Psychosomatische Rehabilitation türkischer Migranten

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Psychosomatische Rehabilitation türkischer Migranten
Konzept
Dokum entennummer:
4326
Version: 1-0-0
Stand: 27.09.2013
Frist: 3 Jahre
Psychosomatische Rehabilitation
türkischer Migranten
Seite:
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Psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung türkischer
Migranten
Gliederung
1. Vorbemerkungen
2. Indikationsbereiche
3. Spezifische Probleme psychosomatisch erkrankter türkischer Migranten
4. Behandlungsangebot für türkischsprachige Rehabilitanden
5. Behandlungsziele
6. Behandlungserfahrungen
7. Literatur
1. Vorbemerkungen
Im Jahre 1995 wurde in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
der SEGEBERGER KLINIKEN GMBH ein türkischsprachiges psychotherapeutisches
Angebot initiiert. Heute werden uns türkischsprachige Patienten für die stationäre
Behandlung von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung sowie von den
Krankenkassen zugewiesen. In unserer Akutklinik werden auch
Krankenhausbehandlungen in türkischer Sprache angeboten.
Behandlungskapazität und Unterbringung
Aktuell können etwa 300 türkische Patienten pro Jahr in der Klinik für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der SEGEBERGER KLINIKEN
GMBH behandelt werden. Die türkischen Patienten der Rehabilitationsklinik sind
gemeinsam mit den deutschsprachigen Rehabilitanden auf gemischten Stationen in
modernen Einzelzimmern in unserem erst neu erbauten, freundlich gestalteten RehaBettenhaus untergebracht. In der Akutklinik verfügen wir über Doppelzimmer mit
Nasszelle, Fernseher und Telefon.
2. Indikationsbereiche
In unserer Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
werden bei türkischstämmigen (wie bei deutschen) Patienten folgende Störungen
und Krankheitsbilder schwerpunktmäßig behandelt:
●
- und
Zwangsstörungen.
●
Somatisierungsstörungen.
●
en
Bewegungsapparat, die inneren Organe oder den neurologischen Bereich
betreffen.
erstellt:
geprüft:
freigegeben:
Koc-Guenduez, Nazife (Leitende
Bohlen, Oliver (24.09.2013 1. Leitender
Goetzmann, Lutz (26.09.2013 Chefarzt
Psychologin Akut), Froeschlin, Reinhard Psychologe (KP)), Goetzmann, Lutz
Psychosomatische Medizin &
(Leitender Oberarzt Psychosomatik),
(26.09.2013 Chefarzt Psychosomatische Psychotherapie)
Paetzmann, Susanne (Leitung
Medizin & Psychotherapie), Martens,
Ergotherapie KP), Bohlen, Oliver (1.
Michael (27.09.2013 Leitung
Leitender Psychologe (KP))
Qualitätsmanagement)
Jede/r Mitarbeiter/in ist für den Ausdruck selbst verantwortlich, dass die Kopie mit der aktuellen Version im Curator übereinstimm t.
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●
(Konversionsstörungen).
●
●
- und Erschöpfungsreaktionen in psychosozialen Krisen, Burnout.
●
Bewältigungsprobleme als Folgen von operativen Eingriffen oder Unfällen.
Patienten mit Suchterkrankungen, akuter Selbstmordgefährdung und floriden
psychotischen Störungen können nicht aufgenommen werden (Kontraindikationen).
Ebenso besteht kein Behandlungsangebot für Kinder und Jugendliche, wohl aber für
türkischstämmige Mütter und Väter mit deutschsprachigen Kindern, für die eine
ganztägige Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung steht.
3. Spezifische Probleme psychosomatisch erkrankter türkischer Migranten
Bis 2005 wurden bei mehr als 2000 türkischsprachige Patienten stationäre
psychosomatische Heilverfahren in unserer Klinik durchgeführt. Unsere
Behandlungserfahrungen zeigen - in Übereinstimmung mit der noch recht spärlichen
Literatur - dass bei dieser Patientengruppe folgende Probleme bzw. Fragestellungen
gehäuft auftreten:
●
chronisch verlaufende
psychosomatische und depressive Erkrankungen, die zu langen
Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt haben. Regelhaft kommt es dabei zu
umfangreichen und kostenintensiven diagnostischen Maßnahmen (oft mit
Mehrfachuntersuchungen) und unbefriedigend ausgegangenen, fehlindizierten
somatischen Behandlungsversuchen.
●
starken Beschwerdedruck, wobei ein
überraschend hoher Anteil der türkischsprachigen Kranken traumatisierend
Erfahrungen mit offener Gewalt oder massiv beeinträchtigenden Unfällen gemacht
hat. In Einzelfällen liegen vor diesem Hintergrund chronifizierte posttraumatische
Belastungsstörungen vor.
●
psychosomatischen Erkrankungen anzuerkennen. Wenn eine solche
Krankheitseinsicht erzielt wurde, besteht häufig die unrealistische Erwartung, dass
durch eine kurzfristige ärztliche Behandlung eine vollständige Heilung erfolgen
kann.
