Der Kämpfer meldet sich zurück

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Der Kämpfer meldet sich zurück
SPORT
DIE RHEINPFALZ AM SONNTAG
8. JANUAR 2012
SEITE 15
Einer von vielen
Der Traum von einer großen Karriere kann sehr schnell ausgeträumt sein. Der Übergang vom internationalen Junioren-Tennis in den großen
Männer-Zirkus ist eine Klippe. Sponsoren gibt es kaum noch, gute Trainer sind aber teuer. Mit seinem Doppel-Erfolg bei den US Open im
vergangenen Jahr ist Robin Kern ein Volltreffer geglückt. Sein Trainer Ulf Fischer traut ihm nun zu, den Sprung zu schaffen. Von Christine Kamm
A
ußenstehende sehen im
Tennis immer noch gerne
eine Sportart, in der die
Wege in die Spitze Spaziergänge sind. Dabei ist es in Deutschland schwerer vorwärts zu kommen
als in manch anderen Ländern. Schule und Sport sind zwischen Flensburg und Garmisch nicht so leicht unter einen Hut zu bekommen. Verkrustete Strukturen mit viel zu starken
Landesverbänden machen es nicht
leicht, den Nachwuchs zu fördern.
„Alle denken, dass wir das große
Geld noch haben“, sagt Ulf Fischer,
der als langjähriger Nachwuchs-Trainer des Deutschen Tennisbunds und
Assistenztrainer von Davis-CupTeamchef Patrick Kühnen ein ausgewiesener Kenner der Szene ist. Der
Münchner, der mittlerweile an der
Anfang Oktober eröffneten European
Tennis Base mit Universitäts-Anschluss in Salzburg arbeitet und seine neue Unabhängigkeit genießt,
weiß zu gut wie schwer es ist, ein
Talent nach oben zu führen.
HEILIGER RASEN
Wertvolle Erfahrungen
hat Robin Kern in seinem letzten Jahr auf
der Junioren-Tour
gesammelt. In Wimbledon hat er sich besonders über seine knappe Niederlage im Viertelfinale geärgert.
(foto: imago)
Alle denken, dass wir
noch das große Geld
haben, sagt Tennis-Trainer
Ulf Fischer.
„Tennis ist eine teure Angelegenheit“, sagt der 46-Jährige. Früher
habe ein junger Spieler auch zu Beginn seiner Karriere Sponsoren finden und dank deren Unterstützung
um die 80, 90 Prozent seiner Kosten
abdecken können. Heute ist es laut
Fischer eher umgekehrt. Florian Mayer (28), der das Jahr als deutsche
Nummer eins beendet, sei von den
Eltern geholfen worden. Ulf Fischer
hatte den Bayreuther in drei Jahren
in der Weltrangliste von Rang 1300
auf einen Platz um Rang 30 geführt.
Die ersten beiden Jahre hatte sein
Schützling sich auf der Future Tour
durchbeißen müssen. „Dann hat es
plötzlich klick gemacht. Aber es ist
ein hartes Geschäft, die anderen dort
können auch gut spielen“, sagt der
Coach rückblickend. 2004 spielte
Mayer sich dann erstmals ins Rampenlicht mit dem Erreichen des Viertelfinals von Wimbledon.
Im zehnten Jahr seiner Profi-Karriere sind Florian Mayer endlich
zwei große Treffer gelungen. Ende
September 2011 feierte er auf Sand
in Bukarest seinen ersten TurnierSieg auf der ATP-Tour. Beim ATP-
DER TENNISFLÜSTERER
Der Mann an Patrick
Kühnens (links) Seite
im Davis Cup heißt Ulf
Fischer. (foto: imago)
Masters in Shanghai gelang ihm nur
zwei Wochen später ein 7:6 (7:5),
6:3-Sieg über den keinesfalls
schlecht spielenden WeltranglistenZweiten Rafael Nadal. Es sind Erfolge, die den 28-Jährigen zum Zugpferd des Erstrunden-Matches in der
Davis-Cup-Weltgruppe in Bamberg
am zweiten Februar-Wochenende
gegen den Vorjahres-Finalisten Argentinien machen.
In dieser Woche wird Ulf Fischer
also keine Zeit haben für einen jungen Spieler, den er mittlerweile betreut und dem er es auch zutraut,
sich in der schillernden Tennis-Welt
durchzusetzen. Der Junge heißt Robin Kern, ist 18 Jahre alt, kommt eigentlich aus Fürth, ist als neunjähriges Kind aber mit seiner Mutter nach
Italien gezogen und an der Adria in
der Nähe von Rimini aufgewachsen.
Dort hätte aus ihm auch ein Segler
oder Surfer werden können oder ein
Radfahrer oder Motorsportler wie
die aus der Gegend stammenden
Marco Pantani und Valentino Rossi.
