Informationsdienst Sicherheit, Rüstung und

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Informationsdienst Sicherheit, Rüstung und
Informationsdienst
Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern
deutscher Rüstungsexporte
Länderportrait Irak
Quelle: CIA World Factbook
Letzte Aktualisierung: Juni 2014
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INHALTSVERZEICHNIS
1
ZUSAMMENFASSUNG ......................................................................................... 3
2
GRUNDDATEN ZUM MILITÄRISCHEN SEKTOR .................................................... 8
3
2.1
Deutsche Rüstungsexporte ................................................................................. 8
2.2
Bedeutung deutscher Rüstungsexporte für das Empfängerland ..................... 9
2.3
Militärausgaben ................................................................................................. 11
2.4
Lokale Rüstungsindustrie ................................................................................... 12
2.5
Streitkräftestruktur .............................................................................................. 13
2.6
Bewaffnung der Streitkräfte ............................................................................... 14
2.7
Die Rolle des Militärs in der Gesellschaft ......................................................... 15
2.8
Polizei und andere Sicherheitskräfte ................................................................ 17
INFORMATIONEN NACH DEN KRITERIEN DES EU-VERHALTENSKODEX .......... 19
3.1
Einhaltung internationaler Verpflichtungen ..................................................... 19
3.2
Achtung der Menschenrechte im Empfängerland ......................................... 19
3.3
Innere Lage im Empfängerland ........................................................................ 22
3.4
Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region ...................... 23
3.5
Bedrohung von Alliierten................................................................................... 25
3.6
Verhalten in der internationalen Gemeinschaft ............................................. 26
3.7
Unerlaubte Wiederausfuhr ................................................................................ 29
3.8
Wirtschaftliche und technische Kapazität des Landes ................................... 29
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1 ZUSAMMENFASSUNG
Militärischer Sektor in Irak
Laut SIPRI steht Deutschland im Zeitraum von 2008-2012 mit einem Volumen von 46 Millionen
US-Dollar an fünfter Stelle der größten Rüstungsexporteure an den Irak. Allein im Jahr 2011
genehmigte die Bundesregierung daher Ausfuhrlizenzen im Gesamtwert von 244 Millionen
Euro, 2012 immerhin noch von 112 Millionen Euro. Von den insgesamt 24 bestellten Hubschraubern sind inzwischen alle ausgeliefert.
Im Irakkrieg 2003 zerstörten die USA fast das gesamte Arsenal konventioneller Waffen der
gegnerischen Streitkräfte. Infolgedessen stiegen sie seit 2005 zum mit Abstand wichtigsten
Rüstungsexporteur für den Irak auf. Neben den USA gehören auch Russland und die Ukraine
zu den drei wichtigsten Lieferanten. Im August 2008 einigten sich die USA und der Irak auf ein
zehn Milliarden US-Dollar teures Rüstungsgeschäft, das die Lieferung von Hubschraubern,
Panzern und Raketen umfasst.
Schon heute verkauft Russland zahlreiche Waffen an den Irak, wie beispielsweise 40 Maschinen des Mehrzwecktransporthubschrauber Mi-17. Im Oktober 2012 schlossen Russland und
der Irak neue Rüstungsverträge im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar, die nicht nur Russlands
Stellung als zweitwichtigster Rüstungslieferant festigen dürfte, sondern auch insgesamt eine
wirtschaftliche Annäherung an den Irak vorstellbar macht.
Bereits seit den 1930er Jahren strebte der Irak mit britischer Hilfe den Aufbau einer eigenen
Rüstungsindustrie an, die zunächst auf die Herstellung von Klein- und Leichtwaffen sowie die
dazugehörige Munition ausgerichtet war. Die irakische Führung forcierte ihre rüstungsindustriellen Anstrengungen seit 1984, als sie mit Hilfe von europäischen Beratern ein großes Investitionsprogramm auflegte, um insbesondere ausländische Rüstungstechnologie zu erwerben.
Nach dem Ende des ersten Golfkrieges 1988 investierte der Irak mehr als 20 Milliarden USDollar in den Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie, die jedoch zu jeder Zeit auf das Wissen
und die Technologie ausländischer Unternehmen angewiesen war.
Nach dem Sturz des Machthaber Saddam Hussein 2003 lag die Rüstungsindustrie am Boden.
Ein Großteil der Fabriken war im Dritten Golfkrieg (2003) zerstört worden und Maßnahmen zum
Aufbau eigener Produktionsstätten waren durch Sanktionen bis Sommer 2013 weiterhin begrenzt. Daher ist der Irak bis heute zur Ausstattung der eigenen Armee auf Waffenimporte
angewiesen und wird dies vermutlich noch lange bleiben. Allerdings ist das Land im Besitz
von Lizenzen zur Herstellung von Kleinwaffen, wie der AK-47, AK-74 und dem Scharfschützengewehr Dragunov SVD, die sie bereits vor mehreren Jahrzehnten erhalten haben.
Der Irak verfügte von 1979 bis 1991 über ein Chemiewaffenprogramm, obwohl er 1931 dem
Genfer Protokoll über das Verbot von chemischen Waffen von 1925 beitrat. Das Land entwickelte im Rahmen des sogenannten Project 922 chemische Waffen und setzte diese im Esten
Golfkrieg gegen den Iran ein.
Das irakische Militär umfasst 271 400 Soldaten, besteht aus drei Teilstreitkräften (Heer, Marine
und Luftwaffe) und untersteht dem irakischen Verteidigungsministerium. Der Irakkrieg 2003
stellte für das irakische Militär eine schwere Niederlage dar. Anschließend entließen die von
den USA angeführten Koalitionsstreitkräfte alle Soldaten und lösten die Armee auf - die tiefste
Zäsur in der Geschichte der irakischen Streitkräfte.
Bereits kurz darauf beschloss die US-Führung den Aufbau einer neuen irakischen Armee. Gemeinsam mit anderen Staaten unternehmen die USA große Anstrengungen sie so neu zu
strukturieren, dass sie die nationale Sicherheit gewährleisten kann. Doch trotz einiger signifikanter Fortschritte kämpfen die irakischen Streitkräfte weiterhin mit zahlreichen Schwierigkeiten. Es mangelt an Ausrüstung, Einsatzfähigkeit und Kommunikation. Die internen Konflikte
aufgrund von ethnischen oder religiösen Differenzen fordern vom Militär zudem einen hohen
Einsatz.
Dem Heer kommt bei der Landesverteidigung die wichtigste Aufgabe zu. Es verfügt auch mit
Abstand über die größte Anzahl an Soldaten aller Teilstreitkräfte. Es besitzt hauptsächlich AusBonn International Center for Conversion (BICC)
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rüstung aus sowjetisch-russischer und US-amerikanischer Produktion. Bis Ende 2013 will der Irak
von den USA Rüstungsgüter und Waffen im Wert von mehr als 13 Milliarden US-Dollar kaufen.
Das irakische Heer ist, wie auch die anderen Teilstreitkräfte, neben der Landesverteidigung
auch zur Aufstandsbekämpfung im Inneren trainiert und ausgerüstet. Dies entspricht auch der
US-amerikanischen Zielstellung dort.
Die irakische Marine gehört zu den kleinsten Teilstreitkräften der irakischen Armee. Sie sichert
mit Hilfe einer Reihe von Patrouillenbooten die Küstengewässer der kurzen Seegrenze von 68
Kilometern und die zwei Öl-Anlegestellen. Allerdings ist die Marine bis heute nicht selbstständig in der Lage zu operieren und ihre volle Einsatzbereitschaft wird sie wahrscheinlich frühestens 2015 erreichen.
Die irakische Luftwaffe ist ein Teil der irakischen Streitkräfte, wurde aber im letzten Irakkrieg
weitgehend zerstört bzw. nach dessen Ende durch die Koalitionsstreitkräfte aufgelöst. Der
Aufbau gestaltet sich grundsätzlich schwierig, weshalb er entsprechend langsam und
schleppend verläuft. Nach dem vollständigen Abzug aller Koalitionsstreitkräfte Ende 2011
besteht die Hauptaufgabe der Luftstreitkräfte darin, die Kontrolle und Sicherheit des irakischen Luftraumes zu erringen bzw. zu gewährleisten sowie grundsätzlich durch Aufklärung
allen Teilstreitkräften wichtige Informationen zur Verfügung zu stellen.
Die irakischen Streitkräfte blicken auf eine lange Geschichte zurück, die unter britischer Direktive nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren begann. Die eigentliche Hauptaufgabe
der Armee wandelte sich dabei von der Landesverteidigung hin zur Aufrechterhaltung der
inneren Ordnung, da sich der eigentliche Existenzgrund – der Schutz sowohl vor persischen als
auch türkischen Aggressionen – als obsolet herausstellte.
Alle Regierungen seit den 1920er Jahren betrachteten das Militär als politisches Instrument zur
Machterhaltung und als Pfeiler der eigenen Legitimität. Insgesamt lässt sich die Beziehung
zwischen dem Staat bzw. den irakischen Regierungen und den Streitkräften als eine der gegenseitigen Abhängigkeit beschreiben.
Seit dem Beginn der Herrschaft der Baath Partei 1968 und insbesondere der Machtübernahme von Saddam Hussein 1979 erlebte die Armee grundlegende Veränderungen. Zuvor war
das Militär nie ein monolithischer Block gewesen, sondern von unterschiedlichen Ansichten
und Ideologien, Generationen, Religionen und Ethnien geprägt, die in gewisser Weise die
irakische Gesellschaft widerspiegelten. Die Baath Partei war hingegen bestrebt die politische
Macht des Militärs durch repressive Maßnahmen, totalitäre Strukturen und nicht zuletzt ideologische Indoktrinierung einzuschränken.
Mit dem Sieg der “Koalition der Willigen“ im Frühjahr 2003 begann die Auflösung des alten
Regimes und der kurz darauf folgenden Einsetzung einer Übergangsverwaltung durch die
USA. Beides markiert das Ende der irakischen Streitkräfte in ihrer autonomen Existenz, einschließlich der Entlassung von 400.000 Soldaten. Die Folge war das Aufbrechen verkrusteter
Strukturen, die jedoch über die Jahre eine gewisse Stabilität innerhalb der Streitkräfte und des
Landes garantiert hatten. Trotz der gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber dem Militär,
begegnete die Bevölkerung dieser Entwicklung ablehnend und mit Protest.
Auch wenn die Koalitionstruppen bis zum Abzug der USA im Jahr 2011 einiges bei der Ausbildung und Professionalisierung erreichen konnten, sind die irakischen Streitkräfte alles in allem
nach wie vor nicht in der Lage, die innere Sicherheit eigenständig ohne US-Truppen zu gewährleisten. Gerade die fehlende Sicherheit, die ständigen Bombenanschläge, das gewaltsame Vorgehen des Militärs bei Hausdurchsuchungen und die bestehenden religiösen Differenzen innerhalb der Streitkräfte haben das Ansehen der Armee aber auch der Regierung
innerhalb der Gesellschaft geschwächt und in ihre Legitimität in Frage gestellt.
Neben dem irakischen Militär existieren noch weitere, etwa 400.000 Mann starke Sicherheitskräfte (manche Quellen sprechen sogar von bis zu 600.000), die überwiegend dem irakischen
Innenministerium unterstehen, teilweise aber auch direkt der Antiterrorabteilung des Ministerpräsidenten zugeordnet sind. Grundsätzlich ist das irakische Innenministerium mit weitreichenden Befugnissen zur Sicherheitsvorsorge ausgestattet, die interne Organisationsstruktur
lähmt jedoch den effektiven Einsatz der Polizeieinheiten.
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Die Sicherheitskräfte umfassen den Iraqi Police Service (IPS), also die normale Polizei, die Bundespolizei (National Police) und die Grenzpolizei (Border Enforcement Department) sowie
den Objektschutz (Facitlities Protection Service).
Aus Sicht der Bevölkerung hat die Polizei während der Gewaltphase zwischen 2006 und 2007
eine kontroverse Rolle gespielt. Viele vermuten nicht nur enge Verbindungen zwischen ihr
und den schiitischen Milizen, sondern beschuldigen sie auch, sich an religiös (konfessionell)
motivierten Verbrechen beteiligt zu haben. Seit 2007, nachdem die Gewalt im Land weiter
durch die irakische Regierung und die Koalitionsstreitkräfte eingedämmt werden konnte, begann durch eine Reform eine Kurskorrektur in der Ausbildung der Polizei, um die Sicherheitskräfte mit anderen Aufgaben als der Aufstandsbekämpfung vertraut zu machen. Schwerpunkt der Einsätze seit 2007 sind klassische Aufgaben der Strafverfolgung und der Schutz von
Zivilisten, weniger der direkte Einsatz in den Konfliktzonen im Land. Die Polizei gehört zu den
präsentesten Sicherheitsakteuren in der Gesellschaft, wodurch Vertrauen geschaffen werden
konnte. In Folge der Reform von 2007 wurde auch die Anzahl der sunnitischen Polizeibeamten sukzessive erhöht. Neben den Polizeieinheiten bestehen zahlreiche Geheimdienste, die
unterschiedliche Aufgaben innehaben. Überwiegend sind sie aber mit der Informationsbeschaffung und deren Auswertung betraut. Insgesamt gibt es im Irak weitreichende Koordinationsprobleme bei den Geheimdiensten. Ihre Kontrolle ist unzureichend ausgestaltet und ihr
Nebeneinander verwischt die Aufgaben, so dass es immer wieder zu Konflikten zwischen den
einzelnen Geheimdiensten kommt.
Außerhalb des Militärs und der Polizei operiert die Antiterroreinheit, die derzeit aus etwa 4.000
Mann besteht. Sie untersteht einem zivilen Kommando und ist direkt dem Büro des Ministerpräsidenten zugeordnet. Problematisch sind die fehlende parlamentarische Kontrolle sowie
der insgesamt unzureichende gesetzliche Rahmen für Operationen dieser Einheit. Sie operiert
unter vollkommender Geheimhaltung und koordiniert ihre Aktivitäten nicht mit anderen Sicherheitskräften, was das Misstrauen ihr gegenüber verstärkt. Der Antiterroreinheit werden
Folter, Vergewaltigung und Raub vorgeworfen. Auch die Nähe zu US-amerikanischen Spezialeinheiten hat zu einer starken Skepsis innerhalb der irakischen Bevölkerung geführt.
Kriterien des EU-Verhaltenskodex
Der Irak ist einer Reihe wichtiger internationaler Abrüstungsabkommen beigetreten. Den 1983
in Kraft getretene Vertrag zum Verbot bestimmter konventioneller Waffen sowie das jüngste
Übereinkommen über Streumunition hat der Irak zwar unterzeichnet, die Verträge aber bis
heute noch nicht ratifiziert.
