Entlassung 10-2007 - Studienseminar Braunschweig

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Entlassung 10-2007 - Studienseminar Braunschweig
Wolfgang Pschichholz
Studienseminar Braunschweig
für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen
Ansprache zur Entlassung der Lehramtsabsolventinnen/en
des Studienseminars GHRS Braunschweig am 18.10.2007
Liebe Gäste – meine sehr verehrten Damen und Herren – liebe Kolleginnen und Kollegen;
ich freue mich, dass wir heute in so großem Kreise die Verbundenheit mit unseren Absolventinnen und Absolventen feierlich gestalten können.
Zunächst möchte ich deshalb Frau Lauenstein mit den Kolleginnen und Kollegen der IGS Franzsches Feld danken, dass wir heute bei Ihnen wieder zu Gast sein dürfen.
Die Planung, organisatorische Begleitung und Mitgestaltung hat wieder eine Vorbereitungsgruppe aus dem Kreis unserer Auszubildenden übernommen. Ich danke Ihnen sehr für Ihr Engagement im Blick auf das Gelingen unserer Gemeinschaftsveranstaltung.
Ganz besonders freue ich mich auch, dass wir hier Herrn Jürgen Wyludda begrüßen können, der
ja einige von Ihnen als Pädagogikseminarleiter bis zu seiner Pensionierung ausgebildet hat.
Ihnen, liebe Absolventinnen und Absolventen,
widmen wir unsere heutige Feier.
Mit Ihnen und Ihren Lehrenden freue ich mich über Ihren erfolgreichen Ausbildungsabschluss
im Vorbereitungsdienst. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Freude über den erreichten berufsqualifizierenden Abschluss als Lehrkräfte an Grund-, Haupt- und Realschulen für Sie Ermutigung sein
kann, sich mit Selbstvertrauen erlebnis- und erfahrungsoffen auf eine anregungsreiche Arbeit im
Schuldienst einzulassen.
Ihrem Abschied von Schülerinnen und Schülern, von Ihren Kollegien an Ihren Ausbildungsschulen, von Ihren Mitstreitern/innen und Ausbildenden im Studienseminar folgt nun ein Neubeginn
… für viele von Ihnen nach einer kurzen Übergangszeit, für einige etwas später…
beginnt der Start in eine dauerhafte Anstellung an einer Schule.
Dabei werden Sie sicherlich bald erfahren, dass bekanntes und vertrautes Wissen aus dem Studium und Vorbereitungsdienst zu einer Basis für die Weiterführung in praxisbezogener Unterrichts- und Erziehungsarbeit wird.
Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie Rahmenbedingungen und Erwartungen Ihrer neuen Schule auch als Anregung und Aufforderung zu eigenständiger Entfaltung von Vorstellungen, Orientierungen und Idealen sehen können, die Sie in Ihrer bisherigen Ausbildung entwickelt haben.
Nach so vielen guten Wünschen möchte ich Ihnen zunächst etwas erheiternd-entspannendes anbieten:
Auf meine folgenden Überlegungen möchte ich Sie gern mit einem Interaktionsspiel
- emotional - einstimmen,
indem ich Ihnen - zunächst unausgesprochen - meine Gedanken eingebe:
Bitte denken Sie einmal…ein Werkzeug!
(Pause)
Das erste Werkzeug, an das Sie gedacht haben,
habe ich Ihnen eingegeben.
Es ist … der Hammer!
Wer hat Hammer? Bitte Handzeichen!
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Viele Meldungen(Hammer):
Ja, ich sehe, viele von Ihnen sind
schon gut eingestimmt.
…und so möchte ich Ihnen nun einige Gedanken anbieten zu der rätselhaften Frage:
Was hat der Hammer mit der Frage
nach dem Unglücklichsein oder Glücklichsein
im Lehrberuf zu tun?
Voranstellen möchte ich zwei Zitate:
„Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers,
die Freude am Schaffen und Erkennen zu wecken“
sagt Albert Einstein
„Der Mensch will so gerne das Gute,
das Kind hat so gern ein offenes Ohr dafür;
aber es will es nicht für dich, Lehrer,
es will es nicht für dich, Erzieher,
es will es für sich selber“
ermahnt uns Johann Heinrich Pestalozzi.
Damit Ihnen solche Vorstellungen von schulischer Erziehungs- und Unterrichtsarbeit auch weiterhin gelingen, möchte ich Ihnen meine folgenden Überlegungen und Empfehlungen als eine
Anregung zum Glücklichbleiben im Lehrberuf anbieten.
