr viele der heutigen
Campbell-Zwerghamster, überdurchschnittlich häufig unter der Zuckerkrankheit. Auch die charakterlichen
Rote Augen deuten auf eine Kreuzung mit einem CampbellZwerghamster hin. Foto: K. Jung
Eigenschaften der Tiere werden
durch die Kreuzung der beiden Arten beeinflusst. So kann es sein,
dass die Hamster bissiger werden –
während die Dsungaren sich eher
durch Schreie verteidigen, reagieren
Campbells schneller aggressiv und
beißen notfalls auch zu.
Artreine Dsungaren
werden immer seltener
Aufgrund der gezielten Rückkreuzung verrät oftmals nur noch die
Fellfarbe, dass es sich um einen Hybriden und keinen Dsungaren handelt. Ein weiteres Indiz sind rote
Augen – die kommen nur beim
Campbell vor. In den hybridbasierten Linien entstanden weitere Mutationen, die die Farbvielfalt des
Dsungaren weiter anwachsen ließen. Dazu gehören Farben wie
Schwarz, Russisch Blau, Gelb-Wildfarben, Chocolate, Dove, Gelb-BlueFawn, Lilac, Champagne, Braun, Beige, Gefleckt. Ständig kommen neue
Varianten hinzu.
Ob unbeabsichtigt oder gezielt: Die
Möglichkeit der Fortpflanzung zwischen beiden Arten hat dafür gesorgt, dass nur wenige Dsungaren
ihren Namen noch verdienen. „Das
Problem ist, dass kaum ein Züchter
sagen kann, ob in seine Tiere irgendwann ein Campbell eingekreuzt
wurde“, berichtet Martin BRAAK. Die
Hybriden sind in Europa so weit verbreitet, dass beispielsweise der
Hamsterzuchtverein in Finnland nur
noch Züchter zulässt, die nachweisen
können, dass ihre Tiere aus einer
neuen, artreinen Linie stammen.
Bleibt die Frage: Ist eine solche Entwicklung tatsächlich wünschenswert? Fakt ist, dass es in der Natur
aufgrund der geografischen Entfernung zu keiner Verpaarung von
Dsungarischen und CampbellZwerghamstern kommen würde.
Ebenfalls bedenklich ist die Tatsache, dass die Kreuzung zu vielen
kranken Tieren geführt hat. Ein besonders erschreckendes Beispiel ist
die Farbe Mushroom (Beige). Sie
entsteht durch die Kombination der
Dsungarenfarbe Saphir mit dem
Moskau-Gen des Campbell-Zwerghamsters, das für eine Aufhellung
der eigentlichen Fellfarbe sorgt. Bei
Mushroom liegt oftmals eine falsche
Koppelung von Genen vor, die zum
sog. Backflipping-Syndrom führt:
Der Hamster erscheint orientierungslos, fällt unkontrolliert um und
schlägt im schlimmsten Fall Purzelbäume rückwärts. Aber auch andere
Erkrankungen wie Diabetes und
Fellprobleme sprechen gegen die
Vermischung der beiden Arten. Dass
es durchaus gesunde Dsungaren in
hybridbasierten Farben gibt, ist
allein gezielter Selektion gewissenhafter Züchter zu verdanken. Da das
allerdings sehr selten ist, kann
durchaus von einem schwerwiegenden Problem innerhalb der Dsungarenzucht gesprochen werden. Mittlerweile ist die Anzahl artreiner Tiere so verschwindend gering, dass
sich jeder, der einen „Dsungaren“
besitzt, zu 99 % sicher sein kann,
dass es ein Hybride und damit eine
von Menschenhand geschaffene
Mischform ist. Bei dieser Zahl wird
deutlich: Der Schritt „zurück zur Natur“ ist dringend erforderlich, um
auch weiterhin vom Dsungarischen
Zwerghamster sprechen zu können.
Denn, wie heißt es so schön: Die
Natur ist der beste Züchter.
Ein Hybride in der Campbellfarbe Choco mit der Ramsnase des
Dsungaren. Die Ohren sind zu groß für einen Dsungaren, die
Augen sind zu klein. Foto: M. Braak
Die hybridbasierende Dsungarenfarbe Russisch-Blau (russianblue). Foto: K. Jung
Nicht nur der Lebensraum unterscheidet den Dsungarischen vom Campbell-Zwerghamster. Wer genau hinschaut, wird auch optisch einige Abweichungen erkennen. Auf den ersten Blick fällt vor allem die Körperform
ins Auge. Während der Dsungare runder erscheint, ist
der Campbell in der Körpermitte schlanker und weist
eine Art Achter-Form auf. Der Aalstrich des Dsungarischen Zwerghamsters ist deutlich dicker und vor allem
im Kopf/Nackenbereich ausgeprägter. Seine Wildfarbe
ist dunkler und braun-grau, die Haare sind dichter und
kürzer als beim Campbell, der eine gelb-braune Wildfarbe hat. Herrschen in der Heimtierhaltung den natürlichen Jahreszeiten angepasste Lichteinflüsse, färben
sich die Dsungaren im Winter weiß. Beim CampbellZwerghamster ist in der dunklen Jahreszeit keine Veränderung des Fells erkennbar. Beide Arten haben die Dreibogenlinie gemein, die an den Körperseiten verläuft,
allerdings ist sie beim Dsungaren ausgeprägter.