Seit der US-amerikanischen Invasion 2003 hat sich die Menschenrechtslage in dem Land drastisch verschärft. Selbstmordanschläge, Verfolgung religiöser Minderheiten und illegale Verschleppungen durch staatliche Sicherheitskräfte sowie unrechtmäßige Inhaftierung prägten
das Bild. Bis heute sind die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte nicht ausreichend in
der Lage die innere Sicherheit zu gewährleisten, worunter das friedliche Zusammenleben der
verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in dem Land erheblich leidet.
Die Hauptstadt Bagdad gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Auch zehn Jahre
nach der US-Invasion gehören Bombenanschläge und Gewalt zum alltäglichen Bild. Aber
nicht nur staatliche Akteure sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, auch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen begehen sie, auch in Form von Terrorakten einschließlich
zahlreicher Selbstmordattentate.
Nach wie vor gibt es die Todesstrafe im Irak. 2011 gab es 68 vollstreckte Todesurteile, 2012
verdoppelte sich die Zahl fast auf 129. Nicht nur in diesen Fällen, sondern insgesamt ist es
problematisch, dass die irakische Justiz erzwungene Geständnisse in Gerichtsprozessen als
Beweismittel zulässt.
Die Besatzung durch die US-Armee hat einen internen, teilweise gewaltsamen Konflikt entlang ethnisch-religiöser Trennlinien zutage gebracht, bei dem es einerseits um den Zugang zu
Macht, andererseits um die Dominanz einer religiösen Gruppe (Schiiten oder Sunniten) geht.
Die Konflikte spielen sich vor allem zwischen drei große Gruppen ab: den sunnitischen und
schiitischen Arabern sowie den Kurden.
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Die Beziehungen zwischen der irakischen Zentral- und der kurdischen Regionalregierung sind
extrem angespannt. Immer wieder wirft die irakische Regierung den im Norden des Iraks ansässigen Kurden vor, sie wollten einen eigenen Nationalstaat gründen. Sowohl die irakische
Zentralregierung als auch die Kurden beanspruchen die Verwaltung der Region. Dass in der
kurdischen Region vor allem in den Provinzen Kirkuk und Mosul wichtige Ölreserven des Iraks
liegen, erschwert zusätzlich einen Interessenausgleich.
In der Vergangenheit lehnte eine Mehrzahl der irakischen Bevölkerung die Anwesenheit der
ausländischen Streitkräfte ab. Das oft gewaltsame Vorgehen der US-amerikanischen Truppen
und anderer Streitkräfte gegen die irakische Bevölkerung im Kampf gegen den Terrorismus
verursachte regelrechten Hass auf die Alliierten.
Immer noch fühlen sich sunnitische Araber durch die schiitische Regierung unter Ministerpräsident Al-Maliki marginalisiert und sehen die Gefahr einer zunehmenden Entfremdung von
Gesellschaft und Politik. In Folge kam es im Frühjahr 2013 zu massiven Protesten der sunnitischen Bevölkerung gegen die Regierung, die stellenweise gewaltsam eskalierten.
Die politische Lage in der Region ist derzeit vor allem durch den anhaltenden Bürgerkrieg in
Syrien geprägt, ist aber auch durch eine insgesamt schwierige politische Konstellation (Palästinakonflikt, Atomfrage Iran, etc.) angespannt.
Was als Studentenprotest im März 2011 in der Stadt Daraa begann, entwickelte sich zu einem
Bürgerkrieg in Syrien, dessen Auswirkungen weit über die Grenzen zu spüren sind. Inzwischen
sind dem Konflikt etwa 100.000 Menschen zum Opfer gefallen und Hunderttausende zu
Flüchtlingen geworden, die unter anderem in der Türkei, dem Irak und im Libanon Aufnahme
fanden.
Hunderttausende Flüchtlinge werden in Jordanien versorgt, dessen Wirtschaft durch den
Krieg schwer geschädigt wird. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien sind schätzungsweise 500.000 Syrier nach Jordanien geflohen. An der jordanisch-syrischen Grenze kommt es
immer wieder zu Zwischenfällen, bei denen auch jordanische Soldaten getötet wurden.
In der Türkei sind inzwischen im Rahmen der NATO deutsche Patriot- Luftabwehrsystemen
stationiert, damit im Falle einer Eskalation die Türkei geschützt werden kann. Als Rote Linie
hatten sowohl die Türkei und andere Staaten der Region als auch die NATO den Einsatz von
chemischen Kampfstoffen bezeichnet. Trotz des Einsatzes chemischer Waffen im Frühjahr
2013 kam es nicht zu einer militärischen Intervention.
Auch der Irak leidet unter dem Konflikt, beziehungsweise ist ein Teil von ihm. Die Regierung in
Bagdad unterstützt den syrischen Machthaber Assad und die irakischen Truppen liefern sich
Gefechte mit syrischen Aufständischen. Obwohl der Irak offiziell neutral ist, manifestiert sich,
abgesehen von derartigen Kampfhandlungen, auch auf einer rhetorisch-diplomatischen
Ebene zunehmend Premier Al-Malikis Sympathie zu Assad.
Von dem Bürgerkrieg in Syrien ist auch das Nachbarland Libanon betroffen. Syrien versucht
die dortige Regierung zu beeinflussen und seine enge Verknüpfung mit dem kleinen LevanteStaat auszuspielen. Die Parteien des Landes sind in verschiedene Lager aufgespalten: eine
pro-westliche Allianz auf der einen, eine pro-syrische Allianz unter Führung der islamistischen
Hisbollah auf der anderen Seite.
Auch der Iran längst ein Teil des Syrienkonfliktes. Das US-Außenministerium behauptet, dass
iranische Soldaten zusammen mit der Hisbollah an der Seite der syrischen Regierungsarmee
gegen die Rebellen kämpfen. Zudem versorgt Teheran die syrische Regierung mit Waffen.
Problematisch ist dabei unter anderem, dass bei den Waffenlieferungen iranische Flugzeuge
die irakische Lufthoheit verletzen. Dies könnte als Folge eine verstärkte Ausrüstung des Iraks
mit US-amerikanischen Kampfflugzeugen haben.
Im Allgemeinen besteht zwischen Syrien und dem Irak kein Grenzkonflikt, allerdings stellen die
tausenden Bürgerkriegsflüchtlingen aus Sicht der Regierung Al-Maliki eine ernsthafte Gefahr
für die innere Sicherheit des Landes dar.
Die irakisch-türkische Grenze ist ebenfalls ein Brennpunkt. Nach dem Sturz Saddam Husseins
haben die Kurden im Norden des Iraks ihre Autonomie erklärt, gleichzeitig ist der Kurdenkonflikt in der Türkei aber noch ungelöst. Jüngste Entwicklungen geben jedoch Anlass zum Optimismus. Die Türkei hat die Beziehungen zu den Kurden im Irak verbessert. Mit der PKK hat sie
im März 2013 einen Waffenstillstand beschlossen, was die Hoffnung nährt, der lange Konflikt
zwischen den türkischen Kurden und der Regierung in Ankara könnte gelöst werden.
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Zwischen den anderen Staaten der Region und dem Irak herrschen keine Grenzkonflikte.
Bis 2012 war der Irak, mit Ausnahme der Konvention zur Unterdrückung von Flugzeugentführungen und der Konvention zum Schutz bestimmter Personen, keinen weiteren wichtigen Antiterrorismus-Abkommen beigetreten. Erst im November 2012 hat das Land die Konvention zur
Unterdrückung der Finanzierung terroristischer Organisationen und im Mai 2013 die Konvention zur Unterdrückung von Handlungen des Nuklearterrorismus angenommen. Dennoch ist
der Irak bei drei wichtigen Abkommen zur Verhinderung des internationalen Terrorismus kein
Signatarstaat.
Seit dem offiziellen Abzug der US-Truppen Ende 2011 ist das Land eine wichtige Anlaufstelle
für internationale Terrorgruppen geworden. Inzwischen dient es als Rekrutierungs- und Ausbildungsbasis für neue Kämpfer und zum Ausbau verschiedener terroristischer Netzwerke.
Organisierte Kriminalität ist im Irak weit verbreitet und stellt ein wesentliches Hindernis für den
Staatsaufbau und die allgemeinen Entwicklung dar. Sie finanziert u. a. den Konflikt zwischen
den Konfessionen. Der illegale Verkauf von Öl ist dabei eine zentrale Einnahmequelle für kriminelle Gruppen. Die irakische Regierung und die USA haben den kriminellen Aktivitäten inzwischen den Kampf angesagt, nachdem sie erkannt hatten, welche negativen Auswirkungen sie auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes haben.
Im Hinblick auf seine gesamtwirtschaftliche Lage beweist der Irak seit 2006 eine ausgeprägte
Robustheit. Die Wirtschaft des Landes leidet zwar immer noch unter den Folgen von Krieg,
Embargo und einer weit verbreiteten Korruption, aber die maßgeblichen Wirtschaftsindikatoren entwickeln sich positiv. Das BIP pro Kopf ist seit 2008 von 4,472 bis 2012 auf 6,455 US-Dollar
gestiegen. Gleichzeitig ist die Inflation in den letzten Jahren rückläufig und liegt aktuell bei
etwa zwei Prozent, was zu mehr Konsum führt.
Die Anzahl der Erwerbstätigen hat sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 um rund eine Million
erhöht und liegt aktuell bei etwa neun Millionen. Dennoch ist die insgesamt niedrige Erwerbsquote ein drängendes Problem für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die
Ölförderung ist der Hauptzweig der irakischen Wirtschaft und mit etwa 90 Prozent der Staatseinnahmen in den letzten Jahren die wichtigste Einnahmequelle der Regierung.
Der Irak ist stark importabhängig. Im Bau- und Elektronikgewerbe sind überwiegend türkische
Unternehmen auf dem Markt präsent. Auch Hauselektronik, Textil und Bekleidung sowie Lebens- und Genussmittel kommen überwiegend aus der Türkei. Aber auch Jordanien, der Iran
und China spielen in diesem Wirtschaftsbereich eine immer wichtigere Rolle. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Iraks ist die fehlende eigene produzierende und weiterverarbeitende Industrie problematisch.
Hinderlich für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ist die anhaltende ungleiche Verteilung des Nationaleinkommens. Die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung verfügen
über 40 Prozent des gesamten Nationaleinkommens, während auf die ärmsten 20 Prozent nur
vier Prozent entfallen.
Die US-Invasion hat drastische Auswirkungen auf das Bildungssystem gehabt. Heute ist die
Alphabetisierungsrate im Irak schlechter als vor 25 Jahren. Vor dem Krieg gehörte das irakische Bildungssystem zu einem der besten in der gesamten Region, heute sind viele Schulen
und Universitäten, die während der US-Invasion zerstört wurden, noch nicht wieder aufgebaut. Unter den jahrelangen Sanktionen, dem Krieg und der Besatzung hat auch das Gesundheitssystem schwer gelitten, das noch in den 1970er und 1980er zu den regional fortschrittlichsten gehörte. Zerstörte Infrastruktur sowie die Abwanderung der Ärzte und des medizinischen Personals sind das wohl größte Hindernis für seine Entwicklung und Verbesserung.
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2 GRUNDDATEN ZUM MILITÄRISCHEN SEKTOR
2.1 Deutsche Rüstungsexporte
Tabelle 1:
Deutsche Rüstungsexporte nach Außenwirtschaftsgesetz, 1999-2013
Jahr
Güter / in Prozent des Gesamtwertes
Gesamtwert Rüstungsexporte, Millionen Euro
2003
Geländewagen für Mitarbeiter im Bereich humanitäre Hilfe und einer
Botschaft: 94,9 %
1,56
2004
LKW, Geländewagen und Teile für gepanzerte Fahrzeuge: 88,0 %
32,88
2005
Geländewagen, LKW, Sattelauflieger, Anhänger, Radplaniergeräte
und Teile für gepanzerte Fahrzeuge: 81,0 %
25,06
2006
Geländewagen und Teile für gepanzerte Fahrzeuge, Geländewagen: 71,6 %
Dekontaminationsausrüstung und Teile für Schutzbelüftungen: 14,5 %
10,77
2007
LKW, Schwenklader, Geländewagen mit Sonderschutz und Rückhaltesysteme für Geländewagen: 85,2 %
6,84
2008
LKW, Schwenklader, Sattelzugmaschinen und Teile für Landfahrzeuge: 90,3 %
7,16
2009
Elektronische Ausrüstung, Prüfausrüstung und Teile für Elektronische
Kampfführung: 74,4 %
25,59
2010
Pilotenhelme und Teile für Hubschrauber, Bordausrüstung: 85,4 %
54,29
2011
Kampfhubschrauber: 84,6 %
244,31
2012
Kampfhubschrauber: 83,2 %
112,65
2013
Infrarot- und Wärmebildausrüstung: 40,3%
Teile für Kanonenmunition: 34,8%
Teile für Kampfhubschrauber: 17,3%
21,35
Quelle: Rüstungsexportberichte der Bundesregierung 1999-2013, verfügbar auf der Website des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie http://www.bmwi.de
Schaubild 1: Deutsche Rüstungsexporte, 1999-2013
300
Millionen Euro
250
200
150
100
50
0
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Tabelle 2:
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Auszug aus dem Waffenhandelsregister von SIPRI, Lieferungen aus Deutschland nach Irak 1991-2012
Anzahl
Bezeichnung
Waffenkategorie
BestellJahr
LieferJahre
Bisher
geliefert
24
EC-135/EC635
Leichte
schrauber
2009
20112012
(24)
Hub-
Kommentar
Quelle: SIPRI Arms Transfers Database, http://armstrade.sipri.org/arms_trade/trade_register.php
Kommentar:
Laut SIPRI steht Deutschland im Zeitraum von 2008-2012 mit einem Volumen von 46 Millionen
US-Dollar an fünfter Stelle der größten Rüstungsexporteure an den Irak. Im Jahr 2009 beschloss
die Bundesregierung die Lieferung von leichten Kampfhubschraubern des Typs EC-635 vom
Hersteller Eurocopter. Allein im Jahr 2011 genehmigte die Bundesregierung daher Ausfuhrlizenzen im Gesamtwert von 244 Millionen Euro, 2012 immerhin noch von 112 Millionen Euro.
Von den insgesamt 24 bestellten Hubschraubern sind inzwischen alle ausgeliefert.