●
schwierigen sozialen Konstellationen in
ihrer Familie, der türkischen Gemeinde, der Arbeitswelt oder ihrem sonstigen Umfeld,
wobei es - z. T. durch die Migration in einen fremden Kulturkreis ausgelöst - häufig
zu Rollenkonflikten und/oder sozialem Rückzug kommt. Bewältigungsfähigkeiten
und psychische Funktionen, wie Selbstbestimmung und
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, sind vor allem bei türkischen Frauen oft
besonders defizitär ausgebildet.
●
weitere, z. T. schwerwiegende organische Gesundheitsstörungen und
Risikofaktoren vor. Trotz umfangreicher Vordiagnostik fehlt in der Regel ein
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Koc-Guenduez, Nazife (Leitende
Bohlen, Oliver (24.09.2013 1. Leitender
Goetzmann, Lutz (26.09.2013 Chefarzt
Psychologin Akut), Froeschlin, Reinhard Psychologe (KP)), Goetzmann, Lutz
Psychosomatische Medizin &
(Leitender Oberarzt Psychosomatik),
(26.09.2013 Chefarzt Psychosomatische Psychotherapie)
Paetzmann, Susanne (Leitung
Medizin & Psychotherapie), Martens,
Ergotherapie KP), Bohlen, Oliver (1.
Michael (27.09.2013 Leitung
Leitender Psychologe (KP))
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Jede/r Mitarbeiter/in ist für den Ausdruck selbst verantwortlich, dass die Kopie mit der aktuellen Version im Curator übereinstimm t.
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Gesamtbehandlungskonzept, und die Patienten sind schlecht informiert, so dass
die Behandlungsmöglichkeiten häufig bei weitem nicht ausgeschöpft werden.
Die Aufgaben und die Chancen eines rechtzeitig durchgeführten stationären
psychosomatischen Heilverfahrens liegen darin, eine umfassende Bewertung der
psychischen und der somatischen Gesundheitsstörungen vornehmen zu können
und zu einem Gesamtbehandlungsplan zu kommen, in dessen Rahmen die
Patienten nach entsprechender Aufklärung aktiv mitarbeiten können. Darüber hinaus
ist die Bahnung längerfristiger poststationärer Nachsorge erforderlich Die gehäufte
und inadäquate Inanspruchnahme medizinischer Gesundheitsleistungen kann auf
diesem Wege reduziert, in vielen Fällen der Entwicklung eines Rentenbegehrens als
scheinbar einzigem Ausweg vorgebeugt werden.
4. Behandlungsangebot für türkischsprachige Rehabilitanden
Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der SEGEBERGER
KLINIKEN GMBH ist mit den anderen Fachgebieten unseres Hauses verzahnt.
Von daher stehen unseren Patienten die diagnostischen und therapeutischen
Möglichkeiten der Inneren Medizin, der Kardiologie, der Angiologie, der
Herzchirurgie, der Allgemeinen Chirurgie, der Neurologie, der Urologie und der
Anästhesie bei Bedarf zur Verfügung. Das indikationsspezifische Rehakonzept für
türkische Patienten orientiert sich an dem im Einrichtungskonzept für alle Bereiche
niedergelegten bio-psycho-sozialen Behandlungsmodell und zielt auf eine
Verbesserung der Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben ab. Im
Vordergrund steht daher die Widerherstellung einer verbesserten
Funktionsfähigkeit im Sinne der ICF (Internationalen Klassifikation der
Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit), um Aktivitäten in allen
Lebensbereichen, insbesondere auch in der Arbeitswelt, wieder aufnehmen zu
können.
In der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sind bilinguale
Mitarbeiter in der psychotherapeutischen, medizinischen und pflegerischen
Versorgung tätig. Die Patienten erhalten im Einzelnen folgendes Angebot:
●
Einzelpsychotherapie und die
Gruppenpsychotherapie, die durch muttersprachliche Psychotherapeuten in
Türkisch angeboten werden können.
●
werden Entspannungsverfahren (Progressive Relaxation) sowie
Patienten-Seminare in türkischer Sprache durchgeführt. Letztere vermitteln u. a.
Informationen zur Entstehung und Art psychosomatischer Erkrankungen
(Psychoedukation), zu den Behandlungsmöglichkeiten, zu den Notwendigkeiten
einer langfristig geplanten Therapie (z. B. auch Psychopharmakotherapie) und zu
sozialmedizinischen Fragen.
●
Gruppenangebote für türkische Patienten beinhalten ferner
Körpererfahrung, Tanztherapie (orientalischer Tanz), Kreativtherapie, Ergotherapie
(türkische Handwerkgruppe) und gemeinsames Kochen incl. Ernährungsberatung.
