Abstracts Poster - GEBF

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Abstracts Poster - GEBF
ID: 104
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Trainings- und Evaluationsforschung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Kindertagesstätte, herausforderndes Verhalten, Kompetenzerfassung
Evaluation eines Curriculums für die Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte zum Thema „Umgang mit
herausforderndem Verhalten in der Kindertageseinrichtung“
Claudia Tinius
Evangelische Hochschule Freiburg, Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ), Deutschland
Kinder mit herausforderndem Verhalten stellen für pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen eine besondere
Heraus- und manchmal Überforderung dar (1). Recherchen zeigen, dass empirische Studien und evaluierte Konzepte zum
Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen in der Kindertageseinrichtung fehlen. Eigene (explorative) Voruntersuchungen
weisen darauf hin, dass pädagogische Fachkräfte einen hohen Bedarf, aber auch eine hohe Bereitschaft zu einer passgenauen,
partizipativ gestalteten Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen in diesem Bereich zeigen (2).
Im Rahmen der Posterpräsentation wird ein Forschungsprojekt vorgestellt, das derzeit am Zentrum für Kinder- und
Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg durchgeführt wird (Projektlaufzeit: 6/2014 bis 09/2016). Das Ziel
des Projekts besteht in der Evaluation eines entwickelten Rahmencurriculums zur Fort- und Weiterbildung pädagogischer
Fachkräfte (N=120 Fachkräfte aus 11 Kindertageseinrichtungen aus Baden-Württemberg) zum Umgang mit herausfordernden
Verhaltensweisen.
Im Mittelpunkt der Evaluation steht die Erfassung individueller und teambezogener Veränderungsprozesse. Anhand eines MixedMethods-Designs und Mehrebenenansatzes werden Zusammenhänge zwischen dem Implementierungsprozess und Effekten
(u.a. Kompetenzeinschätzungen, arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster [AVEM-44: Schaarschmidt & Fischer, 2008
(3)], Prozessevaluation) sowie Indikatoren für eine (nachhaltige) Verankerung in der Praxis ermittelt. Erste Ergebnisse der
Prozessevaluation deuten bei den teilnehmenden Fachkräften auf eine hohe Akzeptanz des Weiterbildungsansatzes und zum
ersten Erhebungszeitpunkt bei den ausgewerteten standardisierten Dilemma-Situationen (4) auf ein geringes Kompetenzniveau
hin.
ID: 112
Poster
Disziplinen-Cluster: Wirtschafts- und Berufspädagogik, Didaktik Mathematik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrerexpertise
Stichworte: fachspezifische Kompetenzen, quasiexperimentelle Validierungsstudie, Lehrerbildung, Mathematik,
Wirtschaftswissenschaften
Erfassung von fachspezifischen Kompetenzen bei Lehramtsstudierenden der Fächer Mathematik und
Wirtschaftswissenschaften – eine quasiexperimentelle Validierungsstudie unter besonderer
Berücksichtigung der Domänenspezifität (ELMaWi)
Christiane Kuhn1, Aiso Heinze2, Anke Lindmeier2, Olga Zlatkin-Troitschanskaia1
1
Johannes Gutenberg Universität Mainz, Deutschland; 2IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und
Mathematik
Die Erforschung von fachspezifischen Lehrerkompetenzen gewinnt national und international an Bedeutung (Darling-Hammond
& Lieberman 2012; Zlatkin-Troitschanskaia et al. 2015). Betrachtet man den aktuellen Stand der Lehrerforschung, ist zwar ein
Zuwachs an Modellierungsansätzen und empirischen Studien zu verzeichnen, jedoch überwiegend mit Fokus auf das
Lehrerwissen (Kleickmann et al. 2014; Voss et al. 2015). Befunde aus der Expertiseforschung zeigen, dass es zur
Unterscheidung von Experten und Novizen weiterer Ansätze bedarf, um insbesondere das situationsangemessene, flexible
Expertenhandeln einer differenzierten Analyse zugänglich zu machen (Carter 1990). Diesbezüglich zeichnet sich aktuell ein
Konsens hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen bestimmter empirischer Zugänge ab (Shavelson 2013), nach dem eine
valide Erfassung von stärker handlungsbezogenen Lehrerkompetenzen allenfalls durch eine angemessene Berücksichtigung der
tatsächlichen Unterrichtspraxis – unter Nutzung von computerbasierten Testformaten bzw. Videoformaten – zu leisten ist (Alonzo
& Kim 2012; Oser et al. 2009). Darüber hinaus gewinnt in der aktuellen Lehrer- und Kompetenzforschung die Frage nach der
Domänenspezifität der Wissens- oder Kompetenzstruktur von Lehrkräften eine zunehmende Bedeutung (Bromme et al. 2006).
So ist bislang wenig untersucht, inwieweit sich die Forschungserkenntnisse zwischen unterschiedlich strukturierten Domänen
übertragen lassen (Gruber 2010). Die empirische Untersuchung des genuin domänenspezifischen Anteils von Lehrerkompetenz
steht ebenfalls noch aus (Beck 2005).
Das BMBF-geförderte Verbundvorhaben ELMaWi (2016-2019) verfolgt im Rahmen einer quasiexperimentellen
Validierungsstudie mit (angehenden) Lehrkräften der Fächer Mathematik und Wirtschaftswissenschaften (WiWi) zwei zentrale
Ziele: (1) die valide Erfassung von fachspezifischer Lehrerkompetenz, indem über das Lehrerwissen hinaus das situative Handeln
zur Anforderungsbewältigung im Unterricht abgebildet werden soll, und (2) die valide Abbildung von domänenspezifischen
Anteilen der Lehrerkompetenz, die sowohl im Vergleich der Domänen Mathematik und WiWi, als auch unter besonderer
Berücksichtigung des Einflusses fachunspezifischer Kompetenzen untersucht werden soll. Der theoretische Rahmen basiert auf
einem Strukturmodell nach Lindmeier (2011) und Kuhn (2014), das domänenspezifische Lehrerkompetenz gemäß den
professionellen Anforderungen im Lehrerberuf in reflexive Kompetenz (RC) und aktionsbezogene Kompetenz (AC) differenziert.
Dabei ist RC zur Bewältigung von fachspezifischen Anforderungssituationen in prä- und post-instruktionalen Phasen notwendig
und AC in fachspezifischen instruktionalen Anforderungssituationen unter Zeitdruck. Mit Mathematik und WiWi werden in das
Projekt zwei verschiedene, jedoch affine Fächer einbezogen, so dass die Gültigkeit der Zugänge über Domänen hinweg bzw.
deren Domänenspezifität untersucht werden kann.
Die Studie verfolgt ein quasiexperimentelles Design, in dem die Konstrukte gemäß der Multitrait-Multimethod-Methode und zweier
Kontrastgruppenvergleiche auf konvergente, diskriminante, inkrementelle und prädiktive Validität untersucht werden. Die
quasiexperimentelle Variation wird durch die Stichprobenwahl vorgenommen, indem einerseits die Ausbildung in den Domänen
(Mathematik, WiWi) und andererseits der Expertisegrad im Lehrerhandeln über drei verschiedene Statusgruppen variiert werden.
Für die Stichprobe (N = 600) sind je Statusgruppe 150 Personen pro Fach vorgesehen, von denen 100 für beide Fächer
ausgebildet sind bzw. werden. Um Zusammenhänge zwischen den Domänen zu untersuchen, wird eine Substichprobe von
(angehenden) Lehrkräften einbezogen, die in beiden Fächern Mathematik und WiWi ausgebildet wird. Anhand dieser Stichprobe
können sowohl Analysen bezogen auf domänenspezifische Kompetenzen, als auch auf die Anteile von domänenunspezifischen
Kompetenzen und dem Einfluss des Expertisegrads durchgeführt werden. In diesem Rahmen erfolgt die vertiefte Validierung (1)
des Kompetenzstrukturmodells, das eine Differenzierung zwischen den domänenspezifischen und –unspezifischen
Kompetenzen ermöglicht, sowie (2) der zugehörigen Instrumente zur Kompetenzmessung in den beiden Domänen; dies umfasst
die Erprobung von computer- und videobasierten Testformaten zur Erfassung der handlungsnahen Lehrerkompetenz.
Als Ergebnis wird u.a. erwartet, dass das Kompetenzmodell validiert werden kann und so einen wesentlichen Beitrag zum
domänenübergreifenden Verständnis und zur Struktur von fachspezifischer Lehrerkompetenz leistet. Durch die Variation der
Domänen Mathematik und WiWi sowie der drei Lehrerbildungsphasen können zudem die Validierung der Tests bzw. valide
Testwertinterpretationen sichergestellt werden. In der GEBF-Postersession soll im Hinblick auf die geplante Studie insbesondere
die Frage nach der Domänenspezifität der Kompetenzstruktur und dem genuin domänenspezifischen Anteil von
Lehrerkompetenz zur Diskussion gestellt werden.
ID: 124
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktik Mathematik
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Hochschulbildung
Stichworte: Resilienz, Mathematikstudium, belastende Anforderungen, Studienabbruch, Studienerfolg
Entwicklung eines Fragebogens zur fachspezifischen Resilienz von Mathematikstudierenden
Colin Jeschke, Neumann Irene, Aiso Heinze
Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Fragestellung
In der Eingangsphase des Mathematikstudiums wird seit Jahren eine sehr hohe Anzahl an Studienabbrüchen und
Studienfachwechsel verzeichnet (Dieter, 2012; Heublein, Schmelzer, Sommer & Wank, 2008). Die Studierenden selbst geben
dabei vor allem Leistungsschwierigkeiten aufgrund von Überforderung als Ursache an (Heublein, Hutzsch, Schreiber, Sommer
& Besuch, 2010). Besonders die Bearbeitung anspruchsvoller Mathematikaufgaben, die typischerweise wöchentlich als
abgabepflichtige Übungsaufgaben gestellt werden, empfinden viele Studierende als belastende und zeitaufwändige Anforderung
(Rach, 2014). Dies gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Belastungsfähigkeit gegenüber Anforderungen aus dem
Mathematikstudium als individueller Bedingungsfaktor für sowohl Verweildauer im Mathematikstudium, als auch den
Studienerfolg in Form guter Modulleistungen wirken könnte.
Die Belastungsfähigkeit bei der Bewältigung akademischer Anforderungen beschreiben Martin und Marsh (2003) mit dem
Konstrukt der Resilienz. In der vorliegenden Studie wurde dieses Konstrukt für den Lernkontext Mathematikstudium adaptiert
und im Hinblick auf die fachspezifischen Anforderungen, denen Studierende in der Eingangsphase des Mathematikstudiums
ausgesetzt sind, ausdifferenziert. Für ein auf dieser Basis entwickeltes Fragebogeninstrument wurde untersucht, inwieweit es
eine reliable und valide Messung der fachspezifischen Resilienz ermöglicht.
Methode
Der Fragebogen umfasst insgesamt elf Items zur Selbsteinschätzung der Bewältigung von Anforderungen, die durch die
wöchentlichen Übungsaufgaben verursacht werden (z. B. „Auch wenn ich bei einer schwierigen Matheaufgabe selbst nach
mehreren Anläufen keine Lösungsidee habe, versuche ich es immer wieder.“, „Auch wenn ich bei schweren Aufgaben immer
wieder scheitere, werde ich mich nicht vom Mathestudium abbringen lassen.“). Jedes Item wird auf einer 7-stufigen Rating-Skala
bewertet (1 = „trifft gar nicht zu“; 7 = „trifft völlig zu“). Eingesetzt wurde das Instrument bei N = 147 Studierenden zu Beginn des
ersten Semesters. Zusätzlich wurde ein etablierter Fragebogen zur Erfassung von allgemeiner Resilienz (Leppert, Koch &
Brähler, 2008) sowie zu den Big5-Persönlichkeitsskalen (Gerlitz & Schupp, 2005) eingesetzt. Nach dem ersten Semester wurden
Daten über den Verbleib im Mathematikstudium und die Leistungen der Mathematikstudierenden erhoben und erfasst, inwieweit
die im Fragebogen thematisierten Anforderungssituationen im ersten Semester tatsächlich als belastend wahrgenommen
wurden.
Ergebnisse
Basierend auf einer konfirmatorischen Faktorenanalyse und inhaltlichen Betrachtungen wurden zwei Items aus dem Fragebogen
ausgeschlossen. Die verbleibenden neun Items zeigen eine gute Eindimensionalität (CFI = .966, RMSEA = .065) und interne
Konsistenz (α = .87). Für die Validitätsanalyse wurden verschiedene Valditätsaspekte untersucht:
Inhaltsvalidität: Neben der „face validity“ zeigte die Befragung nach dem ersten Semester, dass die im Fragebogen betrachteten
Anforderungssituationen beim Lösen von Mathematikaufgaben als belastendster Studienteil wahrgenommen wurden.
Konstruktvalidität: Wie theoretisch vermutet, konnte eine Korrelation zum Persönlichkeitsmerkmal der Gewissenhaftigkeit (r =
.41, p < .001), nicht jedoch zu den restlichen der Big5-Persönlichkeitsmerkmalen gefunden werden. Eine schwache Korrelation
zur allgemeinen Resilienz (r = .20, p < .05) lässt sich durch die theoretisch vermutete Veränderlichkeit von Resilienz je nach
Anforderungssituation erklären (s. Schumacher, Leppert & Gunzelmann, 2005). Die moderaten Korrelationen in beiden Fällen
lassen gleichzeitig eine Abgrenzung der fachspezifischen Resilienz zu den verwandten Konstrukten zu.
Prognostische Validität: Die fachspezifische Resilienz ist ein signifikanter Prädiktor für die Verweildauer im Mathematikstudium
(logistische Regression: exp B = 1.62, p < .05). Auch Hinweise für die Prädiktion von Modulleistungen der Studierenden lassen
sich finden.
Insgesamt liefern die Ergebnisse demnach konkrete Hinweise darauf, dass der Fragebogen eine reliable und valide Erfassung
der individuellen fachspezifischen Resilienz bezogen auf die Bewältigung mathematischer Studienanforderungen ermöglicht.
Zukünftig könnte das Konzept der fachspezifischen Resilienz und das vorgestellte Fragebogeninstrument zur Erweiterung
bestehender Modelle zur Prädiktion von Studienabbruch und Studienfachwechsel in der Mathematik sowie zur Verbesserung
von Studieneignungstests beitragen.
ID: 129
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Motivation und Emotion
Stichworte: emotions, teaching anxiety, pre-service teachers, teacher training
Feeling anxious to teach? A study on teaching anxiety among German pre-service teachers
Raphaela Porsch1, Rolf Strietholt2
1
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland; 2TU Dortmund, Deutschland
1. Research background
Buitink and Kemme (1986) describe teaching anxiety as „a momentary situational characteristic of teaching. It is an emotional
constitution that may change in intensity and may disappear with increasing experience (…) connected with everything that is
related to the activities as a teacher, in the classroom as well as in other activities in the school“ (in Williams, 1991, p. 586). In
including aspects characterizing emotions (e.g., Krohne, 2010), teaching anxiety can be defined as a specific anxiety that refers
to perceived feelings such as tension, feeling threatened and a strong concern by (student) teachers if they imagine teaching
situations in a classroom. To understand the occurrence of emotions, appraisal-theory has suggested that persons cognitively
appraise each situation. Negative emotions like anxiety are generated if persons feel that they cannot control the situation (e.g.,
Pekrun, 2000, 2006) or believe their resources available are insufficient to cope with a challenging situation (e.g., Lazarus &
Folkman, 1984). Thus, teaching anxiety might “decrease as knowledge and skills develop during teacher training” (Danner, 2014,
p. 50). Therefore, having completed more teacher trainings might reduce teaching anxiety as confirmed by studies that asked
pre-service teachers before and after a practical experience (e.g., Pigge & Marso, 1987; Paese & Zinkgraf, 1991; Merç, 2015).
2. Research questions
Based on the assumption that emotions arise when there is the perception that situations cannot be coped with successfully due
to a lack of resources, especially pre-service teachers might feel that they lack the capacity to cope with unfamiliar situations that
are challenging to master due to their limited experience or competencies. Thus, an inventory in German was developed
assessing teaching anxiety among student teachers who have to evaluate their state of anxiety with regard to possible classroom
situations. Our related research questions are: (1) Is the construct of teaching anxiety a uni- or multidimensional construct? (2)
How anxious are pre-service teachers in Germany? (3) Does the amount of teaching experience explain variance in teaching
anxiety?
3. Method
The participants of this study were 219 student teachers at two German universities (age ranged from 18 to 51 years, mean age
23.74, SD = 4.11) who were aiming at a Bachelor’s (65.2%) or Master’s degree (38.8%); 70.8 per cent were female. The students
filled out the paper-pencil questionnaire in educational sciences courses in 2015. After answering questions about their
background, the students had to report on their trait anxiety followed by questions about their anxiety to teach. The items
measuring teaching anxiety are based on The Student Teacher Anxiety Scale (STAS; Hart, 1987) and The Teaching Anxiety
Scale (TCHAS; Parson, 1973), as well as the ‘Standards for the teacher training in educational science’ in Germany (KMK,
2004/2014). Participants were asked to assess their feelings on a four-point Likert scale.
4. First results
Question 1: Confirmatory factor analysis suggests that the construct of teaching anxiety is multidimensional (see also, e.g.,
Morton, Vesco, Williams & Awender, 1997). Differentiated results of a model with correlated factors will be presented on the
poster.
Question 2: On average, the student teachers reported having low teaching anxiety (options: 1-4; M = 1.99; SE = .03), 52.1 per
cent had a score higher than 2, whereby none reached a score higher than 3.
Question 3: ANOVA suggests that the amount of school trainings (1 = no experience, 5 = having completed four trainings) is
significantly associated with teaching anxiety (F(4, 214) = 3.76, p < .05).
In addition, a discussion about the results referring along with some thoughts about limitations of the study and necessary future
research will be provided.
ID: 130
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Sonstiges
Stichworte: epistemologische Überzeugungen, Argumentation, Argumentevaluation, BSEM
Der Einfluss epistemologischer Überzeugungen auf die Bewertung von Argumenten
Eric Klopp, Robin Stark
Universität des Saarlandes, Deutschland
Epistemologische Überzeugungen sind wichtige Voraussetzungen für adäquates Argumentieren, dies gilt insbesondere dann,
wenn konfligierende Sachverhalte verhandelt werden (Braten et al., 2012). Nach Klopp und Stark (im Druck) werden
epistemologische Überzeugungen als Einstellungen über die Rechtfertigung von Behauptungen aufgefasst. Diese spielen im
Prozess epistemologischen Denkens, in dem die Rechtfertigung von Behauptungen beurteilt wird, eine wichtige Rolle.
Ausgehend von dieser Auffassung sind Argumente als Behauptungen zu verstehen, die begründet werden müssen.
Die bisherigen Studien fokussierten die Rolle epistemologischer Überzeugungen bei der Produktion eigener Argumente (z. B.
Nussbaum et al. 2008). Wenig untersucht wurde deren Rolle bei der Beurteilung von Argumenten (vgl. Weinstock, 2006). In der
bisherigen Forschung wurde zudem die Beurteilung der Stärke von Argumenten (Stanovich & West, 1997) nicht systematisch
von der Zustimmung zu Argumenten unterschieden (Krettenauer, 2005). Im Sinn der o.g. Definition sollten epistemologische
Überzeugungen primär für die Beurteilung der Stärke eines Arguments relevant sein, da sich diese auf die Rechtfertigungsgründe
eines Arguments beziehen. Die Zustimmung hingegen hängt von weiteren Faktoren ab, wie z.B. persönlicher Relevanz und
affektiver Bewertung (vgl. Aronson, Wilson & Akert, 2014). Daher ist es naheliegend, bei der Argumentevaluation die
Komponenten Stärke und Zustimmung zu unterscheiden.
Der vorliegende Beitrag untersucht die Hypothese, dass die Beurteilung der Argumentstärke direkt von den epistemologischen
Überzeugungen beeinflusst wird und dieser Einfluss umso stärker ist, je mehr ein Argument auf eine bestimmte epistemologische
Überzeugung Bezug nimmt. Weiterhin wird die Hypothese geprüft, dass die Zustimmung zu einem Argument lediglich von der
Beurteilung der Stärke beeinflusst wird.
Epistemologischen Überzeugungen wurden domänenübergreifend mittels eines Fragenbogens (Klopp & Stark, in Vorbereitung)
erhoben, welcher die Dimensionen Persönliche Rechtfertigung (α=.79), Rechtfertigung durch Autorität (α=.84), Rechtfertigung
durch multiple Quellen (α=.81), Rechtfertigung durch die Scientific Community (α=.75), Sicherheit des Wissen (α=.65) und
Reflexive Natur des Wissens (α=.76) erfasst.
Die Beurteilung von Argumenten wurde mittels sechs an Stanovich und West (1997) angelehnten Argumentevaluationsaufgaben
erfasst. Diese präsentierten kurz einen widersprüchlichen Sachverhalt, dem ein Diskurs zweier Professoren nach dem Schema
Argument – Gegenargument – Entkräftung des Gegenarguments folgte (vgl. Kuhn, 1991). Anschließend wurde für jedes
Argument zuerst die Beurteilung der Stärke und danach die Zustimmung mittels einer sechsstufigen Ratingskala erfasst. Jedes
Argument war so entworfen, dass eine bestimmte epistemologische Überzeugung angesprochen wurde. Jedes Argument wurde
von drei Experten dahingegen beurteilt, auf welche Dimensionen epistemologischer Überzeugungen das jeweilige Argument
Bezug nimmt und wie stark diese Bezugnahme ist. Diese Beurteilung wurde als Grundlage der Hypothesenprüfung
herangezogen.
An der Untersuchung nahmen insgesamt 202 Lehramtsstudierende teil (MAlter=21.2 [sd=4.05], 151 weiblich). Der
Zusammenhang zwischen epistemologischen Überzeugungen und den beiden Komponenten der Argumentevaluation wurde
mithilfe des BSEM-Ansatzes (Muthén & Asparouhov, 2012) geprüft. Auf Seiten des Messmodells wurden alle Hauptladungen frei
geschätzt, mittels informative priors wurden alle Nebenladungen und Residualkovarianzen berücksichtigt. Die direkten Effekte
epistemologischer Überzeugungen auf die Argumentstärke sowie die direkten Effekte der Argumentstärke auf die Zustimmung
wurden frei geschätzt. Informative priors wurden für die direkten Effekte epistemologischer Überzeugungen auf die Zustimmung
gesetzt.
Alle Modelle konvergierten (10000 Iterationen, PSR<1.1, vgl. Muthén & Asparouhov, 2012) und erzielten einen guten Modellfit
(posterior-predictive-p=-[.381;.860]), wobei posterior-predictive-p-Werte zwischen .05 und. 95 (Gelman et al., 2013) als passend
anzusehen sind.
Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass epistemologische Überzeugungen nur für die Beurteilung der Argumentstärke
relevant sind, insbesondere bei denjenigen Argumenten, die von den Experten als stark auf die jeweiligen Argumente
bezugnehmend beurteilt wurden. Ebenso konnte bei allen Modellen die Hypothese bestätigt werden, dass die Stärkebeurteilung
einen großen Effekt auf die Zustimmung hat. Allerdings zeigten sich bei einer Aufgabe auch kleine Effekte epistemologischer
Überzeugungen auf die Zustimmung. Die Ergebnisse legen nahe, die Evaluation von Argumenten im Sinne der beiden
Komponenten Stärke und Zustimmung prozessbasiert, z.B. mittels Lautem Denken, zu untersuchen.
ID: 132
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Evolutionstheorie, Verständnis von Zufall, Verständnis von Wahrscheinlichkeit, Messinstrumententwicklung
Ist das Verstehen von „Zufall“ und „Wahrscheinlichkeit“ Voraussetzung dafür, die Evolutionstheorie zu
verstehen? - Entwicklung eines Messinstruments zur Erfassung des Verständnisses von Zufall und
Wahrscheinlichkeit Daniela Fiedler, Ute Harms
Leibniz-Institut für die Pädagogik der Mathematik und Naturwissenschaften (IPN), Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die biologische Evolution ist das integrative und zugleich übergreifende Organisationsprinzip der modernen Biologie und
beinhaltet Erkenntnisse zum Selbstverständnis des Menschen in seiner Umwelt, zu seiner Gesundheit, seinen sozialen
Interaktionen, seinem ökonomischen Handeln und seiner kulturellen Entwicklung. Die Kenntnis wesentlicher Aussagen der
Evolutionsbiologie über die Entwicklung des Lebens auf der Erde sowie der Mechanismen und der Dynamik von
Evolutionsprozessen gehört daher zum unverzichtbaren Fundament der naturwissenschaftlichen Bildung, über die Schülerinnen
und Schüler in Deutschland verfügen sollten. Zahlreiche empirische Belege zeigen, dass die Vorstellungen von Schülerinnen
und Schülern, Studierenden sowie Lehrkräften den fachlichen Erklärungen zur biologischen Evolution nicht entsprechen (u.a.
Graf & Soran, 2011; Nehm & Schonfeld, 2007). Es fällt auf, dass insbesondere solche Aspekte nicht verstanden werden, die
verknüpft sind mit abstrakten Konzepten wie „Zufall“ oder „Wahrscheinlichkeit“ (u.a. Garvin-Doxas & Klymkowsky 2008). Hierzu
zählen beispielsweise die evolutionsbiologischen Konzepte „Variation“, „genetischer Drift“ bzw. „Selektion“.
Ein Beschreibungsansatz für die Verständnisentwicklung (im Sinne der Entwicklung konzeptuellen Wissens) im Bereich
konzeptuell komplexer Themen wie der Evolutionstheorie ist das Modell der sogenannten Schwellenkonzepte (engl. threshold
concepts; Meyer & Land, 2003). Schwellenkonzepte werden hier metaphorisch als „Portale“ beschrieben, die – einmal
„durchschritten“ -, einen neuen und zuvor unzugänglichen Weg zur Wissensentwicklung eröffnen. Verknüpft mit dem conceptual
change - Ansatz (Posner, Strike, Hewson, & Gertzog, 1982) heißt dies, dass das Verständnis bestimmter Konzepte
Voraussetzung dafür ist, von einer (Alltags-) Vorstellung zu einer fachwissenschaftlich begründeten Vorstellung (einem
Konzeptwechsel) zu gelangen. Obwohl die Evolutionstheorie ein schwer zu lehrendes und lernendes Konzept ist, ist sie für sich
kein Schwellenkonzept. Vielmehr ist sie zu beschreiben als ein Konglomerat verschiedener Schwellenkonzepte, wie „Zufall“ und
„Wahrscheinlichkeit“ (Ross et al., 2010), deren Verständnis möglicherweise eine Voraussetzung für das Verstehen der
Evolutionstheorie insgesamt sein könnte. Dieser Hypothese geht das vom Schwedischen Wissenschaftsrat geförderte
schwedisch-deutsche Kooperationsprojekt Challenging Threshold Concepts in Life Science – enhancing understanding of
evolution by visualization (EvoVis) nach. In unserem Beitrag wird der erste Schritt des Projekts, die Entwicklung eines
Messinstruments (des RaProMa) zur Erhebung des Verständnisses von Zufall bzw. Wahrscheinlichkeit vorgestellt.
Fragestellung
Im Zusammenhang mit der Entwicklung des RaProMa ging es um zwei Fragen:
1. Lassen sich die zwei entwickelten Skalen (Verständnis von Zufall bzw. von Wahrscheinlichkeit) voneinander trennen und
reliabel erfassen?
2. Handelt es sich beim RaProMa um ein valides Instrument?
Methode
Die Entwicklung des Messinstruments erfolgte in zwei Phasen durch Zusammenfügung von Items aus (i) vorhandenen
Fragebögen (Garfield, 2003; Green, 1982; Jones et al., 1997; Weber & Mathea, 2008) und (ii) eigens entwickelten. In der ersten
Phase entstand eine Sammlung von 28 Items mit den Skalen Zufall (10 Items) und Wahrscheinlichkeit (18 Items), die in einer
explorativen Studie an einer kleinen Stichprobe von Studierenden der Biologie (N=48) getestet wurden. Aufgrund der ersten
Analysen wurden für die zweite Phase weitere Items entwickelt, sodass nun eine Sammlung von insgesamt 40 Items mit den
Skalen Zufall (16 Items) und Wahrscheinlichkeit (24 Items) vorliegt. Dieses Instrument (RaProMa) wird in einer Pilotierungsstudie
(Oktober bis Dezember 2015) mit ca. 200 Studierenden aus 1-Fach- und 2-Fach-Studiengängen der Biologie (Bachelor und
Master) der Universität Kiel überprüft. Auf Basis der Validitätsprüfung sowie klassischer und probabilistischer Itemanalysen erfolgt
dann die Auswahl der Testaufgaben für die folgenden experimentellen Studien.
Ergebnisse
Erste Analysen der Items aus der explorativen Studie zeigen für die Skalen Zufall (10 Items; α = .61) und Wahrscheinlichkeit (18
Items; α = .43) annehmbare bis mittelmäßige Werte. Da es sich jedoch um eine geringe Stichprobengröße handelt, sind diese
nur als erste Hinweise auf die Güte des Fragebogens zu verstehen. Zum Zeitpunkt der Tagung wird die Auswertung einer
größeren Stichprobengröße vorliegen und das Instrument zur Diskussion gestellt.