2.2 Bedeutung deutscher Rüstungsexporte für das Empfängerland
Tabelle 3:
Absolute Höhe der Rüstungsexporte nach Irak 2009-2013, Mio. USD
Jahr
2009
2010
2011
2012
2013
2009-2013
Summe
402
453
658
504
203
2220
Alle Angaben in konstanten Preisen mit 1990 als Basisjahr
Quelle: SIPRI Arms Transfers Database: http://armstrade.sipri.org/armstrade/page/values.php
Tabelle 4:
Deutsche Rüstungsexporte nach Irak 2009-2013, Mio. USD
Jahr
2009
2010
2011
2012
2013
2009-2013
Summe
-
-
36
18
-
54
Alle Angaben in konstanten Preisen mit 1990 als Basisjahr
Quelle: SIPRI Arms Transfer Database, http://armstrade.sipri.org/armstrade/html/export_values.php
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Schaubild 2: Wichtigste Lieferanten der Rüstungsgüter 2009-2013, Mio. USD
1800
1677
1600
1400
1200
1000
800
600
400
200
200
195
70
54
0
9
9
5
2
Quelle: SIPRI Arms Transfers Database,
Alle Angaben in konstanten Preisen mit 1990 als Basisjahr.
Kommentar zu den Waffenkäufen:
Im Irakkrieg 2003 zerstörten die USA fast das gesamte Arsenal konventioneller Waffen der
gegnerischen Streitkräfte. Infolgedessen stiegen sie seit 2005 zum mit Abstand wichtigsten
Rüstungsexporteur für den Irak auf und liefern für Milliarden US-Dollar Waffen an das Land.
Neben den USA gehören auch Russland und die Ukraine zu den drei wichtigsten Lieferanten.
Im August 2008 einigten sich die USA und der Irak auf ein zehn Milliarden US-Dollar teures Rüstungsgeschäft, das die Lieferung von Hubschraubern, Panzern und Raketen umfasst. Bis heute exportierten die USA insgesamt über 1 200 gepanzerte Mannschaftstransporter in verschiedener Ausstattung und 8 564 geländegängige Mehrzweckfahrzeuge (HMMWV), von
denen 8 500 bereits ausgemustert waren, in den Irak. Zu den US-amerikanischen Rüstungsexporten gehören auch Transportflugzeuge und (leichte) -hubschrauber sowie F-16 Kampfflugzeuge. Der Unmut der irakischen Führung über die oft langsame Auslieferung der Waffen
durch die US-amerikanische Regierung könnte möglicherweise Bagdad in Zukunft antreiben,
sich stärker in Russland, Tschechien und eventuell sogar China umzuschauen, um den Bedarf
an Rüstungsgütern zu decken.
Schon heute verkauft Russland zahlreiche Waffen an den Irak, wie beispielsweise 40 Maschinen des Mehrzwecktransporthubschrauber Mi-17. Im Oktober 2012 schlossen Russland und
der Irak neue Rüstungsverträge im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar, die nicht nur Russlands
Stellung als zweitwichtigster Rüstungslieferant festigen dürfte, sondern auch insgesamt eine
wirtschaftliche Annäherung an den Irak vorstellbar macht. Das Geschäft umfasst neben der
Lieferung von Mi-17z Hubschraubern auch Boden-Luft-Abwehrsysteme und eventuell Kampfflugzeuge.
Aus der Ukraine kaufte der Irak Transportflugzeuge sowie zahlreiche gepanzerte Mannschaftstransporter und Schützenpanzer. Mit der italienischen Firma Fincantieri einigte sich die
irakische Marine 2006 auf den Kauf von vier Saetti MK4 Class Patrouillenbooten, die 2009 in
Dienst gestellt wurden.
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2.3 Militärausgaben
Tabelle 5:
Absolute Militärausgaben und Anteil am BIP
2009
2010
2011
2012
2013
Militärausgaben
3231
3789
5905
5688
7251
Anteil am BIP (in Prozent)
2,7
2,6
3,3
2,8
3,6
Anteil an Staatsausgaben* (in Prozent)
-
-
-
-
-
Militärausgaben in konstanten Mio. US$ (2011).
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database, World Development Indicators
*Daten über den Anteil der Militärausgaben an den Staatsausgaben sind kritisch zu betrachten. Lückenhafte und
unzureichende Daten lassen eine genaue Abbildung nur bedingt zu.
Schaubild 3:
Absolute Militärausgaben, Trend 2004 – 2013 in Mio. USD
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Angaben in konstanten Preisen USD mit dem Basisjahr 2011
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database
Schaubild 4:
Anteil der Militärausgaben am BIP, Trend 2004 – 2013 (in Prozent)
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database
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2.4 Lokale Rüstungsindustrie
Bereits seit den 1930er Jahren strebte der Irak mit britischer Hilfe den Aufbau einer eigenen
Rüstungsindustrie an, die zunächst auf die Herstellung von Klein- und Leichtwaffen sowie die
dazugehörige Munition ausgerichtet war. Nach dem Putsch von 1958, in dem eine Gruppe
Offiziere unter der Führung des Generals Abd al-Karim Qasim die haschemitische Monarchie
stürzte, produzierte die Rüstungsindustrie fortan vor allem sowjetische Modelle und stagnierte
bis zur Machtübernahme durch die Baath Partei 1968 in ihrer Entwicklung. In den 1970er Jahren ging es bis zum Iran-Irakkrieg (1980 bis 1988) langsam aufwärts. Die irakische Führung forcierte ihre rüstungsindustriellen Anstrengungen seit 1984, als sie mit Hilfe von europäischen
Beratern ein großes Investitionsprogramm auflegte, um insbesondere ausländische Rüstungstechnologie zu erwerben. Nach dem Ende des ersten Golfkrieges 1988 investierte der Irak
mehr als 20 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie, die jedoch zu
jeder Zeit auf das Wissen und die Technologie ausländischer Unternehmen angewiesen war.
Zwar war die Sowjetunion zu jenem Zeitpunkt der wichtigste Rüstungslieferant, aber auch
Frankreich spielte beim Transfer von Rüstungstechnologie eine bedeutsame Rolle.
Bis 1991, dem Ende des Zweiten Golfkrieges, lag die Verantwortung für die Rüstungsindustrie
bei der Military Industrialization Commission (MIC) bzw. dem 1988 gegründeten Ministry of
Industry and Military Industrialization (MIMI). Das MIMI kontrollierte etwa 35 Unternehmen, die
direkt in die Entwicklung und Produktion von Waffen eingebunden waren, einschließlich des
Programms zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen. Das MIMI wurde nach dem Sieg
der Alliierten Streitkräfte 1991 unter Führung der USA aufgelöst und in die alten Strukturen der
MIC überführt. In den 1990er Jahren versuchte die MIC, die zerstörte rüstungsindustrielle Basis
im Irak wieder aufzubauen, was aber vor dem Hintergrund der von den Vereinten Nationen
verhängten Sanktionen, fehlender Finanzmittel und mangelnder Ressourcen scheiterte. Mit
dem Ende der Sonderkommission der Vereinten Nationen (UNSCOM), die mit der Überwachung der Zerstörung aller chemischen und biologischen Waffen sowie konventionellen Raketen mit einer Reichweite über 150 km beauftragt war, im Irak 1998 nahm die MIC wieder
ihre volle Arbeit auf und betrieb die Entwicklung eigener Waffen, vor allem heimische Raketenprojekte. Durch die verstärkte Privatisierung gegen Ende der 1990er Jahre nahm die Bedeutung der MIC für die Koordinierung der rüstungsindustriellen Basis ab, spielte aber weiterhin in verschiedenen militärischen Programmen eine wichtige Rolle.
Nach dem Sturz des Machthaber Saddam Hussein 2003 lag die Rüstungsindustrie am Boden.
Ein Großteil der Fabriken war im Dritten Golfkrieg (2003) zerstört worden und Maßnahmen zum
Aufbau eigener Produktionsstätten waren durch Sanktionen bis Sommer 2013 weiterhin begrenzt. Daher ist der Irak bis heute zur Ausstattung der eigenen Armee auf Waffenimporte
angewiesen und wird dies vermutlich noch lange bleiben. Allerdings ist das Land im Besitz
von Lizenzen zur Herstellung von Kleinwaffen, wie der AK-47, AK-74 und dem Scharfschützengewehr Dragunov SVD, die sie bereits vor mehreren Jahrzehnten erhalten haben.
Der Irak verfügte von 1979 bis 1991 über ein Chemiewaffenprogramm, obwohl er 1931 dem
Genfer Protokoll über das Verbot von chemischen Waffen von 1925 beitrat. Das Land entwickelte im Rahmen des sogenannten Project 922 chemische Waffen und setzte diese im Esten
Golfkrieg gegen den Iran ein. Die Soldaten und das zivile Personal für das Chemiewaffenprogramm wurden mehrheitlich von Russland aber auch von den USA ausgebildet. Die technischen Geräte erhielt der Irak von über 50 internationalen Firmen, die überwiegend aus westlichen Industrieländern stammten. Im Laufe des Projektes steigerte der Irak die Produktion von
Chemiewaffenherstellung auf bis zu acht bis elf Tonnen Giftgas pro Tag. Nachdem der Irak
mit Ende des Zweiten Golfkrieges (1991) die Produktion von chemischen Waffen stoppte und
sich durch eine UN-Resolution 1991 verpflichtete, das Genfer Protokoll umzusetzen, wurden
seine chemischen Waffen 1994 schließlich unter Aufsicht der UN zerstört.
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2.5 Streitkräftestruktur
Wehrpflicht: Nein
Gesamtstärke der Streitkräfte:
271 400 aktiv, davon:
 Heer: 193 400
 Marine: 3 600
 Luftwaffe: 5 050
 Innere Kräfte: 531 000
Zusätzlich:
 Paramilitärische Polizeieinheiten: 531 000
o Irakische Polizei: 302 000
o Irakische Bundespolizei: 44 000
o Ausstattungsschutz: 95 000
o Grenzkontrolle: 60 000
o Ölpolizei: 30 000
Quelle:
IISS Military Balance 2014
Tabelle 6:
Stärke der Streitkräfte, Trend 2004-2012
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Aktive in 1.000
(IISS)
-
179,8
227,0
494,8
577,1
578,3
245,8
271,4
271,4
Soldaten auf 1.000 Einwohner
(BICC-Berechnungen)
-
6,6
8,1
17,1
19,4
18,8
7,8
8,6
8,6
Quellen:
IISS Military Balance, 2004-2013, World Bank
Kommentar:
Das irakische Militär umfasst 271 400 Soldaten, besteht aus drei Teilstreitkräften (Heer, Marine
und Luftwaffe) und untersteht dem irakischen Verteidigungsministerium. Als Teil der irakischen
Sicherheitskräfte existieren weitere 531 000 Mann, die zu der Iraqi Police Service (paramilitärische Polizeieinheiten), der Bundespolizei und der Grenzkontrolle gehören, die alle dem irakischen Innenministerium unterstehen.
Der Irakkrieg 2003 stellte für das irakische Militär eine schwere Niederlage dar. Anschließend
entließen die von den USA angeführten Koalitionsstreitkräfte alle Soldaten und lösten die Armee auf - die tiefste Zäsur in der Geschichte der irakischen Streitkräfte.
Bereits kurz darauf beschloss die US-Führung den Aufbau einer neuen irakischen Armee. Gemeinsam mit anderen Staaten unternehmen die USA große Anstrengungen sie so neu zu
strukturieren, dass sie die nationale Sicherheit gewährleisten kann. Doch trotz einiger signifikanter Fortschritte kämpfen die irakischen Streitkräfte weiterhin mit zahlreichen Schwierigkeiten. Es mangelt an Ausrüstung, Einsatzfähigkeit und Kommunikation. Die internen Konflikte
aufgrund von ethnischen oder religiösen Differenzen fordern vom Militär zudem einen hohen
Einsatz.
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2.6 Bewaffnung der Streitkräfte
Heer:
Waffenkategorien
Anzahl
Schwere Panzer
Mehr als 336
Leichte Panzer
-
Schützenpanzer
Mehr als 188
Aufklärer
73
Gepanzerte Mannschaftstransporter
Mehr als 3688
Artillerie
Mehr als 1386
Panzerabwehr
-
Luftabwehr
-
Kampfhubschrauber
10
Mehrzweckhubschrauber
Mehr als 30
Transporthubschrauber
37
Radar
-
Kommentar
Kommentar:
Dem Heer kommt bei der Landesverteidigung die wichtigste Aufgabe zu. Es verfügt auch mit
Abstand über die größte Anzahl an Soldaten aller Teilstreitkräfte. Es besitzt hauptsächlich Ausrüstung aus sowjetisch-russischer und US-amerikanischer Produktion, deren Kern noch immer
US-amerikanische M1A1 Abrams sowie die sowjetischen T-72, T-76 und T-55 Kampfpanzer bilden. Die US-amerikanische Rüstungsexporte in den Irak sind in den letzten Jahren stark angestiegen, was sich neben 140 M1A1 Abrams-Panzern bis 2011 beispielsweise auch in der Auslieferung von 10 OH-58C Kiowa-Kampfhubschraubern zeigt. Bis Ende 2013 will der Irak von den
USA Rüstungsgüter und Waffen im Wert von mehr als 13 Milliarden US-Dollar kaufen. Dabei
geht es unter anderem um Panzer, leichte Panzerfahrzeuge, Raketen, Hubschrauber, Kampfund Transportflugzeuge, Munitionen und Kriegsschiffe.
Das irakische Heer ist, wie auch die anderen Teilstreitkräfte, neben der Landesverteidigung
auch zur Aufstandsbekämpfung im Inneren trainiert und ausgerüstet. Dies entspricht auch der
US-amerikanischen Zielstellung dort. Eine ehemalige Stärke der irakischen Streitkräfte, die logistische Unterstützung der eigenen Streitkräfte im Einsatz, wurde beim Wiederaufbau vernachlässigt.
Marine:
Waffenkategorien
Anzahl
U-Boote
-
Fregatten
-
Patrouillenboote
Mehr als 32
Amphibienfahrzeuge
-
Logistik und Unterstützung (Schiffe)
-
Kommentar
Inkl. 12 US-amerikanischer
Swiftships
Kommentar:
Die irakische Marine gehört zu den kleinsten Teilstreitkräften der irakischen Armee. Sie sichert
mit Hilfe einer Reihe von Patrouillenbooten die Küstengewässer der kurzen Seegrenze von 68
Kilometern und die zwei Öl-Anlegestellen. Nach der US-amerikanischen Invasion befanden
sich die meisten Schiffe der Marine in einem desolaten Zustand, jüngste Beschaffungen aber
haben sie in die Lage versetzt, diese Objekte besser zu schützen. Die irakische Marine einigte
sich 2006 mit der italienischen Firma Fincantieri auf den Kauf von vier Saetti MK4 Class Pat-
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rouillenboote, die 2009 in Dienst gestellt wurden. Im Rahmen dieser Kooperation bildete die
italienische Marine auch einen Teil der irakischen Besatzungsmitglieder aus.
