Interview für Roba Press

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Interview für Roba Press
Interview mit Peter Fricke (71)
Von: Anja Habermann-Blum
FÜR ROBA - PRESS
„Der kommt nicht aus dem Windkanal seiner
Zunft.“
„Karrieredenken frisst den Menschen auf „
PETER FRICKE
Er lässt sich in keine Schublade packen, oder mit einem Etikett versehen in der
deutschen Fernsehlandschaft und er ist der einzige Schauspieler, der sich auf dem
Höhepunkt seiner TV-Karriere selbst der Kamera entzogen hat, um mit der Brasserie
Bunuel, ein Stück Paris an die Isar zu bringen, - einem Restaurant und Künstlertreff
in Grünwald bei München.
Nicht nur aus diesem Grund hat Peter Fricke
(Kommissar“ „Derrick“ „Tatort“ „Das blaue Palais“ „Nathan“ „Oh Jonathan“„Rossini“
uvm.) sich entzogen, sondern weil es 150 und mehr Serien gab und er kein
Serienstar werden wollte. “Du kriegst, was du siehst“ sagt er, also
„ Typenbesetzungen, die sich die Fertigkeiten für die Kamera aneignen und
ansonsten nichts können, als das zu spielen, was sie privat sind. Der Beruf ist aber
gestalterisch gedacht, also im Rahmen seiner Möglichkeiten, anders zu sein und er
verdient nur dann das Attribut >Künstler<.
Mit dem „Bunuel“ hatte sich der charismatische Schauspieler seine „eigenen Focus
geschaffen“ und das viele Jahre erfolgreich, nicht nur mit französischem Essen, wie
der Jean Gabin-Scampi-Pfanne, sondern auch einer großen Bar mit DeneuveCocktails und mit Lesungen und Life-Musik. Daraus ist auch eine Hörbuchreihe
entstanden :bunuel-grünwald. Fricke genoss bis vor wenigen Jahren das Ansehen
als Gastronom, denn er war nicht nur >Aushängeschild<,wie seinerzeit Iris Berben,
sondern hat das Restaurant über viele Jahre verantwortlich geführt.
Wir haben Peter Fricke und seine hübsche Frau, die Theaterschauspielerin und
Malerin Patrizia Orlando, in Grünwald bei München besucht. Ein Gespräch über die
schönen Erinnerungen an das „Bunuel“, die dunklen Seiten der Filmbranche und der
ritterliche Kampf für die deutsche Sprache.
Stört es Sie, wenn ich sage, dass Sie bekannt sind, wie ein bunter Hund?
Peter Fricke: Nein, ganz und gar nicht. (lacht) Hätte ich nur Theater gespielt, wäre
mein Bekanntheitsgrad heute sicherlich verschwindend gering. Da ich aber viele
Jahre über das Fernsehen in die Wohnzimmer der Menschen gekommen bin, habe
ich so etwas wie eine Prominenz erlangt. Mein Verdienst ist es aber streng
genommen nicht. Das Theater hat den Vorteil, dass > der Mensch auf der Bühne<
nicht nur als Gesicht hängen bleibt und dass ein Schauspieler vielgestaltig sein
muss. Man kann nämlich mit immer demselben Typ keine Spielzeit überleben.
Wie verbindet sich für Sie mit dem Begriff Karriere ?
Peter Fricke (lachend) Die fünf Stufen der Karriereleiter im TV sind : 1te. >Wer ist
Peter Fricke?<
P.F.<
2te. >Ich will P.F.<
3te. > Ich will jemand, der so aussieht, wie
4te. >Ich will jemand, der so aussieht, wie P.F. – nur jünger> 5te. >Wer ist
P.F.< . Hermann Prey, der Sänger, erzählte mir, dass er, nach der Zeit seiner starken
Fernsehpräsenz, auf der Königsallee in Düsseldorf saß und eine Frau ihn ansprach,
mit den Worten :„Waren sie nicht mal Hermann Prey?“ Die Menschen glauben, wenn
man nicht im Fernsehen erscheint, ist man schon im Ruhestand, - oder nicht mehr
existent.
Werden Sie auf der Straße angesprochen?
