Günstige Kleidung aus aller Welt – das ist doch für alle von Vorteil
Transcription
Günstige Kleidung aus aller Welt – das ist doch für alle von Vorteil
Globalisierung am Beispiel „China“ Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Eine Unterrichtseinheit in Auszügen Erstellt vom Politikseminar (Döring) Erprobt und in vielen Bereichen konkretisiert von Martin Glende Mitwirkende: Barke, Jürgen Brennecke, Kai Döring, Astrid (FL) Glende, Martin Langfeldt, Michael Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Inhaltsverzeichnis: 1. Struktur der Unterrichtseinheit ..........................................................................................................3 2. Begründung der Auswahl- und Reduktionsentscheidungen ..........................................................5 3. Lernzielbeschreibungen .....................................................................................................................7 4. Arbeitsmaterialien der 1. Phase .........................................................................................................8 4.1. Tafelbilder der 1. Phase ........................................................................................................... 8 4.2 Arbeitsblatt der 1. Phase .....................................................................................................................9 4.3 Schülerfragen nach der Textarbeit.....................................................................................................10 5. Arbeitsmaterialien der 2. Phase .......................................................................................................11 5. 1 Gruppe: Hauptsache Arbeiten? Arbeitsbedingungen in chinesischen Textilfabriken. .......................11 5. 2 Gruppe: Unterschiede zwischen der chinesischen Stadt- und Landbevölkerung .............................15 5. 3 Gruppe : Umweltzerstörendes Wachstum ........................................................................................20 5. 4 Gruppe: Die chinesische Wirtschaft boomt! ......................................................................................24 5. 5 Gruppe: Das Ende des Welttextilabkommens – Wer gewinnt, wer verliert? .....................................29 5. 6 Gruppe: Einfluss von Kultur auf die heutige Situation Chinas...........................................................32 6. Begründung der Impuls-/Schlüsselfragen der 3. Phase ................................................................36 7. Impulsfragen – Erwartungshorizont ................................................................................................40 8. Beurteilungsmatrix zur Strukturierung/Gewichtung von Positionen............................................45 2 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Struktur der Unterrichtseinheit Phase Std. Angestrebte Thema der Dat Kompetenzen/Ziel der Stunde um Unterrichtsstunde Folgen einschätzen (1) Sich einfühlen beschreiben Problemsituation 2 Die S. und S. formulieren Fragen zur Beantwortung des Stundenthemas. Warum kommen so viele Textilien aus China? Inhalte 6 Die S. und S. planen die weitere Vorgehensweise für die UE (Sozialform, Ergebnispräsentation, Zeitrahmen), finden sich in Gruppen zusammen und einigen sich auf ein Handlungsprodukt (Wandzeitung). S. und S. erarbeiten Wie gehen wir zur Beantwortung der Fragestellung vor? Welches Handlungsprodukt wollen wir erstellen? Bewertungskriterien Wandzeitung: vollständig, gut lesbar (Schriftgröße), anschaulich, verständlich, Quellen angeben, A4Raster Textarbeit, Sammlung günstiger Kleidungsartikel, die in China hergestellt wurden. L.-S.-S.-Gespräch L.-S.-S.-Gespräch, Gruppenarbeit, Tafel: (Bewertungskriterien) Methode zur Einteilung 1. Umweltproblematik 2. Wirtschaft rechnergestützt Auswirkungen auf die anderen Textilexporteure Einkommensentwicklung Kapitalanhäufung Unternehmensvorteile Wirtschaftswachstum (Deutschland) WTA in sechs Gruppen (Chinas Wirtschaftsentwicklung, WTA, Umwelt, Kultur, Arbeitsbedingungen, Einkommensentwicklun ihrem g) 3. Chinesische Kultur politische System Chinas Informationstexte, Themenschwerpunkt Hintergrundmaterial zu Hintergründe erarbeiten Textilproduzent China Preisniveau Arbeitsbedingungen und Wirtschaftssystem China Logistik der Transportunternehmen Quotenregelung Textilabkommen WTO Vor- und Nachteile Methoden/ Medien Sie erstellen auf Grundlage der Geschichte Chinas Veränderung traditioneller Lebensverhältnisse 4. Arbeitsbedingungen PC, Drucker, Plakate, Klebestifte, Schere etc. Bewertungskriterien eine Wandzeitung zu ihrem Themenschwerpunkt 3 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 4 S. und S. präsentieren Was macht eine ihre Arbeitsergebnisse. gute Präsentation S. und S. erkennen den aus? Zusammenhang zwischen In welchem den Teilthemen und der Zusammenhang Fragestellung der UE. stehen die Teilthemen mit der Fragestellung Lösungsansätze finden und beurteilen der UE? 1 S. und S. fällen begründet Kleidung zum Schnäppchenein Urteil zu der preis – Ein Vorteil Fragestellung der UE. für alle? Kriterien für Präsentation Tafel: Kriterien für eine Präsentation nationaler/internationaler Einfluss auf die Produktionsbedingungen Bewertungsprotokolle, Auf der Ebene der WTO L.-S.-S.-Gespräch, Ebene der Eu Wandzeitungen Auf der Ebene der nationalen Politik – Einfluss auf die dt. Unternehmen – Einfluss auf die Produktion in China Ebene der ”non governmental organizations“ Persönliche Einflussnahme Einstieg: Folie Auf der Ebene der Kundenkarte der Verbraucher Südwind-Kampagne L.-S.-S.-Gespräch, Wandzeitungen, Streitlinie (Klebeband, Pol-Karten: Stimme zu/ Stimme nicht zu), 4 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 1. Begründung der Auswahl- und Reduktionsentscheidungen Das Thema „Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle?“ haben wir zum einen aus aktuellem Anlass und zum anderen deshalb ausgewählt, weil es die Mechanismen und Strukturen, die in einer komplexen globalisierten Welt zum Tragen kommen aufzeigt. Es ist zum einen konkret aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler entnommen (günstige Kleidung), zum anderen lässt sich der Funktionszusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung – Chancengleichheit – Umweltproblematik – Interdependenz exemplarisch aufzeigen. Das Welttextilabkommen zeigt die geschichtliche Bedeutung für die Handelsbeziehungen zwischen China und der EU auf. Es wird deutlich, welche Interessen dazu geführt haben, dass das WTA ausgelaufen ist und die Schülerinnen und Schüler sind mit den direkten Auswirkungen von Entscheidungen einer Organisation wie der WTO konfrontiert und sehen sich als Akteure in einem gegenwärtigen Prozess, dessen Auswirkungen auf den Weltmarkt auch zukünftig von Bedeutung sein werden. Die Einkommensentwicklung der Chinesen muss genauer betrachtet werden, damit die unterschiedlichen Auswirkungen der marktwirtschaftlichen Entwicklung innerhalb des Landes beurteilt werden können. Es wird hier exemplarisch für andere Länder aufgezeigt, welche Folgen die Industrialisierung sowohl für unterschiedliche Bevölkerungsschichten als auch für die ökologische Gesamtsituation in China hat. Darüber hinaus kann exemplarisch der Zusammenhang zwischen dem Erstarken einer Wirtschaftsmacht und ihrer Handelspartner aufgezeigt werden. Die historische Bedeutung kann gleichwohl in dem Verständnis der Entwicklung heutiger Industriestaaten gesehen werden. Zukünftig müssen sich die Staaten der 1.Welt und insbesondere Deutschland als „Exportweltmeister“ mit der Situation auseinandersetzen, dass China als export- und importstärkstes Land die Rahmenbedingungen für Handelsbeziehungen immer mehr mitgestalten wird. Die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Textilfabriken stehen exemplarisch sowohl für die Arbeitsbedingen vieler chinesischer (Wander-) arbeiter als auch exemplarisch für einen „Preis“, der ebenso in anderen „Entwicklungsländern“ für industriellen Fortschritt gezahlt wird. Es wird hier die Frage nach menschenwürdiger Arbeit aufgeworfen und die Schülerinnen und Schüler können durch den direkten Vergleich mit ihren Arbeitsbedingungen innerhalb der folgenden Unterrichtseinheit eine solidarische Haltung entwickeln. Die Frage nach den Machtverhältnissen lässt das Prinzip der Mitbestimmung im Vergleich zu deutschen Fabrikarbeitern und im Vergleich zu den Arbeitsbedingungen der Auszubildenden selbst an Bedeutung gewinnen. Die Umweltproblematik lässt sich zu einen als ein Folgeproblem der wirtschaftlichen Entwicklung festmachen, zum anderen ist aufgrund der gegenwärtigen Klimadiskussion transparent, dass die 5 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Umweltzerstörung sich über die Grenzen von China auswirken wird. Die Umweltschäden, die bereits zu großen Einbußen für die chinesische Landbevölkerung geführt hat, werden aufgrund eingeschränkter Meinungsfreiheit jedoch nur sehr vorsichtig angeprangert. Hier werden Machtstrukturen deutlich, die für die Analyse des Stundenthemas in den Folgestunden ebenfalls von Bedeutung sind. 6 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 2. Lernzielbeschreibungen Die Schülerinnen und Schüler analysieren die globalen wirtschaftlichen Zusammenhänge anhand der Produktion und des Vertriebs chinesischer Textilwaren. Sie wägen die ökonomischen Vor- und Nachteile sowohl für die VR China, für die Import- und weitere Exportländer als auch für ihre eigene Person vor dem Hintergrund der Umwelt- und Sozialverträglichkeit ab und entwickeln eine kritische Werthaltung für das eigene Handeln. Thema der Stunde: Warum kommen so viele Textilien aus China? Stundenlernziel: „Die SuS formulieren Fragen zur Beantwortung des Stundenthemas.“ Feinlernziele Die SuS... LZ 1 ... formulieren das Stundenthema (MK) LZ 2 ... formulieren Hypothesen zur Beantwortung des Stundenthemas (FK) Erwartungshorizont 1 LZ 3 ... analysieren einen Text hinsichtlich weiterer Fragestellungen zum Thema (FK, MK) Erwartungshorizont 2 LZ 4 ... ordnen ihre Fragestellungen einem Oberthema zu (MK) Erwartungshorizont 2 7 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 3. Arbeitsmaterialien der 1. Phase 4.1. Tafelbilder der 1. Phase Erwartungshorizont 1 Warum kommen so viele Textilien aus China? (1. Hypothesenbildung) - Die Produktionskosten sind niedrig. - Die Löhne der Arbeiter sind gering. - Die deutschen Konsumenten wollen billige Kleidung. - Eine effektive Produktion, da keine Umweltschutzbestimmungen eingehalten werden müssen. - Die Textilien werden von Kindern hergestellt. 8 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 4.2 Arbeitsauftrag: 1. Lesen Sie den Text aufmerksam durch und markieren Sie Ihnen unbekannte Wörter. 2. Formulieren Sie mithilfe der Quellen fünf Fragen zum Thema der Unterrichtseinheit, die Sie gerne in den nächsten Stunden beantwortet haben möchten. Keine Branche der Welt ist so stark globalisiert wie die Tab. 1: Entwicklung ausgewählter makroökonomischer Daten in China Textilindustrie. In 160 Ländern wurden Fäden, Stoffe, Hosen, Mützen oder Autositzbezüge hergestellt - und exportiert. Damit war bald Schluss. Denn mit dem 1. Januar 2005 lief das Welttextilabkommen aus. Der mit dem Ende des Welttextilabkommens einhergehende Quotenfall löste viel Unruhe in der Branche aus und führte im globalen Zusammenspiel der Textil- und Bekleidungsindustrie zu enttäuschten Verlieren und großen Gewinnern. Chinas Wirtschaft wächst mit beeindruckenden Raten, besonders der Industriesektor zeigt ein stabiles Wachstum. Wie der Wirtschaftsminister Bo Xilai vor kurzem in einem Vortrag anmerkte, ist Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den letzten 27 Jahren um über 1000% gestiegen, die jährliche Wachstumsrate betrug im Durchschnitt 9,4%. Vor diesem kometenhaften Aufstieg war die Volksrepublik trotz ihrer stolzen und traditionsreichen Geschichte ein sehr armes und gebeuteltes Land. Noch heute findet man Abb. 1: Kautionen, zurückhaltenden Löhne und Restriktionen chinesischer Textilarbeiterinnen Abb. 2: Arbeitszeiten chinesischer Textilarbeiterinnen Abb. 2: Überstunden, Arbeitstage, unbezahlte Überstunden, bezahlter Urlaub chinesischer Textilarbeiterinnen sowohl die Folgen dieser Armut, als auch die Traditionen im alltäglichen Leben der chinesischen Bevölkerung wieder. Chinas ressourcen-intensives und weitgehend unkontrolliertes Wirtschaftswachstum übt einen starken Druck auf die natürlichen Ressourcen aus und führt zu einer enormen Verschmutzung und Belastung der Umwelt. Die Meinungen über Umweltschutz gehen auch in China auseinander. 9 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 4.3 Schülerfragen nach der Textarbeit: Wirtschaft Erwartungshorizont 2 Umwelt Kultur - Was ist das - Wo kommt die Energie für - Warum war der Welttextilabkommen? Chinas Wirtschaft her? Lebensstandard schon - Gibt es Restriktionen für - Wie kommen die immer geringer, als in den deutschen Handel? Chinesen mit der anderen Ländern? (Darf z.B. H&M Umweltverschmutzung zu ausschließlich Kleider aus recht? China verkaufen?) - Welchen Einfluss hat China auf die Weltwirtschaft? - Warum ist gerade die Textilbranche so globalisiert? - Was kann man gegen Chinas Wirtschaftswachstum tun? - Existieren Sozialleistungen für chinesische Arbeitnehmer? 10 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 5. Arbeitsmaterialien der 2. Phase 5. 1 Gruppe: Hauptsache Arbeiten? Arbeitsbedingungen in chinesischen Textilfabriken. Arbeitsauftrag: Die Erarbeitung des Themas „Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle?“ setzt voraus, sich vertiefend mit themenbezogenen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dazu zählen im Wesentlichen wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogene Aspekte, für die Sie in der letzten Stunde weiterführende Fragen entwickelt haben. Ziel der Gruppenarbeit ist es, diese Hintergründe effektiv zu erarbeiten und in Form einer Wandzeitung der Klasse anschaulich zu präsentieren. Ihre Gruppe setzt sich mit den Arbeitsbedingungen in chinesischen Textilfabriken auseinander. Folgende Fragestellungen sollten bei der Erarbeitung berücksichtigt werden: • Welche Maßnahmen ergreifen chinesische Arbeitgeber, um eine effektive Produktion zu erreichen? • Welche Standards legt hierbei das chinesische Arbeitsrecht fest? 1. 2. 3. 4. 5. 6. Lesen Sie die Informationsmaterialien aufmerksam durch markieren Sie sich relevante Textstellen. Entscheiden Sie sich gemeinsam über Informationen, die auf Ihrer Wandzeitung erscheinen sollen. Verteilen Sie Aufgabenbereiche innerhalb Ihrer Gruppe. Formulieren Sie rechnergestützt Informationstexte für Ihre Wandzeitung. Verwenden Sie ggf. Grafiken und Abbildungen zur Veranschaulichung. Erstellen Sie eine informative Wandzeitung zu Ihrem Themengebiet und beachten Sie dabei die von uns festgelegten Kriterien. Präsentieren Sie der Klasse Ihre Ergebnisse. Einschränkung der freien Beschäftigungswahl Quelle: All die Textilschnäppchen – nur recht und billig?, Arbeitsbedingungen bei Aldi-Zuliefern in China und Indonesien, SÜDWIND Institut für Ökonomie und Ökumene (Hrsg.), 2007 Selbst wenn die Arbeitsbedingungen schrecklich sind und Arbeiter/innen auf dem chinesischen Festland keine Möglichkeit haben, sich zur Verteidigung ihrer Rechte zu organisieren, so können sie dennoch ihren Job aufgeben. Chinesische Arbeitgeber versuchen jedoch, dies zu verhindern, indem sie die Freiheit der Beschäftigung ihrer Arbeiterinnen einschränken. Eine Methode besteht dabei darin, dass Arbeitgeber von ihren Arbeiterinnen eine Arte Garantie einfordern, dass sie ihre Arbeit nicht kündigen. Zu diesem Zweck müssen sie den Arbeitgebern für einen bestimmten Zeitraum eine Summe Geld abtreten. Wenn Arbeiterinnen während dieses Zeitraums ihren Job aufgeben, wird dieses Geld vom Arbeitgeber einbehalten. 11 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Abbildung 1: Kaution, zurückhaltende Löhne und Restriktionen Quelle: All die Textilschnäppchen – nur recht und billig?, Arbeitsbedingungen bei Aldi-Zuliefern in China und Indonesien, SÜDWIND Institut für Ökonomie und Ökumene (Hrsg.), 2007 Artikel 24 des Gesetzes »Meinung zu einigen Fragen hinsichtlich der kontinuierlichen Durchführung des chinesischen Arbeitsgesetzes« verbietet dem Arbeitgeber ausdrücklich, derartige Kautionen bzw. andere wirtschaftliche Garantien zum Zweck der Beschäftigung einzufordern. Wenn Arbeitgeber von ihren Arbeiterinnen als Anstellungsbedingung dennoch Geld einkassieren, so präzisiert der Artikel, dass die Behörden die Arbeitgeber verpflichten, den Arbeiterinnen das Geld unverzüglich zurückzugeben. Zurückhaltung von Löhnen Um Arbeiterinnen daran zu hindern, ihren Job aufzukündigen, suchen Arbeitgeber Ausreden für die Zurückhaltung von Löhnen, dagegen schreibt Artikel 50 des Arbeitsgesetzes vor, dass Arbeitgeber ihren Arbeiter/innen unverzüglich einen »monatlichen« Lohn auszahlen. Artikel 7 der »Kurzfristigen Richtlinien zur Zahlung von Löhnen« gibt an, dass Arbeiter/innen »mindestens einmal im Monat« Löhne bekommen sollen. Die Formulierungen »monatlich« sowie »mindestens einmal im Monat“ untersagen die Praxis mancher Arbeitgeber, ihren Arbeiter/innen erst am Ende einer Saison oder nach einer verlängerten Probezeit die Löhne auszuzahlen. Die meisten chinesischen Arbeitgeber legen Lohnzahlungsperioden von einem Monat fest. Prinzipiell haben Arbeitgeber das Recht, auch einen darüber liegenden Zeitraum festzulegen. So ziehen es z.B. einige chinesische Arbeitgeber vor, die Löhne eines ganzen Jahres erst am Jahresende auszuzahlen. Doch schreibt das Gesetz vor, Arbeiter/innen mindestens einmal im Monat einen Teil ihres Lohns erhalten müssen. Dieser Teil muss entweder die Höhe des gesetzlichen regionalen Mindestlohns einhalten oder darüber liegen. Also können Arbeitgeber den Arbeiter/innen jeden Monat einen Mindestlohn zahlen und den darüber liegenden Betrag bis zum Jahresende einbehalten und ihn dann erst auszahlen. Doch verhält es sich in der Praxis so, dass die meisten Fabrikarbeiterinnen nicht einmal den Mindestlohn erhalten. Da das Gesetz hier sehr eindeutig ist, sind diese Lohnzurückhaltungen illegal. 12 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Kündigung des Arbeitsverhältnisses Die Arbeitgeber nutzen die Möglichkeit der Verweigerung ausstehender Löhne, um den Zeitpunkt und die Häufigkeit der Kündigung von Arbeiterinnen einzuschränken. Um eine Beschäftigung zu beenden, verlangen chinesische Arbeitgeber von ihren Arbeiter/innen, sie dafür um Erlaubnis zu bitten. Wenn das Arbeitspensum groß ist, wenn Gruppen von Arbeiter/innen kündigen wollen, oder wenn sich die Manager einfach keine Zeit nehmen wollen, neue Arbeiterinnen zu suchen, dann geben sie keine Erlaubnis zur Kündigung. Die Arbeiter/innen ohne »Erlaubnis« haben üblicherweise die Freiheit, ihren Arbeitsplatz aufzukündigen. Sie müssen dabei lediglich den Verlust ungezahlter Löhne akzeptieren. Die Arbeitgeber bezeichnen dies als »ein Verlassen aus eigenem Willen«. Dies stellt eine Verletzung des chinesischen Arbeitsgesetzes dar. Artikel 31 des Arbeitsgesetzes erfordert, dass Arbeiter/innen eine Frist von 30 Tagen einhalten, wenn sie das Arbeitsverhältnis einseitig beenden wollen. Wenn sie die Kündigungsfrist einhalten, haben sie Anspruch auf sämtliche ihnen zustehende Löhne. Noch interessanter ist jedoch Artikel 32 des Arbeitsgesetzes. Dieser gibt Arbeiterinnen das Recht, in folgenden Situationen ihre Beschäftigung zu beenden, ohne ihren Arbeitgebern vorher Bescheid zu geben: • Arbeiterinnen befinden sich noch in der Probezeit. • Der Arbeitgeber greift auf Gewalttätigkeit, Drohung oder andere unerlaubte Methoden zurück, um die Freiheit von Arbeiterinnen einzuschränken. • Der Arbeitgeber zahlt keine Löhne oder die Beschäftigungsbedingungen entsprechen nicht der schriftlichen Vereinbarung, die vom Arbeitgeber und dem/r Arbeiterin unterzeichnet wurde. Restriktionen in den Schlafsälen und Bewegungsfreiheit Artikel 96 des Arbeitsgesetzes legt fest, dass Arbeitgeber mit Freiheits- und Geldstrafen zu rechnen haben, wenn sie auf Gewalt, Drohung oder andere Methoden zurückgreifen und damit die Bewegungsfreiheit von Arbeiter/innen gesetzeswidrig einschränken. Nach diesem Artikel sind Arbeitgebern die Erniedrigung, körperliche Strafe oder rechtswidrige Durchsuchung und das Einsperren von Arbeiterinnen untersagt, durch die deren Freiheitsrechte beeinträchtigt werden. Obwohl das Gesetz nicht eindeutig darin ist, was gesetzliche und ungesetzliche Einschränkungen der Freiheit von Arbeiter/innen sind, so stellt es zumindest eine Diskussionsgrundlage für ein Thema von großer Bedeutung für die Arbeiterinnen dar: die Regelungen in den Schlafsälen. Einige Fabriken verlangen von Arbeiterinnen, in unternehmenseigenen Schlafsälen zu übernachten, um ihr Leben effektiver überwachen zu können, in einigen Regionen haben Arbeiter/innen kaum Alternativen zur Übernachtung in den Fabrikschlafsälen, besonders wenn sie WanderarbeiterInnen sind. Chinesische Arbeitgeber haben zahlreiche Motive, das Leben von Arbeiterinnen in den Schlafsälen einzuschränken. Die zwei wichtigsten Motive beziehen sich auf die gewerkschaftliche Organisation und Schwangerschaften. Die Arbeitgeber halten Außenstehende möglichst davon ab, die Schlafsäle zu betreten, damit die Arbeiterinnen keine Möglichkeit haben, sich mit Kolleginnen aus benachbarten Fabriken oder anderen Personen über ihre Arbeitsbedingungen auszutauschen. Manager achten genau auf Anzeichen dafür, ob Arbeiter/innen Proteste organisieren wollen, und suchen dies zu verhindern, indem sie sie in den Schlafsälen halten. Aufseher nutzen ihre Kenntnisse des Privatlebens von Arbeiter/innen, um »Agitatoren« zu identifizieren und zu entfernen, die ihre Kolleginnen motivieren für ihre Rechte zu kämpfen. Deshalb äußerten chinesische Arbeiterinnen häufig die Sorge, ihre Arbeit zu verlieren. Aus Angst um ihren Arbeitsplatz bitten sie zum Beispiel ihre Arbeitgeber nur selten, die Löhne auf das Niveau des Mindestlohns anzuheben. Darüber hinaus versuchen Arbeitgeber aktiv, Schwangerschaften zu verhindern. Die meisten von ihnen haben keine Angst vor der Zahlung des Schwangerschaftsgeldes, da sie wissen, dass niemand in China derartige Leistungen einfordern wird. Es ist daher nicht das Schwangerschaftsgeld für 90 Tage, 13 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? das die Arbeitgeber beunruhigt. Was ihnen eher Sorgen macht, ist, dass schwangere Arbeiterinnen weniger Überstunden machen oder kündigen. Infolgedessen legen die meisten Arbeitgeber Regeln fest, die ihre Arbeiter/innen daran hindern, mit dem anderen Geschlecht romantische Beziehungen zu entwickeln. Zwangsüberstunden Nach Artikel 41 des Arbeitsgesetzes müssen sich Arbeitgeber mit Arbeiter/innen und Gewerkschaften beraten, wenn die Arbeitszeit verlängert werden soll. Artikel 70 der »Meinung zu einigen Fragen hinsichtlich der kontinuierlichen Durchführung des Arbeitsgesetzes« präzisiert das Recht von Arbeiter/innen, übermäßige Überstunden zu verweigern. In der Regel verhängen chinesische Arbeitgeber jedoch Geldstrafen, wenn Arbeiterinnen es ablehnen, Überstunden zu machen, wann immer die Arbeitgeber dies verlangen. Die meisten Arbeitgeber begründen diese Geldstrafen mit der Behauptung, chinesische Arbeiterinnen wünschten Überstunden. Tatsächlich sind die Löhne - meist gesetzeswidrig - so niedrig, dass Arbeiterinnen gerne übermäßige Überstunden machen. Dennoch wollen das Arbeiterinnen nicht immer. Deshalb greifen Arbeitgeber auf Geldstrafen zurück, um Arbeiterinnen zu zwingen, vorgegebene Zeitpläne zu erfüllen. Arbeitszeit Artikel 36 des Arbeitsgesetzes legt als Standard eine Arbeitszeit von maximal acht Stunden pro Tag fest, wobei 44 Stunden pro Woche nicht überschritten werden dürfen. Artikel 3 der Richtlinien des Staatsrats über die Arbeitszeit passte später den Standard auf 8 Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche an. Artikel 38 des Arbeitsgesetzes schreibt vor, dass Arbeitnehmerinnen wöchentlich mindestens einen arbeitsfreien Tag haben sollen. Artikel 41 des Arbeitsgesetzes legt eine maximale Grenze von drei Überstunden pro Tag bzw. 36 Überstunden pro Monat fest. Nach Aussagen der interviewten Arbeiterinnen setzen alle Fabriken extensiv Überstunden ein. In den Fabriken 1 und 2 beispielsweise arbeiten die Beschäftigten an jedem Tag der Woche üblicherweise von 8 bis 21 Uhr mit jeweils einer Stunde Pause für Mittag- und Abendessen. Nur am Wochenende arbeiten sie acht Stunden pro Tag. Das heißt, dass sie pro Wochentag drei Überstunden und 8 Überstunden am Wochenende arbeiten. Dies entspricht etwa 95 Überstunden pro Monat (21 Arbeitstage x 3 Stunden) + (4 Wochenendtage x 8 Stunden) und stellt fast das Dreifache der gesetzlichen Obergrenze dar. Abbildung 2: Arbeitszeiten Quelle: All die Textilschnäppchen – nur recht und billig?, Arbeitsbedingungen bei Aldi-Zuliefern in China und Indonesien, SÜDWIND Institut für Ökonomie und Ökumene (Hrsg.), 2007 14 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 5. 2 Gruppe: Unterschiede zwischen der chinesischen Stadt- und Landbevölkerung Arbeitsauftrag: Die Erarbeitung des Themas „Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle?“ setzt voraus, sich vertiefend mit themenbezogenen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dazu zählen im Wesentlichen wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogene Aspekte, für die Sie in der letzten Stunde weiterführende Fragen entwickelt haben. Ziel der Gruppenarbeit ist es, diese Hintergründe effektiv zu erarbeiten und in Form einer Wandzeitung der Klasse anschaulich zu präsentieren. Ihre Gruppe setzt sich mit den Veränderungen der chinesischen Einkommenssituation auseinander. Folgende Fragestellungen sollten bei der Erarbeitung berücksichtigt werden: • Welche Unterschiede lassen sich zwischen der chinesischen Land- und Stadtbevölkerung feststellen. • Wie hat sich die chinesische Einkommenssituation in den letzten zehn Jahren verändert? 1. 2. 3. 4. 5. 6. Lesen Sie die Informationsmaterialien aufmerksam durch markieren Sie sich relevante Textstellen. Entscheiden Sie sich gemeinsam über Informationen, die auf Ihrer Wandzeitung erscheinen sollen. Verteilen Sie Aufgabenbereiche innerhalb Ihrer Gruppe. Formulieren Sie rechnergestützt Informationstexte für Ihre Wandzeitung. Verwenden Sie ggf. Grafiken und Abbildungen zur Veranschaulichung. Erstellen Sie eine informative Wandzeitung zu Ihrem Themengebiet und beachten Sie dabei die von uns festgelegten Kriterien. Präsentieren Sie der Klasse Ihre Ergebnisse. Soziale Differenzierung Quelle: Thomas Herber – Gesellschaft im Umbruch Die Wirtschaftsreformen haben in China zu sozialen Verwerfungen geführt. Durch die Rückkehr zu familiärer Bewirtschaftung im ländlichen Raum drängten überschüssige Arbeitskräfte (schätzungsweise 100 bis 150 Millionen Menschen), die im Agrarsektor nicht mehr benötigt wurden, in die berufliche Selbstständigkeit und zugleich in den städtischen Raum hinein. Um diesen Druck zu mildern, erlaubte der Staat Mitte der 1980er Jahre den zeitweiligen Aufenthalt ländlicher Arbeitskräfte in den Städten. [...] Ländliche Handwerker, Händler und Wanderarbeiter füllten nun das Vakuum an Dienstleistungen und billigen Arbeitskräften. Sie bildeten zugleich den Kern für die Entstehung und die rasche Entwicklung eines privaten Wirtschaftssektors, der schließlich von der politischen Führung akzeptiert wurde und die Basis für marktwirtschaftliche Strukturen darstellte. Mit über 90 Prozent aller Unternehmen und circa 50 Prozent aller Beschäftigten hat sich dieser Sektor in jüngster Zeit am dynamischsten entwickelt und trägt maßgeblich zu den hohen Wachstumsraten Chinas bei. Es bildete sich eine Klein-, Mittel- und Großunternehmerschaft, die nicht nur wirtschaftlich, sondern zunehmend auch gesellschaftspolitisch aktiv wurde. Die rasche Wirtschaftsentwicklung und die Einbindung in den Weltmarkt förderten zugleich die Entstehung einer Schicht von akademisch gebildeten Fachkräften und damit einer wichtigen Gruppe der städtischen Mittelschichten. Die Bedeutung von technisch und akademisch Gebildeten in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ist ebenfalls deutlich gestiegen. 