Erweitert werden die Kapazitäten der irakischen Marine auch durch die Lieferung von USamerikanischen Patrouillenbooten des Typs „Swiftships“. Auch hier übernimmt die US-Armee
die Ausbildung der irakischen Marine. Deren Führung plant ebenfalls die Aufstellung von Marinefliegern zur Überwachung des Luftraumes, für Rettungseinsätze und zum Entern von Schiffen.
Allerdings ist die Marine bis heute nicht selbstständig in der Lage zu operieren und ihre volle
Einsatzbereitschaft wird sie wahrscheinlich frühestens 2015 erreichen.
Luftwaffe:
Waffenkategorien
Anzahl
Jagdbomber
-
Abfangjäger
-
Aufklärungsflugzeuge
10
Transportflugzeuge
32
Ausbildungsflugzeuge
Mehr als 33
Raketen
Einige
Kommentar
Quelle: IISS Military Balance 2014
Kommentar:
Die irakische Luftwaffe ist ein Teil der irakischen Streitkräfte, wurde aber im letzten Irakkrieg
weitgehend zerstört bzw. nach dessen Ende durch die Koalitionsstreitkräfte aufgelöst. Der
Aufbau gestaltet sich grundsätzlich schwierig, weshalb er entsprechend langsam und
schleppend verläuft. Nach dem vollständigen Abzug aller Koalitionsstreitkräfte Ende 2011
besteht die Hauptaufgabe der Luftstreitkräfte darin, die Kontrolle und Sicherheit des irakischen Luftraumes zu erringen bzw. zu gewährleisten sowie grundsätzlich durch Aufklärung
allen Teilstreitkräften wichtige Informationen zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck beschloss die irakische Führung in den letzten Jahren sowohl mit den USA als auch mit Russland
neue große Rüstungsdeals, um das Verteidigungspotenzial des Landes auszubauen und zu
stärken. Der irakische Premierminister Nuri Al-Maliki unterschrieb im Oktober 2012 mit Russland
ein 4,2 Milliarden US-Dollar schweres Waffengeschäft, das die Lieferung von bis zu 30 Mi-28
Kampfhubschrauber und etwa 42 Boden-Luft-Raketen umfasst. Nach Medienangaben werden zukünftige Rüstungsabkommen ebenfalls die Lieferung weiterer Kampfflugzeuge und hubschrauber beinhalten. Entsprechend den Aussagen des irakischen Oberkommandierenden sind mindestens 96 Kampfflugzeuge notwendig, um die Verletzungen des Luftraumes
durch andere Staaten dauerhaft zu unterbinden. Ein Schritt zur Stärkung der Luftwaffe dürfte
der mit den USA vereinbarte Deal zur Lieferung von 36 F-16 Jagdflugzeugen sein, die zwischen 2014 und 2016 geliefert werden sollen.
Neben zahlreichen neuen Transportflugzeugen, die zur Unterstützung bei Einsätzen oder zur
Evakuierung verletzter Soldaten genutzt werden können, schaffte die irakische Führung einige Ausbildungsflugzeuge aus verschiedenen Staaten an, um die Ausbildung der Piloten zu
forcieren. Dazu gehört auch die Ausbildung des entsprechenden Bodenpersonals.
2.7 Die Rolle des Militärs in der Gesellschaft
Die irakischen Streitkräfte blicken auf eine lange Geschichte zurück, die unter britischer Direktive nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren begann. Die eigentliche Hauptaufgabe
der Armee wandelte sich dabei von der Landesverteidigung hin zur Aufrechterhaltung der
inneren Ordnung, da sich der eigentliche Existenzgrund – der Schutz sowohl vor persischen als
auch türkischen Aggressionen – als obsolet herausstellte.
Mit dem Ende der britischen Mandatsherrschaft 1932 ersetzte die nunmehr unabhängige
arabisch-irakische Armee weitestgehend (gewaltsam) die speziellen, noch unter der britiBonn International Center for Conversion (BICC)
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schen Vorherrschaft gebildeten und überwiegend aus assyrischen Minderheiten konstituierten Einheiten. In weiten Teilen der Bevölkerung rief dies ein positives Echo hervor. Gleichzeitig
führte die erfolgreiche Niederwerfung assyrischer Autonomiebestrebungen zu einem erheblichen Popularitätszuwachs des ehemaligen Armeechefs General Bakr Sidqi innerhalb der irakischen Bevölkerung.
Im Jahr 1933 wurde die allgemeine Wehrpflicht von der irakischen Regierung eingeführt. Im
Zweiten Weltkrieg verdoppelten sich die Streitkräfte von ursprünglich ca. 20.000 Soldaten auf
über 40.000 Mann. 1941 kam es zu einem Putsch des nationalistischen Flügels unter der Ägide
des ehemaligen Ministerpräsidenten Raschid Ali al-Gailani, der dann, gestützt durch das Militär, die Macht eroberte. Spätestens seitdem spielen die Offiziere eine einflussreiche Rolle in
der Politik.
Die Beteiligung der irakischen Armee am Palästinakrieg 1948 führte abermals zu einem massiven Ausbau der Streitkräfte. Im Jahr 1956 umfasste die Arme etwa 60.000 Soldaten, womit
sogar die Stärke aus dem Zweiten Weltkrieg übertroffen wurde. Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der endgültigen Machtübernahme durch die Baath Partei 1968 kam es
zu mehreren Machtergreifungen durch das Militär.
Alle Regierungen seit den 1920er Jahren betrachteten das Militär als politisches Instrument zur
Machterhaltung und als Pfeiler der eigenen Legitimität. Gleichzeitig war das Militär jedoch
ein eigenständig handelender Akteur, der immer wieder mit den Regierungen in Konflikt über
die Rolle des Staates und der Rolle der Streitkräfte in der Region geriet. Die Streitkräfte wollten
die „Identität der Nation“ nach ihrem Vorbild formen und griffen deshalb immer wieder in die
politischen Prozesse ein. Insgesamt lässt sich die Beziehung zwischen dem Staat bzw. den
irakischen Regierungen und den Streitkräften als eine der gegenseitigen Abhängigkeit beschreiben.
Seit dem Beginn der Herrschaft der Baath Partei 1968 und insbesondere der Machtübernahme von Saddam Hussein 1979 erlebte die Armee grundlegende Veränderungen. Zuvor war
das Militär nie ein monolithischer Block gewesen, sondern von unterschiedlichen Ansichten
und Ideologien, Generationen, Religionen und Ethnien geprägt, die in gewisser Weise die
irakische Gesellschaft widerspiegelten. Die Baath Partei war hingegen bestrebt die politische
Macht des Militärs durch repressive Maßnahmen, totalitäre Strukturen und nicht zuletzt ideologische Indoktrinierung einzuschränken. Kriterien für Beförderungen, gesellschaftliche Privilegien und finanzielle Zuwendungen an Militärs stellten Loyalität zum Führungsregime aber
auch Abstammung, Familienzugehörigkeit und Parteimitgliedschaft dar. Offiziere waren oft
enge Vertraute von Saddam Hussein oder kamen aus seiner Heimatregion Tikrit. Bis 1988 hatte die Baath Partei die Offiziere der „alten Schule“ erfolgreich „mundtot“ gemacht und
durch eine neue loyale Führungsriege ersetzt. So zögerte Militär nicht, die Bevölkerung zu unterdrücken, um die Stabilität des Regimes Saddam Husseins zu garantieren. Dies führte in einigen Bevölkerungsteilen zu einer starken Ablehnung des Militärs.
Mit dem Sieg der “Koalition der Willigen“ im Frühjahr 2003 begann die Auflösung des alten
Regimes und der kurz darauf folgenden Einsetzung einer Übergangsverwaltung durch die
USA. Beides markiert das Ende der irakischen Streitkräfte in ihrer autonomen Existenz, einschließlich der Entlassung von 400.000 Soldaten. Die Folge war das Aufbrechen verkrusteter
Strukturen, die jedoch über die Jahre eine gewisse Stabilität innerhalb der Streitkräfte und des
Landes garantiert hatten. Trotz der gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber dem Militär,
begegnete die Bevölkerung dieser Entwicklung ablehnend und mit Protest.
Mit dem Ziel, eine Armee aufzubauen, deren zukünftige Aufgabe weiterhin die innere Sicherheit war (was traditionell zur Aufgabe der irakischen Armee gehörte), begannen die USA,
Großbritannien, Australien und Jordanien ein umfassendes, von der NATO unterstütztes, militärisches Ausbildungsprogramm, wobei auch die Landesverteidigung Bestandteil des Programms war. Die Regierungen betonten die schnellen und guten Fortschritte, allerdings ist die
Armee immer noch wegen ethnischer und religiöser Differenzen tief gespalten. Auch wenn
die Koalitionstruppen bis zum Abzug der USA im Jahr 2011 einiges bei der Ausbildung und
Professionalisierung erreichen konnten, sind die irakischen Streitkräfte alles in allem nach wie
vor nicht in der Lage, die innere Sicherheit eigenständig ohne US-Truppen zu gewährleisten.
Gerade die fehlende Sicherheit, die ständigen Bombenanschläge, das gewaltsame Vorgehen des Militärs bei Hausdurchsuchungen und die bestehenden religiösen Differenzen innerhalb der Streitkräfte haben das Ansehen der Armee aber auch der Regierung innerhalb der
Gesellschaft geschwächt und in ihre Legitimität in Frage gestellt. Der seit 2006 amtierende
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Ministerpräsident Al-Maliki stützt sich auf das Militär und seine Spezialeinheiten, die von der
Bevölkerung als „brutale Miliz“ bezeichnet werden. Sie agieren wie einst bei Saddam Hussein
in Geheimoperationen und gehören zu den am besten ausgebildeten Militärs im gesamten
Nahen und Mittleren Osten.
Anfang 2012 waren insgesamt etwa 933.000 Menschen in staatlichen Sicherheitskräften beschäftigt, das entspricht etwa acht Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und
12 Prozent der männlichen Bevölkerung. Ein Großteil davon übernimmt im Bereich der inneren Sicherheit.
2.8 Polizei und andere Sicherheitskräfte
Tabelle 7:
Ausgaben für Öffentliche Ordnung und Sicherheit
Ausgaben öffentliche Ordnung/Sicherheit
2006
2007
2008
2009
2010
-
-
-
-
-
Quelle: IMF Government Finance Statistics Yearbook 2008
Angaben in Milliarden US-Dollar, Die Ausgaben für Sicherheit und öffentliche Ordnung wurden von nationalen Währungen in US-Dollar in jeweils aktuelle Preise umgerechnet.
Neben dem irakischen Militär existieren noch weitere, etwa 400.000 Mann starke Sicherheitskräfte (manche Quellen sprechen sogar von bis zu 600.000), die überwiegend dem irakischen
Innenministerium unterstehen, teilweise aber auch direkt der Antiterrorabteilung des Ministerpräsidenten zugeordnet sind. Grundsätzlich ist das irakische Innenministerium mit weitreichenden Befugnissen zur Sicherheitsvorsorge ausgestattet, die interne Organisationsstruktur
lähmt jedoch den effektiven Einsatz der Polizeieinheiten.
Die Sicherheitskräfte umfassen den Iraqi Police Service (IPS), also die normale Polizei, die Bundespolizei (National Police) und die Grenzpolizei (Border Enforcement Department) sowie
den Objektschutz (Facitlities Protection Service).
Die derzeitigen Organisationstrukturen wurden nach der militärischen Invasion 2003 und der
Auflösung der Polizei neu geschaffen. Hierfür wurde auch neues Personal rekrutiert. Speziell
die USA haben den Aufbau und die Ausbildung der Polizei forciert, um die Stabilität im Land
möglichst schnell herzustellen. Um die operative Lücke zwischen Polizei und Armee zu schließen, bildete die irakische Regierung 2004 die Bundespolizei als paramilitärische Einheit. Die
Hauptaufgabe dieser Spezialeinheit besteht darin, schnell auf gefährliche Vorfälle oder bewaffnete Aufstände zu reagieren. Sie soll immer dann eingreifen, wenn die irakische Polizei
nicht mehr in der Lage ist, die Situation unter Kontrolle zu bringen oder für bestimmte Operationen nicht ausgebildet ist.
Aus Sicht der Bevölkerung hat die Polizei während der Gewaltphase zwischen 2006 und 2007
eine kontroverse Rolle gespielt. Viele vermuten nicht nur enge Verbindungen zwischen ihr
und den schiitischen Milizen, sondern beschuldigen sie auch, sich an religiös (konfessionell)
motivierten Verbrechen beteiligt zu haben. Seit 2007, nachdem die Gewalt im Land weiter
durch die irakische Regierung und die Koalitionsstreitkräfte eingedämmt werden konnte, begann durch eine Reform eine Kurskorrektur in der Ausbildung der Polizei, um die Sicherheitskräfte mit anderen Aufgaben als der Aufstandsbekämpfung vertraut zu machen. Schwerpunkt der Einsätze seit 2007 sind klassische Aufgaben der Strafverfolgung und der Schutz von
Zivilisten, weniger der direkte Einsatz in den Konfliktzonen im Land. Die Polizei gehört zu den
präsentesten Sicherheitsakteuren in der Gesellschaft, wodurch Vertrauen geschaffen werden
konnte. In Folge der Reform von 2007 wurde auch die Anzahl der sunnitischen Polizeibeamten sukzessive erhöht. Dennoch hat die Polizei insgesamt mit massiven Schwierigkeiten auf
den unteren Ebenen zu kämpfen, da durch schlechte Bezahlung, mangelhaftes Training und
fehlende Loyalität sich die internen Sicherheitsprobleme immer weiter vergrößern.
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Seit dem Rückzug der USA und der teilweisen Verlagerung der Aufgaben der irakischen Armee, soll die Bundespolizei verstärkt interne Sicherheitseinsätze durchführen, die vormals
überwiegend der US-Armee oblagen. Bemerkenswerterweise wird die Bundespolizei als Sondereinheit in gewissen Situationen sowohl durch die Polizei für die innere als auch durch das
Militär für die äußere Sicherheit zur Unterstützung herangezogen. Einsätze umfassen bis heute
noch Aufstandsbekämpfung und Antiterrormissionen.
