Innovative Betriebsstrategie für künftige Dieselmotoren

Transcription

Innovative Betriebsstrategie für künftige Dieselmotoren
automotion
02
Innovative Betriebsstrategie für Dieselmotoren
Die IAV-Eigenentwicklung „Advanced Diesel Combustion System (ADCS)“ – Teil 1
Einleitung und Zielstellung
Konventionelle diesel- und ottomotorische Brennverfahren benötigen aufgrund der verschärften zukünftigen
Abgasgesetzgebung bei gleichzeitiger Forderung nach
einer Verringerung des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes
nachgeschaltete Abgasreinigungsanlagen zur Senkung
von NOx, Partikeln, HC und CO. Die zukünftigen EU- und
US-Abgasgesetzgebungen setzen extrem niedrige
Abgasgrenzwerte fest, die mit derzeitigen Dieselmotoren
nicht eingehalten werden können. Aber gerade moderne
Dieselmotoren leisten wegen ihres im Gegensatz zu
Ottomotoren besseren Wirkungsgrades einen deutlichen
Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes.
Die IAV startete im Sommer 2003 ein Eigenentwicklungsprojekt mit dem Ziel, ein Brennverfahren zu entwickeln, das die Abgasrohemissionen auf ein Minimum
reduziert und im Kraftstoffverbrauch unter dem Niveau
eines heutigen direkteinspritzenden Dieselmotors liegt.
Das Problem (Zielkonflikt) wird dabei an der Ursache –
dem Verbrennungsprozess – behandelt, sodass der
Aufwand für eine kostenintensive aktive Abgasnachbehandlung auf ein Minimum begrenzt wird.
Lösung des NOx-/CO2-Zielkonflikts
Lösung des NOx-/Akustik- Zielkonflikts
Niedriger Kraftstoffverbrauch
Verbessertes Ansprechverhalten
(„effiziente Dynamik“)
u Gutes Volllastverhalten
u Minimierung des Kalibrieraufwands
u Ermittlung der Anforderungen an Softund Hardware für EU5 und darüber hinaus für US TIER2 BIN5
u
u
u
u
Technische Zielsetzungen
Um Anforderungen zukünftiger Emissionsrestriktionen für
Dieselmotoren gerecht zu werden, wurde ein mehrschichtiger Ansatz umgesetzt, der die Betriebsarten der
homogenen, teilhomogenen und konventionellen Dieselverbrennung über den Lastbereich vereint.
Aufgrund verfahrensseitiger und konstruktiver Anforderungen wurde als Motorbasis der 4-Zylinder-Reihenmotor
von DaimlerChrysler OM646 2,2 l CDI mit CR-Einspritzsystem gewählt; das Demofahrzeug basiert auf einem EKlasse-Modell von DaimlerChrysler.
Integrativer Lösungsansatz
Für die Brennverfahrensentwicklung im Forschungs- und
Vorentwicklungsstadium sind Motorversuche am Einzylindermotor unverzichtbar. Die IAV nutzt einen selbst entwickelten Einzylinder-Forschungsmotor im Rahmen von
Untersuchungen zu dieselmotorischen Homogen- und
Niedertemperatur-Brennverfahren, beispielsweise zur
Weiterentwicklung des Diesel-Einspritzsystems (IAVTwinCR) oder auch zur Analyse des Potenzials eines voll
Entwurf
Für das innovative Brennverfahren ist die Motorsteuerung
ein entscheidender Baustein. Um das Potenzial der verschiedenen Betriebsarten mit den erhöhten Genauigkeitsanforderungen und den notwendigen Übergängen
zu nutzen, ist die Regelung über verbrennungsrelevante
Signale notwendig. Diese Regelung ist ein entscheidender Faktor für die erreichbare Qualität zukünftiger
Brennverfahren. Für die Umsetzung einer komplexen,
aber beherrschbaren Motorsteuerung wurde eine Modularisierung der Soft- und Hardware verwirklicht.
u FI2RE (universelles Einspritzsteuergerät) für drehzahlsynchrone Steuerungsaufgaben
u TRA (Thermodynamic Realtime Analysis), ein Modul
des FI2RE für die schnelle, hardwarenahe Ermittlung
von zylinderinnendruckbasierten Größen
u HOCCOS® (Homogeneous Combustion Controller
Software), auf MATLAB/SIMULINK basierende
Software für die dSpace Microautobox – übernimmt
die motornahen Regelungsaufgaben, z. B. Regelung
der 2-stufigen Aufladung, der Hochdruck-/Niederdruck-AGR, der Brennlage, sowie die Umschaltung
zwischen den verschiedenen Betriebsarten
u MOVES (Modular Vehicle Software)/ASCET SDSoftware für ETAS M9U – Entwicklungssteuergerät für
die fahrzeugrelevanten Aufgaben im Demofahrzeug
Die Anbindung von verschiedensten Sensoren und
Aktoren wird über modular konfigurierbare, für den Fahrzeugeinsatz geeignete I/O-Boxen realisiert. Im Hinblick
auf die Mess-, Steuerungs- und Regelungsaufgaben
steht somit ein von den OEM unabhängiges und hochflexibles Hard- und Softwaresystem zur Verfügung, das vom
Komponenten- und Einzylinderprüfstand bis hin zum
Demofahrzeug eingesetzt wird.
Konzeptnachweis in einem Demofahrzeug
Konzept
variablen Ventiltriebsystems. Diese Untersuchungen
haben zum Ziel, ein hinsichtlich Wirkungsgrad, Abgasemission und Motorgeräusch zukunftsweisendes dieselmotorisches Brennverfahren und die zugehörige MotorHardware zu spezifizieren, um es abschließend in einem
Vollmotor an einem Demofahrzeug darzustellen.