15 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Schuften für einen Hungerlohn Quelle: Angela Köckritz, "Sklaven des Booms", in: Süddeutsche Zeitung vom 18./19. Dezember 2004 Helden sehen anders aus. [...] Die Militäruniform alt und abgerissen. Die Schuhe dreckig. Das Haar strähnig und verstaubt. Und doch - die Auszeichnung zum Modellarbeiter, dem Adelstitel des sozialistischen Chinas, hätte sich Bian Rubuo, 21, verdient. Täglich 12, 13 Stunden arbeitet er auf dem Bau. Hämmert, klopft, stemmt und schleppt. Hangelt sich an wackeligen Bambusgerüsten rauf und runter. Schläft mit zehn, zwölf Männern im Saal eines heruntergekommenen Wohnheims. Ein paar Klos, ein Wasserhahn, keine Duschmöglichkeiten. "Freie Tage gibt es nicht. Ich bekomme Kost und Logis, und einmal im Monat meinen Lohn, 100 Renminbi." Das sind umgerechnet 10 Euro und auch in Peking nicht viel mehr als ein Taschengeld. Soviel kostet ein Abendessen für zwei Personen in einem besseren Restaurant. Bian Rubuo befindet sich damit am unteren Ende der Lohnskala: Junge Wanderarbeiter verdienen in Peking um die 20 Renminbi pro Tag, ältere und erfahrene je nach Tätigkeit um Einiges mehr. Doch immerhin macht Bian Rubuo Bares und hat monatlich so viel Geld wie einige der ärmsten Bauernfamilien im ganzen Jahr - sie leben von Subsistenzwirtschaft. "In meiner Familie sind wir 13", erzählt Bian Rubuo, der aus dem Dorf Xijiang in der Provinz Henan stammt. Alle lebten sie dort von einer Parzelle von einem Quadratkilometer. Weizen, Mais und Sorghum. "Als ich 20 wurde", sagt Rubuo, "habe ich mich entschlossen, in die Stadt zu gehen." [...] Seit den Achtzigern strömen die Wanderarbeiter in Chinas Städte. Sie sind Teil einer umfassenderen Urbanisierung. Derzeit leben nur 20 bis 30 Prozent der Chinesen in den Städten, in wenigen Jahren werden es 50 Prozent sein. Die meisten der Wanderarbeiter sind Männer, doch auch Frauen und ganze Familien machen sich auf den Weg in die Städte. Sie sind Teil des Erfolgsrezeptes der chinesischen Wirtschaft: billige und anspruchslose Arbeitskräfte. [...] Im Bausektor sind von insgesamt 38 Millionen Beschäftigten 30 Millionen Wanderarbeiter. Doch sie sehen wenig von den Segnungen des chinesischen Wirtschaftswunders. Ihr Lohn ist niedrig, die Arbeitszeiten richten sich selten nach gesetzlichen Standards. Oft ist ihre Arbeit gefährlich, soziale Absicherung meist nicht vorhanden: Wer einen Unfall hat, hat Pech gehabt. Auch Bian Rubuo weiß nicht genau, ob sein Chef eine Krankenversicherung für ihn abgeschlossen hat. [...] Schrittmacher des Wandels Quelle: Georg Blume / Jörg Burger, "Die China-Kracher", in: Die Zeit Nr. 51 vom 9. Dezember 2004 [...] Yun Li ist 31 Jahre alt, ein zu groß geratener Schuljunge mit eckiger Brille und Schlabberpulli. Er besitzt acht teure Autos, darunter drei Porsches, die in China fast doppelt so viel kosten wie in Europa, wegen der Zölle. Er leitet in Peking eine Druckerei und zwei Werbeagenturen, hat insgesamt 70 Angestellte. Am meisten verdient er mit einer Firma, die TV-Werbezeit verkauft, jeden Tag zwei Minuten zur besten Sendezeit auf dem Staatssender CCTV. Aber er will weiterkommen, viel weiter - und ein noch größeres Geschäft aufziehen. [...] Die Schrittmacher und Gestalter des Wandels sind junge Chinesen wie Yun Li, die kein Risiko scheuen und an eine bessere Zukunft glauben. Deren Leben sich so rasend ändert wie das ganze Land. [...] Als Yun vor zehn Jahren seine erste Firma gründete, gab es nur 1000 Werbeagenturen. Ohne die Hilfe der Partei war kein Geschäft zu machen; und nur die wenigen ausländischen Firmen wussten, was gute Werbung ist. Mittlerweile gibt es 20-mal so viele Agenturen, die meisten arbeiten professionell. Und Yun gehört zu den 236 000 Chinesen, die auch dann noch Millionäre wären, wenn sie ihre Yuan in Dollar umtauschten. Yun Li ist nicht sein richtiger Name. Es ist besser, man fällt in diesem Obrigkeitsstaat nicht zu sehr auf - auch nicht in der ausländischen Presse, die das Außenministerium aufmerksam liest. »Politik ist mir egal, ich will nur Geld verdienen«, sagt Yun. Er war einmal einer der schnellsten Schwimmer Chinas, gehörte zur Jugendmannschaft der Provinz Sichuan. Dort lernte er, dass man auch mit schmerzenden Muskelrissen zu Wettkämpfen antreten muss, wenn man Erfolg haben will. Mit 17 Jahren verließ er sein Elternhaus. Der Vater war Ingenieur in einem Kohlekraftwerk. Yun ging an die Sporthochschule in Peking. 16 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Nach dem Abschluss nahm er einen Job in einer Werbeagentur an. Er wohnte am Stadtrand, brauchte zwei Stunden ins Büro, kam tief in der Nacht nach Hause. Das Geld reichte nicht zum Leben. Er hielt durch, wechselte durch alle Abteilungen. Vier Jahre später gründete er seine erste Firma. Er hat aus sich jemanden gemacht, der die Zähne zusammenbeißt, wenn es wehtut, der nie eine Chance verpasst. [...] Wachsende Ungleichheiten Die neue soziale Differenzierung ist Ergebnis des Übergangs zu marktwirtschaftlichen Strukturen und den damit verbundenen Gewinnmöglichkeiten. Wachsende gesellschaftliche Arbeitsteilung, das Nutzen von Marktchancen und Marktlücken, die Möglichkeiten, die privates Unternehmertum bietet, aber auch illegale Tätigkeiten und Korruption sind die Ursachen für wachsende soziale Ungleichheit und gewaltige Einkommensunterschiede. Diese zeigen sich vor allem zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb der urbanen und ländlichen Schichten. Betrug die Einkommensdifferenz zwischen den 20 Prozent der Bevölkerung mit höchstem und den 20 Prozent mit niedrigstem Einkommen 1990 noch etwa das Vierfache, so belief sie sich 2004 bereits auf fast das 13fache. 1990 hatten die 20 Prozent Haushalte mit niedrigsten Einkommen noch einen Anteil von neun Prozent am Gesamteinkommen, 1998 nur noch von 5,5. Umgekehrt stieg der Anteil der 20 Prozent Haushalte mit den höchsten Einkommen im gleichen Zeitraum von 39 Prozent des Gesamteinkommens auf etwa 52 und überstieg 2003 sogar die 80-Prozent-Grenze. Da ein Großteil der Einkommen statistisch nicht erfasst ist, sind die Einkommensunterschiede in der Realität noch wesentlich größer als statistisch ausgewiesen. Die wachsende Ungleichheit schlägt sich auch im Bewusstsein der Bevölkerung nieder. Chinesische Umfragen in verschiedenen Städten im Jahre 2003 haben ergeben, dass lediglich 1,5 Prozent der Befragten der Meinung waren, die Reformen hätten sich positiv für die Arbeiterschaft ausgewirkt. 59 bzw. 55 Prozent vertraten die Ansicht, sie hätten hauptsächlich den Funktionären bzw. den Privatunternehmern Vorteile gebracht. Auch unter den städtischen Arbeitern ist der Unmut in den letzten Jahren gewachsen. Ein Grund ist die soziale und materielle Unsicherheit vor allem in den alten Industrieregionen, in denen ein Großteil der Staatsunternehmen zusammengebrochen oder zahlungsunfähig ist. Bei vielen, die offiziell als "von ihrem Posten Freigestellte" bezeichnet werden, handelt es sich tatsächlich um Arbeitslose ohne jegliche materielle Versorgung. So muss der Staat sich zunehmend mit Ausbrüchen sozialer Frustration und Kriminalität auseinandersetzen. Abb. 1: Auseinanderentwicklung der städtisch-ländlichen Einkommen Chinas Lage der Landbevölkerung Quelle: Georg Blume, "Maos vergessene Kinder", in: Die Zeit Nr. 42 vom 7. Oktober 2004 [...] 17 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Noch immer leben circa 70 Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum. Einkommensunterschiede zwischen Stadt und Land sind ein wichtiger Faktor für die Unzufriedenheit großer Teile der ländlichen Bevölkerung und die Landflucht. Offiziellen Angaben zufolge betrugen die städtischen jährlichen Pro-KopfEinkommen Ende 2004 9422 Yuan (circa 940 Euro), die ländlichen 2936 Yuan (etwa 294 Euro) - ein Verhältnis von mehr als 3:1. [...] Für das Zurückbleiben der ländlichen gegenüber den städtischen Einkommen sind verantwortlich: • der Rückgang der staatlichen Investitionen in die Landwirtschaft, • der Preisanstieg von Industrieprodukten, die für die Landwirtschaft benötigt wurden und • die Belastung durch wachsende Steuern und Abgaben für die lokalen Regierungen. Unzufrieden ist die Landbevölkerung zudem mit der Bodenfrage. Allein im Jahre 2003 hat China offiziellen Angaben zufolge über 2,5 Millionen Hektar Anbaufläche verloren, eine Fläche, die größer ist als das Bundesland Hessen. Die Verlustraten nehmen seit den 1990er Jahren spürbar zu. Dies hat vor allem mit der Umwandlung von Agrarflächen in nicht landwirtschaftlich genutzte Areale zu tun, Folge der Verstädterung, Industrialisierung und des Ausbaus von Verkehrswegen. Dazu kommt die Ausplünderung der Bauernschaft durch lokale Funktionäre. Häufig requirieren diese im Namen der "Urbanisierung" oder "Industrialisierung" Boden und veräußern diesen an Unternehmen oder Immobilienspekulanten, um die dadurch erwirtschafteten Einnahmen für sich zu behalten. Für Bodenverluste werden die Bauern häufig gar nicht oder nur unzureichend entschädigt. Dagegen wächst der Widerstand, der häufig von lokalen Behörden brachial gebrochen wird. Bauern - die Stiefkinder der Nation [...] »Das Jahr 2004 markiert die erste grundlegende Wende der chinesischen Bauernpolitik seit der Auflösung der Kommunen vor über 20 Jahren« Erstmals seit Mitte der Neunziger wuchsen die Einkommen auf dem Land in den ersten sechs Monaten schneller als in der Stadt - dank der neuen Steuer- und Preispolitik für die Bauern, die im ganzen Land gegriffen hat. »Das ist ein guter Anfang«, sagt Hu. »Aber wir stehen vor einem langen Marsch« Wie lang, das zeigt sich auf dem Dorf in Anhui. Vor 26 Jahren hatte hier die Landreform Deng Xiaopings begonnen. Mit ihrer Mischung aus Sozialismus (jede Bauernfamilie bekam entsprechend der Zahl ihrer Mitglieder gleich viel Land) und Marktwirtschaft (jede Familie war fortan für ihr Land selbst verantwortlich) befreite die Landreform China in den Siebzigern und Achtzigern von der größten Not. Bald hatte jede Bauernfamilie ein neues Haus, konnte Fernseher und Kühlschrank anschaffen. Doch dann folgte der lange Stillstand. »Früher waren wir froh, genug zu essen zu haben. Heute wissen wir, welches Unrecht uns geschieht«, erzürnt sich derselbe Reisbauer, der eben noch die neue Politik der Regierung vorsichtig lobte. Wang Benyun, 36 Jahre, braun gebrannt von der Erntezeit, in kurzen Jeans und Turnschuhen, verkörpert den neuen chinesischen Bauerntypus des 21. Jahrhunderts: Wie jeder dritte arbeitsfähige Landbewohner unter den 800 Millionen wechselt er ständig zwischen Feld- und Lohnarbeit. Auf seinem Hof steht der verrostete Lastwagen, mit dem Wang jeden Winter in Peking Gemüse ausfährt. So verdient der Bauer das Schulgeld seiner zwei Töchter, das er von der Reisernte nie bezahlen könnte. Deshalb weiß er um die chinesische Apartheit zwischen Stadt und Land: Städter zahlen erst ab einem Monatsverdienst von umgerechnet 80 Euro Steuern, Bauern noch bevor sie ein einziges Reiskorn ernten. Städter haben Anspruch auf ein staatliches Mindestgehalt, Bauern nicht. Stadtkinder müssen für die Schule keine Gebühr zahlen, Dorfschulen kosten die Bauern 40 Prozent ihres Einkommens. Städter haben meist Anspruch auf Krankenversicherung und Rente, Bauern so gut wie nie. Und das sind nur die Ungerechtigkeiten, die Bauer Wang auf Anhieb einfallen. Experten können die Liste beliebig verlängern. Die neue Politik der Regierung nährt die Ansprüche auf dem Land. [...] »Auf Dauer brauchen die Bauern nicht mehr Geld, sondern mehr Rechte und Demokratie« Das wird schwierig. »90 Prozent aller Geschäftsleute, Parteibeamten und Intellektuellen sind heute gegen die Bauernpolitik der Regierung«, sagt Wen Tiejun, Chefredakteur der Zeitschrift China Reform in Peking. [...] Das aber sind die neuen Verhältnisse in China: Eine Pekinger Parteiführung, die eingesehen hat, dass es ohne Unterstützung der Volksmehrheit nicht mehr weitergeht, trifft auf die neuen Kartelle des chinesischen Kapitalismus. Von 18 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Provinzmandarinen und Konzernmanagern über Rechtsanwälte und Ärzte bis zu VW-Polo-Fahrerinnen und städtischen Arbeitslosen reicht Chinas Mittelschicht, die von der 800-Millionen-Frage nichts wissen will genauso wenig wie die westlichen Investoren. Noch haben die Bauern nicht viel gewonnen. Vielleicht ist Maos Nachfolger schon geboren. 19 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 5. 3 Gruppe : Umweltzerstörendes Wachstum Arbeitsauftrag: Die Erarbeitung des Themas „Kleidung zum Schnäppchenpreis – Ein Vorteil für alle?“ setzt voraus, sich vertiefend mit themenbezogenen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dazu zählen im Wesentlichen wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogenen Aspekte, für die Sie in der letzten Stunde weiterführende Fragen entwickelt haben. Ziel der Gruppenarbeit ist es, diese Hintergründe effektiv zu erarbeiten und in Form einer Wandzeitung der Klasse anschaulich zu präsentieren. Ihre Gruppe setzt sich mit der enormen Umweltzerstörung und deren Folgen auseinander. Folgende Fragestellungen sollten bei der Erarbeitung berücksichtigt werden: • Welche Auswirkungen hat die Umweltverschmutzung auf das Leben der Chinesen? • Wie ausgeprägt ist das Umweltbewusstsein der Chinesen und welche Folgen haben sich daraus ergeben? 