Begleitende Folien zur Vorlesung

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Begleitende Folien zur Vorlesung
Allgemeines Verwaltungsrecht
Sommersemester 2011
Univ.-Prof. Dr. Annette Guckelberger
Verwaltungsrecht
= diejenigen Rechtssätze, welche die Verwaltungstätigkeit, die Organisation und
das Verfahren der Verwaltungsbehörden
regeln.
aber: Normen sind nicht nur für die Personen
relevant, welche in der Verwaltung tätig sind –
oft werden auch die Rechte und Pflichten des
Bürgers gegenüber der Verwaltung geregelt.
Bsp:
§ 28 I VwVfG
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in
die Rechte des Beteiligten eingreift, ist diesem
Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Univ.-Prof. Dr. Annette Guckelberger
Allgemeines VerwR
• vor die Klammer ge-
Besonderes VerwR
• Regelung thema-
zogene Grundsätze,
tisch zusammen-
die für die meisten
hängender Hand-
speziellen Verwal-
lungsfelder der
tungsbereiche einheit-
Verwaltung
lich gelten
o Polizei- und Ord-
o Verwaltungsverfahren (Anhörung)
nungsrecht
o Kommunalrecht
o Handlungsformen
o Beamtenrecht
der Verwaltung
o Baurecht
(Verwaltungsakt
o Umweltrecht
etc.)
o Sozialrecht
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Der Begriff der „Verwaltung“
Beschränkung auf die öffentliche Verwaltung
Verwaltung im organisatorischen Sinn
=
Verwaltungsorganisation bestehend aus der
Gesamtheit der Verwaltungsträger, der Verwaltungsorgane
gen, z. B.
und
Verwaltungseinrichtun-
Bundesverwaltung,
Landesverwaltung,
Gemeinden
Verwaltung im formellen Sinn
=
die gesamte von der Verwaltung ausgeübte
Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihren Inhalt
Verwaltung im materiellen Sinn
=
diejenige Staatstätigkeit, welche die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben zum Gegenstand hat
• negativ: alles, was nicht Gesetzgebung und
Rechtsprechung ist
• positiv: Verwirklichung der Staatszwecke für den
Einzelfall, Sozialgestaltung usw.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Fallbeispiel:
Gerichtspräsident P beurteilt das dienstliche
Verhalten der Geschäftsstellenleiterin.
Wird er dabei als Verwaltung tätig?
Lektüre zum Nachbereiten:
• Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1.
• Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Entwicklung des Verwaltungsrechts
Im absoluten Staat des 17./18. Jahrhunderts:
• Monarch ist rechtlich kaum gebunden, ist für
die „Glückseligkeit“ der Bürger zuständig
Im liberalen Rechtsstaat:
• Staat soll sich auf die Abwehr von Gefahren
beschränken
• Eingriffe in Freiheit und Eigentum nur auf
Grundlage eines Gesetzes
Im 20. Jahrhundert:
• Ausdehnung der Verwaltungstätigkeit,
s. Sozialstaat/Daseinsvorsorge
• Grundgesetz: weitgehende Bindung der
Verwaltung durch
o Art. 1 III GG: an Grundrechte
o Art. 20 III GG: an Gesetz und Recht
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Herausbildung der Verwaltungsrechtswissenschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts:
• zu Beginn staatswissenschaftliche Methode
= Zusammenstellung und Erläuterung der
zahlreichen Rechtsvorschriften
• dann Herausbildung der juristischen Methode:
Herausarbeitung allgemeiner Begriffe
und übergreifender Strukturen
Bedeutender Verwaltungsrechtler:
Otto Mayer
Gleichzeitig entsteht eine spezielle
Verwaltungsgerichtsbarkeit (1863 beginnend in Baden)
Lektüre zum Nachbereiten:
• Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Das Verwaltungsrecht am Anfang des
21. Jahrhunderts:
Herausbildung der so genannten „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“
= Wechsel in der Arbeitsweise
Bisher:
• Rechtsaktszentrierte Sichtweise
• Die Kontrollperspektive der Gerichte steht im Vordergrund
Gründe für die Neuausrichtung:
• „Krise“ des Ordnungsrechts
Vollzugsdefizite
• Gesellschaftlicher und technischer Wandel
Wissensgesellschaft
Bewältigung von Risiken
• Finanznot
• Modernisierung durch Europäisierung und Inter-
nationalisierung
Übergang zur rechtsetzungsorientierten Handlungsund Entscheidungswissenschaft
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Neue Methoden:
•
steuerungstheoretischer Ansatz
nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern auch durch
Informationen, Warnungen und monetäre Anreize
kann das Verhalten gelenkt werden
•
Realbereichsanalyse
= mehr empirische Forschung
•
Wirkungs- und Folgeorientierung
Output-Orientierung
Evaluation
•
Intra- und Interdisziplinarität
•
Arbeiten mit Schlüsselbegriffen und Leitbildern
=
wegweisend für das Denken,
z. B. schlanker Staat, aktivierender Staat
•
Arbeiten mit Referenzgebieten
z. B. Umwelt-, Regulierungs-, Wirtschaftsrecht
Dadurch geraten auch andere Aspekte wie die Organisation, das Verfahren, Personal und die Effizienz in
den Blick!
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Reformansätze der letzten Jahre:
Einführung des New Public Management
„Kundenorientierung“ der Verwaltung
- siehe Bürgerämter
- ab 24.03.2009 Erprobung der einheitlichen
Behördenrufnummer 115 in einzelnen Modellregionen (soll bis zum Jahr 2013 in ganz
Deutschland erreichbar sein)
- Veröffentlichung der Kontaktdaten von Behördenmitarbeitern im Internet
P: Vereinbarkeit mit Persönlichkeitsschutz
E-Government
Deregulierung
Privatisierungen
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Es gibt verschiedene Formen der Privatisierung:
a) Formelle Privatisierung
=
durch Eigengesellschaften der öffentlichen
Hand (AG, GmbH)
b) Funktionale Privatisierung
=
private Dritte werden bei der Leistungserbringung der öffentlichen Hand als Erfüllungsgehilfen einbezogen (Stichwort: Kooperation)
c)
Materielle Privatisierung
=
vollständige
Aufgabenverlagerung
privaten Bereich
- 10 -
in
den
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Fallbeispiel:
Gemeinde G beschließt, künftig nicht mehr den
traditionellen Weihnachtsmarkt abzuhalten. Wenn
daran ein Interesse bestehe, könne dieser künftig
ja von interessierten Privaten veranstaltet werden.
Um welche Art von Privatisierung handelt es sich?
Ist diese Vorgehensweise mit Art. 28 II GG vereinbar?
S. dazu BVerwG, DVBl 2009, 1382 ff.:
Zusammenfassend folgt aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch eine
Pflicht der Gemeinde zur grundsätzlichen Sicherung und Wahrung des Aufgabenbestandes, der zu den Angelegenheiten des
örtlichen Wirkungskreises gehört. Der Gemeinde ist es bei einem derartigen Aufgabenbereich verwehrt, sich der Verantwortung für Veranstaltungen dieser Art endgültig zu erledigen. Sie
muss sich Steuerungs- und Einwirkungsmöglichkeiten zu einer
dem Wohl der Gemeindeeinwohner verpflichteten Durchführung von traditionellen Weihnachtsmärkten vorbehalten (a. A.
Teile der Literatur).
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Momentan:
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Agieren des Staats vor dem Hinter-
grund der aktuellen Wirtschaftskrise
Tätigkeit und Verständnis der Verwaltung wird
durch die jeweiligen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Verhältnisse ihrer Zeit bestimmt!
Zunehmende Internationalisierung und Europäisierung des Verwaltungsrechts:
Europäisches Gemeinschaftsrecht wird vielfach
durch die Mitgliedstaaten und deren Behörden
vollzogen
Gemeinschaftsrecht zeitigt Rückkoppelungseffekte auf das nationale Verwaltungsrecht
Dienstleistungsrichtlinie: Ab 2010 echter Binnenmarkt für Dienstleistungen = stellt in diesem
Kontext auf nationaler Ebene umzusetzende Verfahrensvorgaben auf
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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4. VwVfG-ÄndG:
- Einfügung der §§ 71a ff. VwVfG Verfahren über
eine einheitliche Stelle
=
soll vor allem als „unterstützender Mittler“
zwischen Bürger sowie Unternehmen und
den entscheidungsbefugten Behörden fungieren
=
Vorschriften kommen nur zur Anwendung,
wenn entsprechende Anordnung im Fachrecht
=
Bürger kann wählen, ob er Verfahren über
diese Stelle abwickeln will
Im Saarland ist das Gesetz Nr. 1705 über den
Einheitlichen Ansprechpartner für das Saarland
maßgeblich. Nach § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes
sind Träger des EA-Saar die IHK, die Handwerkskammer, die Ingenieurkammer, die Architektenkammer, die Steuerberaterkammern, die
Rechtsanwaltskammer und die Tierärztekammer
des Saarlandes.
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- § 42a VwVfG: Regelung der Genehmigungsfiktion
§§ 8a–8e VwVfG Europäische Verwaltungszusammenarbeit
- § 8a: soweit nach Maßgabe von Rechtsakten
der Europäischen Gemeinschaft geboten
- § 8b: Sprachenproblem
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Öffentliches Recht
Privatrecht
Bedeutung der Unterscheidung
• § 40 I VwGO:
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in sämtlichen
öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art andernfalls Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichte (§ 13 GVG)
• Amtshaftungsanspruch gegen den Staat nur bei
öffentlich-rechtlicher Tätigkeit (Art. 34 GG, § 839
BGB) andernfalls deliktsrechtlicher Anspruch gegen
den einzelnen Beamten
• § 1 VwVfG: Das VwVfG gilt für die öffentlichrechtliche Tätigkeit der Behörden also nicht
beim gewöhnlichen Bleistiftkauf!
Für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 35
VwVfG) und eines öffentlich-rechtlichen Vertrags (§
54 VwVfG) ist eine Maßnahme auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts erforderlich.
• Die Verwaltung kann öffentlich-rechtliche Ansprüche selbst vollstrecken Bei zivilrechtlichen An-
sprüchen ist erst ein gerichtliches Urteil zu erstreiten,
welches dann z. B. durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt werden kann.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Abgrenzungstheorien
Subordinationstheorie
Öffentliches Recht liegt bei einem Über- bzw.
Unterordnungsverhältnis zwischen zwei Personen vor.
Bsp.: Polizeilicher Platzverweis
Interessentheorie (Ulpian)
Öffentliches Recht liegt bei Normen vor, die einem öffentlichen Interesse dienen. Das Privatrecht schützt Individualinteressen.
Modifizierte Subjektstheorie
Öffentlich-rechtliche Normen wenden sich zwingend an den Staat oder einen Träger öffentlicher Gewalt in dieser Eigenschaft.
Bsp.: Norm zur Entziehung einer Fahrerlaubnis
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Fallbeispiel:
B stellt in seinem Garten eine riesengroße
Werbeanlage auf, die er nachts anstrahlt. Die
Baurechtsbehörde gibt ihm die Entfernung der
Anlage auf, weil dadurch das Stadtbild verunstaltet wird.
Vor welchem Gericht muss B klagen?
BVerwG NJW 2007, 2275 ff. zur Rechtsnatur der Streitigkeit:
Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander
in
einem
hoheitlichen
Verhältnis
der
Über-
/Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt
der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient.
Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlich-rechtlich, wenn die
das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für
jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates sind, das
sich zumindest auf einer Seite nur an einen Hoheitsträger wendet.
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Problemfälle
Hausverbote
Abwehr von Immissionen und Störungen
Ehrenrührige Äußerungen von Beamten
Benutzung öffentlicher Einrichtungen
Bsp.: Ortsverein verlangt von der Gemeinde
die Überlassung der Sporthalle
•„Zweistufentheorie“
1. Stufe Entscheidung über das Ob der Zulassung immer öffentlich-rechtlich
2. Stufe Betrifft das Wie der Zulassung
Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses
Wahlfreiheit der Gemeinde:
o öffentlich-rechtlich
z.B.: Benutzungssatzung,
Gebühr
o privatrechtlich
z.B.: AGB, Entgelt
o im Zweifel öffentlich-rechtlich
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• Ähnliches gilt für Subventionen:
„Verlorene Zuschüsse“ sind nach ü. M. öffentlich-rechtlicher Natur.
• Vergabe öffentlicher Aufträge
BVerwG: Zwei-Stufen-Theorie nur bei einer
Mehrphasigkeit der Aufgabenwahrnehmung!
= Zuordnung zum Privatrecht
• Zuordnung von Verträgen
Bürger B verpflichtet sich in einem Vertrag, dem
BND auftragsrelevante Informationen zu übermitteln. Im Laufe der Zeit entsteht Streit über das
Rechtsverhältnis. Vor welches Gericht muss B im
Streitfall ziehen?
BVerwG NVwZ-RR 2010, 682 ff.
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Privatrechtliches Handeln der Verwaltung
•
Soweit nichts anderes bestimmt ist, kann die Verwaltung wählen, ob sie öffentlich-rechtlich oder
privatrechtlich handeln will („Formenwahlfreiheit“).
•
Unmittelbare Erbringung von Verwaltungsaufgaben
in Privatrechtsform (Verwaltungsprivatrecht)
Bsp.: ÖPNV, Stadtwerke
Uneingeschränkte
Bindung
an
Grund-
rechte und das sonstige öffentliche Recht.
Die Privatrechtsordnung wird lediglich in einzelnen Punkten durch das öR überlagert,
ohne dass das Verwaltungshandeln selbst
dem öR zuzuordnen wäre.
•
Fiskalische Hilfsgeschäfte
Bsp.: Verwaltung kauft Büromaterialien
•
Erwerbswirtschaftliche Betätigung
Bsp.: Der Staat beteiligt sich an einem Unternehmen
•
Vermögensverwaltung
meint den Staat als Eigentümer, z.B. wenn
dieser ein Gebäude vermietet
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P: Inwieweit ist der Staat, wenn er sich des Privatrechts bedient, an die Grundrechte gebunden?
BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 – 1 BvR 699/06 (unbedingt
nachlesen!)
- Die Nutzung zivilrechtlicher Formen enthebt die staatliche
Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gem. Art.
1 Abs. 3 GG.
- Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Gewalt,
sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt. Der Begriff der staatlichen Gewalt ist weit zu verstehen und erstreckt sich nicht nur auf imperative Maßnahmen.
- Art. 1 Abs. 3 GG liegt dabei eine elementare Entscheidung
zugrunde. Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der
Staat prinzipiell gebunden. Der Bürger findet durch die
Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. … Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck
freier subjektiver Überzeugung in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt
vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und
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werden dementsprechend von der Verfassung umfassend an
die Grundrechte gebunden.
- Sobald der Staat eine Aufgabe an sich zieht, ist er bei deren
Wahrnehmung an die Grundrechte gebunden. Dies gilt auch,
wenn er für seine Aufgabenwahrnehmung auf das Zivilrecht
zurückgreift. Eine Flucht in das Privatrecht mit der Folge,
dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als
Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt.
Fragen:
1.
Wie steht es mit der Grundrechtsbindung
öffentlicher Unternehmen, die vollständig
im Eigentum der öffentlichen Hand stehen?
2.
Wie verhält es sich mit der Grundrechtsbindung bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, an denen sowohl private wie
öffentliche
Anteilseigner
beteiligt
sind,
wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden?
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Hinweise zur Nachbearbeitung:
• Detterbeck, Allgem. VerwR, Rn. 11–85, 895–908
• BVerfG, NJW 2006, 3701 ff.; BVerwG, NJW 2007, 2275 ff.
Rechtsquellen des Verwaltungsrechts
geschriebene
ungeschriebene
• GG
• Gewohnheitsrecht
• Gesetze
• Verordnungen
Grundgesetz
• grundlegende Bestimmungen
• erschwert abänderbar (Art. 79 GG)
Gesetze im formellen Sinne
• welche von den verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsorganen im von der Verfassung
vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen
werden
• „Parlamentsgesetze“
o „nur formelles“ Gesetz
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= regelt keine Rechte/Pflichten der Bürger,
z. B. Haushaltsplan
o formelles und materielles Gesetz
= Parlamentsgesetz, das Rechte und Pflichten der Bürger regelt, z. B. BlmSchG
Rechtsverordnungen
• werden von der Exekutive (Regierung, Minister) aufgrund vorheriger Ermächtigung durch den
Parlamentsgesetzgeber erlassen, s. Art. 80 GG,
Art. 104 SVerf.
• Beispiele:
o
Straßenverkehrsordnung
o
Polizeiverordnungen §§ 59 ff. SPolG
BayVerfGH BayVBl. 2011, 173: Der Erlass von Rechtsverordnungen ist abgeleitete Rechtsetzung. Die Verordnung konkretisiert, ermächtigt durch den Gesetzgeber,
den Willen des Gesetzgebers auf einer weiteren Stufe.