ID: 140
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Motivation und Emotion
Stichworte: Schülerbeteiligung, Schülervoraussetzungen, internale Lernprozesse, Videostudie
„Wer macht mit? – Das Zusammenspiel von unterschiedlichen Beteiligungsmustern am
Klassengespräch, internalen Lernprozessen, Schülervoraussetzungen und Leistungen“
Janina Häusler, Tina Seidel
TU München, Deutschland
Eine aktive Beteiligung an Interaktionen im Unterricht wird als positiv für den Erfolg & die Lernentwicklung eingestuft, da sie
Möglichkeiten für ein Einüben & Anwenden von neuem Wissen & neuen Strategien ermöglicht (Mercer, 1996; Walshaw &
Anthony, 2008; Webb, 2009). Die Schülerbeteiligung ist vom Zusammenspiel individueller Voraussetzungen abhängig, aber auch
vom Verhalten, den Einstellungen & Erwartungen der Lehrkräfte (Hofer 1997; Seidel & Reiss, 2014). Bezüglich des
Aufrufverhaltens konnte gezeigt werden, dass Lehrkräfte häufiger mit leistungsstarken als mit schwächeren SchülerInnen
interagieren (Brophy & Good, 1974; Gage & Berliner, 1996, Lipowsky et al., 2007). Sacher (1995) konnte herausstellen, dass ein
beachtlicher Anteil an SchülerInnen, der sich meldet, nicht aufgerufen wird & nicht dran kommt. Viele bisherige Studien, die sich
mit Lehrer-Schüler-Interaktionen beschäftigten, nahmen Häufigkeit & Dauer von Schülerbeiträgen oder Melde- & Aufrufverhalten
in den Fokus, diese Ereignisse wurden jedoch kaum miteinander verknüpft. Diese geben daher keinen Aufschluss darüber, ob
eine Beteiligung der SchülerInnen „freiwillig“ war oder sie durch die Lehrkraft „gebeten“ wurden sich aktiv am Klassengespräch
zu beteiligen & inwiefern ein Melden zu einem aktiven Schülerbeitrag führt.
Im vorliegenden Beitrag wurde die Beteiligung der SchülerInnen im Deutsch- & Mathematikunterricht durch die Anzahl der
Meldungen, die Anzahl der Aufrufe durch die Lehrkraft sowie die Anzahl der Schülerbeiträge gemessen. Des Weiteren wurde die
Beteiligung mit den gemessenen Schülervoraussetzungen (Leistung, Interesse & Selbstkonzept) sowie ihren situativen
unterrichtsbezogenen Lernprozessen (kognitive Lernaktivitäten, Motivation) in Verbindung gebracht.
Folgende Forschungsfragen stehen im Fokus dieses Beitrages:
Welche Melde- & Beteiligungsprofile kommen im Deutsch- und Mathematikunterricht vor?
Stehen internale Lernprozesse im Zusammenhang mit einer aktiven Beteiligung am Unterricht?
Entwickeln sich SchülerInnen in verschiedenen Beteiligungsprofilen unterschiedlich in einem Schuljahr?
Der Beitrag basiert auf Daten der Studie „Interaction“. Die Stichprobe umfasst N = 16 Gymnasialklassen der 8. Jahrgangsstufe
mit insgesamt N = 410 SchülerInnen (53% Mädchen) aus Bayern.
Die SchülerInnen wurden bezüglich ihrer Vorleistungen, ihrem Interesse in Deutsch & Mathe sowie ihrem Selbstkonzept zu
Beginn & am Ende des Schuljahres in einer Unterrichtsstunde getestet & befragt. Während des Schuljahrs wurde je eine Stunde
im Deutsch- und Mathematikunterricht videografiert. Des Weiteren wurden sie nach der aufgezeichneten Stunde zu situativen
unterrichtsbezogenen Lernprozessen befragt (kognitive Lernaktivitäten, Motivation). Die Videos wurden mit der Software Interact
(Mangold, 2014) kodiert & über Einheiten der Sprecher ausgewertet.
Mittels LCA-Analysen (Mplus, Version 7.1) wurden SchülerInnen hinsichtlich ihrer Beteiligung in Profilen geclustert. Des Weiteren
wurden Anova- sowie t-test-Berechnungen mit SPSS (Version 23) durchgeführt, um Unterschiede in den Profilen bezüglich der
internalen Lernprozesse sowie Voraussetzungen & Leistungen heraus zu stellen.
Für Deutsch konnten mittels latenter Klassenanalysen fünf verschiedene Beteiligungsprofile gefunden werden: „Drankommer“,
„Nicht-Drankommer“, „Aufgeforderte“, „Von allem etwas“ & „Unbeteiligte“. Für Mathe konnten vier Profile gefunden werden (die
gleichen wie in Deutsch außer dem „Von allem etwas“-Profil). Im Fach Deutsch unterscheiden sich die Schüler in
Beteiligungsprofilen nicht hinsichtlich intrinsischer Motivation, es zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede in extrinsischer
Motivation, Amotivation, aber auch hinsichtlich kognitiver Lernaktivitäten. In Mathematik konnten Unterschiede in allen
untersuchten Bereichen gefunden werden.
Die SchülerInnen in den unterschiedlichen Profilen wurden des Weiteren hinsichtlich ihrer Leistungen (zum Schulhalbjahr)
aufgeteilt, um mögliche Veränderungen ihres Interesses & Selbstkonzeptes, aber auch den Leistungen vom Beginn zum Ende
des Jahres aufzuzeigen. Ergebnisse zeigen, dass sich SchülerInnen in einzelnen Profilen unterschiedlich entwickeln & in Deutsch
z.B. schlechtere Schüler, die in den Profilen „Nicht-Drankommer“, „Aufgeforderte“, aber auch „Unbeteiligte“ sind, schlechtere
Leistungen am Schuljahresende zeigen. Für gute Schüler hat es jedoch keine Auswirkungen, wenn sie „Aufgefordert“ werden
sich zu beteiligen. Auch für Mathematik lassen sich unterschiedliche Entwicklungen zeigen, welche wichtige Aufschlüsse für die
Unterrichtsforschung & Implikationen für die Praxis liefern & somit zu neuen Hinweisen für eine Anpassung des Unterrichts an
die unterschiedlichen Voraussetzungen & Lernbedingungen von SchülerInnen führen können.
ID: 141
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Sonderpädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Inklusion, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Inklusion, Einstellung, Kinder, Grundschule, Gemeinsames Lernen
Die Entwicklung einer Skala zur Erhebung der Einstellung von Grundschulkindern zum gemeinsamen
Lernen
Stefanie Bosse, Christian Jäntsch, Jennifer Lambrecht, Thorsten Henke, Jessica Jaeuthe, Nadine Spörer
Universität Potsdam, Deutschland
In inklusiven Klassen lernen Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten zusammen, z. B. leistungsstärkere
und -schwächere Kinder, Kinder aus Familien mit und ohne Migrationsgeschichte oder auch Kinder mit einem und ohne einen
sonderpädagogischen Förderbedarf. Inwiefern das gemeinsame Lernen erfolgreich für die Kinder ist, hängt von zahlreichen
Einflussfaktoren ab. Beispielsweise besteht die Annahme, dass die Umsetzung von Inklusion eine entsprechend positive
Einstellung der beteiligten Akteure als notwendige Bedingung erfordert. Vielfach wurden hierfür die involvierten Lehrkräfte bzw.
die Lehramtsstudierenden zu ihrer inklusiven Einstellung befragt (Bosse & Spörer, 2014; Kunz, Luder & Moretti, 2010;
Savolainen, Engelbrecht, Nel & Malinen, 2011), aber auch die Einstellung der Eltern zum gemeinsamen Lernen rückte in den
Fokus (Bryer, Grimbeek, Beamish & Stanley, 2004; Müller, 2012). Eine Personengruppe, die zumindest in Deutschland bislang
wenig befragt wurde, sind die Kinder, die in inklusiven Klassen lernen.
Ein Schwerpunkt der bisherigen Forschung lag bislang darin, die allgemeine Einstellung von Kindern gegenüber anderen Kindern
mit einer Behinderung zu ermitteln. Dabei wurden sehr unterschiedliche Instrumente entwickelt (Yu, Ostrosky & Fowler, 2012).
Neben dem Einsatz von Fragebögen, z.B. CATCH-Scale von Rosenbaum, Armstrong & King (1986), Attitudes-Scale von Gash
(1993), Acceptance-Scale von Voeltz (1980), kamen auch Piktogramme zum Einsatz, die jedoch eher auf die Messung der
sozialen Akzeptanz bzw. der sozialen Distanz der befragten Vor- und Grundschulkinder zu Kindern mit Behinderungen abzielten
(Harter & Pike, 1984; Wocken, 1993). Schließlich versuchten Favazza und Odom (1996), die Einstellung von Kindern mittels
strukturierter Interviews zu erheben. Insgesamt zeigte sich, dass die eingesetzten Instrumente auf unterschiedliche kontextuelle
Rahmungen ausgerichtet sind. Größtenteils lag das Forschungsinteresse darauf herauszufinden, inwiefern die Einstellung eines
Kindes gegenüber Kindern mit Behinderung den Umfang und die Ausgestaltung der Peerbeziehungen beeinflusst. Die
Entwicklung eines deutschsprachigen Instruments zur Messung der Einstellung zum gemeinsamen Lernen ist insofern ein
Desiderat.
Das Ziel der vorliegenden Studie war es daher eine Skala zur Messung der Einstellung von deutschsprachigen
Grundschulkindern zum gemeinsamen Lernen zu entwickeln. Folgende Fragestellungen wurden untersucht: Mit welchen Items
können die Einstellungen von Grundschülern erhoben werden und welche inhaltliche Struktur ist erkennbar? Sind die Kinder dem
gemeinsamen Lernen gegenüber positiv oder negativ eingestellt? Welche Zusammenhänge bestehen zu fachlichen und sozialen
Kompetenzen der Kinder? Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde ein Untersuchungsdesign gewählt, das quantitative und
qualitative Methoden kombiniert. In einem ersten Schritt wurden acht Items zur Erfassung der Einstellung von Grundschülern
zum gemeinsamen Unterricht entwickelt. Diese Items erfragten die allgemeine Einstellung zum gemeinsamen Lernen, die
Einstellung gegenüber kognitiv eingeschränkten Kindern sowie gegenüber Kindern mit Verhaltensproblemen. Die Items wurden
N = 213 Viertklässlern aus n = 10 inklusiven Grundschulen vorgelegt. Die Kinder (53.8 % Mädchen; 98.1 % Herkunft Deutschland)
waren im Durchschnitt 10.3 Jahre alt (SD = .49). Die Analysen zur Reliabilität und zur antizipierten Struktur zeigten, dass sich
weder die angenommene Skalenstruktur finden ließ, noch eine andere Strukturierung inhaltlich und statistisch sinnvoll war
(Cronbachs α von .26 bis .66).
Eine Ursache für die mangelnde innere Konsistenz lag möglicherweise in der sprachlichen Komplexität der Items. Denkbar ist
auch, dass die Kinder grundsätzlich eine andere Vorstellung vom gemeinsamen Lernen hatten. Insofern wurden in einem zweiten
Schritt vier teilstandardisierte Gruppeninterviews mit Grundschülern der vierten Jahrgangsstufe geführt, um ihr Wissen und ihr
Vokabular im Hinblick auf das gemeinsame Lernen zu identifizieren. Die Interviews wurden transkribiert und mittels qualitativer
Inhaltsanalyse ausgewertet. Die gewonnen Informationen führten sodann zu einer Reformulierung der Fragebogenitems. Die
modifizierten Items werden in einem dritten Schritt den Grundschülern des ersten Messzeitpunkts vorgelegt. Diese Erhebung
wird im Januar 2016 stattfinden. Anschließend wird die postulierte Struktur der Einstellungsskala mittels konfirmatorischer
Faktorenanalyse überprüft. Zudem werden Zusammenhänge zu fachlichen und sozialen Kompetenzmaßen der Kinder
regressionsanalytisch geprüft.
ID: 151
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Inklusion, Motivation und Emotion
Stichworte: self-efficacy, selfregulation, daily-life study, children with psychiatric disorders, care research
From day hospital back to school: identifying conditions for successful school reintegration
Leona Hellwig1, Vera Brenner1,2, Annette Conzelmann1,2, Ute Dürrwächter1,2, Chrstiane Fiege3, Caterina Gawrilow1,3,
Augustin Kelava1,4, Tobias Renner1,2, Johanna Schmid1,3
1
LEAD Graduate School, University of Tübingen, Germany; 2Child and Adolescent Psychiatry University Medical Center
Tübingen, Germany; 3School Psychology Unit, Department of Psychology, University of Tübingen, Germany; 4Hector Research
Institute of Education Sciences and Psychology, Tübingen, Germany
Children and adolescents experience psychiatric disorders quiet often. For instance, a representative study in 7-17 year old
German children and adolescents observed psychiatrically relevant impairments in 15% of that age group (Ravens-Sieberer,
2008). Psychiatric day hospitals are a comparably new treatment approach for rather severe disorders. Within this treatment
setting, patients stay in the psychiatric facility during daytime, attend a clinic school, and spend nights at their home. This setting
allows for the training of transfer of treatment effects to the situation at home, but hardly to school. The transition from child and
adolescent psychiatric day hospitals back to regular school settings is a challenging transition for patients, their parents, and their
teachers. Practical empirical knowledge reveals that despite close cooperation between clinical therapists, parents, and schools,
school reintegration places a strong burden on all parties involved with potentially unfavorable outcomes for children in the
classroom and with regard to their general mental health status. In many cases, teachers express feelings of deficient self-efficacy
regarding their capability to meet individual needs of a child after discharge in the classroom context. It seems likely that such
concerns negatively influence both teacher-child interactions as well as parental perceptions, and, indirectly, parent-child
interactions, leading to a setback of improvements achieved during day hospital stays. Furthermore, a strong association between
teachers’ self-efficacy and students’ performance stresses the importance for the investigation in a sample of former psychiatry
patients (Klassen, & Tze, 2014). However, until today, only few and solely qualitative research has been carried out to
systematically investigate such factors fostering successful school reintegration after discharge and a potential reciprocity
between children’s, parents’, and teachers’ experiences, perceptions, and interactions during school reintegration. Moreover,
multi-informant and everyday-life close assessment methods as well as information on self-efficacy and self-control as a proxy
for psychological school readiness are needed (McClelland, Ponitz, Messersmith, & Tominey, 2010; Bandura, 1986). Therefore,
the project aims to:
(1.) describe psychosocial and academic functioning in children during the transition process from day hospital to their school as
well as to analyze (2.) same- and (3.) across-person associations of psychosocial and academic functioning as rated by children,
parents, and teachers. Methodologically, teacher, children and parents will answer once a day (two weeks before the discharge
and eight weeks after the discharge) questions on the perceived self-regulation of the child and the self-efficacy to tackle obstacles
at school. This dairy study is realized using an experience sampling software (android application) on smartphones. Children are
supported during the data collection phase, with items presented as audios, audio recording of free-text answers and a token
system to increase compliance.
ID: 153
Poster
Disziplinen-Cluster: Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: Lehramtsstudierende, Kompetenzentwicklung, Unterrichtsqualität, Rückmeldung, Perspektiven
Welches Feedback ist das Beste? Urteile unterschiedlicher Akteure über die Unterrichtsqualität von
Lehramtsstudierenden
Antje Biermann, Roland Brünken
Universität des Saarlandes, Deutschland
Als eine bedeutende Bedingung für die Entwicklung von Handlungskompetenzen von Lehramtsstudierenden kann die
Rückmeldung über das Verhalten in Unterrichtssituationen von Seiten verschiedener Akteure (Betreuungslehrer, Schüler,
Mitstudierende) angesehen werden. Durch die Implementierung mehrerer Praxisphasen im Rahmen des Lehramtsstudiums
besteht verstärkt die Möglichkeit einer kontinuierlichen Rückmeldung. Von entscheidender Bedeutung dabei ist, dass sich das
Feedback an den theoretischen Normen guten Unterrichts orientiert, um eine adäquate Weiterentwicklung im Sinne der
Ausbildungsstandards zu erreichen.
Nach Clausen (2002) sollten zu einem normorientierten Feedback eher Personen mit didaktisch-methodischem Verständnis in
der Lage sein, wie das z. B. für erfahrene Lehrkräfte im Schuldienst der Fall ist. Von Schülern wird angenommen, dass sie ihr
Urteil weniger auf der Grundlage von methodischer Sachkenntnis vornehmen (können), sondern eher aufgrund sekundärer
Faktoren (wie Leistungsbeurteilung durch die Lehrperson oder die eigene Leistungsfähigkeit, z. B. Kunter & Baumert, 2006). Die
Urteile externer Beobachter, die Unterrichtsstunden mit Hilfe von Videoaufzeichnungen mehrfach anschauen können, stimmen
aufgrund intensiver Schulungen wohl am ehesten mit den theoretischen Normen guten Unterrichts überein (z. B. Fauth,
Decristan, Rieser, Klieme & Büttner, 2014).
In der vorliegenden Studie wird der Frage nachgegangen, welches Urteil aus welcher Perspektive am ehesten mit dem
normorientierten Urteil externer Beobachter übereinstimmt und damit für die Rückmeldung der Handlungskompetenzen von
Lehramtsstudierenden und deren Professionalisierung am ehesten geeignet erscheint.
Im Rahmen des ersten Praktikums wurden die Unterrichtsversuche von N = 92 Lehramtsstudierenden der Fächer Deutsch und
Mathematik videographiert. Am Ende der Stunde wurde von allen Akteuren (unterrichtender Praktikant, Schüler,
Betreuungslehrer, hospitierende Mitstudierende) die Unterrichtsqualität mittels Fragebögen auf den drei Dimensionen
Klassenführung, Lernförderliches Klima sowie Klarheit und Strukturiertheit erfasst (Helmke et al., 2010). Je zwei geschulte
Beobachter schätzten die Unterrichtsqualität anhand der Videos mit Hilfe eines von Baer et al. (2011) adaptierten hoch inferenten
Rating-Inventars ebenfalls auf diesen drei Dimensionen ein. Zur Überprüfung der Fragestellung wurden Korrelationen zwischen
den aggregierten Mittelwerten auf Klassenebene berechnet.
Es zeigt sich in Anlehnung an frühere Studien, dass die Einschätzungen aller Perspektiven für die Dimension Klassenführung
statistisch signifikant in einem mittleren Bereich miteinander korrelieren, was mit der guten Beobachtbarkeit des Konstrukts erklärt
wird. Darüber hinaus sind die aggregierten Schülerurteile auf allen Dimensionen am stärksten mit den Videoratings korreliert, die
Übereinstimmungen der unterrichtenden Praktikanten sowie der Betreuungslehrer mit den Videoratings fallen am niedrigsten aus
und sind nur für die Dimension der Klassenführung statistisch signifikant. Für die Dimension Klarheit und Strukturiertheit
korrelieren nur die Schülerurteile mit den Videoratings, für die Dimension Lernförderliches Klima und Motivierung sind auch die
Zusammenhänge der Urteile der Mitstudierenden statistisch bedeutsam. Alle statistisch signifikanten Korrelationen liegen im
Bereich von r = .22 - .46.
In der vorliegenden Studie teilen die Schüler mehrere Eigenschaften mit den Videobeurteilern, was die höheren Zusammenhänge
erklären könnte, die im Gegensatz zu früheren Studien stehen. Beide Perspektiven haben durch die Beobachtung vieler
verschiedener Lehrpersonen eine große Vergleichsbasis unterschiedlicher Unterrichtsmethoden und -stile. Darüber hinaus ist
die beurteilte Einheit für die Perspektiven vergleichbarer als in früheren Studien, da auch die Schüler die Praktikanten nur einen
kurzen Zeitraum kennen und daher ihre Einschätzung nur auf die beobachtete Stunde beziehen können.
Es stellt sich die Frage, ob Schülerurteile verstärkt als Basis für die Rückmeldung im Rahmen der Kompetenzentwicklung
innerhalb der Praktika eingesetzt werden sollten. Darüber hinaus sollte diskutiert werden, wie die Urteile von Betreuungslehrern
verbessert werden können, da sie als wichtige Vermittler von Handlungskompetenzen im Rahmen der Praktika gelten.
ID: 156
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Chemie, Studienerfolg, Prädiktoren, Hochschule, ALSTER
Chemiespezifische und fächervergleichende Analysen von Studienerfolgsprädiktoren
Daniel Averbeck, Jens Fleischer, Elke Sumfleth, Detlev Leutner, Matthias Brand
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Die Ausbildung von Fachkräften ist für die Wirtschaft eines Landes unerlässlich. So zeichnet sich auch im Bereich der
naturwissenschaftlich-technischen Studiengänge eine stetig wachsende Nachfrage nach Ingenieuren und Wissenschaftlern ab.
Das Bedienen dieser Nachfrage wird gerade in den genannten Domänen unter anderem dadurch erschwert, dass lediglich ein
geringer Teil der Hochschulzugangsberechtigten ein naturwissenschaftlich-technisches Studium aufnimmt (Chen, 2009) und
diese Studiengänge zusätzlich die höchsten Studienabbruchquoten (bis zu 48%) aufweisen (Heublein, Richter, Schmelzer &
Sommer, 2012). Deshalb kommt der Analyse von Studienerfolgsprädiktoren und einer frühzeitigen und kriteriumsgeleiteten
Unterstützung von Studierenden eine besondere Bedeutung zu.
Folglich versucht die DFG-geförderte Forschergruppe ALSTER Faktoren für den Studienerfolg in den naturwissenschaftlichtechnischen Studiengängen und den moderierenden Effekt der disziplinspezifischen Anforderungen aufzuklären. Das Ziel des
hier dargestellten Forschungsvorhabens ist es, die chemiespezifischen Anforderungen zu untersuchen.
Untersuchungen zu Prädiktoren des Studienerfolgs in der Chemie sind bisher nur vereinzelt durchgeführt worden (z.B. Goodstein
& Howe, 1978; Bitner 1991; Freyer, 2013). Diese beziehen sich dabei überwiegend auf den Teilbereich der Allgemeinen Chemie,
da vermutet wird, dass dieser eine wichtige Rolle in der weiteren Laufbahn von Chemiestudierenden darstellt (Tai, Ward & Sadler,
2006). Darüber hinaus wird in Modulhandbüchern diverser Hochschulen dieser Einführungsveranstaltung unterstellt, dass dort
die fundamentalen Prinzipien der Chemie vermittelt und eine Basis für weiterführende spezifische Veranstaltungen geschaffen
werden (z.B. Universität Duisburg-Essen, 2014).
Studien zu anderen Teildisziplinen der Chemie sind noch seltener als die zur Allgemeinen Chemie und wurden in Deutschland
bisher nicht durchgeführt. Allen Studien, vorwiegend aus dem englischsprachigen Raum ist dabei gemeinsam, dass sie zum
einen teilbereichsspezifisch die Prädiktoren und den Studienerfolg operationalisieren und zum anderen unterschiedliche
Studierendengruppen mit ebenfalls unterschiedlichen Testinstrumenten untersuchen. Diesbezüglich sind die Ergebnisse weder
vergleichbar noch aufeinander zu beziehen. Darüber hinaus werden keine Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen
chemischen Subdisziplinen untersucht, was den Ausgangspunkt des hier dargestellten Forschungsvorhabens bildet.
Entsprechend werden die Wechselbeziehungen zwischen dem Vorwissen beziehungsweise dem Lernerfolg in den
grundlegenden Teilbereichen der Chemie (Allgemeine, Physikalische, Organische und Anorganische Chemie) und dem
Studienerfolg von Chemiestudierenden untersucht. Es wird angenommen, dass ein gutes Vorwissen im Bereich der Allgemeinen
beziehungsweise Physikalischen Chemie zu einem umfassenderen universitären Fachwissen im entsprechenden Teilbereich
führt. Darüber hinaus wird erwartet, dass ein breites Vorwissen beziehungsweise ein ausgeprägter Wissenszuwachs im Bereich
der Allgemeinen Chemie den Wissenszuwachs und Studienerfolg im Bereich der Physikalischen Chemie moderiert. Ergänzend
wird der Einfluss des Lernerfolgs in der Allgemeinen Chemie auf den Studienerfolg von Biologiestudierenden untersucht, die
Chemie als Nebenfach studieren. Im Vergleich zu den grundständigen Chemikern wird erwartet, dass ein hoher Lernerfolg in der
Allgemeinen Chemie lediglich einen geringen Einfluss auf den Studienerfolg der Biologiestudierenden hat.
Um das Vorwissen, das universitäre Fachwissen und den Lernerfolg der Erstsemesterstudierenden zu untersuchen, werden
jeweils teilbereichsspezifische Fachwissenstest in einem Prä-Post-Design eingesetzt. Die erreichte Punktzahl im jeweiligen PräTest steht für das chemische Vorwissen in der entsprechenden Subdisziplin und die erreichte Punktzahl im Post-Test für das
Fachwissen. Die Differenz zwischen beiden Performanzen bildet den universitären Lernerfolg ab. Um die prädiktive Kraft dieser
Variablen neben den fachunspezifischen Variablen auf den Studienerfolg im Fach Chemie zu untersuchen, wird dieser auf Basis
der Faktoren Modulabschlussnoten, Wissenszuwachs und Verbleib im Studium operationalisiert. Die Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen Teilbereichen der Chemie und deren Einfluss auf den Studienerfolg werden nach der Erhebung mittels
eines Cross-Lagged-Panel Modells überprüft.
Die Pilotstudie wird im Wintersemester 2015/16 mit zwei Messzeitpunkten zu Beginn und zum Ende des ersten Studiensemesters
durchgeführt. Auf dem Poster werden die Ergebnisse der Eingangserhebung detailliert dargestellt und erste Aussagen zum
Lernzuwachs in und Wechselbeziehungen zwischen der Allgemeinen und Physikalischen Chemie möglich sein.
ID: 159
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Vorschulische Bildung
Stichworte: vorschulische Förderung, selbstreguliertes Lernen, Theoriemodell, empirische Überprüfung
Empirische Überprüfung eines Modells selbstregulierten Lernens im Vorschulalter
Laura Venitz, Franziska Prof. Dr. Perels
Universität des Saarlandes, Deutschland
Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, die zu einer wachsenden Bedeutung lebenslanger Lernprozesse
sowie des eigenständigen Wissenserwerbs und der Wissensaktualisierung führen, steigt die Anerkennung selbstregulierten
Lernens als Basiskompetenz zunehmend (Baumert et. al., 2001, Dahlberg et. al., 2007). So konnten Untersuchungen wie bspw.
von Nota et. al. (2004) für das Grundschulalter oder Blair und Razza (2007) für das Vorschulalter nachweisen, dass
selbstreguliertes Lernen prädiktiv für zukünftige schulische Leistungen ist und somit möglichst frühzeitig dafür notwendige
Kompetenzen vermittelt werden sollten.
Vor diesem Hintergrund wurden ersten Interventionen zur Förderung selbstregulierten Lernens im Vorschulalter entwickelt
(Merget-Kullmann et. al., 2007; Perels & Otto, 2009). Zur (Weiter-)Entwicklung von Interventionen für Kinder im Alter zwischen
fünf und sechs Jahren gilt es, entwicklungspsychologische Voraussetzungen näher zu beleuchten, da insbesondere die Befunde
bezüglich des Entwicklungsstandes metakognitiver Fähigkeiten (als zentraler Bestandteil selbstregulierten Lernens) noch sehr
uneinheitlich sind (Veenmann et. al., 2006). Theoretische Annahmen zu zentralen Komponenten selbstregulierten Lernens, sowie
dem Zusammenwirken dieser sind somit auf die spezifische Altersklasse der Vorschüler abzustimmen. Vor diesem Hintergrund
besteht die Zielsetzung der vorliegenden Studie darin, ein Modell selbstregulierten Lernens zu entwickeln und empirisch zu
überprüfen, das theoretische Modellannahmen und entwicklungspsychologische Voraussetzungen von Vorschulkindern integriert
und somit erste Befunde zum Zusammenwirken von Komponenten selbstregulierten Lernens im Vorschulalter liefert.
Desweiteren soll der im Modell postulierte Zusammenhang des selbstregulierten Lernens mit Leistung im Vorschulalter überprüft
werden.
Die theoretische Basis für das konzipierte Modell selbstregulierten Lernens bilden das sozial-kognitive Modell der
Selbstregulation von Zimmerman (2000), sowie das Modell der Selbstregulation nach Bronson (2000). Durch die
Zusammenführung beider Modelle wurde für die vorliegende Studie ein Theoriemodell selbstregulierten Lernens abgeleitet,
welches in Anlehnung an Zimmerman (2000) zwischen der Phase der Handlungsplanung (forethought phase), der
Handlungsausführung (performance phase) und der Selbstreflexion (self-reflection phase) differenziert. Die jeweiligen Phasen
wiederum werden in Anlehnung an Bronson (2000) in verschiedene Bereiche der Selbstregulation (kognitive und motivationale
Selbstregulation) untergliedert.
Die Daten der vorliegenden Studie wurden im Rahmen einer von der Deutschen Fördergemeinschaft geförderten
Interventionsstudie zum Thema selbstregulierten Lernen im Vorschulalter erhoben. Die Stichprobe setzt sich aus 109 Vorschülern
(53,2% männlich; 46,8% weiblich) im Alter zwischen fünf und sechs Jahren (M=5,49 Jahre; SD= 0,50 Jahre) zusammen, deren
selbstreguliertes Lernen vor Durchführung der Intervention mit Hilfe der Childrens Independent Learning Development Checklist
(CHILD-Checklist) erhoben wurde (Whitebread et. al., 2009). Bei diesem Instrument handelt es sich um eine vierstufige
Ratingskala mit der ErzieherInnen das selbstregulierte Lernen der Vorschüler einschätzen. Die Internen Konsistenzen der vier
Subskalen und der Gesamtskala der CHILD-Checklist liegen mit Werten zwischen .78-.93 und für die Gesamtskala mit .96 in
einem ausreichend hohen Bereich (Domino & Domino, 2006). Zur Erfassung eines objektiven Leistungsmaßes wurden
Ergebnisse einer Konstruktionsaufgabe, dem Train Track Task herangezogen (Bryce & Whitebread, 2012; Whitebread et. al.,
2009). Die durchschnittliche Übereinstimmung bei der Beurteilung des Train Track Task betrug 93% (κn=0,93).
