Hilfestellung zur Berechnung der latenten Steuern und

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Hilfestellung zur Berechnung der latenten Steuern und
Vierte Untersuchung zu den quantitativen Auswirkungen
von Solvabilität II
(Quantitative Impact Study 4 – QIS 4)
Hilfestellung zur Berechnung der latenten Steuern und
deren risikoabsorbierender Wirkung in der Solvenzbilanz
der QIS 4
Einleitung
1.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Rahmenrichtlinie zu
Solvabilität II sieht vor, daß sog. „latente“ Steuern (Deferred taxes) in die
Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einbezogen werden.
Die risikomindernde Wirkung dieser Bilanzposten soll bei der Berechnung des
SCR mit der Standardformel berücksichtigt werden.1
2.
Der Vorschlags ist in den QIS4 Technical Specifications für den deutschen
Markt nicht hinreichend eindeutig und detailliert umgesetzt worden. Zur
Bewertung der „latenten” Steuern wird zwar in TS.I.A.6 ausgeführt: “As
Solvency II is not introducing any amendments in insurance accounting nor
the valuation basis used for tax purposes, the difference stemming from the
prudential revaluation of technical provisions for Solvency II purposes does
not correspond to a one-off profit in the accounts and therefore does not
create a one-off tax liability. Thus participants should not include in their
solvency balance-sheet a deferred tax liability specifically related to the
change in value of technical provisions arising from the move from Solvency
I to Solvency II.“ Die Auslegung dieser Aussage ist jedoch insbesondere vor
dem Hintergrund der nachfolgenden Textstellen schwierig, nach der alle
erwarteten Steuerzahlungen in der Solvenzbilanz berücksichtigt werden
sollen. Neben TS.I.A.6 werden „latente“ Steuern – im Zusammenhang mit
den IFRS – in den Tabellen auf Seite 58 und 62 der Technical Specifications
beschrieben. Die Abschnitte TS.V.B.3, TS.VI.I und TS.VIII.C behandeln den
Abzug vom Basis-SCR für die risikomindernde Wirkung der latenten Steuern.
3.
Bei der Diskussion dieses Themas auf europäischer Ebene ist Vorsicht
hinsichtlich der Bedeutung des Wortes „latent“ geboten, da es erhebliche
Unterschiede nach nationalem Recht (§ 274 HGB), nach IFRS (IAS 12) und
der möglichen Auslegung im Rahmen der QIS4 gibt. Um im Folgenden auch
sprachlich klar zu machen, wenn sich diese Hilfestellung auf „Latenz“ im
1
Vgl. Artikel 107 des geänderten Richtlinienvorschlags der EU-Kommission.
1
Sinne von Solvabilität II bezieht, wird von latenten Steuern gemäß
Solvabilität II gesprochen.
4.
Die Definition der Position latente Steuern gemäß Solvabilität II ist zu
trennen von den nach HGB-Rechnungslegung bereits in der Bilanz
aufgeführten Positionen “Steuerrückstellungen” sowie den „sonstigen
Verbindlichkeiten aus Steuern“: für die Zahlung dieser Steuern gibt es
bereits eine Verpflichtung und sie dürfen deshalb nicht als aktive latente
Steuern angesetzt werden, sondern stellen ganz normale Passiva auch unter
Solvabilität II dar. Andererseits sind die latenten Steuern gemäß HGB nicht
in die Solvenzbilanz zu Solvabilität II zu übernehmen. Die latenten Steuern
gemäß Solvabilität II ersetzen vollständig diesen Posten.
5.
Um aussagekräftige und konsistente Ergebnisse auf dem deutschen Markt
sicherzustellen, werden im folgenden Hinweise zur möglichen Auslegung der
Technical Specifications zu latenten Steuern gemäß Solvabilität II gegeben.
Die Hinweise sind unverbindlich und ausschließlich für die
vorgenannten Zwecke der QIS 4 erstellt worden. Sofern Teilnehmer an
der QIS 4 eine andere Auslegung für richtig erachten, sollte dies im
Fragebogen unter QS2 oder QS5 vermerkt werden (vgl. auch TS.II.B.20).
Insbesondere das auf den Seiten 58 und 62 der Technical Specifications
beschriebene Proxy stellt eine Alternative zu dem in dieser Hilfestellung
genannten Vorgehen dar und sollte bei Verwendung kommentiert werden.
6.
Falls Sie aus praktischen Gründen keine Berechnung der latenten Steuern
gemäß Solvabilität II vorgenommen haben, dann lassen Sie bitte die Zellen
F37 und F52 im Blatt „I.General“ der Ergebnisdatei leer (statt etwa Nullen
einzutragen.)
