Ist Gewichtheben gesund? Warum Gewichtheben?

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Ist Gewichtheben gesund? Warum Gewichtheben?
Ist Gewichtheben gesund? Warum Gewichtheben?
Der Abwehr-Reflex
(nom) - „Was, Du stemmst Gewichte? Gewichtheben, das ist sicher ungesund für Knie und
Rücken... Die Profis stemmen ja alle mit eingebundenen Knien. So tief in die Hocke ist doch
sicher schädlich…“
Diese Bemerkungen kennt jeder Heber bestens und irgendwie wird man mit den Jahren in
solchen Situationen für kurze Zeit taub. Nimmt man sich trotzdem die Zeit, zu erklären, dass seit
dem Gewichtheber-Training die Rückenprobleme verschwunden sind die weiteren Vorteile
nennt, wird plötzlich das Gegenüber für kurze Zeit taub. Sofort wird gekontert: „Jeder sagt was
anderes.“ Klar, in einer Zeit, wo alles gepostet wird – das angewachsene Mitteilungsbedürfnis
erzeugt oft inflationäre Inhalte. Leider erschaffen sich zusehends Legionen von sogenannten
Trainern und Experten mit sehr magerem Hintergrund. Dieses Phänomen kennen wir ja alle
jeweils während einer Fussball-WM; dann erblühen selbst die bewegungsfeindlichsten
Sportmuffel zu charismatischen Fussball-Dozenten.
Fakten und Hintergründe sind auch in dieser Diskussion gewinnbringender als Meinungen und
Einstellungen. Die Angst vom Unbekannten überwiegt halt oft, daher ist eine vorwegs
ablehnende Haltung des Gegenübers auch nicht gleich zu verwerfen. Zur Faktenblindheit: Ich
kenne einige Heber, die wegen Rückenschmerzen mit dem Gewichthebertraining begonnen
haben und seither schmerzfrei sind.
Unten durch anstatt über die Hecke
Wer mit Gewichtheben beginnt, muss sich gleich zu Beginn an zwei schlanke Freunde gewöhnen,
an Mr. Besenstil und an seinen grossen Bruder, Mr. Leere-Stange. Ein langwieriger
Techniktrainingsprozess mit „Kindergewichten“ wird die Gier nach viel zu schweren Gewichten
mässigen und v.a. den komplexen Bewegungsablauf schulen. Wer meint, solch ein Training sei
anspruchslos, hat weit gefehlt. Ich genoss es jedes Mal, wenn Seymour, unser Ex-Powerlifter
(KNB 280kg/BD 210kg/KRH 310kg) nach seinen ersten Techniktrainings total platt und
schweissgebadet der leeren Stange demütig Respekt zollte – gemeinsame Erfahrungen
schweissen halt zusammen. Wer also eine saubere Technik beherrscht und das Prinzip von
Belastung und Belastbarkeit befolgt, wird meist verletzungsfrei über lange Jahre viel Spass und
Herausforderung an der Hantel finden.
Ein frischer Blick aufs Wesentliche
Zurück zur Frage oder kehren wir die Frage doch gleich um: was – anstelle der Kernübungen des
Gewichthebens – macht dann wirklich gesund…oder fit? Oder wirklich athletisch? Sportarten
wie Fussball, Squash, Schwimmen, Mountainbiking, Skifahren, etc. sind wunderbar und halten
fit, sehr fit sogar. Sie schaffen auch eine polysportive, athletische Grundlage im Jugendalter.
Anders gefragt: nenne Sportarten, die besonders unangenehm hart sind. Auf der Liste stünden
bestimmt Klettern, Geräteturnen, Akrobatik, Kickboxen, Judo, Ringen, Crossfit, Langlauf,
Strongman-Disziplinen. All diesen Sportarten ist gemeinsam, dass sie den ganzen Körper
involvieren und extrem hart sind. (Abgesehen davon, dass die reinen Kraftsportarten
Gewichtheben, Powerlifting und die Strongman-Disziplinen das Herzkreislaufsystem nur
unzureichend fördern.)