Als kleinere, unterstützende Einheit besteht die Grenzpolizei, die unter anderem für die Grenzkontrollen und Gefängnissicherheit zuständig ist. In ihren Aufgabenbereich fällt aber auch
der Objektschutz für Gebäude, die im Besitz der irakischen Regierung sind.
Neben den Polizeieinheiten bestehen zahlreiche Geheimdienste, die unterschiedliche Aufgaben innehaben. Überwiegend sind sie aber mit der Informationsbeschaffung und deren
Auswertung betraut. Ein Geheimdienst innerhalb des Innenministeriums (National Information
and Investigation Agency) ist mit dem US-amerikanischen FBI vergleichbar und beschränkt
sich hauptsächlich auf die Innenaufklärung. Dem Verteidigungsministerium ist das Directorate
General for Intelligence and Security zugeordnet, das sowohl Informationsbeschaffung im
Inland als auch Auslandsaufklärung betreibt und teilweise in irakischen Botschaften eingesetzt wird. Der National Intelligence Service ist wiederum der US-amerikanischen CIA ähnlich
und hauptsächlich auf die Aufklärung interner und externer Bedrohungen spezialisiert. Da
auch das Ministry of State for National Security Affairs mit der Informationsbeschaffung über
interne und externe Bedrohungen beauftragt ist, befindet es sich mit letzterem in einem Konflikt. Auch das Büro des Ministerpräsidenten verfügt über einen eigenen Geheimdienst (The
Office of Information and Security). Sein Aufgabenfeld ist nicht bekannt und er berichtet ausschließlich an den Ministerpräsidenten.
Das Militär verfügt ebenfalls über einen eigenen Geheimdienst, dem M2 (ehemals Military
Intelligence Directorate), der dem Verteidigungsministerium zugeordnet ist und für alle Teilstreitkräfte Aufklärung betreibt.
Insgesamt gibt es im Irak weitreichende Koordinationsprobleme bei den Geheimdiensten.
Ihre Kontrolle ist unzureichend ausgestaltet und ihr Nebeneinander verwischt die Aufgaben,
so dass es immer wieder zu Konflikten zwischen den einzelnen Geheimdiensten kommt.
Außerhalb des Militärs und der Polizei operiert die Antiterroreinheit, die derzeit aus etwa 4.000
Mann besteht. Sie untersteht einem zivilen Kommando und ist direkt dem Büro des Ministerpräsidenten zugeordnet. Problematisch sind die fehlende parlamentarische Kontrolle sowie
der insgesamt unzureichende gesetzliche Rahmen für Operationen dieser Einheit. Ausschließlich von US-Spezialkräften ausgebildet, gilt die Antiterroreinheit heute als eine der effektivsten
Kampftruppen im Irak. Sie operiert unter vollkommender Geheimhaltung und koordiniert ihre
Aktivitäten nicht mit anderen Sicherheitskräften, was das Misstrauen ihr gegenüber verstärkt.
Der Antiterroreinheit werden Folter, Vergewaltigung und Raub vorgeworfen. Auch die Nähe
zu US-amerikanischen Spezialeinheiten hat zu einer starken Skepsis innerhalb der irakischen
Bevölkerung geführt.
Seit dem Rückzug der US-Armee aus dem Irak, hat sich die Zahl der privaten Sicherheitsfirmen
vervielfacht.
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3 INFORMATIONEN NACH DEN KRITERIEN DES EUVERHALTENSKODEX
3.1 Einhaltung internationaler Verpflichtungen
Mitgliedschaft in Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen
Kurzname des Abkommens
Status
Quelle
Chemiewaffen-Protokoll von 1928
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Partieller atomarer Teststopp Vertrag von 1963
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Äußerer Weltraumvertrag von 1967
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Non-Proliferationsvertrag für Nuklearwaffen von 1970
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Vertrag zum Verbot von Massenvernichtungswaffen auf
dem Meeresboden von 1972
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Biologie- und Toxinwaffen-Konvention von 1975
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Konvention zum Verbot der Veränderung der Umwelt zu
unfriedlichen Zwecken von 1978
Unterzeichnet,
nicht ratifiziert
SIPRI Jahrbuch 2013
Konvention zum Verbot bestimmter konventioneller Waffen von 1983
Nicht beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Chemiewaffen-Konvention von 1997
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Anti-Personenminen-Konvention (Ottawa Vertrag) von
1999
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2013
Übereinkommen über Streumunition von 2010
Unterzeichnet,
nicht ratifiziert
SIPRI Jahrbuch 2013
Das Internationale Waffenhandelsabkommen 2013
Beigetreten
http://treaties.un.org
Kommentar:
Der Irak ist einer Reihe wichtiger internationaler Abrüstungsabkommen beigetreten. Den 1983
in Kraft getretene Vertrag zum Verbot bestimmter konventioneller Waffen sowie das jüngste
Übereinkommen über Streumunition hat der Irak zwar unterzeichnet, die Verträge aber bis
heute noch nicht ratifiziert.
Gegen den Irak sind derzeit sowohl Sanktionen der Vereinten Nationen als auch der Europäischen Union verhängt. Die VN-Sanktionen beziehen sich auf Kompensationszahlungen an
Kuwait sowie eingefrorenes Vermögen des ehemaligen Machthabers Saddam Hussein. Ein
Handelsembargo gegen gestohlene Kulturgüter besteht ebenfalls noch. Ähnliche Beschränkungen gelten seitens der EU.
3.2 Achtung der Menschenrechte im Empfängerland
3.2.1 Mitgliedschaft in UN-Menschrechtsabkommen
Abkommen
Status
Quelle
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form
von Rassendiskriminierung, 1969
Beigetreten
http://treaties.un.org
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 1976
Beigetreten
http://treaties.un.org
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
1976
Beigetreten
http://treaties.un.org
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminie-
Beigetreten
http://treaties.un.org
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rung der Frau (CEDAW), 1981
Fakultativprotokoll zum CEDAW, 2000
Nicht beigetreten
http://treaties.un.org
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,
1987
Beigetreten
http://treaties.un.org
Übereinkommen über die Rechte des Kindes, 1990
Beigetreten
http://treaties.un.org
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte
des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie, 2002
Beigetreten
http://treaties.un.org
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte
des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, 2002
Beigetreten
http://treaties.un.org
3.2.2 Auszug aus dem Länderbericht des US-amerikanischen Außenministeriums zur Menschenrechtspraxis für 2013 (2014)
Iraq is a constitutional parliamentary republic. Prime Minister Nouri Kamal Maliki secured a
second term in office after free and fair elections in 2010. While all major political parties participated in the government, significant unresolved problems continued to hamper its operation. Authorities maintained effective control over the security forces. Security forces and
armed militias committed serious human rights abuses as rising levels of terrorist violence, corruption, and organizational dysfunction undermined effective protection of human rights.
Severe human rights problems persisted. The three most important were: politically motivated
sectarian and ethnic killings, including by the resurgent terrorist network led by al-Qaida and
its affiliate, the Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL), formerly known as al-Qaida in Iraq
(AQI); torture and abuses by government actors and illegal armed groups; and a lack of
governmental transparency, exacerbated by widespread corruption at all levels of government and society.
During the year the following other significant human rights problems were also reported: disappearances; harsh and life-threatening conditions in detention and prison facilities; arbitrary
arrest and lengthy pretrial detention, sometimes incommunicado; continued impunity for
security forces; denial of fair public trials; insufficient judicial institutional capacity; ineffective
implementation of civil judicial procedures and remedies; delays in resolving property restitution claims; arbitrary interference with privacy and home; limits on freedoms of speech, press,
and assembly; violence against and harassment of journalists; limits on religious freedom due
to extremist threats and violence; restrictions on freedom of movement; large numbers of
internally displaced persons (IDPs) and refugees; discrimination against and societal abuses
of women and ethnic, religious, and racial minorities; trafficking in persons; societal discrimination and violence against individuals based on perceived sexual orientation and gender
identity; and limited exercise of labor rights.
A culture of impunity largely protected members of the security services, as well as those
elsewhere in the government, from investigation and successful prosecution for human rights
violations. Corruption among officials across government agencies was widespread and contributed to significant human rights abuses.
Illegally armed sectarian and ethnic groups, including terrorist groups such as AQI/ISIL, committed deadly, politically motivated acts of violence, killing with suicide bombings, improvised
explosive devices, drive-by shootings, as well as kidnappings and other forms of violence.
Militants and terrorists targeted fellow citizens – Shia, Sunni, as well as members of other religious groups or ethnicities – security forces, places of worship, religious pilgrims, schools, public spaces, economic infrastructure, and government officials.
Quelle: United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2013
http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper
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3.2.3 Auszug aus dem Jahresbericht von Amnesty International für
2013
Thousands of people were detained; hundreds were sentenced to death or prison terms,
many after unfair trials and on terrorism-related charges. Torture and other ill-treatment of
detainees remained rife and were committed with impunity. Hundreds of prisoners were on
death row. At least 129 people were executed, including at least three women. Armed
groups opposed to the government continued to commit gross human rights abuses, killing
hundreds of civilians in suicide and other bomb attacks. Harassment, intimidation and violence against journalists and media workers continued to be reported. Over 67,000 refugees
from Syria sought safety in Iraq.
Quelle: Amnesty International Report 2013: http://www.amnesty.org/en/region/iraq/report-2013
3.2.4 Bewertung bürgerlicher und politischer Rechte durch Freedom
House für 2012 (2013)
Bewertung für Irak auf einer Skala von 1 für völlig frei bis 7 für völlig unfrei:
 Bürgerliche Rechte: 6
 Politische Rechte: 5
 Gesamtbewertung: Nicht frei
Die Bewertung des Freedom House ist subjektiv, sie beruht auf dem Urteil von Experten, deren
Namen von Freedom House nicht bekannt gemacht werden.
Auszug aus dem Länderbericht von Freedom House (2012):
Immediately after the U.S. military completed its scheduled withdrawal from Iraq at the end
of 2011, tensions arose again between Sunni and Shiite political parties. The Sunni Iraqiya
Party boycotted the parliament in response to a perceived power grab by Prime Minister
Nouri Al-Maliki and the issuing of an arrest warrant for Vice President Tariq al-Hashimi, a Sunni
politician. Al-Hashimi was tried and sentenced to death in absentia in September 2012 as
part of a series of events that heightened political discord and coincided with one of the
largest spikes in violence seen in the country in two years. In December, President Jalal
Talabani left Iraq to receive treatment in Germany for a stroke.
Quelle: http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/iraq
Kommentar:
Seit der US-amerikanischen Invasion 2003 hat sich die Menschenrechtslage in dem Land drastisch verschärft. Selbstmordanschläge, Verfolgung religiöser Minderheiten und illegale Verschleppungen durch staatliche Sicherheitskräfte sowie unrechtmäßige Inhaftierung prägten
das Bild. Mit dem Ende des geplanten Rückzuges des US-Militärs im Dezember 2011 haben
sich die Spannungen, überwiegend zwischen verschiedenen religiösen Gruppen, erneut vertieft. Bis heute sind die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte nicht ausreichend in der
Lage die innere Sicherheit zu gewährleisten, worunter das friedliche Zusammenleben der
verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in dem Land erheblich leidet. Als Folge dessen
werden Menschenrechte regelmäßig missachtet und Bürgerrechte teilweise eingeschränkt.
Die Hauptstadt Bagdad gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Auch zehn Jahre
nach der US-Invasion gehören Bombenanschläge und Gewalt zum alltäglichen Bild. Im April
2013 kam es in der Stadt Hawidscha zu Protesten gegen die Regierung, die Sicherheitskräfte
gewaltsam auflösten. Infolgedessen eskalierte die Gewalt zwischen Teilen der Bevölkerung
und den Sicherheitskräften.
Aber nicht nur staatliche Akteure sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, auch
nicht-staatliche bewaffnete Gruppen begehen sie, auch in Form von Terrorakten einschließlich zahlreicher Selbstmordattentate.
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Nach wie vor gibt es die Todesstrafe im Irak. 2011 gab es 68 vollstreckte Todesurteile, 2012
verdoppelte sich die Zahl fast auf 129. Nicht nur in diesen Fällen, sondern insgesamt ist es
problematisch, dass die irakische Justiz erzwungene Geständnisse in Gerichtsprozessen als
Beweismittel zulässt. Oftmals werden juristische Mindeststandards in Gerichtsverfahren nicht
eingehalten: Angeklagten wird nicht immer das Recht auf Verteidigung zugestanden, die
Unschuldsvermutung verletzt und eine sehr lange Untersuchungshaft ohne jede gerichtliche
Überprüfung ist an der Tagesordnung. Hinzu kommen miserable und menschenverachtende
Haftbedingungen. Immer noch werden viele Menschen – darunter auch Frauen – in den Gefängnissen gefoltert. Sie werden beispielweise mit brennenden Zigaretten und eiskaltem Wasser gequält oder sexuell gedemütigt.
3.3 Innere Lage im Empfängerland
Politisches System; Auszug aus dem Länderbericht des Auswärtigen Amtes (Juni 2013):
Das irakische Volk nahm am 15. Oktober 2005 in einem Referendum die neue irakische Verfassung an. Die Wahlbeteiligung lag bei 63 Prozent. Die Verfassung bestimmt, dass Irak ein
demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat ist. Die Verfassung
enthält einen umfassenden Menschenrechtskatalog und garantiert eine Frauenquote von 25
Prozent im Parlament. Die konkrete Ausgestaltung des Föderalismus bleibt dem Parlament
vorbehalten. Außerdem verabschiedete die Volksvertretung am 11. Oktober 2006 ein Gesetz
über die Einrichtung von Regionen. Danach können sich seit 2008 mehrere Provinzen zu Regionen zusammenschließen. Bereits im Übergangsgesetz vom 8. März 2004 und der am 15. Oktober 2005 in Kraft getretenen Verfassung wird in Artikel 117 die Region Kurdistan-Irak grundsätzlich anerkannt.