Aber er hat weiter Tennis gespielt
und das Glück gehabt, in einer relativen Tennis-Diaspora einen Trainer
zu haben, der ihn fördert. Entscheidend in Robin Kerns Leben war aber,
dass sein Großvater Ulf Fischer einfach mal fragte, ob er bei dem Junior
nicht zweimal im Jahr nachschauen
könne, ob die Technik in Ordnung
sei. „Kein Problem, das mache ich. Er
ist in Italien alleine, da helfe ich gerne ein bisschen“, lautete die Antwort. Damals war Robin 13. Gesehen
hat der Trainer einen ganz normalen
Teenie. „Er war einer von vielen, ich
Der Kämpfer meldet sich zurück
TENNIS
Nach neun Monaten Verletzungspause meldet sich Tennis-Profi Benjamin Becker auf der ATP-Tour zurück. Von Jörg Allmeroth
A
ls sich Benjamin Becker diese Woche über den Khalifa
Sports Complex in Katars
boomender
Hauptstadt
Doha bewegte, brach nicht gerade
Aufregung aus unter den Tennisfreunden. Der deutsche Profi mit
dem einprägsamen Tennis-Namen,
der vor sechseinhalb Jahren bei den
US Open Großmeister Andre Agassi
aufs Altenteil verabschiedet hatte –
Andy Roddick sprach daraufhin vom
„Kerl, der Bambi erschoss“ –, spielte
eher eine bescheidene Nebenrolle
beim Millionengipfel am Golf. Doch
für den zweiten deutschen TennisBecker war der Erstrunden-Sieg über
Igor Kunitsyn „ein großer, ein sehr
wichtiger Moment“.
Denn der in der Weltrangliste auf
Position 304 abgerutschte Becker gehört zur immer größer werdenden
Gruppe von Spielern, die sich in der
Tour-Tretmühle mit hartnäckigen
Verletzungen herumplagen, gerade
in den späten Jahren ihrer Karrieren.
Gleich zweimal ist der aus dem saarländischen Orscholz stammende Becker im vergangenen Jahr am Ellenbogen operiert worden, und vorübergehend dachte er ziemlich ernsthaft
darüber nach, mit dem Kampf um
Ranglistenpunkte und der Reiserei
DICKE BACKEN
Benjamin Becker bei
seiner Niederlage
gegen Gael Monfils
in der zweiten Runde
in Doha. (foto: afp)
Schluss zu machen: „Irgendwann
wird man mürbe und stellt sich die
Frage, ob der Ertrag noch den ganzen
Aufwand lohnt.“
Becker ist ein harter Bursche, der
schon in den ersten schweren Jahren
seiner Laufbahn das Kämpfen gelernt hat. 2008 hatte der nun 30-jährige schon einmal eine längere Verletzungspause wegen der Probleme
im rechten Schlagarm überstehen
müssen, doch da biss er eisern die
Zähne zusammen und spielte, wenn
die Schmerzen kamen, eben einen
nicht so kraftintensiven Slice-Ball. Er
tat es ganz einfach, weil er nicht den
Anschluss an die Spitze verpassen
wollte: „Die Probleme wurden sicher nicht kleiner", sagt er, „aber
man hat nichts anderes im Kopf als
Punkte zu sammeln".
So leicht konnte er 2011 aber
nicht mehr über die Alarmsignale
des streikenden Körpers hinwegsehen und -spielen: Im Frühjahr legte
er einen ersten Zwischenstopp ein,
als der Ellbogen „so richtig weh tat".
Becker glaubte, dass er spätestens
zum Grand-Slam-Turnier in Paris
wieder fit sein würde, doch stattdessen lag er Ende Juni zum ersten Mal
auf dem Operationstisch. Die
Schmerzen aber blieben, selbst nach-
habe nicht gedacht, dass er in der Junioren-Weltrangliste unter die ersten Elf kommt“, sagt Ulf Fischer. „Viele denken, ich habe ihn mir rausgesucht, aber so war es nicht“, bekennt
der Trainer, der Robin mit 16 nach
der Mittleren Reife in Italien nach
Deutschland geholt und ihn in München bei einer Gast-Familie untergebracht hat.
In den vergangenen beiden ersten
Profi-Jahren hat Ulf Fischer seinen
Schützling verstärkt internationale
Junioren-Turniere spielen lassen.