1. 2. 3. 4. 5. 6. Lesen Sie die Informationsmaterialien aufmerksam durch markieren Sie sich relevante Textstellen. Entscheiden Sie sich gemeinsam über Informationen, die auf Ihrer Wandzeitung erscheinen sollen. Verteilen Sie Aufgabenbereiche innerhalb Ihrer Gruppe. Formulieren Sie rechnergestützt Informationstexte für Ihre Wandzeitung. Verwenden Sie ggf. Grafiken und Abbildungen zur Veranschaulichung. Erstellen Sie eine informative Wandzeitung zu Ihrem Themengebiet und beachten Sie dabei die von uns festgelegten Kriterien. Präsentieren Sie der Klasse Ihre Ergebnisse. 20 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Umwelt Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Volksrepublik_China#Umwelt In den ersten 20 Jahren des Bestehens der Volksrepublik China wurden Umweltthemen praktisch ignoriert, obwohl die ersten Naturreservate bereits 1956 eingerichtet wurden. Während des „Großen Sprunges“ nach vorn rief Mao zu einem Krieg gegen die Natur auf, um Rohstoffquellen zu erobern. In dieser Zeit wurden zahlreiche Wälder abgeholzt, um für die Stahlerzeugung genug Holz zur Verfügung zu haben. Sümpfe, Moore und Feuchtwiesen wurden trockengelegt, um Ackerland zu gewinnen. Die Umweltprobleme des Landes erinnern an die Siebziger Jahre in den Industrienationen: Das drängendste Problem ist die zunehmende Verschmutzung der Flüsse durch Einleitung von ungefilterten Abwässern. Abb. 1 Wasserkrise; Quelle: Abbildung Wachstum: Was Chinas dass Zukunft Etwa 1: dieZerstörendes Hälfte der Flüsse ist so verschmutzt, sie bedroht nicht einmal die niedrigsten chinesischen Umweltstandards einhalten. Auch die Nutzung des Flusswassers zur Bewässerung der Felder wird immer problematischer, da die Böden zunehmend mit Schadstoffen wie Cadmium und Quecksilber verseucht sind. 700 Millionen Chinesen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Grundwasserspiegel sinkt in den trockenen Gebieten des Nordens teilweise um einen halben Meter jährlich. Die Vegetationsdecke ist zurückgegangen, wovon vor allem die Wälder betroffen sind. Als Folge kommt es zu Bodenerosion, besonders ausgeprägt im Lößplateau Zentralchinas. Durch zu intensive Bearbeitung geht Ackerland verloren, wobei die Desertifikation mit einem Tempo von etwa 2.400 km² pro Jahr voranschreitet. Die Umweltverschmutzung in China hat zum Teil verheerende Ausmaße angenommen. Von den 20 Großstädten mit der weltweit schlechtesten Luftqualität liegen 16 in China. Ursache dafür ist vor allem die Kohleverbrennung in veralteten Kraftwerken und die Zunahme des Personenverkehres. Durch den hohen Anteil von Kohle als Brennstoff ist die Belastung mit Schwefeldioxid sehr hoch, der Regen ist in weiten 21 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Teilen des Landes sauer. In den letzten Jahren war der SO2-Ausstoß leicht rückläufig, wohingegen die Belastung mit Stickoxiden, besonders aus dem Straßenverkehr, stark zugenommen hat, da die Anzahl der Autos in einem rasanten Tempo zunimmt. Die Verschmutzung betrifft nicht nur die Städte, auch auf dem Land wird der Umwelt schwerer Schaden zugefügt. Einerseits befanden sich die boomenden planwirtschaftlichen Stadt- und Dorfunternehmen die meiste Zeit außerhalb jeglicher Kontrolle, andererseits wird in der Landwirtschaft die doppelte Menge an Düngemitteln wie im Weltdurchschnitt verwendet. Das Landwirtschaftsministerium schätzt, dass die verschmutzten Äcker genug Nahrungsmittel für etwa 65 Millionen Menschen liefern könnten. Die Umweltverschmutzung ist für ein stark steigendes Auftreten von Lungenkrankheiten und Krebs verantwortlich. Der China Human Development Report 2002 kommt deshalb zum Schluss, dass China am Scheideweg stehe und sich für eine grüne Reform entscheiden müsse. Ansonsten drohe die Umweltzerstörung, den erreichten sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt zu behindern oder gar wieder zunichte zu machen. Der enorm gestiegene Energiebedarf der Wirtschaft hat China damit in der Liste der Verursacher der globalen Erwärmung nach oben katapultiert. Mittlerweile ist China nach den USA der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen. Es produziert mehr als 33 Prozent der weltweiten Schadstoffemissionen und einem Pro-Kopf-CO2-Ausstoß von 6,6 Tonnen und vergleichbar mit Frankreich, muss jedoch als Entwicklungsland nach dem Kyoto-Protokoll seinen CO2-Ausstoß nicht drosseln – Tendenz weiter stark steigend. Die ersten Auswirkungen des Klimawandels sind auch in der Volksrepublik bereits zu spüren: Neben gehäuften Wetterextremen mit Dürren im Norden – die sinkende Ernteerträge zur Folge haben -, und Überschwemmungen im Süden – mit großen wirtschaftlichen Schäden -, beobachtet man ein bedenkliches Schrumpfen der Gletscher im tibetischen Hochland. Dies wiederum verursacht eine Abnahme der Wassermenge der großen Flüsse Jangtse, Huanghe und Mekong. Mit zahlreichen Projekten (zum Beispiel „Chinas Grüne Mauer“) wird versucht, die Desertifikation und Erosion aufzuhalten; ob diese Projekte erfolgreich waren oder nicht, wird sich jedoch erst in einigen Jahren zeigen. Daneben gibt es fast 1.000 Naturreservate, die über 7 Prozent des Territoriums der Volksrepublik bedecken, wobei einige dieser Reservate nur dem Namen nach existieren. Umweltschutz Erst seit den 1970er Jahren gibt es Ansätze für Umweltpolitik, wobei wirkliche Anstrengungen erst seit etwa fünf Jahren unternommen werden, besonders seitdem Peking den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2008 bekommen hat. Durch das enorme Wachstum der chinesischen Wirtschaft Abbildung 2: Starke Wirtschaft, schlechte Luft wächst der Druck auf die natürlichen Ressourcen derzeit rasant. Die Regierung hat die Problematik erkannt, so dass der Nationale Volkskongress auf seiner Sitzung im März 2006 in seinem neuen Fünfjahresplan beschlossen hat, dass er nicht mehr Wachstum um jeden 22 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Preis will. Der Energieverbrauch gemessen an der Wirtschaftsleistung soll bis 2010 um 20 Prozent verringert werden, der Wasserverbrauch soll um 30 Prozent und der Schadstoffausstoß um 10 Prozent fallen. Am 14. Oktober 2007 kündigte Staatsoberhaupt Hu Jintao zum Auftakt des 17. Parteikongresses der Kommunistischen Partei eine „gerechtere Verteilung des Wohlstands“ an. Zitat: Unser Wirtschaftswachstum wird mit unmäßig hohen Kosten bei unseren Rohstoffen und unserer Umwelt erzielt. Er führte weiter aus: Zitat: Wir werden ein System errichten, das zum Energiesparen und zur Reduzierung von Abgasen verpflichtet. Wie die Friedrich-Ebert-Stiftung konstatierte, ist die Umweltgesetzgebung Chinas auf dem Papier schon seit Jahren in vielen Bereichen vorbildlich. Aufgrund der weitverbreiteten Korruption in allen Bereichen von Politik und Wirtschaft werden diese Richtlinien jedoch nur vollkommen unzureichend umgesetzt. Zudem sind einige Entscheidungen der Regierung nicht konsequent. So will China seine Kohleförderung von 2006 bis 2010 um 18 Prozent erhöhen. (Von 2000 bis 2005 erhöhte sie sich bereits um bedenkliche 70 Prozent.) Die Bemühungen der Regierung zur Schaffung von Mindeststandards für die Energieeffizienz von Autos, die in diesem Bereich zu einer Reduzierung der Treibhausgase führen könnte, wird unter anderem durch die Autolobby der Industrienationen unterwandert, die den chinesischen Markt gern unbeschränkt unter sich aufteilen würden. Ein weiterer Hinweis auf eine Bremsung der Bemühungen durch den Westen ist der seit Jahren versprochene Technologietransfer im Bereich „Erneuerbare Energie“n. Man muss daher bezweifeln, ob China sein ambitioniertes Ziel zur Deckung von 20% seines Energiebedarfes durch diese Energieträger erreichen kann und ob eine Reduzierung der Treibhausgase in naher Zukunft möglich ist. Die bedenkliche Entwicklung der Umwelt Chinas und die zunehmende Zerstörung von Wäldern, die mit der drohenden Ausrottung seltener Arten einhergeht (Beispiel: Großer Panda), haben schon in den Achtzigern zum Aufkeimen einer nationalen Umweltbewegung geführt. Entscheidende Impulse gab die UNOUmweltkonferenz in Rio 1992. Zahlreiche Umweltorganisationen wurden in den folgenden Jahren zunächst in Peking, später auch in anderen Landesteilen ins Leben gerufen. Häufig geht die Gründung auf die Initiative von engagierten Einzelpersonen zurück, die Kontakt zu ausländischen Organisationen hatten. Beispiele für chinesische Umwelt- und Naturschutzorganisationen sind „Frieds of Nature“ (FON – Ziran Zhi You) mit 5.000 Mitgliedern, „Global Village of Beijing“ (GVB – Beijing Diqiu Cun). Studentische Umweltorganisationen mit mehreren hundert Mitgliedern existieren mittlerweile an jeder größeren Universität. Die Organisationen „Yunnan Green Watershed“ und „Green Earth Volunteers“ sind unter anderem durch die Koordination des Protestes gegen die geplanten Großstaudammprojekte in Südwestchina (siehe Drei-Schluchten-Damm) bekannt geworden, die als „Hot-Spot“ der Umweltzerstörung in China gelten. Neben den einheimischen unterhalten auch zahlreiche internationale Nichtregierungsorganisationen in China Repräsentanzen und unterstützen Projekte. Obwohl die aufkeimende chinesische Umweltbewegung in ihrem Engagement gegen die mächtigen Industrie- und Wirtschaftsinteressen an Profil gewonnen hat, wird es noch einige Jahre dauern, bis sie völlig unabhängig agieren kann, dennoch proklamiert selbst die Partei ein neues Umweltbewusstsein. 23 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 5. 4 Gruppe: Die chinesische Wirtschaft boomt! Arbeitsauftrag: Die Erarbeitung des Themas „Kleidung zum Schnäppchenpreis – Ein Vorteil für alle?“ setzt voraus, sich vertiefend mit themenbezogenen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dazu zählen im Wesentlichen wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogenen Aspekte, für die Sie in der letzten Stunde weiterführende Fragen entwickelt haben. Ziel der Gruppenarbeit ist es, diese Hintergründe effektiv zu erarbeiten und in Form einer Wandzeitung der Klasse anschaulich zu präsentieren. Ihre Gruppe setzt sich mit dem chinesischen Wirtschaftsboom und der globalisierten Textilproduktion auseinander. Folgende Fragestellungen sollten bei der Erarbeitung berücksichtigt werden: • Wo kommt die Energie für Chinas Wirtschaft her? • Welchen Einfluss hat China auf die Weltwirtschaft? • Warum ist gerade die Textilbranche so globalisiert? 1. 2. 3. 4. 5. 6. Lesen Sie die Informationsmaterialien aufmerksam durch markieren Sie sich relevante Textstellen. Entscheiden Sie sich gemeinsam über Informationen, die auf Ihrer Wandzeitung erscheinen sollen. Verteilen Sie Aufgabenbereiche innerhalb Ihrer Gruppe. Formulieren Sie rechnergestützt Informationstexte für Ihre Wandzeitung. Verwenden Sie ggf. Grafiken und Abbildungen zur Veranschaulichung. Erstellen Sie eine informative Wandzeitung zu Ihrem Themengebiet und beachten Sie dabei die von uns festgelegten Kriterien. Präsentieren Sie der Klasse Ihre Ergebnisse. Energiepolitik Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Volksrepublik_China#Umwelt Durch die rasche Industrialisierung sowie den Anstieg des Lebensstandards (Lebensqualität) stieg der Energiebedarf stark an. Im Jahr 1985 wurde etwa dreizehnmal soviel Energie verbraucht wie im Jahr 1957. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Energie liegt jedoch im internationalen Vergleich niedrig bei etwa der Hälfte des internationalen Schnitts und bei etwa einem Zehntel des Pro-Kopf-Verbrauches der USA. Deshalb kann ein weiteres starkes Ansteigen des Energiebedarfs prognostiziert werden. Das Jahr 1990 markierte einen ersten Wendepunkt in der Energieversorgung: China wurde zum Nettoimporteur von Energie. Ende 1993 wurde China auch zum Nettoimporteur von Rohöl. Der größte Anteil an Energie wird jedoch nach wie vor aus der Kohle gewonnen, die einen Anteil von etwa 70 Prozent am Gesamtenergieverbrauch hat. Der massive Abbau von Kohle forderte immer wieder einen hohen Preis. Die Gruben gelten als erbärmlich ausgestattet und begraben immer wieder Kumpel unter sich. 80 Prozent der tödlichen Unfälle im weltweiten Kohlebergbau geschehen in China. 24 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Um weitere Energiequellen zu erschließen, sind zahlreiche Atomkraftwerke in Bau, das erste in Qinshan (Provinz Zhejiang) ist seit 1991 in Betrieb. Auch die zahlreichen Wasserkraftwerksprojekte, etwa der berühmte Drei-Schluchten-Damm sind energiepolitisch motiviert. China will bis 2020 mit weiteren Kernkraftwerken die installierte Leistung von momentan 7,5 Gigawatt auf um die 36 Gigawatt erhöhen. Der Anteil des Atomstroms an der chinesischen Stromerzeugung wird somit von 1,2 Prozent auf etwa 4 Prozent ansteigen. Aktuell sind vier Kernkraftwerke mit zehn Reaktorblöcken in China in Betrieb, weitere fünf Reaktorblöcke mit einer Gesamtleistung von 4220 MW werden gebaut. China überholt Deutschland Quelle: Stefan Kaiser/ Harald Maas in: Der Tagesspiegel, 19.07.2007 Peking/Berlin - Die chinesische Wirtschaft wächst in rasantem Tempo und ist dabei, Deutschland vom dritten Platz unter den größten Wirtschaftsnationen zu verdrängen. Um 11,9 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik im zweiten Quartal zu – so schnell wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Das gab das staatliche Statistikamt bekannt. Für das erste Halbjahr steht nun ein Plus von 11,5 Prozent zu Buche. Damit sei man auf dem besten Weg, Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft – auf Platz eins und zwei liegen die USA und Japan – abzulösen, hieß es aus dem Amt. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass dies schon im laufenden Jahr passieren wird. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht die heimische Wirtschaft als bereits überholt an – und das, obwohl sie im laufenden Jahr um ordentliche 2,8 Prozent wachsen soll, wie der BDI in seiner jüngsten Prognose mitteilte. Man rechne damit, dass Deutschland schon 2007 von Platz drei auf Platz vier der Wirtschaftsnationen fallen werde, sagte BDIHauptgeschäftsführung Klaus Bräunig in Berlin. Er verwies auf den Größenvorteil der 1,3 Milliarden Menschen zählenden Volksrepublik. "Wir sind im Vergleich zu China ein kleines Land", sagte Bräunig. So klein, dass man auch den Titel "Exportweltmeister" wohl bald an China verlieren wird. Ob man Weltmeister oder Vizeweltmeister sei, sei nicht entscheidend, sagte Bräunig. "Wichtig ist, dass wir im Vergleich zu unseren Wettbewerbern wachsen." Der deutsche Export werde in diesem Jahr um zehn Prozent zulegen. Vom starken Wachstum in China habe die deutsche Wirtschaft bisher profitiert. Auch Michael Heise, Chefvolkswirt von Allianz und Dresdner Bank, betont die Vorteile, die Deutschland aus der chinesischen Stärke ziehen kann. "Wir sollten die Chance sehen, dass sich ein großer Absatzmarkt für deutsche Produkte entwickelt", sagte Heise dem Tagesspiegel. Er rechnet indes nicht damit, dass Deutschland seinen dritten Platz unter den Wirtschaftsnationen schon in diesem Jahr verlieren wird. "Soweit ist es noch nicht", sagte Heise. Selbst bei einen Wachstum von elf Prozent für das gesamte Jahr werde das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) das deutsche 2007 nicht überholen. Das ergäben Berechnungen des Finanzhauses. Grund sei vor allem der derzeit starke Euro. Bei der Berechnung haben die Volkswirte einen durchschnittlichen Wechselkurs von 1,36 Dollar pro Euro angenommen. 25 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Abb. 1: Asiatisches Wirtschaftswunder Weg eines T-Shirts Quelle: Kristin Kupfer/ Georg Blume: China: Bauernfluch und Bauernsegen in: die tageszeitung, 03.05.2008 Die Baumwolle wird in Hongkong, China, Japan, Taiwan oder Südkorea gesponnen und verwebt sowie anschließend mit Chlor gebleicht, gefärbt, mit chemischen Mitteln gegen Schrumpfen oder zur Schmutzabwehr behandelt, was die regionalen Gewässer in der Regel stark belastet. (…) Der Baumwollkapselwurm war noch vor drei Jahren Bauer Li Mins größte Sorge. "Zehnmal im Jahr musste ich Insektengift sprühen", berichtet der Baumwollbauer aus der Provinz Hubei im Nordosten Chinas. Das war nicht nur teuer, sondern auch gesundheitsgefährdend. Erst mit dem neuen gentransformierten, wurmresistenten Baumwollsamen des US-amerikanischen Biotech-Multis Monsanto sei alles schnell besser geworden. (…) Chinas Baumwollbauern müssen sich auf die Globalisierung einstellen. Trotz niedrigster Lohnkosten liegen die Baumwollpreise der Volksrepublik, die mit zuletzt 4,8 Millionen Tonnen im Jahr 2001 weltgrößter Baumwollproduzent ist, über denen des Hauptkonkurrenten USA. Die Gründe sind hausgemacht. Der Stoff leidet wegen Schädlingsplagen oft an gravierenden Qualitätsmängeln und verursacht wegen des Anbaus in abgelegenen Provinzen und einer unzureichenden industriellen Infrastruktur relativ hohe Exportkosten. Entsprechend sanken die chinesischen Baumwollexporte in den ersten 10 Monaten des letzten Jahres um dramatische 81 Prozent. (…) Bauer Li in Hubei kennt die schlechte Lage der Branche und schimpft über "Preisverfall" und die "ausländische Konkurrenz". Doch er glaubt, dass ihm die Globalisierung mit dem Biotech-Samen zugleich die Rettung gebracht hat. Mit der sogenannten „Bt-Baumwolle“ - sie wurde nach dem Gift benannt, das die 26 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? gentechnisch veränderten Samen produzieren, um bestimmte Schädlingsarten zu töten - sind Qualitätsmängel ein Problem der Vergangenheit. Die so "veredelten" Stoffe werden - meist nach Entwürfen von Designerfirmen aus den Industrieländern zugeschnitten und als Textilhalbfertigprodukt in sogenannte Weltmarktfabriken in Billiglohnländer wie Indien, China, Südkorea, Mexiko oder Nicaragua geliefert: Das Nähen ist der arbeitsintensivste Teil der Herstellung. In den Textilfabriken arbeiten junge Frauen im Akkord, zu Minimallöhnen und unter oft menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Sektorale Betrachtung der Textil- und Bekleidungsindustrie Quelle: Dany Richarz: Der chinesische Textilmarkt – Handel und Produktion Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist global verbreitet gerade in Entwicklungsländern, weil sie Beschäftigungsmöglichkeiten für wenig qualifizierte Arbeitskräfte und Anknüpfungsmöglichkeiten an vorindustrielle handwerkliche Produktionsformen bietet (Spinnen, Weben, Nähen). Ein weiterer Grund ist, dass weder Rohstoffe, Vorprodukte noch Endprodukte sehr transportkostenintensiv sind, sondern prinzipiell einfach global gehandelt werden können. Deshalb spielen jedoch gerade nichttarifäre Handelshemmnisse und politische Regulationen auf den Welt-Textil- und Bekleidungs-Märkten eine besonders große Rolle. Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist Teil einer umfassenden Produktkette, der textilen Kette, die mit dem Ausgangsprodukt, der Faser beginnend (aus agrarischer Produktion oder als Chemiefaser aus chemischer Produktion) über Halbfertigprodukte, wie z.B. Garne, Filze Fertigprodukte, wie Stoffe, bis zu Fertigwaren wie Bekleidungs- und Heimtextilien. Nach ihrer Verwendung werden Textilien unterteilt in Bekleidungstextilien, Haus- und Heimtextilien und Industrie- oder technische Textilien. Die Bekleidungsindustrie produziert weiterhin eine außerordentlich breite Produktpalette, die häufig kurzfristigen Schwankungen unterworfen ist. Der Produktdifferenzierung entspricht eine hohe Differenzierung der Unternehmensstruktur, d. h. große und kleine Unternehmen, viele Produktionen im Lohnauftrag, teilweise in Heimarbeit. Einerseits gibt es standardisierte Massenproduktion, andererseits aber auch modeorientierte Kleinserien- bzw. Einzelfertigung. Die größten Produzenten in der Textilindustrie sind China, Indien, Russland, USA und Indonesien, d. h. vor allem Länder mit großen Binnenmärkten. Von der zeitlichen Entwicklung her gesehen wächst die Textilindustrie in den Entwicklungs-und Schwellenländern, während sie in den Industrieländern stagniert oder zurückgeht. Die größten Exportüberschüsse erzielen Taiwan, Korea, Italien, Pakistan und Belgien. D. h.: Große Länder wie China, Indien und Russland produzieren fast nur für den großen Binnenmarkt. Dagegen stehen den bedeutenden Exporten der Industrieländer häufig bedeutende Importe gegenüber, sodass die Bilanzen ausgeglichener sind. In der Textilindustrie beherrschen zwei Gruppen den Welthandel: a) Industrieländer b) Schwellen- und Entwicklungsländer Ostasiens. In den letzten Jahrzehnten haben tiefgreifende Verschiebungen stattgefunden: In den Industrieländern stagniert die Beschäftigung/Produktion bzw. sie geht zurück (z. B. in Deutschland in den letzten 20 Jahren um ca. 50 %). Dagegen wächst die Bekleidungsindustrie in einigen Entwicklungsländern Asiens und Lateinamerikas sowie auch in den Transformationsländern Ostmitteleuropas und Osteuropas. Bei den Handelsbilanzen haben fast alle europäischen Länder hohe Defizite. Das größte Defizit haben die USA. Hingegen haben die Entwicklungs- und Schwellenländer in der Regel Exportüberschüsse. Damit besteht bei vielen Ländern ein Kontrast zum globalen Standortmuster der Textilindustrie: Beispielsweise zeigt Deutschland einen Exportüberschuss von Textilien, aber einen Importüberschuss von Bekleidung. Ein umgekehrtes Muster zeigt Hongkong: Importüberschuss von Textilien, aber Exportüberschuss von Bekleidung. 27 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Abb. 2: Waren des Welthandels 28 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 5. 5 Gruppe: Das Ende des Welttextilabkommens – Wer gewinnt, wer verliert? Arbeitsauftrag: Die Erarbeitung des Themas „Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle?“ setzt voraus, sich vertiefend mit themenbezogenen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dazu zählen im Wesentlichen wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogene Aspekte, für die Sie in der letzten Stunde weiterführende Fragen entwickelt haben. Ziel der Gruppenarbeit ist es, diese Hintergründe effektiv zu erarbeiten und in Form einer Wandzeitung der Klasse anschaulich zu präsentieren. Ihre Gruppe setzt sich mit Ende des Welttextilabkommens auseinander und welche Folgen daraus für die globalisierte Textilindustrie entstanden sind. Folgende Fragestellungen sollten bei der Erarbeitung berücksichtigt werden: • Was ist das Welttextilabkommen? • Wer profitiert vom Ende des Welttextilabkommens? • Wer hat Nachteile vom Ende des Welttextilabkommens? 1. 2. 3. 4. 5. 6. Lesen Sie die Informationsmaterialien aufmerksam durch markieren Sie sich relevante Textstellen. Entscheiden Sie sich gemeinsam über Informationen, die auf Ihrer Wandzeitung erscheinen sollen. Verteilen Sie Aufgabenbereiche innerhalb Ihrer Gruppe. Formulieren Sie rechnergestützt Informationstexte für Ihre Wandzeitung. Verwenden Sie ggf. Grafiken und Abbildungen zur Veranschaulichung. Erstellen Sie eine informative Wandzeitung zu Ihrem Themengebiet und beachten Sie dabei die von uns festgelegten Kriterien. Präsentieren Sie der Klasse Ihre Ergebnisse. Welttextilabkommen (WTA) Quelle: http://www.wirtschaftslexikon24.net Multi-fibre Arrangement (MFA), Accord Multi-fibre (AMF), Multifaserabkommen (MFA) regelt seit 1974 den internationalen Handel mit Textilien zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Die Beschränkung der Textil- und Bekleidungsimporte sollte die Industrieländer vor einer noch stärkeren Flut von Billigtextilien schützen und ihren Textilproduzenten einen zeitlichen Aufschub zur Einleitung des notwendigen Strukturwandels einräumen. Das WTA stellt faktisch eine protektionistische Beschränkung des Freihandels zu Lasten der Entwicklungsländer dar. Es löste das Baumwolltextilabkommen von 1962 ab, das mehrfach verlängert worden war und durch die Uruguay-Runde des -Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) in die Abkommen der Welthandels-Organisation (WHO) übernommen wurde. Ziele sind die fortschreitende Liberalisierung und Expansion des Welthandels, die Vermeidung von Störungen in Export-Importländern und die Sicherung eines zunehmenden Anteils der Entwicklungsländer am Welttextilhandel durch eine stetige Expansion ihrer Textilexporterlöse. Im Rahmen der WHO ist ein Stufenplan zum Abbau aller WTA-Restriktionen bis zum Jahre 2005 vorgesehen. Der verschärfte Wettbewerb aus lieferstarken Schwellenländern führte zu erheblichen strukturellen Anpassungsproblemen der Textilbranchen der Industrieländer, die innerhalb eines Jahrzehnts 40% ihrer Beschäftigten verloren. Über niedrige Preisforderungen gelang es den Schwellenländern auch mit großem Erfolg, in die Märkte der Industrieländer zu exportieren. Empirische Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass das WTA weder den Schutz der Unternehmen in den Industrieländern noch die wirtschaftliche Expansion der Schwellenländer verbessert hat. 29 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Nach dem Ende des Welttextilabkommens Quelle: Ein vorhersehbarer Handelskrieg. Turbulente Monate nach dem Ende des Welttextilabkommens, Sabine Ferenschild Der drohende Handelskrieg zwischen China und dem Rest der Welt war vorhersehbar. Denn mit dem 1. Januar 2005 lief das Welttextilabkommen aus. Als Abkommen der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation bot es den Industrieländern einen zehnjährigen Anpassungszeitraum an den dann liberalisierten Weltmarkt. Bis 1995 wurden im Rahmen des Multifaserabkommens die Textil- und Bekleidungsexporte aus Entwicklungsländern in die Hauptabsatzmärkte USA und EU engen Mengenbegrenzungen unterworfen. Diese Mengenbegrenzungen (= Quoten) lockerte das Welttextilabkommen in mehreren Stufen bis zur vollständigen Liberalisierung bzw. Integrierung in das GATT-System. So weit die Theorie. In der Praxis unterhöhlten zwei Entwicklungen die Intentionen des Welttextilabkommens: (1) Weder die USA noch die EU erfüllten den “Geist” des Welttextilabkommens. Sie liberalisierten zunächst die Produktkategorien, die wertmäßig relativ unbedeutend waren und die eigenen Industrien nicht gefährdeten. Und auch diese zaghaften Liberalisierungen nahmen sie jeweils am Ende des dafür vorgesehenen Zeitraums vor. Dementsprechend tragen sie selbst die maßgebliche Verantwortung dafür, dass am Ende des Zehnjahreszeitraums 70-80 % der Quoten mit einem Schlag fallen. (2) Der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation im Jahr 2002 war 1995 zum Beginn des Welttextilabkommens nicht absehbar. Insofern bildete eine über 160 Länder zersplitterte Textilund Bekleidungsindustrie den Bezugsrahmen des Welttextilabkommens. Das Ziel des Welttextilabkommens, den Entwicklungsländern eine größere Chance auf den Textil- und Bekleidungsmärkten der EU / USA einzuräumen, kalkulierte dementsprechend einen Abbau dieses Sektors in den klassischen Industrieländern ein. Die Hoffnungen vieler Entwicklungsländer Liberalisierungsgewinner zu werden wurden allerdings durch Chinas enorme Wettbewerbsfähigkeit zunichte gemacht. Tabelle 1: Entwicklung der Einfuhren in die EU mit Ursprung VR China, 1. Quartal 2005 im Vergleich zum 1. Quartal 2004 Kategorie 4: Oberpullis und T-Shirts + 164% Kategorie 5: Pullover, Anoraks + 534% Kategorie 6: Shorts, Hosen + 413% Kategorie 7: Blusen, Hemdblusen + 186% Kategorie 12: Strümpfe, Socken + 183% Kategorie 15: Mäntel, Jacken + 139% Kategorie 31: Büstenhalter + 63% Kategorie 115: Flachsgarne + 51% Kategorie 117: Gewebe aus Flachs oder Ramie + 257% (Quelle: Amtsblatt der EU C 104/21 vom 29.4.2005) 30 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Tabelle 2: Entwicklung der T-Shirt-Importe bzw. –Produktion 1. Quartal 2005 China Griechenland Portugal Slowenien Pakistan Sri Lanka Bangladesch + 164% - 12% - 30-50% -8% -37% -25% -9% (Quelle: EU-Presseerklärung vom 17.5.05, http://europa.eu.int/comm/trade/issues/sectoral/industry/textile/pr170505_de.htm) Wer verliert? Zahllose Arbeiter/innen in den nicht-wettbewerbsfähigen Ländern werden entlassen – ohne soziale Sicherung, ohne berufliche Perspektiven. Neils Kearney, Generalsekretär der Internationalen Gewerkschaft der Textil-, Bekleidung- und LederarbeiterInnen (ITGLWF) lieferte auf einer Konferenz im Mai 2005 eine erste Bestandsaufnahme: - In Lesotho schlossen sechs Fabriken und entließen 7.000 Beschäftigte. - In Kenia gingen bereits 20.000 Arbeitsplätze verloren. - Kambodscha schloss 20 Fabriken und entließ 26.000 Beschäftigte. - In Mauritius sind 70.000 Arbeitsplätze akut bedroht. - In Sri Lanka gingen bereits 26.000 Arbeitsplätze verloren. - Auf den Philippinen sind 120.000 Jobs bedroht. Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit schrauben viele Länder ihre Sozialstandards nach unten: Die Philippinen nahmen die Bekleidungsindustrie von der Minimallohn-Regelung aus, Bangladesch legalisierte die 72-Stunden-Woche usw. Auch im Gewinnerland der Globalisierung, in China, profitieren die Arbeiter/innen nur bedingt: Ihren Arbeitsplatz erkaufen sie sich mit schlechten Löhnen, katastrophalen Sozialstandards, überlangen Arbeitszeiten, fehlender Organisationsfreiheit. Wer gewinnt? Doch nicht alle verlieren. Der aktuelle Preisverfall im Textil- und Bekleidungssektor zeigt, dass teilweise die Verbraucher/innen in der EU und den USA, vor allem aber die international operierenden Händler profitieren. Der Wegfall des Quotensystems erlaubt es den Bekleidungshändlern wie Adidas, Wal-Mart oder Aldi, ihre Zulieferketten zu straffen und auf 8-12 Länder statt bisher mehr als 30 zu reduzieren. Im Fokus aller Unternehmen steht dabei China. Die Händler tragen so entscheidend zu den Exportsteigerungen Chinas bei. Dementsprechend gehören sie auch zu den entschiedensten Verfechtern der Liberalisierung. 31 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 5. 6 Gruppe: Einfluss von Kultur auf die heutige Situation Chinas. Arbeitsauftrag: Die Erarbeitung des Themas „Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle?“ setzt voraus, sich vertiefend mit themenbezogenen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dazu zählen im Wesentlichen wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogene Aspekte, für die Sie in der letzten Stunde weiterführende Fragen entwickelt haben. Ziel der Gruppenarbeit ist es, diese Hintergründe effektiv zu erarbeiten und in Form einer Wandzeitung der Klasse anschaulich zu präsentieren. Ihre Gruppe setzt sich mit dem Einfluss von Kultur auf die heutige Situation Chinas auseinander. Folgende Fragestellung sollten bei der Erarbeitung berücksichtigt werden: • Welche grundlegenden „Wesenszüge“ charakterisieren die chinesische Kultur? 1. 2. 3. 4. 5. 6. Lesen Sie die Informationsmaterialien aufmerksam durch markieren Sie sich relevante Textstellen. Entscheiden Sie sich gemeinsam über Informationen, die auf Ihrer Wandzeitung erscheinen sollen. Verteilen Sie Aufgabenbereiche innerhalb Ihrer Gruppe. Formulieren Sie rechnergestützt Informationstexte für Ihre Wandzeitung. Verwenden Sie ggf. Grafiken und Abbildungen zur Veranschaulichung. Erstellen Sie eine informative Wandzeitung zu Ihrem Themengebiet und beachten Sie dabei die von uns festgelegten Kriterien. Präsentieren Sie der Klasse Ihre Ergebnisse. Chinesische Kultur Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Kultur Die heutige chinesische Kultur speist sich aus einer Reihe verschiedener philosophischer und weltanschaulicher Traditionen: Die in der ersten Dynastie Chinas vorherrschende Religion war schamanistisch geprägt und Vorstellungen dieser Religion übten auch auf spätere Erscheinungen der chinesischen Kultur Einfluss aus, beispielsweise auf Ahnenverehrung und Naturphilosophie. Stärker mit den menschlichen Beziehungen befasste sich der im 5. Jahrhundert v. Chr. entstandene Konfuzianismus, der vielfach als Inbegriff der chinesischen Kultur überhaupt angesehen wird. Der von Laozi etwa zur selben Zeit begründete Daoismus stellt indes das Leben im Einklang mit der Natur in den Vordergrund. Han Feizi propagierte kurz vor der Zeitenwende den weitaus weniger folgenreichen Legalismus, nach dem ein geordnetes Zusammenleben der Mensch in erster Linie durch Kontrolle und Strafen zu erreichen sei. Wenig später wurde mit dem in Indien entstanden Buddhismus erstmals ein fremdes Element in den chinesischen Kulturkreis integriert, sehr bald aber den lokalen Verhältnissen angepasst. Im Anschluss kamen fast zweitausend Jahre lang keine wesentlich neuen Impulse mehr hinzu. Vielmehr wurden die vorhandenen, zeitweise heftig miteinander konkurrierenden Schulen ständig neu interpretiert. Insbesondere sind die seit dem 16. Jahrhundert zu verzeichnenden Bemühungen christlicher Missionare um Etablierung ihrer Religion im Reich der Mitte weitgehend im Sande verlaufen und gewannen keinen nachhaltigen Einfluss auf die chinesische Kultur. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts gelang mit dem Kommunismus erstmals wieder einer neuen Lehre der Einzug in China. Von 1949 bis in die frühen 1980er Jahre war er die alles beherrschende Staatsdoktrin. Auf 32 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? dem Höhepunkt seines Einflusses gipfelte er 1966-1976 in Mao Zedongs Kulturrevolution, die ihren Namen gerade der In-Frage-Stellung und Bekämpfung der Jahrtausende alten chinesischen Kultur und insbesondere ihres konfuzianischen Kerns verdankt. Letztlich war diesem Unterfangen im Verhältnis zu den Opfern wenig Erfolg beschieden. Gegenüber den von der Kulturrevolution unberührten chinesischen Kulturen in Hong Kong, Taiwan oder den zahlreichen Übersee-Gemeinschaften fallen dennoch die vergleichsweise geringere Bedeutung religiöser Brauchtümer und anderer traditioneller Werte und Rituale auf. Eine gewisse Erosion erlebt die klassische chinesische Kultur derzeit zudem im Zuge der Globalisierung und der damit verbundenen Nivellierung der Lebensstile. Wesenszüge Es lässt sich eine Reihe charakteristischer Wesenszüge der chinesischen Kultur feststellen. Verallgemeinerungen sollten freilich vermieden werden, zumal die Kultur nicht zu allen Zeiten und in allen Teilräumen Chinas gleichermaßen ausgeprägt war und überdies zwischen kulturellen Idealen und der Lebenswirklichkeit - wie in anderen Ländern auch - mitunter eine beträchtliche Divergenz bestehen kann. Im Folgenden können daher nur Grundlinien und zentrale Tendenzen dargestellt werden: Gruppendenken und Insider-Outsider Diskriminierung Im westlichen Kulturkreis wird oft lediglich ein Dreiklang einzigartiger Konzepte der chinesischen Kultur als Schlüssel zum Verständnis Chinas angeführt: „Gesicht“ (miànzi), „Beziehungen“ (guānxi) und „Höflichkeit“ (l mào). In welchem Maß diese Konzepte und die nachfolgend dargestellten Wesenszüge der chinesischen Kultur sich jedoch im Verhalten des Einzelnen widerspiegeln, wird in erster Linie von der Gruppenzugehörigkeit seines jeweiligen Interaktionspartners bestimmt. Gruppendenken und InsiderOutsider-Diskriminierung sind damit nicht nur eine zentrale Besonderheit der chinesischen Kultur, sondern determinieren gleichzeitig, in welchem Ausmaß und in welchen Situationen ihre übrigen Charakteristika überhaupt Niederschlag im gesellschaftlichen Leben finden. Gruppendenken und Insider-Outsider-Diskriminierung manifestieren sich dabei in einer Vielzahl unüberschaubarer und objektiv oft kaum identifizierbarer Linien. Relativ offensichtlich ist jedoch die auch in anderen Kulturkreisen übliche Unterscheidung zwischen Familienmitgliedern und NichtFamilienmitgliedern. Darauf folgt die Unterscheidung zwischen den „eigenen Leuten“ und den „Outsidern“ wobei die Differenzierungskriterien hierbei überaus komplex sind und von der regionalen Herkunft, der Clan-Zugehörigkeit oder dem Familiennamen, der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bis hin zur Abteilungszugehörigkeit am Arbeitsplatz oder dem Arbeitgeber reichen können. Für Außenstehende sind diese Kriterien und der genaue Verlauf der resultierenden Insider-Outsider-Demarkationslinie allerdings in der Regel kaum nachvollziehbar. Die letzte und wiederum relativ leicht nachvollziehbare Differenzierung ist die zwischen (ethnischen) Chinesen und Nicht-(ethnischen) Chinesen. Harmonie Ein prägendes Merkmal der chinesischen Vorstellungswelt war von jeher die Idee, dass sich der Kosmos in einem harmonischen Gleichgewicht befinde, das es zu erhalten und bei Bedrohungen wiederherzustellen gilt. Klassischen Ausdruck gefunden hat sie etwa im Yin-Yang-Denken oder auch in der Analogie der Fünf-Elemente-Lehre, wonach auch bestimmte Farben, Jahreszeiten, Stimmungen, Stoffe, Planeten, Körperteile einander entsprechen und aufeinander abzustimmen seien. Später hat insbesondere der Daoismus die harmonischen Beziehungen zwischen Himmel, Erde und Mensch umfassend thematisiert. Eine besondere Rolle bei der Wahrung der Harmonie kam dabei stets dem Kaiser als „Himmelssohn“ zu, in dessen Pekinger Palast nicht wenige Gebäude sogar die „Harmonie“ im Namen tragen. Abb. 1: Yin und Yang – Symbol für Harmonie 33 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Analog dazu wird aber auch Harmonie in den menschlichen Beziehungen angestrebt. Konflikte werden daher grundsätzlich als Störung empfunden und man versucht sie nach Kräften zu vermeiden. Die kompromisslose Durchsetzung eigener Interessen gilt in China, selbst und gerade wenn sie unter Berufung auf verbindliches „Recht“ erfolgt, als unmoralisch und wird entsprechend sanktioniert. Vielmehr wird in aller Regel in langwierigen Prozessen versucht, eine alle Beteiligten zufriedenstellende Kompromisslösung zu suchen. Selbstverständlich verbietet sich vor dem Hintergrund auch ein schroffes „Nein“, was freilich häufig dazu führt, dass ein „Ja“ nicht immer als verbindlich betrachtet werden darf. Als Harmoniestörungen werden aber auch Kritik am Gegenüber, allzu heftige Äußerungen von Emotionen wie Wut, Ärger, Trauer oder Freude sowie das Preisgeben zu vieler Informationen über die eigene Person (mit Ausnahme finanzieller Dinge) wie auch das Belasten anderer Menschen mit eigenen Problemen, Sorgen oder Intimitäten betrachtet. Geschätzt wird leises und zurückhaltendes Auftreten, ruhiges bis sanftes Sprechen, würdige Gesten sowie Gelassenheit gegenüber Ärgernissen. In manchen Zusammenhängen wie etwa Gastbesuchen wird auch überschwängliches Loben erwartet. Soweit heute im Gegensatz hierzu vielmehr häufig lautes, rücksichtsloses Verhalten von Chinesen zu beobachten ist, hat dies insbesondere eine Ursache: Die Harmoniepflicht gilt uneingeschränkt nur im Bereich der eigenen Danwei-Gemeinschaft, nicht aber in der weiteren Öffentlichkeit. Von Drängeln an der Bushaltestelle kann keineswegs auf das Verhalten derselben Person in seiner Familie oder seinem Betrieb geschlossen werden. Gesicht Unter Gesicht wird im chinesischen Kulturkreis nicht nur das physische Antlitz verstanden, sondern auch die Meinungen, die andere über eine bestimmte Person haben, bzw. die Wertschätzung die ihr entgegengebracht wird. Auf ihr Gesicht legen Chinesen traditionell großen Wert. Gesicht „verliert“ etwa, wer den an ihn in seiner sozialen Rolle etwa als Vater, Angestellter, Student etc. gestellten Anforderungen nicht genügt. Besonders stark ist der Gesichtsverlust dann, wenn dieses Defizit auch durch andere etwa durch Kritik, Zurechtweisung, Bloßstellung etc. vor Dritten ausdrücklich festgestellt wird, wobei in diesen Fällen meist auch der Kritisierende Gesicht verliert. Tief sitzt bei Chinesen von Kindheit an die Angst, ausgegrenzt oder „ausgelacht“ zu werden. Ebenfalls zu Gesichtsverlust führen Verstöße gegen das o.g. Harmoniegebot, etwa durch das Zeigen von Ärger und Wut. Häufig hindert die Angst vor dem Gesichtsverlust Chinesen daran, auch nur geringe Wagnisse und Risiken einzugehen. So wird hiermit etwa die Scheu chinesischer Hotelangestellter erklärt, (ausnahmsweise) in Vertretung Aufgaben zu übernehmen, die ihnen nicht ausdrücklich zugewiesen worden sind. Auch das Ignorieren von Anfragen, die nur abschlägig beschieden werden könnten, hängt häufig mit der Gefahr des Gesichtsverlusts für beide Seiten zusammen. Indirektheit Das Harmonieprinzip wie auch die Lehre vom Gesicht erzwingen in der Kommunikation häufig ein erhebliches Maß an Indirektheit. Es wird vermieden, „mit der Tür ins Haus zu fallen“. Heiße Eisen werden nicht unmittelbar angepackt, vielmehr bewegen sich die Gesprächspartner in zahlreichen Windungen und allgemeinen Bemerkungen auf das eigentliche Thema zu. Zentrale Aussagen werden oft kurz gehalten und obendrein an wenig exponierter Stelle, etwa in Nebensätzen versteckt. Eine wichtige Rolle kommt insofern auch der nonverbalen Kommunikation sowie der Verwendung von Gleichnissen und Symbolen zu. Kollektivität Im Denken der chinesischen Gesellschaften genießt von jeher die Gemeinschaft einen größeren Stellenwert als der Einzelne. Symptomatisch kommt sie bereits in der konfuzianisch geprägten Familie, vor allem aber im Dānwèi zum Ausdruck, kleine, überschaubare Kollektive, die etwa in einer Dorfgemeinschaft, einem Betrieb, einer Hochschule, einer Armee-Einheit oder dergleichen bestehen können. Traditionell sorgt der Danwei für alle Belange seiner Mitglieder, mischt sich dafür aber häufig in erheblichem Maße in ihre Privatangelegenheiten ein: Zu den Aufgaben des Danweis konnten je nach 34 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Zeitperiode u.a. gehören: Zuweisung von