Dem VO-Geber steht nach dem Maß der ihm delegierten
Rechtsetzungsbefugnis ein Raum eigener Gestaltungsfreiheit zu.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Satzungen
• von juristischen Personen des öffentlichen
Rechts, z. B. Gemeinde, Universität
• in eigenen Angelegenheiten
• Motive:
o
Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte
o
Sachkunde
• nur bei Verleihung von Satzungsautonomie,
z. B. § 12 I KSVG
o
nur innerhalb Aufgabenbereich
o
Achtung: höherrangiges Recht
o
Gesetzesvorbehalt und Demokratieprinzip
Hinweise zur Nachbearbeitung:
Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 86–99
Verwaltungsvorschriften
= abstrakt-generelle Regelungen, die von übergeordneten Stellen in der Verwaltung an nachgeordnete Stellen ergehen
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Beispiel:
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Verdingungsordnungen (VOB)
primär an Behördenmitarbeiter
norminterpretierende
• Auslegung
von Gesetzesbegriffen
ermessenslenkende
• leiten die Ermessensausübung
normkonkretisierende
• z. B. TA Lärm
TA Luft
• ohne Außenwirkung
• d. h. keine
Bindung des
Bürgers und
der Gerichte
• mittelbare Außenwirkung
• über Art. 3 GG
aber: keine
Gleichheit im
Unrecht
• unmittelbare
Außenwirkung
Fall:
Im Januar wurde auf der Autobahn eine Geschwindigkeitsmessung mittels Videoaufzeichnung durchgeführt. Von X wurde wegen einer
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festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung
ein Bußgeld verlangt.
X hat Bedenken an diesem Vorgang. Die Videoaufzeichnung lasse sich auf keine gesetzliche
Grundlage zurückführen, sondern sei allein
aufgrund einer Anordnung in einer Verwaltungsvorschrift vorgenommen worden.
Was ist von seinen Bedenken zu halten, falls
sein Vortrag richtig ist?
S. auch BVerfG, NJW 2009, 3293 f.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Verhältnis der Normen zueinander
1.
Unionsrecht
2.
Verfassung
3.
Formelle Gesetze
4.
Rechtsverordnungen
-----------------------------------------------1.
Bundesrecht
2.
Landesrecht
3.
Recht der Kommunen
Beachte:
Nach Art. 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht,
d. h. entgegenstehendes Landesrecht ist nichtig.
Seit der Föderalismusreform besteht nach Art. 72
III GG für die Länder in bestimmten Bereichen die
Möglichkeit zur Abweichungsgesetzgebung.
In diesem Fall kommt nicht Art. 31 GG, sondern
Art. 72 III 3 GG zur Anwendung. Das jeweils
spätere Gesetz geht vor. Da es sich nur um einen „Anwendungsvorrang“ handelt, lebt bei der
Aufhebung des Landesrechts das Bundesrecht wieder auf!
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Kollisionsregeln:
• lex posterior derogat legi priori
• lex specialis derogat legi generali
_______________________________
Frage:
Sachbearbeiter B soll über einen Genehmigungsantrag entscheiden. Bei der Bearbeitung
des Falles gelangt er zunehmend zu der Ansicht, dass eine Norm gegen das Grundgesetz
verstößt.
Was soll er tun?
Lektüre zum Nachbearbeiten der Rechtsquellen:
• Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, §§ 63–66
• Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 115–136
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Gemeinschaftsrecht
primäres
sekundäres
• EUV, AEUV, Grundrechtecharta
• Art. 288 AEUV
• Verordnung
• ungeschriebene
• Richtlinie
Gemeinschafts-
• Entscheidung
grundsätze
•
Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts,
s. Ableitung aus Art. 10 II EGV a.F. = jetzt Gebot
der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3
EUV sowie Erklärung 17 der Schlussakte zum
Vertrag von Lissabon
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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EuGH NVwZ 2010, 107 ff.:
Das nationale Gericht muss das innerstaatliche Recht so weit
wie möglich in Übereinstimmung mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts auslegen. Ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht möglich, ist die nationale Behörde
verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu
schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewandt
lässt, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem gemeinschaftsrechtswidrigen Ergebnis führen würde.
EuGH NVwZ 2010, 1419 ff.:
In Anwendung des Grundsatzes der Zusammenarbeit ist das
unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden
und sind die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen ist, unangewandt lässt.
=Jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede
Praxis, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit
des Unionsrechts führen würde, dass dem für die Anwendung
dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen
wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatl. Rechtsvorschriften beiseite zu lassen, die u. U. ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Normen des Unionsrechts bil- 31 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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den, ist mit den in der Natur des Unionsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar.
Vorliegend: BVerfG verwies darauf, dass es nur die Wirksamkeit der Norm am Maßstab des GG prüfen dürfe. EuGH:
Aus dem Anwendungsvorrang und dem Grundsatz effektiven
Rechtsschutzes folgt, dass ein solcher Umstand die Gerichte
nicht daran hindern kann, die genannten Vorschriften in dem
bei ihm anhängigen Rechtsstreit unangewendet zu lassen. Es
kann nämlich nicht zugelassen werden, dass Vorschriften des
nationalen Rechts, auch wenn sie Verfassungsrang haben, die
einheitliche Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen.
P: Ausnahmsweise vorübergehende Anwendung der
Rechtsvorschriften?
Der Gerichtshof verfügt zwar im Zusammenhang mit
Art. 264 Abs. 2 AEUV über die Befugnis, die Wirkungen
der Nichtigerklärung oder der Feststellung der Ungültigkeit einer solchen Handlung auszusetzen, bis die
festgestellte Rechtswidrigkeit mit einer neuen Handlung
behoben wird (Motiv: kein regelungsfreier Zustand, gerechtfertigt durch zwingende Erwägung der Rechtssicherheit, die mit allen betroffenen Interessen zusammenhängen).
EuGH lässt es offen, ob dies in analoger Anwendung
ausnahmsweise auch bei unionswidrigem nationalem
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Recht gelten könnte, wobei über eine solche Aussetzung nur der EuGH entscheiden könnte.
BVerfG, DVBl. 2010, 1229 ff.
Das Recht der EU kann sich nur wirksam entfalten, wenn es
entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht verdrängt. Der
Anwendungsvorrang führt zwar nicht dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht nichtig wäre. Mitgliedstaatliches Recht
kann vielmehr weiterhin seine Geltung entfalten, wenn und
soweit es jenseits des Anwendungsbereichs des Unionsrechts
einen sachlichen Regelungsbereich behält. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts dagegen ist mitgliedstaatliches Recht
grundsätzlich unanwendbar. Der Anwendungsvorrang folgt aus
dem Unionsrecht, weil die Union als Rechtsgemeinschaft nicht
bestehen könnte, wenn die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten nicht gewährleistet wäre.
Anders als ein bundesstaatlicher Geltungsvorrang, wie ihn Art.
31 GG vorsieht, kann der Anwendungsvorrang nicht umfassend
sein. S. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Art. 5 Abs.
1 S. 1, Abs. 2 S. 1 EUV. Das BVerfG ist deshalb befugt, Handlungen der europäischen Organe darauf zu überprüfen, ob sie
aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen oder aufgrund von Kompetenzausübungen im nicht übertragenen Bereich der Verfassungsidentität erfolgen.
Die Ultra-Vires-Kontrolle des BVerfG ist mit der vertraglich dem
EuGH übertragenen Aufgabe zu koordinieren, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des
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Unionsrechts zu wahren. S. einheitliche Anwendung des Unionsrechts, andererseits darf Disposition über die vertraglichen
Grundlagen nicht auf Unionsorgane verlagert werden. UltraVires-Kontrolle muss europarechtsfreundlich erfolgen:
- Vor der Annahme eines Ultra-Vires-Akts der europäischen
Organe ist dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Gelegenheit zur Vertragsauslegung
sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit der Rechtsakte
zu geben.
- Ultra-Vires-Kontrolle erfolgt nur, wenn ersichtlich ist, dass
die Handlungen der europäischen Organe außerhalb der
übertragenen Kompetenzen ergangen sind = der Kompetenzverstoß muss hinreichend qualifiziert sein = kompetenzwidriges Handeln muss offensichtlich sein + der angegriffene Hoheitsakt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaat und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen = die Grenzen
der Rechtsfortbildung werden durch den EuGH überschritten, wo die Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus politische Grundentscheidungen trifft oder durch die Rechtsfortbildung strukturelle Verschiebungen im System konstitutioneller Macht- und Einflussverteilung stattfinden.
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Kontrollfrage:
Eine niederländische Kapitalgesellschaft möchte
in Saarbrücken eine Apotheke betreiben. Nach
dem deutschen ApothG darf jedoch Kapitalgesellschaften keine Apothekenerlaubnis erteilt werden.
Wie hat sich der zuständige Behördenmitarbeiter
zu verhalten, wenn er davon überzeugt ist, dass
die nationale Norm den Grundfreiheiten widerspricht?
S. OVG Saarlouis NVwZ-RR 2008, 95 ff.
Zum Europarecht als Rechtsquelle:
• Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 141–162
• Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 62.
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Das Verwaltungsverfahrensgesetz
§ 1 I VwVfG: Das VwVfG gilt nur für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Behörden.
•
Für Bundesbehörden ist immer das VwVfG
des Bundes maßgeblich.
•
Für Landesbehörden gilt das VwVfG des
Landes bei der Ausführung des Landesrechts.
P: Landesbehörden führen Bundesrecht aus
o § 1 I Nr. 2 VwVfG Bund
o § 1 II VwVfG Bund
o Aber: § 1 III VwVfG
Für die Ausführung von Bundesrecht durch die
Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die ör
Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein VwVfG geregelt ist!
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Im Saarland ist das Saarländische Verwaltungsverfahrensgesetz (SVwVfG) maßgeblich
= Vollgesetz, das weitestgehend mit dem VwVfG des
Bundes übereinstimmt
Beachte:
Während auf Bundesebene in § 1 IV VwVfG normiert
wird, was unter einer „Behörde“ zu verstehen ist, ergibt sich dies im Landesrecht aus § 1 II SVwVfG!
Kontrollfrage:
B bearbeitet im Landratsamt den Antrag des X
auf Erteilung einer Baugenehmigung. Bei seiner
Entscheidung muss er zum einen die LBO, zum
anderen das BauGB beachten.
Welche Verfahrensvorschriften muss er heranziehen?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 72
• Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4
• Gröpl, Lehrbuch Landesrecht, § 2 Rn. 55–58
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Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Gesetzesvorrang:
Die vollziehende Gewalt ist an Gesetz und
Recht gebunden (Art. 20 III GG).
Abweichungsverbot
Anwendungsgebot
Gesetzesvorbehalt
•
Die Verwaltung darf in bestimmten Fällen
Maßnahmen nur treffen, wenn ihr dies in einem formellen Gesetz gestattet wurde.
•
kein Handeln ohne Gesetz
o bei Eingriffen
o Wesentlichkeitstheorie
str. bei Subventionen
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BVerfG NJW 2010, 505 Rn. 136:
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen. Schon aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Schließlich ist die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden.
BVerwG DVBl 2010, 1370
Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln
in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht
anderen Normgebern oder gar der Verwaltung überlassen.
Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen
Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen
Sachbereich und auf die Eigenart des jeweiligen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen.
- 39 -
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P: Geltung in besonderen Gewaltverhältnissen
(bspw. Schüler, Soldaten, Strafgefangene)
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7
Bedeutsame Grundsätze des
Verwaltungshandelns
Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns, § 37 I VwVfG
S. dazu OVG Greifswald NVwZ-RR 2007, 21 ff.
(Beseitigungsanordnung Müll)
VG Gießen, Beschl. v. 15.12.2010: Eine gaststättenrechtliche Verfügung, durch die eine Musikveranstaltung untersagt werden soll, ist mangels hinreichender Bestimmtheit
rechtswidrig, wenn ein Konzessionsinhaber über zwei gaststättenrechtliche Erlaubnisse verfügt und aus dem Untersagungsbescheid nicht hervorgeht, welche der beiden Gaststätten von der Verfügung betroffen ist.
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Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns
1. Welches ist der Zweck des Handelns?
2. Maßnahme geeignet?
3. Maßnahme erforderlich?
4. Maßnahme angemessen?
OVG Saarland LKRZ 2008, 102 ff.:
Weil erst vor kurzem vereinzelte Fans des Fußballvereins X pyrotechnische Gegenstände während eines Fußballspiels gezündet haben, entschließt sich die Polizei zu einer härteren Gangart.
Unter anderem muss sich der einen Vereinsschal
tragende K, der zu den vielen Fans des X-Vereins
gehört, beim nächsten Spiel bei einer polizeilichen Durchsuchung, die ergebnislos blieb, in einer Kabine völlig entkleiden.
- 41 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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War diese Maßnahme korrekt, wenn man das
Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der
Durchsuchung unterstellt?
Willkürverbot
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6
Rechtsnormen
Tatbestand
Bestimmte
Rechtsfolge
Unbestimmte
Rechtsbegriffe Rechtsbegriffe
• voll überprüfbar
• Grundsatz:
voll überprüfbar
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Gebundene
Ermessen
Entscheidung
• voll überprüfbar
• § 114
VwGO
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• Ausnahme:
Beurteilungsspielraum
Bsp.:
§ 21 Nr. 1 SPolG
Die Polizei kann eine Sache sicherstellen, um
eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.
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Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite
•
bestimmte
Bsp.:
•
Sonntag
unbestimmte
Bsp.:
Unzuverlässigkeit, Allgemeinwohl, wichtiger Grund
BVerfG NVwZ 2010, 114 ff.:
Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist grundsätzlich unbedenklich. Dem Bestimmtheitserfordernis ist
genügt, wenn Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können.
• Ermittlung des Sinngehalts durch Auslegung
• Problem: Wie weit reicht die Überprüfungsbefugnis der Gerichte?
o
Früher: Vertretbarkeitslehre
o
Heute:
Grundsätzlich
voll
überprüfbar
(Art. 19 IV GG)
Ausnahme: Normative Einräumung eines Beurteilungsspielraums, z. B. § 71 V
2 GWB, § 3a S. 4 UVPG
- 44 -
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Beurteilungsspielraum der Verwaltung
•
Prüfungsentscheidungen / prüfungsähnliche
Entscheidungen (VG Saarland NVwZ-RR 2008,
791 f.: auch bei Grundschulempfehlungen)
•
Dienstrechtliche Beurteilungen
•
Entscheidungen unabhängiger, pluralistisch
zusammengesetzter Gremien
•
Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen im Umwelt- und Technikrecht
BVerwG Urt. v. 24.11.2010 – 6 C 16/09 zur „KeK“ =
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, welche die Einhaltung der Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen überprüfen soll:
Der Begriff der „vorherrschenden Meinungsmacht“ ist ein
unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Konkretisierung die
KEK über einen Beurteilungsspielraum verfügt. Zwar haben
grds. die Gerichte die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden uneingeschränkt zu überprüfen. Doch kann ein
gesetzlich vorgegebenes Entscheidungsprogramm wegen
der hohen Komplexität der geregelten Materie so vage und
seine Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle
an ihre Funktionsgrenze stößt. Vor diesem Hintergrund hat
das BVerwG dem Gesetz u. a. dann eine Beurteilungser- 45 -
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mächtigung für die Exekutive entnommen, wenn der von
ihr zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende
Elemente anhaften und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das mit
besonderer fachlicher Legitimation in einem besonderen
Verfahren entscheidet, zumal wenn es sich um ein Kollegialorgan handelt, das mögliche Auffassungsunterschiede bereits in sich zum Ausgleich bringt und die zu treffende Entscheidung damit zugleich versachlicht.
•
Folge: reduzierte Kontrollkompetenz der Gerichte und zwar in Bezug auf
o die Einhaltung von Verfahrensvorschriften
o die zutreffende Sachverhaltsermittlung
o die Beachtung allgemeiner Bewertungsmaßstäbe
o keine sachfremden Erwägungen
Kontrollfrage:
Die Leistungen des S wurden in der 1. Juristischen Staatsprüfung mit 3,7 Punkten bewertet.
S wendet ein, am zweiten Prüfungstag habe er
wegen Baggerarbeiten keine volle Leistung erbringen können. In der vierten Klausur habe der
Prüfer die von ihm eingenommene Position als
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falsch bewertet, obwohl diese in der Literatur
mehrfach vertreten werde.
Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Gerichtsverfahrens?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 68 Rn. 1-5, 10-12
• Detterbeck, AVwR, Rn. 303-309, 348-379
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Die Rechtsfolgenseite
•
Gebundene Entscheidung
o
Bsp. § 6 I BImSchG: Die Genehmigung ist zu
erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich
aus § 5 ergebenden Pflichten erfüllt werden.
•
Ermessen
o
Die Verwaltung wird nicht auf eine bestimmte
Rechtsfolge festgelegt, sondern kann zwischen
verschiedenen Verhaltensweisen wählen.
o
Bsp. § 82 I LBO: Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften
errichtet, kann die Bauaufsichtsbehörde ihre
Beseitigung anordnen.
Entschließungser-
Auswahlermessen
messen
„Ob“ überhaupt
- 48 -
„Wie“
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Anforderungen an die Ermessensausübung
•
§ 40 VwVfG: Die Behörde hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
•
Gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen: § 114 VwGO
keine Überprüfung der Zweckmäßigkeit
Kontrolle hinsichtlich bestimmter Ermessensfehler:
• Ermessensnichtgebrauch
• Ermessensüberschreitung
• Ermessensfehlgebrauch
•
Ermessensreduzierung auf Null
=
wenn nur eine einzige Entscheidung richtig ist
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Kontrollfrage:
B hat sein Auto falsch geparkt. Daraufhin ordnet Polizist P das Abschleppen des Fahrzeugs
an. Er ist der Ansicht, in derartigen Fällen stets
zum Einschreiten verpflichtet zu sein.
Ist seine Entscheidung rechtmäßig?
§ 8 Abs. 1 SPolG: Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen
Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.
Kontrollfrage:
Seit Monaten mehren sich Hinweise von Tierschutzvereinen und von
Spaziergängern, dass Landwirt L seine Rinder völlig vernachlässigt und
auch quält. Wie sieht es mit den Reaktionsmöglichkeiten des zuständigen Veterinäramts aus?