Auf Basis der mittels CHILD-Checklist erhobenen Daten wurde zunächst mit Hilfe einer exploratorischen Faktorenanalyse (EFA)
die Anzahl möglicher Faktoren bestimmt. Zur hypothesengeleiteten Überprüfung der Struktur wurde mit Hilfe des Programms
MPlus (Muthén & Muthén, 2012) eine konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) durchgeführt und das Zusammenwirken der
Komponenten selbstreguliertes Lernen im Vorschulalter sowie der Zusammenhang mit Leistung modelliert.
Die EFA ergab zwei zentrale Faktoren (Faktor 1: 49,75%; Faktor 2: 8% der Gesamtaufklärung), auf die selbstreguliertes Lernen
im Vorschulalter zurückzuführen ist. Die anschließend im Rahmen der konfirmatorischen Faktoren ermittelten globalen
Gütemaße weisen auf einen zufriedenstellenden Fit des Modells hin. Auch konnte der postulierte Zusammenhang von
selbstreguliertem Lernen und Leistung bestätigt werden.
Die Befunde sollen zu einem vertieften theoretischen Verständnis selbstregulierten Lernens von Vorschülern beitragen und
können davon ausgehend als Ansatzpunkte zur (Weiter-)Entwicklung von Interventionsmaßnahmen zum selbstregulierten
Lernen im Vorschulalter genutzt werden.
ID: 160
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Motivation und Emotion
Stichworte: Erwartungs-Wert-Modell, Physikolympiade, Intelligenzquotient, Erfolgserwartung, Qualifikationsvorhersage
Welche Art von Motivation hilft begabten Physikolympioniken am meisten?
Detlef Urhahne1, Justine Stang1, Chunjie Zhu1, Sabine Nick2, Ilka Parchmann2
1
Universität Passau, Deutschland; 2Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der
Universität Kiel
Die internationale Physik-Olympiade (IPhO) ist ein alljährlich weltweit stattfindender Wettbewerb für physikbegeisterte
Schülerinnen und Schüler. Ziel ist es, die interessierten wie talentierten Schülerinnen und Schüler zu fördern und ihnen das
Knüpfen internationaler Kontakte zu ermöglichen. Die fünf deutschen IPhO-Teammitglieder werden anhand eines vierstufigen
Auswahlprozesses ausgewählt. Außer exzellenten fachspezifischen Fähigkeiten sind motivationale Faktoren entscheidend, um
diesen Prozess erfolgreich zu durchlaufen. Das Leistungsmotivations-Modell von Eccles et al. (1983) wurde herangezogen, um
die Physiktestleistung und die Qualifikation der Teilnehmenden für die letzte Auswahlrunde der IPhO vorherzusagen.
Das Leistungsmotivations-Modell erklärt, warum Personen Aufgaben wählen und Leistung erbringen (Wigfield & Eccles, 2000).
Die Leistung wird von der Erfolgserwartung und von den Wertkomponenten direkt beeinflusst. In einem indirekten
Zusammenhang mit der Leistung stehen elterliche Einflüsse, Personenmerkmale, vorherige Leistungen sowie motivationalemotionale Faktoren. Das Modell konnte bereits erfolgreich in Studien zur Qualifikationsvorhersage eingesetzt werden (Stang,
Urhahne, Nick & Parchmann, 2014; Urhahne, Ho, Parchmann & Nick, 2012). Die vorherige Teilnahme (Urhahne et al., 2012) und
die Erfolgserwartung (Stang et al., 2014) erwiesen sich als signifikante Prädiktoren der IChO-Finalrunden. Auch ist bekannt, dass
sich die Familien der Olympioniken durch ein hohes Bildungsniveau und intellektuelle Ressourcen auszeichnen (Campbell, 1996;
Urhahne et al., 2012). Unterschiede im Intelligenzquotienten konnten zugunsten der erfolgreicheren Teilnehmenden festgestellt
werden. Qualifizierte nahmen öfter an Wettbewerben teil und hatten eine höhere Erfolgserwartung (Urhahne et al., 2012).
Aufbauend auf den Arbeiten von Urhahne et al. (2012) und Stang et al. (2014) wurde eine weitere naturwissenschaftliche Disziplin
in den Blick genommen. Anhand des Leistungsmotivationsmodells (Eccles et al., 1983) wurde überprüft, welche Modellvariablen
mit der Physiktestleistung und der Qualifikation zur vierten Auswahlrunde der Physik-Olympiade zusammenhängen und diese
vorhersagen. Es wurde getestet, ob ein Großteil der Qualifikantinnen und Qualifikanten auf Grundlage der Modellvariablen richtig
klassifiziert werden kann.
An der Studie nahmen 53 Schülerinnen und Schüler (11.3% weiblich) der dritten Runde des Auswahlverfahrens teil. Die
Teilnehmenden waren im Schnitt 17.19 (SD = 1.00) Jahre alt. Für die Finalrunde qualifizierten sich 15 Teilnehmende (13.3%
weiblich).
Zur Qualifikation mussten fachspezifische theoretische und experimentelle Prüfungen erfolgreich absolviert werden. Die
Modellvariablen wurden anhand von sechs Blöcken erfasst: elterliche Einflüsse; Personenmerkmale; vorherige Leistung;
Selbstschemata, Ziele, Motivation und Emotion; Erwartungen und Werte. Zur Messung der Variablen füllten die Teilnehmenden
einen Fragebogen aus und nahmen an einer Intelligenztestung teil. Die Teilnahme war freiwillig und wurde vom Leibniz-Institut
für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik der Universität Kiel organisiert.
Erfolgserwartung, Intelligenzquotient und frühere Teilnahme korrelierten signifikant positiv mit der Physiktestleistung und der
Qualifikation. Zusätzlich korrelierte die elterliche Expertise signifikant positiv mit der Physiktestleistung, jedoch nicht signifikant
mit der Qualifikation. Selbstkonzept, Selbstwirksamkeit, Hoffnung auf Erfolg und Zielerreichungswert waren signifikant negativ
mit beiden abhängigen Variablen korreliert. Zudem korrelierten Fachinteresse und Nützlichkeit signifikant negativ mit der
Qualifikation. Positiv korrelierende Modellvariablen gingen in hierarchisch-lineare und binär-logistische Regressionen zur
Vorhersage der Physiktestleistung und der Qualifikation ein. Teilnehmende mit einem höheren Intelligenzquotienten und höheren
Erfolgserwartungen schnitten im Physiktest besser ab. Zudem qualifizierten sich Probanden mit einer höheren Erfolgserwartung
eher für die Finalrunde. Das Regressionsmodell mit vier Prädiktoren sagte die Qualifikation in 80.0% der Fälle richtig vorher.
Die Ergebnisse werden auf inhaltlicher sowie methodischer Ebene diskutiert. Implikationen für Forschung und Praxis werden
vorgestellt.
ID: 161
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Genderforschung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Gender, MINT-Angebote, Förderung
MINT-Klasse oder nicht? Wahlverhalten aus Gender-Perspektive
Monika Holmeier, Tamara Stotz
Fachhochschule Nordwestschweiz, Schweiz
Theoretischer Hintergrund
Trotz verschiedenster Maßnahmen, den Frauenanteil in Studiengängen und Berufen im MINT-Bereich zu erhöhen (MINT =
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik), ist dieser Anteil weiterhin gering (von Reden, 2015; Schweizer
Eidgenossenschaft, 2010). Gründe hierfür sind u.a. die Fach- und Berufskulturen der technisch-naturwissenschaftlichen
Studiengänge und Berufe sowie die unterschiedliche Sozialisation von Männern und Frauen (u.a. Quaiser-Pohl, 2012; Solga &
Pfahl, 2009; Schwarze, 2010; Viehoff, 2015). Studien zur Berufswahl zeigen bspw., dass Männer eher auf gute
Verdienstmöglichkeiten und ein hohes Ansehen im späteren Beruf bedacht sind, Frauen darauf, anderen Menschen helfen zu
können (atatech, 2014).
Die oben genannten Befunde beziehen sich vorrangig auf relevante Karriereentscheidungen (Studien- und Berufswahl) im MINTBereich. Es fehlen aber Studien, die untersuchen, warum sich junge Frauen und Männer für oder gegen die Teilnahme an einem
freiwilligen MINT-Bildungsangebot entscheiden, das primär der Interessensförderung dient und keiner direkten
Karriereentscheidung unterliegt. Ebenso lassen die meisten Studien diejenigen Schüler/innen außer Acht, die sich trotz Interesse
an MINT-Programmen gegen eine Teilnahme entscheiden. Deren Gründe könnten jedoch maßgeblich Auskunft darüber geben,
wo angesetzt werden muss, um mehr Frauen für solche Angebote zu gewinnen.
Forschungsfrage
Der Beitrag setzt an dieser Forschungslücke an und fragt, aus welchen Gründen sich Frauen für oder gegen die Teilnahme an
einem freiwilligen MINT-Bildungsangebot entscheiden und ob sich Unterschiede zu den Männern zeigen. Es ist davon
auszugehen, dass Aspekte wie Begabung, persönlicher Nutzen und Interesse bei der Entscheidung zur Teilnahme bedeutend
sind, wobei die Gewichtung dieser Faktoren in Abhängigkeit des Geschlechts (acatech, 2014) als auch in Abhängigkeit davon
variiert, ob jemals darüber nachgedacht wurde, ein solches Angebot zu besuchen.
Methoden & Daten
Zur Beantwortung der Fragen werden Daten der Evaluation MINT-Klasse herangezogen. Die MINT-Klassen wurden im Schuljahr
2013/14 im Gymnasium Köniz-Lerbermatt in Bern eingeführt. Schüler/innen der MINT-Klassen erhalten während der drei Jahre
vor der Matura in zwei zusätzlichen Schulstunden pro Woche die Möglichkeit, naturwissenschaftlich-technische Probleme auf
selbstständige und anwendungsorientierte Weise zu bearbeiten.
Im Rahmen der Evaluation wurden die ersten drei Jahrgänge der MINT-Klassen sowie jeweils drei zusätzliche Kontrollklassen
(N = 298 Schüler/innen) mittels Fragebogen nach ihren Gründen für oder gegen die Teilnahme an der MINT-Klasse befragt.
Zudem wurden die Schüler/innen der Kontrollgruppe gefragt, ob sie in Erwägung gezogen haben, die MINT-Klasse zu besuchen.
Die Aussagen der Schüler/innen zu den Teilnahmegründen wurden gemäß Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) den am Material
erarbeiteten Kategorien zugeordnet, ausgezählt und zwischen den Geschlechtern verglichen. In einem weiteren Schritt wurde
der Fokus auf die Frauen gelegt, die ursprünglich Interesse gezeigt haben, letztlich aber doch nicht an den MINT-Klassen
teilgenommen haben. Ihre Gründe wurden mit den Gründen jener Frauen verglichen, die sich von Anfang an gegen eine
Teilnahme ausgesprochen haben.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zeigen, dass der zusätzliche Zeitaufwand, das fehlende Interesse und die Teilnahme am Alternativangebot der
englischsprachigen Matura als Gründe gegen die Teilnahme genannt werden (englischsprachige Matura schließt Teilnahme an
der MINT-Klasse aus). Starkes generelles Interesse und die Möglichkeit, praktisch zu arbeiten, werden als Gründe für die
Teilnahme genannt. Es zeigen sich tendenziell Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Auch die Gründe der Frauen, die
über eine Teilnahme nachgedacht haben, unterscheiden sich zu jenen Frauen, die eine Teilnahme nicht in Betracht gezogen
haben. Letztere nennen bspw. generelles Desinteresse als Grund gegen die Teilnahme, während die anfänglich interessierten
Frauen eher den zusätzlichen Zeitaufwand und die Teilnahme an der englischsprachigen Matura als Gründe dagegen nennen.
Diskussion
Die Ergebnisse werden weiter systematisiert und an der Konferenz unter dem Fokus diskutiert, welche Maßnahmen ergriffen
werden sollten, um die Frauen für MINT-Bildungsangebote zu gewinnen, die zwar Interesse haben, sich aber gegen eine
Teilnahme entscheiden. Gerade sie abzugreifen, könnte zu einem steigenden Anteil an Frauen in MINT-Berufen und Studiengängen beitragen.
ID: 171
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Geschichte, Philosophie, Religion,
Gesellschaftswissenschaften
Thematisches Cluster: Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Geschichtsdidaktik, Lehrkompetenzen, Lernaufgaben, Vignettentest, Testvalidierung
Fachdidaktische Kompetenzen angehender Lehrkräfte beim Formulieren von Lernaufgaben im
Geschichtsunterricht
Mario Resch, Christian Vollmer, Manfred Seidenfuß
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund. In der Disziplin der Geschichtsdidaktik stellt die Konzeption eines Geschichtslehrerkompetenzmodells
als Grundlage für die empirische Erfassung und Überprüfung von Kompetenzentwicklungen von Geschichtslehrkräften ein
Desiderat dar, das in einer Studie im Rahmen des interdisziplinären Forschungs- und Nachwuchskollegs EKoL (Effektive
Kompetenzdiagnose in der Lehrerbildung) bearbeitet wird (Kanert und Resch 2014). Für die vorliegende Studie wurde in
Anlehnung an COACTIV (Baumert und Kunter 2011), Observer (Stürmer und Seidel 2015) und FUER (Körber et al. 2007) ein
Kompetenzmodell für das fachdidaktische Wissen und Können (PCK) angehender Geschichtslehrkräfte theoriebasiert entwickelt
und empirisch validiert.
Fragestellungen. Der Postervortrag konzentriert sich auf die Fragestellungen: (1) Welche Struktur weisen professionelle
fachdidaktische Kompetenzen (PCK) von Geschichtslehrkräften auf? (2) Welche psychometrischen Eigenschaften weist der
konzipierte Vignettentest auf?
Methode. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde ein vignettengestütztes Testinstrument eingesetzt, das im Gegensatz zu
Waldis (2014) nur mit geschlossenem Antwortformat (6-stufig, trifft gar nicht zu – trifft voll zu) versehen ist. Eine Vignette stellt
hierbei eine Unterrichtssituation dar, welche die Komplexität von Geschichtsunterricht im konkreten Unterrichtsgeschehen
möglichst realistisch abbildet. Der fachdidaktische Problemgehalt soll von den Proband(inn)en erkannt und aus
geschichtsdidaktischer Sicht beurteilt werden. Zentrale Aspekte des Vignettentests sind konzeptionelles Wissen zur
Unterrichtsplanung, die Fähigkeit relevante Aspekte des Unterrichtsgeschehens zu erkennen und eine adäquate Weiterführung
des Unterrichts. Der Vignettentest bezieht sich dabei auf den relevanten Unterrichtsaspekt „Aufgaben formulieren können“
(Mägdefrau und Michler 2014; Waldis et al. 2012).
Um möglichst authentische und valide Testformate zu entwickeln, durchlief jede Vignette einen Validierungsprozess, der das
Testinstrument hinsichtlich seiner empirischen Aussagekraft evaluierte. Die Validierung orientierte sich an den
Validierungsschritten naturwissenschaftlicher Studien (Brovelli et al. 2013; Tepner und Dollny 2014) zur Erhebung
fachdidaktischer Kompetenzen. Hierzu fanden qualitative (n = 20) und quantitative (n = 90) Expertenbefragungen statt.
Um eine Abschätzung vorhandener Kompetenzen angehender Lehrkräfte zu ermöglichen, wurden im Sommersemester 2015
Studierende an Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg (n = 501) befragt. Hierbei werden Geschlecht,
Fachsemester, Lehrerfahrung, kognitive Grundfähigkeiten (Wortanalogien; Kersting et al. 2008), Persönlichkeitsmerkmale (BIG5: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit; Gerlitz und Schupp 2005),
Berufswahlmotive (FEMOLA; Pohlmann und Möller 2010) und berufsbezogene Selbstkonzepte (ERBSE; Retelsdorf et al. 2014)
als Kovariaten kontrolliert.
Ergebnisse. Die vorliegende Posterpräsentation fokussiert die Testvalidierung und stellt die psychometrischen Eigenschaften
des Vignettentest vor. Insbesondere wird dargestellt, inwieweit sich der Vignettentest im Rahmen der Item-Response-Theorie
angemessen skalieren lässt, welche Dimensionalität der Vignettentest hat und wie sich diskriminante und konvergente Validität
des Vignettentests einschätzen lassen.
ID: 184
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Positionseffekte, Testteilnahmemotivation
Moderation von Positionseffekten durch Testteilnahmemotivation
Martin Hecht, Sebastian Weirich
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Im Large-scale Assessment variiert die Itemschwierigkeit in Abhängigkeit der Position des Items im Testheft. Üblicherweise ist
ein Item, das am Ende eines Tests platziert wird, wesentlich schwieriger als wenn dieses am Anfang des Tests platziert worden
wäre. Solche Positionseffekte verletzen demnach die in vielen IRT-Methoden (z. B. in Linking-Verfahren; Cook & Petersen, 1987;
Kolen & Brennan, 2004) getroffene Annahme der Invarianz der Itemparameter über Testformen.
Fragestellung
Während Positionseffekte und deren potentielle Konsequenzen relativ gut erforscht sind (z. B. Hecht, Weirich, Siegle & Frey,
2015), ist die Frage, warum Positionseffekte auftreten, bisher nur marginal geklärt (Debeer & Janssen, 2013). In dem
vorliegenden Beitrag untersuchen wir den Zusammenhang von Positionseffekten und der Testteilnahmemotivation über die
Spanne eines zweistündigen Leistungstests. Spezielles Interesse gilt hierbei der Interaktion von Positionseffekten und der
Testteilnahmemotivation, da diese beiden Effekte bisher nur separat betrachtet wurden. Die konkreten Forschungsfragen lauten:
1. Wie stark ändert sich die Testteilnahmemotivation während des Leistungstests?
2. Treten Positionseffekte auf?
3. Werden die Positionseffekte durch die Testteilnahmemotivation moderiert?
Methode
Die Daten stammen aus einer großen Studie in Deutschland zur Messung der Kompetenz von 9.-Klässlern in den
Naturwissenschaften. Die Stichprobe bestand aus N=9,410 Schülerinnen und Schülern, denen jeweils eins von 31 Testheften
mit einer Auswahl von insgesamt 386 Items zur Bearbeitung vorgelegt wurde. Die Testhefte wurden entsprechend eines YoudenSquare-Designs mit u. a. vollständiger Balancierung der Blockpositionen erstellt. Die Blocklänge betrug 20 Minuten, was bei
sechs Blockpositionen je Testheft einer Gesamtbearbeitungsdauer von 120 Minuten entspricht. Die Testteilnahmemotivation
wurde drei Mal (zu Beginn, nach der Hälfte und am Ende des Tests) mit jeweils vier Items gemessen.
Zur Modellierung der Positionseffekte wurden Generalized Linear Mixed Models (GLMM) und das R-Paket lme4 verwendet,
wobei die Itemposition und die Testteilnahmemotivation als Prädiktoren der Lösungswahrscheinlichkeiten eingesetzt wurden. Da
die Testteilnahmemotivation je Messzeitpunkt mit mehreren Items gemessen wurde, konnte der Messfehler unter Verwendung
eines Strukturgleichungsmodells kontrolliert werden. Um die Veränderung der Testteilnahmemotivation zu modellieren, wurden
zusätzlich die Komponenten eines linearen Latent Growth Curve Modells (Intercept/Slope) in das Strukturgleichungsmodell
integriert und die Factor Scores bestimmt, die dann in die GLMM Modelle eingingen.
Ergebnisse
Die Testteilnahmemotivation nimmt über den Test hinweg im Mittel substantiell ab. Weiterhin zeigte sich, dass die InterceptVarianz wesentlich größer ist als die Slope-Varianz, was darauf hinweist, dass die Schülerinnen und Schüler sich zwar in ihrer
Motivation, den Test zu bearbeiten, unterscheiden, die Abnahme deren Motivation aber relativ homogen ist.
Positionseffekte ließen sich erwartungsgemäß ebenfalls nachweisen, wobei mit höherer Position im Testheft die
Itemschwierigkeit steigt. Besonders interessant war neben den Haupteffekten von Position und Testteilnahmemotivation deren
Interaktion, die sich als signifikant herausstellte. Das heißt, dass für Schülerinnen und Schüler mit geringerer Motivation und
stärkerer Motivationsabnahme die Positionseffekte deutlich ausgeprägter sind.
Diskussion
Diese Ergebnisse sind beispielsweise für Linking-Methoden und im Hinblick auf die Testvalidität relevant.
Das Prinzip der Balancierung, dass essentiell für alle Linking-Designs ist, beruht auf der Annahme, dass Effekte, die nicht im
Modell parametrisiert sind, im Mittel zwischen den zu linkenden Populationen gleich sind. Die Haltbarkeit dieser Annahme ist
unter den berichteten Ergebnissen zumindest fraglich, da die Testteilnahmemotivation üblicherweise nicht Eingang in die IRTSkalierungen findet.
Weiterhin implizieren die Ergebnisse, dass das Verhältnis von konstruktrelevanter und konstruktirrelevanter Varianz sich während
des Tests ändert. Bei den Testteilnehmern kommen die Positionseffekte in Abhängigkeit ihrer Motivation unterschiedlich schwer
zu tragen. Das heißt, dass die konstruktirrelevante Variation für manche Personen stärker als für andere ansteigt, was die
Interpretation der Testscores ungünstig beeinflusst. Für Testdesigns impliziert dies, dass die Balancierung von Positionen nicht
ausreicht, um für Positionseffekte zu kontrollieren. Vielmehr sollte in zukünftigen IRT-Skalierungen auch die
Testteilnahmemotivation berücksichtigt werden.
ID: 185
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Lehramtsstudium, Lehrerbildungsforschung, Einstellungen, Längsschnittstudie
Einstellungsänderungen gegenüber der Komplexität von Unterricht im Praxissemester
Andreas Bach1, Thomas Fischer2, Horst Biedermann1
1
Paris-Lodron-Universität Salzburg, Österreich; 2Europa-Universität Flensburg
Theoretischer Hintergrund: Einstellungen bzw. Überzeugungen bilden in den derzeit diskutierten lehrerberufsspezifischen
Kompetenzmodellen eine eigenständige Kompetenzfacette und damit einen zentralen Bestandteil der beruflichen
Handlungskompetenz von Lehrkräften. Es wird davon ausgegangen, dass Einstellungen das Handeln von Lehrkräften
bedeutsam beeinflussen (Baumert & Kunter, 2006; Lipowsky, 2006; Richardson, 1996), wobei in empirischen Studien bislang
häufiger epistemologische und hier insbesondere domänenspezifische Überzeugungen für das Fach Mathematik in den Blick
genommen worden sind (Biedermann, Brühwiler & Krattenmacher, 2012). Seltener untersucht wurden bislang unterrichts- und
schulbezogene Einstellungen. Die unter dem Begriff der „Konstanzer Wanne“ bekannt gewordenen Untersuchungen zu
Lehrereinstellungen der 1970er Jahre analysierten Einstellungsänderungen als Sozialisationseffekte des Studiums und der
Schule. Aussagekräftige Längsschnittstudien zur Entwicklung berufsbezogener Einstellungen bei Lehramtsstudierenden
insbesondere unter Berücksichtigung schulpraktischer Lerngelegenheiten liegen im Anschluss an diese Untersuchungen kaum
vor.
Die vorliegende Studie greift dieses Desiderat auf und fokussiert den spezifischen Aspekt der Komplexität von Unterricht. In der
Unterrichtsforschung unterscheidet Doyle (1986) hierbei unterschiedliche Dimensionen der Komplexität, mit denen konstitutive
Strukturmerkmale von Unterricht und damit Anforderungen an das Lehrerhandeln spezifiziert werden.
Fragestellung: In Anlehnung an den Ansatz von Doyle (1986) verfolgt die Studie zwei zentrale Fragestellungen: Zum einen
richtet sich die Untersuchung auf die konstruktausarbeitende und empirisch-instrumentelle Fragestellung, wie Einstellungen
gegenüber der Komplexität von Unterricht auf Grundlage der Komplexitätsmerkmale nach Doyle (1986) operationalisiert und
erfasst werden können. Zum anderen wird analysiert, über welche Einstellungen zur Komplexität von Unterricht
Lehramtsstudierende verfügen und ob sich bedeutsame Veränderungen nach der Teilnahme an einem Praxissemester zeigen.
Methode: Die Datenbasis stammt aus dem Projekt „Intensität und Stabilität berufsbezogener Einstellungen im Lehramtsstudium“
(ISabEL), das an der Europa-Universität Flensburg durchgeführt wird. Die Veränderungsmessung erfolgt mit Hilfe von linearen
Strukturgleichungsmodellen (Latent-Change-Analysen) mit dem Programm Mplus. Die Stichprobe der vorliegenden Prä-PostAnalyse umfasste die Kohorte der Masterstudierenden im Praxissemester, das an der Europa-Universität Flensburg im 3.
Fachsemester der Masterstudiengänge Lehramt an Grundschulen und an Gemeinschaftsschulen durchgeführt wird. Insgesamt
nahmen 233 Studierende an der Befragung teil. Die eingesetzte Skala „Einstellungen zur Komplexität von Unterricht“ (EKU)
wurde im Rahmen des Projekts entwickelt und basiert inhaltlich auf den sechs Merkmalen komplexen Unterrichts nach Doyle
(1986). Die Faktorenstruktur der Skala wurde mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse (CFA) überprüft.
Ergebnisse: Die psychometrischen Ergebnisse für die Skala zeigen, dass sich die Merkmale komplexen Unterrichts nach Doyle
(1986) als Einstellungen durch Items mit Likert-Skalierung operationalisieren lassen. Die postulierte sechsfaktorielle Struktur des
Konstrukts ist empirisch nachweisbar. Für das spezifizierte Modell konnten akzeptable Modell-Fit-Werte ermittelt werden. In der
Prä-Post-Studie konnte belegt werden, dass sich die Einstellungen von Lehramtsstudierenden statistisch signifikant und praktisch
bedeutsam im Verlauf eines zehnwöchigen Praxissemesters verändern. Die Veränderung zeigte sich in allen sechs
Einstellungsbereichen und weist in die gleiche Richtung: Die Komplexität von Unterricht wird nach dem Praxissemester als
weniger anstrengend bewertet. Im Rahmen eines Praxissemesters, das den Schwerpunkt auf das Unterrichten legt, kann
vermutlich in nicht unerheblichem Maße erfahrungsbasiertes Wissen erworben werden, das sowohl schnelles als auch
angemessenes Handeln in komplexen, wiederkehrenden Situationen ermöglicht. Es kann angenommen werden, dass es
Studierenden dadurch gelingt, nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die tatsächlich strukturell vorhandene Komplexität von
Unterricht im Verlauf einer längeren Praxisphase zumindest partiell zu reduzieren und dass sich in der Folge auch die
Einstellungen gegenüber jenen Unterrichtsmerkmalen in die beschriebene Richtung verändern.
ID: 186
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Wissenstypen, Studienerfolg, Biologie, Physik, Studium
Vorwissen als Einflussfaktor für Studienerfolg in Biologie und Physik
Torsten Binder, Philipp Schmiemann, Heike Theyßen, Angela Sandmann, Bernd Sures
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Immer mehr Jugendliche wählen statt einer klassischen Ausbildung ein Hochschulstudium. Prognosen der Studierendenzahlen
zeigen an, das zwischen 2012 und 2020 deutlich über 450.000 Studienanfänger pro Jahr erwartet werden (KMK, 2014). Mit
diesen erheblich steigenden Studierendenzahlen geht auch ein erhöhter Studienabbruch einher. Besonders in den
naturwissenschaftlichen Fächern bricht ein Großteil der Studierenden (durchschnittlich 37%) sein Studium ab (Heublein, Richter,
Schmelzer & Sommer, 2014). Aus diesem Grund müssen besonders in diesen Fächern Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches
Studium ausgemacht werden. Das ist Gegenstand mehrerer Studien in der von der DFG geförderten Forschergruppe ALSTER.
Die vorliegende Studie fokussiert auf das fachspezifische Vorwissen in Biologie und Physik als Prädiktor für Studienerfolg.
