STECKBRIEF KARTOFFELN

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STECKBRIEF KARTOFFELN
STECKBRIEF KARTOFFELN
ALLGEMEINE ANGABEN
BOTANIK / HERKUNFT:
Familie der Nachschattengewächse (wie z.B. Tomaten). Wissenschaftlicher Name:
Solanum tuberosum. Ursprungszentrum ist Südamerika (Höhenlagen von Equador,
Peru, Chile). Es gibt noch etwa 160 Wild- und Primitivformen. Domestikation durch
die Inkas bereits 8000 v. Chr. Kartoffeln kamen mit den Spaniern im 14./15. Jh. nach
Europa. Zuerst als Zierpflanze, im 18. und 19. Jh. wurde sie dann in "verbesserter
Dreifelderwirtschaft" zu einer bedeutenden Kulturpflanze. Die Knollen (verdickte,
gestauchte, unteriridische Sprossausläufer) sind Speicher und Vermehrungsorgan der
Kartoffeln.
Aktuelle Anbauflächen und Erträge abrufbar unter http://www.kartoffel.ch, Rubrik
"Branchenecke -> Statistiken".
BODENANSPRÜCHE:
Leicht siebbar, gute Struktur, wenig Steine, tiefgründig; leichte bis mittelschwere
Böden mit gutem Wasserspeicherungsvermögen; schnell erwärmbare Böden, zur
Vorbeugung gegen Netz-, Flach-, Tiefschorf pH leicht sauer (5,5-7,5). Bei saurem
Boden tritt Pulverschorf nicht wie lange geglaubt häufiger auf. Aber bei tiefem pH
knappe Mg-Verfügbarkeit.
KLIMAANSPRÜCHE:
Grundsätzlich geringe Ansprüche. Pflanze des gemässigten und mittelmäßig feuchten
Klimas; in CH bis auf 1900 m ü. M. Optimale Wachstumstemperatur: Tag 20° C,
Nacht 10° C.
Begrenzend: Nässe, Frühfrost, Trockenheit von der Blüte bis zum Knollenansatz.
Wechsel zwischen heiss-trockenem und feuchtem Wetter ist für die Knollenbildung
ungünstig (Wachstumsrisse, Hohlherzigkeit, Kindelbildung).
FRUCHTFOLGE:
Nach vielen Vorfrüchten möglich; Wiesenumbruch ungünstig wegen Gefahr von
Bodenschädlingen (v.a. Drahtwurmproblem). Anbaupause: 3-4 Jahre empfohlen (v.a.
wegen Nematoden). Im ÖLN mind. 3 Jahre Anbaupause oder max. 25% Anteil in FF.
Guter Vorfruchtwert (lockerer Boden, viel N). In Nitratproblemgebieten wegen
grossen Mengen an Rest-N Winterweizen als Folgekultur ungünstig (zu geringe NAufnahme im Herbst).
BODENBEARBEITUNG:
Grundbodenbearbeitung meistens mit Pflug (Ernterückstände stören bei der
Pflanzung. Herbstfurche in schweren Böden, Frühjahrsfurche in leichten Böden
möglich. 10 - 15 cm lockere, feinkrümelige Schicht ohne Schollen. Keine
Verdichtungen. Mulchlegen und Direktmulchlegen haben in der Praxis bisher kaum
Bedeutung. Spezialisierte Betriebe machen zum Teil Bodenseparierung
(grobschollige, steinige Böden).
SORTEN:
Sortenliste abrufbar unter:
http://www.agroscope.admin.ch/publikationen/einzelpublikation/index.html?lang=de
&aid=30928&pid=30665
SAAT- UND PFLEGEMASSNAHMEN
VORKEIMUNG,
PFLANZZEITPUNKT:
Ziel: Mit vorgekeimten Knollen ein Teil der Vegetationszeit in den "Keller" verlagern.