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Worin liegt nun das Problem, sich die richtigen Fragen zu stellen und die passenden Antworten
zu finden? Es liegt in unserem Überfluss – die Unüberblickbarkeit verbaut den Blick aufs
Wesentliche. Robinson Crusoe hatte diese Probleme nicht – er hatte andere und v.a. keine Zeit,
sich in Details zu verlieren. Als ihn das Schicksal ins kalte Wasser warf, musste er um sein
Überleben kämpfen; dabei wurde er sehr kreativ und effizient. Und hätte er zum Überleben ein
effizientes Training gebraucht, so stünde an seinem einsamen Strand wohl eine Gewichtshantel
aus Bambus, bestimmt aber keine Butterfly-Maschine.
Früher machten die Leute aus wenig viel – heute ist es umgekehrt. Die Vorstellung, dass erst eine
High-Tech-Maschine, ein spezielles Programm oder ein spezieller Guru mit einem NavyÜberlebens-Programm her muss, entspringt einem Mythos, an dem viel Sehnsucht und
Romantik kleben. Erfolgreich trainieren bedeutet, sich auf die Kernübungen zu konzentrieren,
die die stärksten und athletischsten Menschen praktizieren und schon seit jeher praktiziert
haben. Denn niemand käme auf die Idee, mit einer Zahnbürste den Boden schrubben; das geht
am besten mit einem breiten Besen.
Ganzkörperübungen versus Isolationstraining
Als in den späten 70ern der Fitnessboom ausbrach,
entstand auch bald eine gigantische Fitness-Industrie.
Statt ganzheitlichem Training entstand Isolationstraining an Maschinen mit meist linearen 2DTeilkörperbewegungen. auch die Nautilus-Maschinen
vor 30 Jahren und selbst die scheinbar revolutionären
High-Tech-Computergesteuerten-3D-MovementHydraulik-Maschinen von heute ersetzen nicht das
Training an freien Gewichten, denn mehr 3D bekommt
man nicht!
„Ich habe einen schwachen Rücken, da muss ich doch
an der Hyperextensionsmaschine trainieren“. Nichts
gegen Teilkörperübungen, sie dürfen jedoch nicht
Ersatz für Ganzkörperübungen sein. Mit einer
Isolationsübung wird der Zielmuskel vom übrigen
Körper isoliert oder anders betrachtet werden alle
übrigen Muskeln vom Training dispensiert. Mehrere
Fliegen auf einen Streich erwischt man hingegen mit
den Kernübungen Kniebeugen, Kreuzheben, Drücken überkopf oder liegend und mit Zugübungen.
Das Prinzip vom Diskuswerfer, Gewichtheber und Strongman Dan John lautet: „Widme dich dem
ersten Teil den Kernübungen und absolviere im zweiten Teil Nebenübungen“.
Die Menschheit ist immer gescheitert, wenn sie etwas verurteilt hat, das sie nicht kennt.
Umgekehrt sind Menschen erfolgreich geworden, wenn sie neue Wege gegangen sind – hierbei
wäre der neue Weg ein Weg zurück zu den Wurzeln; das Rad muss demnach nicht neu erfunden
werden! Wer bereit ist, die alten Trampelpfade zu verlassen, wird nur gewinnen.
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Ich möchte nun in die Gesichter der
Legionen
von
Eltern,
Therapeuten,
Sportlehrern und Fitnessinstruktoren und
blicken, die gerade jetzt dieses Bild
betrachten. Das ist Antoine Lab mit 11
Jahren und 36 kg reisst 27kg und stösst sein
eigenes Körpergewicht – natürlich bei
sauberer Technik!
Dieser junge Mann ist übrigens der Sohn
von Dimitri Lab, ehem. Schweizermeister,
der im Alter von 48 Jahren immer noch über
100kg reisst und über 120 kg stösst.
…und wer immer noch skeptisch ist: Oma Jean am Kreuzheben mit 70kg lässt Zweiflern wenig
Luft.
„If you always do
what you have always done,
you will always get,
what you have always got.”
(Henry Ford)
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