Theoretischer Hintergrund
Blickt man auf bisherige Studien zu Studienerfolgsfaktoren, so standen vor allem fachunspezifische Faktoren, beispielsweise die
Abiturdurchschnittsnote im Fokus (Gold & Souvignier, 2005). Im Hinblick auf eine Weiterentwicklung auf Ebene konkreter
Lehrveranstaltungen, sind aber auch fachspezifische Faktoren von Interesse. Hier spielen u.a. das Fachinteresse und das
fachspezifische Vorwissen eine Rolle (Formazin, 2011). Grundsätzlich gilt das Vorwissen als ein starker Prädiktor für Lernleistung
(Dochy, Segers & Buehl, 1999). Hinsichtlich der Studienerfolgsprognose scheinen allerdings Unterschiede bei verschiedenen
Typen des fachspezifischen Wissens zu bestehen. So unterscheidet Hailikari (2009) in ihrem Modell vier Wissenstypen:
Knowledge of facts, Knowledge of meaning, Integration of knowledge und Application of knowledge. In Studien zum Einfluss
dieser Wissenstypen auf den Studienerfolg in verschiedenen Fächern finden sich unterschiedlich starke Einflüsse einzelner
Wissenstypen (Hailikari et al. 2007, 2009, 2010). So hat beispielsweise Application of knowledge in Chemie den stärksten Einfluss
auf späteren Studienerfolg, in Mathematik hingegen ist Integration of knowledge stärkster Prädiktor (Hailikari & Nevgi, 2010;
Hailikari, Nevgi & Lindblom-Ylänne, 2007). Untersuchungen über den Einfluss der verschiedenen Wissenstypen in Biologie und
Physik liegen bislang nicht vor.
Fragestellung und Zielsetzung
Ziel der Studie ist es, die Bedeutung des fachspezifischen Vorwissens als Prädiktor für Studienerfolg von Biologie- und
Physikstudierenden in der Studieneingangsphase nach Wissenstypen differenziert aufzuklären. Aufgrund der unterschiedlichen
Struktur des Curriculums in Biologie und Physik sind hier unterschiedliche Zusammenhänge anzunehmen. Daraus ergeben sich
die folgenden Forschungsfragen:
Allgemeiner Einfluss
Wie stark prädiktiert das fachspezifische Vorwissen den Studienerfolg in Physik bzw. Biologie in der Studieneingangsphase?
Einfluss der Wissenstypen
Wie stark prädiktieren die verschiedenen Typen des fachspezifischen Vorwissens den Studienerfolg in Physik bzw. Biologie in
der Studieneingangsphase?
Fächervergleich
Welche Unterschiede bestehen zwischen den Fächern Physik und Biologie hinsichtlich der Prädiktionskraft verschiedener Typen
des fachspezifischen Vorwissens für den Studienerfolg?
Untersuchungsdesign und Stichprobe
Um das Wissen der Studierenden (ca. N = 300) zu erfassen, werden auf Basis des theoretischen Modells von Hailikari (2009) in
beiden Fächern Testsets entwickelt, die die Wissenstypen abbilden. Dazu kommen basierend auf den Charakteristika der
einzelnen Wissenstypen verschiedene Methoden zum Einsatz.
- Knowledge of facts: Multiple Choice-Items (Schachtschneider et al., 2014)
- Knowledge of meaning: Kurzantworten
- Integration of knowledge: Concept Maps
- Application of knowledge: Sortieraufgaben (nach Friege, 2001)
Die Testinhalte beziehen sich auf die Inhalte des ersten und zweiten Semesters (Biologie: Botanik und Zoologie, Physik:
Mechanik und Elektrodynamik). Für längsschnittliche Auswertungen sind die Tests über Ankeritems verbunden.
Das Wissen wird zu bzw. vor Beginn des ersten und zweiten Semesters erhoben, bezogen auf die inhaltlichen Schwerpunkte
des jeweiligen Semesters. Der Studienerfolg wird in Form des Verbleibs im Studium, der Noten am Semesterende und des
fachlichen Lernzuwachses in den Wissenstypen über das Semester hinweg operationalisiert. Zusätzlich werden weitere
potenzielle Einflussfaktoren erfasst (z. B. Studieninteresse, kognitive Fähigkeiten).
Erwartete Erträge
Als Ertrag des Projektes werden zum einen Testinstrumente für die vier Wissenstypen für Biologie und Physik vorliegen. Darüber
hinaus werden detaillierte Erkenntnisse über den Einfluss der Wissenstypen auf den Studienerfolg in beiden Fächern erwartet.
Auf Grundlage der erwarteten Ergebnisse können Unterstützungssysteme für das Biologie- und Physikstudium entwickelt
werden.
ID: 194
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Methoden der empirischen
Bildungsforschung
Stichworte: Kompetenzmodelle, Kompetenzerfassung, Validierung, innovative Methoden
Herausforderungen und Perspektiven der Kompetenzerfassung im Hochschulsektor – Das neue BMBFForschungsprogramm „KoKoHs II“
Miriam Toepper1, Olga Zlatkin-Troitschanskaia1, Hans Anand Pant2, Corinna Lautenbach2
1
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland; 2Humboldt-Universität zu Berlin
Im deutschen Hochschulsektor sind in den letzten Jahrzehnten weitreichende bildungspolitische Reformen zu beobachten (z.B.
Bologna-Reform, Neues Steuerungsmodell). Trotz dieser Maßnahmen sind die dem Hochschulsystem inhärenten Probleme
bislang weiterhin bestehen geblieben. Für die letzten Jahre ist teilweise eher eine Verschärfung von Problemen in der
hochschulischen Bildung zu konstatieren, beispielsweise eine beträchtliche soziale Selektion auch in den neuen BA/MAStudiengängen (z.B. Zlatkin-Troitschanskaia et al., 2012; Maaz et al., 2014), mangelnde Chancengerechtigkeit etwa für
Studierende mit Migrationshintergrund und Genderproblematik in mehreren Fachdisziplinen (zu Wirtschaftswissenschaften, siehe
z.B. Brückner et al. 2015) sowie hohe Misserfolgsquoten, die die hohen Studienabbruchzahlen und langen Studienzeiten
widerspiegeln (Bildungsberichte 2012; 2014). Nicht zuletzt angesichts der für Deutschland alarmierenden Ergebnisse der PIAACStudie rücken Fragen nach Effektivität und Effizienz der Hochschulbildung zunehmend in den Fokus. Die Bildungsqualität der
Hochschule sowie ihre individuellen und gesellschaftlichen Erträge stehen hierbei zur Debatte. Die damit verbundenen Fragen
können nur dann auf Grundlage von Evidenzen beantwortet werden, wenn empirisch fundierte Erkenntnisse zu den Bedingungen,
zur Entwicklung und Gestaltung sowie zu Wirkungen von akademischen Lernprozessen vorliegen. Dies umfasst die valide
Erfassung der in der Hochschulbildung erworbenen Kompetenzen als zentrale „Outcomes“ akademischer Ausbildung. In diesem
Kontext ist die BMBF-Förderlinie „Kompetenzmodellierung und Kompetenzerfassung im Hochschulsektor (KoKoHs)“ zu verorten,
welche die hochschulpolitisch und hochschulpraktisch aktuellen Herausforderungen der „Kompetenzorientierung“ in der Lehrund Prüfungspraxis fokussiert und einen wesentlichen Beitrag zur Schließung bestehender Forschungslücken leistet (Blömeke
et al., 2013). Während der ersten Förderphase des nationalen Forschungsprogramms KoKoHs (2011-2015) wurden
Kompetenzmodelle und Instrumente zur validen Erfassung akademisch erworbener Kompetenzen entwickelt und bundesweit
empirisch erprobt (Zlatkin-Troitschanskaia et al., 2014). Erste Ergebnisse zeigen (Zlatkin-Troitschanskaia et al., in press), dass
die für verschiedene Studiendomänen (wie Lehrerbildung, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften) entwickelten
Kompetenzmodelle und dazugehörigen Instrumente eine solide Grundlage liefern, auf der in Zukunft mit vertiefenden,
längsschnittlich angelegten, mehrere Ebenen umfassenden Analysen im Rahmen von (feld-)experimentellen Validierungsstudien
aufgebaut werden kann. In solch weiterführenden Forschungsarbeiten kommt es auf die Erfassung der manifesten
Lernergebnisse, aber auch auf die differenzierte Analyse der Bedingungen des Kompetenzerwerbs an, um Zusammenhänge
zwischen Lernerfolg und den individuellen sowie institutionellen Voraussetzungen dafür erklären zu können.
Im Zuge der zweiten Förderphase (2016-2020) „Kompetenzmodelle und Instrumente der Kompetenzerfassung im
Hochschulsektor – Validierungen und methodische Innovationen (KoKoHs II)“ werden im Laufe der nächsten vier Jahre zentrale
Entwicklungsbedarfe der weiterführenden Kompetenzforschung im Hochschulbereich systematisch in den Blick genommen. Im
Rahmen von insgesamt 15 Projektverbünden wird erforscht, wie trotz hoher konzeptueller und messmethodischer Anforderungen
eine objektive, zuverlässige und valide Messung akademischer Kompetenzen gewährleistet werden kann. Neben dem Rückgriff
auf erforderliche mehrebenenanalytische und längsschnittliche Untersuchungsdesigns und quasi-experimentelle
Validierungsstudien werden auch international innovative Verfahren der Kompetenzerfassung (z.B. computerbasierte adaptive
Assessments) eingesetzt und weiterentwickelt.
In diesem Beitrag werden die zentralen Zielstellungen, der übergreifende konzeptuelle und methodische Rahmen des
Forschungsprogramms, seine Struktur und das Arbeitsprogramm der Gesamtinitiative für die kommenden Jahre erstmals
präsentiert. Mit Blick auf die Struktur des Gesamtprogramms werden thematische Schwerpunkte wie „Erfassung der
Kompetenzentwicklungsverläufe“ und „Methodische Innovationen“ hervorgehoben. In Bezug auf die Messmethodik wird in fast
allen Projektverbünden z.B. die prognostische Validität der Kompetenzmessverfahren geprüft. Diese Perspektive ist auch für den
Wissenschaftstransfer in die Hochschulpraxis besonders bedeutsam. Zwei Drittel der Projekte sind längsschnittlich angelegt und
betrachten „Kompetenzentwicklungsverläufe während des Studiums“. So können u.a. Hinweise zu Effekten von
studienbezogenen Kontextfaktoren gewonnen werden, etwa zur Bedeutung von verschiedenen Lerngelegenheiten im Studium
für den Kompetenzerwerb. Solche Forschungsarbeiten sind nicht nur für die aktuelle Kompetenzforschung sondern auch mit
Blick auf die Hochschulpraxis und -politik besonders relevant.
Die neue thematische und messmethodische Schwerpunktsetzung und Ausrichtung des Forschungsprogramms KoKoHs II soll
im Rahmen der GEBF-Tagung hinsichtlich ihrer Implikationen für die empirische Hochschul- und Kompetenzforschung mit der
Scientific Community diskutiert werden.
ID: 203
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktik Fremdsprachen
Thematisches Cluster: Fremdsprachenunterricht, Grundschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Bildungssprachliche Kompetenzen; Immersiver Unterricht; Erst- und Zweitsprachkompetenzen;
Erfassung schriftsprachlich-bildungssprachlicher Kompetenzen immersiv unterrichteter Kinder in Erstund Zweitsprache
Astrid Jurecka1, Daniela Elsner1, Gregory Poarch2
1
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland; 2Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Theoretischer Hintergrund: In Folge der Aufforderung der Europäischen Kommission, den Erwerb fremdsprachlicher
Kompetenzen bereits im frühen Kindesalter zu unterstützen (Europarat 1998; 2002), findet auch in Deutschland bereits in der
Grundschule vermehrt Sachfachunterricht in immersiven Kontexten statt (z.B. Breidbach und Viebrock, 2012). Dabei erfolgt die
Vermittlung des Lerngegenstands in einer Fremdsprache (L2, zumeist Englisch oder Französisch; teilimmersiv/vollimmersiv; z.B.
Kuska et al., 2010). Obgleich internationale empirische Studien darauf hinweisen, dass immersiv unterrichtete Kinder keine
Nachteile hinsichtlich der Entwicklung allgemeiner sprachlicher Kompetenzen in der Erstsprache (L1) aufweisen (z.B. Genesee,
2004; Lindholm-Leary & Howard, 2007), und bezüglich des sachfachlichen Wissens teilweise monolingual Unterrichtete sogar
übertreffen (z.B. Zaunbauer & Möller, 2007), ist bislang unklar, ob sich dies auch speziell bezüglich Kompetenzen in der als
besonders schulerfolgsrelevant identifizierten Bildungssprache (z.B. Cummins, 2000; Heppt, et al., 2014; Gogolin & Lange, 2011)
zeigt. Bildungssprachlichen Kompetenzen werden dabei verschiedene Kernelemente zugeordnet, wie etwa
Schwierigkeit/Komplexität von Wortschatz/Grammatik, oder Verwendung von Fachvokabular (z.B. Cummins, 2008). Vor dem
Hintergrund möglicher Nachteile immersiv unterrichteter Kinder bei Schulwechseln auf monolingual Deutsch unterrichtende
Schulen oder -im weiteren Bildungsweg- auf Fach- und Hochschulen ergibt sich hier eine Forschungslücke.
Ziele/Hypothesen:
1) Ziel der vorliegenden Studie ist daher ein Vergleich schriftsprachlich-produktiver bildungssprachlicher Kompetenzen in L1 und
L2 bei immersiv unterrichteten Kindern in der Grundschule und Anfang der Sekundarstufe I. Basierend auf o.g. empirischen
Studien wird erwartet, dass auch diesbezüglich keine Unterschiede zwischen L1 und L2 existieren.
2) Da hinsichtlich der Messung schriftsprachlich-bildungssprachlicher Kompetenzen junger Lerner sowohl in L1 als auch L2 für
den deutschen Sprachraum bislang keine Testinstrumente existieren, erforderte die Beantwortung der Forschungsfrage -als
weiteres Ziel der Studie- die Entwicklung und Überprüfung eines neuen Testinstruments.
Testentwicklung: Im Kontext von Sprachenunterricht hat sich für junge Lerner eine motivierende und lernförderliche Wirkung
von Comics gezeigt (vgl. Elsner 2013; 2014). Daher wurden 3 Comics (jeweils 3 Bilder; Protagonist: ein ungeschickter
Wissenschaftler) zu den Bereichen „Schwimmen/Sinken“, „Verdunstung“ und „Schall“ entwickelt. Die Kinder wurden instruiert,
jeweils auf Deutsch und Englisch das jeweilige Bildgeschehen zu beschreiben und zu begründen.
Stichprobe/Durchführung: Die Studie erfolgte an n=54 vollimmersiv unterrichteten Kindern der Klassen 4 (n=31; M(Alter)=9;5);
weiblich=38%; m(Immersionsjahre)=3;4; DaM=20) und 5 (n=23; m(Alter)=10;6; weiblich=43%; m(Immersionsjahre)=3;7;
DaM=16). Die Testung erfolgte an zwei Tagen (4 TestleiterInnen/Klasse), erhoben wurden die bildungssprachliche
Schriftsprachproduktion (AV=Comics/bildungssprachliche Indikatoren Deutsch/Englisch) sowie als Kontrollvariablen
allgemeinsprachliche Kompetenzen (Deutsch/Englisch; PPVT, TROG, ADST), Fachwissen, kognitive Fähigkeiten (Raven’s CPM)
sowie (Sprach)hintergrundvariablen.
Analyse: In einem ersten Schritt erfolgte literaturbasiert die Entwicklung eines Codiersystems, insgesamt wurden 25
bildungssprachliche Indikatoren auf lexikaler, grammatischer, morphologischer und semantischer Ebene identifiziert. Die
produzierten Texte wurden von 2 geschulten Raterinnen konsensuell codiert. Erste deskriptive Analysen zeigen, dass die Comics
insgesamt zur Aktivierung von Schriftsprachproduktion sowohl in Englisch als auch Deutsch geeignet scheinen (m(Wörter)=46,45
-22,9). Bildungssprachliche Indikatoren, die im Mittel seltener als einmal pro Text vorkamen, wurden aus den Analysen
ausgeschlossen, insgesamt wurden zehn Indikatoren (z.B. Anzahl Fachwörter, Komplexe Sätze, Komposita, Inhaltswörter,
Kohärenz) einbezogen.
Ergebnisse/Diskussion:
1) Die Reliabilität bildungssprachlicher Indikatoren erweist sich mit α=.71-.77 als befriedigend. Eine explorative Faktorenanalyse
(Indikatoren Englisch/Deutsch) gibt Hinweise auf Eindimensionalität sowie die interne Validität des Konstrukts (1. Faktor: 61,9%
Varianzaufklärung), Korrelationen zwischen Fachwörterproduktion und Fachwissen in beiden Sprachen (.22-.33; p=.01-.07) auf
die externe Validität.
2) Bei der Durchführung einfaktorieller Varianzanalysen mit Messwiederholung (Faktor „Sprache“, KV:
Klasse/Geschlecht/kognitive Fähigkeiten) zeigen sich hypothesenkonform für zwei der Geschichten (Kondensation/Schall) keine
Effekte. Bezüglich „Schwimmen/Sinken“ zeigt sich jedoch -entgegen der Annahme- ein signifikanter Haupteffekt „Sprache“
(F=2,2; df=34; p=.048). Ursachen können hier sowohl sprachlicher als auch inhaltlich-thematischer Natur sein. Die Bedeutung
dieser Ergebnisse bezüglich der bildungssprachlichen Produktion (L1/L2) immersiv unterrichteter Kinder sowie die Eignung
verwendeter Indikatoren zur Abbildung bildungssprachlicher Kompetenzen werden diskutiert.
ID: 213
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Repräsentationen, Studienerfolg, Multimediales Lernen
Prädiktoren von visuellem Modellverständnis in der Chemie und den Ingenieurwissenschaften
Thomas Dickmann, Maria Opfermann, Stefan Rumann, Elmar Dammann, Martin Lang, Carsten Schmuck
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
In der Chemie und den Ingenieurwissenschaften sind Visualisierungen und visuelle Modelle (z.B. Molekülabbildungen oder
Diagramme) als Medium zur Informationsvermittlung nicht mehr wegzudenken. Es stellt sich die Frage, weshalb Visualisierungen
in einer solch großen Anzahl eingesetzt werden und ob diese alle gleich lernförderlich sind.
In der aktuellen Forschung wird die Frage nach der Lernförderlichkeit von Visualisierungen aus verschiedenen Blickwinkeln
beleuchtet. So fokussieren unter anderem die Dual Coding Theory (Paivo, 1986), die Cognitive Theory of Multimedia Learning
(Mayer, 2009) oder auch die Cognitive Load Theory (Sweller, Ayres & Kalyuga, 2011) darauf, dass Visualisierungen als
Ergänzung zu Texten die duale Kodierung von zu lernenden Informationen unterstützen und damit das Arbeitsgedächtnis
entlasten können. Zudem können Visualisierungen als Teil multipler externer Repräsentationen (Ainsworth, 2006)
komplementäre und begrenzende Funktionen einnehmen und damit ebenfalls zu vertieftem Verständnis führen.
Während die Frage, welche Arten von Visualisierungen lernförderlich sind, schon seit längerem im Fokus multimedialer
Forschung steht, sind die Voraussetzungen auf Seiten der Lernenden, welche zum Verständnis visueller Modelle beitragen, kaum
beleuchtet worden. Dieser Frage wird im Teilprojekt D der Forschergruppe ALSTER (Akademisches Lernen und Studienerfolg in
der Eingangsphase von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen) nachgegangen. Dabei werden folgende
Forschungsfragen fokussiert:
- Welche Visualisierungsformen dominieren in gängigen Lehrmaterialien des Chemie- und Ingenieursstudium?
- Über welche individuellen Voraussetzungen verfügen Studierende zu Beginn ihres Chemie- und Ingenieurstudiums?
- Welche der individuellen Eigenschaften der Lernenden sagen den erfolgreichen Umgang mit verschiedenen
Visualisierungsarten vorher?
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurde eine Lehrbuchanalyse fachspezifischer Studieneingangsliteratur
durchgeführt. Hierfür wurden die in den Lehrbüchern vorhandenen Visualisierungen durch verschiedene Rater mittels eines
Kodiermanuals kategorisiert (vgl. Schnotz, 2005). Diese Zuordnungen finden sich für vier Chemielehrbücher in den Tabellen 1
und 2. Es zeigt sich, dass für alle Lehrbücher instruktionale (unmittelbar auf die Lerninhalte bezogen) Visualisierungen
dominieren. Diese Visualisierungen wurden wiederum in symbolische (abstrakte, z.B. Summenformel), ikonische (konkrete, z.B.
Darstellung eines Molekülmodells) und Mischformen untergliedert. Entgegen unserer ursprünglichen Erwartungen zeigt sich,
dass in allen Lehrbüchern der weitaus größte Anteil an Visualisierungen auf symbolische Formen entfällt, während rein ikonische
Abbildungen in allen Lehrbüchern jeweils knapp unter 10% der Visualisierungen ausmachen.
In einem nächsten Schritt werden individuellen Voraussetzungen der Studierenden, welche das visuelle Modellverständnis
voraussagen können, zentral im ALSTER-Projekt erfasst. Hierzu zählen u.a kognitive Fähigkeiten, räumliche Fähigkeiten,
metakognitive Strategien, sowie epistemologische Überzeugungen. Die Erhebungen erfolgen innerhalb der ersten beiden
Semester mittels einer Längsschnittstudie (drei verschieden Messzeitpunkte.
Das visuelle Modellverständnis als Teil individueller Voraussetzungen wird mittels eines im Teilprojekt entwickelten Tests an drei
verschiedenen Zeitpunkten innerhalb der ersten beiden Studiensemester erhoben. Dieser Test erfasst die Fähigkeit der
Studierenden, mit Visualisierungen verschiedenster Art zu arbeiten. Als Probanden werden Bachelorstudierende der Chemie
sowie des Bauingenieurwesens zur Verfügung stehen. Entsprechend beinhaltet der Modellverständnistest neben einem
allgemeinen Teil (der u.a. allgemeines Verständnis von Konventionen in Visualisierungen erfasst), einen chemiespezifischen,
sowie einen ingenieurspezifischen Teil. Für alle drei Teile sind jeweils 15 Items vorgesehen, so dass der Test insgesamt 45 Items
umfasst. Eine Vorversion des Tests mit insgesamt 76 Items (Cronbachs α = .84) wurde gerade mit Schülerinnen und Schülern
aus Abiturjahrgängen präpilotiert. Die ersten Pilotierungsergebnisse für den finalen visuellen Modellverständnistest der
Erstsemesterstichprobe werden Ende November erwartet.
Tabelle 1: Lehrbuchanalysenergebnisse Ebene 1
Variablen.....Abbildungen..... Physikalische.... Organische.... Allgemeine
.......................gesamt ...............Chemie...............Chemie.............Chemie
Dekorativ...........225.....................0,0%...................3,7%.................4,2%
Instruktional......9278....................100%.................96,3%................95,7%
Tabelle 2: Lehrbuchanalysenergebnisse Ebene 2
Variablen.....Abbildungen......Physikalische.....Organische....Allgemeine
..........................gesamt.................Chemie...............Chemie...........Chemie
Ikonisch............866.........................9,9%.....................9,7%...............8,3%
Symbolisch.......6985........................83,6%...................71,5%............75,3%
Mischform.........1445........................6,6%....................18,8%.............12,0%
Gehört zur Postergruppe ALSTER
ID: 217
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Inklusion, Lehrer(aus)bildung, Schulentwicklung
Stichworte: Lehrerfortbildung, Inklusion
Wirksamkeit von Lehrerfortbildungen im Kontext der inklusiven Grundschule
Christian Jäntsch, Henke Thorsten, Bosse Stefanie, Lambrecht Jennifer, Jaeuthe Jessica, Spörer Nadine
Universität Potsdam, Deutschland
Das inklusive Unterrichten stellt die Lehrkräfte vor ungleich andere Herausforderungen als der Unterricht in separierenden
Settings. Das Mehr an Heterogenität in der Schülerschaft macht mithin Fortbildungen notwendig, die das Lehrpersonal befähigen,
sich auf die jeweilige Situation im inklusiven Unterricht einzustellen (Stellbrink, 2012).
Auf Grundlage des Angebots- und Nutzungsmodells zur Erklärung der Wirksamkeit von Fortbildungs- und
Professionalisierungsmaßnahmen (Lipowsky, 2010, 2011) wird Erfolg von Fortbildungen am Lernerfolg der Teilnehmenden, an
Veränderungen des unterrichtspraktischen Handelns sowie an einer positiven Beeinflussung der Entwicklung der Schüler
bemessen. Entscheidend für den Fortbildungserfolg ist dabei, wie das Fortbildungsangebot durch die Teilnehmenden
wahrgenommen und genutzt wird. Faktoren, welche die Wahrnehmung und Nutzung von Lehrerfortbildungen beeinflussen, liegen
in schulischen Kontextbedingungen, Lehrermerkmalen sowie in Merkmalen, die das Fortbildungsgeschehen kennzeichnen.
Aufseiten der Kontextbedingungen wird die Bedeutung einer „professionellen Lehrerkultur“ (Altrichter, 2010) hervorgehoben,
welche durch Anerkennung und kollegialen Austausch die Entwicklung professioneller Kompetenzen anregt. In Bezug auf
individuelle Lehrermerkmale zeigten Rzejak et al. (2014), dass die Orientierung an beruflicher und persönlicher Entwicklung
bedeutsame Facetten der Fortbildungsmotivation repräsentieren. Im Zusammenhang mit inklusivem Unterrichten heben Jordan
et al. (2009) ferner die Bedeutung von Einstellungen auf den Entwicklungsprozess hervor. Hinsichtlich der Fortbildungsmerkmale
wird vielfach auf strukturelle Gegebenheiten fokussiert, durch die das Fortbildungsgeschehen charakterisiert ist. So wird betont,
dass langfristig angelegte Fortbildungen, die eine weitreichende Begleitung der Lehrkräfte ermöglichen, besonders wirksam seien
(Fussangel et al., 2010). Darüber hinaus gelten etwa die Relevanz der Fortbildungsinhalte, die ein unmittelbares Anknüpfen an
die alltägliche Unterrichtspraxis ermöglicht, die methodische Aufbereitung der Fortbildung und das fundierte Fachwissen der
Fortbildner als unbedingte Wirkfaktoren gelingender Fortbildungen (Haenisch, 1994).
Die Umstellung auf inklusives Unterrichten erfordert weniger punktuelle Professionalisierungsmaßnahmen als vielmehr einen
ganzheitlichen Entwicklungsprozess der Lehrkräfte (Schroth et al., 1997). Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Beitrag
der Frage nach, welche Merkmale von Fortbildungen im Kontext von Inklusion besonders mit der Veränderung
unterrichtspraktischen Handelns assoziiert sind. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit Auswirkungen der Anwendung von
Fortbildungsinhalten im Zusammenhang mit diesen Merkmalen stehen. Die Ergebnisse werden jeweils unter Kontrolle theoretisch
relevanter Lehrermerkmale und Kontextbedingungen berichtet.
Grundlage dieser Untersuchung bildet die Teilstudie zur Evaluation der Fortbildungen im Rahmen des Pilotprojekts „Inklusive
Grundschule“ (PInG) des Landes Brandenburg (Spörer et al., 2015). Dabei wurden N = 1183 Lehrer insgesamt vier Mal in den
Untersuchungsjahren 2012-2014 online befragt. In die Analysen gehen die Daten der Befragungen Anfang (t3) sowie Ende (t4)
des Schuljahres 2013/14 ein. Zur Evaluation des Fortbildungsangebotes resümierten die Befragten sowohl über die
Fortbildungen (z.B. Beurteilung der Fortbildungsinhalte, t4) als auch über die Fortbildner (z.B. Beurteilung der
Teilnehmerorientierung, t4). Die Lehrkräfte wurden darüber hinaus zur Anwendung der Fortbildungsinhalte (t4) und zu positiven
Auswirkungen der Anwendung (z.B. auf die Unterrichtsgestaltung, t4) befragt. Schließlich liegen Angaben zu
Kontextbedingungen (z.B. Kommunikation im Kollegium, t3) sowie Lehrermerkmalen (z.B. Implementationsbereitschaft, t3) vor.
Die Reliabilitätsanalysen für die berichteten Skalen wiesen jeweils gute bis sehr gute Cronbach’s-Alpha-Werte aus. Fehlende
Daten wurden multipel imputiert. Es wurden Regressionsanalysen in Mplus 7.1 gerechnet. Etwaige Abhängigkeiten zwischen
den Beobachtungen aufgrund der hierarchischen Datenstruktur wurden durch korrigierte Standardfehler berücksichtigt.
Es zeigte sich, dass unter den Fortbildungsmerkmalen sowohl die Fortbildungsinhalte als auch die angewandten Methoden in
signifikantem Zusammenhang zu der Anwendung der Fortbildungsinhalte sowie den berichteten Auswirkungen stehen. In der
Beurteilung der Fortbildner stellt die kritische Auseinandersetzung mit den Fortbildungsinhalten den einzigen signifikanten
Prädiktor auf die Kriteriumsvariablen dar. Unter den Kontextvariablen und den Lehrermerkmalen wurden für die Beurteilung der
Schulleitung bzw. die Einstellungen gegenüber dem gemeindsamen Unterrichten signifikante Zusammenhänge ausgewiesen.
Inklusion stellt aktuell eine der zentralen Herausforderungen von Schulentwicklung dar. Vor dem Hintergrund, dass
Lehrerfortbildungen ein wesentlicher Baustein sind, Lehrkräfte zum inklusiven Unterrichten zu befähigen, wird diskutiert, wodurch
wirksame Fortbildungen gekennzeichnet sind.