Bewertung der latenten Steuern in der Solvenzbilanz
7.
Folgende Interpretation der Technical Specifications erscheint möglich: Die
latenten Steuern gemäß Solvabilität II entsprechen dem Zeitwert der
erwarteten zukünftigen Steuerzahlungen, für die noch keine Verpflichtung
bestehen und die dem jetzigen Bestand zuzurechnen sind. Dabei wird
grundsätzlich davon ausgegangen, daß das Unternehmen seinen
Geschäftsbetrieb fortführt. Die Bewertung basiert auf einer Analyse der
Bewertungsreserven in der Steuerbilanz des Versicherers. Dazu werden die
Wertansätze der Steuerbilanz mit der Solvenzbilanz gemäß Solvabilität II
verglichen.
8.
Die fiktiv zu versteuernden Bewertungsreserven können wie folgt angesetzt
werden:
ResSteuer =
9.
Verbindlichkeiten der Steuerbilanz
– Verbindlichkeiten der Solvenzbilanz
+ Aktiva der Solvenzbilanz
– Aktiva der Steuerbilanz
Dabei beinhaltet die Solvenzbilanz Marktwerte wie in der QIS 4 definiert mit
Ausnahme der latenten Steuern gemäß Solvabilität II. Die Verbindlichkeiten
(liabilities im Sinne der Rahmenrichtlinie) umfassen dabei alle Passivposten
außer dem Eigenkapital.
2
10. Die latenten Steuern gemäß Solvabilität II können nun approximativ wie
folgt angesetzt werden:
latente Steuern = Ertragssteuersatz · ResSteuer
11. Der Ertragssteuersatz aus Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag und
Gewerbesteuer ist u. a. abhängig von den lokal unterschiedlichen
Gewerbesteuerhebesätzen und daher von jedem Unternehmen individuell zu
ermitteln. Es sind die für 2008 geltenden Steuersätze zu verwenden.
12. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob der so ermittelte Betrag die zukünftig
erwarteten Steuerzahlungen ökonomisch korrekt abbildet. Gründe für
Abweichungen von der obigen Formel könnten insbesondere sein:
• Bewertungsreserven und Bewertungslasten können nicht verrechnet
werden, weil die steuerliche Anrechnung der korrespondierenden
Erträge und Aufwendungen sich unterscheidet.
• Verluste können nicht beliebig vorgetragen werden und erweisen sich
nicht als steuermindernd.
13. Ist der sich ergebende Betrag der latenten Steuern gemäß Solvabilität II
positiv, dann ist er als passive latente Steuer (deferred tax liability)
auszuweisen. Bei einem negativen Ergebnis ist sein Betrag als aktive latente
Steuer (deferred tax asset) anzusetzen.
Quantifizierung der risikomindernden Wirkung der latenten Steuern
14. Die risikomindernde Wirkung des Bilanzpostens latente Steuern gemäß
Solvabilität II beruht darauf, daß im Verlustfall passive latente Steuern
möglicherweise gesenkt oder aktive latente Steuern erhöht werden können.
Für die Berechnung des SCR ist die Veränderung der latenten Steuern AdjDT
in einem bestimmten Verlustszenario, genannt SCR-Schock, zu ermitteln.
AdjDT = Verringerung der latenten Steuern gemäß Solvab. II | SCR-Schock
15. Dabei bezeichnet „latente Steuer“ wie oben die Differenz von passiver und
aktiver latenter Steuer. Die „Verringerung der latenten Steuern“ ist demnach
folgender Betrag:
passive latente Steuern vor Schock – passive latente Steuern nach Schock
– aktive latente Steuern vor Schock + aktive latente Steuern nach Schock
16. Der „SCR-Schock“ ist ein sofortiger Verlust in Höhe des Betrages
BSCR – AdjFDB + SCROp.
Der Betrag entspricht dem SCR vor Anrechnung der risikomindernden
Wirkung der latenten Steuern gemäß Solvabilität II. (BSCR ist das BasisSCR, SCROp die Kapitalanforderung für operationales Risiko und AdjFDB die
Anpassung für risikomindernde Wirkung der zukünftigen
Überschußbeteiligung.) Zu beachten ist, dass passivierte Steuern positiv
zählen.
3
17. Um ihre Verringerung zu ermitteln, sind die latenten Steuern gemäß
Solvabilität II vor dem Hintergrund dieses hypothetischen Verlustes neu zu
bestimmen. Wenn davon ausgegangen werden kann, daß der Verlust
vollständig steuerlich anrechenbar ist, dann ergibt sich maximal eine
Verringerung der latenten Steuern um
AdjDT = Ertragssteuersatz·( BSCR – AdjFDB + SCROp).