Dazu möchte ich Ihnen zunächst eine Parabel von Paul Watzlawick aus seinem Buch „Anleitung
zum Glücklichsein“ vortragen
→ Die Geschichte mit dem Hammer
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den
Hammer. Der Nachbar hat einen.
Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen.
Doch da kommt ihm ein Zweifel:
Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will?
Gestern grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile.
Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich?
Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein!
Und was?
Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort.
Und warum er nicht?
Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen?
Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf
ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich.Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er „Guten Tag“ sagen kann,
schreit ihn unser Mann an:
„Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
… soweit die Parabel
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Ich finde, dass diese Parabel in eindrucksvoller Weise vorstellbar macht, was passieren kann,
wenn man Wahrnehmung, Interpretation und Gefühle vermischt.
Wahrnehmen heißt z. B. etwas sehen oder hören.
Das Wahrgenommene wird dann mit einer Bedeutung versehen, also interpretiert.
Hier: Der flüchtige Gruß, Blick wird als etwas „abfällig“ gedeutet; „…die Eile(ist) nur vorgeschützt…“
Die eigene seelische Befindlichkeit entscheidet darüber, welches Gefühl ausgelöst wird(hier:
„Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich was ein… er hat etwas gegen mich…“)
Diese drei Vorgänge(Wahrnehmen, Interpretieren, Gefühle) verschmelzen zu einem Durcheinander.
Oft reagiert man gar nicht auf andere Menschen, wie sie sind, sondern auf die Phantasien, die
man sich von ihnen macht.
Hilfreich könnte es dabei sein, sich über den Umgang mit eigenen Phantasien diese Alternativen
zu verdeutlichen:
1.) Man kann sie für sich behalten und das eigene Verhalten danach ausrichten(wie unser Mann
in der Geschichte mit dem Hammer)
oder
2.) Man kann sie mitteilen und auf die Realität hin überprüfen.
Diese Entscheidung ist eine wichtige Schaltstelle für eine gelingende oder nicht gelingende zwischenmenschliche Kommunikation.
Wenn man seine Phantasien von vornherein als zutreffend annimmt und sie für sich behält, unterbricht man Kontakt und bleibt isoliert im selbsterbauten Gefängnis der eigenen Phantasien.
Das Fatale bei diesem Verfahren ist, dass unzutreffende Phantasien nie eine Korrektur erfahren
und auf diese Weise scheinbar jedesmal bestätigt werden – manchmal sogar die unheilvolle gedankliche Realität nach dem Muster der sich selbst erfüllenden Prophezeiung erzeugen.
Die Überlegungen zur Hammergeschichte können uns sensibler machen gegenüber den Möglichkeiten des Missverstehens, Misshörens, Missverstandenwerdens besonders in der Unterrichtssituation.
Nun sind wir ja als Lehrkräfte in der Unterrichtssituation sehr umfangreichen, verschiedenartigen Anforderungen und Erwartungen ausgesetzt, die es uns oft unmöglich machen unseren lernenden Gesprächspartnern angemessen zuzuhören und sie wahrzunehmen:
- oft können wir ihnen in unseren großen Lerngruppen nicht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit geben;
- während wir unsere Lernziele im Hinterkopf haben, denken wir schon an unsere Antwort,
während unsere Lernenden noch sprechen; dabei hören wir oft nur – zielorientiert – auf
Details
- im Blick auf unsere Lernziele denken wir oft den Gedanken der Sprechenden schon weiter und wiederholen mehr, als der Gesprächspartner gesagt hat.
Oft setzen wir unsere Lehrvorstellungen durch und gehen dabei zu wenig auf die Lernintentionen und -voraussetzungen ein.
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Dem gilt es entgegenzusteuern:
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich mit Ruhe und Gelassenheit auf die Anregungsvielfalt unserer
beruflichen Aufgaben einlassen können.
Denken Sie daran, dass Umwege die Ortskenntnis erhöhen: nehmen Sie sich Zeit für Umwege,
die Ihnen unsere Lernenden anbieten: Bleiben Sie fehlerfreundlich gegenüber anderen und sich
selbst.
Erhalten Sie sich Toleranz, Vertrauen und Fairness.
Soweit meine Überlegungen und Anregungen zur Hammergeschichte.
Für den heutigen Tag wünschen ich uns einen fröhlichen Ausklang Ihrer Anwärterzeit – und
zwar auch, damit Sie die pädagogischen Charakterköpfe in unserem Studienseminar in guter Erinnerung behalten können.
Erhalten Sie sich Ihr Glücklichsein!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
W. Pschichholz

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