Peter Fricke:
Hin und wieder, aber ich werde auch verwechselt, mit Howard
Carpendale zum Beispiel oder : „Ich kenne sie – vom Fernsehen, sagen sie nichts,
ich komme gleich drauf ! “ Darauf meine Antwort :„Wetterkarte“ ER: „ Ja, genau ! “.
Vielleicht bin ich ja Carpendale und Sie stellen die falschen Fragen an mich.(lacht)
Ich gebe gegebenenfalls auch ungeniert Autogramme mit anderem Namen, weil die
Menschen glauben, ich sei Derjenige, den sie glauben vor sich zu haben und will
mich nur verleugnen. Ich gehe damit spielerisch um, denn der Beruf ist leider nicht
geschützt und alles ist im Fernseheintopf zu haben, von Moderatoren, Reportern,
Wetterfröschen bis zu Stars der Volksmusik, Schauspielern. Alain Delon sagte zu
Thomas Gottschalk, als der ihn mit >Star< ansprach. „Sie sind doch heute die Stars
und nicht mehr die eigentlichen Stars, weil sie ständig im TV präsent sind“.
Finden Sie das nicht sehr kurios?
Peter Fricke: Man hält sich ja selbst als unverwechselbar und stellt dann fest, wie
unspezifisch und ungenau Menschen beobachten und einschätzen. Ganz lehrreich
dafür, sich nicht so wichtig zu nehmen, aber ich bin ein stark visueller Mensch und
gehe wach durch die Gegend. Schon alleine um Menschen zu beobachten und dafür
nicht in den Zoo zu gehen. Da kann man auch viel lernen von Verhalten und
Bewegung der Krone der Schöpfung.
Der von mir sehr verehrte Laurence Olivier lernte an den Raubtieren den negroiden
Gang für die Darstellung seines >Othello< und von ihm ist der herrliche Satz :
„Früher gab es hunderte von Schauspielern und alle versuchten ein Star zu werden
und heute gibt es hunderte von Stars und kaum einer bemüht sich, auch ein
Schauspieler zu werden“.
Sie waren in den 70er und 80er Jahren ein gefragter Charakterdarsteller.
Warum haben Sie sich dann immer mehr aus dem Filmgeschäft
zurückgezogen?
Peter Fricke: Damals habe ich sehr viele gute Fernsehproduktionen gemacht, doch
es gab immer ein Wechselspiel zwischen Bühne und Fernsehen. Die Bühne ist die
Wurzel des Berufs und sie gehört dem Schauspieler in der Totalen, während Film
und Fernsehen dem Produzenten, dem Kameramann, dem Regisseur, dem Sender,
also Vielen gehören.
Ich bin noch in der Generation von Schauspielern, die für den Romeo zum Theater
gingen und nicht den Alpha Romeo im Blick hatten. Auch hatte ich eine fernsehfreie
Jugend. Dann in den 60er Jahren, als das Fernsehen noch in den Kinderschuhen
steckte, war das Programm überwiegend am Theatergeschehen orientiert. Es
wurden Theaterstücke life gesendet. Später ging man dazu über, die Aufzeichnungen
eine Stunde versetzt zu senden. Recht schnell kamen dann auch Fernsehfilme/
Spielfilme natürlich und erst viel später Serien dazu.
Ich erinnere mich noch an meine Beteiligung in einem Zweipersonenspiel – Rosalind
- Anfang der 70ger Jahre, mit dem das Bayerische Fernsehen von schwarz/weiß zur
Farbe wechselte.
Was hatte Ihnen am TV-Geschäft nicht mehr gefallen?
Peter Fricke: Ich wollte keine Serien anführen. Gast darin zu sein mit einer
profilierten Figur ist was anderes.
TV ist zu einem Massenkomunikationsmedium
geworden, - so ist es wohl gedacht und der amerikanische Einfluss hat das bewirkt.
Es gab aber in Deutschland einen goldenen Anfang und einige Jahrzehnte hohe
Qualität mit reflektierten Stoffen. Auch da haben Millionen zugesehen, aber es gab
nicht die Fixierung auf die Einschaltquote.