ID: 220
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Sonstiges
Stichworte: Kooperation, Volkshochschule, Effektivität, Panelanalyse, Volkshochschulstatistik
Zuwachs an Kursteilnahmen durch kooperativ organisierte Kurse der Volkshochschulen im Längsschnitt
Sonja Muders, Andreas Martin
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Deutschland
Volkshochschulen sind Orte lebenslangen Lernens. Sie strukturieren und organisieren Bildungsangebote für unterschiedliche
Teilnehmergruppen, um an die Entwicklungsinteressen von erwachsenen Lernenden bzw. Teilnehmenden anknüpfen. Dabei
stehen gerade Volkshochschulen vor der Herausforderung, allen Bevölkerungsgruppen insbesondere für benachteiligte Gruppen
Kursangebote anzubieten. Somit ermöglichen sie als Weiterbildungsorganisation erfolgreiches Lernen über die Lebensspanne,
auch unter widrigen Umständen. Die organisatorischen Voraussetzungen dazu schaffen Volkshochschulen jedoch nicht allein,
sondern werden zunehmend in Kooperationen mit anderen Organisationen in- und außerhalb der Weiterbildung realisiert.
Seit 2000 hat sich die Anzahl der kooperativ durchgeführten Kursangebote beinahe verdoppelt. Zahlreiche qualitative Studien
belegen den punktuellen Nutzen von Kooperation durch Fallanalysen. Welche Volkshochschule mit wem, wann, warum und wie
kooperiert ist hauptsächlich in qualitativen (Einzel-)Fallstudien erfasst worden (Jütte 2002, 2011). Auch ist gesichert, welchen
Voraussetzungen Kooperationen und Netzwerke benötigen und welche Merkmale sie aufweisen (Tippelt et al. 2014). Wie
Verstetigungsprozesse von Kooperationen ablaufen und welche Bedingungen notwendig sind, damit eine Kooperation stabil bzw.
Bestand hat, ist erforscht (Elsholz 2006, Alke 2015). Allerdings gibt es in der Literatur zu interorganisationalen Kooperationen
auch Hinweise, dass Kooperation nicht das Allheilmittel darstellt: so untersucht Franz (2014) Widerstände in interorganisationalen
Kooperationen und Mickler (2013) weist nach, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich Synergieeffekte einstellen.
Demzufolge stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Volkshochschulen überhaupt Vorteile durch Kooperationen
realisieren können. Dazu liegen bisher keine quantitativen Untersuchungen vor. Nicht erforscht ist, ob oder inwiefern Kooperation
tatsächlich zu höheren Kursteilnahmen führen: Sind kooperativ organisierten Kursen der Volkshochschulen effektiver als
eigenständig durchgeführte Kurse? Können durch Kooperationen Kursangebote – und damit Belegungen – realisiert werden, die
ohne Kooperation so nicht hätten organisiert werden können?
Der Beitrag analysiert in einer Langschnittuntersuchung anhand der Volkshochschulstatistik die tatsächlich zustande
gekommenen kooperativ organisierten Kursteilnahmen der Volkshochschulen in Zusammenarbeit mit Arbeitsämtern, Hörfunk,
Fernsehen, andere Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Vereinen/ Initiativen, Unternehmen/ Betrieben, Kultureinrichtungen,
Universitäten/ Forschungseinrichtungen, Schulen und vorschulische Bildungseinrichtungen, Ämtern/ Behörden sowie sonstigen
Einrichtungen und deren Erträge für die Volkshochschulen.
Der Ertrag wird in dieser Untersuchung anhand zusätzlicher Belegungen operationalisiert. Da im Bereich der Weiterbildung kaum
Daten zu Kompetenzen zur Verfügung stehen, dient die Weiterbildungsbeteiligung als ein zentrales Benchmark. Im Zentrum
steht deswegen die Erhöhung der Teilnahmen in verschiedenen Programmbereichen als Ergebnis eines kooperativ organisierten
Kurses im Durchführungs- und im Folgejahr.
Die Volkshochschulstatistik ist eine seit 1962 jährlich geführte Anbieterstatistik, welche die Aktivitäten der Volkshochschulen in
Deutschland insbesondere Informationen zu institutionellen Merkmalen, Kooperationen, Programmbereichen/Fachgebieten etc.
erfasst. Der Untersuchungszeitraum ist von 2000 bis 2013, sodass vollständige 14 Beobachtungen von 882 Volkshochschulen
vorliegen. Dies wird als vollbalanciertes Panel bezeichnet und ist die Voraussetzung für gewählte Forschungsmethode der
Kausalanalyse. Die Langschnittdaten sind auf Mikrolevel ausgewertet worden, dabei sind Regionaldaten auf
Einzelvolkshochschulebene angespielt worden.
Methodisch wurden Kausalanalysen durchgeführt, um das Problem der Endogenität, also der Umgang mit unbeobachteten
Variablen, zu lösen. So wurde das Fixed Effekt-Modell und das Fixed Koeffizienten-Modell berechnet.
Das Ergebnis ist, dass sich interorganisationale Kooperationen, also Kooperationskurse insbesondere im Folgejahr lohnen. Ein
Zuwachs an Teilnahmen durch kooperative Kurse im Durchführungs- und im Folgejahr konnte insbesondere in den
Programmbereichen Gesellschaft-Politik-Umwelt und Gesundheit erzielt werden. Diese quantitativen Nachweise konnte
unabhängig von der Größe der Volkshochschule und ihrer regionalen Einbettung mithilfe von kleinräumlichen Regionaldaten
erbracht werden.
ID: 223
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Bücherfrage, Grundschule, sozioökonomischer Status, Mengenschätzung, Validität
„Wie viele Bücher gibt es bei dir zuhause ungefähr?“ - Können Kinder die Bücherfrage im Laufe der
Grundschulzeit genauer beantworten?
Lisa Pagel, Kathleen Schönhoff, Florence Domenech, Birgit Heppt
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen und bildungsbezogenen familiären Hintergrund von Schülerinnen und
Schülern (SuS) und ihrem schulischen Kompetenzerwerb (z.B. Richter, Kuhl & Pant, 2012) sowie ihren sprachlichen Fähigkeiten
(z.B. Weinert & Ebert, 2013) ist empirisch gut belegt.
Ein häufig benutzter Indikator zur Erfassung des bildungsbezogenen und sozioökonomischen Hintergrundes ist der familiäre
Buchbestand (Paulus, 2009), der mithilfe der „Bücherfrage“ zumeist durch Eltern (z.B. in IGLU 2011; Tarelli, Wendt, Bos &
Zylowski, 2012), zum Teil aber auch schon durch Grundschulkinder (z.B. in TIMSS 2011; Bos, Wendt, Köller & Selter, 2012)
eingeschätzt wird. Zwar fand sich in den genannten Studien jeweils ein ausgeprägter statistischer Zusammenhang zwischen der
Anzahl der Bücher zu Hause und den Kompetenzen der SuS, jedoch ist unklar, ob sich die Effekte in Abhängigkeit davon
unterscheiden, ob die Einschätzung durch die Eltern oder die Kinder getroffen wurde. Forschung zur Fähigkeit Mengen
einzuschätzen legt nahe, dass diese sich bei Kindern im Grundschulalter noch entwickelt (Mejias, Mussolin, Rousselle, Grégoire
& Noël, 2012) und es einen starken Leistungszuwachs bis zu einem Alter von neun Jahren gibt (Harel, Cillessen, Fein, Bullard &
Aviv, 2007).
Die vorliegende Studie geht daher der Frage nach, inwiefern die Schätzungen der Anzahl der Bücher zu Hause durch
Grundschulkinder und ihre Eltern übereinstimmen und überprüft, ob die Übereinstimmung bei SuS der vierten Jahrgangsstufe
höher ist als bei SuS der dritten Jahrgangsstufe. Des Weiteren soll untersucht werden, ob sich der Zusammenhang zwischen
dem familiären Buchbestand und den bildungssprachlichen Fähigkeiten der SuS unterscheidet, je nachdem, ob die Bücherfrage
durch Kinder der dritten oder der vierten Klasse oder durch ihre Eltern beantwortet wurde. Damit soll die Studie Hinweise darauf
geben, ab welcher Klassenstufe sich die Bücheraufgabe als valider Indikator für den sozioökonomischen Status eignet.
Zur Beantwortung der Fragestellung wurden Daten aus dem BiSpra-Projekt (Schuth, Heppt, Köhne, Weinert & Stanat, 2015)
herangezogen. Die Analysestichprobe besteht aus 715 Kindern der dritten (n=344, M(Alter)=8.84, SD=0.54) und vierten
Jahrgangsstufe (n=371, M(Alter)=9.88, SD=0.56) und ihren Eltern. Die Bücherfrage wurde sowohl bei den Eltern als auch bei
den SuS mithilfe einer fünfstufigen Skala erhoben. Zusätzlich zur sprachlichen Formulierung erhielten die Kinder für jede der fünf
Kategorien eine bildliche Illustration.
Zur Erfassung ihrer bildungssprachlichen Fähigkeiten bearbeiteten die SuS sprachlich anspruchsvolle Hörverstehensaufgaben,
bei denen jeweils nur eine Antwortalternative richtig war. Die Leistungsdaten wurden im Rahmen eines eindimensionalen RaschModells (Embretson & Reise, 2000) skaliert und WLEs (warm likelihood estimates; Warm, 1989) als Schätzer für die
Personenfähigkeiten bestimmt. Anschließend wurden die Einschätzungen der Bücherfrage der SuS und ihrer Eltern miteinander
sowie mit den WLEs korreliert.
Es zeigte sich, dass die Angaben der Eltern und der SuS zwar substanziell korrelieren (r=.50, p<.001), jedoch nicht so hoch, wie
aufgrund der identischen Itemformulierung zu erwarten wäre. Dabei gab es erwartungskonform zwischen den Angaben der SuS
der vierten Klasse und ihren Eltern einen engeren Zusammenhang als zwischen den Schätzungen der SuS der dritten Klasse
und ihren Eltern (r(K4)=.55; r(K3)=.45, z=1.9, p=.03). Auch weisen die Ergebnisse darauf hin, dass der von den Eltern und den
SuS geschätzte familiäre Buchbestand mit der Hörverstehensleistung der SuS in Zusammenhang steht (r(Eltern)=.41, p<.001;
r(SuS)=.37, p<.001). Die Höhe der Korrelationen mit der Hörverstehensleistung (HV) unterschied sich jedoch weder zwischen
den Angaben der Eltern und denjenigen der SuS (r(Eltern*HV)=.41, r(SuS*HV)=.37, z=-0.87, n.s.) noch zwischen den
Schätzungen der beiden Klassenstufen (r(K3*HV)=.31, r(K4*HV)=.43, z=-1.44, n.s.). Obwohl Eltern- und Schülerangaben mit
zunehmender Klassenstufe stärker übereinstimmen, die Schätzungen der SuS also genauer wurden, ergeben sich daraus
offenbar keine differenziellen Zusammenhänge mit der Hörverstehensleistung.
Im Beitrag werden sowohl Vorteile des Einsatzes der Bücherfrage bereits bei Grundschulkindern diskutiert, als auch methodische
Herausforderungen in der Erhebung und Auswertung dargelegt.
ID: 227
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Lernen mit Computer und neuen Medien
Stichworte: Animation, Standbilder, Modality effect, Cognitive style, Vorwissen.
Die Rolle des Vorwissen und visuell-verbaler Lernstile beim Lernen mit Standbildern oder Animationen.
Marta Koć-Januchta1, Tim Höffler1, Marc Eckhardt1, Helmut Prechtl2, Detlev Leutner3
1
IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel, Deutschland;
2
Universität Potsdam; 3Universität Duisburg-Essen
Theoretischer Hintergrund
Eine Vielzahl von Studien (Mayer, 2005) zeigen, dass eine Kombination von Text mit Bildern oder Animationen den Lernprozess
unterstützt. Es ist aber noch weitgehend unklar, in welchen Fällen dynamische Visualisierungen einen Lernvorteil gegenüber
Standbildern erbringen können.
Der Modalitätseffekt (z.B. Low & Sweller, 2005) besagt, dass eine auditive Darbietung des Textes als lernvorteilhafter als eine
visuelle Darbietung ist, da die Aufmerksamkeit des Lernenden nicht zwischen Bild und Text geteilt werden muss.
Viele Faktoren beeinflussen den Lernerfolg beim Multimedia-Lernen. Dazu gehören die Visualisierungsform (Standbild vs.
Animation) und der Textmodus (visuell vs. auditiv), das Niveau des themenspezifischen Vorwissens (Kalyuga, 2007), der visuelle
oder verbale kognitive Lernstil (Höffler et al., 2010), räumliches Vorstellungsvermögen (Höffler, 2010) sowie Lernpräferenzen.
Fragestellung
Die vorliegende Untersuchung zielt darauf ab zu überprüfen, inwiefern Animationen und Standbildern mit geschriebenem und
gesprochenem Text das Verständnis komplexer biologischer Prozesse erleichtern.
Folgende Forschungsfragen standen im Fokus dieser Untersuchung:
• Tritt ein Modalitätseffekt auf und wird dieser vom kognitiven Stil beeinflusst?
• Profitieren Visualisierer und Verbalisierer (im Sinne eines kognitiven Stils) in unterschiedlichem Maße vom Lernen mit
Animationen und Standbildern?
Methode
197 Biologiestudierende wurden mittels computerbasierter Lernumgebung getestet. Zunächst füllten sie elf verschiedene
Fragebögen zum kognitiven Stil und Lernpräferenzen (Cronbachs Alpha zwischen .67 und .88) und zwei Tests zum räumlichen
Vorstellungsvermögen aus, gefolgt von Fragen zum Vorwissen bezüglich der Primärreaktionen der Photosynthese.
Danach bearbeiteten die Probanden innerhalb von 20 min die Lernumgebung. Es gab vier verschiedene Versionen:
• Standbilder mit geschriebenem oder gesprochenem Text
• Animationen mit geschriebenem oder gesprochenem Text
Nach Abschluss der Lernphase wurde der Lernerfolg anhand offener und geschlossener Fragen gemessen.
Ergebnisse
Eine Faktorenanalyse zeigte, dass alle Skalen zum kognitiven Stil oder Lernpräferenzen auf drei Faktoren luden (66%
Varianzaufklärung). Diese Faktoren lassen sich als visueller Stil, verbaler Stil und visuellen Lernpräferenzen bezeichnen. Jeder
Faktor wurde durch einen Mediansplit geteilt, um den Vergleich zwischen Probanden mit höheren und niedrigeren Ausprägungen
zu ermöglichen.
Wie erwartet, zeigten ANOVA Analysen einen Modalitätseffekt auf, (F(1,192) = 4.30, p = .039, η2 = .022; MText=59.77,
SDText=17.89; MSprecher=64.67, SDSprecher=15.23).
Wir beobachteten einen Einfluss des Vorwissens auf den Lernerfolg. Die Probanden mit niedrigerem Vorwissen (N = 129, 76,7%
weiblich) berichten – tendenziell – eine höhere kognitive Belastung (M = 9.59; SD = 2.63) als Probanden mit höherem Vorwissens
(N = 64, 67,2% weiblich; M = 8.83; SD = 2.80), F(1,191) = 3.43, p = .065.
In der Gruppe mit höherem Vorwissen erwiesen sich Animationen als tendenziell lernförderlicher für Lernende mit höherem
verbalen Stil (MAnimationen=75.00, SDAnimationen=13.55; MStandbilder=65.21, SDStandbilder=20.79), während die
Lernenden mit niedrigerem verbalen Stil tendenziell mehr von Standbildern profitierten (MAnimationen=64.12,
SDAnimationen=14.17; MStandbilder=72.98, SDStandbilder=14.95), F(1,60) = 5.39, p = .024, η2 = .082.
Weiterhin kamen Probanden aus der Gruppe mit höherem Vorwissen mit höheren visuellen Lernpräferenzen besser mit Sprecher
als mit geschriebenem Text aus (MText=59.83, SDText=19.31; MSprecher=73.42, SDSprecher=12.83), Probanden mit
niedrigeren visuellen Lernpräferenzen hingegen besser mit geschriebenem Text (MText=75.83, SDText=14.38;
MSprecher=68.33, SDSprecher=14.19), F(1,60) = 7.60, p = .008, η2 = .112.
Diskussion
Die Lernumgebung erwies sich als recht schwierig –Lernenden mit niedrigerem Vorwissen berichteten tendenziell eine höhere
kognitive Belastung, vermutlich deshalb gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Probanden mit verschiedenen
Lernstilen in dieser Gruppe.
Die Probanden mit höherem Vorwissen zeigten prinzipiell das erwartete Muster in den Ergebnissen: einen höheren Lernerfolg
von Probanden mit niedrigerem Verbalstil mit Standbildern und einen kompensatorischen Effekt durch Animationen für
Probanden mit höherem Verbalstil. Zusätzlich lernten die Probanden mit höheren visuellen Lernpräferenzen besser mit Sprecher
und die mit niedrigeren mit Text. Das bestätigt unsere früheren Ergebnisse einer Eye-Tracker Studie, die zeigten, dass
Visualisierer hauptsächlich aus Bildern und Verbalisierer aus Texten lernten.
Die Ergebnisse sind insbesondere vom Vorwissen abhängig. Weitere Auswertungen sind geplant.
ID: 230
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Schulentwicklung
Stichworte: Ganztagsgymnasien, Schulentwicklung, Schülerperspektive
Welchen Aktivitäten gehen Schülerinnen und Schüler im Ganztag nach und wie nehmen sie diese wahr?
Eine Analyse zur Bewertung außerunterrichtlicher Angebote an gebundenen Ganztagsgymnasien durch
Schülerinnen und Schüler
Hanna Järvinen, Nora Austermann, Johanna Otto, Wilfried Bos
Institut für Schulentwicklungsforschung, Dortmund, Deutschland
Eine der größten und flächendeckendsten Änderungen, die die Veröffentlichung der ersten TIMSS (Baumert et al., 1997) und
PISA-Ergebnisse mit sich gebracht hat, ist der Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland (Berkemeyer, Bos, Holtappels,
Meetz & Rollett, 2010; Höhmann, Holtappels & Schnetzer, 2005). Dieser Ausbau ist hierbei vielfach verbunden mit dem Wunsch
nach mehr Chancengerechtigkeit und mehr individueller Förderung (Wendt & Bos, 2015a).
Obgleich erste Erkenntnisse zu Ganztagsschulentwicklung und -konzeptionen, strukturellen Rahmenbedingungen und
Leistungsdaten von Schülerinnen und Schülern vorliegen (Wendt & Bos, 2015b; Fischer et al., 2011), liegt der Fokus nur selten
auf der Wahrnehmung und Beurteilung des Ganztagsangebots durch die Schülerinnen und Schüler (Hopf & Stecher, 2014;
Meyer-Hamme, 2014; Arnoldt & Stecher, 2007). Ergebnisse zur Nutzung von Ganz-tagsschulangeboten sind selten
schulformspezifisch formuliert oder differenzieren bei den Organisationsformen der Ganztagsangebote (Fischer et al., 2011). Es
ist bekannt, dass Schülerinnen und Schüler mit zunehmendem Alter seltener am Ganztagsangebot teilnehmen (Steiner & Fischer,
2011) und sie auch die Entscheidung darüber, ob und an welchen Angeboten sie teilnehmen, vermehrt selbst treffen (Arnoldt &
Stecher, 2007).
Vor allem für Gymnasien zeigen bisherige Forschungsergebnisse, dass das unterrichtser-gänzende Lernangebot weniger breit
aufgestellt ist als bei anderen weiterführenden Schulen. Auch die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an
ganztagsspezifischen Angeboten ist deutlich seltener und der von Schülerinnen und Schülern wahrgenommene Lernnutzen ist
gering (Willems & Becker, 2015).
Vollgebundenen Ganztagsschulen werden gegenüber offenen Angeboten lernförderlichere Voraussetzungen attestiert
(Holtappels et al., 2010, Berkemeyer, Bos, Manitius, Hermstein & Khalatbari, 2013). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
welche spezifischen Angebote Schülerinnen und Schüler an gebundenen Ganztagsgymnasien nutzen und wie sie diese
bewerten.
Um die Entscheidung von Schülerinnen und Schülern für ein Ganztagsangebot und deren Bewertung zu erklären, können sowohl
rationale Entscheidungstheorien als auch Wert-Erwartungsmodelle dienen. Beide Konzepte gehen davon aus, dass
Bildungsentscheidungen das Ergebnis einer individuellen Kosten-Nutzen-Abwägung sind (Maaz et al., 2006). Nach dem
Rational-Choice-Ansatz wählen Schülerinnen und Schüler Angebote aus dem Ganztagsbetrieb dann, wenn ein zusätzlicher
Nutzen durch die erweiterten Lerngelegenheiten auf Lern- und sozialer Ebene erwartet, eine erfolgreiche Kompetenzentwicklung
oder Bildungslaufbahn durch die Teilnahme angenommen wird und die anfallenden Kosten als zu bewältigend eingestuft werden
(Holtappels, Jarsinski & Rollett, 2011).
Daher wird in diesem Beitrag mit Hilfe der 2015 erhobenen Schülerdaten der 31 Gymnasien des Projekts Ganz In dargestellt,
welche außerunterrichtlichen Angebote in den Klassen 7 und 9 am meisten genutzt werden und wie die Schülerinnen und Schüler
die Angebote der Schulen bewerten (N Klasse 7 = 2560; N Klasse 9 = 2384).
Die Ergebnisse der quantitativen Befragung zeigen, dass das am häufigsten genutzte Ganztagsangebot jahrgangsübergreifend
Projekttage und -wochen sind, wohingegen dauerhafte Projekte wie z. B. die Beteiligung an der Schülerzeitung die geringsten
Teilnahmewerte aufweisen. Die Themen, zu denen die Schülerinnen und Schüler am häufigsten Angebote besuchen, sind über
die Jahrgangsstufen hinweg Angebote, die sich mit Sport und Bewegung befassen. Am seltensten werden Angebote gewählt,
die eine weitere Qualifikation in einem sozialen Rahmen (Ausbildung zum Streitschlichter/in, Schulbegleiter/in, Ersthelfer/in)
thematisieren. Die Ergebnisse zu den Einschätzungen des Ganztagsangebots durch die Schülerinnen und Schüler zeichnen ein
insgesamt recht kritisches Bild, etwa hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Freizeit.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Schülerinnen und Schüler der gebundenen Ganztagsgymnasien vor allem in
sportlichen Ganztagsangeboten vertreten sind. Die globalen Einschätzungen zum Ganztagsangebot der Schulen lassen darauf
schließen, dass es in der Ausgestaltung der Angebote noch Optimierungsbedarf gibt, dem im Rahmen weiterer Untersuchungen
nachgegangen werden kann. Hierbei stehen Aspekte im Fokus, die Schüle-rinnen und Schüler bei der Wahl und der Bewertung
der Angebote berücksichtigen. Zudem kann die Analyse schulspezifischer Unterschiede der Bewertung der Ganztagsqualität und
in diesem Zusammenhang auch die thematische Breite der Angebote einer Schule Aufschluss über Bewertungskriterien liefern.
ID: 232
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Grundschulbildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Grundschulübergang, familiärer Hintergrund, Interviewstudie
„Den Vater seh‘ ich nur mit ´nem weißen Unterhemd beim Elternsprechtag“ – Woher wissen
Grundschullehrkräfte was über die Familien ihrer Schülerinnen und Schüler?
Sinja Müser, Stefanie van Ophuysen
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland
Die KMK fordert „Jedem Kind muss – ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen der Eltern – der Bildungsweg offenstehen, der
seiner Bildungsfähigkeit entspricht“ (2015, S. 5). In zahlreichen empirischen Studien erweisen sich jedoch Merkmale wie die
Bildungsnähe des Elternhauses und der SES (sozioökonomischer Index) als bedeutsame Prädiktoren der Schullaufbahnempfehlung am Ende der Grundschulzeit (Arnold, Bos, Richert & Stubbe, 2007; Bos et al., 2004; Ditton & Krüsken, 2009;
Maaz, Baumert, Gresch & McElvany, 2010). Solche Merkmale lassen sich im Sinne Bourdieus Kapitalstruktur (1983) dem
kulturellen und dem ökonomischen Kapital zuordnen. Diese werden in bisherigen Studien üblicherweise über Angaben zum
Elternhaus wie beispielsweise Bildung und Ausbildung der Eltern, berufliche Stellung, Einkommen oder auch
Haushaltsausstattung, erfasst. Dabei ist zu beachten, dass Merkmale des Elternhauses in bisherigen Schulleistungsstudien (wie
z.B. IGLU, KESS4, BiKS, TIMSS, KOALA-S) ausschließlich mithilfe von Elternbefragungen erfasst werden. Das heißt nicht die
Lehrkräfte selbst, sondern die Eltern der Schülerinnen und Schüler dienen als Informanten. Darüber hinaus zeigt sich in Studien
von Riek und van Ophuysen (in Druck) und Böhmer, dass genau dieses Wissen zum Elternhaus bei vielen Grundschullehrkräften
nicht unmittelbar vorliegt, sondern dass sie dieses aus Erfahrungen mit und Beobachtungen von Schülerinnen und Schülern
erschließen. Nach dem Linsenmodell nach Brunswik (1943; Helmke, 2014) werden distale, nicht direkt beobachtbare Merkmale
erschlossen, indem eine Reihe beobachtbarer Indikatoren herangezogen werden. In Hinblick auf die Erfassung von kulturellem
und ökonomischem Kapital könnten Lehrkräfte mithilfe von Merkmalen, die auf beobachtbarem Schüler- und Elternverhalten
basieren, wie z.B. Zuverlässigkeit, allgemeines Benehmen und Erscheinungsbild oder auch dem Umgang mit Anderen,
Rückschlüsse auf den familiären Hintergrund ziehen.
Die Güte solcher Rückschlüsse ist allerdings sowohl von der Validität der hinzugezogenen, beobachteten Indikatoren als auch
der Quellenqualität dieser Informationen beeinflusst. Welche Informationen und welche Informanten Lehrkräfte heranziehen, um
sich einen Eindruck über den kulturellen oder ökonomischen Hintergrund ihrer Schülerinnen und Schüler zu bilden, ist bislang
nicht untersucht. Der vorliegende Beitrag geht daher folgenden Fragen nach:



Auf Basis welcher Informationen werden die Aspekte des kulturellen und ökonomischen Kapitals von Lehrkräften
erschlossen?
Woher stammen diese Informationen?
Und über welche weiteren Merkmale des familiären Hintergrunds haben Lehrkräfte Kenntnis?
Um diese Fragen zu beantworten, wurden episodische Interviews mit fünf Grundschullehrkräften, die gerade ein viertes Schuljahr
unterrichteten oder zeitnah abgegeben hatten, geführt. In einer Kombination aus narrativen und geleiteten Interviewphasen
beschrieben sie verschiedene reale Schülerinnen und Schüler sowie deren Familien anhand von persönlichen Erfahrungen.
Ergänzend füllten sie nach dem Interview einen kurzen standardisierten Fragebogen aus, mit dem der elterliche Hintergrund
anhand der in Schulleistungsbefragungen üblichen Indikatoren erfasst wurde. Schließlich wurden im Rahmen einer telefonischen
Nachbefragung die Quellen der jeweiligen Informationen (z.B. direkte Auskunft der Eltern, indirekter Schluss auf Basis von
Erzählungen des Kindes) vervollständigt.
Diese Fragebogenerhebung liefert Hinweise darauf, den Befund bestätigen zu können, dass Lehrkräfte weder über den
Bildungsabschluss noch über den Beruf der Eltern ihrer Schülerinnen und Schüler konkrete Angaben machen können, jedoch
trotzdem Einschätzungen in Bezug auf kulturelles und ökonomisches Kapital treffen. Ein im Wechselspiel von Induktion und
Deduktion entwickeltes Kategoriensystem ermöglicht die Darstellung der verschiedenen, von den Lehrkräften selbst genannten
Indizien für kulturelles und ökonomisches Kapital. Es zeigt sich darüber hinaus, dass bei den Lehrkräften Informationen über das
elterliche Unterstützungsverhalten sowie die familiäre Lebensstruktur salient sind. Neben den Informationen, die Eltern selbst in
Gesprächen nennen, erweisen sich insbesondere die Erzählungen und Beobachtungen der Kinder als bedeutsame
Informationsquelle.
Die Befunde werden unter der Perspektive der Informationsvalidität und der Frage der sozielen Gerechtigkeit beim
Grundschulübergang diskutiert.
ID: 237
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Gesundheit/ Stress/ Belastung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, Motivation und
Emotion
Stichworte: Zielorientierung, Multiple Choice-Test, biologisches Fachwissen, Schülerinnen und Schüler
Analyse des Effekts situationsinduzierter Zielorientierungen auf die Performanz von Schülerinnen und
Schülern in einem biologischen Fachwissenstest
Moritz Krell
Freie Universität Berlin, Deutschland
Hintergrund
Nach dem 3x2-Modell werden sechs Arten der Zielorientierung unterschieden (Elliot et al., 2011), die entweder intrinsisch
vorliegen oder durch Situationen induziert werden können (Locke & Latham, 2013; Vansteenkiste et al., 2014; Van Yperen et al.,
2014, 2015). Diese Studie fokussiert auf situationsinduzierte, aufgabenbezogene Annäherungs-Zielorientierungen und
Vermeidungs-Zielorientierungen.
Meist sind Vermeidungs-Zielorientierungen mit geringerer Performanz assoziiert als Annäherungs-Zielorientierungen (z.B. Köller,
1998; Van Yperen et al., 2014, 2015). Dies wird unter anderem mit negativen Zuständen bei Vermeidungs-Zielorientierungen
(z.B. Angst, Stress) und einer daraus resultierenden verminderten Fokussierung und Persistenz erklärt (z.B. Sideridis, 2008). Für
ein differenziertes Verständnis des Zusammenhangs von Zielorientierung und Performanz sowie möglicher Moderatoren sind
weitere Studien notwendig (Elliot et al., 2011; Levin et al., 2002; Locke & Latham, 2013; Vansteenkiste et al., 2014; Van Yperen
et al., 2015) – insbesondere zu Vermeidungs-Zielorientierungen (Elliot et al., 2011; Van Yperen et al., 2015) und mit einem Fokus
auf spezifische Domänen (Van Yperen et al., 2014).