Am 30. April 2014 hat Irak die ersten freien Parlamentswahlen seit dem Abzug der US-Truppen
durchgeführt. Die Wahlbeteiligung lag bei 60%. Das für die Wahl notwendige Wahlgesetz
wurde am 04. November 2013 vom irakischen Parlament verabschiedet. Insgesamt konkurrierten 9040 Kandidaten von 239 politischen Gruppierungen in 35 nationalen und provinzbezogenen Wahlbündnissen um 328 Sitze. Es ist wahrscheinlich, dass die Regierungsbildung einige
Monate in Anspruch nehmen wird. Bis dahin werden die höchsten Staatsämter weiterhin bekleidet von:
 Staatsoberhaupt: Staatspräsident Dschalal Talabani (Kurde, PUK)
 Regierungschef: Ministerpräsident Nouri Al-Maliki (Schiit, Da’wa)
 Außenminister: Hoshyar Al-Zebari (Kurde, KDP)
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Irak/Innenpolitik_node.html
Korruptionsindex von Transparency International - Corruption Perceptions Index (2013):
Im Jahresbericht 2013 von Transparency International, für den in 177 Staaten Befragungen zur
Wahrnehmung von Korruption bei Beamten und Politikern durchgeführt wurden, liegt Irak auf
Platz 171 (2012: Platz 169). Deutschland liegt auf Platz 12.
Quelle: http://www.transparency.org/cpi2013/results
Spannungen und offene innere Konflikte:
Die Besatzung durch die US-Armee hat einen internen, teilweise gewaltsamen Konflikt entlang ethnisch-religiöser Trennlinien zutage gebracht, bei dem es einerseits um den Zugang zu
Macht, andererseits um die Dominanz einer religiösen Gruppe (Schiiten oder Sunniten) geht.
Die Konflikte spielen sich vor allem zwischen drei große Gruppen ab: den sunnitischen und
schiitischen Arabern sowie den Kurden. Die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe ist ausschlaggebendes Kriterium für den Zugang zu politischer Macht im Irak, wie derzeit die schiitische Gruppe unter der Führung Al-Malikis, während zu Zeiten der Herrschaft Husseins die sunBonn International Center for Conversion (BICC)
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nitische Gruppe bevorzugt wurde. Keine der Gruppen fühlt sich von der anderen Gruppe
hinreichend politisch repräsentiert, was eine Lösung des Konfliktes deutlich erschwert. Insbesondere die sunnitische Minderheit im Land, die unter dem sunnitischen Diktator Saddam
Hussein große Vorteile genoss, fühlt sich heute durch die schiitische Regierung unter Ministerpräsident al-Maliki marginalisiert. In Folge kam es im Frühjahr 2013 zu massiven Protesten der
sunnitischen Bevölkerung gegen die Regierung, die stellenweise gewaltsam eskalierten. Erschwerend kommt hinzu, dass es große Differenzen innerhalb der einzelnen Gruppen gibt,
etwa zwischen Hardlinern und Moderaten. Spannungen verursacht auch die Frage, welche
Rolle Religion allgemein in der Politik spielen soll.
Die Beziehungen zwischen der irakischen Zentral- und der kurdischen Regionalregierung sind
extrem angespannt. Immer wieder wirft die irakische Regierung den im Norden des Iraks ansässigen Kurden vor, sie wollten einen eigenen Nationalstaat gründen. Sowohl die irakische
Zentralregierung als auch die Kurden beanspruchen die Verwaltung der Region. Dass in der
kurdischen Region vor allem in den Provinzen Kirkuk und Mosul wichtige Ölreserven des Iraks
liegen, erschwert zusätzlich einen Interessenausgleich.
Auch im Süden des Irak kommt es zu Konflikten wegen der Ölvorkommen. Hier treffen sunnitische und schiitische Araber aufeinander, angeheizt von Al-Kaida Ablegern.
Begleitet werden all diese Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen von einem wachsendem radikalen Extremismus und Terrorismus im Land. In der Vergangenheit war dieser vor allem gegen die Besatzer gerichtet. Eine Mehrzahl der irakischen
Bevölkerung lehnte die Anwesenheit der ausländischen Streitkräfte ab. Insbesondere das
oftmals gewaltsame Vorgehen der Koalitionstruppen gegen die irakische Bevölkerung im
Kampf gegen den Terrorismus und die Gewalt im Land, erzeugten einen regelrechten Hass
auf die US-amerikanischen Truppen und andere Streitkräfte. Seit ihrem Abzug Ende 2011 hat
die Gewalt im Irak jedoch noch weiter zugenommen. Das Ziel sind nicht länger ausländische
Kräfte, hingegen richten sich militante Akteure wie die mächtige sunnitisch-islamistische Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL) gegen die Regierung des Landes.
Autobomben und Selbstmordanschläge, bei denen regelmäßig dutzende Menschen sterben, lassen die Gesellschaft nicht zur Ruhe kommen.
Das erhöhte Gewaltausmaß ließ sich insbesondere im Jahr 2013 beobachten, als Bombenanschläge hunderte Tote forderten. Nachdem sich die sunnitische und die schiitische Seite
auf politischer Ebene in den vergangen Jahren müheselig angenähert haben, äußern inzwischen sowohl die Gesellschaft als auch die Politik die Angst vor einem erneuten – durch die
Gewaltwelle bedingten – Konfliktausbruch zwischen den Konfessionen, Aktuell (Juni 2014)
wird der gestiegene Einfluss von ISIL im Irak sichtbar: So gelang es den radikalen Kämpfern
mit Mossul die zweitgrößte irakische Stadt einzunehmen. Zuvor (Januar 2014) eroberten sie
bereits die Macht über die Stadt Falludscha in der westirakischen Provinz Anbar. Die extremistische Gruppe profitiert von dem Machtvakuum in Syrien, welches den Milizen sowohl einen
Rückzugsort gewährt als auch den Zugang zu Waffen erleichtert. Ministerpräsident Nuri alMaliki fordert derzeit den Ausnahmezustand über das Land zu verhängen. Ein Bürgerkrieg
wird nicht ausgeschlossen.
3.4 Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region
Geographische Lage
Der Irak umfasst 434.128 Quadratkilometer. Das Land, das geographisch in Vorderasien zu
verorten ist, zählt politisch zum Nahen und Mittleren Osten. Er grenzt im Norden an die Türkei,
im Nordwesten an Syrien, im Südosten an Jordanien und im Süden an Saudi-Arabien, von
dem ihn eine lange Grenze trennt. Im Osten teilt das Land eine lange gemeinsame Grenze
mit dem Iran, im Südwesten eine mit Kuwait. Dort verfügt der Irak auch über einen kleinen
Zugang zum persischen Golf. Das Land umfasst den größten Teil von Mesopotamien (die Region zwischen Euphrat und Tigris).
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Politische Situation in der Region
Die politische Lage in der Region ist derzeit vor allem durch den anhaltenden Bürgerkrieg in
Syrien geprägt, ist aber auch durch eine insgesamt schwierige politische Konstellation (Palästinakonflikt, Atomfrage Iran, etc.) angespannt.
Was als Studentenprotest im März 2011 in der Stadt Daraa begann, entwickelte sich zu einem
Bürgerkrieg in Syrien, dessen Auswirkungen weit über die Grenzen hinaus zu spüren sind. Auf
der einen Seite kämpft die regierenden Baath Partei unter der Führung von Staatspräsident
Al-Assad, auf der anderen haben sich mehrere bewaffnete Oppositionsgruppen formiert, die
sich hauptsächlich aus Freiwilligen und desertierten Soldaten zusammensetzen und inzwischen von Anhängern der Opposition aus der Türkei befehligt wird, zu denen sich aber auch
Anhänger des Terrornetzwerkes Al-Qadia gesellt haben. Beide Seiten werden bei diesem
sogenannten „non-international armed conflict“ doch von anderen Staaten oder Gruppen
aus der Region unterstützt. Die Opposition fordert den sofortigen Rücktritt des Präsidenten alAssad, während das Regime weiterhin die Opposition als bewaffnete Terroristen bezeichnet,
die keinerlei Legitimität besitzen. Inzwischen sind dem Konflikt etwa 160.000 Menschen zum
Opfer gefallen, mehr als 6,5 Millionen Menschen im Land vertrieben und 2,5 Millionen zu
Flüchtlingen geworden, die unter anderem in der Türkei, dem Irak und im Libanon Aufnahme
fanden.
Hunderttausende Flüchtlinge werden in Jordanien versorgt, dessen Wirtschaft durch den
Krieg schwer geschädigt wird. Jordanien ist von dem Syrienkonflikt schwer getroffen, nicht
zuletzt auch weil Assad den sunnitischen Machthabern in Jordanien eine Mitschuld an dem
Bürgerkrieg gibt, weil sie ihren politischen Einfluss auf sunnitische Gruppen geltend machen.
Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien sind schätzungsweise 500.000 Syrier nach Jordanien geflohen. Die Mehrheit lebt außerhalb der Flüchtlingscamps in den jordanischen Städten, wo sie mit steigenden Mieten, schlechten Wohnzuständen sowie dem mangelnden Bildungszugang für Kinder konfrontiert sind. Die Situation belastet die jordanische Gesellschaft
zunehmend. An der jordanisch-syrischen Grenze kommt es immer wieder zu Zwischenfällen,
bei denen auch jordanische Soldaten getötet wurden. 2013 verlegten die USA deshalb Truppen an die syrisch-jordanische Grenze, die eine weitere Eskalation des Konfliktes verhindern
sollen.
In der Türkei sind inzwischen im Rahmen der NATO deutsche Patriot- Luftabwehrsystemen
stationiert, damit im Falle einer Eskalation die Türkei geschützt werden kann. Eine Lösung des
Konflikts scheint derzeit nicht absehbar, die Folgen für die Sicherheit und Stabilität in der gesamten Region werden immer weitreichender. Als Rote Linie hatten sowohl die Türkei und
andere Staaten der Region als auch die NATO den Einsatz von chemischen Kampfstoffen
bezeichnet. Trotz des Einsatzes chemischer Waffen im Frühjahr 2013 kam es nicht zu einer militärischen Intervention. Dennoch konnte ein diplomatischer Teilerfolg erzielt werden, als sich
die UN-Vetomächte Russland und USA im September 2013 auf die Zerstörung der syrischen
Chemiewaffenarsenale einigten.
Auch der Irak leidet unter dem Konflikt – und vielmehr ist auch ein Teil von ihm. Die Regierung
in Bagdad unterstützt den syrischen Machthaber Assad und die irakischen Truppen liefern
sich Gefechte mit syrischen Aufständischen. Obwohl der Irak offiziell neutral ist, manifestiert
sich, abgesehen von derartigen Kampfhandlungen, auch auf einer rhetorischdiplomatischen Ebene zunehmend Premier Al-Malikis Sympathie zu Assad. So bezeichnete AlMaliki beispielsweise syrische Rebellengruppen und sunnitische Politiker als Terroristen. Während auf Regierungsebene folglich eine Form von politischer und ethnisch-religiöser Zusammenhalt erkennbar ist (Präsident Assad ist zwar Alawit, damit jedoch der schiitischen Auslegung des Islam sehr nahe), herrscht in der sunnitischen Region Anbar, in der sich der größte
Teil der Grenze zu Syrien befindet, Angst vor dem Bürgerkrieg. Hierhin flüchteten die meisten
der fast 150.000 Syrer in den Irak. Aufgrund der religiösen Verbindungen unterstützen viele
Stämme in der Region die Rebellengruppen nicht nur mit humanitären Hilfsleistungen, sondern laut verschiedenen Berichten auch mit Waffen. Durch die sunnitische Unterstützung der
Rebellengruppen in Syrien sehen sich viele sunnitische Gruppen im Irak motiviert, den bewaffneten Kampf gegen die schiitische Regierung in Bagdad zu intensivieren. Diese Konstellation verdeutlicht die konfessionelle Spaltung zwischen den islamischen Glaubensrichtungen
und wird voraussichtlich weitreichende Folgen für die Stabilität in der Region haben. Sie könnte die konfessionellen Konflikte im Irak erneut anheizen und eine Welle der Gewalt entfachen.
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Sorge bereitet auch die Präsenz al-Qaidas in Syrien, die für die Sicherheit der gesamten Region kaum vorhersehbare Folgen hat.
Von dem Bürgerkrieg in Syrien ist auch das Nachbarland Libanon betroffen. Syrien versucht
die dortige Regierung zu beeinflussen und seine enge Verknüpfung mit dem kleinen LevanteStaat auszuspielen. Die Parteien des Landes sind in verschiedene Lager aufgespalten: eine
pro-westliche Allianz auf der einen, eine pro-syrische Allianz unter Führung der islamistischen
Hisbollah auf der anderen Seite. Laut Medienberichten bombardierten im März 2013 syrische
Kampfflugzeuge Rebellenstützpunkte im Libanon. Seitdem hat sich die Lage verschärft.
Auch der Iran längst ein Teil des Syrienkonfliktes. Das US-Außenministerium behauptet, dass
iranische Soldaten zusammen mit der Hisbollah an der Seite der syrischen Regierungsarmee
gegen die Rebellen kämpfen. Zudem versorgt Teheran die syrische Regierung mit Waffen.
Problematisch ist dabei unter anderem, dass bei den Waffenlieferungen iranische Flugzeuge
die irakische Lufthoheit verletzen. Dies könnte als Folge eine verstärkte Ausrüstung des Iraks
mit US-amerikanischen Kampfflugzeugen haben.
Grenzkonflikte
Grundsätzlich besteht zwischen Syrien und dem Irak kein Grenzkonflikt, allerdings stellen die
tausenden Bürgerkriegsflüchtlingen aus Sicht der Regierung al-Maliki eine ernsthafte Gefahr
für die innere Sicherheit des Landes dar. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Zwischenfällen im Grenzgebiet. Berichten zufolge bewegen sich immer mehr Kämpfer auch auf irakischem Territorium und nutzten Grenzregionen als Rückzugsorte. Im Irak herrscht die große
Sorge, das Land könne so weiter in den Konflikt in Syrien hineingezogen werden. Infolgedessen hat die irakische Regierung die Grenzsicherung verschärft.
Die irakisch-türkische Grenze ist ebenfalls ein Brennpunkt. Nach dem Sturz Saddam Husseins
haben die Kurden im Norden des Iraks ihre Autonomie erklärt, gleichzeitig ist der Kurdenkonflikt in der Türkei aber noch ungelöst. Erschwert wird die Situation durch die wichtigen Ölreserven in den nördlichen Gebieten des Landes. In den letzten Jahren haben sich die politischen
Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Regionalregierung weiter verschlechtert. Mehrmals hat die Türkei in den vergangenen Jahren auch Ziele im Nordirak angegriffen und mit Kampfjets, Drohnen und Hubschraubern hat sie Vergeltung für den
Tod von 24 türkischen Soldaten geübt, die an der türkisch-kurdischen Grenze bei Kämpfen
mit der PKK getötet wurden. Als Folge hat nicht nur die Kurdische Regionalregierung protestiert, sondern auch die irakische Zentralregierung hat ihren Unmut über das Verhalten der
Türkei geäußert.