§ 16a TierSchG: Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung der festgestellten Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen
treffen.
S. dazu VG Saarland, LKRZ 2011, 61 ff.
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Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 69
• Detterbeck, AVwR, Rn. 311-336
Objektives Recht
Summe aller Rechtssätze
Subjektives öffentliches Recht
Stellt einen Ausschnitt aus dem Kreis des objektiven Rechts dar.
Rechtssatz des öffentlichen Rechts, der einer Person die Rechtsmacht verleiht, vom Staat ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen.
Große Bedeutung (s. § 42 II VwGO, Art. 19 IV GG)
BVerfG BayVBl. 2009, 690:
Allerdings eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG nur demjenigen den
Rechtsweg, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist. Es genügt weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, in denen der Einzelne nur aus Gründen des Allgemeininteresses begünstigt wird. Denn Art. 19 Abs. 4 GG garantiert dem Bürger keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle
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der Verwaltung, sondern trifft eine Systementscheidung für
den Individualrechtsschutz.
Unter Umständen explizite Einräumung
- § 3 I 1 BBesG: Die Beamten … haben einen
Anspruch auf Besoldung.
- § 1 I 1 (S)IFG Jeder … hat einen Anspruch auf
Zugang zu amtlichen Informationen.
Sonst: Auslegung nach Schutznormtheorie:
•
Die Norm muss die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten verpflichten.
•
Die Norm muss zumindest auch den Schutz
der Interessen des Einzelnen bezwecken,
so dass er die Einhaltung des Rechtssatzes verlangen kann.
kumulative Voraussetzungen
Verwaltungsrechtsverhältnis
= Die sich aus einem konkreten Sachverhalt aus einer verwaltungsrechtlichen Rechtsnorm ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten.
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Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 71
• Detterbeck, AVwR, Rn. 394-416
Der Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG)
Funktionen:
• Klarstellungs- und Stabilisierungsfunktion
• Prozessuale Bedeutung
o früher: Rechtswegeröffnung
o heute: spezielle Klagearten bei VA
auf Aufhebung eines VA: Anfechtungsklage § 42 I Alt. 1 VwGO
auf Erlass eines VA: Verpflichtungsklage § 42 I Alt. 2 VwGO
o bei beiden Klagearten:
Erfordernis eines Vorverfahrens §§
68 ff. VwGO
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Klagefrist § 74 VwGO
• Titelfunktion
Die einzelnen Merkmale des VA
Maßnahme
•
jedes Handeln mit Erklärungswert
hoheitlich
•
wird einseitig erlassen
•
Gegenbegriff: Vertrag
P:
mitwirkungsbedürftiger VA
wenn VA nur mit Zustimmung des Bürgers erlassen werden kann
Behörde
•
§ 1 IV VwVfG: Behörde ist jede Stelle, die
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt
•
funktionale Betrachtung
- 54 -
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auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
•
wenn die Maßnahme aufgrund einer öffentlichrechtlichen Norm erlassen wird
•
Gegenbegriff: privatrechtliches Handeln
P: privatrechtsgestaltender VA
Regelung
•
zur unmittelbaren Setzung einer Rechtsfolge, d. h. Begründung, Änderung, Aufhebung
oder Feststellung von Rechten oder Pflichten
•
Gegenbegriff: unverbindliche Maßnahmen
•
Der Regelungscharakter wird verneint bei:
o Realakten
rein tatsächliche Verwaltungshandlungen, z. B. Beseitigung Verkehrshindernis, Auskünfte
o Vorbereitungs- und Teilakten
Ohne abschließende Regelung, z. B. Ladung zur mündlichen Prüfung
P: Noten
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o rechtserheblichen
Willenserklärungen
ohne anordnenden Charakter
z. B. Erklärung der Aufrechnung
P: feststellender Verwaltungsakt
BVerwG: Ob eine Maßnahme die Kriterien des § 35 VwVfG erfüllt, ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten
Maßstäben nach ihrem objektiven Erklärungswert zu bestimmen. Maßgebend ist, wie der Empfänger die Erklärung unter
Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss. Unklarheiten gehen zu Lasten
der Verwaltung.
Zu Recht stellt das Gericht darauf ab, dass feststellende Regelungen durch ein spezifisches Abgrenzungsbedürfnis gegenüber
bloßen Begründungselementen eines Bescheides gekennzeichnet sind. Für einen feststellenden VA ist kennzeichnend, dass
er sich darauf beschränkt, das Ergebnis eines behördlichen
Subsumtionsvorgangs verbindlich festzuschreiben. Ist eine Erklärung im Verhältnis von Staat und Bürger darauf gerichtet,
bestehende Unsicherheiten zu beseitigen, indem sie die generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes verbindlich konkretisiert und/oder individualisiert, so legt die Verwaltung fest,
was im Einzelfall rechtens ist, und trifft damit eine Regelung
mit Außenwirkung.
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VG Köln, Urt. v. 19.7.2007:
Student S wird bei seinem Antrag auf Immatrikulation ein Überweisungsauftrag / Zahlschein
für die Studiengebühren ausgehändigt.
Handelt es sich dabei um einen Verwaltungsakt?
Einzelfall
•
Gegenbegriff: Rechtsnormen, die eine Regelung für eine unbestimmte Zahl von Personen
in einer unbestimmten Zahl von Fällen enthalten („generell – abstrakt“).
unmittelbare Außenwirkung
•
Gegenbegriff: verwaltungsinterne Regelungen, z. B. Anweisung an eine nachgeordnete
Stelle, der Firma F die Verwendung bestimmter Chemikalien zu untersagen.
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P: Anordnungen gegenüber Beamten
wenn hinsichtlich Grundverhältnis: VA (+)
wenn hinsichtlich Betriebsverhältnis: VA (–)
Kontrollfragen:
Polizist P erhält ein Schreiben seines Dienstvorgesetzten. Darin wird er aufgefordert, seine
Frisur zu ändern, weil sein Karl-Lagerfeld-Zopf
nicht den Verwaltungsvorschriften über das
Erscheinungsbild von Polizisten entspricht.
Handelt es sich hierbei um einen VA?
S. BVerwG NVwZ-RR 2007, 781 ff.
Nach einem jähzornigen Anfall gegenüber seinem Vorgesetzten wird Polizist P die Dienstwaffe entzogen. Kann P dagegen mit einer Anfechtungsklage vorgehen?
S. VG Wiesbaden NVwZ-RR 2007, 528 f.
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P: Rechtsnatur von Organisationsakten
betreffen den Aufbau, die Struktur oder Kompetenzen juristischer Personen des öffentlichen Rechts
P: Mitwirkung mehrerer Behörden
beim Erlass eines VA
bei Anhörung oder Einholung der Stellungnahme einer anderen Behörde: kein VA
bei Zustimmung, Einvernehmen der anderen Behörde
VA, wenn dieser aus-
kein VA = in allen üb-
schließlich die Wahr-
rigen Fällen interner
nehmung best. Ge-
Natur
sichtspunkte übertragen ist
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 74 Rn. 1-17
• Detterbeck, AVwR, Rn. 420-463, 483-495
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Allgemeinverfügung § 35 S. 2 VwVfG
= Sonderfall eines Verwaltungsakts
•
adressatenbezogene Allgemeinverfügung
o
richtet sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis
o
Bsp.: Auflösung einer Demonstration
P: Abgrenzung zu Rechtsnormen, die
abstrakt-generell sind
OVG Saarland NVwZ 2011, 190 f.: Auch eine Allgemeinverfügung i.S.v. § 35 S. 2 VwVfG wird durch die Begriffsmerkmale
des VA geprägt; sie weist lediglich hinsichtlich der Regelungsadressaten Besonderheiten auf. Maßgebliches Kriterium für die
Abgrenzung eines VA von einer Rechtsnorm ist die Regelung
eines Einzelfalls. Materiell-rechtlich liegt somit nur dann eine
Allgemeinverfügung vor, wenn sachlich im Kern eine Einzelfallregelung getroffen wird, d. h. ein konkreter sachlicher Regelungsgehalt gegeben ist. Eine Allgemeinverfügung wird dadurch
charakterisiert, dass zwar im Zeitpunkt ihres Erlasses die Zahl
der Adressaten, die von ihr unmittelbar betroffen sind, nicht
feststeht, sich jedoch alle von dieser Regelung Betroffenen
durch ihre Beziehung zum konkreten Sachverhalt definieren
lassen. Bei einer Allgemeinverfügung handelt es sich ihrem
Wesen nach somit um eine generell-konkrete Regelung, d.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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h. eine Regelung, die sich an eine unbestimmte Anzahl von
unmittelbaren personalen Adressaten für einen bestimmten
Sachverhalt richtet. Wird hingegen eine abstrakt-generelle Regelung für eine unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten und
die Personen getroffen, ist die Wahl der Form Allgemeinverfügung rechtlich nicht zulässig. Die Konkretheit der Regelung
unterscheidet die personenbezogene Allgemeinverfügung von
der Rechtsnorm.
•
•
sachbezogene Allgemeinverfügung
o
betrifft öffentl.-rechtl. Eigenschaft einer Sache
o
Bsp.: Widmung einer Straße
Benutzungsregelung
o
regelt die Rechte und Pflichten der Benutzer einer Sache durch die Allgemeinheit
o
Bsp.: Bibliotheksbenutzungsordnung
Beachte: Es gelten die Vorschriften über VAe!
•
Ausnahmen:
§ 28 II Nr. 4 VwVfG
§ 41 III 2 VwVfG
§ 39 II Nr. 5 VwVfG
Kontrollfragen:
- Welche Rechtsnatur haben Verkehrszeichen?
- Im Amtsblatt des Saarlandes wird folgende Regelung veröffentlicht:
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„Das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher
Glücksspiele
in
Telemedien-
Angeboten privater Anbieter auf dem Gebiet des Saarlandes wird hiermit untersagt.“
S. dazu VG Saarland, ZfWG 2010, 226 f. einerseits und OVG Saarland, NVwZ 2011, 190 f.
andererseits.
Siehe dazu:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 464–473;
• Maurer, AVwR, § 9 Rn. 29–36;
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 74 Rn. 19–22.
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Typologie der Verwaltungsakte
nach dem Inhalt des VA
•
befehlende VAe
•
rechtsgestaltende VAe
•
feststellende VAe
nach den Rechtswirkungen des VA
•
begünstigende VAe
•
belastende VAe
P: Verwaltungsaktsbefugnis für belastende VAe?
Von einem VA mit Drittwirkung spricht man, wenn
der VA seinen Adressaten begünstigt und zugleich
andere belastet.
Beispiele:
- Baugenehmigung
- Ernennung des in einem Stellenbesetzungsverfahren erfolgreichen Bewerbers,
weil er zugleich in die Rechte der unterlegenen Bewerber eingreift, BVerwG ZBR
2011, 91 ff.
Nach dem Regelungsobjekt des VA
• personale VAe, z. B. Fahrerlaubnis
• dingliche VAe, z. B. Baugenehmigung
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Die Unterscheidung wird vor allem bei der Frage der
Rechtsnachfolge relevant, etwa ob ein VA auf den
Erben übergeht. Voraussetzung für den Eintritt der
Rechtsnachfolge sind die Nachfolgefähigkeit der
Rechtsposition und das Vorliegen eines
Nach-
folgetatbestandes.
Zur Nachfolgefähigkeit:
Keine Rechtsnachfolge bei höchstpersönlichen Verwaltungsakten, wohl aber, wenn sie auf eine vertretbare Handlung gehen.
Zum Nachfolgetatbestand:
Dieser kann sich aus dem Gesetz, einem Verwaltungsakt oder Rechtsgeschäft ergeben.
Keine Probleme, wenn die Rechtsnachfolge wie in
§ 4 III BBodSchG spezialgesetzlich geregelt ist.
Fehlt eine gesetzliche Regelung, vertritt die Rspr.
den Standpunkt, dass dingliche VAe sozusagen an
der Sache haften und mit dieser auf den Rechtsnachfolger übergehen.
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Vorläufige VAe
•
§ 11 I 1 GastG: Personen, die einen erlaubnisbedürftigen Gaststättenbetrieb von einem anderen übernehmen wollen, kann bis zur Erteilung der Gaststättenerlaubnis eine vorläufige
Gaststättenerlaubnis erteilt werden.
BVerwG GewArch 2010, 113 ff.:
Auch der vorläufige VA ist ein VA i.S.d. §§ 35 ff. VwVfG.
Seine Besonderheit liegt nicht in seiner Art oder Form,
sondern allein in seinem Regelungsinhalt. Genauer ist daher nicht von einem „vorläufigen VA“ zu sprechen, sondern
von einem VA, der eine nur vorläufige Regelung trifft.
Es gibt im vorliegenden Zusammenhang keine gesetzliche
Regelung, die der Behörde eine solche Entscheidung verbieten würde, insbes. ist die Aufzählung der Typen von Nebenbestimmungen in § 36 II VwVfG nicht abschließend.
Die Behörde darf allerdings eine Regelung nicht beliebig
nur vorläufig treffen, sondern nur, wenn ihr eine bestehende tatsächliche Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt.
Der Vorbehalt endgültiger Regelung bewirkt, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch
die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann,
ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49
VwVfG gebunden zu sein.
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Der Adressat hat Anspruch darauf, dass die Behörde die
vorbehaltene Nachprüfung unverzüglich vornimmt, sobald
der Grund für den Vorbehalt entfallen ist.
VAe in gestuften Verfahren
•
Vorbescheid
o § 76 S. 1 LBO: Vor Einreichung des Bauantrags ist auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen seines Bauvorhabens ein
Vorbescheid zu erteilen.
•
Teil(bau-)genehmigung
o gestattet die Realisierung des genehmigten Teils!
o § 75 I LBO: Ist das Gesamtvorhaben
grundsätzlich
genehmigungsfähig,
kann
vorab für die Baugrube und für einzelne
Bauteile … auf schriftlichen Antrag eine
Teilbaugenehmigung erteilt werden.
mehrstufiger VA
•
wenn für den Erlass des VA die interne Mitwirkung einer anderen Behörde erforderlich ist,
z. B. gemeindl. Einvernehmen, § 36 BauGB.
- 66 -
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mitwirkungsbedürftiger VA
•
bezogen auf den Bürger (Beamtenernennung)
Zusicherung § 38 VwVfG
•
Versprechen der Verwaltung, später einen
bestimmten VA zu erlassen/unterlassen
•
bedarf der Schriftform
•
str., ob selbst VA
Beachte: „Zusage“
= wenn ein sonstiges Verwaltungshandeln versprochen wird
Im Gegensatz dazu beinhaltet eine Auskunft
eine bloß unverbindliche informative Mitteilung.
wiederholende Verfügung
Zweitbescheid
Lektüre zum Nachbearbeiten:
a) Zur Typologie der Verwaltungsakte
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 77
• Detterbeck, AVwR, Rn. 497–536
b) Zur Rechtsnachfolge
• Detterbeck, AVwR, Rn. 417 ff.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Nebenbestimmungen zum VA
akzessorisch zum jeweiligen GrundVA
Arten: s. § 36 II VwVfG
• Befristung: zeitlich gewisses Ereignis
• Bedingung: ungewisser Eintritt eines zukünftigen Ereignisses
• Widerrufsvorbehalt
• Auflage: dem Begünstigten wird ein Tun,
Dulden
oder
Unterlassen
vorgeschrieben
ist selbst ein VA!
• Auflagenvorbehalt
Abgrenzungsregel:
Die Bedingung suspen-
diert, zwingt aber nicht. Die Auflage zwingt,
suspendiert aber nicht.
Beachte: Die modifizierende Auflage ist keine Neben-, sondern eine Inhaltsbestimmung!
• Bsp.: Beantragt wurde die Genehmigung eines Hauses mit Giebeldach, genehmigt wurde
die Errichtung eines Hauses mit Flachdach.
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Zulässigkeit von Nebenbestimmungen
Spezialbestimmung
z. B. § 5 GastG, § 13 WHG
Ist die Regelung abschließend?
Wenn nein bzw. keine spezielle Regelung
Allgemeine Regelung § 36 VwVfG
Absatz 1
Absatz 2
• wenn gebundener
• wenn Ermessens-
VA nur unter einen-
VA
genden Voraussetzungen
• in beiden Fällen Ermessen, ob eine Nebenbestimmung beigefügt wird!
- 69 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Frage:
Die zuständige Behörde erteilt eine Baugenehmigung mit der Maßgabe, sechs PKWStellplätze zu schaffen.
Worum handelt es sich bei diesem Zusatz?
Ist er isoliert anfechtbar?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 78
• Detterbeck, AVwR, Rn. 643–664
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Der Erlass des VA
Inhaltliche Bestimmtheit § 37 I VwVfG
Form
•
§ 37 II VwVfG: schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise
o Nur wenn keine spezialgesetzlich besondere Formanforderung, § 73 II 1 LBO
Schriftform der Baugenehmigung
o Beachte beim elektronischen Verfahren §
3a VwVfG:
– Nur wenn Empfänger einen Zugang eröffnet hat!
– Bei durch Rechtsvorschrift angeordneter
Schriftform bedarf es grundsätzlich einer
qualifizierten elektron. Signatur!