Krell und Tieben (2014) konnten in einer explorativen Studie klassenstufen- und geschlechterspezifische Effekte einer durch die
Testinstruktion induzierten Zielorientierung auf die Performanz von Schüler/-innen in einem biologischen Fachwissenstest
nachweisen. Das Ziel vorliegender Studie ist eine konzeptuelle Replikation (vgl. Schmidt, 2009) dieser Befunde.
Methode
Als abhängige Variable wurde die Performanz (WLE; 1PL-Modell) von Schüler/-innen (N=350; Klassenstufen 9-10; 52% weiblich)
in einem Multiple-Choice-Test zum biologischen Fachwissen (AAAS, 1993) erfasst. Neben der entsprechend Krell und Tieben
(2014) umgesetzten Testinstruktion wurden die wahrgenommene Aufgabenschwierigkeit (mental load; ML), die mentale
Anstrengung (mental Effort; ME) sowie das Geschlecht und die Klassenstufe als unabhängige Variablen in einer Varianzanalyse
geprüft.
Die Testinstruktionen sind logisch äquivalent (goal-framing; Levin et al., 2002) und induzieren eine aufgabenbezogene
Vermeidungs-Zielorientierung („Ihr seid im Test durchgefallen, wenn ihr mehr als 4 der 16 Aufgaben falsch beantwortet.“) oder
eine aufgabenbezogene Annäherungs-Zielorientierung („Ihr habt den Test bestanden, wenn ihr mehr als 11 der 16 Aufgaben
richtig beantwortet.“). Die Kontroll-Instruktion ist neutral gehalten („Bearbeitet den Test und wählt bei jeder Aufgabe eine
Antwortoption aus.“).
Ergebnisse
Es liegt kein signifikanter Haupteffekt der Testinstruktion vor. Signifikante Unterschiede der Testperformanz treten zwischen
Mädchen (M(WLE)=-0.171) und Jungen (M(WLE)=0.210) sowie zwischen Neuntklässler/-innen (M(WLE)=-0.150) und
Zehntklässler/-innen (M(WLE)=0.184) auf.
In Übereinstimmung mit Krell und Tieben (2014) zeigen Zehntklässler/-innen bei induzierter Annäherungs-Zielorientierung eine
bessere Testperformanz als bei induzierter Vermeidungs-Zielorientierung (p=.027) und der Kontrolle (p=.018). Bei Neuntklässler/innen ist ein entgegengesetzter Trend erkennbar (n.s.). Anders als bei Krell und Tieben (2014) ist kein Interaktionseffekt
Instruktion*Geschlecht nachweisbar, aber eine geschlechterspezifische Interaktion Instruktion*ML: Bei geringer bis moderater
Aufgabenschwierigkeit (ML=0) schneiden Mädchen bei induzierter Vermeidungs-Zielorientierung signifikant besser ab als bei
induzierter Annäherungs-Zielorientierung (p=.036) und der Kontrolle (p=.001); bei Jungen ist ein entgegengesetzter Trend
erkennbar (n.s.). Für ML=1 ergeben sich keine signifikanten Effekte.
Die Ergebnisse deuten an, dass sich die vorliegenden Befunde zu Effekten von Vermeidungs-Zielorientierungen (z.B. Köller,
1998; Van Yperen et al., 2014, 2015) nicht pauschal auf die Performanz bei Multiple-Choice-Tests zum biologischen Fachwissen
übertragen lassen. Vielmehr werden diese Effekte durch die Klassenstufe, die (wahrgenommene) Aufgabenschwierigkeit und
das Geschlecht moderiert. Eine Moderation durch die Aufgabenschwierigkeit ist theoriekonform (Locke & Latham, 2013). Die
erfolgreiche Replikation (Krell & Tieben, 2014) klassenstufenspezifischer Instruktionseffekte deutet deren Stabilität an. Für eine
inhaltliche Erklärung der Effekte von Klassenstufe und Geschlecht müssen in weiterführenden Studien gruppenspezifisch
ausgeprägte Personenvariablen identifiziert und erhoben werden.
ID: 245
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Lernstandserhebungen, Schulleitungsforschung, distributed leadership, Schuleffektivität, neue Steuerung
Inwieweit korrespondieren Schulleitungsaktivitäten mit Maßnahmen zur Qualitätssicherung auf
Fachbereichsebene im Kontext von Lernstandserhebungen (VERA 8)?
Tanja Graf, Barbara Muslic, Harm Kuper
Freie Universität Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund:
Zentrale Lernstandserhebungen wurden bundesweit im Rahmen der Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring implementiert
(KMK, 2006). Als Element eines neuen Steuerungsparadigmas, das durch Standard-, Evidenz- und Outputorientierung
gekennzeichnet ist (Altrichter & Maag Merki, 2010), sollen sie zur Schul- und Unterrichtsentwicklung beitragen. Gleichzeitig soll
durch dieses Testinstrument die Sicherung der Leistungsfähigkeit des Bildungssystems sowie die Verantwortung der
Einzelschulen gestärkt werden (KMK, 2006).
Schulleitungen werden als wichtigste Akteure für die Implementation von Reformen sowie evidenzbasierte Steuerung auf
Einzelschulebene gesehen (u.a. Fend, 2008; May & Supovitz, 2010). Durch die neue Steuerung resultieren für sie zusätzliche
Kompetenzanforderungen sowie neue Verantwortungsbereiche und Tätigkeiten (Böttcher, 2002; Buchen & Rolff, 2009).
Die Rezeption und Nutzung von Ergebnissen aus zentralen Lernstandserhebungen stellt bislang für die Schulleitungsforschung
ebenso ein Desiderat dar, wie die besondere Verantwortung der Schulleitungen in Maßnahmen der testbasierten Schulreform
für die Rezeptionsforschung.
Im Rahmen der hier vorgestellten Studie wird für die Untersuchung des Zusammenhangs von Schulleitungsaktivitäten in Folge
zentraler Lernstandserhebungen auf Schulleistungen theoretisch auf die Forschung zur Effizienz von Schulleitungen
zurückgegriffen, die den Zusammenhang zwischen den Fachleistungen der Schülerschaft einer Schule und der Schulleitung
herausstellt (u.a. Scheerens, 2012). In diesem Zusammenhang weisen empirische Befunde auf einen indirekten Effekt von
Schulleitungshandeln auf die Leistungsentwicklung von Schüler/-innen hin (Leitner, 1994; Hill, 1998; Bryk et al., 2010).
Theoretisch gerahmt wird die Erfassung der Wirkungen von Schulleitungsaktivitäten auf organisationaler Ebene durch das
Führungskonzept der distributed leadership, bei dem Leitungsaufgaben an weitere schulische Akteure und Funktionsstellen
übertragen werden und somit die Führungsverantwortung über die gesamte Schulorganisation verteilt wird (u.a. Spillane et al.,
2001; Harris, 2004).
Fragestellung:
Vor diesem Hintergrund wird in der Posterpräsentation der Frage nachgegangen, ob die initiierten Maßnahmen der
Qualitätssicherung auf Schulleitungsebene mit den umgesetzten Maßnahmen auf Fachbereichsebene korrespondieren.
Methode:
Die empirische Grundlage bildet eine Fragebogenerhebung im Rahmen des BMBF-Projekts „Maßnahmen von Schulleitungen in
Folge zentraler Lernstandserhebungen und ihre Wirkung auf Schulleistungen“ mit Schulleiter/-innen aus zwei Bundesländern in
einem Längsschnittdesign über zwei Messzeitpunkte. Darüber hinaus werden im zweiten Messzeitpunkt zur Überprüfung der
tatsächlich umgesetzten Maßnahmen durch das Lehrerkollegium auch Fachbereichsleitungen (der Stichprobenschulen) befragt.
Die Stichprobe schließt alle öffentlichen Schulen mit einer Sekundarstufe I ein. Für den ersten Messzeitpunkt konnten N=115
Schulleitungen erreicht werden. Für den zweiten Messzeitpunkt wurde ein Rücklauf von 77% (N=88) von Schulleitungen der
Stichprobenschulen erreicht. Zusätzlich liegen von den 68% der Schulen (N=77) Fragebogendaten von Fachbereichsleitungen
vor.
Für die Analyse der Zusammenhänge zwischen Angaben der Schulleitungen und Fachbereichsleitungen zu „Verantwortungsund Entscheidungsbereichen von Schulleitungen“ werden Daten aus beiden Messzeitpunkten verwendet. Anhand von Pfad- und
Regressionsmodellen soll dieser Zusammenhang mit den Schülerleistungen als einem Effektivitätskriterium von Schulqualität in
Zusammenhang gebracht werden. Ein auf Schulebene aggregierter Datensatz aus VERA-8 Daten aus den Schuljahren 2013
und 2014 wird für die Leistungsdaten verwendet.
Ergebnisse:
Auf Basis der aktuellen Studien (vgl. zur Übersicht Huber, 2008; Heck & Hallinger, 2010) lässt sich schließen, dass die am
Konzept der distributed leadership orientierte Führung produktive Praktiken im Sinne der Schul- und Unterrichtsentwicklung in
der Auseinandersetzung mit Lernstandserhebungen befördert (vgl. Muslic et al., 2013). Davon ausgehend kann angenommen
werden, dass eine Orientierung an diesem Führungskonzept insbesondere bei schwachen Leistungsergebnissen zu einer
höheren Verantwortung bei Fachbereichsleitungen und Lehrkräften in der gesamten Schulorganisation im Hinblick auf
qualitätssichernde Maßnahmen führt und damit zur schulischen Qualitätsentwicklung beiträgt.
Deshalb erwarten wir bei Schulen mit einem hohen Zusammenhang der Wahrnehmungen der Verantwortungs- und
Entscheidungsbereiche zwischen Schulleitungen und Fachbereichsleitungen einen positiven Zusammenhang mit Maßnahmen
der Qualitätssicherung. Darüber hinaus kann angenommen werden, dass das Ausmaß und die Art der Maßnahmen mit dem
Leistungsniveau der Schulen zusammenhängen. Schulen mit unterdurchschnittlichen Schülerleistungen sollten demnach ein
höheres Maß an qualitätsentwickelnden Maßnahmen einleiten.
ID: 247
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Praxissemester, Lerntagebücher, professionelles Selbstkonzept, Reflexionsfähigkeit
Professionelles Selbstkonzept von Praxissemesterabsolventinnen und -absolventen innerhalb der
Lehrerausbildung. Möglichkeiten der Reflexion in Lerntagebüchern.
Viola Hartung-Beck, Sabine Schlag
Bergische Universität Wuppertal, Deutschland
Die neue Lehrerausbildung, wie sie bspw. durch das LABG (2009) in NRW beschrieben wird, beinhaltet innerhalb des Masters
of Education ein Praxissemester, das an die Absolventinnen und Absolventen hohe Anforderungen an deren
Reflexionsfähigkeiten in Hinblick auf die Professionalisierung als Lehrkraft stellt. In der Umsetzung an den Universitäten, wie
etwa der Bergischen Universität Wuppertal (BUW), werden weitreichende Reflexionsziele formuliert, die sich u.a. auf die
professionelle Rolle, Wertvorstellungen und Einstellungen der angehenden Lehrkräfte richten. Gelegenheiten, an denen diese
Reflexionsfähigkeiten sichtbar werden, bestehen z.B. innerhalb der von den Praxissemesterabsolventinnen und -absolventen
geführten Lerntagebücher, die über den gesamten Zeitraum des schulpraktischen Teils angefertigt werden. Mit der Erstellung
der Lerntagebücher sollen die Studierenden dazu bewegt werden, die eigenen Beobachtungen zu reflektieren, sich für neue
Zugänge zu öffnen. In der Konsequenz sollen sie auf ihrem Weg u.a. zum „reflective practitioner“ (Schön, 1987) unterstützt
werden. Inwieweit dies aber mit den Lerntagebüchern gelingt, ist bisher noch nicht (hinreichend) systematisch untersucht worden.
Insgesamt befindet sich die Forschung zur Wirkung von Lerntagebüchern innerhalb der Hochschule noch in den Anfängen. Die
Erkenntnisse z.B. zum Einfluss auf die Reflexionsfähigkeit der Studierenden lassen sich bisher nicht eindeutig beantworten. Es
besteht allerdings Grund zur Annahme, dass die Reflexionsfähigkeit positiv beeinflusst wird, wobei eine Strukturierung über
Leitfragen zu mehr und tieferen Reflexionen führt (Brouër, 2007). Gleiches gilt auch für die Effekte auf die kognitive Kompetenz,
d.h. eine erhöhte Auseinandersetzung mit Lerninhalten findet vor allem dann statt, wenn eine Strukturierung durch Leitfragen
(Prompts) gewährleistet wird (Nückles et al., 2004; Roelle et al., 2011; Schäfer et al., 2012). Der Einsatz von Lerntagebüchern
führe demnach nur dann zum Erfolg, wenn die intendierten Ziele klar kommuniziert werden und die spezielle Umsetzung an die
Bedürfnisse und Erfahrungen der Studierenden angepasst wird. Inwieweit dies innerhalb des Einsatzes der Lerntagebücher im
Praxissemester der BUW der Fall ist, ist ebenfalls bisher nicht untersucht worden.
Eine Analyse dieser Lerntagebucheinträge bietet die Möglichkeit, deren Einsatz innerhalb des Praxissemesters zu evaluieren.
Als theoretische Rahmung wird das Modell professioneller Kompetenzen von Lehrkräften (Baumert & Kunter, 2006; Kunter,
Klusmann & Baumert, 2009) genutzt, um Reflexionsanlässe und -inhalte sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Neben der
daraus ableitbaren Identifikation von unterschiedlichen Bereichen des Professionswissens werden auch Modelle zur
Einschätzung der Reflexionstiefe wie etwa von Leonhard et al. (2010) verwendet. Dieses Modell unterscheidet Reflexionstiefen
auf einer Skala von 0 bis 7 und basiert auf dem Reflexionstypenmodell von Hatton und Smith (1995). Das Poster fokussiert die
Fragestellung,
welche
professionellen
Kompetenzen
in
welcher
Tiefe
in
Lerntagebucheinträgen
von
Praxissemesterabsolventinnen und -absolventen thematisiert werden?
Die Stichprobe der Studie bilden Lerntagebücher von 69 Studierenden der BUW, die das Praxissemester im Wintersemester
2013/14 absolviert haben. Die Verteilung der Studierenden auf die angestrebten Schulformen beträgt 10 mit Ziel Haupt-/Real-,
Gesamtschule, 11 mit Ziel Berufskolleg, 16 mit Ziel Gymnasium/Gesamtschule und 32 mit Ziel Grundschule. Die Lerntagebücher
wurden von den Studierenden freiwillig zur Verfügung gestellt. Die Auswertung erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse
(Kuckartz, 2014; Mayring, 2008).
Die Auswertungen zeigen, dass sich spezifische Inhaltsbereiche der Reflexion herausbilden. Diese sind vor allem im Bereich der
Unterrichtsplanung, -methoden sowie der Klassenführung und Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern
anzufinden. Die gefundenen Reflexionstiefen bewegen sich fast vollständig auf den Niveaus 0 (Handlungs/Situationsbeschreibung) bzw. 1 bis 3 (deskriptive Reflexionen). Nur einzelne Lerntagebucheinträge erreichen Niveaus zwischen
4 und 6 (dialogische Reflexion), das Niveau 7 (kritische Reflexion) wird in keinem Lerntagebuch innerhalb der Stichprobe erreicht.
Das Poster stellt diese Ergebnisse anhand von Auszählungen und Originalausschnitten aus den Lerntagebüchern vor und
diskutiert die Resultate in Hinblick auf die anfangs genannten Ziele des Praxissemesters.
ID: 259
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Lernen mit Computer und neuen Medien, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: digitale Schulbücher, Chemiefachdidaktik, Instruktionsdesign, Digitalisierung
Digitalisierung im Bildungsbereich: Ein evidenzbasierter Ansatz für die Gestaltung digitaler Schulbücher
Juliane Richter1, Katharina Scheiter1, Ulrich Nina2, Schanze Sascha2
1
Leibniz-Institut für Wissensmedien, Deutschland; 2Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, Leibniz Universität Hannover
Die Digitalisierung der Schulen ist ein viel diskutiertes Thema in Deutschland. Ein Fazit dieser Diskussion ist, dass es nicht
ausreicht die Schulen mit Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) wie Tablets auszurüsten. Lehrkräfte benötigen
entsprechende digitale Lehrmaterialien, um die Geräte auch sinnvoll in den Unterricht einbetten zu können. Das von der DFG
geförderte eChemBook-Projekt hat das Ziel, eine evidenzbasierte digitale Schulbucheinheit für den Chemieunterricht zu
entwickeln. Im Projekt arbeiten Forschungspartner aus der Chemiefachdidaktik und Lehr-/Lernpsychologie mit den
Praxispartnern Schroedel Westermann Verlag und SMART Technologies zusammen. Die zentrale Idee des Projektes ist der
Transfer von Wissen aus der Forschung in die Praxis.
Verschiedene Fragestellungen wurden in Meilensteinen des Projektes adressiert:
(a) Fragebogenstudie mit N = 355 Lehrkräften der Naturwissenschaften zur Erhebung der Einstellungen gegenüber IKT im
Klassenzimmer, der wahrgenommenen Hindernisse für eine erfolgreiche Nutzung von IKT sowie der Wünsche und Bedürfnisse
der Lehrkräfte für die zukünftige IKT-Nutzung.
(b) Prototypentwicklung einer digitalen Schulbucheinheit zum Thema Teilchenmodell basierend auf Evidenz aus den
Forschungsbereichen Chemiefachdidaktik und Lehr-/Lernforschung. Zudem wurde ein adäquates Evaluationsmaß für den
Lernerfolg entwickelt.
(c) Pre-Posttest Schulerhebung mit N = 396 Schülerinnen und Schülern (SuS), mit dem Ziel die Lernwirksamkeit des Prototyps
zu erfassen.
(d) Erstellung von Gestaltungsempfehlungen für digitale Schulbücher.
Die Fragebogenstudie zugehörig zum Meilenstein (a) ergab unter anderem, dass die befragten Lehrkräfte nach wie vor
Hindernisse bezüglich der IKT-Integration sehen, wie z.B. nicht voll funktionsfähige Geräte oder keine ausreichende Anzahl an
Geräten. Darüberhinaus gaben viele der befragten Lehrkräfte an, dass ihnen kein umfassendes digitales Lernmaterial zur
Verfügung steht, das die Potenziale von IKT im Unterricht nutzt (beispielsweise interaktive Aufgaben oder dynamische Inhalte).
Die Lehrkräfte betonten insbesondere, dass auf das Curriculum abgestimmte digitale Schulbücher und Lehrmaterialien fehlen.
Basierend auf den Ergebnissen der Fragebogenstudie wurde in Meilenstein (b) ein evidenzbasierter Prototyp für eine digitale
Schulbucheinheit entwickelt. Forschungsergebnisse aus den Bereichen Chemiefachdidaktik und Instruktionsdesign sind in die
Gestaltung der Einheit zum Thema Teilchenmodell eingeflossen. Die Anforderungen der Lehrkräfte wurden auf vielfältige Weise
berücksichtigt, beispielsweise durch ein intuitives Navigationsdesign und einem modularen und konsistenten Aufbau der Einheit.
Damit können einzelne E-Book Elemente auch unabhängig voneinander im Unterricht eingesetzt werden.
In Meilenstein (c) wurde mittels eines Pre-Posttest Designs die generelle Lernwirksamkeit des Prototyps getestet. Die SuS lernten
zwei Doppelstunden mit der digitalen Schulbucheinheit und beantworteten darauf folgend einen Wissenstest, der sechs Wochen
später erneut erhoben wurde. Vorläufige Ergebnisse zeigten einen signifikanten Wissenszuwachs über die drei Messzeitpunkte
hinweg, F(2,330) = 298.14, p < .001, ηp2 = .64. Es gab keine Unterschiede zwischen dem direkten Posttest und dem verzögerten
Posttest, d.h. die Lernleistung blieb stabil.
Im nächsten Schritt wurden in Meilenstein (d) Gestaltungsempfehlungen für ein digitales Schulbuch für die Praxispartner
zusammengefasst. Die Empfehlungen wurden jeweils nach dem Ziel der Maßnahme, dem Hintergrund, der konkreten Umsetzung
mit Checkliste, Beispiel aus dem eChemBook, Evidenz für diese Maßnahme und weiterführender Literatur gegliedert.
Basierend darauf erstellten die Praxispartner in weiteren Meilensteinen des Projektes eine weitere digitale Schulbucheinheit, die
ebenfalls empirisch evaluiert wird. Zudem wurden Lehrerhandreichungen zum Einsatz des eChemBooks generiert. In der letzten
Projektstudie wird empirisch erhoben, wie Lehrkräfte das eChemBook im Unterricht einsetzen, welche zusätzliche Unterstützung
sie möglicherweise benötigen und welche Probleme sie beim eChemBook Einsatz im Unterricht sehen.
Wir hoffen mit diesem Ansatz nachhaltig Wissen zu generieren, dass Gestalter von Lernmaterial, Autoren und auch Lehrkräfte
bei der Gestaltung von digitalem Lernmaterial unterstützt. Damit soll das Projekt dazu beitragen, die Effektivität von IKT-basiertem
Unterrichten in Schulen zu verbessern.
ID: 264
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Motivation und Emotion, Schulentwicklung
Stichworte: Elternarbeit, Motivation, Schülerleistung, Lernen, Förderung
Einfluss elterlicher Lernunterstützung auf Schülerleistungen und Motivation
Jan Schröder, Jasmin Schwanenberg
TU Dortmund, Deutschland
Es hat sich gezeigt, dass für Schulerfolg neben Faktoren auf der Ebene der Lehrkräfte und des Unterrichts insbesondere auch
familiäre Einflussfaktoren entscheidend sind (Wild & Lorenz, 2010; Sacher, 2012). Bereits Bandura (1997) stellte fest, dass die
Familie eine Schlüsselrolle für den schulischen Erfolg von Kindern spielt. Aus diesem Grund ist es von Bedeutung, elterliche
Einflussfaktoren hinsichtlich der schulischen Entwicklung des Kindes näher zu betrachten. Einen besonderen Stellenwert nimmt
dabei die elterliche Lernunterstützung ein. Die lernbezogene Elternpartizipation bezieht sich auf die Unterstützung der Eltern bei
schulischen Lernprozessen (z. B. Grolnick & Slowiaczek, 1994; Schwanenberg, 2015). Nach Grolnick und Slowiaczek (1994)
beeinflussen Eltern vor allem schulbezogene Einstellungen sowie die Lern- und Leistungsmotivation der Kinder, die wiederum
auf die Schulleistung wirken. Empirische Befunde zeigen, dass sich vor allem hinsichtlich elterlicher Lernunterstützung positive
Zusammenhänge zu Schülerleistungen finden (Hill & Tyson, 2009). Zudem gibt es Hinweise, dass das Engagement von Eltern
auch positiv die Einstellungen und die Motivation von Schülerinnen und Schülern beeinflusst (z. B. Cheung & Pomerantz, 2012;
Fan, Williams & Wolters, 2012). Da es zu der Frage, inwieweit sich lernbezogene Elternpartizipation auf Leistungen sowie
motivationale Aspekte von Schülerinnen und Schülern auswirkt im deutschsprachigen Raum bisher kaum Erkenntnisse gibt, soll
im Rahmen dieses Beitrags folgenden Fragestellungen nachgegangen werden:
1. Wie entwickelt sich die elterliche Lernunterstützung in der Sekundarstufe 1 an Ganztagsgymnasien? 2. Lassen sich
Zusammenhänge zwischen lernbezogener Elternpartizipation und Schülerleistungen sowie motivationalen Aspekten
identifizieren? 3. Unterstützen Eltern, deren Kinder keine Gymnasialempfehlung haben ihre Kinder intensiver als Eltern, deren
Kinder eine Gymnasialempfehlung haben?
Auf Basis einer univariaten Varianzanalyse mit Messwiederholung wird die Entwicklung der lernbezogenen Elternpartizipation
analysiert. Zur Untersuchung gruppenspezifischer Unterscheide werden t-Tests sowie Varianzanalysen eingesetzt. Außerdem
sollen mithilfe einer Pfadanalyse die Zusammenhangsstrukturen hinsichtlich der lernbezogenen Elternpartizipation,
Schülerleistungen und motivationalen Aspekten identifiziert werden. Zur Untersuchung gruppenspezifischer Unterschiede
werden t-Tests eingesetzt. Als Datengrundlage dienen dafür drei Messzeitpunkte im Schulentwicklungsprojekt „Ganz In – Mit
Ganztag mehr Zukunft. Das neue Ganztagsgymnasium NRW“. Im Rahmen von „Ganz In“ werden 31 Gymnasien auf ihrem Weg
zum gebundenen Ganztag begleitet und unterstützt. Bezüglich der längsschnittlichen Erhebungen haben etwa 3000 Eltern und
Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2010/11, 2012/13 und 2014/2015 an einer umfassenden Befragung teilgenommen.
Die Ergebnisse für die drei Messzeitpunkte zeigen, dass die Beteiligung von Eltern in Form elterlicher Lernunterstützung von der
Jahrgangsstufe 5 zu 9 abnimmt. Weiterhin deutet sich auf Grundlage von t-Tests an, dass Kinder der Klasse 5 ohne
Gymnasialempfehlung von ihren Eltern (M = 3.5, SD = 0.61) intensiver lernbezogen unterstützt werden als Kinder mit
Gymnasialempfehlung (M = 3.3, SD = 0.64), t(2411) = 2.75, p = .006 (zweiseitig). Korrelationsanalysen zeigen darüber hinaus
signifikant negative Zusammenhänge zwischen lernbezogener elterlicher Unterstützung und Schülerleistung in den
Hauptfächern. Demnach scheint es, dass je schlechter die Schülerleistung, desto größer die Lernunterstützung der Eltern zu
Hause. Auf Grundlage dieser ersten explorativen Ergebnisse sollen nun weiterführende und vertiefende Analysen mit Daten des
dritten Messzeitpunktes sowie ergänzenden motivationalen Variablen folgen, um Entwicklungen und genauere
Zusammenhangsstrukturen abbilden zu können.
Der Beitrag versucht auf der Grundlage der Annahme, dass die im Elternhaus wichtigen vermittelten Lerninhalte das Leben
nachhaltig beeinflussen, zu verdeutlichen, wie sich auf Grundlage von elterlicher Lernunterstützung erwartungswidrige
Bildungsverläufe an Gymnasien konstituieren. Im Fokus dabei steht vor allem die Schülerschaft, deren häusliche
Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Besuch des Gymnasiums als unvorteilhaft bezeichnet werden könnten.
ID: 266
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Genderforschung, Motivation und Emotion, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Selbstbestimmungstheorie der Motivation, Flow-Theorie, Autonomie, Lehrerverhalten, Geschlechterdifferenzen
Geschlechterdifferenzen im Flow-Erleben sowie der Motivationsqualität in einem Biologieunterricht mit
autonomieförderlichem bzw. kontrollierendem Lehrerverhalten
Nadine Großmann, Matthias Wilde
Universität Bielefeld, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Insbesondere in den Naturwissenschaften erfolgt ein intensiver Genderdiskurs, der je nach Unterrichtsfach Mädchen oder Jungen
fokussiert (Blossfeld et al., 2009). Zentrale Frage bleibt, wie man Geschlechterdifferenzen im Unterricht begegnen kann. Die
Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Deci & Ryan, 2000) scheint ein geeigneter Ansatz zur Gestaltung von
Lernumgebungen, die beide Geschlechter gleichermaßen fördern, zu sein. Die Befriedigung der darin konstatierten
psychologischen Grundbedürfnisse (Kompetenz, soziale Eingebundenheit, Autonomie) ist geschlechtsunabhängig von zentraler
Bedeutung für die Entstehung von Motivation (Deci & Ryan, 2000; Assor, Kaplan, Kanat-Maymon & Roth, 2005). Insbesondere
das Erleben von Autonomie hat einen positiven Einfluss auf die Erlebensqualität im Biologieunterricht und gilt als eines der
wesentlichen Merkmale guten Unterrichts (Hartinger, 2005; Schiefele & Köller, 2006; Meyer-Ahrens et al., 2010).
Fragestellung
Das Autonomieerleben sowie positive Motivationsqualitäten der Schülerinnen und Schüler (SuS) werden wesentlich durch das
Lehrerverhalten beeinflusst (Assor, Kaplan & Roth, 2002; Ommundsen & Kvalǿ, 2007). Aus diesem Grund sollte zunächst
untersucht werden, ob sich autonomieförderliches Lehrerverhalten positiv und kontrollierendes Lehrerverhalten negativ auf das
Flow-Erleben und die intrinsische Motivation der SuS auswirken. Zweiter Schwerpunkt lag auf der Untersuchung von
Geschlechterdifferenzen. Die Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse wird als wesentlich für alle Menschen, egal
ob weiblich oder männlich, beschrieben (Deci & Ryan, 2000). Darum wurde untersucht, ob sich autonomieförderliches bzw.
kontrollierendes Lehrerverhalten in gleichem Maße positiv bzw. negativ auf die intrinsische Motivation der SuS auswirken. In den
Untersuchungen zum Flow-Erleben werden ebenfalls keine Geschlechterdifferenzen berichtet (u.a. Kowal & Fortier, 2000;
Hofferber, Eckes, Kovaleva & Wilde, in press). Es wurde untersucht, ob auch in der vorliegenden Untersuchung keine
signifikanten Geschlechterdifferenzen im Flow-Erleben in beiden Treatments auftreten.