18. Der so definierte Maximalbetrag wird unter Umständen die risikomindernde
Wirkung überschätzen. In diesen Fällen sind Anpassungen vorzunehmen.
Gründe für solche Anpassungen sind insbesondere
• Der Verlust kann (bei Unternehmen mit guter Solvenzausstattung)
nicht lange genug vorgetragen werden, um mit zukünftigen Gewinnen
verrechnet zu werden, und wirkt sich nicht steuermindernd aus.
• Ein Teil des Verlustes ist (bei Unternehmen mit guter
Solvenzausstattung) möglicherweise nicht steuerwirksam.
• Soweit nach Schock eine Bilanzierung aktiver latenter Steuern
angenommen wird, ist ihre Werthaltigkeit kritisch zu hinterfragen. Die
Werthaltigkeit kann zum Beispiel dann nicht gegeben sein, wenn
Verluste nicht beliebig vorgetragen werden können oder wenn die
Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen unrealistisch erscheint, etwa
weil der Verlust des SCR-Schocks zum Austritt des Versicherers aus
dem Markt führen würde.2 Wenn nach Schock aktive latente Steuern
angenommen worden sind, sollte ihre Höhe im Qualitative
Questionnaire unter Frage QS0 genannt werden.
Interpretation der Ergebnisse
19. Wie einleitend bemerkt, ist der hier vorgestellte Ansatz zur Bewertung der
latenten Steuern gemäß Solvabilität II nicht der im Rahmen der Technical
Specifications einzig mögliche. So gibt es Hinweise darauf, daß bestimmte
Bewertungsreserven nicht in die Bewertung einbezogen werden müssen,
wenn mit ihrer Realisierung während des Ablaufs der Verpflichtungen nicht
zu rechnen ist.3 Aus folgenden Gründen wird hier jedoch eine alle
Bewertungsreserven berücksichtigende Herangehensweise vorgeschlagen:
• In der Testsituation der QIS 4 erscheint es zweckdienlicher, die
Eigenmittel zu unterschätzen- als diese zu überschätzen.
• Die Bestimmung der Bewertungsreserven, deren Realisierung nicht
erwartet wird, ist unsicher und kann im Einzelfall aufwendig sein.
• Wenn bestimmte Bewertungsreserven unberücksichtigt bleiben, ist es in
der Regel sehr kompliziert, die Auswirkung des SCR-Schocks zu
quantifizieren.4
2
Im Extremfall kann dies sogar bedeuten, daß die latenten Steuern eine risikoverstärkende
Wirkung entfalten: wenn vor Schock schon aktive latente Steuern bilanziert worden sind, die nach
Schock nicht mehr werthaltig erscheinen, weil kein Neugeschäft mehr geschrieben würde, dann ist
AdjDT negativ.
3
Das könnte der Grundsatz der Geschäftsfortführung implizieren, vgl. Frage 3 zu Valuation of
Assets and Liabilities im Questions and Answers Document zur QIS 4.
4
So wurde z.B. geprüft, ob die Schwankungsrückstellung aus den Bewertungsreserven
ausgenommen werden sollte. Bei der Berechnung des Schockergebnisses stellt sich dann die Frage,
welcher Teil des Gesamtverlustes BSCR – AdjFDB + SCROp die Schwankungsrückstellung vermindert
(und somit nicht von den latenten Steuern gepuffert wird) und welcher die eingerechneten
4
•
Die Vorgehensweise ist konsistent mit IAS 12.
20. Die Unsicherheit bei der Wahl des Bewertungsansatzes und der Auswertung
des SCR-Schocks sollte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt
werden.
21. Im Vergleich zu einer Behandlung der latenten Steuern als Eigenmittel führt
der in der QIS 4 vorgegebene Weg zu einer Verringerung der Eigenmittel und
gleichzeitig zu einer Verringerung der Solvenzkapitalanforderung.
Unabhängig von der konkreten Bewertung der „latenten“ Steuern kann dies
zu einer starken Verzerrung der Solvenzquote führen. Es ist deshalb sinnvoll,
neben der nach vorstehenden Regeln berechneten Quote auch eine
Bedeckungsquote vor Berücksichtigung des Effektes aus „latenten“ Steuern
zu betrachten, bei der also die Eigenmittel noch nicht um „latente“ Steuern
und das SCR noch nicht um ihre risikomindernde Wirkung verringert sind.5
Bewertungsreserven mindert (und somit teilweise gepuffert wird). Dies ist keine triviale
Fragestellung.
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gewöhnliche Solvenzquote: Eigenmittel/SCR
alternative Solvenzquote: (Eigenmittel + latente Steuern + ZÜB)/(BSCR + SCROp)
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