Ich habe Lessings „Nathan“ in Israel gedreht und das Stück wurde zur Prime-Time –
wie das heute heißt - gesendet. Heute nicht vorstellbar! Was wollen die Leute
sehen ? Gott – Königshäuser – Sex – Spannung. Was kommt da rauß ? >Mein Gott,
rief die Königin, ich bin vergewaltigt worden. 1989 gab es ca. 150 Serien und heute
hat sich das noch mit den Soaps vervielfacht.
Ich habe im Laufe der Jahre Angebote für eine Hauptrolle in einer Serie bekommen,
aber ich bin kein Serientyp für oft auch noch kleinbürgerliche Unterhaltung. Jetzt gibt
es, nach anglo-amerikanischem Muster, auch sowas wie das Dschungelcamp : der
Kandidat als Opfer, oder als Unterhaltungs-Hure. Ein Volk, das jede Neugier auf
Unbekanntes, jede geistige Anstrengung zu vermeiden sucht, das nur noch
vorgekauten Brei zu sich nimmt, wird bald auf den Status eines geistigen
Entwicklungslandes zurückfallen.
Das sage ich, der ich mich für einen positiven Zeitgenossen halte. Wir wollen uns
auch nicht ärgern, denn dieses Leben ist das Original, das sich nicht verlängern lässt
und deshalb mit Positivem gefüllt werden soll. Was ich in mir nähre das wächst.
Gab das Ihrer Karriere keinen Abbruch?
Peter Fricke: Ganz und gar nicht. Meine Rollenwünsche sind erfüllt, vom Liebhaber,
Charakterspieler, dem Komödianten (wie zuletzt in Reinhard Schwabinitzkys
Spielfilm „Zwei Väter einer Tochter“) bis zu den kalt-kalkulierenden Mordbuben in den
gängigen Krimiserien.
Das, was den Beruf so aufregend macht, ist doch die
Entdeckung seiner Selbst mit Rollenfiguren und eben damit; viele Leben zu leben.
Der Beruf ist eine Lebensform und verlangt Kondition, für die Umsetzung von Texten
in´s Spontane. Nach dem Krieg bekamen die Protagonisten in Theatern
Schwerarbeiterzulage, weil der Energieverlust am Atem gemessen wird. Das trifft auf
das Fernsehen nicht zu, weil dort in Takes aufgenommen wird und auch noch mit
vielen „Darstellern“, die für jede richtige Betonung Finderlohn bekommen. (lacht)
Können Sie sich vorstellen, dass T. Schweiger, oder Vogel ect. je richtig sprechen
gelernt haben.
Wann wurde Ihr Lokal eröffnet?
Peter Fricke: Das war Ende 1989. Der Zeitpunkt meines TV-Rückzuges, Ich hatte in
Grünwald am Marktplatz ein französisches Restaurant, es hieß Bunuel, benannt
nach dem gleichnamigen Filmregisseur und Drehbuchautor, der in seinen >Irdischen
Vergnügungen<
sagte, dass er bei einem Glas Rotwein und einer leichten
Geräuschkulisse am kreativsten sei und genau so ein Lokal beschrieben hat. Das
war die Anregung und zog die Leute aus den nahegelegenen Bavaria-Filmstudios an,
auch ohne, dass man es Kulturtreffpunkt nennen musste. Erinnerungen, denn diese
Periode in meinem Leben ist vorbei.
Welche Erinnerungen?
Peter Fricke: In den 60er Jahren hatte ich mit meiner ersten Frau – sie kam aus
dem Elsass - eine Wohnung im Pariser Viertel St. German des Pres, wo ich das
Stadtleben lieben lernte. Ich war immer gerne in eines dieser typischen Pariser Café/
Restaurants gegangen. Zwischen all den Menschen, die an diesen marmornen
kleinen Bistrotischen saßen, ihren Espresso tranken und Gitanes rauchten, konnte
man hin und wieder Yves Montand erblicken – ein großartiger Chansonnier und
Schauspieler. Ich fühle noch heute diese Atmosphäre, die es schon in den Dreißiger/
Vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts so gab.
Haben Sie Yves Montand persönlich kennen gelernt?