Prägnant sind auch die Unterschiede in den Gesichtern.
Der Kopf des Dsungarischen Zwerghamsters ist breit und
rund, im Profil ist er deutlich ramsnasiger, und die Augen sind größer und runder. Der Campbell hat ein spitzeres Profil, von vorne betrachtet wirkt der Kopf länger
und weist eine eher dreieckige Form auf. Die Augen
sind ovaler und näher beisammen. „Die unterschiedliche Form und Lage der Augen sind dem natürlichen
Umfeld angepasst“, erklärt der holländische Dsungarenzüchter Martin BRAAK. „Der Campbell hat Fressfeinde, die
in seine Höhlen eindringen. Die näher zusammenstehenden Augen sorgen dafür, dass er besser nach vorne
schauen kann. Der Dsungarische Zwerghamster fürchtet
eher die Gefahr aus der Luft. Durch die Position seiner
Augen hat er eine Art Rundumsicht und kann so sich
annähernde Greifvögel besser erkennen.“
Die Ohren des Dsungaren sind kleiner und runder.
Deutlich zu erkennen ist eine Falte, die es ermöglicht,
das Ohr flach anzulegen, während der Campbell-Zwerghamster deutlich spitzere und größere Ohren hat, die
meistens aufgestellt sind. Weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Länge des Schwanzes. Beim Dsungaren
ist er kurz und tief angesetzt, beim Campbell länger und
durch den hohen Ansatz deutlicher zu erkennen.
In Sachen Sozialverhalten ist zu beobachten, dass die
Campbell-Zwerghamster ihren Artgenossen gegenüber
verträglicher sind und in größeren Gruppen mit einer
festgelegten Rangordnung glücklich zusammenleben
können. Der Dsungare fühlt sich in der Paarhaltung –
Männchen und Weibchen – am wohlsten. Da diese Konstellationen bei beiden Arten jedoch entsprechenden
Nachwuchs mit sich bringt, sind die Hobbyhalter zur Einzelhaltung übergegangen. Gleichgeschlechtliche Dsungaren harmonieren, selbst wenn es Wurfgeschwister
sind, in den allermeisten Fällen nur für einen kurzen
Zeitraum miteinander. Bei den Campbells gibt es durchaus gleichgeschlechtliche Paare, die ein Leben lang ein
Herz und eine Seele sind.
Ein wichtiger Faktor, der die Vermischung der beiden
Arten beeinflusst hat, ist die Farbmutationsfreudigkeit
des Campbells. Neben sechs Grundfarben gibt es
zahlreiche Kombinationsfarben, Modifizier- und Zeichnungsgene sowie Fellarten. Selbst bei den in Menschenhand gehaltenen Wildfangnachzuchten in der Farbe Agouti können innerhalb kurzer Zeit Farbmutationen
beobachtet werden.
Die allererste Farbmutation des Dsungarischen Zwerghamsters wurde 1988 in England verzeichnet, als das
erste saphirfarbene Tier (grau-blau) geboren wurde.
1989 wurde das Zeichnungsgen Pearl (perlmutt, bzw.
augenscheinlich weiß) entdeckt, Merle (das Tier hat
einen weißen Kragen) folgte 2004. Pearl und Merle sind
keine Farben, sondern Scheckungen, die die eigentliche
Farbe Agouti bzw. Saphir überdecken. Während bei
Pearl nur die Haarspitzen jeweils farbig sind, hat der
Merle auch durchgehend agouti- bzw. saphirfarbene
Haare. Darüber hinaus gibt es die Mutationsfarbe Mandarin und in Kombination mit Saphir Camel, die Anfang
dieses Jahrhunderts auftauchten. Beide Farben stellten
sich als krankheitsanfällig heraus. Bis dato traten selbst
in augenscheinlich gesunden Linien irgendwann Diabetes- oder Gewichtsprobleme auf.
Dsungarischer und Campbell-Zwerghamster
– was unterscheidet die beiden Arten?
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