Rez. CD-ROM: Wulff ueber Waschik/Volkova - H-Soz-Kult
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Rez. CD-ROM: Wulff ueber Waschik/Volkova - H-Soz-Kult
Rez. CD-ROM: Wulff ueber Waschik/Volkova: RGALI .... Waschik, Klaus W.; Volkova, Natalia B: RGALI (Russisches Staatsarchiv für Literatur und Kunst). Vollständiger Archivführer. München: K.G. Saur 1996. ISBN: 3-598-40341-0. Rezensiert von: Wulff, Dr. Dietmar Das Russische Staatsarchiv für Literatur und Kunst (RGALI) gehört zu den großen Archiven der Russischen Föderation. Mit seinen zahlreichen Nachlässen mehr oder weniger bedeutender russischer Künstler und Literaten des 19. und 20. Jahrhunderts, den Archivbeständen von künstlerischen Vereinigungen und staatlichen Kulturorganisationen gehört es für jeden Historiker, der sich mit russischer Kulturgeschichte befaßt, zu den erstrangigen Adressen. Die zu rezensierende CD-ROM verfolgt das ambitionierte Ziel, eine „vollständige Beschreibung von mehr als 2.500 Archivfonds“, im Deutschen würde man besser Archivbestände schreiben, zu liefern. Diese Ankündigung weckt hohe Erwartungen. Die bereits 1996 erschienene CD-ROM, eine Koproduktion des Bochumer LotmanInstitutes für russische und sowjetische Kultur und des RGALI, stellt nur geringe Systemanforderungen. Sie kommt mit einem 486er PC, einer SVGA-Grafikkarte, die 256 Farben unterstützt, sowie einem einfachen CD-Laufwerk aus. Sie läuft unter Windows 3.1 und höher. Die Retrieval-Software läßt sich unter alle Windows-Versionen problemlos und schnell installieren. Das Menü, das in Russisch, Englisch bzw. Deutsch angezeigt werden kann, ermöglicht leichtes Navigieren. Es wird durch Pop-Up-Menüs sinnvoll ergänzt und bietet sowohl indiziertes Suchen als auch eine Volltextsuche, die mit kyrillischen Schriftzeichen oder in einer transliterierten Variante erfolgen kann. Im Ergebnis der Suche erscheint jeweils ein Block mit Ergebnissen, die in kyrillischen Schriftzeichen oder synchron transliteriert, auf jeden Fall aber in russisch, zunächst die Bestandsüberschriften enthalten. Die eigentlichen Suchergebnisse, die Bestandsbeschreibungen, werden allerdings ausschließlich in kyrillischen Fonts ausgegeben, was den Wert dieser Option ohne jeden Zweifel mindert. Der Suchvorgang läuft zügig ab, wenngleich die Ergebnisse gelegentlich überraschen. Läßt man beispielsweise nach dem Schriftsteller Isaak Babel suchen, so werden zwar 5 Bestände benannt, in denen es Dokumente von Babel gibt, nur der Babel-Bestand selbst bleibt unerwähnt. Andere Stichproben ergaben vergleichbare Resultate. Störend wirkt, daß bei einem Wechsel von einem Fenster zum anderen immer das Fenstermenü bedient werden muß, andere Schaltvarianten sind offenbar von den Autoren nicht vorgesehen worden. Das Menü enthält zudem eine ZoomFunktion, die allerdings wenig bewirkt. Dieses Manko wiegt um so schwerer, als die eigentlich wichtigen Informationen über die Archivbestände auf Grund deutlich unterdimensionierter Schriftgröße nach der Installation ohnehin kaum lesbar sind. Da das Menü keine Bearbeitungsfunktion vorsieht und auch die Einstellung der Schriftgröße nicht ermöglicht, brachte bei meiner CD-ROM erst ein Eingriff in die Systemsteuerung des PC (Anzeige - Einstellungen - größere Schriftgröße) mit anschließendem Neustart und unvermeidlichen Folgen für alle anderen Programme Erleichterung. Die