Peter Fricke: Ja, ich habe ihn glückhafterweise kennengelernt und er war auch der
Anlass zu meinem Wunsch nach einem Restaurant. Ich weiß nicht, ob Sie wissen,
dass er in den 80 ger Jahren ein Restaurant in Südfrankreich aufgemacht hat ? Ich
habe damals in Paris auch viel Theater gesehen, unter anderem Romy Schneider
und Alain Delon in einer Visconti-Inszenierung von Ford´s >Schade dass sie eine
Hure ist< .
Haben Sie das Gefühl, dass Sie in dieser Zeit im Filmgeschäft etwas verpasst
haben?
Peter Fricke: Ganz und gar nicht. Wichtig ist für mich, dass das, was ich tue, mir
Freude macht . Die Zeit im Bunuel hat mir Freude gemacht. Leider hat sie mich auch
mit dem sanktionierten Betrug in der Gastronomie vertraut gemacht. Die gehen an
die Kasse, beklauen und lächeln einen an. Das war einstmals in der Gesellschaft
geächtet und gäbe es ein Wertesystem könnte das auch heute noch so sein.
Sind Sie ein Bauchmensch oder ein Kopfmensch?
Peter Fricke: Ich bin ein Bauchmensch mit Köpfchen, weil ja der Verstand der Teil
des Körpers ist, den einem immer im Wege ist. Ich habe mich in einem harten
Gewerbe über lange Zeit bewährt, auch wenn ich sicher mehr geneigt bin, eine
Bibliothek zu führen. Genuss für Körper und Geist war meine Devise.
Herr Fricke, interessieren Sie sich auch für das, was in der Zeitung über Sie
geschrieben wird?
Peter Fricke: Ja, natürlich, besonders wenn es - wie jetzt gerade - sehr gute Kritiken
sind. Wenn man neue Sonette von Shakespeare findet und gleichzeitig seine
Wäscheliste. Was meinen sie, wofür würden sich die Menschen mehr interessieren?
(lacht) Die Antwort liegt auf der Hand, die Neugier auf Klatsch ist in der Natur des
Menschen. Eine Bild-Zeitung macht auch nichts anderes, als die Neugier auf Klatsch
zu bedienen. Da gibt es dann leicht das Resultat, dass die Leute nur noch
Hauptsätze verstehen.
Sie empfehlen auf Ihrer Internetseite das Buch „Seichtgebiete – Warum wir
hemmungslos verblöden.“ Werden wir Deutschen tatsächlich immer dümmer?
Peter Fricke: Ja, es ist der amerikanische Einfluss, Leute zu Konsumenten zu
machen :kaufen sollen sie, kaufen und nicht denken, - das sollen sie der Wirtschaft
überlassen. Das Buch ist journalistisch glänzend geschrieben und gibt einen
Querschnitt über den Stand der Gesellschaft. Es macht fassungslos. Sehr zu
empfehlen, besonders Politikern, die seit Jahren über Bildung sprechen.
Ich habe nach dem Prof. Higgins in >My Fair Lady< in Berlin, ein Stück mit
ähnlichem Inhalt gespielt >Educating Rita > und da war der deutsche Titel >Bildung
für Rita<. Damals hat man mir empfohlen, das Wort „Bildung“ rauß zu nehmen, denn
das wirke für die Zuschauer abschreckend.
So einen idiotischen Ruf hat das Wort, - dabei ist es der Rohstoff, den wir haben, da
in der Erde nichts zu finden ist.
Es gibt schon Wege, jungen Menschen Bildung über die Sinne
schmackhaft zu
machen. Mir fällt da viel ein dazu. Auch zum Beispiel ein Schlüsselerlebnis bei einem
Theaterbesuch, wenn erstmal die Hemmschwelle in´s Theater zu gehen weg ist .
Sinnentleerten Fernsehsendungen und Computerspielen
schaffen keinen hellen
Geist. Wie hieß der außerparlamentarische Spruch ? Esst mehr Sch…… Millionen
Fliegen können nicht irren. Wie sollen sie da auf die Idee kommen, ein Buch zu
lesen. Das ist fatal, denn die Zahl derer, die sich gut ausdrücken kann, wird immer
geringer, bei sms : „ich schon Bus, du Auto ?“ Und aus diesem Grund setze ich mich
für den Erhalt der deutschen Sprache ein.