Jüngste Entwicklungen geben jedoch Anlass zum Optimismus. Die Türkei hat die Beziehungen
zu den Kurden im Irak verbessert. Mit der PKK hat sie im März 2013 einen Waffenstillstand beschlossen, was die Hoffnung nährt, der lange Konflikt zwischen den türkischen Kurden und der
Regierung in Ankara könnte gelöst werden.
Zwischen den anderen Staaten der Region und dem Irak herrschen keine Grenzkonflikte.
3.5 Bedrohung von Alliierten
3.5.1 Stationierung alliierter Streitkräfte in der Region
Im Rahmen der UN-Peacekeeping Mission UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq)
sind derzeit 2 Beobachter aus Australien, 1 Beobachter aus Neuseeland, 168 Soldaten aus Fiji
und 77 Soldaten aus Nepal im Irak stationiert.
Quelle: IISS Military Balance 2014
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3.5.2 Gefahr von Technologiepiraterie
Laut einer Studie der Business Software Alliance (BSA) betrug die Piraterie-Rate von Software
im Irak 86 Prozent im Jahr 2011 und ist damit im Vergleich zu den Vorjahren (85 Prozent) geringfügig gestiegen. Im Vergleich zu anderen Staaten im Nahen und Mittleren Osten sowie in
Nordafrika weist der Irak, hinter dem Jemen, die höchste Rate an Technologiepiraterie in dieser Region auf. Der aus der Technologiepiraterie entstandene wirtschaftliche Schaden belief
sich nach BSA Angaben im Jahr 2011 auf geschätzte 172 Millionen US-Dollar.
Quelle: Business Software Alliance (BSA), Global Software Piracy Study 2011
3.6 Verhalten in der internationalen Gemeinschaft
Verhalten in der internationalen Gemeinschaft laut der Zusammenfassung des Auswärtigen
Amtes (Stand: Juni 2013):
Die Beziehungen zwischen Irak und den USA unterliegen einem deutlichen Wandel. Mit dem
Abzug der letzten Kampfbrigade im August 2010 wurde offiziell die "Operation Iraqi Freedom"
beendet. Die restlichen Soldaten, die zur Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte, zur Unterstützung bei Anti-Terroreinsätzen und zum Schutz der US-Einrichtungen im Land verblieben waren,
haben Irak am 18.12.2011 verlassen. Dieser Abzug war in dem "Agreement between the USA
and the Republic of Iraq on the Withdrawal of US Forces from Iraq and the organization of
their activities during their temporary presence in Iraq" festgeschrieben, das zum 1. Januar
2009 in Kraft trat.
Unter seinen Nachbarstaaten unterhält Irak volle diplomatische Beziehungen derzeit zur Türkei, Jordanien, Iran, Syrien und Kuwait. Am 13. Februar 2007 wurde die irakische Botschaft in
Riad wiedereröffnet; Saudi-Arabien hat am 21. Februar 2012 die diplomatischen Beziehungen
zu Irak wiederaufgenommen. Die über Jahrzehnte belasteten Beziehungen zu Kuwait verbessern sich zusehends. Bei Besuchen des kuwaitischen Premierministers in Bagdad und des irakischen Außenministers Zebari in Kuwait vereinbarten beide Seiten, die noch offenen Fragen
hinsichtlich der Kompensationen an Kuwait mit Hilfe der Unterstützungsmission der Vereinten
Nationen in Irak (UNAMI) lösen zu wollen. Dabei geht es in erster Linie um Wiedergutmachung,
die Irak nach seinem Überfall auf Kuwait vom 2. August 1990 leisten muss.
Das Verhältnis Iraks zu anderen arabischen Staaten verbessert sich ebenfalls, nachdem zahlreiche arabische Diplomaten nach 2003 Opfer von Gewalt in Bagdad geworden waren. So
entsandte Kairo im Juni 2009 wieder einen Botschafter nach Bagdad und im November 2010
einen Generalkonsul nach Erbil. Bei einem Besuch des ägyptischen Premierministers Qandil in
Bagdad im März 2013 wurden zudem Vereinbarungen über eine verstärkte wirtschaftliche
Kooperation getroffen.
Das Verhältnis zu Syrien ist derzeit von den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Nachbarstaat überschattet.
Die Beziehungen zur Türkei haben sich seit 2008 verbessert, der Handel zwischen beiden Ländern wächst rapide. Auch die Beziehungen zwischen der kurdischen Regionalregierung und
der Türkei haben sich stark verbessert. Die Türkei hat dort im Frühjahr 2010 ein Generalkonsulat
eröffnet. Die Türkei sieht sich nach wie vor in einer Schutzmachtrolle für die turkmenische Minderheit in Irak.
Besondere Beziehungen unterhält Irak zu seinem nördlichen Nachbarn Iran, die durch eine
wechselhafte Geschichte gekennzeichnet werden. Trotz des verlustreichen Krieges zwischen
den beiden Staaten in den achtziger Jahren sind die Beziehungen historisch sehr eng. Sowohl
auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene wie auch zwischen den Regierungen bestehen vielfältige, von sehr unterschiedlichen Interessen getragene Verbindungen. Tausende
iranischer Pilger reisen jedes Jahr zu den heiligen Orten der Schiiten in Irak, u.a. nach Kerbela
und Najaf.
Die Region Kurdistan-Irak unterhält intensive internationale Kontakte unterhalb der diplomatischen Ebene. Rund 15 Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, die USA, Russland, Türkei,
Iran und Ägypten sind mit Generalkonsulaten, Verbindungsbüros oder Honorarkonsuln in Erbil
vertreten. Die Kurdische Regionalregierung hat Vertretungsbüros in 12 Hauptstädten außerhalb Iraks, darunter Berlin, Paris, London, Rom und Washington. Im Juni 2013 besuchte Premierminister Al-Maliki erstmals seit 2010 wieder die Region Kurdistan, um Fragen der Kooperation
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zu besprechen.
Der multilaterale Ansatz zur Lösung der innerirakischen Fragen begann 2007 mit einer Außenministerkonferenz im ägyptischen Scharm-El Scheikh. Auf der erweiterten NachbarstaatenKonferenz, an der neben Irak und dessen Nachbarn (Jordanien, Syrien, Türkei, Iran, Kuwait,
Saudi-Arabien) die fünf ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates, die G8-Staaten (darunter Deutschland) sowie Ägypten und Bahrain ebenso wie Vertreter der Vereinten Nationen,
der Arabische Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz vertreten waren, bekannten sich die Teilnehmer zur gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit in Irak. Nach mehreren Folgekonferenzen und der Einrichtung von Arbeitsgruppen hat der Nachbarstaatenprozess seit einiger Zeit an Dynamik verloren. Im Jahr 2012 konnte der Irak zum ersten Mal seit
1990 einen Gipfel der Arabischen Liga ausrichten, was einen Prestigegewinn für Bagdad darstellt.
Die VN-Unterstützungsmission UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) wurde am 14.
August 2003 durch Resolution 1500 des VN-Sicherheitsrats geschaffen. Das Mandat wurde am
25.07.2012 mit Resolution 2061 einstimmig erneut bis zum 31. Juli 2013 verlängert. UNAMI hat
derzeit über 900 Mitarbeiter, davon sind zirka 400 internationale ziviles und zirka 500 lokale
Mitarbeiter. Insgesamt sind ca. 16 VN-Organisationen in Irak aktiv, die von UNAMI koordiniert
werden. Leiter der Mission war von Oktober 2011 bis Juni 2013 der deutsche Diplomat Martin
Kobler. UNAMI legt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vierteljährlich einen Bericht
über ihre Aktivitäten vor; zusätzlich erscheint alle sechs Monate ein Bericht über die Menschenrechtslage in Irak.
Die EU baut ihren politischen Dialog mit der irakischen Regierung seit Herbst 2005 stetig aus.
Die EU-Kommission ist seit Mitte 2006 mit einem Delegationsbüro in Bagdad vertreten. Büros in
anderen Regionen sind im Aufbau befindlich. Im Januar 2010 wurde durch EU-Kommissar Piebalgs ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Energiekooperation zwischen der EU und
Irak unterzeichnet. Ein umfassendes "Partnerschafts- und Kooperationsabkommen" wurde
bereits ausgehandelt und ist von den meisten Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet worden.
Seit 2003 hat die Europäische Union Irak Hilfeleistungen von übereiner Milliarde Euro gewährt,
dies in den Bereichen Stabilisierung und Wiederaufbau und humanitäre Hilfe. Deutschland
finanziert die EU-Ausgaben zu rund 20 Prozent. Schwerpunktbereiche sind die Unterstützung
der Irakischen Wahlkommission bei der Durchführung von Wahlen, der Rechtsstaatsbereich
(v.a. EU-Rechtsstaatsmission EUJUST-LEX) sowie die Unterstützung von irakischen Flüchtlingen.
Darüber hinaus ist die EU verstärkt engagiert in der Unterstützung des irakischen Gesundheitssektors, der juristischen Ausbildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlicher Strukturen.
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Irak/Aussenpolitik_node.html
3.6.1 Beitritt zu wichtigen Anti-Terrorismus-Abkommen
Abkommen
Status
Quelle
Konvention zur Unterdrückung von Flugzeugentführungen von 1971
Beigetreten
http://www.icao.int
Konvention zum Schutz bestimmter Personen, einschließlich Diplomaten von 1977
Beigetreten
http://treaties.un.org
Internationale Konvention gegen Geiselnahmen von
1983
Beigetreten
http://treaties.un.org
Konvention zum physischen Schutz nuklearen Materials
von 1987
Nicht beigetreten
www.iaea.org
Konventionen zur Markierung von Plastiksprengstoff von
1998
Nicht beigetreten
http://www.icao.int
Internationale Konvention zur Unterdrückung terroristischer Bombenanschläge von 2001
Nicht beigetreten
http://treaties.un.org
Internationale Konvention zur Unterdrückung der Finanzierung terroristischer Organisationen von 2002
Beigetreten
http://treaties.un.org
Internationale Konvention zur Unterdrückung von
Handlungen des Nuklear-Terrorismus von 2007
Beigetreten
http://treaties.un.org
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Kommentar:
Bis 2012 war der Irak, mit Ausnahme der Konvention zur Unterdrückung von Flugzeugentführungen und der Konvention zum Schutz bestimmter Personen, keinen weiteren wichtigen Antiterrorismus-Abkommen beigetreten. Erst im November 2012 hat das Land die Konvention zur
Unterdrückung der Finanzierung terroristischer Organisationen und im Mai 2013 die Konvention zur Unterdrückung von Handlungen des Nuklearterrorismus angenommen. Dennoch ist
der Irak bei drei wichtigen Abkommen zur Verhinderung des internationalen Terrorismus kein
Signatarstaat.
Seit dem offiziellen Abzug der US-Truppen Ende 2011 ist das Land eine wichtige Anlaufstelle
für internationale Terrorgruppen geworden. Inzwischen dient es als Rekrutierungs- und Ausbildungsbasis für neue Kämpfer und zum Ausbau verschiedener terroristischer Netzwerke. Islamistische Terrorgruppen nutzten die amerikanische Besatzung für Propagandazwecke, um
in arabischen und islamischen Ländern neue Rekruten für den Dschihad zu mobilisieren und
Finanzierungsquellen zu erschließen. Der Bürgerkrieg in Syrien begünstigt die aus dem Irak
operierenden Terrorgruppen.
3.6.2 Internationale Kriminalität
Beitritt zu Internationalen Abkommen in der Kriminalitätsbekämpfung
Abkommen
Status
Quelle
Konvention gegen Transnationale Organisierte Kriminalität von
2003
Beigetreten
http://treaties.un.org
Zusatzprotokoll (a) zur Unterdrückung von Menschenhandel (2003)
Beigetreten
http://treaties.un.org
Zusatzprotokoll (b) gegen den Schmuggel von Auswanderern
(2004)
Beigetreten
http://treaties.un.org
Zusatzprotokoll (c) gegen die unerlaubte Herstellung und den
Transport von Feuerwaffen (2005)
Beigetreten
http://treaties.un.org
Kommentar:
Organisierte Kriminalität ist im Irak weit verbreitet und stellt ein wesentliches Hindernis für den
Staatsaufbau und die allgemeinen Entwicklung dar. Sie finanziert u. a. den Konflikt zwischen
den Konfessionen. Entführungen und Erpressungen tragen zur allgemeinen Verschlechterung
der Sicherheitslage bei, wobei die Anzahl der Entführungen insgesamt rückläufig ist. Der illegale Verkauf von Öl ist dabei eine zentrale Einnahmequelle für kriminelle Gruppen. Die irakische Regierung und die USA haben den kriminellen Aktivitäten inzwischen den Kampf angesagt, nachdem sie erkannt hatten, welche negative Auswirkungen sie auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes haben.
Im Irak werden viele junge Mädchen/Frauen an ihre zukünftigen Ehemännern verkauft, zur
Prostitution gezwungen oder illegal ins Ausland verschleppt. Die genaue Zahl ist unbekannt,
tausende Frauen gelten jedoch als verschwunden. Durch den Bürgerkrieg in Syrien ist der
Menschenhandel mit Flüchtlingen zu einem ernsten Problem geworden. Viele Flüchtlinge
werden mit leeren Versprechungen, etwa dem eines besseren Lebens in Europa, gelockt. Bei
dem Transport kommen die Opfer oft ums Leben oder sie werden während der Flucht festgenommen und zurück in den Irak geschickt.
Während des Irak-Krieges kamen auch Fälle von Menschenhandel ans Licht, für die von der
US-Regierung beauftragte Subunternehmen verantwortlich waren. So wurden schätzungsweise 70.000 Menschen mit falschen Versprechungen in den Irak gelockt, um als billige Arbeitskräfte (Köche, Reinigungskräfte und Bauarbeiter) aus Drittstaaten die für den Krieg notwendige Logistik aufzubauen.
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3.6.3 Ausgewählte völkerrechtliche Vereinbarungen
Abkommen
Status
Quelle
Völkermord-Konvention von 1951
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2012
Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten in Kriegszeiten von 1950
Beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2012
Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention von 1950 zum
Schutz von Opfern in bewaffneten Konflikten von 1978
Nicht beigetreten
SIPRI Jahrbuch 2012
Internationaler Strafgerichtshof (Römisches Statut) von
2002
Nicht beigetreten
http://treaties.un.org
Anti-Korruptions-Konvention von 2005
Beigetreten
http://treaties.un.org
3.6.4 UN-Berichterstattung
Der Irak übermittelt weder im Rahmen des UN-Waffenregisters Angaben zu Rüstungsimporten
und -exporten, noch im Rahmen des Instruments zur Berichterstattung über Militärausgaben
Informationen an die UN.