Wohnung und Arbeit, Verteilung der Löhne, Prämien und Bezugsscheine, Bereitstellung lokaler Infrastruktur, Heirats-, Scheidungs- und Schulbesuchserlaubnis, Rekrutierung zum Milizdienst, Freizeitgestaltung, politische Schulung, Ausübung der Zensur, Streitschlichtung, niedere Justizaufgaben. Bei aller Kontrolle bietet der Danwei dem Einzelnen aber auch ein gewisses Maß an Demokratie, Partizipation und Mitbestimmung. Die Mitgliedschaft im Danwei ist grundsätzlich lebenslang, ein Wechsel in einen anderen Danwei normalerweise nicht vorgesehen. Auch erwartet der Danwei von seinen Mitgliedern unbedingte Loyalität sowie Solidarität untereinander. Bezeichnenderweise gelten die konfuzianischen sittlichen Pflichten in vollem Umfang nur im Danwei, was etwa dazu führen kann, dass man dem Leid und Unglück Danweifremder Personen relativ reserviert und gleichgültig gegenübersteht und schon gar nicht helfend eingreift. Stark ausgeprägt ist das Danwei-Wesen heute noch auf dem Land. In den Städten hat sich indes bereits vor längerer Zeit insofern eine Aufspaltung vollzogen, als das einzelne Individuum sowohl einer Wohn-, als auch einer Arbeitsdanwei mit unterschiedlichen Aufgaben angehört. Nachdem die Bedeutung der Danweis unter dem Maoismus einen historischen Höhepunkt erreicht hatte, ist seit Anfang der 1980er Jahre im Zuge der wirtschaftlichen Reformpolitik insofern ein Rückgang zu verzeichnen. Das im Danwei-Wesen tief verwurzelte Kollektiv-Denken führt dazu, dass Chinesen bis heute gemeinschaftlichen Aktivitäten den individuellen vorziehen. Arbeit, Leben und Freizeitgestaltung vollziehen sich weitgehend in der Gruppe. Einzelgänger und Individualisten werden traditionell wenig geschätzt. Dementsprechend kommt auch der „Privatheit“ in China geringerer Stellenwert zu als im Westen. Zumindest innerhalb des eigenen Danweis werden etwa unangemeldete Besuche oder aus westlicher Sicht „zudringliche“ Fragen durchaus akzeptiert. Hierarchiebewusstsein Bereits Konfuzius hatte die menschlichen Beziehungen nach asymmetrischen Über-/Unterordnungsverhältnissen wie Vater/Sohn, Ehemann/Ehefrau, Herr/Diener, Meister/Schüler unterteilt und auf ihrer Grundlage ein komplexes hierarchisches Gebäude entwickelt. Bereits in der Kaiserfamilie unterschied man strikt die Ränge der verschiedenen Gemahlinnen, Nebenfrauen, Konkubinen und Prinzen. Nach ihr kamen die ihrerseits in 18 Ränge unterteilten Beamten, es folgten die Bauern, die verschiedenen Handwerksberufe, dann die nach ihren Handelswaren unterschiedenen Kaufleute. Selbst bei den sozial Deklassierten am unteren Ende der Skala reihte man etwa Huren noch höher ein als Schauspieler. Auch innerhalb der Geschwisterreihen einer Familie wurden etwa die Brüder nach dem Alter sortiert, nach ihnen kamen die Schwestern. Der Niedergestellte schuldet jeweils dem Höhergestellten Gehorsam, Respekt und Unterstützung, dieser jenem indes Schutz und Belehrung. Auch heute noch ist hierarchisches Bewusstsein tief im Denken der meisten Chinesen verankert. Innerhalb eines Danweis kommt jedem Mitglied ein fester Platz und Rang zu, der von internen wie externen Personen gleichermaßen zu achten ist. Vielfach wird er durch penibel überwachte Statussymbole wie die Größe des Büros, des Schreibtisches oder Dienstwagens abgesichert. (…) 35 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 6. Begründung der Impuls-/Schlüsselfragen der 3. Phase (von unterschiedlichen Menschen formuliert) Wer profitiert vom Ende des Welttextilabkommens? Gegenwart: Das Ende des Welttextilabkommens spiegelt sich unmittelbar in den Preisen für Textilien wieder. Macht: Die Aufhebung des Welttextilabkommens ist das Resultat einer umfangreichen Einflussnahme von Seiten der Wirtschaft auf die Regierungen der in der WTO vertretenen Länder. Exemplarität: Das Ende des Welttextilabkommens ist ein gutes Beispiel die Auswirkungen eines globalisierten Wirtschaftszweiges. Wer hat Nachteile vom Ende des Welttextilabkommens? Zukunftsbedeutung: Die maßlose Umweltzerstörung auf deren Kosten China produziert wird Auswirkungen auf die zukünftige Lebensqualität auf unserem Planeten haben? Exemplarität: Die Verlierer sind die ehemaligen Textilproduzenten. Der rasante Absatzeinbruch ist ein exemplarisches Beispiel für die Funktionsprozesse einer globalisierten Wirtschaft. Wie hat sich die chinesische Einkommenssituation in den letzten zehn Jahren verändert? Exemplarität: Die Entwicklung der Einkommen in China im Vergleich zur Entwicklung der Rendite der Produzenten verdeutlicht das Prinzip der Industrialisierung in einer Marktwirtschaft. Einen ähnlichen jedoch zeitlich nicht so radikalen Prozess gab es in Europa zur Zeit der Industrialisierung auch. Werden uns die Chinesen bald überholen? Zukunftsbedeutung: Hat die rasante Entwicklung in China Einfluss auf die Lebensqualität in Deutschland. Wird Deutschland seine wirtschaftliche Stellung trotz der enormen Produktionssteigerungen in China halten können? Konflikt: Es gibt einen wirtschaftlichen Konflikt um die Absatzmärkte der Welt. Auch wenn China weit von Deutschland entfernt ist, gehen die Auswirkungen des chinesischen Wirtschaftswachstums nicht ohne Auswirkungen an Deutschland vorbei. Der gewaltige Rohstoffbedarf der chinesischen Wirtschaft treibt die Rohstoffpreise allgemein in die Höhe, sodass sich auch deutsche Produkte verteuern. 36 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Hauptsache Arbeiten? Arbeitsbedingungen in chinesischen Textilfabriken. Zukunftsbedeutung, Konflikt, Mitbestimmung Der Wirtschaftsboom in China verschlingt Massen von Arbeitskräften, die in den Fabriken zwar mehr verdienen als in der Landwirtschaft, dies genügt zu einem menschenwürdigen Leben aber immer noch nicht. Die Ressource billige menschliche Arbeitskraft wird in der nahen Zukunft auch im bevölkerungsreichsten Land der Welt knapp werden. Die restlichen Arbeiter werden sich ihres Wertes im Bezug auf die Arbeitskraft bewusst werden und einen neuen Konflikt heraufbeschwören. Moral: Wer gut arbeitet, soll auch gut bezahlt werden. Diese westlichen Vorstellungen der Bezahlung der Arbeitskraft werden um so mehr auch in China an Gewicht gewinnen um so geringer die Ressource Arbeitskraft wird. Das ein Arbeiter von dem Geld, dass er durch seine Arbeit verdient leben kann, ist eine Forderung, die schon jetzt in China an Gewicht gewinnt. Auf welchen Ressourcen gründet sich der Aufschwung in China? Zukunftsbedeutung, Exemplarität Der Aufschwung in China gründet sich auf einer enormen Anhäufung von Menschen, Geld und Rohstoffen. Gerade der schonungslose Abbau von Rohstoffen und die damit einhergehende Umweltzerstörung werden Folgen für die Zukunft der Menschen in China und überall auf der Welt haben. Der Ausbau der Textilindustrie und die schonungslose Nutzung der Ressource Natur sind ein exemplarisches Beispiel für die Kosten des immensen Wirtschaftswachstums in China. Wie ausgeprägt ist das Umweltbewusstsein der Chinesen und welche Folgen haben sich daraus ergeben? Konflikt: Die Chinesen leben in ihrer ursprünglichen Lebensweise sehr in Einklang mit der Natur. Sie haben aber auch ein ausgeprägtes Obrigkeitsbewusstsein, dass durch die Erfahrungen des Maoismus noch gestärkt wurde. Diese beiden Eigenschaften kollidieren in der Industrialisierung. Umweltbewusstsein steht in China auch für eine Art der Meinungsfreiheit, die in das chinesische Staatssystem nicht hineingehört. Umweltzerstörung in China anzuprangern bedeutet auch, das bestehende System in Frage zu stellen. Seine eigene Meinung zu äußern ist aber in diesem System eigentlich nicht erwünscht. Welchen Einfluss haben Religion, Geschichte und Philosophie auf die heutige Situation Chinas? Kultur: Die Kultur des chinesischen Volkes spielt eine große Rolle für das Funktionieren des gesamten Systems in China. So lastete ein enormer Druck auf der chinesischen Führung nach den Naturkatastrophen in China. Die Chinesen glauben, dass der Herrscher bei den Göttern in Ungnade gefallen ist und es eines neuen 37 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Herrschers bedarf. Die Chinesen leben von ihrer Kultur her in Einklang mit der Natur. Die Leute können nicht dauerhaft die Augen vor den gewaltigen Umweltzerstörungen in ihrem Land verschließen. Begründung und Reduktion (Politics/Prozess) Gegenwartsbedeutung: Die Bedeutung der Inhalte für die Schülerinnen und Schüler ergibt sich im Wesentlichen aus der Tatsache, dass Textilien aufgrund der Strukturveränderungen im globalen Zusammenwirken zwischen Industrie- und Schwellen- bzw. Entwicklungsländer deutlich günstiger geworden sind. Dieser Vorteil, der sich für die Konsumenten in westlichen Staaten ergeben hat, beruht allerdings auf einer Reihe von Aspekten, die zu negativen Folgeerscheinungen, vor allem in Textil produzierenden Entwicklungsländern, geführt haben. In erster Linie sind hierbei die Arbeitsbedingungen der Arbeiter/innen der Textilindustrie in diesen Ländern gemeint. Exemplarität: Am Beispiel des Welttextilabkommens (WTA), das seit 1974 den Handel mit Textilien zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geregelt hat und im Jahr 2005 in einem zehn Jahre andauernden Stufenplan ausgelaufen ist, lassen sich die Strukturen und Zusammenhänge sowie Macht- und Interessenansprüche der Industrie- und Entwicklungsländer den Schülerinnen und Schülern exemplarisch veranschaulichen. Von Bedeutung ist ebenfalls die Veränderung der chinesischen Einkommenssituation, da hierbei die allgemeingültigen Strukturen der andauernden Industrialisierung in einer Marktwirtschaft rückwirkend und zukunftsweisend aufgezeigt werden können. Ein weiterer Aspekt ist die mit Wirtschaftswachstum unmittelbar einhergehende Umweltzerstörung. Wirtschaftswachstum wird immer auf Kosten der Umwelt erreicht. Vor allem in der Volksrepublik China werden zahlreiche Umweltprobleme ignoriert, um den stetig wachsenden Wirtschaftsboom sicherzustellen. Zukunftsbedeutung: In absehbarer Zukunft können die Textilien aus China für westliche Konsumenten wieder teurer werden, wenn die derzeitige Entwicklung anhält und kein globaler Wettbewerb in der Textilindustrie stattfindet. Der Strukturwandel führte bisher zu Marktverdrängungen kleinerer Produktionsländer, der den Kreislauf von Angebot und Nachfrage massiv beeinflusst hat und in Zukunft weiter beeinflussen wird. Aus Sicht der deutschen Marktwirtschaft nimmt die Volksrepublik China einen hohen Stellenwert als Handelspartner ein. Von Interesse ist hierbei der immense Absatzmarkt für deutsche Produkte und technische Innovationen in China. Zugleich verschärft sich jedoch der Wettbewerb auf den heimischen Märkten durch den Import von chinesischen Erzeugnissen. Die lokale Umweltzerstörung in China, um die Wirtschaft des Landes voranzutreiben, hat Einfluss auf die globalen Klimaveränderungen. 38 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Die Frage, ob günstige Kleidung einen Vorteil für alle bringt, betrifft die SuS in direktem Maße, da in ihrer Altersgruppe viele von ihnen auf preiswerte, modische Kleidungsstücke angewiesen sind. Somit müssen sie sich schon fast zwangsläufig mit den Ursachen für diese Artikelpreise auseinandersetzen. Diese Analyse führt zunächst über das Welthandelsabkommen, wobei globale Wirtschaftsbeziehungen und Abkommen exemplarisch erarbeitet werden können. Dabei ergeben sich sowohl Gewinner als auch Verlierer dieser Entwicklung und gerade die Situation der Letztgenannten bietet die Möglichkeit, zukünftige Entwicklungsszenarien zu durchdenken. Sobald nämlich China den Textilmarkt vollkommen dominiert, greifen die marktwirtschaftlichen Gesetze von Angebot und Nachfrage und es dürfte zu einem Anstieg der Preise kommen. Anhand der Entwicklung der chinesischen Einkommen können die SuS exemplarisch den Einfluss der Industrialisierung auf ein Gesellschaftssystem nachvollziehen. Hierbei ist die chinesische Entwicklung besonders anschaulich, da sie innerhalb von weniger als zwanzig Jahren erfolgte und die Differenzen zwischen Stadt- und Landbevölkerung besonders groß ausfallen. Anhand des Konfliktes, der zwischen beiden Bevölkerungsgruppen besteht, können die SuS das Dilemma der Wanderarbeiter sehr gut nachvollziehen, da ihr Leben im Wesentlichen von der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit – entweder armer Bauer auf dem Land oder Fabrikarbeiter mit Hungerlohn – geprägt ist. Die Angst, ob uns die Chinesen mit ihrem starken Wirtschaftswachstum überholen werden, spiegelt den Konflikt und die Zukunftsangst in unserer Gesellschaft wieder: einerseits befürchten wir ihre Konkurrenz und Macht auf dem internationalen Markt, benötigen sie aber andererseits wiederum als Handelspartner, der im Moment unsere teuren, hoch technisierten Produkte kauft. Bei der Frage nach den chinesischen Arbeitsbedingungen müssen sich die SuS mit ihrem eigenen Alltag befassen und sich fragen, ob sie selbst den Konsum bzw. den Nichtkonsum dieser Produkte rechtfertigen können. Denn eine kategorische Ablehnung dieser Produkte würde die Arbeits- und somit auch Lebensbedingungen der Fabrikarbeiter nur verschlechtern. Hier ist also die politische Disziplin des Denkens in Alternativen gefordert. Spätestens bei der Auseinandersetzung mit den ökologischen Problemen des chinesischen Wirtschaftswachstums dürfte allen SuS klar werden, dass diese Ausrichtung auf Wirtschaft auch für uns langfristig nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Dieser Konflikt zwischen Umwelt und industriellem Wachstum wird begleitet von dem Problem der freien Meinungsäußerung in der Volksrepublik China. Hierbei können die Auswirkungen der Geschichte des Landes mit seinen Herrschaftsstrukturen und kulturellen Entwicklungen sehr anschaulich analysiert werden. 