Vorkeimen beschleunigt die Pflanzenentwicklung und eine frühe Knollenbildung,
ausserdem wird ein rasches Auflaufen, und eine bessere Unkrautunterdrückung
ermöglicht.
Ziel: Förderung von ca. 1 cm langen Lichtkeimen. Vorkeimdauer je nach Sorte und
Produktionsrichtung 4 - 12 Wochen. Pflanzung: Februar für Folienkartoffeln, März bis
April für den Rest.
SAATMENGE/-DICHTE/
-TIEFE:
10 - 35 kg/Are (je nach Sortierung und Pflanzendichte). Früh-, Speise- und
Verarbeitungskartoffeln 400 - 500 Knollen/Are je nach Sorte, Saatkartoffeln 500 - 600
Knollen/Are. Bedeckung mit 8 - 10 cm Erde.
REIHENABSTAND/
BESTANDESDICHTE:
Reihenabstand entsprechend Traktorspurweite: 66 - 75 cm. Bei 75 cm für Früh-,
Speise- und Verarbeitungskartoffeln 20-30 cm Pflanzdistanz (auch sortenabhängig, z.
B. Agria eng pflanzen wegen Übergrösse), bei Saatkartoffeln 20-26 cm. Ziel
Speisekartoffeln ca. 25 Stängel pro m2, festkochende Spezialsorten bis 30 Stängel pro
m2. Pflanzdistanz in Reihe = 1/Reihenabstand m x Anzahl Knollen je m2
PFLEGEMASSNAHMEN:
Hacken und Häufeln, Striegeln. Bewässerung vom Knollenansatz bis Hauptblüte, 20 40 mm pro Gabe.
GRUNDDÜNGUNG:
Düngungsnorm:
Speise- und Industrie:
85 kg P/ha, 450 kg K/ha, 25 kg Mg/ha
Frühkartoffeln:
70 kg P/ha, 350 kg K/ha, 25 kg Mg/ha
Saatkartoffeln:
60 kg P/ha, 320 kg K/ha, 25 kg Mg/ha
Anpassen je nach Versorgungs-Klasse des Bodens. Achtung: chloridhaltige Kali-Dünger
nicht kurz vor der Pflanzung ausbringen wegen Keimhemmungen und Beeinflussung
der Stärkebildung. Eher sauer wirkende Dünger wählen (Schorf vorbeugen). Wenn
überhaupt, dann nur geringe Mistgaben, da zu späte Mineralisierung des Stickstoffs. Je
nach Standort Spurenelemente Mangan und Bor beachten.
STICKSTOFFDÜNGUNG
N-Düngung muss der Produktionsrichtung und der Sorte angepasst sein.
-Norm:
Speise- und Verarbeitungskartoffeln 120 kg N/ha
Frühkartoffeln
110 kg N/ha
Saatkartoffeln
100 kg N/ha
- max. 30-40 kg N/ha zur Pflanzung
- Kopfdüngung bei ~15 cm:
200-Nmin für Speise- und Industriekartoffeln
180-Nmin für Früh- und Saatkartoffen
- Zuviel N führt zu Qualitäts- und Krankheitsproblemen
Die N-Düngung ist auf Sorte und Verwertungsart abzustimmen: Eher geringer Bedarf
(ca. 80 kg N/ha) für Agria, Nicola und Panda; eher hoher Bedarf (ca. 130-140 kg N/ha)
für Bintje, Lady Claire, Urgenta und Charlotte
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UNKRAUTREGULIERUNG:
Rein mechanisch gut möglich durch Vielfachgeräte: Mehrmals Hacken, Häufeln,
Striegeln. Erstmals ca. 2 Wochen nach Pflanzung. Ab 2005 im ÖLN Vor- oder
Nachauflauf (VA oder NA) bewilligt. Einige Sorten (und alle Saatkartoffeln) empfindlich
auf Hauptwirkstoff Metribuzin, deshalb Agata, Annabelle, Derby, Innovator, Lady
Christl, Lady Felicia, Lady Rosetta, Laura und Marlen nur im VA mit beschränkter
Mittelmenge und Agria, Charlotte, Hermes, Jelly, Lady Claire, Pirol, Lady Jo, Opal,
Markies, Nicola, Victoria nur bis kurz nach dem Durchstossen der Dämme. Immer
Sortenverträglichkeit und empfohlene Aufwandmenge der Produkte beachten.