●
bzw. gemischte Gruppen von türkischsprachigen
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Bohlen, Oliver (24.09.2013 1. Leitender
Goetzmann, Lutz (26.09.2013 Chefarzt
Psychologin Akut), Froeschlin, Reinhard Psychologe (KP)), Goetzmann, Lutz
Psychosomatische Medizin &
(Leitender Oberarzt Psychosomatik),
(26.09.2013 Chefarzt Psychosomatische Psychotherapie)
Paetzmann, Susanne (Leitung
Medizin & Psychotherapie), Martens,
Ergotherapie KP), Bohlen, Oliver (1.
Michael (27.09.2013 Leitung
Leitender Psychologe (KP))
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und deutschen Patienten werden in der Gestaltungstherapie, der
Bewegungstherapie, der physikalischen Therapie und der Krankengymnastik
angeboten.
Die medizinische und psychosomatische Diagnostik und Therapie (ggf.
inkl. einer differenzierten Psychopharmakotherapie) wird im Rahmen des ärztlichen
Aufnahmegespräches am Tag der Anreise des Patienten vorbereitet und im
psychotherapeutischen Erstgespräch am Tag nach der Anreise vom
Bezugstherapeuten zu einem Gesamtbehandlungsplan zusammengefügt.
5. Behandlungsziele
Vor dem Hintergrund der geschilderten Probleme psychosomatisch erkrankter
türkischsprachiger Patienten stehen in der Regel folgende Rehabilitationsziele im
Vordergrund:
● Linderung des z. T. enormen Beschwerdedrucks durch das mehrdimensionale
Vorgehen (ggf. inkl. einer differenzierten Psychopharmakotherapie).
Behandlung somatischer Begleiterkrankungen
und Risikofaktoren ggf. in Kooperation mit den übrigen Fachbereichen der Klinik
●
e Durchbrechung der sozialen Isolation vieler türkischsprachiger Patienten
durch die Gruppenangebote und die Kontakte mit Patienten deutscher und
türkischer Herkunft sowie die schrittweise, geleitete Auseinandersetzung mit
kulturtypischen, störungsbegünstigten Faktoren im sozialen Umfeld.
●
Erarbeitung eines bio-psycho-sozialen Krankheitsverständnisses, die
Erzielung von Einsicht in die Erfordernisse einer entsprechenden, meist längerfristig
angelegten Behandlung und die diesbezügliche Aufklärung der Patienten mit
dem Ziel einer Vermeidung künftiger fehlindizierter somatischer Diagnostik und
Therapie.
●
mit dem Ziel der
Wiederherstellung bzw. Erhaltung der beruflichen Leistungsfähigkeit. (Es
bestehen Kontakte zu türkischsprachigen Psychotherapeuten, Nervenärzten und
Selbsthilfegruppen in den meisten Regionen Deutschlands, insbesondere in den
Großstädten).
●
Klärung schwieriger sozialer und sozialmedizinischer Probleme, ggf. mit
Hilfe von Beratungen durch unsere Sozialarbeiter oder Rehabilitationsberater der
Rentenversicherungsträger.
● Erarbeitung einer fundierten sozialmedizinische Einschätzung und Prognose
unter Berücksichtigung der gegebenen Beeinträchtigungen auf den verschiedenen
Funktionsebenen.
6. Behandlungserfahrungen
In der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
der SEGEBERGER KLINIKEN GMBH können wir türkischstämmigen Patienten
ein stationäres Heilverfahren in gleicher Qualität anbieten, wie es auch deutsche
Patienten bei uns erhalten. Dabei hat sich die Kombination von muttersprachlichen
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Paetzmann, Susanne (Leitung
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Angeboten in Türkisch und gemischten Therapiemaßnahmen, die von deutschen und
türkischen Patienten gemeinsam genutzt werden, außerordentlich bewährt. Ebenso
fördert die gemeinsame Unterbringung auf den Stationen die Integration in die
therapeutische Gemeinschaft.
Auch wenn aufgrund der gerade bei türkischstämmigen Patienten häufig
anzutreffenden chronischen Verläufe die Wiederherstellung der beruflichen
Leistungsfähigkeit erschwert ist, kommt es in aller Regel zu einem deutlichen
Rückgang des z. T. enorm hohen Beschwerdedrucks, einer Klärung schwieriger
Situationen im beruflichen und persönlichen Umfeld und damit zu einer
Verbesserung der Prognose.
7. Literatur
Bohlen O (2006) Stationäre Behandlung einer türkischen Migrantin mit
Zwangsstörung unter Berücksichtigung ihres kulturellen Hintergrundes. In: Fricke S,
Rufer M, Hand S (Hrsg). Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen. 1. Aufl. München:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag: 199-214
Schmeling-Kludas C, Boll-Klatt A, Fröschlin R (2003) Psychosoziale Belastungen und
Krankheitserleben bei psychosomatisch erkrankten Migranten aus der Türkei. Praxis
Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 63: 315-321
Schmeling-Kludas C, Fröschlin R, Boll-Klatt A, (2003) Stationäre psychosomatische
Rehabilitation für türkische Migranten: Was ist realisierbar, was ist erreichbar?
Rehabilitation 42: 363-370
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