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BVerwG NVwZ 2011, 364:
Mit dieser Anforderung will der Gesetzgeber einen
fälschungssicheren
elektronischen
Rechtsverkehr
gewährleisten und sicherstellen, dass die Signatur
des Dokuments durch die Person erfolgt ist, der
diese zugeordnet ist. … bietet die qualifizierte elektronische Signatur den höchsten Grad an Sicherheit,
während das bloße Anfügen einer eingescannten
Unterschrift an ein Dokument eine sichere Authentifizierung nicht gewährleistet, da diese beliebig kopierbar ist und anderen Dokumenten angefügt werden kann.
o
Zum Teil wird die elektronische Form ganz
ausgeschlossen, zum Teil werden niedrigere
Anforderungen gestellt („schriftlich oder elektronisch“).
Beachte § 71e S. 1 VwVfG n. F.:
Das „Verfahren nach diesem Abschnitt“ wird auf Verlangen in elektronischer Form abgewickelt
= wenn der Bürger einen entsprechenden Antrag stellt,
muss elektronisch kommuniziert werden.
- 72 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Begründung des VA § 39 VwVfG
•
Abs. 1:
Bei
schriftlichem
oder
elektroni-
schem VA Begründungspflicht, Abs. 2: Ausnahmen
•
Beachte:
Wurde dem VA keine Begrün-
dung beigegeben, kann dieser Fehler nach
§ 45 I Nr. 2 VwVfG geheilt werden!
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 79 Rn. 1–4
Bekanntgabe des VA § 41 VwVfG
•
wissentliche und willentliche Eröffnung
des Inhalts des VA
•
Abs. 2:
Bekanntgabezeitpunkt
•
Abs. 3, 4:
öffentliche Bekanntgabe
- 73 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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P: Bekanntgabe bei Verkehrszeichen
= Allgemeinverfügungen
BverwG JZ 2011, 152 ff.
Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen
Spezialvorschriften der StVO durch Aufstellen des Verkehrsschildes. Sind die Verkehrszeichen so aufgestellt
und angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen
Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick
erfassen kann, äußern sie ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht.
P: Ab wann läuft die Anfechtungsfrist?
a) ab Aufstellung des Verkehrszeichens gegenüber jedem = Berücksichtigung späterer Änderungen über
§ 51 VwVfG
- 74 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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b) BVerwG:
Die Frist wird vielmehr erst dann ausgelöst, wenn
sich der Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung
des Verkehrszeichens gegenübersieht. Jedes andere
Verständnis geriete in Konflikt mit Art. 19 Abs. 4
GG, der es verbietet, den Rechtsschutz in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Liefe die Anfechtungsfrist für jedermann schon mit der Aufstellung des
Verkehrszeichens, könnte ein Verkehrsteilnehmer,
der erstmals mehr als ein Jahr später mit dem Verkehrszeichen konfrontiert wird, keinen Rechtsschutz
erlangen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war er an
der Einlegung eines Rechtsbehelfs mangels individueller Betroffenheit nach § 42 Abs. 2 VwGO gehindert, danach würde ihm der Ablauf der einjährigen
Anfechtungsfrist entgegengehalten.
•
Abs. 5:
Zustellung
o immer wenn gesetzlich vorgeschrieben
(§ 73
III VwGO) oder von der Behörde angeordnet
o s. dazu näher das VwZG
- 75 -
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Achtung:
VwZG Bund gilt für Bundesbehörden – für Landesbehörden ist LandesVwZG, im Saarland also
das SVwZG maßgeblich!
SVwZG ist ein Rumpfgesetz = verweist dynamisch auf das VwZG Bund!
Mögliche Zustellungsformen
• durch die Post mittels Postzustellungsurkunde,
§ 3 VwZG
• durch die Post mittels Einschreiben,
§ 4 VwZG
• durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis,
§ 5 VwZG
o beachte die Vorschriften zur Heilung von Zustellungsmängeln (§ 8 VwZG)!
- 76 -
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Achtung:
Der VA wird gegenüber dem Einzelnen erst dann
wirksam = verbindlich, wenn er ihm bekannt gegeben wurde (§ 43 I VwVfG).
Ein VA ist aber bereits in dem Moment existent, in
dem er auch nur einer Person gegenüber bekannt
gegeben wurde = dann kann er angefochten werden.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 551–562
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 79 Rn. 13–15
- 77 -
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§ 42a VwVfG Genehmigungsfiktion
Abs. 1 S. 1:
Eine beantragte Genehmigung gilt nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt, wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist.
Beispiel:
§ 64 III 1 LBO: Über den Bauantrag ist innerhalb
von drei Monaten nach Eingang des vollständigen
Antrags zu entscheiden. … Die Baugenehmigung
gilt als erteilt, wenn über den Bauantrag nicht innerhalb der Frist entschieden worden ist.
= obwohl keine Maßnahme, d. h. keine schriftliche Genehmigung vorliegt, wird nach Ablauf
der Frist so getan, als hätte der Antragsteller
eine Baugenehmigung erhalten = Fiktion eines
VA
- 78 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Auf diesen finden gem. § 42a I 2 VwVfG die Vorschriften über die Bestandskraft und über das
Rechtsbehelfsverfahren entspr. Anwendung
= der fingierte VA kann wie ein gewöhnlicher VA
angefochten oder unter den Voraussetzungen
des § 48 VwVfG zurückgenommen werden.
§ 42a III VwVfG:
Auf Verlangen ist demjenigen, dem der VA hätte
bekannt gegeben werden müssen, der Eintritt der
Genehmigungsfiktion schriftlich zu bescheinigen.
Merke:
Bescheinigung holt nicht die fingierte Entscheidung nach – ist feststellender VA, da mögliche
Zweifel über den Eintritt der Genehmigungsfiktion
und den maßgeblichen Zeitpunkt beseitigt werden.
S. dazu Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1, 7 f.
- 79 -
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Wirksamkeit des VA
§ 43 I VwVfG: beginnt mit Bekanntgabe VA.
§ 43 II VwVfG: endet, wenn der VA zurückgenommen,
widerrufen,
anderweitig aufgehoben
oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Frage: Auswirkungen von Fehlern
bei Nichtigkeits-
bei den übrigen Feh-
grund
lern
• § 43 III VwVfG ist
• Einlegung von
der VA unwirksam
Rechtsbehelfen
(+)
Widerspruchs-
(-)
Bestandskraft
behörde bzw.
Gericht hebt den
VA auf
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 542–550, 563–568
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 81 Rn. 1–4
- 80 -
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Nichtigkeit eines VA
Prüfungsreihenfolge
1. Liegt ein absoluter Nichtigkeitsgrund i.S.d.
§ 44 II VwVfG vor?
2. Liegt ein Fehler i.S.d. § 44 III VwVfG vor, der nie
zur Nichtigkeit führt?
3. Nichtigkeit nach der Generalklausel des § 44 I
VwVfG, weil es sich um einen Fehler handelt, der
• besonders schwerwiegend
für Rechtsordnung schlechthin unerträglich
• offensichtlich
für einen Durchschnittsbeobachter
kumulative Voraussetzungen
VG Saarland, Urt. v. 4.8.2010 – 5 K 662/09:
Besonders
schwerwiegend
i.S.d.
§
44
Abs.
1
SVwVfG sind dabei nur solche Rechtsfehler, die deshalb
mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten
Wertvorstellungen widersprechen.
- 81 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für
einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die
Nichtigkeit eines VA ist daher nur dann anzunehmen,
wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt
werden, dass von niemandem erwartet werden kann,
den VA als verbindlich anzuerkennen. Dagegen ist die
Nichtigkeit eines VA nicht schon deswegen anzunehmen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt
(sog. „gesetzloser“ VA) oder die in Frage kommenden
Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind.
Folgen der Nichtigkeit
• § 43 III VwVfG: VA ist unwirksam
• § 43 VwGO: Nichtigkeitsfeststellungsklage
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 81 Rn. 5–11;
• Beaucamp JA 2007, 704 ff.
- 82 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Ausschluss der Aufhebbarkeit eines
fehlerhaften Verwaltungsakts
§ 42 VwVfG Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten, z. B. wenn sich Behördenmitarbeiter offensichtlich vertippt
dazu Sodan/Ziekow, GKÖR, § 81 Rn. 12 f.
§ 45 VwVfG Heilung bestimmter Verfahrensund Formfehler
•
bei den in Abs. 1 genannten Fehlern
BVerwG BayVBl 2009, 248 ff.: Die Vorschrift
ist jedoch einer entsprechenden Anwendung auf
andere, in § 45 Abs. 1 VwVfG nicht genannte
Verfahrenserfordernisse
zugänglich.
Andere
Verfahrenshandlungen können bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden,
wenn und soweit der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte Zweck auch noch im gerichtlichen Verfahren erreicht werden kann.
- 83 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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Nachholung bis zum Abschluss der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz (Abs. 2)
P: Nachholung immer nur aufgrund besonderer Aufforderung oder z. B. auch durch Einlegung eines Widerspruchs?
BVerwG NVwZ 2011, 115:
Unterbleibt die Anhörung, tritt eine Heilung aber nur
ein, soweit die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß
durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird.
Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen keine nachträgliche Anhörung i.S.d. Regelung dar.
§ 46 VwVfG Unbeachtlichkeit von Verfahrens- und Formfehlern
kumulative Voraussetzungen
•
Verletzung der Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit
- 84 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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offensichtlich, dass ohne Auswirkung auf
die Sachentscheidung = dies kann nach
BVerwG NVwZ 2011, 115 nur angenommen werden, wenn jeglicher Zweifel daran
ausgeschlossen ist, dass die Behörde ohne
den Verfahrensfehler genauso entschieden
hätte.
(+)
(-)
Gebundene Ent-
Ermessens-
scheidung
entscheidung
BVerwG NVwZ 2008, 795 f.:
Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass bei Ermessens-,
Beurteilungs- und Planungsentscheidungen - eben wegen des ihnen immanenten Entscheidungsspielraums die von § 46 VwVfG vorausgesetzte Alternativlosigkeit
der Entscheidung in der Regel nicht gegeben ist.
Merke:
Trotzdem ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler die Entscheidung anders ausgefallen wäre!
- 85 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Merke:
• In Deutschland überwiegt die Vorstellung von der
dienenden Funktion des Verfahrens.
• Andere Staaten sehen dagegen im Verfahren einen
Garanten für die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidungen.
Es ist umstritten, inwieweit sich die deutsche Haltung mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
vereinbaren lässt.
§ 4 Abs. 1 URG
Die Aufhebung einer Entscheidung i.S.d. § 1 I 1 Nr.
1 URG kann verlangt werden, wenn eine nach den
Bestimmungen des UVPG … erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung
nicht
durchgeführt
nicht nachgeholt worden ist.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
•
Detterbeck, AVwR, Rn. 629–639
•
Sodan/Ziekow, GKÖR, § 81 Rn. 14–17
- 86 -
und
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Kontrollfrage:
Nachdem es mehrmals zu Schlägereien in der
Gaststätte des G gekommen ist, widerruft die
sachlich zuständige, aber örtlich unzuständige
Behörde seine Gaststättenerlaubnis. Da G vor
Erlass der Maßnahme nicht angehört wurde,
möchte er wissen, welche Konsequenzen dieser Fehler hat. Zugleich legt er Widerspruch
gegen den ausführlich begründeten Bescheid
ein.
Wie ist nach ihrer Meinung die Rechtslage zu
beurteilen?
- 87 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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§ 47 VwVfG: Umdeutung eines
fehlerhaften VA
Beispiel:
Umdeutung einer fehlerhaften fristlosen Entlassung eines Beamten in eine rechtmäßige fristgerechte Entlassung
• str., ob nur durch die Verwaltung oder auch
die Gerichte
Siehe zu § 47 VwVfG:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 640–642
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 81 Rn. 18
- 88 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Aufhebung von VAen
durch die Gerichte auf eine Klage hin
durch die Verwaltung nach Einlegung eines
Widerspruchs
durch die Verwaltung außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens
•
Gibt es eine Spezialregelung?
z. B. §§ 21 BImSchG, 15 GastG, § 35 StAG
•
Wenn keine Spezialregelung §§ 48 ff. VwVfG
Rücknahme: § 48
Widerruf: § 49
bei rechtswidrigem
bei rechtmäßigem
VA
VA
belastend
begünsti-
belastend
gend
•
begünstigend
Merke: Die Aufhebung ist selbst ein Verwaltungsakt!
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 1–2
• Detterbeck, AVwR, Rn. 673-689
- 89 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Rücknahme von VAen nach § 48 VwVfG
• Vorliegen eines rechtswidrigen VA
• wenn belastend
nach pflichtgemäßem Ermessen der
Verwaltung § 48 I 1 VwVfG
der Gesetzgeber räumt weder dem
Gesetzesvorrang noch der Rechtssicherheit einen generellen Vorrang ein
= Abwägung dieser beiden Prinzipien!
Bürger hat grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
BVerwG: Allein die Rechtswidrigkeit
des VA begründet keinen Anspruch auf
Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich Voraussetzung der Ermessensentscheidung ist!
- 90 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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BVerwG NVwZ 2007, 709, 710 f.:
Ausnahmefälle, in denen ein Anspruch auf
Rücknahme des rechtswidrigen VA besteht:
wenn das Festhalten an dem VA „schlechthin unerträglich“ ist
•
wenn die Verwaltung durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt
•
wenn die Berufung auf die Unanfechtbarkeit gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben verstößt
•
bei offensichtlichem Rechtsverstoß = wenn an
dem Verstoß der Maßnahme gegen formelles oder
materielles
Recht
vernünftigerweise
kein
Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt
Im Unterschied zu § 44 VwVfG muss der VA nicht
an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden. BVerwG lässt offen, ob Offensichtlichkeit
auch aus der Perspektive des rechtskundigen Betrachters!
- 91 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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VG Hannover DVP 2009, 85 f.:
Die Behörde erlässt gegenüber K einen Festsetzungsbescheid zur Zweitwohnungssteuer. K legt dagegen keinerlei Rechtsbehelfe
ein.
Nach einigen Monaten stellt sich heraus,
dass die dem Bescheid zugrunde liegende
Satzung nichtig ist.
Wie hat sich die Behörde hinsichtlich des
Zweitwohnungssteuerbescheids zu verhalten?
Siehe zu § 48 I VwVfG:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 690–693
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 3–6
- 92 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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• wenn
Univ.-Prof. Dr. Annette Guckelberger
begünstigend
Geld- oder Sachleis- sonstiger VA, § 48
tung, § 48 II VwVfG III VwVfG
o Ausschluss der
o Rücknahme nach
Rücknahme, wenn
Ermessen, aber
auf den Bestand
Entschädigung
des VA vertraut und
bei schutzwürdi-
Vertrauen schutz-
gem Vertrauen
würdig
o in der Regel nach
Satz 2, wenn verbraucht oder Vermögensdisposition
o nie in den Fällen
des S. 3
z. B. Arglist
- 93 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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BVerwG, NVwZ-RR 2010, 801 f.
(zum Ausgleichsanspruch nach § 48 III 1 VwVfG):
Bei dem mit dem Vertrauen des Betroffenen auf den
Bestand des VA abzuwägenden öffentlichen Interesse
handelt es sich nicht um das Rücknahmeinteresse, sondern um das fiskalische Interesse, den VA ohne Verpflichtung zum Nachteilsausgleich zurücknehmen zu
dürfen.
Entweder besteht der Ausgleichsanspruch nach § 48
Abs. 3 S. 1 VwVfG oder nicht = keine Schmälerung infolge Mitverschuldens.
•
Ausschlussfrist des § 48 IV VwVfG
o gilt nicht, wenn das Vertrauen nicht schutzwürdig ist, da arglistige Täuschung, Drohung
oder Bestechung
o Ratio: Rechtssicherheit für den Bürger
– Bezug auf „Tatsachen“, welche die Rücknahme eines VA rechtfertigen
– Rücknahme binnen eines Jahres ab positiver
Kenntnis
P: Ab welchem Zeitpunkt läuft die Frist?
- 94 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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P: Wessen Kenntnis ist maßgeblich?
BVerwG LKV 2010, 510 ff.:
Die Frist beginnt zu laufen, wenn die Behörde die
Rechtswidrigkeit des VA erkannt hat und ihr die für
die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Es reicht
nicht aus, dass die die Rücknahme rechtfertigenden
Tatsachen aktenkundig sind. Die Jahresfrist beginnt
erst,
wenn
diese
Tatsachen
vollständig,
uneinge-
schränkt und zweifelsfrei ermittelt sind. Die Entscheidungsfrist beginnt erst, wenn Entscheidungsreife eingetreten ist.
Die Rücknahmebehörde muss sich die Kenntnis anderer
Behörden nicht zurechnen lassen, weil sonst das mit §
48 Abs. 4 S. 1 VwVfG verfolgte Ziel, der zuständigen
Behörde eine ausreichend lange Zeit für eine Prüfung
und Entscheidung zu gewähren, verfehlt würde. Die zuständige Behörde erhält Kenntnis, wenn der nach der
innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des VA berufene Amtswalter von den die
Rücknahme des VA rechtfertigenden Tatsachen positive
Kenntnis erlangt.
- 95 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
Sommersemester 2011
Univ.-Prof. Dr. Annette Guckelberger
Siehe zu § 48 II–IV VwVfG:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 694–714
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 7–13
Kontrollfrage:
X wurden 2003 von der zuständigen Behörde
Subventionen in Höhe von 100.000 Euro bewilligt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht
vorlagen.
X ging von Anfang an davon aus, dass der Bescheid fehlerhaft ist. Trotzdem hat er das Geld
sofort verbraucht.
Obwohl der zuständige Sachbearbeiter seit
2004 alle für die Aufhebungsentscheidung relevanten Umstände kennt, ordnet er erst jetzt
die Aufhebung der Bewilligung an.