3.7 Unerlaubte Wiederausfuhr
Über Exportkontrollgesetzgebung im Irak gibt es keine genauen Angaben. Nach der Auflösung der irakischen Armee durch die USA ist eine Vielzahl der legalen Bestände auf dem
Schwarzmarkt gelandet. Tausende illegale Waffen sind mit großer Wahrscheinlichkeit aus den
Händen verschiedener Gruppen nach Syrien gelangt.
3.8 Wirtschaftliche und technische Kapazität des Landes
Auszug aus dem Länderbericht des Auswärtigen Amtes (Juni 2013):
Die Prognose für die irakische Volkswirtschaft ist ausgesprochen gut. Schätzungen zufolge
werden die Wachstumsraten der irakischen Wirtschaft in den kommenden Jahren bei durchschnittlich 9 Prozent liegen. Die positiven Aussichten basieren auf Iraks Reichtum an fossilen
Brennstoffen: Mit geschätzten 143 Milliarden Fass verfügt das Land über die drittgrößten Öl-,
mit 3,17 Milliarden Kubikmeter über die zwölftgrößten Erdgasreserven der Welt.
Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) lag das irakische Bruttoinlandsprodukt 2012 lag es
bei geschätzten 123,9 Milliarden Euro. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2012
etwa 3.950 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2003 betrug dieser Wert mit ca. 390 Euro ein Zehntel
davon.
Die Staatsverschuldung belief sich 2012 geschätzt auf ca. ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts, die Inflationsrate auf 7 Prozent. Der Zentralbank gelang es in den vergangenen Jahren,
die vormals höhere Inflation durch enge Anbindung an den US-Dollar, stabile Wechselkurse
und eine kontinuierliche Aufwertungspolitik für den Dinar unter Kontrolle zu bringen.
Irak ist entschlossen, 20 Prozent des Haushalts 2013 in die eigene Infrastruktur zu investieren,
hier steht die Ölinfrastruktur im Vordergrund, beispielsweise der Ausbau von Pipelines und der
Bau zahlreicher Raffinerien. Dringender Investitionsbedarf besteht weiter bei der Gesundheitsfürsorge, der Elektrizitäts- und Wasserversorgung.
Der Ölsektor bestimmt die irakische Volkswirtschaft. Auf Basis einer Ölförderung von bis zu 3,2
Millionen bpd (Fass pro Tag) in 2012 und einem Ölpreis von durchschnittlich über 105 USD
stiegen die Einnahmen durch Ölexporte in den vergangenen Monaten enorm. Aus dem Ölgeschäft speisen sich 93 Prozent des Haushalts.
Bis 2017 will der Irak seine tägliche Ölförderrate von derzeit drei Millionen Barrel auf zehn Millionen steigern. Experten halten dies allerdings für zu ambitioniert und erwarten höchstens eine
Steigerung auf 6,5 – 8 Millionen bpd. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Regierung in den
vergangenen Jahren zahlreiche Förderlizenzen für irakische Öl-und Gasfelder an internationaBonn International Center for Conversion (BICC)
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le Konsortien vergeben. Bis 2014 soll auch der Gasexport verdoppelt werden.
Die Verkehrsinfrastruktur lässt langsam Fortschritte erkennen. Bislang sind es vor allem Großprojekte, die begonnen wurden oder sich in fortgeschrittenem Planungsstadium befinden. Zu
ihnen zählen die Erweiterung des Flughafens Bagdad und der Bau des Großhafens Basra
(Grand Fao Port).
Besonders im Luftverkehr hat der Irak in den vergangenen zwei Jahren aufgeholt. In allen
Landesteilen gibt es internationale Flughäfen, die nach und nach an das internationale Streckennetz angebunden werden. So gibt es seit 2010 auch Direktflüge von Deutschland nach
Bagdad und Erbil.
Zwischen den größten Städten des Landes, Bagdad und Basra, wurde der Personenzugverkehr wieder aufgenommen, bei den übrigen Strecken besteht größtenteils Reparaturbedarf.
Für die Hauptstadt Bagdad ist der Bau einer U-Bahn vorgesehen. Insgesamt kommt es allerdings noch oft zu Verzögerungen in den Ausschreibungs- und Vergabeverfahren.
Irak leidet unter Wohnungsnot, obwohl ca. 2 Millionen Iraker als Flüchtlinge im Ausland leben.
Es fehlen Regierungsangaben zufolge landesweit bis zu zwei Millionen Wohnungen. Insbesondere in Bagdad sind Wohnungen so knapp, dass es zu einem regelrechten Immobilienboom
gekommen ist. Haus– und Mietpreise haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt.
Ähnliche Tendenzen sind auch in der Region Kurdistan, besonders in der Hauptstadt Erbil, zu
beobachten. In den kommenden Jahren sollen eine Million Wohneinheiten für mittlere Einkommensschichten mit Hilfe ausländischer Investoren gebaut werden. In Abstimmung mit
irakischen Banken sollen Kredite für künftige Wohnungseigentümer eingerichtet werden.
Die Restrukturierung und Modernisierung der beiden großen Staatsbanken Rafidain und
Rasheed wird mit Hilfe der Weltbank vorangebracht. Von der globalen Finanzkrise blieb der
Bankensektor weitestgehend unberührt. Die Privatisierung der Bankenbranche und auch der
Einstieg ausländischer Privatbanken laufen schleppend an. Lediglich acht ausländische Banken, die meisten aus Iran, der Türkei und dem Libanon, sind im Irak vertreten.
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Irak/Wirtschaft_node.html
Tabelle 8:
Anteile Militärausgaben, Gesundheitsausgaben und Bildungsausgaben am
BIP/GDP in Prozent
2009
2010
2011
2012
2013
Militärausgaben (absolut)
3231
3789
5905
5688
7251
Militärausgaben/BIP
2,7
2,6
3,3
2,8
3,6
Gesundheitsausgaben/BIP
9,4
9,2
9,4
-
-
Bildungsausgaben/BIP
-
-
-
-
-
Angaben in constant Mio. US$ (2011). Quelle: SIPRI Military Expenditure Database, World Bank Data (World Development Indicators)
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Schaubild 5:
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Entwicklung Anteile Militärausgaben, Gesundheitsausgaben und Bildungsausgaben am BIP/GDP in Prozent
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
2009
2010
2011
Militärausgaben/BIP
2012
2013
Gesundheitsausgaben/BIP
Bildungsausgaben/BIP
Quellen:
SIPRI Military Expenditure Database (Militärausgaben); WHO, World Health Statistics 2010 (Gesundheitsausgaben)
Tabelle 9:
Absolute Auslandsverschuldung/Anteil am BIP und Entwicklungshilfe
2007
2008
2009
2010
2011
Auslandsverschuldung
-
-
-
-
-
Anteil am BIP (in Prozent)
-
-
-
-
-
Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA)*
9055
9763
2629
2007
1802
Net ODA (% of GNI)*
16,9
11,72
4,18
2,54
1,61
Angaben in constant Mio. US$ (2010) (Auslandsverschuldung), ODA in Mio. US$ in aktuellen Preisen.
Quelle: Weltbank, OECD*
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Tabelle 10:
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Globaler Militarisierungsindex – Wert und Platzierung
2008
2009
2010
2011
2012
Militarisierungswert
552
552
515
543
531
Index-Platzierung
41
41
56
38
41
Quelle: Global Militarization Index (GMI) – Bonn International Center for Conversion (BICC)
Der Globale Militarisierungsindex (GMI) bildet das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats eines
Staates im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Daten basieren auf dem GMI 2013.
http://www.bicc.de/our-work/gmi.html
Die Platzierung der Länder kann aufgrund der Berechnungsmethode nur innerhalb eines Jahres verglichen werden,
ist jedoch zur Veranschaulichung hier aufgeführt. Durch eine unterschiedliche Datenbasis in den einzelnen Jahren
variiert die Anzahl der erfassten Länder in den einzelnen Jahren, so dass die Platzierung nicht über verschiedene
Jahre hinweg verglichen werden kann.
Tabelle 11:
Jordanien
Iran
Israel
Kuwait
Saudi-Arabien
Syrien
Globaler Militarisierungsindex – Wert und Platzierung der Nachbarstaaten
2008
2009
2010
2011
2012
Militarisierungswert
735
728
718
703
694
Index-Platzierung
4
5
6
6
6
Militarisierungswert
597
591
583
572
565
Index-Platzierung
27
28
30
29
29
Militarisierungswert
826
827
816
796
794
Index-Platzierung
1
1
1
1
1
Index-Platzierung
696
696
694
678
666
Index-Platzierung
6
8
7
8
10
Militarisierungswert
660
670
657
644
646
Index-Platzierung
14
11
13
13
13
Militarisierungswert
737
744
737
736
714
Index-Platzierung
3
4
3
3
5
Quelle: Global Militarization Index (GMI) – Bonn International Center for Conversion (BICC)
Der Globale Militarisierungsindex (GMI) bildet das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats eines
Staates im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Daten basieren auf dem GMI 2013.
http://www.bicc.de/our-work/gmi.html
Die Platzierung der Länder kann aufgrund der Berechnungsmethode nur innerhalb eines Jahres verglichen werden,
ist jedoch zur Veranschaulichung hier aufgeführt. Durch eine unterschiedliche Datenbasis in den einzelnen Jahren
variiert die Anzahl der erfassten Länder in den einzelnen Jahren, so dass die Platzierung nicht über verschiedene
Jahre hinweg verglichen werden kann.
Tabelle 12:
HDI-Wert
Human Development Index (HDI)
2008
2009
2010
2011
2012
0,573
0,576
0,578
0,583
0,590
Quelle: http://hdrstats.undp.org/en/indicators/103106.html
Der HDI ist ein Wohlstandsindikator und variiert zwischen 1 (beste Entwicklungsstufe und 0 (geringe Entwicklung). Die
Länder werden in vier Klassen eingeteilt: sehr hohe, hohe, mittlere und niedrige menschliche Entwicklung. Die Berechnung des HDIs basiert auf den Kategorien Gesundheit (Lebenserwartung), Bildung und dem Bruttonationaleinkommen. Aufgrund veränderter Berechnungsmethoden sowie unterschiedlicher Verfügbarkeit von Daten ist das
Jahr 2011 nicht mit den Jahren zuvor vergleichbar.
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Kommentar:
Im Hinblick auf seine gesamtwirtschaftliche Lage beweist der Irak seit 2006 eine ausgeprägte
Robustheit. Die Wirtschaft des Landes leidet zwar immer noch unter den Folgen von Krieg,
Embargo und einer weit verbreiteten Korruption, aber die maßgeblichen Wirtschaftsindikatoren entwickeln sich positiv, obwohl vor allem wegen der Sicherheitssituation zwischen den
jeweiligen Regionen große Unterschiede bestehen. Die jährlichen Steigerungsraten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lagen für die Jahre 2011 und 2012 bei 8,6 bzw. 8,4 Prozent. Das BIP
pro Kopf ist seit 2008 von 4,472 bis 2012 auf 6,455 US-Dollar gestiegen. Gleichzeitig ist die Inflation in den letzten Jahren rückläufig und liegt aktuell bei etwa zwei Prozent, was zu mehr Konsum führt.
Die Anzahl der Erwerbstätigen hat sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 um rund eine Million
erhöht und liegt aktuell bei etwa neun Millionen. Dennoch ist die insgesamt niedrige Erwerbsquote ein drängendes Problem für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Ein
zusätzliche Belastung ist die niedrige Frauenerwerbstätigkeit – nur jeder fünfte Arbeitnehmer
ist eine Frau. Insgesamt beträgt die Arbeitslosigkeit zwischen 16 und 23 Prozent.
Die Ölförderung ist der Hauptzweig der irakischen Wirtschaft und mit etwa 90 Prozent der
Staatseinnahmen in den letzten Jahren die wichtigste Einnahmequelle der Regierung. Der
Irak gehört zur Gruppe der fünf Länder mit den weltweit größten Ölreserven, die bei jetziger
Fördermenge etwa 90 Jahre vorhalten sollen. Nach Angaben des irakischen Ölministeriums
werden annähernd drei Millionen Barrel Rohöl pro Tag gefördert, von denen regelmäßig etwa 80 Prozent ins Ausland verkauft werden. Probleme gibt es jedoch bei der Anerkennung
kurdischer Ölkonzessionen für ausländische Konzerne durch die Zentralregierung.
Der Irak ist stark importabhängig. Im Bau- und Elektronikgewerbe sind überwiegend türkische
Unternehmen auf dem Markt präsent. Auch Hauselektronik, Textil und Bekleidung sowie Lebens- und Genussmittel kommen überwiegend aus der Türkei. Aber auch Jordanien, der Iran
und China spielen in diesem Wirtschaftsbereich eine immer wichtigere Rolle. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Iraks ist die fehlende eigene produzierende und weiterverarbeitende Industrie problematisch.
Hinderlich für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ist die anhaltende ungleiche Verteilung des Nationaleinkommens. Die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung verfügen
über 40 Prozent des gesamten Nationaleinkommens, während auf die ärmsten 20 Prozent nur
vier Prozent entfallen. Verantwortlich dafür sind vor allem ökonomisch-strukturelle, politischhistorische sowie ausbildungstechnische und steuerrechtliche Probleme. Das Steuersystem
funktioniert noch nicht und Korruption ist nach wie vor weit verbreitet.
Die US-Invasion hat drastische Auswirkungen auf das Bildungssystem gehabt. Heute ist die
Alphabetisierungsrate im Irak schlechter als vor 25 Jahren. Vor dem Krieg gehörte das irakische Bildungssystem zu einem der besten in der gesamten Region, heute sind viele Schulen
und Universitäten, die während der US-Invasion zerstört wurden, noch nicht wieder aufgebaut. Infrastruktur, Schulmaterial und Laborausrüstung in Universitäten sind dem Krieg zum
Opfer gefallen. Lehrer und Professoren sind entweder aus dem Land geflohen oder im Konflikt umgekommen. Die angespannte Sicherheitslage erschwert es vielen Lernenden und Studierenden bis heute die Schule bzw. Universität zu besuchen, wodurch die Ausbildung erheblich leidet.
Unter den jahrelangen Sanktionen, dem Krieg und der Besatzung hat auch das Gesundheitssystem schwer gelitten, das noch in den 1970er und 1980er zu den regional fortschrittlichsten
gehörte. Zerstörte Infrastruktur sowie die Abwanderung der Ärzte und des medizinischen Personals sind das wohl größte Hindernis für seine Entwicklung und Verbesserung.
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