Methode
12 Klassen (N=305; 52% Mädchen, 48% Jungen) verschiedener Schulformen nahmen an der vorliegenden Studie teil. Das
Durchschnittsalter der SuS lag bei 11,31 Jahren (SD=0.58). 6 Klassen (n=157) wurden autonomieförderlich (A-Treatment), 6
Klassen (n=148) kontrollierend unterrichtet (K-Treatment). Es fand eine dreistündige Unterrichtseinheit zur Eurasischen
Zwergmaus mit lebenden Organismen statt. Am Ende der ersten Unterrichtsstunde wurden die Flow Kurzskala (Rheinberg,
Vollmeyer & Engeser, 2003) sowie die Kurzskala intrinsischer Motivation (Wilde, Bätz, Kovaleva & Urhahne, 2009) erhoben. Eine
Woche nach der Durchführung des Unterrichts erfolgte die Erhebung der Autonomiewahrnehmung anhand einer adaptierten
Version des Fragebogens Perceived Self-Determination (Reeve, Nix & Hamm, 2003). 2(Treatment) x 2(Geschlecht)-ANCOVAs
sowie eine MANOCVA wurden gerechnet. Kovariate stellt in beiden Verfahren der Betreuer dar. Aufgrund der signifikanten
Differenzen in beiden Verfahren wurden zudem Kontraste berechnet. Die Subskala Druck/Anspannung der Kurzskala
intrinsischer Motivation wurde aufgrund der nicht signifikanten Interaktion in der Kontrastanalyse nicht berücksichtigt.
Ergebnisse
Die Interaktionen zeigen signifikante Unterschiede im Flow-Erleben (F(1; 301)=5.53, p=.02, η2=.02) sowie in den Subskalen
Interesse/Vergnügen (F(4; 299)=4.48, p=.04, η2=.02) und wahrgenommene Wahlfreiheit (F(4; 299)=6.86, p=.01, η2=.02). In der
Subskala wahrgenommene Kompetenz (F(4; 299)=3.21, p=.07, η2=.01) ist eine Tendenz erkennbar. Die Kontrastanalyse im
Vergleich der Gruppen A/J (Autonomieförderung, Jungen) und A/M (Autonomieförderung, Mädchen) ergab lediglich signifikante
Differenzen in der Subskala wahrgenommene Wahlfreiheit. Die Gruppen K/J (Kontrollierend, Junge) und K/M (Kontrollierend,
Mädchen) unterscheiden sich hingegen in allen Variablen tendenziell bis höchst signifikant. Die Mittelwerte der Jungen liegen
dabei in allen erhobenen Variablen unter den Mittelwerten der Mädchen. Werden die Gruppen A/J und K/J verglichen,
unterscheiden sich diese in allen erhobenen Variablen signifikant voneinander. Die Mittelwerte im A-Treatment sind in allen
Variablen größer als im K-Treatment. Im Vergleich der Gruppen A/M und K/M sind signifikante Differenzen im Autonomieerleben
sowie den Subskalen Interesse/Vergnügen und wahrgenommene Wahlfreiheit erkennbar. Im Flow-Erleben sowie der Subskala
wahrgenommene Kompetenz unterscheiden sich die Mädchen im A- und K-Treatment nicht signifikant, weisen jedoch in beiden
Treatments überdurchschnittlich hohe Mittelwerte auf. Autonomieförderung im Biologieunterricht scheint für Jungen besonders
bedeutsam zu sein.
ID: 268
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Lese- und Sprachförderung
Stichworte: Bildverstehen, kognitive Prozesse, Biologie, lautes Denken
Kognitive Aktivitäten während des Verstehens biologischer Prozessdarstellungen
Miriam Brandstetter, Christine Florian, Angela Sandmann
Universität Duisburg Essen, Deutschland
Theorie und Fragestellung
Biologische Prozesse, wie der Blutkreislauf, werden häufig durch komplexe Abbildungen repräsentiert (z.B. Harms & Kattmann,
2013). Das Verstehen von Abbildungen erfordert Bildlesefähigkeit und stellt Schülerinnen und Schüler oft vor große
Schwierigkeiten; sie verstehen Bildinformationen häufig nur oberflächlich und übersehen Bilddetails (Kragten, Admiraal, &
Rijlaarsdam, 2013). Ein Grund dafür können unzureichende kognitive Aktivitäten während des Prozesses des Bildverstehens
sein (Kragten, Admiraal, & Rijlaarsdam, 2015; Schnotz et al., 2014). Dieser Prozess umfasst nach Schnotz und Bannert (2003)
grob zwei Phasen: Zuerst muss verstanden werden, was dargestellt ist durch Selektion und Identifikation von Bildinhalten. Des
Weiteren muss durch semantische Verarbeitung die Bedeutung der visuellen Mitteilung entschlüsselt werden (Weidenmann,
1988). Ein mentales Model entsteht durch Integration der neuen Informationen und Vorwissen über die Bildinhalte (Mayer, 1996).
Bislang ist unklar, wie Schülerinnen und Schüler beim Verstehen von komplexen Prozessdarstellungen im Biologieunterricht
vorgehen und welche kognitiven Aktivitäten sie zeigen (Kragten et al., 2015; Schnotz et al., 2014). Des Weiteren gibt es bislang
nur wenig Hinweise darauf inwiefern bestimmte Aktivitätsmuster das Verstehen von Abbildungen fördern. Ziel der Studie ist es,
auf Grundlage des Modells für Bildverstehen (Schnotz & Bannert, 2003) Hinweise auf folgende Forschungsfragen zu erhalten:
FF1: Inwieweit lassen sich kognitiven Aktivitäten beim Lesen und Verstehen von Abbildungen des Blutkreislauf und
Kniesehnenreflex kategorisieren?
FF2: Inwieweit lassen sich Aktivitätsmuster differenzieren, die den Erfolg beim Bildverstehen vorhersagen?
Design
Schülerinnen und Schüler (N=42) der Jgst. 9 wurden gebeten Abbildungen zum Thema Blutkreislauf und Kniesehnenreflex
jeweils 15 Minuten zu lesen und zu verstehen und dabei laut zu denken. Die Protokolle der Schüleräußerungen (N=4351
Äußerungen) wurden von zwei unabhängigen Ratern analysiert und das individuelle Bildverstehen bewertet mit Hilfe eines
standardisierten Erwartungshorizontes zu Aussagen über den Abbildungsinhalt. Es wurde die Interraterreliabilität zur
Überprüfung der Messinstrumente analysiert.
Ausgehend von existierenden Kategoriensystemen z. B. nach Guthrie et al. (1993), wurde durch qualitative Inhaltsanalyse ein
Kategoriensystem entwickelt, zur Beschreibung der kognitiven Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler beim Verstehen von
Prozessdarstellungen (Mayring, 2007) (FF1). Interraterreliabilitäten der einzelnen Kategorien wurden überprüft und zugrunde
liegende Aktivitätsmuster wurden durch explorative Faktorenanalyse untersucht. Mittels Regressionsanalysen wurde der Einfluss
auf das Bildverstehen überprüft (FF2).
Ergebnisse
Interraterreliabilität für das Maß für Bildverstehen war zufriedenstellend für Verstehen der Abbildungen des Blutkreislauf
(ICC=.932) und Kniesehnenreflex (ICC=.913).
Das Kategoriensystem zur Analyse der kognitiven Aktivitäten während des Verstehens der Abbildungen umfasst 15 Kategorien
(Mdn ICC=.703), die auf unterschiedliche Nutzung des Vorwissens sowie auf selektive oder semantische Aktivitäten hinweisen.
Die Kategorien sollen im Detail vorgestellt werden.
Die Eignung der Stichprobe für eine faktoranalytische Untersuchung nach VARIMAX wurde bestätigt (KMO=709; Bartlett-Test:
χ2(105)=390.73, p<.001) und das Modell mit den besten Fitwerten ist eine 4-Faktoren Lösung mit 60,61% Varianzaufklärung.
Kognitive Aktivitäten, die auf einen Faktor laden beschreiben folgende Aktivitätsmuster:
Faktor 1: „Inferenzen durch Elaboration des Bildinhaltes“,
Faktor 2: „Inferenzen durch Abruf von Vorwissen“,
Faktor 3: „Kritik der Abbildung“ und
Faktor 4: „Metakognitive Aktivitäten“.
Auf Grundlage der individuellen Schüleräußerungen wurden Faktorscores jedes Teilnehmenden durch die Anderson-RubinMethode gebildet. Regressionsanalysen mit Bildverstehen als abhängige Variable und den Faktorscores als unabhängige
Variablen (R=.540, R^2=.292, B=.520, p<.001) zeigen einen signifikanten Einfluss der Aktivitäten „Inferenzen durch Elaboration
des Bildinhaltes“ (B=.05, β=.21, p=.03) und „Inferenzen durch Abruf von Vorwissen“ (B=.11, β=.46, p<.001) auf das Bildverstehen.
Die Aktivitätsmuster „Kritik der Abbildung“ (B=.04, β=.15, p=n.s.) und „Metakognitive Aktivitäten“ (B=- .03, β=-.11, p= n.s.) haben
dagegen keinen signifikanten Einfluss auf den Erfolg beim Bildverstehen.
Je häufiger Schülerinnen und Schüler das Aktivitätsmuster „Inferenzen durch Elaboration des Bildinhaltes“ und „Inferenzen durch
Abruf von Vorwissen“ zeigen, desto höheres Bildverstehen wird erreicht.
In einem nächsten Schritt soll überprüft werden, inwieweit Abbildungsmerkmale wie der Abstraktionsgrad und die Sequenzierung
Einfluss auf kognitive Aktivitäten und das Bildverstehen haben (Schnotz & Baadte, 2015).
ID: 280
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen
Stichworte: Selbstreguliertes Lernen, Selbstwirksamkeit, akademische Leistung, Primarbereich
Kognition, Metakognition, Motivation. Welche Komponenten selbstregulierten Lernens leisten den
höchsten Beitrag zur Leistungsvorhersage im Primarbereich?
Manuela Leidinger, Katrin Philippi, Franziska Perels
Universität des Saarlandes, Deutschland
In der Fachliteratur wird die Fähigkeit zur eigenständigen Initiierung, Regulierung und Reflexion von Lernprozessen als
selbstreguliertes Lernen („self-regulated learning“) bezeichnet (Dinsmore, Alexander & Loughlin, 2008). Sie wird als zentrale
fächerübergreifende Kompetenz verstanden, die in den Kanon der Bildungsindikatoren der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aufgenommen wurde und zu den „cross curricular competencies“ gezählt wird (Köller
& Schiefele, 2003, S. 156). Gerade vor dem Hintergrund der sich schnell wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen und der
geringen „Halbwertszeit“ des Wissens (Bartscher & Stöckl, 2011) ist eine Diskussion über die Wichtigkeit dieser Fähigkeit für das
schulische Lernen entstanden, in deren weiteren Verlauf die Bedeutsamkeit selbstregulierten Lernens für das lebenslange Lernen
(Lüftenegger, Schober, van de Schoot, Wagner, Finsterwald, & Spiel, 2012) sowie für die akademische Leistung hervorgehoben
wurde (Boerner, Seeber, Keller & Beinborn, 2005; Leutner & Leopold, 2003). Der selbstregulierte Lerner ist dabei nach
Zimmerman (2011) bestimmt durch seine kognitive, metakognitive und motivationale Teilhabe am eigenen Lernprozess. Als
kognitive bzw. metakognitive Komponenten sind hierbei Prozesse der Zielsetzung, Zeitplanung, Strategieplanung,
Selbstbeobachtung und Selbstevaluation zu nennen, während unter den motivationalen Komponenten Selbstwirksamkeit,
intrinsischer Wert, Aufmerksamkeitsfokussierung und Kausalattribution zu verstehen sind (Zimmerman, 2000). Studien deuten
daraufhin, dass durch das Zusammenwirken dieser Komponenten, die Effektivität des Lernprozesses entschieden beeinflusst
werden kann (De Corte, Mason, Depaepe, & Verschaffel, 2011; Dignath & Büttner, 2008). Für den Primarbereich berichtet
Throndson (2011) hohe Zusammenhänge zwischen metakognitiven und motivationalen Komponenten und dem
Leistungsvermögen im Bereich Mathematik, während De Corte, Verschaffel und An Van De Ven (2001) die Bedeutsamkeit
entsprechender Komponenten für den Bereich des Leseverstehens hervorheben.
Vor diesem Hintergrund bestand die Zielsetzung der vorliegenden Studie darin, die Frage nach der prädiktiven Bedeutsamkeit
entsprechender Selbstregulationskomponenten gegen Ende der Grundschulzeit in den beiden zentralen Domänen Mathematik
und Leseverstehen näher zu beleuchten.
An der Studie nahmen insgesamt 916 Schüler der dritten und vierten Klassenstufe teil (51.20% weiblich), die im Durchschnitt
9.17 Jahre alt waren (SD = .63, Altersrange = 8-11).
Mit Hilfe eines Fragebogens wurden die Schüler gebeten, ihr selbstreguliertes Lernverhalten auf einer vierstufigen Likert-Skala
einzuschätzen. Die insgesamt 39 Items des Instruments bildeten dabei die bereits erwähnten kognitiven, metakognitiven und
motivationalen Komponenten des selbstregulierten Lernprozesses ab (Cronbach's Alpha = .68 - 88). Die sich theoretisch
ableitende Struktur selbstregulierten Lernens wurde mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen (CFA) auf ihre Konstruktvalidität
hin überprüft und zufriedenstellend bestätigt (Kline, 2011).
Zur Erfassung der Leistung im Bereich Mathematik wurde das „Diagnostische Inventar zu Rechenfertigkeiten im Grundschulalter
(DIRG)“ von Grube, Weberschock, Blum, Hasselhorn und Gölitz (2010) eingesetzt, das der Einschätzung grundlegender
Rechenfertigkeiten in den Kompetenzbereichen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division dient (532 Aufgaben,
Cronbach's Alpha = .85). Für den Bereich des Leseverstehens kam das von Lenhard und Schneider (2006) entwickelte Verfahren
„Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (ELFE)“ zum Einsatz, welches anhand von drei Subtests das Leseverstehen
auf den Ebenen Wort-, Satz- und Textverständnis überprüft (120 Aufgaben, Cronbach's Alpha = .75).
Die mittels linearer Strukturgleichungsmodellierung (SEM) gewonnenen Ergebnisse deuten daraufhin, dass der motivationalen
Komponente der Selbstwirksamkeit ein zentraler Stellenwert für die Vorhersage der Leistung in den Domänen Mathematik und
Leseverstehen einzuräumen ist, während die übrigen Komponenten einen eher als gering einzustufenden Beitrag leisten. Dieser
Befund steht in Einklang mit den Ergebnissen zahlreicher Untersuchungen, welche die Bedeutsamkeit der Selbstwirksamkeit im
schulischen Kontext hervorheben (Parker, Marsh, Ciarrochi, Marshall, & Abduljabbar, 2014; Richardson, Abraham, & Bond, 2012;
Stankova, Moronya, & Leeb, 2014). Vor diesem Hintergrund nimmt die Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle im selbstregulierten
Lernprozess ein, da sie unter den entsprechenden Selbstregulationskomponenten der zentrale Prädiktor für akademische
Leistung zu sein scheint.
ID: 281
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Studienerfolg, Physik, Bauingenieurwesen, fachlich-mathematische Modellierung, ALSTER
Fachlich-mathematische Modellierung in der Physik und im Bauingenieurwesen als Prädiktor für
Studienerfolg
Joachim Müller1, Elmar Dammann1, Hans E. Fischer1, Martin Lang1, Andreas Borowski2, Axel Lorke1, Jochen
Menkenhagen1
1
Universität Duisburg-Essen, Deutschland; 2Universität Potsdam
Um die hohe Abbruch- (36%) und Wechselquote (26%) im Studienfach Physik (Heublein, Schmelzer, Sommer & Wank, 2008)
und die bundesweite Abbruchquote von 47% im Bauingenieurwesen (Heublein, Richter, Schmelzer & Sommer, 2012) erklären
zu können, soll Studienerfolg in den Studiengängen Physik und Bauingenieurwesen im ersten Studienjahr durch fachliche,
psychologische und demographische Variablen beschrieben werden. Studienerfolg wird durch den Verbleib im Studium definiert
und über den fachlichen Wissenszuwachs und die Klausurnote erfasst. Die Untersuchung wird im Rahmen der DFGForschergruppe ALSTER (Akademisches Lernen und Studienerfolg in der Eingangsphase von naturwissenschaftlich-technischen
Studiengängen) durchgeführt.
Für die erfolgreiche Bewältigung eines Studiums der Physik und des Bauingenieurwesens müssen Studierende dieser
Studiengänge bereits am Anfang ihres Studiums, beispielsweise in den Veranstaltungen Grundlagen der Physik (Studiengang
Physik) und Technische Mechanik (Studiengang Bauingenieurwesen), physikalische aber auch grundlegende mathematische
Fähigkeiten erwerben. Mathematik wird in beiden Studiengängen in separaten Lehrveranstaltungen auf eine spezifische
mathematische Weise gelehrt, innerhalb der Grundlagenveranstaltungen hat die Mathematik aber einen fachspezifischen
Charakter. Die besondere Rolle der Mathematik für die Physik wird deutlich, indem sie als „Mittel zur Beschreibung von Welt“
(Prediger 2009) und als eine Grundlage der physikalischen Methodik und Erkenntnisgewinnung zu sehen ist (bspw. Pospiech,
2009). Daher vermuten wir, dass der Zusammenhang zwischen Mathematik und den Grundlagenveranstaltungen der genannten
Studiengänge eine Variable für Studienerfolg ist.
Nach ersten curricularen Analysen von Klausuren in beiden Grundlagenveranstaltungen wird angenommen, dass Studierende
der Physik und des Bauingenieurwesens dann erfolgreich sind, wenn es ihnen gelingt, gegebene fachliche Modelle in
mathematische Modelle sowie mathematische Modelle in mathematische Ergebnisse zu überführen und diese Ergebnisse
fachlich zu interpretieren und zu bewerten. Wir nehmen an, dass Studierende, die diese Fähigkeiten im ersten Studienjahr
entwickeln können, im Studium erfolgreich sind. Die genannten Schritte der Aufgabenbearbeitung lassen sich nach BorromeoFerri, Grünewald und Kaiser (2013) als mathematische Modellierung in Teilkompetenzen operationalisieren:



die Kompetenz zum Aufstellen eines mathematischen Modells aus einem Realmodell,
die Kompetenz zur Interpretation mathematischer Resultate in der Realität und
die Kompetenz zur Validierung des Ergebnisses.
Sie werden als Teile einer globalen Modellierungskompetenz gesehen, die als die Fähigkeit beschrieben werden kann,
„Prozessschritte problemadäquat ausführen zu können sowie gegebene Modelle analysieren und vergleichen zu können“ (Blum,
2007). Trump (2015) spezifiziert den von Blum in Anlehnung an Pollak (1979) genannten „Rest der Welt“ (alles außer Mathematik)
als Ausgangs- und Zielpunkt des Modellierungskreislaufs, mit Inhaltsbereichen der Physik. Damit entsteht ein Modell zur
physikalisch-mathematischen Modellierung, das den Anforderungen Blums zur mathematischen Modellierung genügt, jedoch auf
den Inhaltsbereich der Physik und des Bauingenieurwesens bezogen werden kann. Da das Modell für beide hier untersuchte
Fachrichtungen gelten soll, bezeichnen wir diese Modellierungsfähigkeit als fachlich-mathematische Modellierung.
Der Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zur fachlich-mathematischen Modellierung beim Lösen physikalischer bzw.
ingenieurwissenschaftlicher Aufgaben und Studienerfolg soll analysiert werden. Weiterhin wird untersucht, wie die Fähigkeit zur
fachlich-mathematischen Modellierung mit außerfachlichen Variablen des Studienerfolgs zusammenhängt.
Die Stichprobe umfasst Studierende der Physik und des Bauingenieurwesens an der Universität Duisburg-Essen im ersten
Studienjahr. Wir betrachten die oben beschriebenen Fähigkeiten und Eigenschaften der Studierenden längsschnittlich und setzen
dafür fachspezifische, psychologische und demographische Testinstrumente zu drei Messzeitpunkten vor und nach dem ersten
Semester (WiSe 2016/17) und nach dem zweiten Semester (SoSe 2017) ein. Die erwartete Anfangsstichprobe liegt für die Physik
bei N=180 und für das Bauingenieurwesen bei N=300 Studierenden.
Es werden zwei fachspezifische Wissens- und Modellierungstests und ein gemeinsamer Rechentest entwickelt. Die
Modellierungstests umfassen Items zu ausgewählten Prozessschritten des Modellierungskreislaufs nach Trump (2015). Als
psychologische Variablen werden das metakognitive Wissen, das Wissen über Lernstrategien, das akademisches Selbstkonzept,
die allgemeine Lern- und Studienmotivation, die Erwartungen an das Studienfach und das fachliche Interesse erhoben.
Es werden Ergebnisse aus der Datenerhebung der Pilotierung präsentiert, die im Wintersemester 2015/16 stattfinden wird.
ID: 284
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Methoden der empirischen Bildungsforschung, Motivation und Emotion
Stichworte: Experience Sampling, Emotionsregulation, Reappraisal, Intervention, Prüfungsphase
Vor der Prüfung Emotionen erfolgreich regulieren – eine Experience Sampling Studie
Anna-Lena Harter, Ulrike Nett
Universität Ulm, Deutschland
Studierende in der Prüfungsphase erleben häufig negative Leistungsemotionen, welche meist dazu führen, dass die Lernenden
sich nicht mehr auf den Lernstoff konzentrieren sondern in Gedanken abschweifen (Bless & Fiedler, 1999). Dazu zählen z.B.
Angst, Ärger, Frustration und Langeweile. Die Fähigkeit des selbstregulierten Lernens ist gerade im Studienalltag sehr zentral
und meint, sich Ziele zu setzen, den Prozess des Lernens zu überwachen und wenn nötig zu modifizieren (Goetz & Nett, 2011).
Im Selbstregulations-Prozessmodell von Bernhard Schmitz (2001) spielen Emotionen dabei eine wesentliche Rolle. Angst und
Hoffnungslosigkeit kann zum Setzen niedriger Ziele und geringer Motivation führen. Eine angemessene Regulation von z.B.
Angst und Ärger, kann sich positiv auf den Lernprozess auswirken (Schmitz & Wiese, 1999, 2006). Zahlreiche
Emotionsregulationsstrategien wurden im Alltag schon auf ihr Auftreten, ihre Benutzungshäufigkeit und ihren Einfluss hin
überprüft (z.B. Heiy & Cheavens, 2014). Eine wirksame Strategie stellt Reappraisal (Neubewertung der Situation) dar (Gross und
John, 2003). Reappraisal ist zwar hilfreich für die Herabsenkung negativer Emotionen, wird aber, wie in einigen Studien belegt,
nicht sehr häufig angewendet (z.B. Heiy und Cheavens, 2014). Oft sind andere Strategien, wie Vermeidung oder Ablenkung viel
schneller und einfacher abrufbar, jedoch wenig förderlich für eine erfolgreiche Emotionsregulation.
Ziel dieser Studie ist es, die Strategienutzung des Reappraisals anzuregen, sodass Studierende in ihrer Prüfungsphase weniger
negative Leistungsemotionen erleben. Somit soll zum erfolgreichen selbstregulierten Lernen beigetragen werden.
Diese Studie bedient sich der Experience Sampling Methode. Durch tägliche Abfragen mit Hilfe einer Smartphoneapp
(movisensXS) kann ein genauer Blick auf Emotionen in Echtzeit geworfen werden und zudem sind Interventionen
implementierbar.
41 Medizinstudierende der Universität Ulm nahmen an der Studie teil. Alle Teilnehmer studierten im 6. Semester, 75% waren
weiblich und das durchschnittliche Alter lag bei 23 Jahren (MW=23.04, SD=1.67). Bei der Studie handelt es sich um ein
experimentelles Design, in dem die Teilnehmer der Interventions- (N=20) und Kontrollgruppe (N=21) randomisiert zugeteilt
wurden. Während 6 Tagen bis hin zu einer wichtigen Prüfung, waren täglich 5 Kurzfragebögen auf einem Smartphone zu
beantworteten, welche durch zufälliges Intervallassessment über den Tag verteilt waren. Zu festen Tagesanfangs- und
Tagesendzeiten waren neutrale Fragen zu beantworten, wobei die Interventionsgruppe hierbei zusätzlich durch je eines von
sechs prompts zum Reappraisal angeregt wurde. Vor und nach der Smartphone-Erhebung wurde von den Studierenden ein
Paper-Pencil Fragebogen ausgefüllt, welcher die Benutzung von Emotionsregulationsstrategien durch den Cognitive Emotion
Regulation Questionnaire (CERQ) erfasste. Die täglichen Kurzfragebögen erfassten die erlebten Leistungsemotionen und die
verwendeten Emotionsregulationsstrategien im Alltag der Teilnehmer. Die Reappraisalprompts waren mit
Aufforderungscharakter formuliert: z.B. „Mache dir bewusst, welche Vorteile das Lernen der Inhalte abgesehen von der Prüfung
haben kann“.
Für die Auswertung wurden varianzanalytische Verfahren verwendet.
Insgesamt wurden 1141 Kurzfragebögen beantwortet (Compliance: 93%). Zusammengefasst ist die Intensität aller negativen
Leistungsemotionen über den Verlauf der 6 Tage in der Interventionsgruppe signifikant geringer als in der Gruppe ohne
Intervention (t(652.36)=5.07, p<.001). Auch einzeln betrachtet wird der Unterschied von Angst, Ärger und Frustration hoch
signifikant (alle ps<.001), während bei Langeweile kein Unterschied berichtet werden kann. Der Mittelwertsunterschied von Ärger
zwischen Interventions- und Kontrollgruppe hat hierbei den größten Effekt (d=0.53) gefolgt von Frustration (d=0.33) und Angst
(d=0.31).
Die Anwendung von Reappraisal wird sowohl im State (Kurzfragebögen) als auch im Trait (CERQ im Paper-Pencil Fragebogen)
in der Interventionsgruppe allerdings nicht intensiver angegeben als in der Gruppe ohne Intervention (beide ps>.05).
Die Intervention bewirkt, dass die Studierenden weniger Angst, Ärger und Frustration beim Denken an die Klausur empfinden als
Studierende, die nicht mit Lernprompts ausgestattet wurden. Der Erfolg zeigt sich allerdings nicht bewusst über die häufigere
Benutzung von Reappraisal. Weitere Analysen wie ein Verlauf der Emotionen über die 6 Tage hinweg als auch
mehrebenenanalytische Auswertungen sind geplant.
ID: 291
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: soziale Netzwerkanalyse, actor-based model, allgemeiner Selbstwert, schulisches Fähigkeitsselbstkonzept
Wie Selbstwert und Fähigkeitsselbstkonzept schulische Hilfe- und Freundschaftsnetzwerke beeinflussen
– eine Pilotstudie
Marvin Harks, Lysann Zander, Laura Trölenberg, Bettina Hannover
Freie Universität Berlin, Deutschland
Pädagogisch-psychologische Forschung misst Merkmalen des sozialen Lernkontextes für die Ausprägung lernförderlicher
Merkmale von Schülerinnen und Schülern (SuS) eine zunehmende Bedeutung bei. Bis dato ist jedoch kaum erforscht, welche
signifikanten Anderen Selbstkonzepte beeinflussen – und umgekehrt – und wie Selbstkonzepte sich darauf auswirken, mit
welchen Peers SuS bevorzugt interagieren (Zander & Hannover, 2014). Soziale Netzwerkanalyse ist eine geeignete Methode,
um bestehende Beziehungsstrukturen unter Peers im Klassenzimmer abzubilden (Zander, Kolleck & Hannover, 2014). Zudem
erlaubt sie, die Merkmale der in Netzwerken miteinander verbundenen SuS zu verknüpfen und damit Aussagen darüber zu
treffen, ob (a) Merkmale der SuS durch Peers beeinflusst werden, (b) SuS ihre Peers entsprechend verschiedener Merkmale
auswählen oder (c) beide Einflussrichtungen gleichzeitig wirksam sind. So ist plausibel, dass Selbstwahrnehmungen der SuS die
situationale Aktivierung von sozialen Netzwerken beeinflussen, sie also Einfluss darauf nehmen, welchen sozialen Netzwerken
SuS angehören möchten und auf welche Peers sie in diesem Netzwerk als Ressourcen zurückgreifen können (Zander &
Hannover, 2014). Diese Netzwerke können in affektive und kognitiv-instrumentelle Netzwerke („Wer ist dein/e beste/r Freund/in?“
vs. „Wen bittest du um Hilfe beim Lernen und bei Hausaufgaben?“) unterschieden werden (Zander et al., 2014).
Im Rahmen einer Masterarbeit untersucht die vorliegende Pilotstudie die Zusammenhänge zwischen affektiven bzw. kognitiven
Selbstwahrnehmungen (hier allgemeiner Selbstwert und schulisches Fähigkeitsselbstkonzept) und affektiven bzw. kognitivinstrumentellen Netzwerken. Dabei wird die Annahme geprüft, dass affektive Selbstaspekte (Selbstwert) stärker bestimmend für
die Entstehung affektiver Peernetzwerke sein sollten und dass kognitive Selbstaspekte (schulisches Selbstkonzept) wiederum
ausschlaggebender für die Wahl von kognitiv-instrumentellen Netzwerken sind.