War dies korrekt?
- 96 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Rücknahme von Subventionen, deren Rückforderung die Europäische Kommission angeordnet hat
1. Ermächtigungsgrundlage
mangels speziellerer Regelung: § 48 VwVfG
2. Ausschluss der Rücknahme gemäß § 48 II
VwVfG?
EuGH: Das nationale Recht darf die Rückforderung
gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen nicht praktisch unmöglich machen. europarechtskonforme Rechtsanwendung
Merke:
Da die Überwachung von Beihilfen durch die Kommission nach dem EG-Vertrag zwingend vorgeschrieben ist, darf ein beihilfebegünstigtes Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfen
grds. nur dann vertrauen, wenn diese unter Einhaltung des darin vorgesehenen Verfahrens gewährt
werden. Einem sorgfältigen Gewerbetreibenden ist
es nämlich regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde.
- 97 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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3. Ausschlussfrist nach § 48 IV VwVfG:
nicht, wenn eine bestandskräftige Entscheidung der Kommission zur Rückgängigmachung der Subvention verpflichtet
4. Rücknahmeermessen:
Reduzierung kraft Gemeinschaftsrechts
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 749–765
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 14–15
- 98 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Widerruf von VAen nach § 49 VwVfG
•
bei rechtmäßigen VAen
•
erst recht, wenn rechtswidriger VA
•
wenn belastend § 49 I VwVfG: Widerruf nach
pflichtgemäßem Ermessen, außer der VA wäre
erneut mit demselben Inhalt zu erlassen
•
wenn begünstigend und mit Wirkung für
die Zukunft
o nur bei Vorliegen einer der in § 49 II VwVfG
genannten Widerrufsgründe
o Rechtsfolge: Ermessen
o Es gilt die Ausschlussfrist des § 48 IV VwVfG
entsprechend
•
wenn begünstigend und mit Wirkung für
die Vergangenheit: § 49 III VwVfG
o VA auf eine Geld- oder teilbare Sachleistung
für einen bestimmten Zweck
o keine
zweckentsprechende
Verwendung
bzw. Nichterfüllung einer Auflage
o § 48 IV VwVfG gilt entsprechend
- 99 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
Sommersemester 2011
Rechtsfolge:
Univ.-Prof. Dr. Annette Guckelberger
Ermessen „kann“ – aber:
OVG Saarland, Beschl. v. 19.2.2010, 3 A 282/09:
Zweck des § 49 III 1 Nr. 1 SVwVfG ist es, den Widerruf
von VAen, die eine Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewähren, zu ermöglichen, wenn der mit
der Leistung verfolgte Zweck nicht erreicht wird.
Vor dem Hintergrund des in § 7 I LHO und § 6 I HGrG verankerten Gebots, bei der Aufstellung und Ausführung des
Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit zu beachten, entspricht es dem Zweck des §
49 III 1 Nr. 1 SVwVfG, dass bei Verfehlung des mit der
Gewährung öffentlicher Zuwendungen verfolgten Zwecks
im Regelfall das Ermessen nur durch eine Entscheidung
für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann.
=
intendiertes Ermessen!
• D. h. im Regelfall ist zu widerrufen, außer es
würden außergewöhnliche Umstände vorliegen
• Liegt kein atypischer Sachverhalt vor, bedarf
es keiner besonderen Ermessenserwägungen
• Bei der Regelentscheidung ist keine Begründung des VA nach § 39 I 3 VwVfG erforderlich
- 100 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
Sommersemester 2011
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Kontrollfrage:
Landwirt L wird im Jahr 2006 ein Zuschuss in
Höhe von 20.000,- Euro unter der Maßgabe
bewilligt, dass er seine Weideflächen für die
Dauer von zwei Jahren als Grünbrache nutzt.
Nach einem Jahr ändert er seinen Entschluss
und lässt wieder Tiere weiden. Die Behörde
will sich rückwirkend von ihrer Bewilligung lösen.
Ist dies möglich?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 715–728
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 16–22
- 101 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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§ 49a VwVfG: Rückerstattungsanspruch
• Abs.1: Festsetzung der zu erstattenden Leistung
o durch einen schriftlichen VA
o gebundene Entscheidung?
• Abs. 2: Sonderregelung zum Wegfall der Bereicherung
• Abs. 3: Zinsen
BVerwG, Urt. v. 3.3.2011 – 3 C 19/10 zum Problem, ob der Erstattungsanspruch auch gegen eine
Person geltend gemacht werden kann, die erst
nachträglich einen Schuldbeitritt vorgenommen
hat:
Die Vorschrift ermächtigt die Behörde dazu, den Erstattungsanspruch gegen jeden Erstattungsschuldner mit
den Mitteln hoheitlicher Verwaltung geltend zu machen.
Voraussetzung ist nur, dass der Erstattungsanspruch
besteht und er sich gegen den Adressaten des Leistungsbescheids
richtet.
Voraussetzung
ist
nicht,
dass der Erstattungsschuldner auch der Zuwendungsempfänger ist. Es genügt, dass der Erstat- 102 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
Sommersemester 2011
Univ.-Prof. Dr. Annette Guckelberger
tungsanspruch seine Wurzel in der Zuwendung
hat. Natürlich kommt der Zuwendungsempfänger in
erster Linie als Erstattungsschuldner in Betracht. Sofern
neben ihm oder an seiner Stelle aber Dritte die Erstattung schulden, ermächtigt § 49a Abs. 1 VwVfG auch zu
deren Inanspruchnahme. Dem Wortlaut lässt sich keine Einschränkung auf den Zuwendungsempfänger entnehmen. Die Verwaltung soll im Interesse der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher
Mittel berechtigt und grundsätzlich sogar verpflichtet
sein, zu Unrecht ausgereichte Subventionen möglichst
rasch und effektiv wieder einzuziehen. Das Gesetzesziel würde aber nur unvollkommen erreicht, dürfte die
Verwaltung dieses Mittel nur gegenüber dem Begünstigten einsetzen, nicht aber gegenüber Dritten, die gleichermaßen erstattungspflichtig sind.
Richtig ist, dass der Leistungsbescheid gegenüber
der Leistungsklage für die Verwaltung den Vorteil mit
sich bringt, sich selbst einen vollstreckbaren Titel
verschaffen zu dürfen = Gegner muss gegen den Bescheid ggf. mit Klage vorgehen. Sollte hierin überhaupt
ein Nachteil zu sehen sein, so stünden diesem doch erhebliche Vorteile gegenüber. Ein Leistungsbescheid
- 103 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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kann nur auf der Grundlage eines Verwaltungsverfahrens ergehen, in dem der Betroffene bestimmte
Verfahrensrechte wie insbes. das Recht auf Anhörung
genießt. Er unterliegt im Regelfall der Überprüfung in
einem Widerspruchsverfahren. Das führt dazu, dass
Einwände des Betroffenen schon im Leistungsbescheid
Berücksichtigung finden, so dass es der zeitaufwendigen und teuren Inanspruchnahme der Gerichte oft nicht
mehr bedarf.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 729–733
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 23
- 104 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Wiederaufgreifen des Verfahrens
•
betrifft die verfahrensrechtliche Frage, ob
die Behörde dazu berechtigt bzw. verpflichtet
ist, sich mit der Aufhebung eines VA zu befassen
A. Wiederaufgreifen im engeren Sinn
o Antrag
o Statthaft: Unanfechtbarer VA
o Geltendmachung eines Grundes zum
Wiederaufgreifen nach § 51 I VwVfG
o Binnen drei Monaten ab Kenntnis des
Wiederaufgreifensgrundes
o Kein Verschulden
Verwaltung prüft, ob tatsächlich ein
Wiederaufgreifensgrund vorliegt!
Nein
Ja
• Antrag wird ab- • Inhaltliche Prügelehnt
fung, ob der VA
aufzuheben ist
- 105 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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B. Wiederaufgreifen nach pflichtgemäßem
Ermessen
o Rechtsgrundlage: § 51 V VwVfG
o Grundsätzlich verfügt der Einzelne nur
über ein subjektives Recht auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens.
o Ausnahmsweise
Ermessensreduzie-
rung auf Null:
– offensichtlicher Fehler
– Selbstbindung der Verwaltung
BVerwG DVBl. 2010, 254:
„Nach der Rspr. des BVerwG kann die Behörde, auch
wenn die in § 51 Abs. 1 Nr. 1–3 VwVfG normierten Voraussetzungen
nicht
vorliegen,
ein
abgeschlossenes
Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen
zugunsten des Betroffenen wiederaufgreifen und eine
neue Sachentscheidung treffen. Diese Möglichkeit des
Wiederaufgreifens findet ihre Rechtsgrundlage in § 51
Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.
Für die Durchbrechung der Bestandskraft ist zunächst
eine Positiventscheidung der Behörde zum Wiederaufgreifen erforderlich (Stufe 1).
- 106 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Erst wenn eine solche Positiventscheidung getroffen ist,
wird der Weg für eine erneute Sachentscheidung eröffnet (Stufe 2).
Auf dieser zweiten Stufe ist die Behörde nicht auf die in
§ 48 I 1 und § 49 I VwVfG normierten Möglichkeiten
der Aufhebung des VA ex tunc oder ex nunc beschränkt, sondern sie hat zu entscheiden, ob der VA zurückgenommen, geändert oder im Wege eines Zweitbescheids bestätigt werden soll.“
VGH BW, VBlBW 2009, 226 f.:
„Die Entscheidung über den Wiederaufgreifensantrag ist damit allein verfahrensrechtlicher Natur und
erschöpft sich in dem Regelungsgegenstand, ob sich die
Behörde auf die Bestandskraft beruft und es so bei der
bereits getroffenen Entscheidung bleibt (sog. wiederholende Verfügung), oder ob diese aufgehoben und
anschließend eine neue Sachentscheidung getroffen
wird (sog. Zweitbescheid).“
- 107 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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P: Kann sich aus dem Gemeinschaftsrecht eine
Pflicht zum Wiederaufgreifen des Verfahrens ergeben?
Nach dem EuGH gebietet der Grundsatz der loyalen
Zusammenarbeit (Art. 4 III EUV) ein Wiederaufgreifen unter folgenden Voraussetzungen:
1. die Behörde muss nach nationalem Recht befugt
sein, die Entscheidung zurückzunehmen,
2. die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines
letztinstanzlich
entscheidenden
Gerichts
be-
standskräftig geworden,
3. dieses Urteil beruht auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist,
weil das Gericht trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 267 III AEUV kein Vorabentscheidungsgesuch an den EuGH gestellt hat,
4. der Betroffene sich unmittelbar nach Kenntnis der
Entscheidung
des
EuGH
in
einem
anderen
Rechtsstreit an die Verwaltungsbehörde gewandt
hat.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 766–773
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 82 Rn. 25–29
- 108 -
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Fallbeispiel:
A wurde am 1.2.2007 durch Bescheid zur Zahlung von 500,- Euro aufgefordert. Am 1.7.2007
treten rückwirkend neue Rechtsvorschriften in
Kraft, nach denen er nur 200,- Euro zu zahlen
hat.
Am 14.7.2007 wendet er sich an die Behörde,
mit dem Anliegen, den Bescheid zu ändern.
Wie ist die Rechtslage?
Abwandlung 1:
Es ändert sich am 1.7.2007 lediglich die Rechtsprechung zu seinen Gunsten.
Abwandlung 2:
A bringt am 1.7.2007 ein neues Sachverständigengutachten bei, aus dem sich die Unrichtigkeit
der behördlichen Berechnung ergibt.
- 109 -
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Der öffentlich-rechtliche Vertrag
Definition in § 54 S. 1 VwVfG:
• Vertrag
übereinstimmende Willenserklärungen
• auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
BGH, Beschl. v. 20.5.2009: Die Rechtsnatur
eines Vertrags bestimmt sich danach, ob der
Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder
dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist
P: zusammengesetzte Verträge
P: gemischte Verträge
• Begründung,
Änderung,
Rechtsverhältnisses
- 110 -
Aufhebung
eines
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Arten von Verträgen
•
subordinationsrechtlicher/koordinationsrechtlicher Vertrag
subordinationsrechtlich = anstatt einen VA
zu erlassen, § 54 S. 2 VwVfG
•
Vergleichsvertrag:
§ 55 VwVfG
•
Austauschvertrag:
§ 56 VwVfG
Rechtmäßigkeit eines öffentlich-rechtlichen
Vertrags
•
Grundsatz:
Ermessen der Verwaltung hin-
sichtlich Vertragsabschluss
•
Ausnahme: „soweit Rechtsvorschriften nicht
entgegenstehen“
o Bsp.: Beamtenernennung § 10 II BBG, Einberufung zum Wehrdienst § 21 WPflG
- 111 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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Schriftform § 57 VwVfG
eigenhändig unterschrieben, § 62 VwVfG
i.V.m. § 126 II BGB auf derselben Urkunde
•
Zustimmung Drittbetroffener: § 58 I VwVfG
•
Mitwirkung anderer Behörden: § 58 II VwVfG
•
Wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung darf kein Vertrag abgeschlossen werden,
dessen Inhalt gesetzeswidrig ist!
Fehler beim öffentlich-rechtlichen Vertrag
Nichtigkeitsgrund
Sonstiger Fehler
• Vertrag ist unwirk-
• Vertrag ist rechtsbe-
sam
ständig
• ggf. Rückabwicklung
- 112 -
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Prüfung der Nichtigkeit
1. Spezieller Nichtigkeitsgrund im Sinne des
§ 59 II VwVfG?
• nur bei subordinationsrechtlichem Vertrag
2. Nichtigkeit nach § 59 I VwVfG
• bei allen Verträgen, wenn sich die Nichtigkeit
aus der entsprechenden Anwendung des
BGB ergibt
• z.B.: § 125 BGB, § 138 BGB, § 142 BGB
P: § 134 BGB – Nichtigkeit bei Verstoß gegen ein
gesetzliches Verbot
„qualifizierter Rechtsverstoß“
- 113 -
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OVG Magdeburg NVwZ 2010, 396 f.:
Öffentl. Abgaben dürfen grds. nur nach Maßgabe der
Gesetze erhoben werden. Diese strikte Bindung an das
Gesetz (Art. 20 III GG) ist im Abgabenrecht von besonderer und gesteigerter Bedeutung. Dies schließt aus,
dass Abgabengläubiger und -schuldner abweichende
Vereinbarungen treffen, sofern nicht das Gesetz dies
ausnahmsweise gestattet.
Der Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach
Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den
gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen
erfolgen kann, ist für einen Rechtsstaat so fundamental
und für jeden rechtlich Denkenden so einleuchtend,
dass seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist, der Nichtigkeit zur Folge
hat.
BVerwG, Urt. v. 3.3.2011 – 3 C 19/10: Durch Vertrag
begründete Pflichten dürfen grds. nicht durch den Erlass von Verwaltungsakten durchgesetzt werden, wenn
nicht eine zusätzliche gesetzliche Grundlage dies erlaubt.
- 114 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Kontrollfrage:
Das Land L schließt mit dem Angestellten A eine Vereinbarung. In dieser verpflichtet er sich
zur monatlichen Zahlung von 200,- Euro, damit
er nach zwei Jahren in das Beamtenverhältnis
übernommen wird.
Kann er aufgrund dieses Vertrags seine Ernennung zum Beamten verlangen?
- 115 -
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Rückabwicklung erbrachter Leistungen aufgrund eines nichtigen öffentl.-rechtl. Vertrags:
Rechtsgrundlage: Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
BVerwG DVBl 2009, 782 ff.:
Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der einseitigen Rückabwicklung eines nichtigen Austauschvertrags
nicht allein deshalb entgegen, weil eine erbrachte Leistung nicht mehr rückgängig zu machen ist. Es müssen
vielmehr besondere, in der Person oder im Verhalten
des um Erstattung begehrenden Bürgers liegende Umstände hinzutreten, die sein Rückforderungsbegehren
als treuwidrig erscheinen lassen.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 775–823
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 83
- 116 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Weitere Handlungsformen der Verwaltung
kein numerus clausus der Handlungsformen
Realakte
•sind nicht auf die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen, sondern eines tatsächlichen
Erfolgs gerichtet
•
z. B. Instandsetzung eines Weges, Auskünfte
P: Die Bundesregierung veröffentlicht eine Liste, in
der sie eine Sekte als destruktiv einordnet.
Kompetenz
der
Bundesregierung
zur
Warnung
Vereinbarkeit mit den Grundrechten
o mittelbarer Eingriff
o spezielle Ermächtigungsnorm
o Verhältnismäßigkeit
Informelle Absprachen
Lektüre zum Nachbearbeiten des schlichten Verwaltungshandelns:
• Detterbeck, AVwR, Rn. 297–300, 885–890
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 73
• Remmert JURA 2007, 736 ff.