ADCS-4-Zylinder-Motor auf dem Motorenprüfstand
Diese Module werden Ihnen in der nächsten Ausgabe der
automotion näher vorgestellt.
strategien unter Verwendung des Prototypen-Einspritzsystems von DDS am Einzylindermotor von PSA zur
Folge haben. Zudem ist es der IAV gelungen, mit Shell
einen der führenden Mineralölhersteller als Kooperationspartner zu gewinnen. Wir berichteten über das
Förderprojekt HCCI in der automotion 01/2006.
Tools
Zwischenfazit
Durch den gezielten Einsatz von Berechnungs- und
Simulationstools war es möglich, Versuche auf ein
Minimum zu reduzieren und komplexe technische
Zusammenhänge plausibel darzustellen, um eine
Argumentationsgrundlage für Systementscheidungen zu
liefern. Mit den hier aufgeführten Tools wurde die
Analysetiefe verbessert und die Entwicklungszeit erheblich verkürzt:
Die Emissionsergebnisse vom Abgasrollenprüfstand
sowie die erlebte Performance und Dynamik des Demofahrzeuges auf der Applikationsstrecke bestätigen den
Erfolg des Projektes; die gewonnenen Erkenntnisse fließen bereits in weitere Kunden- sowie Kooperationsprojekte ein. Wir freuen uns darauf, Ihnen in der nächsten
Ausgabe der automotion interessante Highlights zu technischen Ergebnissen des IAV-Eigenentwicklungsprojektes ADCS zu präsentieren.
u Thermosystem
u Motorsteuerungs- und Regelungssystem
u Kraftstoffe
Teams/Zusammenarbeit
Mit der gewählten Projektorganisation wurden bereits zu
Beginn des Projektes Rollen und Verantwortlichkeiten in
Projektteams definiert, die eine standortübergreifende
und interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichen. Es
wurde darauf geachtet, dass im Projektteam das Knowhow der Brennverfahrensentwicklung und der Mechatronik zusammenfließen. Über die zusätzliche Einbindung
externer Partner (z. B. Delphi Diesel Systems, Shell, TU
Berlin) wurde eine langfristige Verbindung zwischen Vorund Serienentwicklung sowie Wirtschaft und Wissenschaft geknüpft.
Modulentwicklung
Folgende Entwicklungsfelder wurden zu Projektbeginn als primär zielführend für das künftige Brennverfahren identifiziert:
u Einspritzsystem
u Ladungswechselsystem (Ventilsteuerung, Aufladung
sowie Abgasrückführung)
Optimierung
Realisierung
u Motorprozesssimulation (0 D/1 D) mit GT-Power und
THEMOS® (Abgasrückführrate, Aufladung, Ladungswechsel, Motorsteuerung)
u 3-D-Strömungssimulation mit Star-CD (Gemischbildung und -verdampfung im Brennraum)
u 1-D-Simulation mit AMESim (Analyse des Einspritzsystems)
u Indizierdatenauswertung des TRA-Moduls mit
FI2RE-GUI
u Applikation von MOVES und HOCCOS® mit dSpace
CalDesk
u Variation chemischer Reaktionsparameter mit Chemkin
u Berechnung zeitabhängiger homogener Reaktionssysteme mit HOMREA
u 1-D-Simulation innerer Rohrleitungsströmungen mit
Flowmaster
Hardwarefestlegung
Motorenprüfstand
Demofahrzeug
Kosten/
NutzenAnalyse
Motorsteuerung und Funktionsentwicklung
Redesign
Simulation
Funktionsentwurf
Entwicklungssystematik am Beispiel des Aufladesystems
Innovationen in Serie
Bewertung
Rollenprüfstand
Serienkonzept
Vorauswahl
Änderung
Kundenprojekte
Durch konsequente Weiterentwicklung des Brennverfahren-Know-hows, daraus abgeleitete Veröffentlichungen und gezielte Akquisitionen ist es gelungen,
Kunden und Partner für gemeinsame Projekte zu gewinnen. Aus der Präsentation der Anforderungen an künftige
Einspritzsysteme entwickelte sich eine Kooperation mit
Delphi Diesel Systems (DDS) mit dem Ziel, ein Prototypensystem für den Nachweis der Brennverfahrensstrategie im Demofahrzeug der IAV zu nutzen. Ferner
werden in einem Verbundprojekt zwischen PSA, DDS
und der IAV Untersuchungen weitergeführt, die aktuell
einen Potenzialnachweis der IAV-TwinCR-Einspritz-
[email protected]
[email protected]
Top 5 der
Veröffentlichungen
u Detroit 2006 „Boost and EGR System for
the Highly Premixed Diesel Combustion“
u Wien 2006 „Variable Ventiltriebe in PkwDieselmotoren – Potenziale, Grenzen und
Realisierungschancen“
u Graz 2005 „Advanced Diesel Combustion
System (ADCS) für Pkw-Dieselmotoren –
Brennverfahren und Steuerungskonzepte“
u Stuttgart 2005 „Grundlegende Untersuchungen zu Low-NOx-Brennverfahren für
Pkw-Dieselmotoren unter Nutzung zusätzlicher Variabilitäten“
u Wien 2004 „Homogenes Dieselbrennverfahren für EURO 5 und TIER2/LEV2 –
Realisierung der modifizierten Prozessführung durch innovative Hardware- und
Steuerungskonzepte“