Benutzeroberfläche lehnt sich an das auch heute noch existierende Interieur russischer Archive an. Zu sehen sind im klassischen Braun gehaltene Karteischränke, deren Kästen sich per Mausklick öffnen lassen und den Blick auf Karteikarten freigeben. Dies stellt eine angemessene graphische Lösung für eine CD-ROM diesen Typs dar. Sollte allerdings eine Assoziation zum gegenwärtigen Zustand russischer Archive beabsichtigt sein, so geht dies am Ziel vorbei. Ungeachtet aller bestehenden materiellen Probleme macht deren elektronische Präsentation, die Digitalisierung der Findmittel und Bestände sowie der Aufbau von elektronischen Datenbanken erhebliche Fortschritte (1). Die Karteischränke enthalten einen alphabetischen Katalog, eine Auflistung der Bestände in ihrer numerischen Folge sowie einen systematischen Katalog (Nachlässe, Sammlungen, staatliche Einrichtungen, gesellschaftliche Organisationen, Theater und Chöre, Kinostudios, Museen, wissenschaftliche Einrichtungen und Forschungsinstitute, Verlage und Redaktionen). Nach dem Öffnen des jeweiligen Kastens per Mausklick erscheinen zunächst Karteikarten mit dem russischsprachigen oder translite- © H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. rierten Bestandstitel. Mit der Maus kann man nun sowohl in dem jeweiligen Karteikasten blättern als auch einzelne Karteikarten öffnen. Diese Karteikarten stellen das eigentliche Herzstück der CD-ROM dar. Jede Karteikarte besteht aus drei übereinander angeordneten Textabschnitten, bei Nachlässen erscheinen oftmals auch Photographien (insgesamt 500) der Nachlaßgeber. Der obere Textabschnitte enthält Informationen zum Namen des Bestandes, bei Nachlässen zu den Lebensdaten, Vor-, Vaters- und Nachnamen der Nachlaßgeber, zu seinem Umfang und dem Zeitrahmen der erfaßten Dokumente. Dabei fällt auf, daß neben der Bestandsnummer lediglich die Anzahl der in einem Bestand enthaltenen Akten aufgeführt wird. Die im russischen Archivwesen sehr wichtige Kategorie für die Bestandsgröße, die Zahl der opisi (Findbücher, Inventarlisten) indes fehlt. Der mittlere Textabschnitt berichtet über den Bestandgeber, bei Nachlässen über den Nachlaßgeber. Diese Informationen fallen in der Regel recht knapp aus. Bei Isaak Babel z.B. heißt es lapidar: „Schriftsteller“. Gelegentlich werden mehr Informationen geliefert, selten werden Ehrentitel wie „Verdienter Schauspieler (Künstler, Komponist) der UdSSR (RSFSR)” vergessen. Wichtiger erscheinen institutionsgeschichtliche Angaben über Künstlerorganisationen, Verlage, Theater, Orchester, Museen und staatliche Kultureinrichtungen. Der untere Textabschnitt liefert dann die Beschreibung des jeweiligen Bestandes. Sie erfolgt zumeist in Form der Auflistung wichtiger Dokumente und Aktengruppen. Die von den Autoren avisierte Vollständigkeit wird dabei vor allem bei kleinen Beständen erreicht. Der im RGALI aufbewahrte Nachlaß von Isaak Babel besteht z.B. aus lediglich vier Akten - einigen Manuskripten aus dem Jahre 1918, einer Photographie des Autors, den Fragmenten einer Anfang der dreißiger Jahre entstandenen Autobiographie sowie einem für die Zeitschrift „Krasnaja niva“ ausgefüllten Fragebogen von 1926. Damit ist der Nachlaß erschöpfend beschrieben. Der Nachlaß des berühmten Kinoregisseurs Sergej Eisenstein hingegen umfaßt nahezu 4.131 Akten, die selbstverständlich auch auf mehr als 