- 117 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Das Verwaltungsverfahren
Entscheidungsfindungsmodus der Verwaltung
„Wie“ und nicht „Was“ des Verwaltungshandelns
§ 9 VwVfG: Enger Verfahrensbegriff
nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf den Erlass eines VA oder den
Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist
Arten von Verwaltungsverfahren
• nichtförmliches Verwaltungsverfahren § 10 VwVfG
einfach, zweckmäßig, zügig
• förmliches Verwaltungsverfahren §§ 63 ff. VwVfG
ähnlich wie ein Gerichtsverfahren
• Planfeststellungsverfahren §§ 72 ff. VwVfG
bei komplexen Vorhaben, bei denen eine Vielzahl von Belangen auszugleichen ist
• Widerspruchsverfahren §§ 68 ff. VwGO
Lektüre zum Nachbearbeiten:
Sodan/Ziekow, GKÖR, § 72 Rn. 1–6
Detterbeck, AVwR, Rn. 923–938
- 118 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Zuständigkeit der Behörde
sachliche
örtliche
instanzielle
• Bauangele-
• Landrats-
• welche Be-
genheiten
amt in X
hörde im
• Schulangele- • Landratsgenheiten
amt in Y
mehrstufigen Behördenaufbau
• Wenn keine
Spezialnorm
§ 3 VwVfG
Beginn des Verwaltungsverfahrens
•
Grundsatz: § 22 S. 1 VwVfG
o Offizialprinzip, d. h. von Amts wegen
o Ermessen
•
Ausnahmen:
o Gesetzliche Pflicht zum Tätigwerden
o Tätigwerden nur auf Antrag
- 119 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Die am Verwaltungsverfahren teilnehmenden Personen:
•
Behörde = „Herrin des Verfahrens“
•
Beteiligte
o § 11 VwVfG: Beteiligtenfähigkeit
= abstrakte Festlegung derjenigen Personen, die am Verfahren teilnehmen können.
o § 12 VwVfG: Handlungsfähigkeit
= bestimmt, wer zur Vornahme von Verfahrenshandlungen, z. B. zur Abgabe
von Erklärungen, fähig ist.
o § 13 VwVfG: Beteiligte im konkreten Fall
= Nr. 1–3:
kraft Gesetzes
= Nr. 4: aufgrund Beschlusses verfahrensführender Behörde
- 120 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Kontrollfrage:
Die X-GmbH beantragt bei der zuständigen Behörde die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
Nachbar N und eine Bürgerinitiative sind damit
gar nicht einverstanden.
Wen wird die Behörde an dem Verfahren beteiligen?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 72 Rn. 7, 14–17
• Detterbeck, AVwR, Rn. 571–576, 939 f.
- 121 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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§§ 20, 21 VwVfG sichern die Neutralität der
Verwaltung
a) § 20 VwVfG: Ausschluss kraft Gesetzes,
z. B. wenn Angehöriger eines Beteiligten;
Satz 2 wenn der für die Verwaltung Tätige einen unmittelbaren Vor-/Nachteil erlangen
kann
P: Was heißt „unmittelbar“?
OVG
-
formale Betrachtung
-
Sonderinteresse
Münster,
Beschl.
v.
17.6.2010
–
13
A
2557/09:
§ 20 VwVfG ist Ausdruck des bereits im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unbefangenheitsgebotes, das sachfremde Entscheidungen im Verwaltungsverfahren verhindern soll. Dabei soll bereits der böse Schein voreingenommenen Verhaltens vermieden werden.
b) § 21 VwVfG: keine Mitwirkung aufgrund
Anordnung des Behördenleiters
- 122 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Anhörung:
•
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§ 28 VwVfG
Abs. 1: Vor Erlass eines VA, der in die Rechte
eines Beteiligten eingreift
P: auch bei begünstigendem VA?
•
Abs. 2: Absehen
von
einer
Anhörung
nach
pflichtgemäßem Ermessen
o sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug / im öffentlichen Interesse
VG Meiningen, Beschl. v. 8.2.2011 – 2 K
453.09: Gefahr im Verzug i.S.d. Vorschrift liegt vor,
wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust
einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge
hätte, dass die durch den VA zu treffende Regelung
zu spät käme, um ihren Zweck zu erreichen, was in
jedem Einzelfall „ex ante“ zu beurteilen ist.
o kein nachteiliges Abweichen
o Allgemeinverfügung
o Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung
Achtung: Aufzählung ist nicht abschließend
(„insbesondere“)!
- 123 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
Sommersemester 2011
•
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Abs. 3: Keine Anhörung, wenn zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.
•
Heilungsmöglichkeit § 45 I Nr. 3, II VwVfG
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 72 Rn. 18–23
• Detterbeck, AVwR, Rn. 942–952
- 124 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Zugang zu Verwaltungsinformationen
Seit Inkrafttreten des VwVfG:
Prinzip der be-
schränkten Aktenöffentlichkeit
•
§ 29 VwVfG:
Akteneinsichtsrecht
o nur Beteiligte
o nur während Verwaltungsverfahren
o in die das Verfahren betreffenden Akten
o nur bei rechtlichem Interesse
o Abs. 2:
•
Ansonsten:
Verweigerungsgründe
Gewährung der Akteneinsicht
nach pflichtgemäßem Ermessen bei berechtigtem Interesse.
Umsetzung von EG-Recht im Bereich des Zugangs zu Umweltinformationen
a)
UIG Bund:
§ 3 I UIG: Jede Person hat Anspruch auf
freien Zugang zu Umweltinformationen.
BVerwG NuR 2008, 781 ff.
- 125 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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-
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Der Begriff der Umweltinformationen ist
weit auszulegen = auch Angaben, die die
wirtschaftliche Realisierbarkeit einer umweltrelevanten Maßnahme betreffen
-
Weite Auslegung von „jede Person“ =
auch eine Bürgerinitiative, sofern sie organisatorisch hinreichend verfestigt ist =
auch Kirchengemeindeverband = auch
Gemeinde, soweit ihr Selbstverwaltungsbereich berührt ist
b)
S. § 6 UIG zum Rechtsschutz!
Saarländisches Umweltinformationsgesetz vom 3.11.2007 (SUIG)
= Vollgesetz, stark an Bundesrecht angelehnt
•
§ 1 II SUIG Anwendungsbereich: Nur
gegenüber
informationspflichtigen
len, die dem Land zuzurechnen sind.
- 126 -
Stel-
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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§ 3 I 1 SUIG: Jede Person hat Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.
BVerwG NVwZ 2010, 189:
Nach § 3 I 1 UIG ist anspruchsberechtigt „jede“
Person, worunter natürliche als auch juristische
Personen zu verstehen sind. Der Begriff der juristischen Person ist nicht auf Organisationen
beschränkt, die sich Zielen des Umweltschutzes
widmen, sondern erfasst ohne weiteres auch
gewerbliche Unternehmen.
•
§§ 8 ff. SUIG: Ablehnungsgründe
BVerwG NVwZ 2010, 189 zu § 9 I 1 Nr. 3
UIG: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
sind alle auf ein Unternehmen bezogenen
Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die
nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und
an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger
ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsge- 127 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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heimnisse umfassen i. W. technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein berechtigtes Interesse an deren Nichtverbreitung besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches
od.
kaufmännisches
Wissen
den
Marktkonkurrenten zugänglich zu machen
und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
•
§ 6 SUIG:
Für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist
der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Gegen die Entscheidung durch eine Stelle
der öffentlichen Verwaltung ist ein Widerspruchsverfahren
durchzuführen,
auch
wenn die Entscheidung von einer obersten Landesbehörde getroffen worden ist
= Abweichung von § 68 I 2 Nr. 1 VwGO.
- 128 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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1.1.2006: Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes
•
§ 1 IFG Grundsatz
o
Abs. 1:
voraussetzungsloser Anspruch
für jedermann
P: Auch für Bürgerinitiativen
o Abs. 3:
grundsätzlich subsidiär gegen-
über anderen Informationsansprüchen
•
§§ 3, 4 IFG: Ablehnung aus Gründen des öffentlichen Interesses
•
§§ 5, 6 IFG: Ablehnung aus Rücksichtnahme
auf private Interessen
•
§§ 7, 8 IFG:
Verfahren
•
§ 9 IFG: Antragsablehnung, Rechtsschutz
Saarländisches Informationsfreiheitsgesetz
•
ab 15.9.2006
•
verweist im Wesentlichen auf das IFG des
Bundes: „Rumpfgesetz“
- 129 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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Anspruchsberechtigt: § 1 S. 1 SIFG „jeder“;
S. 2 auch juristische Personen des ÖR, soweit
Grundrechtsträger
•
§ 1 S. 4 SIFG: Schulen und Bildungseinrichtungen sind nur informationspflichtig, soweit
sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre,
Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig
werden
•
§ 4 SIFG: Landesbeauftragter für Informationsfreiheit
•
§ 5 SIFG: Gebühren und Auslagen
Seit Ende 2006: Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 72 Rn. 19–20
• Detterbeck, AVwR, Rn. 945-947
- 130 -
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Verwaltungsvollstreckung
Verwaltungsakt hat die Funktion eines
Vollstreckungstitels!
Verwaltungsvollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen durch Verwaltungsbehörden
Schlagwort: „Grundsatz der Selbstvornahme“
Rechtsgrundlagen
• für Bundesbehörden VwVG des Bundes
• für Landesbehörden SVwVG
• Prüfe immer, ob nicht Spezialvorschriften,
z. B. im SPolG!
P: Wann wird eine Verfügung nach dem SVwVG
und wann nach dem SPolG vollstreckt?
- 131 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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§ 1 III SVwVG: Die Vorschriften des SPolG zur
Durchsetzung polizeilicher Verfügungen bleiben
unberührt. VAe der Polizei, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, werden nach den Vorschriften
dieses Gesetzes vollstreckt.
= VAe der Polizeibehörden werden nach dem SPolG
vollstreckt, außer sie sind auf eine Geldleistung
gerichtet.
Voraussetzungen
1. VA mit einem vollstreckungsfähigen Inhalt
nicht feststellend und nicht gestaltend.
2.
Dieser muss unanfechtbar oder sofort vollziehbar sein.
Anmerkung: Richtet sich nach der VwGO, d. h.
wenn Widerspruchs- bzw. Klagefrist verstrichen
oder ein Fall des § 80 II VwGO vorliegt.
Beachte: Für die Vollstreckung reicht das
Vorliegen eines wirksamen VA! = auch ein
rechtswidriger VA kann vollstreckt werden; ein
nichtiger VA ist gem. § 43 III VwVfG unwirksam
und kann daher nicht als Vollstreckungstitel fungieren.
- 132 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Zwei Formen der Vollstreckung
• Beitreibung von Geldforderungen
§§ 1 ff. BVwVG, §§ 29 ff. SVwVG
o Leistungsbescheid
o Fälligkeit
o Grundsätzlich Mahnung
•
Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder
Unterlassungen
§§ 6 ff. BVwVG, §§ 13 ff. SVwVG
Arten der Zwangsmittel
o Ersatzvornahme
bei vertretbaren Handlungen, auf Kosten
des Pflichtigen, z. B. wenn eine Person Müll
von ihrem Grundstück entfernen soll
o Zwangsgeld
bei Nichterfüllung einer Verpflichtung zu einer Handlung, Duldung, Unterlassung
o unmittelbarer Zwang
Einwirkung auf Personen oder Sachen durch
körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel (Waffen
nur als ultima ratio!), z. B. Wegtragen eines
Demonstranten, Aufbrechen einer Tür
o Erzwingungshaft
- 133 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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VG Saarland, Urt. v. 24.2.2010, Az. 5 K 531/09:
zum Auswahlermessen in Bezug auf die Zwangsmittel
Zwangsmittel sind Beugemittel. Sie sind nicht dazu da,
den Vollzugswillen der Behörde zu dokumentieren, sondern allein dazu, den entgegenstehenden Willen des
Pflichtigen zu brechen. Hieran hat sich die Auswahl unter den zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln zu orientieren.
Wie sich aus § 22 SVwVG zum unmittelbaren Zwang
ergibt, müssen nicht zunächst „mildere“ Zwangsmittel
angewandt
werden,
wenn
nach
Lage
der
Dinge
Zwangsgeld oder Ersatzvornahme nicht in Betracht
kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind.
- 134 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Das Vollstreckungsverfahren:
Verwaltungsvollstreckung
Gestrecktes Verfahren
= mehrere Schritte
Sofortiger Vollzug
= Schnellverfahren
I. Zum gestreckten Verfahren
1. vollstreckungsfähiger GrundVA
2. Androhung § 13 VwVG/§§ 19, 22 b
SVwVG
• soll den Pflichtigen zur freiwilligen Befolgung des VA veranlassen
P: Rechtsnatur?
• Beachte
hinsichtlich
§ 18 I 1 VwVG!
- 135 -
der
Rechtsmittel
Allgemeines Verwaltungsrecht
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3. Festsetzung des Zwangsmittels § 14
SVwVG
• Achtung: Findet im Saarland nur bei
Zwangsgeld statt (§ 20 II 1 SVwVG)!
P: Rechtsnatur?
4. Anwendung des Zwangsmittels
P: Rechtsnatur?
a)
Rspr. konstruiert oftmals eine konkludente Duldungsverfügung.
b)
Lit. ist dagegen für Realakt, d. h. rein
tatsächlichen Vorgang.
- 136 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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OVG Saarland, NVwZ 2009, 602
hins. § 10 I Nr. 4 SVwVG:
Bei einer Ersatzvornahme kann es geboten sein, mit
der Anwendung dieses Zwangsmittels zuzuwarten,
wenn sich abzeichnet, dass sich der Pflichtige doch
noch entschließt, die durchzusetzende Anordnung zu
erfüllen. Die Behörde kann einen weiteren Aufschub
ablehnen, wenn im Zeitpunkt des Beginns der Ersatzvornahme eine den Aufschub der Vollstreckung
rechtfertigende Befolgung der Anordnung auch mit
Blick auf die Vorgeschichte nicht zu erwarten ist.
Gestrecktes Verfahren
1.
Grund-VA
• vollstreckungsfähig, insb. nicht nichtig
• vollstreckbar
2.
Androhung
3.
Festsetzung
• im Saarland nur beim Zwangsgeld
4.
Anwendung
- 137 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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II. Zum Sofortvollzug
• § 6 II VwVG
• § 18 II SVwVG: Verwaltungszwang kann ohne
vorausgehenden VA angewendet werden,
wenn der sofortige Vollzug zur Abwendung
einer unmittelbar drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde innerhalb ihrer
gesetzlichen Befugnisse handelt.
P: Rechtsnatur?
Sofortvollzug
1.
Grund-VA nicht vorhanden, aber:
• unmittelbar drohende Gefahr und
• Rechtmäßigkeit eines fiktiven Grund-VA
2.
keine Androhung
3.
sofortige Anwendung
Lektüre zum Nachbearbeiten:
•
Sodan/Ziekow, GKÖR, § 80
•
Detterbeck, AVwR, Rn. 1005–1016, 1028–1045
•
Gröpl, Landesrecht Saarland– Studienbuch, § 2 Rn. 62
ff.
- 138 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Abschließendes Fallbeispiel:
Die zuständige Behörde untersagt K sofort
vollziehbar den Betrieb eines Seniorenheims.
Mit weiterem Bescheid wird ihm für den Fall
der Zuwiderhandlung die Schließung des Heims
und seine Versiegelung angedroht.
Ist diese Maßnahme rechtmäßig?
- 139 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Verwaltungsorganisationsrecht
= Gesamtheit der rechtlichen Regelungen, die sich
mit dem Aufbau, den Einrichtungen und Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden befassen.
Einige Grundbegriffe des Organisationsrechts:
Verwaltungsträger
•
ist das Zurechnungssubjekt von Rechten und
Pflichten rechtsfähig
•
z. B. Bund, Land, Gemeinde, rechtsfähige Anstalt
Bildung von Organen
•
Ihnen wird die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben des Verwaltungsträgers zugewiesen, sie
sind in ihrem Bestand von den jeweils handelnden Menschen unabhängig.
•
z. B. Gemeindevertretung
Organwalter
•
Menschen, welche die dem Organ zugewiesenen Aufgaben tatsächlich wahrnehmen.
•
z. B. einzelner Gemeinderat
- 140 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Aufsicht
•
Wegen des Demokratieprinzips müssen Einwirkungsmöglichkeiten auf alle Stellen der
Verwaltung bestehen.
•
Beobachtung, Begleitung und Beeinflussung
des Beaufsichtigten durch generelle oder im
Einzelfall
wirkende
Maßnahmen
des
Auf-
sichtsführenden.
Arten der Aufsicht
Fachaufsicht
Rechtsaufsicht
o Kontrolle der
o Lediglich Überprü-
Recht- und
fung der Recht-
Zweckmäßigkeit
mäßigkeit von
der Verwaltungsent-
Verwaltungsent-
scheidungen
scheidungen
o in Selbstverwaltungsangelegenheiten
- 141 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Verwaltungsaufbau
I.
Allgemeines
Man unterscheidet zwischen der unmittelbaren
und mittelbaren Staatsverwaltung.
•
Unmittelbare: Gemeint ist durch bundes- bzw.
landeseigene Behörden
•
Mittelbare: Erfolgt durch verselbständigte Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öR
o Bsp.: Gemeinde, rechtsfähige Anstalt
Verhältnis zwischen Bundes- und Landesverwaltung: Grundsätzlich gilt das Verbot der Mischverwaltung.
- 142 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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BVerfG NVwZ 2009, 171 ff.:
Insbesondere gebietet das Rechtsstaatsprinzip eine
hinreichend klare und in sich widersprüchliche Bestimmung der Verwaltungszuständigkeit. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung der Art. 30 und Art. 83 ff. GG, die eine wichtige
Ausformung
des
bundesstaatlichen
Prinzips
und
zugleich ein Element zusätzlicher Gewaltenteilung ist.
Nach den Art. 83 ff. GG sind die Verwaltungen des
Bundes und die Verwaltungen der Länder zwar grds.
organisatorisch und funktionell getrennt. Die genannten Regelungen lassen jedoch auch erkennen, dass
die Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern nicht
starr voneinander geschieden sind. Ein Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Verwaltung ist
in vielfältiger Form vorgesehen. Aber: Weisungs- und
Mitentscheidungsbefugnisse, die von den im GG für
den jeweiligen Sachbereich vorgegebenen Verwaltungstypen abweichen, sind daher unzulässig.