Was genau tun Sie dafür?
Peter Fricke: Ich bin gerade in der Vorbereitung für einen DVD-Sprechkurs in
fünfzehn Lektionen, den ich mit meiner Sprechlehrerin ausgearbeitet habe und der
genaues über Haltung, Atem und richtiges Sprechen aussagt.
Dann arbeite ich seit Jahrzehnten für die deutschen Hörfunksender, habe eine
eigene Hörbuchreihe und drei Hörbuchpreise in den letzten fünf Jahren bekommen.
Gerade gibt es >Gracian - Die Kunst glücklich zu sein < über Monarda in den
Buchhandlungen. Ein Jesuitenpater aus dem 17.Jahrhundert, der Ratschläge für ein
richtiges Leben gibt, die in der Auswahl für heute noch gültig sind. Toll.
Achten Sie mal darauf, wie viele Politiker, Moderatoren, Bürger im TV und Radio, die
Modewörter „letztendlich“ „massiv“ für alles und jedes, „total“ und „aller Zeiten“( also
der teuerste, größte Film aller Zeiten) verwenden. Dabei gibt es Film gerade mal 130
Jahre.
Welche Sinnentleerung mit dem Ausverkauf der Sprache zu Worthülsen getrieben
wird. Der Gebrauch von Superlativen überlagert die gesamte Sprache. Megageil,
Unterhaltungsgigant, Supertalent, Wahnsinnstyp, Blockbaster (übrigens eine Bombe
aus dem zweiten Weltkrieg) und das Wort „Scheiße“ für alles, ob ein Stück Käse
runterfällt oder die Türme einstürzen.
Die Leute verlieren die Fähigkeit, sich differenziert auszudrücken und genau das
unterscheiden sie doch vom Tier. Das Wünschenswerte nicht mehr in Gleichgewicht
und Maß, sondern in Extrem und Übersteigerung verkörpert zu sehen, wird unsere
Epoche auszeichnen. In der Selbstentblösung hätte ich - bei diesem Interview - auch
viel mehr Erfolg, wenn ich mich, mit einer ordentlichen ‚Beziehung zu einem
Kängeruh outen würde.
Das sogenannte >denglich< ist ja auch eine immer mehr angewandte Form des
Ausdrucks? Haben sie schon mal einen cafe latte tall bestellt ?
Peter Fricke : (lacht) Nein, ich trinke nur Espresso. Ja, nach dem warm-up geht man
shoppen, dann kauft man very lecker Spargel, dann geht´s zum hair-cut – falls er
open ist – und abends nach dem work-out, beim event in einer geilen Location, gibt´s
dann das highlight und danach den chill-out für die kids im coolen shirt.
Wenn die Sprache eines Landes verkommt, verkommt seine Kultur, sagte der Dichter
Boris Pasternak. Übrigens eine Stimme Mehrheit hat gefehlt, dann wäre deutsch und
nicht englisch Weltsprache geworden. Wie angenehm ist es beispielsweise in Paris
durch eine Straße zu gehen und vom Coiffeur bis zur Patisserie alles in der
Landessprache zu lesen. Ach ja, baladeur für walkman und ordinateur für Computer
sind doch nicht schlecht ?!
Waren die Deutschen früher wirklich gebildeter?
Peter Fricke: Ich glaube schon. Ich kann mich noch erinnern, dass mich unser
Postbote immer mit einem Goethe-Zitat begrüßte, weil er wusste, dass ich am
Theater arbeite. Damals stand Goethe noch auf dem Lehrplan der Schulen. Ich bin
der Meinung, dass Bildung nicht nur eine Frage des Geldes ist, so wie es unsere
Politiker propagieren. Und da sind wir auch schon wieder beim deutschen
Fernsehen. Warum werden nicht mehr Sendungen ausgestrahlt, die uns fordern ?
Richtig, warum haben wir die amerikanischen Fernsehformate
übernommmen?
Peter Fricke : Der einfachste Weg die Werbeindustrie zufrieden zu stellen. Alles mit
Anspruch in die Nacht und tags die Mehrheit bedienen(in den
Nachmittagsprogrammen ist der Geschmack in die Hose gerutscht), die Mehrheit da
abholen, wo sie ist, - wie es so schön heißt. Das Fernsehen kapriziert sich auf die
Befölkerungsschichten, die keinen Bildungsehrgeiz haben. Warum tut es nichts,
deren geistige Lage zu bessern?