Der zurückhaltende Blondschopf hat
nicht nur seinen Aufschlag deutlich
verbessert, sondern es in den zwei
Jahren von null auf Rang elf in der
Weltrangliste geschafft – und 2011
einen Grand-Slam-Titel abgeräumt
bei den US Open im Doppel an der
Seite von Julian Lenz. „Bei den
French Open hat es klick gemacht,
da hat er gesehen, dass er jeden
schlagen kann. Da hat er angefangen,
ein bissel was zu kapieren“, wie Ulf
Fischer so schön sagt. In Paris wie
auch in London erreichte der aufschlagstarke junge Mann das Viertelfinale. Es sollte ihn lange wurmen, in
Wimbledon am späteren britischen
Finalisten Liam Broady mit 6:7 (4:7),
6:4 und 11:13 gescheitert zu sein.
Denn nach Niederlagen kann er sich,
wie Ulf Fischer erzählt, „ärgern wie
ein kleines Kind“. Auch wenn er ein
Trainingsspielchen verliert, ist erst
einmal kein gut Kirschenessen mit
Robin Kern, der vom Naturell her
aber eher ein ruhigerer Zeitgenosse
ist. Und so denkt sein Mentor auch,
„dass er noch lernen muss, sich zu
holen, was er will“. Das ist einer von
drei Punkten, die aus Ulf Fischers
Sicht für den Profi-Tennisspieler entscheidend sind: vom Kopf her muss
er das entsprechende Rüstzeug mitbringen, wie auch zweitens die körperlichen Voraussetzungen, schließlich muss drittens ein guter Trainer
mit im Boot sitzen.
Die Voraussetzungen sind bei dem
jungen Franken gegeben. Nun steht
Robin Kern an einem ganz entscheidenden Punkt. Die Junioren-Turniere
darf er nicht mehr spielen. Er muss
jetzt raus und sich in den Niederungen der Future-Serie durchbeißen.
Aber er hat bessere Startbedingungen als andere – vor allem einen
sehr guten und mit den Tücken des
Geschäfts vertrauten Trainer, der
auch fast immer mit ihm zu den Turnieren reisen wird, Sponsoren, einen
eigenen Konditionstrainer und an
der Salzburger Academy beste Rahmen-Bedingungen.
dem die vermeintliche Ursache der
Malaise behoben war, ein Knorpelschaden im Ellbogen. In den USA, seiner Wahlheimat, ließ sich Becker
dann noch einmal untersuchen, diagnostiziert wurde nun ein Knochenspalt. Eine zweite OP und eine weitere Zwangspause folgten, der ehemalige Weltranglisten-38. (2007) musste
frustriert zusehen, wie er in der
Hackordnung der Profis immer weiter abrutschte.
Als er nun in Doha zum Erstrundenmatch gegen Kunitsyn auf den
Court marschierte, hatte Becker
neun Monate Fehlzeit angehäuft –
eine kleine Ewigkeit in der dynamisch voranschreitenden Szenerie
des modernen Herrentennis. Bei seinem Comeback hilft ihm zunächst
eine Sonderregelung der Spielergewerkschaft ATP, die Langzeitverletzten den Wiedereinstieg erleichtern
soll. Mit dem „Protected Ranking", einem gemittelten Ranglistenwert aus
der Zeit vor der Pause, kann er sogar
bei den Australian Open an den Start
gehen. „Ich will noch mal zurück in
die Top 100. Und ich bin sicher, dass
ich es schaffen werde", sagt Becker –
auch wenn er in Doha sein Zweitrundenmatch gegen Gael Monfils knapp
verlor.
Dreimal im
dritten Satz
BAD DÜRKHEIM. Elena Holl vom TC
Mutterstadt hat beim DTB-offenen
Hallen-Tennisturnier in Bad Dürkheim und Deidesheim als einzige
Pfälzerin das Halbfinale erreicht.
Nach drei Drei-Satz-Erfolgen, darunter ein 6:2, 5:7, 10:4 in Runde eins
gegen die an Position zwei gesetzte
Dürkheimerin Laura Sadria, trifft die
17-Jährige heute um 9.30 Uhr auf die
an Position drei gesetzte Carmen
Smolka vom TC RW Baden-Baden.
Bei den Herren sind alle Pfälzer
ausgeschieden. Als Letzten erwischte es René Schulte (BASF TC Ludwigshafen), der nach seinem Sieg gegen
Lokalmatador Torben Hornung im
Viertelfinale Mats Moraing (Mülheim-Dümpten) klar unterlag. Für
Pfalzmeister Sascha Frank (SW Landau) und den Dürkheimer Tobias Gass
war bereits im Achtelfinale Schluss.
Beim 3:6, 2:6 gegen den schnörkellos von der Grundlinie nonstop
Druck machenden André Straka (GW
Mannheim) lag Frank in beiden Sätzen 0:3 zurück, „und gegen einen so
starken Hallenspieler, der so konstant aufschlägt und ein gigantisches
Tempo spielt, hat man dann keine
Chance mehr“, erkannte Frank. Erst
recht nicht auf dem schnellen Belag
in Deidesheim. (peb)
RSG_15

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