- 143 -
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Beachte: Einführung des Art. 91e Abs. 1 GG:
„Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem
Gebiet der Grundsicherung für Arbeitssuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der
Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.“
Zuständigkeit der Landesverwaltung
- für den Vollzug der Landesgesetze
- für den Vollzug der Bundesgesetze als eigene
Angelegenheit (Art. 84 GG)
- für den Vollzug der Bundesgesetze im Auftrag
des Bundes (Art. 85 GG)
BVerfGE 126, 77 ff.:
Bei
der
Bundesauftragsverwaltung
bedürfen
bundesgesetzliche Regelungen zur Einrichtung
der Behörden der Zustimmung des Bundes dient dem Schutz der Verwaltungshoheit der
Länder.
Bundesregelungen zum Verwaltungsverfahren
sind nicht zustimmungspflichtig. S. den Wortlaut. Die Bundesauftragsverwaltung zeichnet
- 144 -
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sich dadurch aus, dass den Ländern schon
nach der Ausgestaltung dieses Verwaltungstyps
in Art. 85 GG nur die Wahrnehmungskompetenz uneingeschränkt zusteht. Die Sachkompetenz ist ihnen von vornherein nur unter
dem Vorbehalt zugewiesen, dass nicht der Bund
die konkurrierende Sachkompetenz in Anspruch
nimmt, die ihm nach Art. 85 Abs. 3 GG in
Gestalt einer umfassenden Weisungsbefugnis zusteht.
II. Aufbau der Landesverwaltung
•
In den meisten Bundesländern 3-stufig:
1. Ministerium
2. Mittelbehörde
Regierungspräsidium, Bezirksregierung
3. Untere Verwaltungsbehörde
•
Im Saarland:
Art. 112 S. 1 SVerf: Die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung und die Regelung der
Zuständigkeiten erfolgen durch Gesetz.
- 145 -
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(= organisatorischer Gesetzesvorbehalt). S. 2: Die
Einrichtung der Behörden im einzelnen obliegt
der Landesregierung und den ermächtigten Ministern.
Maßgeblich ist das Landesorganisationsgesetz
(LOG),
zuletzt
geändert
durch
Gesetz
vom
18.10.2010!
Oberste Landesbehörden
§§ 3, 4 LOG: Landesregierung, Ministerpräsident,
Ministerien
Landesämter
§ 7 LOG:
Sie sind den obersten Behörden unmit-
telbar nachgeordnet, für das gesamte Gebiet zuständig, ohne dass ihnen untere Landesbehörden
nachgeordnet sind
z.B.:
Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz
Landesamt für Verfassungsschutz
Landesverwaltungsamt
- Sitz in St. Ingbert
- Zentralisierte Aufsicht über alle saarländischen Kommunen, s. § 128 I KSVG
- Ist zentrale Bußgeldbehörde
Achtung: Das Landesamt für Soziales, Gesundheit
und Verbraucherschutz wurde in das Landesamt für
- 146 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Soziales und das Landesamt für Gesundheit und
Verbraucherschutz „aufgesplittet“.
Landesmittelbehörden
§ 6 LOG:
Sie sind der obersten Behörde unmittel-
bar nachgeordnet, es folgt die untere Behörde,
z.B.:
Oberbergamt.
Untere Landesbehörden
§ 8 LOG:
Abs. 1 Definitionen
Abs.
Landräte, Regionalverbandsdirektor
als
untere
Behörde,
Bergamt SB, Finanzämter
o Achtung: Der Landrat hat eine janusköpfige
Stellung.
– Organ des Landkreises
erfüllt Kreisaufgaben; da Selbstverwaltung nur Rechtsaufsicht
– Organ des Landes
wird als untere staatliche Verwaltungsbehörde
und damit für das Land tätig = er wird nicht,
wie sonst üblich, im Namen des Landkreises,
- 147 -
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sondern des Landes tätig! = hier weitergehende Aufsichtsbefugnisse des Landes!
Merke:
Die Bergverwaltung ist die einzige Verwaltung im
Saarland, die dreistufig aufgebaut ist! In allen
anderen Bereichen zweistufiger Aufbau.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
•
Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 58 Rn.
1 f., 5-111, § 59
•
Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 175-225
•
Gröpl, Landesrecht Saarland – Studienbuch, § 2 Rn. 3
ff.
- 148 -
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III. Mittelbare Staatsverwaltung
•
Erledigung von Verwaltungsaufgaben durch gegenüber dem Staat verselbständigte Verwaltungsträger.
•
Körperschaften
o
Errichtung durch oder aufgrund Gesetzes
o
„Mitglieder“
-
Gebietskörperschaften
z. B. Gemeinde
-
Personalkörperschaften
z. B. Rechtsanwaltskammer
•
Realkörperschaften
Anstalten
o
Zusammenfassung von Sach- und Personalmitteln
zur
Verfolgung
eines
bestimmten
Zwecks „Benutzer“
•
Stiftungen
o rechtsfähige Verwaltungseinheit, der die Verwaltung eines bestimmten Vermögens zu einem bestimmten öffentlichen Zweck obliegt
„Nutznießer“
- 149 -
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Gemeinden im Saarland:
Gehören als Gebietskörperschaften des öffentlichen
Rechts zur mittelbaren Staatsverwaltung.
Zweigeteiltes Aufgabenspektrum:
• Wahrnehmung örtlicher Selbstverwaltungsangelegenheiten in eigener Verantwortung
s. Art. 117, 118 SVerf
Art. 122 SVerf: Die Gemeinden und Gemeindeverbände unterstehen der Aufsicht des Staates. In
Selbstverwaltungsangelegenheiten
sich
die
Aufsicht
auf
die
beschränkt
Sicherstellung
der
Rechtmäßigkeit.
• Im Selbstverwaltungsbereich nur Rechtsaufsicht
gemäß § 127 I KSVG, d. h. ob Tätigwerden im
Einklang mit den Gesetzen.
• Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten –
dann regelmäßig Fachaufsicht = Kontrolle der
Recht- und Zweckmäßigkeit des Tätigwerdens.
• Zuständig für die Kommunalaufsicht ist seit
2008 das Landesverwaltungsamt in St. Ingbert,
§ 128 I KSVG.
- 150 -
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IV. Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch
Private
•
Beliehener
o Person des Privatrechts, die zur Wahrnehmung
von Verwaltungsaufgaben durch/aufgrund Gesetz mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet ist.
o Handelt ggü dem Bürger im eigenen Namen!
o Bsp. § 33 I PostG: Ein Lizenznehmer, der
Briefzustellungsdienstleistungen
erbringt,
ist
verpflichtet Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den prozessualen Vorschriften zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist er mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet.
BVerwG NVwZ 2011, 368 ff.:
Es entspricht allgemeiner Überzeugung, dass eine
Beleihung nur durch oder aufgrund eines Gesetzes
erfolgen darf. Dies findet seine Grundlage zunächst
in Art. 33 Abs. 4 GG, demzufolge hoheitliche Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen
Dienstes zu übertragen sind. Die Beleihung Privater
- 151 -
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stellt auch unabhängig hiervon eine Maßnahme der
Staatsorganisation dar, die vom Regelbild der
Verfassungsordnung abweicht und dabei die Verfassungsgrundsätze des Rechtsstaats- und Demokratiegebots berührt. Auch deshalb ist sie dem Gesetzgeber vorbehalten.
1.Gesetzliche Regelung zum „Ob“ der Beleihung: Der Gesetzgeber muss beurteilen, ob
für
eine
Indienstnahme
Privater
Gründe
sprechen, die gewichtiger sind als der Ertrag, den die Rechtsgüter des Art. 33 Abs. 4
GG, das Rechtsstaats- oder Demokratiegebot erleiden.
2. Zum „Wie“ der Beleihung: Auch Modalitäten der einzelnen Beleihung können derart
wesentlich sein, dass sie der Entscheidung
des Gesetzgebers vorbehalten sind. Was in
diesem Sinne wesentlich ist, lässt sich nicht
allgemein feststellen. Maßgeblich ist jeweils,
ob und in welchem Maße die Grundsätze des
Staatsorganisationsrechts oder andere Verfassungsgrundsätze betroffen sind.
- 152 -
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•
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Verwaltungshelfer
o Handelt im Auftrag und nach Weisung einer
Behörde.
o Bsp. Schülerlotse
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 60 Rn. 1-3, 26-32
• Detterbeck, AVwR, Rn. 175-225
- 153 -
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Kontrollfrage:
B ist als Gewerbetreibender kraft Gesetzes
Mitglied der Industrie- und Handelskammer.
Als er von dieser zur Zahlung von Mitgliedsbeiträgen herangezogen wird, fragt er sich,
ob
diese
„Zwangsmitgliedschaft“
verfas-
sungsgemäß ist.
Lesenswert:
• VG Stuttgart, Urt. v. 7.4.2011 – 4 K 5039/10, zu einem Plakat der IHK Region Stuttgart mit der Beschriftung „S 21, mehr Jobs, mehr Tempo, mehr Stadt,
mehr Zukunft“
- 154 -
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Öffentliche Sachen
Dienen unmittelbar einem öffentlichen Zweck.
Haben aufgrund eines besonderen Rechtsakts
einen öffentlich-rechtlichen Status erhalten.
Widmung
tatsächliche Indienststellung
Realakt, z. B. Eröffnung Schwimmbad
Arten:
• Öffentl. Sachen im Verwaltungsgebrauch
• Öffentl. Sachen im Zivilgebrauch
Widmung
Hoheitlicher Rechtsakt zur Bestimmung des
öffentlichen Zwecks.
Erfolgt in den unterschiedlichsten Rechtsformen.
§ 6 Abs. 1 SaarlStrG: Widmung ist die Verfügung, durch die die Straße die Eigenschaft einer „öffentlichen“ Straße erhält.
- 155 -
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Folgen der Widmung:
Die Gegenstände bleiben grundsätzlich im privaten Eigentum.
Aber: § 11 SaarlStrG: Dem Träger der Straßenbaulast steht die Ausübung der Rechte und
Pflichten des Eigentümers in dem Umfang zu,
wie es die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs erfordert.
OVG Saarland: Eigentümer beanstandet zunehmenden Durchgangsverkehr. Da sich dieser auf den
Gemeingebrauch auswirkt, obliegt es aber nicht dem
Eigentümer, sondern dem Baulastträger, die auf ihn
übergegangenen
Abwehrrechte
des
Eigentümers
auszuüben, um die Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.
Der Widmungsakt begründet eine öffentlichrechtliche Dienstbarkeit.
- 156 -
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Gemeingebrauch
Infolge der Widmung wird die öffentliche Sache einer unbeschränkten Öffentlichkeit unmittelbar und
ohne besonderen Zulassungsakt zur zweckbestimmten Nutzung zugänglich gemacht.
§ 14 I 1 SaarlStrG:
„Der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen
Grenzen gestattet.“
Sondernutzung:
§ 18 I 1 SaarlStrG: Die Benutzung der Straßen
über den Gemeingebrauch hinaus ist Sondernutzung: Sie bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.
OVG Saarl., KommJuR 2009, 19 ff.:
Allgemein anerkannt ist in diesem Zusammenhang,
dass dem Gemeingebrauch an einer Straße durch
deren bau- und verkehrstechnische Beschaffenheit
Grenzen gezogen werden und ein Verkehr, der diese
Grenzen überschreitet, sich als Sondernutzung darstellt.
- 157 -
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Über deren Erteilung entscheidet die Verwaltung
grundsätzlich nach ihrem Ermessen. Oft Ermessensreduzierung infolge der Grundrechte (z. B.
Art. 5 Abs. 3 GG bei Straßenkunst, Art. 5 Abs. 1
S. 2 GG bei Presseerzeugnissen).
OVG Saarl., SKZ 2009, 114 ff.:
- Die Bedeutung von Wahlen für einen demokratischen Staat und die Bedeutung der Parteien für
solche Wahlen schränken das behördliche Ermessen bei der Entscheidung über die Erlaubnis zum
Aufstellen von Wahlplakaten durch Parteien in so
erheblichem Umfange ein, dass jedenfalls für den
Regelfall ein Anspruch auf Erlaubniserteilung besteht.
- Der Anspruch ist anerkanntermaßen auf die heiße Wahlkampfphase beschränkt, zu der die
letzten sechs Wochen vor dem Wahltermin gerechnet werden können. In welcher Weise die
Gemeinden dem Gebot auf Einräumung von
Stellplätzen für Werbetafeln in einem für die
Selbstdarstellung der jeweiligen Partei notwendi- 158 -
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gen und angemessenen Umfang Rechnung tragen, ist ihre Sache. Es muss aber sichergestellt
sein, dass die Parteien angemessene und wirksame Wahlwerbemöglichkeiten haben.
__________
Fallbeispiel:
A stellt seinen PKW schräg an einer Gemeindestraße auf, so dass er mit seiner grellen Werbeaufschrift für jedermann sichtbar ist. Das
Auto steht fünf Wochen in dieser Position.
Handelt es sich hierbei um eine Sondernutzung?
- 159 -
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Anliegergebrauch
Anlieger sind auf eine stärkere Nutzung der Straße
angewiesen (z. B. Aufstellen Mülltonne). Soweit die
angemessene Nutzung eines Anliegergrundstücks
die Inanspruchnahme der Straße erfordert, wird
der Anliegergebrauch von den dazu erlassenen einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften (= Ausformung
des Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 84 Rn. 1–5, 12–25
• Detterbeck, AVwR, Rn. 961–1003
- 160 -
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Die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung
ohne Auftrag
Wenn eine Person für eine andere Person ein
Rechtsgeschäft tätigt, ohne von dieser beauftragt
oder sonst berechtigt zu sein.
P: Abgrenzung zur privatrechtl. GoA
1. Öffentliches Recht, wenn der Geschäftsführer
öffentlich-rechtlich handelt.
2. Öffentliches Recht, wenn der Geschäftsherr öffentlich-rechtlich gehandelt hätte.
3. Abstellen auf den Handlungszusammenhang.
Achtung:
Auf das Institut der GoA darf nur zurückgegriffen werden, wenn es keine abschließende gesetzliche Regelung gibt!
- 161 -
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Verschiedene Konstellationen:
•
Hoheitsträger Hoheitsträger
Eine Inanspruchnahme aus GoA wird wegen
der gesetzlichen Zuständigkeiten abgelehnt.
Ausnahme:
•
Echte Notfälle.
Hoheitsträger Bürger
Auch hier wird die GoA meistens für unanwendbar gehalten, weil diese keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bietet.
•
Bürger Hoheitsträger
Gegenargumente:
o Infragestellung der Kompetenzordnung.
o Verwaltung darf die Prioritäten selbst setzen.
Ausnahme: Dringlichkeitsfälle
- 162 -
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Kontrollfrage:
Die Feuerwehr löscht das brennende Haus
des B. Nach dem Einsatz fragt sich der Träger
der Feuerwehr, ob er von B Ersatz seiner
Aufwendungen verlangen kann, obwohl es
hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 90 Rn. 1–8
- 163 -
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• Detterbeck, Allg. VerwR, Rn. 1279–1295
- 164 -
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Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
Zielt auf die Rückgängigmachung einer ohne
Rechtsgrund erlangten Vermögensverschiebung
im öffentlichen Recht.
Anspruchsgrundlage:
•
Teilweise spezialgesetzlich geregelt,
z. B. § 49 a I VwVfG
•
Sonst: Ungeschriebenes Rechtsinstitut
Ableitung ist umstritten:
o Analog §§ 812 ff. BGB
o Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
o Grundrechte
o Gewohnheitsrecht
- 165 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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BVerwG NVwZ 2008, 1369:
In der Rspr. ist geklärt, dass es sich bei dem allgemeinen
öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch
um ein aus Grundsätzen des Verwaltungsrechts,
insbes. der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des ÖR
handelt,
dessen
Anspruchsvoraussetzungen
und
Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen.
Ausnahmen gelten nur, wenn den §§ 812 ff. eine
abweichende Interessenbewertung zu Grunde liegt,
die in das ÖR nicht übertragbar ist.
Voraussetzungen:
•
Öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung
•
Vermögensverschiebung
•
Ohne Rechtsgrund
Rechtsfolge:
•
Herausgabe des Erlangten
- 166 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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Berufen auf Entreicherung?
o Staat:
Nein!
o Bürger:
Parallele zu § 49 a II VwVfG
Nein, wenn er die Umstände hinsichtlich des fehlenden Rechtsgrunds kannte bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Geltendmachung des Erstattungsanspruchs
•
Kehrseitentheorie
•
Im Übrigen: Umstände des Einzelfalls
- 167 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Fall:
An
den
Landkreis
K
wurden
öffentlich-
rechtliche Gelder abgeführt, die nach inzwischen geklärter Rechtslage dem Land zustehen.
Kann K dem Rückforderungsbegehren entgegenhalten, dass die Gelder verbraucht wurden?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 90 Rn. 9–15
• Detterbeck, Allg. VerwR, Rn. 1235–1261
- 168 -
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BVerwG NVwZ 2008, 212:
Auch
beim
öffentlich-rechtlichen
Erstattungsan-
spruch erfolgt wie im Zivilrecht der Erstattungsanspruch grundsätzlich nur innerhalb des jeweiligen
Leistungsverhältnisses. Die steuerrechtliche Beurteilung ist davon grundsätzlich zu trennen und betrifft
allein das Verhältnis des jeweiligen Steuerschuldners
zu den Steuerbehörden.