39 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 7. Impulsfragen – Erwartungshorizont Umwelt Impuls/ Erwartungshorizont Schlüsselfrage Wird die Umweltzerstörung Wenn die Menschen in China nicht mehr leben können, können sie auch nicht mehr die mit der Industrialisierung produzieren. Der Zirkus der Globalisierung reist dann an einen unverbrauchten Ort weiter. einhergeht den Wirtschaftsboom zerstören? Umweltzerstörung ist eine Auch unsere Industrialisierung ging mit einer drastischen Umweltzerstörung einher. Wir haben Begleiterscheinung der es heutzutage geschafft, unsere Flüsse sind wieder sauber und die Natur ernährt uns und gibt Industrialisierung. Sollten wir den Tieren einen Lebensraum. mit der Urteilsbildung nicht Nach der Erkenntnis wird dieser Prozess auch in China einsetzen. noch zehn Jahre warten? China ist so weit entfernt, Wir Leben in Europa und haben genügend Möglichkeiten unser Leben gegen Gifte aus China dass die Gifte keine abzuschotten, wenn die der Meinung sind, dass sie so mit ihrer Umwelt umgehen müssen, Auswirkungen auf mein dann machen wir die Grenzen einfach für ein paar Jahrzehnte dicht. Leben haben. Durch die Umweltzerstörung Die Debatte um die Artenvielfalt zeigt deutlich, dass jeder Lebensraum auf der Erde Schätze gehen der Menschheit enthält, die es zu schützen gilt. Für das Überleben der Menschheit ist dieses Wissen sehr Schätze verloren die nicht wertvoll und kann nicht gegen ein kurzfristiges Wirtschaftswunder, egal welchen Ausmaßes durch ein kurzfristiges eingetauscht werden. Wirtschaftswunder zu ersetzen sind. Arbeitsbedingungen Impuls/Schlüsselfrage Erwartungshorizont In China herrschen ebenso Die Gesetzt zum Schutz der Arbeitnehmer in China sind teilweise sehr ungenau geschrieben. Gesetzte zum Schutz der Die Regierungen der verschiedenen chinesischen Regionen spezifizieren die nat. Gesetzte Arbeitnehmer wie hier in und konkretisieren sie ggf. hinsichtlich ihrer Umsetzung und entwickel so ihre eigenen Deutschland. Warum werden Standards. Dadurch ergeben sich Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Seitens diese Missachtet? der Arbeitnehmer gibt es kaum Möglichkeiten (Arbeitnehmervertretungen) sich gegen die Verstöße zu wehren, da die Armut sie daran hindert, eine alternative Beschäftigung zu suchen. Viele Arbeitnehmer wissen nichts von ihren Rechten, es findet keine Aufklärung statt, z. B. in Form eines Arbeitsvertrages. Wo liegen die Ursachen für Der Preisdruck ausländischer Unternehmen ist derart hoch, dass chinesische Lieferanten auf diese schlechten Betrug (jugendliche Arbeiterinnen, Arbeiter von Kündigen abhalten) zurückgreifen müssen, um Arbeitsbedingungen? enge Lieferfristen einzuhalten, ohne die Preise zu erhöhen. Die Lieferanten sind gezwungen die Löhne zu senken und extreme Taktiken anzuwenden, um genügend Arbeitskräfte beizubehalten. Selbst die Verantwortung dafür, dass chinesische Arbeitsgeber die Zahlungen 40 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? von Überstunden verweigern, liegt bei den Einzelhändlern. Welche Möglichkeiten haben Bindende Verpflichtung von Unternehmen zur Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards bei die Einzelhändler, die globalen Zulieferern, die in Gesetzeswerken einzelner Staaten verankert wird. Eine bindende Arbeitsbedingungen in ihren Unternehmensberichterstattung über die Einhaltung von Umwelt und Sozialstandards. Zulieferbetrieben zu Einzelhändler können dadurch Druck auf die Zulieferer ausüben und Veränderungen herbei verbessern? führen. Kultur Impuls/ Erwartungshorizont Schlüsselfrage Welcher kulturelle Aspekt der Möglicherweise fühlen sich die Arbeiterinnen einer Gruppe (Ingroup-interessen, Danwei) Chinesen sorgt dafür, dass zugehörig, die nach dem chinesischen Verständnis sehr eng miteinander verknüpft ist die Arbeiterinnen in der (Loyalität, Solidarität). Das chinesische Harmonieverständnis lässt innerhalb dieser Gruppen Textilbranche ihre keine Streitigkeiten und Störungen zu. Arbeitsbedingungen In China existiert ein ausgeprägtes Hierarchiebewusstsein. Die Arbeiterinnen wissen, dass sie akzeptieren? in der Hierarchie des Marktes ganz unten stehen. Welche Motivation steckt Einerseits natürlich die Armut der Landbevölkerung und der Zwang, sein Geld als hinter der gewaltigen Wanderarbeiter zu verdienen, um zu überleben. Andererseits aber der tief verwurzelte wirtschaftlichen Expansion, Sinozentrismus, der China über den Rest der Welt stellt. wie z.B. in der Textilbranche? Warum werden in China so Abweichungen von den Vorgaben werden bestenfalls belächelt, oft aber auch sanktioniert. oft Markenplagiate, auch in Spontaneität, Improvisation, Originalität oder Selbstverwirklichung sind insofern weitgehend der Textilindustrie verpönt. Zusammen mit der Angst vor dem Gesichtsverlust führt dieses zu einem erhöhten hergestellt? Konformitätsdruck und zur geringen Verbreitung von Exzentrikern in China. Das Kopieren von Vorbildern indes gilt vor diesem Hintergrund ausdrücklich als erwünscht, lobenswert und Warum stellen die Chinesen keineswegs als verwerflich, was zur Erklärung der heute gerade in China florierenden überwiegend Kleidung für Produktpiraterie beiträgt. bekannte, große westliche Label her und entwerfen wenig eigene Kleidung? Welttextilabkommen Impuls/ Erwartungshorizont Schlüsselfrage Als es das WTA noch gab, Die Beschränkung der Textil- und Bekleidungsimporte sollte die Industrieländer vor einer noch hat China noch nicht in so stärkeren Flut von Billigtextilien schützen und ihren Textilproduzenten einen zeitlichen großem Umfang Textilien Aufschub zur Einleitung des notwendigen Strukturwandels einräumen. exportiert. Warum ist das Das WTA stellt eine Beschränkung des Freihandels zulasten einiger Entwicklungsländer 41 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? WTA ausgelaufen? dar. Das Ende des WTAs bedeutet die fortschreitende Liberalisierung und Expansion des Welthandels, die Vermeidung von Störungen in Export-Importländern Die Aufhebung sollte den zunehmenden Anteils der Entwicklungsländer am Welttextilhandel sichern. Warum konnten andere Das WTA hat einerseits Länder mit einer starken T&B-Industrie (wie z. B. China) Entwicklungsländer nicht von gebremst und Exporteinnahmen geschmälert, andererseits wettbewerbsschwächeren der Aufhebung des WTAs Ländern wie z. B. Bangladesch oder Kambodscha den Aufbau von T&B-Industrien profitieren und ihren Export erleichtert, deren Exporte in Industrieländer durch das Quotensystem relativ geschützt stark ausbauen? waren. In einigen dieser Länder wuchs die T&B-Industrie zum Hauptwirtschaftszweig heran. Zu den Verlierern gehören vor allem Entwicklungsländer aus Lateinamerika und Afrika, aber auch aus Asien und dem Mittleren Osten, wie z. B. Mexiko, Guatemala, Honduras, El Salvador, die Dominikanische Republik, Südafrika, Namibia, Mauritius, Nepal und die Mongolei. Sie alle erlitten 2005 Exporteinbußen - z. T. bis 13%. Einige asiatische Länder konnten ihre Exporte in die USA zwar steigern, verzeichneten jedoch gleichzeitig Verluste mit Blick auf die EU, wie z. B. Bangladesch, Indonesien und Kambodscha. Zukünftig werden diese Länder noch mehr unter Druck kommen, da die chinesische Industrie produktiver und kostengünstiger ist. Außerdem waren Exportsteigerungen nicht zwangsläufig mit einem Wertzuwachs identisch, da die Preise von T&B-Produkten fielen. Auch kam es weltweit sowohl in Verlierer- als auch in Gewinnerländern zu Fabrikschließungen, Arbeitsplatzverlusten und einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, sodass eine Nachhaltigkeit erster positiver Entwicklungen in einigen asiatischen Ländern seit Anfang 2005 bezweifelt werden muss. Kann die WTO nicht wieder Nein, das Ziel der WTO ist der Abbau von Handelshemmnissen und somit die Quotenregelungen einführen, Liberalisierung des internationalen Handels mit dem weiterführenden Ziel des damit ein Ausgleich internationalen Freihandels. zwischen den Entwicklungsländern geschaffen werden kann? Welche Chancen hat Deutschlands Textilindustrie, sich am Weltmarkt zu • Produktion von hochwertigen technischen Textilien (Hightechtextilien) • Prozessinnovationen (Maschinen) zur Beschleunigung der Produktionen einsetzen. behaupten? Welche Möglichkeiten habe ich als Verbraucher auf den Markt Einfluss zu nehmen? • Keine Kleidung aus China kaufen. • Sich für Kampagnen starkmachen (Aktion „Saubere Kleidung“). • Gezielt Kleidung aus bestimmten Entwicklungsländern zu kaufen. • Weniger Kleidung kaufen, sondern Ressourcen sparen. 42 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? Wirtschaft Impuls/ Erwartungshorizont Schlüsselfrage Welche Vorteile Durch den chinesischen Wirtschaftsboom eröffnet sich für Deutschland die ergeben sich für die Chance einen großen Absatzmarkt zu erschließen, in China leben immerhin deutsche Wirtschaft 1,3 Mrd. Menschen, deren Bedürfnisse auch durch deutsche Exportgüter infolge des gedeckt werden können. Weiterhin ist die chinesische Wirtschaft mitunter chinesischen abhängig von innovativen Techniken (Maschinen, erneuerbare Energie), die Wirtschaftsbooms? von deutschen Unternehmen hergestellt und exportiert werden. Welche Nachteile Hat sich die chinesische Wirtschaft erst einmal deutsche Techniken und können sich für Innovationen zu eigen gemacht, wird in absehbarer Zukunft der deutsche Deutschland infolge des Export dieser Techniken zurückgehen. Dadurch könnten massiv Arbeitsplätze chinesischen in Deutschland bedroht sein, da China nun selbst in der Lage ist, Innovationen Wirtschaftsbooms kostengünstig herzustellen und zu exportieren. ergeben? Als es das WTA noch Die Beschränkung der Textil- und Bekleidungsimporte sollte die Industrieländer vor gab, hat China noch einer noch stärkeren Flut von Billigtextilien schützen und ihren Textilproduzenten nicht in so großem einen zeitlichen Aufschub zur Einleitung des notwendigen Strukturwandels einräumen. Umfang Textilien Das WTA stellt eine Beschränkung des Freihandels zulasten einiger exportiert. Warum ist Entwicklungsländer dar. Das Ende des WTAs bedeutet die fortschreitende das WTA ausgelaufen? Liberalisierung und Expansion des Welthandels, die Vermeidung von Störungen in Export-Importländern Die Aufhebung sollte den zunehmenden Anteils der Entwicklungsländer am Welttextilhandel sichern. Warum konnten andere Das WTA hat einerseits Länder mit einer starken T&B-Industrie (wie z. B. China) Entwicklungsländer gebremst und Exporteinnahmen geschmälert, andererseits nicht von der Aufhebung wettbewerbsschwächeren Ländern wie z. B. Bangladesch oder Kambodscha des WTAs profitieren und ihren Export stark ausbauen? den Aufbau von T&B-Industrien erleichtert, deren Exporte in Industrieländer durch das Quotensystem relativ geschützt waren. In einigen dieser Länder wuchs die T&B-Industrie zum Hauptwirtschaftszweig heran. Zu den Verlierern gehören vor allem Entwicklungsländer aus Lateinamerika und Afrika, aber auch aus Asien und dem Mittleren Osten, wie z. B. Mexiko, Guatemala, Honduras, El Salvador, die Dominikanische Republik, Südafrika, Namibia, Mauritius, Nepal und die Mongolei. Sie alle erlitten 2005 Exporteinbußen - z. T. bis 13 %. Einige asiatische Länder konnten ihre Exporte in die USA zwar steigern, verzeichneten jedoch gleichzeitig Verluste mit Blick auf die EU, wie z. B. Bangladesch, Indonesien und Kambodscha. Zukünftig 43 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? werden diese Länder noch mehr unter Druck kommen, da die chinesische Industrie produktiver und kostengünstiger ist. Außerdem waren Exportsteigerungen nicht zwangsläufig mit einem Wertzuwachs identisch, da die Preise von T&B-Produkten fielen. Auch kam es weltweit sowohl in Verlierer- als auch in Gewinnerländern zu Fabrikschließungen, Arbeitsplatzverlusten und einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, sodass eine Nachhaltigkeit erster positiver Entwicklungen in einigen asiatischen Ländern seit Anfang 2005 bezweifelt werden muss. Kann die WTO nicht Nein, das Ziel der WTO ist der Abbau von Handelshemmnissen und somit die wieder Liberalisierung des internationalen Handels mit dem weiterführenden Ziel des Quotenregelungen internationalen Freihandels. einführen, damit ein Ausgleich zwischen den Entwicklungsländern geschaffen werden kann? Welche Chancen hat • Produktion von hochwertigen technischen Textilien (Hightechtextilien) Deutschlands • Prozessinnovationen (Maschinen) zur Beschleunigung der Produktionen einsetzen. Textilindustrie, sich am Weltmarkt zu behaupten? Welche Möglichkeiten • Keine Kleidung aus China kaufen. habe ich als • Sich für Kampagnen stark machen (Aktion „Saubere Kleidung“). Verbraucher auf den • Gezielt Kleidung aus bestimmten Entwicklungsländern zu kaufen. Markt Einfluss zu • Weniger Kleidung kaufen, sondern Ressourcen sparen. nehmen? 44 Thema der Unterrichtseinheit: Kleidung zum Schnäppchenpreis – ein Vorteil für alle? 8. Beurteilungsmatrix zur Strukturierung/Gewichtung von Positionen Zweckrationalität Zweck-Mittel-Relation Effizienz WirksamkeitLeistungsfähigkeit Kosten-Nutzen Verhältnis Wertrationalität „weiche Rationalität“ Freiheit – Gerechtigkeit Legitimität Politische Akteure Politische Betroffene Ich als Käufer/KonsumentÖ billige Kleidung Arbeitsplätze der Chinesen erhalten Verzicht bringt nichts China als Handelsmacht China als Absatzmarkt Discounter Textilunternehmen Einsatz für die Schwächeren Chinesen müssen selbst etwas für ihre Arbeitsbedingungen tun Demokratisches System WTO – Handelsmaxime Entwicklungshilfe braucht China nicht Entwicklungsländer müssen sich selbst helfen Umweltzerstörung in China Arbeitsbedingungen Gerechte Entlohnung für in China harte Arbeit Fehlende Arbeitsplätze in Menschenrechte/Arbeits- anderen bedingungen (Entwicklungs-) ländern Gutes Gewissen Entwicklungshilfe kommt auch uns zugute (Umwelt) Politik muss sich einmischen- muss gestalten und ausgleichen/verbessern 45