300 Zeilen kaum vollständig beschrieben sein dürften. Die im CoverText vollmundig angekündigte vollständige Beschreibung der Bestände bleibt damit trotz der akkumulativen Erfassung von mehr als 1 Million Dokumenten ein kaum erreichbares Ziel, zumal einige der aufgeführten Bestände mit dem Vermerk versehen wurden, sie seien noch gar nicht archivalisch erfaßt worden. Die CD-ROM erlaubt den Ausdruck der einzelnen elektronischen Karteikarten. Die Nutzung der Informationen leidet allerdings unter einem kapitalen „bug“. Es gelingt nämlich nur mit Mühe, zielgerichtet per Mausklick den richtigen Karteikasten zu öffnen. Wird z.B. der Kasten mit dem Buchstaben Ja angesteuert, öffnet sich der Ch-Kasten, wird O angeklickt, erscheint der Kasten mit Einträgen unter dem kyrillischen Buchstaben Z. Nur wenig besser funktioniert der systematische Katalog. Klickt man hier auf den mit Museen beschrifteten Kasten, erscheinen Karteikarten, die auf Filmstudios und Filmexportfirmen verweisen. Ein System bei der fehlerhaften Auswahl konnte vom Rezensenten nicht ermittelt werden. Es hat zumindest aber den Anschein, als ob der „Klick„bereich für die Maus größer als die Karteischränke dimensioniert wurde. Eine zielgerichtete Recherche wird durch diesen Mangel indes enorm erschwert. Lediglich die numerische Bestandsauflistung funktioniert unfallfrei. Der Fairneß halber sei erwähnt, daß die Probleme mit der Schriftgröße und dem „Ansteuern“ der Karteikästen bei anderen Nutzern der CD-ROM nicht auftraten. Die CD-ROM informiert zuverlässig über die Bestände des RGALI. Gegenüber den gedruckten Bestandsführern, auf denen sie fußt(2), bietet sie den kaum zu überschätzenden Vorteil der Suchoptionen. Sie sollte daher im Arbeitsalltag des mit der russischen Kulturgeschichte befaßten Historikers, Kunsthistorikers, Literatur-, Musik- und Theaterwissenschaftlers und Slawisten, einschlägige Sprachkenntnisse vorausgesetzt, mehr als nur eine willkommene Ergänzung sein. Sie könnte insbesondere bei der Vorbereitung von Archivaufenthalten vor Ort dienen, wenngleich sie das Studium der Findmittel im RGALI selbst natürlich nicht ersetzt. Ihrem Nutzen steht allerdings ein Faktum entgegen, das den Gebrauch der CD-ROM erheblich einschränken dürfte. In Zeiten knapper Kassen und allgegenwärtiger Sparsamkeit wird der völlig © H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. Rez. CD-ROM: Wulff ueber Waschik/Volkova: RGALI .... ungerechtfertigte Preis von DM 980,- für die dünne Scheibe weder Bibliotheken noch Privatpersonen zum Kauf animieren. Ein Flugticket Berlin - Moskau - Berlin (ca. DM 550 bei der Aeroflot) kommt wesentlich günstiger und stellt eine echte Alternative zur teuren CD-ROM dar. Anmerkungen: (1) Vgl. die von Patricia Kennedy Grimsted zusammengestellte ArcheoBiblioBase Archives in Russia unter <http://www.iisg.nl /~abb> sowie die russische Variante unter <http://www.shpl.ru>. (2) Vgl. Centralnyj gosudarstvennyj archiv literatury i iskusstva SSSR: Putevoditel´, 7 Bände, Moskau 1959-1998; Kratkij putevoditel´ po byvëemu specchranu RGALI (po sostojaniju na 1 oktjbrja 1993 g.), Moskau/Paris 1994. Dietmar Wulff über Waschik, Klaus W.; Volkova, Natalia B: RGALI (Russisches Staatsarchiv für Literatur und Kunst). Vollständiger Archivführer. München 1996, in: H-Soz-u-Kult . © H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.