Wie sagte Herr Thoma bei RTL „der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem
Angler“. Der Moloch frisst alles, gutes und schlechtes.
Sie sind in Berlin geboren, im bayrischen Murnau am Staffelsee aufgewachsen.
Vertragen sich preußische Tugenden und süddeutsche Lebenslust?
Peter Fricke: Ich bin ein gutes Beispiel dafür! (lacht)
Ihre Wohnung hier hat nicht nur eine große Dachterrasse, sondern eine
riesengroßes Bücherwand.
Peter Fricke : Herrlich ja. Ich umgebe mich mit einem Kapital, das fortwährend
lautlos Zinsen spendet, wie es ein Mensch mal formulierte. Aber es gibt hier auch
Zeitungsstöße, ich liebe es Zeitung zu lesen und das Vergnügen kann mir kein
Internet ersetzen.
Es macht den Eindruck, als würden Sie sehr gerne Zuhause sein ?
Peter Fricke: „Massiv“ gerne, um das Modewort zu gebrauchen. Es ist mein
Ausgangspunkt und hier bereite ich auch die vielen Lesungen und Hörbücher vor,
das ist eine einsame Tätigkeit und da soll man sich mit schönen Dingen umgeben
und eine warme Atmosphäre haben.
Sie sind ja viel beruflich unterwegs und das ist sicher nicht leicht zu
organisieren.
Peter Fricke : Zeit-und Nervenaufreibend, ich finde überhaupt, dass es immer
aufwendiger wird, den Status Quo zu erhalten und sich über lange Perioden von
seinem Zuhause weg zu bewegen.
Wie halten Sie sich fit, was haben Sie für Hobbys ?
Peter Fricke : Ich fahre Schwedenrad – also normales Rad – spiele Tennis, mache
beim Laufen -Intervalltraining, also gehen, laufen, gehen , laufen und lasse mich, mit
der asiatischen Methode, gegen Verspannungen behandeln. Hier auf der Hochleite
sehe ich täglich rasende Radfahrer mit verbießtertem Ausdruck Kondition trainieren.
Das Leben ist lebensgefährlich, sagte Erich Kästner.
Was sind Ihre nächsten beruflichen Pläne ?
In Frankfurt spiele ich die Hauptfigur in Bernard Slades Psychothriller „Mörderische
Phantasien“. In Salzburg drehe ich bei Reinhard Schwabinitzky, zur Buchmesse in
Leibzig stelle ich zwei neue Hörbücher vor und für den Steidl-Verlag wurde von mir
das Buch „Die Krönung“ der Französin Bisot gesprochen (Buch und Hörbuch werden
in Leibzig erscheinen). Im Mai/Juni spiele ich in Düsseldorf die Uraufführung einer
Zweipersonen - Komödie >Möve und Mozart< mit Doris Kunstman und im September
gehe ich mit dem in Frankreich verfilmten Theaterstück >Der Gast < auf Tournee. Sie
sehen also, es gibt viel zu tun.
Fürchten Sie sich vor dem Tod ?
>Von allen Wundern die ich je gehört, scheint mir das größte, dass sich Menschen
fürchten, wo sie doch wissen, der Tod – das Schicksal aller – kommt wann er
kommen soll< ist von Shakespeare.
Ich würde mir für die Gesellschaft wünschen, dass nicht alles so schnell und perfekt
abgehandelt wird, sondern dass Dinge auch ihre Schatten werfen können, - Zesuren
machen, über das News hinaus-wirken. Nehmen wir Bernd Eichingers Tod. „Er
hinterlässt eine große Lücke“ oder „Ein unersetzlicher Verlust, weit über Deutschland
hinaus“ echt gemeinte, aber durch häufigen Gebrauch, leere Worthülsen und gleich
am nächsten Tag die fertige Mixtur >B.Eichinger – das war mein Leben< .
Dann noch ein paar Nachrufe und danach nächste News, die das völlig überdecken.
ENDE