SCHÄDLINGSREGULIERUNG:
Gegen Kartoffelkäfer bei Schadschwelle 1-2 Herde pro Are oder 20-30% der Pflanzen
mit jungen Larven (< 0.5 cm) und Eigelegen spritzen. Im ÖLN nur Häutungshemmer
(Nomolt, Consult SC, Rimon), Bacillus thuringiensis – Präparate wie Novodor oder
Audienz (Spinosad) einsetzen. Blattlausbekämpfung mit Sonderbewilligung. Der
Drahtwurm kann grosse Qualitätsprobleme verursachen. Bekämpfung im Rahmen der
Fruchtfolge oder mit gebeizter Zwischenkultur vor Kartoffeln. Schnecken vor
Reihenschluss und während der Abreife kontrollieren.
KRANKHEITSREGULIERUNG:
Gegen Kraut- und Knollenfäule gezieltes Vorgehen mit Spritzfolgen von Kontakt- und
teilsystemischen oder systemischen Fungiziden. Bei Spritzbeginn Warndienste und
Prognosen berücksichtigen. Wegen Gefahr der Resistenzbildung systemische Präparate
nur beschränkt einsetzen (max. 3x) und nur bei vollem Krautwachstum während
heikler Witterung. Gegen Rhizoctonia das Pflanzgut mit Sprühbeize behandeln, wenn
Pocken auf Pflanzgut vorhanden sind (Richtwert > 20% Befall).
ERNTE UND VERWERTUNG
ERNTE:
Schonende Ernte ist wichtig. Optimale Knollentemperatur bei der Ernte um
Knollenschäden zu vermeiden > 15°C. Krautvernichtung ca. 3 Wochen vor Erntetermin.
Mechanische Krautbeseitigungs-Methoden bevorzugen oder zumindest in Kombination
mit Abrennmitteln verwenden. Lagertemperatur ist auf die Verwendung der Kartoffeln
auszurichten (z. B. Saatkartoffeln 2-4° C, Veredelungskartoffeln nicht unter 8-10° C).
VERWERTUNG:
In CH je nach Jahr nur ca. 3/4 der Ernte für menschliche Ernährung, Rest als
"Überschuss" in der Tierfütterung verwertet. Für die Vermarktung gelten klare
Qualitätsanforderungen (Schweizerische Handels-Usanzen für Kartoffeln, HUS). Die
Qualität ist der Schlüssel zum Erfolg im Kartoffelbau. Die Branche legt die Preise für
Speise-, Industrie- und Überschusskartoffeln fest. Der Beitrag durch den Bund an die
Verwertung der Überschüsse (Frischverfütterung, Trocknung) wurde 2009 gestrichen.
Seit 2009 wird nur noch die Frischverfütterung entschädigt. Dazu bezahlen die
Produzenten einen Beitrag in einen Verwertungsfonds, aus dem die Frischverfütterung
finanziert wird.
Die Tendenz im Kartoffelbau geht in Richtung Vertragsproduktion mit Absatzsicherheit.
Das Ziel der Branche ist es, in der CH die aktuelle Fläche zu halten, um den
angestrebten Selbstversorgungsgrad von 95% zu gewährleisten. Der Kartoffelanbau
hat sich von der "Jedermanns-Kultur" zur "Kultur für Profis" gewandelt:
Spezialisierung, mehr Fläche pro Betrieb, Landabtausch, Pflanz-Pflege-Ernteketten
(überbetrieblich).
Alle Infos (inkl. HUS) unter http://www.kartoffel.ch, Rubrik "Branchenecke".
© LIEBEGG, FEBRUAR 2012
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