- 169 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Öffentlich-rechtlicher
Folgenbeseitigungsanspruch
Ziel: Wiederherstellung des früheren Zustands
AGL: Ungeschriebenes Rechtsinstitut, dessen
dogmatische Herleitung umstritten ist:
•
Rechtsstaatsprinzip, Gesetzmäßigkeit
•
Grundrechte
•
Analog §§ 812, 862, 1004 BGB
•
Richter-/Gewohnheitsrecht
Voraussetzungen:
•
Öffentlich-rechtliches Handeln
•
Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht
•
Schaffung eines rechtswidrigen, noch andauernden Zustands
•
Unmittelbare Folge des öffentlich-rechtlichen
Handelns
- 170 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
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Wiederherstellung möglich und zumutbar
Rechtsfolge:
Wiederherstellung
kein Anspruch auf Geld
P:
Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens
VG Berlin NVwZ 2009, 124 ff.:
Der FBA leitet sich insbesondere aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten ab. Seine Voraussetzungen sind, dass durch einen hoheitlichen
Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger
Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch
andauert. Der Anspruch richtet sich dann auf die
Wiederherstellung
des
ursprünglichen
Zustands
durch Beseitigung der Folgen des rechtswidrigen
Verwaltungshandelns, wobei die Wiederherstellung
des früheren Zustands noch tatsächlich möglich,
rechtlich zulässig und für die Verwaltung zumutbar
sein muss.
- 171 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Im Fall: Rechtswidrige Abschiebung – Folgenbeseitigung durch Gestattung der Wiedereinreise in das
Bundesgebiet.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 89
• Detterbeck, Allg. VerwR, Rn. 1201–1234
- 172 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Fallbeispiel:
G hat ein Grundstück mit exotischen Blumen
angelegt. Bei Straßenbauarbeiten werden ohne
sein Wissen Materialien auf dem Grundstück
abgelegt und die Blumen zerstört.
Kann G von der öffentlichen Hand Wiederherstellung verlangen?
Zum
öffentlich-rechtlichen
Unterlassungsan-
spruch:
Bei Altglascontainer in Wohngebiet: OVG Koblenz,
BauR 2010, 1907 ff.:
Mit einem solchen Anspruch, dessen Grundlage sich
aus einem grundrechtlichen Abwehranspruch oder
einer analogen Anwendung des § 1004 BGB ergibt,
kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchti- 173 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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gung zur Wehr setzen, die Folge eines schlichthoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich
als unzumutbar erweist.
BVerwG, Beschl. v. 11.11.2010 – 7 B 54/10 zu
Anspruch auf Unterlassen einer amtlichen Äußerung:
Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten
Äußerung setzt voraus, dass
- ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff
- in grundrechtliche geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des
Betroffenen erfolgt ist
- die konkrete Gefahr der Wiederholung
droht.
In der Rspr. ist geklärt, dass sich amtliche Äußerungen an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu
orientieren haben = Sachlichkeitsgebot.
- 174 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Die Amtshaftung
Rechtsgrundlage: Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB
•
Handeln in Ausübung eines öffentlichen
Amtes
o Öffentlich-rechtliche Tätigkeit
o Beamter im haftungsrechtlichen Sinne
alle
Personen,
die
eine
öffentlich-
rechtliche Tätigkeit wahrnehmen
auch Gemeinderäte
P: Polizei schaltet privatrechtlich beauftragten Abschleppunternehmer dazwischen
BVerwG NVwZ 2011, 368 ff.
Es entspricht mittlerweile allgemeiner Ansicht, die
Anwendung des Art. 34 S. 1 GG auf Beliehene zu
erstrecken. Auch ein Beliehener handelt i. S. d. Vor- 175 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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schrift als jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes unter Einsatz hoheitlicher Befugnisse. Die Erstreckung findet ihren Grund in der
Erwägung, dass es für den Geschädigten keinen Unterschied machen dürfe, ob der Schaden durch hoheitliches Handeln eines öffentlichen Bediensteten
oder eines beliehenen Privaten verursacht wird. In
beiden Fällen soll ihm die Überleitung der Einstandspflicht auf den Staat eine genügende Haftungsgrundlage sichern.
BGH VersR 2010, 768 ff.:
Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn
der Betreffende tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit
zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung
und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die
Handlung ebenfalls noch dem Bereich hoheitlicher
Betätigung angehörend angesehen werden muss.
Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, son- 176 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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dern auf seine Funktion, d. h. auf die Aufgabe, deren
Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen.
Die ärztliche Heilbehandlung von Kranken ist regelmäßig keine Ausübung eines öffentlichen Amtes.
Ausnahme: Tätigkeit eines Durchgangsarztes hins.
der Entscheidung, ob eine besondere unfallmedizinische oder Berufskrankheiten-Versorgung einzuleiten
ist, da er eine der Berufsgenossenschaft obliegende
Pflicht erfüllt.
o Nicht bloß bei Gelegenheit
BGH, Urt. v. 14.5.2009:
Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn
der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zugehört und ob zwischen dieser Zielsetzung und der
schädigenden Handlung ein so enger äußerer und
innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung
- 177 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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ebenfalls noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung
angehörend angesehen werden muss.
Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden,
sondern auf seine Funktion abzustellen, d. h. auf
die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten
Fall auszuübende Tätigkeit dient.
•
Verletzung einer Amtspflicht
im Innenverhältnis zum Staat,
die zugleich dem Schutz des geschädigten Dritten dient.
BGHZ 187, 151 ff.:
Im Baugenehmigungsverfahren obliegen der Gemeinde bei der Verweigerung ihres gemeindlichen
Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB keine den
Bauwilligen schützenden Amtspflichten, wenn die
Baugenehmigungsbehörde nach § 36 Abs. 2 S. 3
BauGB i. V. m. landesrechtlichen Vorschriften das
rechtswidrig
verweigerte
Einvernehmen
ersetzen
kann.
•
Kausalität der Amtspflichtverletzung für den
Schaden.
- 178 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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•
Verschulden hins. Amtspflichtverletzung.
•
Keine Ausschlussgründe
o § 839 I 2 BGB:
Bei fahrlässigem Verhal-
ten nur, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu verlangen mag.
P: Verkehrsteilnahme
o § 839 II BGB: Richter haften nur, wenn die
Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.
BGH NJW 2011, 1072 ff:
Das Richterspruchprivileg des § 839 II 1 BGB
erfasst auch prozessleitende Maßnahmen, die
objektiv darauf gerichtet sind, die Rechtssache
durch Urteil zu entscheiden, also die Grundlagen für die Sachentscheidung zu gewinnen.
Auch außerhalb dieses Anwendungsbereichs
ist der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten = Prozessführung wird nur
auf Vertretbarkeit hin überprüft. Bei der Würdigung, ob dem Richter pflichtwidrige Verzöge- 179 -
Allgemeines Verwaltungsrecht
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rungen anzulasten sind (s. § 839 II 2 BGB), ist
zu beachten, dass sich bei zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich
nachhaltig um eine Förderung und Beendigung
des Verfahrens zu bemühen, verdichtet. Der
Zeitfaktor ist aber auch bei langer Verfahrensdauer nicht der allein entscheidende Maßstab.
o § 839 III BGB:
Vorrang
des
Primär-
rechtsschutzes
o BGH DÖV 2007, 1018:
Die Amtshaftung kann ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht durch eine gemeindliche Satzung beschränkt werden.
Rechtsfolge
•
Schadensersatz in Geld
•
U.U. Schmerzensgeld § 253 BGB
•
§ 254 BGB bei mitwirkendem Verschulden
- 180 -
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BGH NJW-RR 2010, 167:
Um seinen Funktionen der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention – in dem Sinne, dass der
Staat dazu angehalten wird, menschenunwürdige
Haftbedingungen zu vermeiden oder alsbald zu beseitigen – wirksam wahrnehmen zu können, muss
der Geldentschädigungsanspruch für den ersatzpflichtigen Staat spürbare Auswirkungen haben.
Daran fehlte es vielfach, wenn die Erfüllung des
Geldentschädigungsanspruchs im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung auf Erstattung
offener Strafverfahrenskosten herbeigeführt werden
könnte.
Problem: Anspruchsgegner
•
Anstellungstheorie
•
Funktionstheorie
•
Anvertrauenstheorie
Art. 34 S. 3 GG: Geltendmachung des Anspruchs
im ordentlichen Rechtsweg.
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Beachte Art. 34 S. 2 GG: Rückgriff des Staates gegen den handelnden Beamten nur bei Vorsatz und
grober Fahrlässigkeit.
BVerwG NVwZ 2011, 368 ff.:
Dahinter stehen zwei Zwecke. Zum einen soll die
Entschlussfreude des Amtsträgers gestärkt und
damit die Effektivität des hoheitlichen Handelns gefördert werden. Zum anderen wird der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten Rechnung getragen = Letzteres passt
nicht bei Handeln von Privatpersonen in öffentlichrechtlicher Eigenschaft. Daher gilt bei diesen Art. 34
S. 2 GG nicht.
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, GKÖR, § 86
• Detterbeck, Allg. VerwR, Rn. 1053–1107
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LG Wiesbaden KommJuR 2009, 154 ff.:
- Weil die Sicherung eines einmal eröffneten Verkehrs dem Verkehrssicherungspflichtigen möglich
und zumutbar sein muss, genügt eine Gemeinde
ihrer Verkehrssicherungspflicht, wenn sie potenzielle Gefahrenstellen in der Laubzeit in regelmäßigen Abständen reinigen lässt. Eine Pflicht zur
täglichen Entfernung von Laub besteht schon aus
fiskalischen Gründen nicht.
- Das Vorhandensein von Laub muss jeder Passant
zum Anlass nehmen, sich mit besonderer Vorsicht
fortzubewegen.
- Dass
Bordsteinkanten
an
Fußgängerüberwegen
unterschiedlich stark abgesenkt sind, stellt eine
gewöhnliche und weit verbreitete Erscheinung dar,
auf die sich jeder Fußgänger einzustellen hat.
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Kontrollfrage:
Polizist P nimmt mit Billigung seines Dienstherrn seine Dienstwaffe mit nach Hause und
legt sie auf der Kommode ab. Unbemerkt
nimmt sein Sohn die Pistole und schießt mit ihr
auf seinen Spielkameraden K.
Steht K ein Amtshaftungsanspruch zu?
Zur Staatshaftung der Mitgliedstaaten wegen
Verletzung
des
Gemeinschaftsrechts,
BGHZ
181, 199 ff.
Eine Haftung des Mitgliedstaats kommt in Betracht,
wenn
-
er gegen eine Gemeinschaftsrechtsvorschrift verstoßen hat, deren Zweck darauf gerichtet ist,
dem Einzelnen Rechte zu verleihen, +
-
der Verstoß hinreichend qualifiziert ist, +
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-
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zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen
entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
Es ist umstritten, ob
a) die Anspruchsgrundlage sich direkt aus dem
Gemeinschaftsrecht ergibt und
b) die europäischen Vorgaben in den nationalen
Amtshaftungsanspruch hineinzulesen sind, wobei
z. B. an die Stelle des Verschuldens der hinreichend qualifizierte Verstoß tritt.
Nationale Rechtsvorschriften, etwa zur Verjährung
des Anspruchs, können ergänzend herangezogen
werden, wenn
-
der Äquivalenzgrundsatz gewahrt wird und
-
die Effektivität des Gemeinschaftsrechts nicht
beeinträchtigt wird.
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Verletzt der Mitgliedstaat das Gemeinschaftsrecht,
indem er über mehrere Jahre die volle Umsetzung
einer Richtlinie unterlässt, beginnt die Verjährungsfrist nicht erst in dem Moment, in dem der Mitgliedstaat seinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht
beendet hat.
- 186 -
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Entschädigungsansprüche
Ziel: Angemessene Entschädigung. Anders als
beim Schadensersatz kein Ersatz des entgangenen Gewinns!
Enteignungsentschädigung
• Art. 14 III GG regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Enteignung möglich ist.
• Problem:
Abgrenzung
zur
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung
o Enteignung: vollständiger bzw. teilweiser
Entzug einer durch Art. 14 I GG geschützten
Rechtsposition.
o Bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung werden demgegenüber generell und
abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers festgelegt.
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BVerfGE 126, 331 ff.:
Mit der Enteignung greift der Staat auf das Eigentum
des Einzelnen zu. Diese ist beschränkt auf solche
Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden,
mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher
Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden
soll.
•
Voraussetzung der Enteignung:
o Nur zum Wohle der Allgemeinheit
o Ultima ratio/Verhältnismäßigkeit
o Gesetzliche Grundlage
o Junktimklausel: Gesetzgeber muss Art und
Ausmaß der Entschädigung selbst regeln.
Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung
•
Wenn keine Enteignung, sondern generell abstrakte Ausgestaltung des Eigentums.
- 188 -
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•
Wegen
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Sozialpflichtigkeit
des
Eigentums
(Art. 14 II GG) sind Beschränkungen grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen.
•
Ausnahme: Einzelne Personen werden unverhältnismäßig belastet!
•
Vorrangig sind Ausnahmen, nur subsidiär Entschädigung.
Frage: Um welchen Entschädigungsanspruch handelt es sich bei § 19 III WHG a.F.?
Abs. 2:
In
den
Wasserschutzgebieten
können
bestimmte
Handlungen verboten oder für nur beschränkt zulässig
erklärt werden, sowie die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken zur Duldung bestimmter Maßnahmen verpflichtet werden.
Abs. 3:
Stellt eine Anordnung nach Abs. 2 eine Enteignung
dar, so ist dafür eine Entschädigung zu leisten.
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Enteignungsgleicher/Enteignender Eingriff
Enteignungsgleicher
Enteignender Eingriff
Eingriff
Bei rechtswidrigem
Bei atypischen Folgen
Staatshandeln, wenn
rechtmäßigen Staats-
Sonderopfer.
handelns.
Herleitung:
•
BGH früher: Art. 14 III GG
Wurde von BVerfG verworfen.
•
Heute:
o Aufopferungsgedanke in seiner richterrechtlichen Ausformung (§§ 74, 75 Einl.
PreußALR).
o Gewohnheitsrecht
- 190 -
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Achtung:
Diese
Entschädigungsansprüche
gewähren
keinen vollen Schadensausgleich, sondern lediglich eine „angemessene Entschädigung“.
=
Entschädigung für den Substanzverlust
Entschädigung wegen enteignungsgleichen
Eingriffs
BGH: Ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff setzt voraus, dass rechtswidrig in
eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition von
hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, die hoheitliche Maßnahme also unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt, und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht
zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt
wird.
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•
Durch Art. 14 I GG geschützte Rechtsposition.
•
Eingriff
o Hoheitliches Handeln
o Rechtswidrigkeit
o Gemeinwohlmotivation
o Unmittelbarkeit
•
Sonderopfer
Wird durch Rechtswidrigkeit indiziert!
•
Kein Ausschluss durch Mitverschulden.
Unterlassen von Rechtsschutzmaßnahmen?
Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs
SaarlOLG, Urt. v. 19.4.2011:
Das Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs betrifft
Fallgestaltungen, bei denen eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme auf eine Rechtsposition
des Eigentümers einwirkt und zu Nebenfolgen und
Nachteilen führt, die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreiten.
Der Entschädigungsanspruch setzt anders als der
sog. enteignungsgleiche Eingriff eine rechtmäßige
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hoheitliche Maßnahme voraus. Das Sonderopfer ist
das für den enteignenden Eingriff prägende Tatbestandsmerkmal. Während für rechtswidrige Eingriffe
ohne Rücksicht auf den Grad und die Intensität der
Rechtswidrigkeit
Entschädigung
verlangt
werden
kann, ist das bei rechtmäßigen Eingriffen nur möglich, wenn die Einwirkungen eine bestimmte Opferschwelle überschreiten. Die Opferschwelle bestimmt
sich in wertender Betrachtung der Umstände des
jeweiligen Einzelfalls.
•
Eigentumsbeeinträchtigung
•
Rechtmäßige hoheitliche Maßnahme
•
•
Gemeinwohlmotivation
Unmittelbarkeit
Sonderopfer
Unzumutbare Nachteile
Schwere
Kein Ausschluss durch Mitverschulden.
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Fall:
Autofahrer A bringt sein Auto zur Abgasuntersuchung zum TÜV. Als er seinen Wagen abholt,
bleibt dieser wenige Meter nach Verlassen des
Geländes mit einem Getriebeschaden liegen.
Schadensursache ist das mehrfache Beschleunigen des Motors während der ASU.
Kann A Entschädigung verlangen?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 87
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Aufopferungsanspruch
•
Wenn immaterielle Rechtsgüter beeinträchtigt
werden.
•
Anspruchsgrundlage:
1. Spezialgesetzliche Ausformung?
2. Ansonsten Rückgriff auf das Richterrecht!
o Öffentlich-rechtliches Handeln
o Eingriff in immaterielles Recht, d. h. Leben,
Gesundheit, körperliche Bewegungsfreiheit
Unmittelbarkeit
Gemeinwohlmotivation
o Sonderopfer
o Mitverschulden
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Fall:
S weigert sich, am Stufenbarren mitzuturnen.
Seine Sportlehrerin bezeichnet ihn deshalb vor
den anderen als Versager. S unternimmt daher
einen Versuch und bricht sich den Arm.
Kann er Entschädigung wegen Aufopferung
verlangen?
Lektüre zum Nachbearbeiten:
• Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 88
- 196 -

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