Dazu wurden zwei Thüringer Regelschulklassen (N=16 und N=12, jeweils 6 Mädchen) beginnend in der 5. Klasse im September
2013 (Durchschnittsalter: 11 Jahre) über 18 Monate halbjährlich befragt (4 Zeitpunkte). Erhoben wurden affektive und kognitivinstrumentelle Netzwerke (adaptiert nach Fischer, 1982) sowie der allgemeine Selbstwert und das schulische Selbstkonzept
(adaptiert nach Asendorpf & Aken, 1993). Die Auswertung der Daten erfolgte durch die Berechnung von actor-based models
(Snijders, Bunt & Steglich, 2010). Dabei wurden Empfänger-, Sender und Homophilie-Effekte des allgemeinen Selbstwerts und
des schulischen Selbstkonzepts zur Erklärung der berechneten Netzwerkänderungen berücksichtigt. Zum Vergleich dieser
Erwartungswerte wurden ebenfalls Effekte des Geschlechts und der durchschnittlichen Schulnote sowie die Entwicklung
reziproker Beziehungen in die actor-based models miteinbezogen. Die statistische Signifikanz der Effekte wurde mit score-type
Tests überprüft (Schweinberger, 2012).
Die Ergebnisse zeigten, dass – bei Kontrolle der Note – das schulische Selbstkonzept der SuS keinen Einfluss auf deren Wahlen
in Hilfe- und Freundschaftsnetzwerken hatte. Stattdessen wurde in beiden Klassen deutlich, dass Kinder mit einer guten
Durchschnittsnote eher als Hilfepartner/innen gewählt wurden, nicht aber als beste/r Freund/in (was sich in einem signifikanten,
positiven Empfängereffekt der Schulnote lediglich für die kognitiv-instrumentellen Netzwerke ausdrückte).
Für den allgemeinen Selbstwert zeigte sich kein Unterschied im Einfluss auf die Beliebtheit der SuS im Freundschafts- oder
Hilfenetzwerk, jedoch unterschied sich dieser zwischen beiden Klassen deutlich: So wurden in einer Klasse signifikant häufiger
Kinder mit einem ähnlichen Selbstwert gewählt, in der anderen Klasse hingegen signifikant häufiger die SuS, die einen
entgegengesetzten allgemeinen Selbstwert berichteten. Dies galt in beiden Klassen sowohl für affektive, als auch instrumentelle
Netzwerke.
Weiterhin fanden sich klassenübergreifend strukturelle Effekte: Konsistent mit zahlreichen Forschungsarbeiten zeigten sich die
Netzwerke stark geschlechtersegregiert (Maccoby, 1998). Außerdem tendierten die SuS in affektiven Netzwerken dazu, einander
gegenseitig zu wählen.
Trotz des geringen Stichprobenumfangs und damit deutlich eingeschränkter Generalisierbarkeit der Ergebnisse, verdeutlicht die
vorliegende Pilotstudie die methodischen Möglichkeiten sozialer Netzwerkanalyse und insbesondere der actor-based models. In
einer größeren Stichprobe soll im nächsten Schritt überprüft werden, ob kognitive Selbstwahrnehmungen bei Kontrolle der
Schulnote tatsächlich keinen Einfluss auf die Entstehung von Peernetzwerken haben und ob sich der Einfluss affektiver
Selbstaspekte – wie hier – zwischen den Klassen unterscheidet.
ID: 292
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Sonstiges
Stichworte: Lernstrategie, Zeichnen, Vorwissen, instruktionale Hilfen, Blickbewegungsanalyse
Der Einfluss instruktionaler Hilfen auf die Lernstrategie des sinnstiftenden Zeichnens in Abhängigkeit
des Vorwissens: eine Eye Tracking Studie
Johannes Hellenbrand, Maria Opfermann, Annett Schmeck, Detlev Leutner
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Beim selbstständigen Lernen mit komplexen Sachtexten sind Lernende häufig mit den kognitiven Anforderungen überfordert,
welche Prozesse des verstehenden Lesens an sie stellen (Schnotz, 1994). Eine Möglichkeit diese Schwierigkeiten zu überwinden
bietet die Lernstrategie des sinnstiftenden Zeichnens (Leutner & Schmeck, 2014). Hierbei werden Lernende dazu aufgefordert,
skizzenhafte Zeichnungen zu den im Sachtext beschriebenen Inhalten zu erstellen. Um diese Aufgabe bewältigen zu können,
müssen die Kernelemente des Textes und ihre Relation zueinander erfasst und in einem kohärenten mentalen Modell organisiert
werden. Das vorhandene Vorwissen beeinflusst dabei entscheidend, welche Elemente für die Weiterverarbeitung im
Arbeitsgedächtnis ausgewählt werden. Dabei wird von Lernenden mit geringem Vorwissen angenommen, dass sie über weniger
domänenspezifisches Wissen und kognitive Schemata verfügen als Lernende mit hohem Vorwissen und dementsprechend ein
deutlich oberflächlicheres mentales Modell entwickeln (Cook, Carter & Wiebe, 2008; Snyder, 2000).
Der Lernstrategie des sinnstiftenden Zeichnens liegt das theoretische Konstrukt des Cognitive Model of Drawing Construction
von van Meter und Firetto (2013) zugrunde, welches für eine erfolgreichere Strategieanwendung instruktionale Hilfen vorschlägt.
Schwamborn und Kollegen (2010) implementierten dazu einen vorgegebenen Zeichenhintergrund und eine Werkzeugleiste,
welche alle für die Zeichnung relevanten Elemente enthält. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der handwerkliche Aspekt
des Zeichnens nicht zu viel Kapazität im Arbeitsgedächtnis vereinnahmt und somit noch ausreichend Kapazität vorhanden ist,
um den Text im Sinne der Zeicheninstruktion zu bearbeiten. Während Schmeck und Kollegen (2014) in einer weiteren Studie
zeigen konnten, dass die 2010 gefundenen Effekte nicht auf einen reinen Multimedia-Effekt aufgrund der in der Werkzeugleiste
vorgegebenen Bilder zurückzuführen sind, sondern dass das Zeichnen (mit geeigneter Hilfestellung) das Lernen mit Texten mehr
fördert als das bloße Hinzufügen von vorgefertigten Bildern, bleibt die Frage zu klären, inwiefern die Inanspruchnahme der
Werkzeugleiste beim Zeichnen vom Vorwissen der Lernenden abhängig ist.
Um den Einfluss der Werkzeugleiste auf die Anwendung der Lernstrategie des sinnstiftenden Zeichnens in Abhängigkeit des
Vorwissens der Lernenden zu untersuchen, wurden die Blickbewegungen von 29 Lehramtsstudierenden (Ø=25.41 Jahre,
SD=3.54, 58.6% weiblich) während der papierbasierten Anwendung der Lernstrategie untersucht. Die Probanden wurden
instruiert, einen in sieben Textabschnitte unterteilten biologischen Sachtext zu lesen und dabei die Informationen abschnittsweise
zeichnerisch darzustellen. Im Vordergrund standen die Fragen, wie häufig die Lernenden die Werkzeugleiste in Abhängigkeit von
ihrem Vorwissen für ihre Zeichnungen hinzuziehen und ob die Hilfestellungen in Form der vorgefertigten Zeichenelemente einen
Mangel an Vorwissen kompensieren können.
Eine Messwiederholungsanalyse zeigt zunächst erwartungskonform für alle Probanden, dass die Werkzeugleiste über die sieben
Textabschnitte hinweg unterschiedlich häufig frequentiert wurde (F(6,23)=42.66; p<.001; ηp2=.92). Am häufigsten wurde dabei
die Werkzeugleiste im ersten Textabschnitt angeschaut (Ø1=10.83). Für die folgenden drei Textabschnitte wurde kein neues
Zeichenelement eingeführt – hier wurde die Werkzeugleiste zunehmend seltener frequentiert (Ø2=6.03; Ø3=4.41; Ø4=3.03). Es
zeigt sich hier ein linearer Effekt, F(3,26)=19.90; p<.001; ηp2=.70. Ein leichter Anstieg der Betrachtungen (Ø5=3.76) ist für
Textabschnitt fünf zu verzeichnen, welcher die Zerlegung eines bereits bekannten Zeichenelements beschreibt. In den
Textabschnitten sechs und sieben stehen neue Zeichenelemente im Mittelpunkt, was sich ebenfalls in der Frequentierung der
Werkzeugleiste widerspiegelt (Ø6=8.31; Ø7=8.45). Dieser Anstieg ist ebenfalls linear signifikant (F(3,26)=35.58; p<.001;
ηp2=.80). Lineare Regressionsanalysen zeigen zudem, dass sich die Frequentierung der Werkzeugleiste durch das Vorwissen
vorhersagen lässt: Je höher das Vorwissen ist, desto seltener zogen die Probanden die Werkzeugleiste zu Rate (Anzahl der
Blicke: F(1,27)=4.28, β=-.370, p=.048; Verweilzeit (anteilig) : F(1,27)=4.57, β=-.380, p=.042). Dies trifft auch auf Textabschnitte
zu, für die bereits eingeführte Zeichenelemente der Werkzeugleiste benötigt werden (F2(1,27)=10.67, β=-.532, p=.003;
F3(1,27)=6.71, β=-.446, p=.015, F4(1,27)=6.22, β=-.433, p=.019). Zudem lässt sich eine anteilige höhere Verweilzeit in der
Werkzeugleiste nicht auf eine höhere Qualität der Zeichnung (F(1,27)=4.56, β=-.380, p=.042) oder ein besseres Posttestergebnis
(F(1,27)=5.21, β=-.402, p=.031) zurückführen. Geringes Vorwissen ist also nicht allein über die vermehrte Nutzung einer
Werkzeugleiste zu kompensieren.
ID: 293
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktiken der Geschichte, Philosophie, Religion, Gesellschaftswissenschaften,
Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: wissenschaftlich-theologische Argumentationskompetenz, religiöse Einstellungen und Verhaltensweisen, nationaler
Vergleich
Wissenschaftliche Argumentationskompetenz deutscher und britischer Studierender in der Theologie
Johannes Bur, Eric Klopp, Robin Stark
Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
Theologiestudierende befinden sich in einem bildungstheoretischen Spannungsfeld (Sauter, 1973). Einerseits sollen sie
wissenschaftlich fundiertes Fachwissen und methodische Kompetenzen erwerben sowie zu kritischem und differenziertem
Argumentieren angeleitet werden (DBK 2011; EKD, 2011). Andererseits ist das Theologiestudium in Deutschland konfessionell
gebunden: die Kirchen haben ein personelles, organisatorisches, inhaltliches und methodisches Mitbestimmungsrecht und
verpflichten das Kurrikulum auf die aus der Autorität der göttlichen Offenbarung abgeleiteten Glaubenswahrheiten (Christoph,
2009); zudem gehören die Studierenden überwiegend der Konfession an, deren Theologie sie studieren (KMK, 2002a, 2002b)
und sind in ihren religiösen Einstellungen und Verhaltensweisen dementsprechend vorgeprägt. Anders in Großbritannien: hier ist
der Einfluss der Kirchen auf das Studium äußerst begrenzt, Theologiestudierende sind nicht zwangsläufig konfessionell
gebunden (Brisgen, 2011). Bestehende Untersuchungen zur wissenschaftlichen Argumentationskompetenz von Studierenden in
anderen Domänen lassen auch in der Domäne Theologie erwarten, dass die Argumentationskompetenz von Studierenden nur
schwach ausgeprägt ist (Stark et al., 2010). Befunde von Kitchener et al. (1989) zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen
Einstellungen, insbesondere epistemologischen Überzeugungen, und Argumentationskompetenz sensu reflective judgment
(King et al., 1990) besteht. Die Befundlage ist jedoch nicht eindeutig (Dale, 2005).
Vor diesem Hintergrund stellt sich erstens die Frage, in welchem Ausmaß Theologiestudierende über wissenschaftlich fundiertes
Fachwissen und methodische Kompetenzen sowie die Kompetenz zum kritischen und differenzierten Argumentieren verfügen
und wie sich die Studierenden aus der BRD einerseits und aus Großbritannien andererseits diesbezüglich unterscheiden.
Zweitens muss gefragt werden, wie sich beide Gruppen bezüglich ihrer religiösen Einstellungen und Verhaltensweisen
unterscheiden. Eng damit verbunden ist drittens die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen religiösen Einstellungen bzw.
Verhalten und der Kompetenz zum kritischen und differenzierten Argumentieren gibt.
An der Untersuchung nahmen 48 Theologiestudierende (24w) unterschiedlicher christlicher Konfessionen (24 Katholiken, 12
Reformierte, 3 Anglikaner, 1 Orthodoxer, 8 k.A.) im Alter zwischen 18 und 58 Jahren teil (M=28, SD=9.45), davon 21 aus
Deutschland und 27 aus Großbritannien. Der Studienfortschritt variierte zwischen 1 und 18 Fachsemestern (M=5.03, SD=4.48).
Zur Erfassung der wissenschaftlich-theologischen Argumentationskompetenz wurden den Probanden vier in Anlehnung an die
Gestaltungsprinzipien problemorientierter Lernumgebungen (CTGV, 1990) konzipierte sowie die Kriterien sog. ill-structured
problems (Wood, 1983) erfüllende theologische Problemstellungen im offenen Format vorgelegt (vgl. King & Kitchener, 1993).
Die Antworten wurden mittels Kodierleitfaden inhaltsanalytisch ausgewertet und quantifiziert (Mayring, 2015); der Leitfaden
stützte sich auf ein eigens konzipiertes Modell wissenschaftlich-theologischer Argumentationskompetenz, das
domänenunspezifische (King & Kitchener, 1993, 1994) und domänenspezifische (Lindner, 2012) Aspekte berücksichtigt (Perkins
& Salomon, 1989). Die religiösen Einstellungen und Verhaltensweisen (Glock, 1962, 1969) wurden mit sieben Skalen erfasst
(GESIS, 2013; Deutsche Shell, 2000; Ziebertz & Riegel, 2008): die Einstellung zu theistischen Gottesvorstellungen (α=.68), zu
agnostisch-atheistischen Gottesvorstellungen (α=.79), zu christlichen Festen/Feiertagen (α=.87) und zu kirchlichen Ritualen
(α=.94), die Toleranz der Probanden (α=.77) sowie das Ausmaß ihrer intellektuellen Beschäftigung mit religiösen Themen (α=.85)
und ihres kirchlichen Engagements (α=.60).
Die Probanden erreichten insgesamt nur unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich der wissenschaftlich-theologischen
Argumentationskompetenz. Besondere Schwächen zeigten sich bei den domänenspezifischen Aspekten, insbesondere der
methodischen Kompetenz, die auf den angemessenen Umgang mit Texten und anderen Quellen fokussiert ist, sowie beim
deklarativen Wissen. Signifikante Mittelwertunterschiede zwischen den Studierenden aus Deutschland und Großbritannien
zeigten sich nicht. Hinsichtlich der religiösen Einstellungen war die Zustimmung zu theistischen Gottesbildern unter den
deutschen Probanden signifikant höher, während umgekehrt die Zustimmung der britischen Probanden zu agnostischatheistischen Gottesbildern höher war; zudem waren für die britischen Probanden kirchliche Rituale unbedeutender. Bezüglich
des religiösen Verhaltens zeigte sich, dass sich die britischen Probanden signifikant häufiger intellektuell mit religiösen Themen
beschäftigten, sich allerdings weniger kirchlich engagierten. Signifikante Zusammenhänge zur wissenschaftlich-theologischen
Argumentationskompetenz wiesen die Einstellung der Probanden zu christlichen Festen und Feiertagen und deren Toleranz
sowie das Ausmaß ihres kirchlichen Engagements auf. Zudem zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der
Einstellung zu theistischen Gottesvorstellungen und methodischer Kompetenz.
ID: 298
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Vorschulische Bildung
Stichworte: Selbstwirksamkeit, pädagogische Fachkräfte, Implementation, Förderung
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen pädagogischer Fachkräfte und die Implementation von
Fördermaßnahmen in den Bildungsbereichen Sprache, Mathematik und sozial-emotionale Kompetenzen.
Lea Höltge1,2, Jan-Henning Ehm1,2, Ulrike Hartmann1,2
1
DIPF, Deutschland; 2IDeA-Zentrum
Theoretischer Hintergrund und Fragestellung:
Die individuellen Voraussetzungen in den Bereichen Sprache und Mathematik sowie sozial-emotionale Kompetenzen werden als
wichtige Aspekte der Schulbereitschaft angesehen (Hasselhorn, Ehm, Wagner, Schneider & Schöler, 2015). Die Stärkung und
Förderung dieser Entwicklungsbereiche wird auch durch die Bildungs- und Orientierungspläne der Länder unterstrichen (KMK,
2004). In der pädagogischen Praxis obliegt es den pädagogischen Fachkräften, Förderbedarfe zu erkennen und gegebenenfalls
entsprechende Fördermaßnahmen durchzuführen oder die Kinder an entsprechende externe Stellen zu verweisen (Schöler,
2012).
Ob Fördermaßnahmen in der Praxis Anwendung finden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wobei die
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Fachkräfte hierbei einen wesentlichen individuellen Wirkfaktor darstellen (Durlak &
DuPre, 2008). Trauen sich die pädagogischen Fachkräfte nicht zu, Förderbedarfe zu erkennen und die Kinder in den jeweiligen
Bildungs- und Entwicklungsbereichen zu fördern, ist zu erwarten, dass Fördermaßnahmen nicht, oder nicht wie vorgesehen
durchgeführt werden. Somit stehen die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der pädagogischen Fachkräfte auch in
Zusammenhang mit der Prozessqualität, die ihrerseits einen Einflussfaktor auf die kindliche Entwicklung darstellt (Tietze,
Rossbach & Grenner, 2005).
Die verschiedenen Bildungsbereiche werden in der praktischen Arbeit in unterschiedlichem Maße betont und von den Fachkräften
hinsichtlich ihrer Relevanz unterschiedlich eingeschätzt (Pohlmann-Rother, Kratzmann & Faust, 2011). Außerdem kommen die
pädagogischen Fachkräfte mit ihnen in ihrer Arbeit, Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildungen in unterschiedlichem Maße in
Berührung. Daher ist davon auszugehen, dass sich die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bezüglich der Förderung der
verschiedenen Kompetenzen in diesen Bildungsbereichen voneinander unterscheiden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage, ob sich bezüglich der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen verschiedene Typen
von Fachkräften finden lassen. Unterscheiden sich die Fachkräfte lediglich nach der Ausprägung ihrer
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen oder auch nach dem Muster der Überzeugungen in Hinblick auf die verschiedenen
Bildungsbereiche? Daran anschließend ist von Interesse, durch welche Merkmale (u.a. Berufserfahrung, Aus- und
Fortbildungsstand, Kompetenzen) sich die verschiedenen Typen auszeichnen und in welchem Zusammenhang diese Typen mit
der Umsetzung von Fördermaßnahmen stehen.
Methode und Ergebnisse
In einer umfangreichen Fragebogenstudie werden aktuell 3000 pädagogische Fachkräfte in 600 Kindertagesstätten zu ihren
Einstellungen und Überzeugungen zu Förderung im Kindergarten und zur Implementation von Fördermaßnahmen befragt. Die
Hälfte der befragten Fachkräfte arbeitet in Einrichtungen, die das baden-württembergische Modellprojekt Schulreifes Kind
umsetzen. Teil der Fragebogenbatterie ist ein neu entwickelter Fragebogen zu Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der
Fachkräfte. Der Fragebogen besteht aus insgesamt 24 Items, die sich auf die Förderung der sprachlichen, mathematischen sowie
sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindergartenkindern beziehen. Die Fachkräfte schätzen hier ihre Selbstwirksamkeit, in
Anlehnung an Bandura (2006) auf einer 11stufigen Skala ein. In einer Pilotstudie mit 105 pädagogischen Fachkräften zeigte sich
der Fragebogen als reliables Messinstrument. Konfirmatorische Faktorenanalysen bestätigten, dass die
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bezüglich der drei Bildungsbereiche eigenständige Faktoren darstellen. Eine einfaktorielle
ANOVA mit Messwiederholung zeigte, dass sich die Fachkräfte in der Förderung der verschiedenen Bereiche als unterschiedlich
selbstwirksam einschätzten (F(1.61, 167.44) = 25.77, p < .001). Dabei schätzten sie sich in Bezug auf die Förderung sprachlicher
(M = 8.14) und sozial-emotionaler (M = 7.95) Kompetenzen ähnlich selbstwirksam ein (p = .185), in Bezug auf die Förderung
mathematischer (M = 7.21) Kompetenzen hingegen niedriger (p < .001).
Ausgehend von diesen Ergebnissen ist für die Hauptuntersuchung zu erwarten, dass sich mit dem Fragebogen die
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Fachkräfte in den drei Bildungsbereichen reliabel erfassen lassen und sich die befragten
pädagogischen Fachkräfte in den unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich, insgesamt aber sehr selbstwirksam erleben.
Außerdem ist zu erwarten, dass sich die in der Hauptstudie befragten Fachkräfte anhand einer Latenten Klassenanalyse in
mindestens drei Klassen einteilen lassen. In dem Vortrag werden die Merkmale dieser Klassen und relevante Prädiktoren
vorgestellt und ihre Bedeutung diskutiert. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Zusammenhang der
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen mit der Umsetzung von Fördermaßnahmen.
ID: 305
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochbegabung
Stichworte: Begabungsentwicklung, Leistungsexzellenz, Bildungsaufstieg, Biografieforschung, Bildungsgerechtigkeit
Begabungsentwicklung und soziale Ungleichheit. Biografien leistungsexzellenter Studierender aus
bildungsfernen Familien.
Eva Moser
Universität Leipzig, Deutschland
Begabungsentwicklung und Bildungserfolg sind in Deutschland in hohem Maße mit der sozialen Herkunft einer Person korreliert
– das zeigen mittlerweile zahlreiche nationale und internationale Studien (Überblick bei Becker & Lauterbach, 2010). Dieser
Zusammenhang weist darauf hin, dass es dem deutschen Bildungssystem nicht in ausreichendem Maße gelingt, eine
chancenfaire Begabungsförderung im Sinne des meritokratischen Versprechens der modernen Leistungsgesellschaft
umzusetzen. Damit trägt es Reproduktion sozialer Ungleichheiten in der Gesellschaft bei (Geißler, 2012). Die Mechanismen, die
hinter der Entstehung von Ungleichheit im Bildungssystem stehen, sind vielfältig und komplex, wie eine verhältnismäßig breite
Befundlage zeigt (Becker, 2011; Maaz et al., 2010; Stamm, 2007). Über Bedingungen, die zur Überwindung dieser Mechanismen
beitragen, steht dagegen bisher nur wenig empirisch fundiertes Wissen zur Verfügung. Dieser Forschungslücke zu begegnen,
war Ziel dieser Untersuchung.
Begabung wurde im Anschluss an Heinrich Roth (1967a, b) und die Arbeiten des "Gadheimer Kreises" als die Möglichkeit einer
Person, zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Domäne eine bestimmte Leistung zu erbringen und damit gleichzeitig
als Ergebnis und Voraussetzung eines dynamischen Entwicklungsprozesses verstanden (Müller-Oppliger, 2011 a, b; Hoyer,
2012; Weigand, 2012 a, b). Dieser wiederum umfasst nicht nur auf Akkumulation domänenspezifischen Wissens und Könnens
ausgerichtete Lernprozesse, sondern entfaltet sich im Sinne eines erweiterten Lernbegriffs (Göhlich & Zirfas, 2007) in der
lebenslangen Auseinandersetzung der Person mit sich selbst, der Welt und Anderen. Die Forschungsfrage „Wie gelingt es
manchen bildungsfernen Studierenden entgegen der statistischen Wahrscheinlichkeit, Begabungen zu entwickeln und exzellente
Leistungen in einer akademischen Domäne zu erzielen?“ zielte also darauf ab, Begabungsentwicklung entlang der Aufschichtung
subjektiv bedeutsamer, biografischer Erfahrungen und darin sichtbarer Veränderungen individueller Selbst- und Weltverhältnisse
zu rekonstruieren sowie den Prozess in seinen verschiedenen Phasen nachzuvollziehen (Ecarius, 2006; Koller, 2012; Marotzki,
2006). Das Augenmerk lag dabei insbesondere auf den Interdependenzen subjektiver und objektiver Bedingungen sowie sozialer
Konstellationen und Interaktionszusammenhänge, die Begabungsentwicklung unter den Bedingungen sozialer Benachteiligung
ermöglichen.
Um das Untersuchungsziel zu erreichen und die Forschungsfrage zu beantworten, wurden sechs narrative Interviews (Schütze,
1983) mit Studierenden aus bildungsfernen Familien geführt. Die Interviews wurden mit der Dokumentarischen Methode
ausgewertet, da diese in besonderer Weise geeignet ist, um Veränderungen von Welt- und Selbstverhältnissen und deren
biografische Verarbeitung sichtbar zu machen (Bohnsack et al., 2013; Nohl, 2012).
Die Analyse erbrachte Hinweise darauf, dass überdurchschnittliche Studienleistungen von Studierenden aus bildungsfernen
Familien auf einen Prozess der Begabungsentwicklung zurückzuführen sind, der einerseits von einer Distanzierung vom
Herkunftsmilieu, andererseits vom Erwerb domänenspezifischer Expertise geprägt ist. Die komparative Vorgehensweise der
Dokumentarischen Methode ermöglichte dabei die Rekonstruktion zweier typischer Prozessformen, nämlich des Typus der
sukzessiv-pragmatischen Begabungsentwicklung und des Typus der reflexiv-emanzipatorischen Begabungsentwicklung. Über
diese eher globale Charakterisierung zwei verschiedener Formen der Begabungsentwicklung hinaus, konnten unabhängig von
fallspezifischen Besonderheiten drei typische Phasen der Begabungsentwicklung, nämlich eine Phase der Orientierung, eine
Phase der Stabilisierung und eine Phase der Etablierung, rekonstruiert werden, die zur Spezifizierung der rekonstruierten
Prozessformen innerhalb der einzelnen Phasen beitrugen. Über alle Fälle hinweg ließ sich darüberhinaus hohe subjektive
Bedeutsamkeit für folgende soziale Konstellationen und Interaktionszusammenhängen hinsichtlich der Begabungsentwicklung
rekonstruieren: Zum einen scheint frühe Autonomie, die Eltern ihren Kindern in schulischen Angelegenheiten, bei gleichzeitig
relativ hohem Vertrauen in deren Fähigkeiten, gewähren, wichtig zu sein. Zum anderen stellten sich Peers in allen Phasen der
Begabungsentwicklung als bedeutend heraus. Sie können soziale Eingebundenheit und Orientierung bieten, Standards und Ziele
setzen und dabei helfen effektivere Handlungsstrategien im Hinblick auf die Bewältigung institutioneller Anforderungen zu
entwickeln. Als weiterer wichtiger Aspekt im Hinblick auf die Begabungsentwicklung bei benachteiligten Studierenden wurden
begabungsförderliche Strukturen und Interaktionsmuster in Bildungsinstitutionen identifiziert. Insbesondere ein offenes, Teilhabe,
Interaktion und vor allem Selbstbestimmung ermöglichendes Lehr-Lernklima, kann dazu beitragen Lernen in einen Sinn- und
Bedeutungszusammenhang zu stellen, in dem Bildung als Entwicklungsmöglichkeit gedacht und aktiv verfolgt werden kann.
ID: 313
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Studienfachwahl, Motive, Fachkultur, soziale Ungleichheit
Distinktion durch Studienfachwahlmotive und Zwecksetzungen des Hochschulstudiums von
Studierenden unterschiedlicher Fachkulturen
Rheinländer Kathrin1, Thomas Fischer1, Bach Andreas2
1
Europa-Universität Flensburg, Deutschland; 2Paris Lodron Universität Salzburg
Übergänge sind ein zentrales Thema der empirischen Bildungs- wie der sozialen Ungleichheitsforschung. Einigkeit besteht auf
der Grundlage der vorliegenden Untersuchungen darüber, dass der Zugang zur Hochschule in Zusammenhang mit der sozialen
Herkunft der Studienberechtigten steht (vgl. Becker & Hecken 2008; Lörz & Schindler, 2011; Maaz, 2006; Schindler, 2014). Dieser
Befund dokumentiert sich empirisch zum einen in der ‚Ablenkung‘ von bildungsfernen bzw. statusniedriegen Studienberechtigten
in eine nicht-akademische Berufsausbildung sowie andererseits in der ‚Umlenkung‘ dieser Gruppen in prestigeniedriegre tertiäre
Institutionen wie Fachhochschulen und Berufsakademien (Hillmert & Jacob 2003; Müller & Pollak, 2004; Becker & Hecken, 2008;
Lörz, 2012), sowie nicht-exklusiven (Massen-)Colleges (vgl. Hearn, 1991; Davies & Guppy, 1997; Karen, 2002). Die Frage nach
der Studienfachwahl, die sich aus konflikt,- werterwartungs- und interessentheoretischer Perspektive (vgl. u. a. Bourdieu, 1987;
Bourdieu & Passeron, 1979; Boudon, 1974; Holland 1997) als neuralgischer Punkt für die Reproduktion sozialer Ungleichheit in
der Lebensspanne konzeptualisieren lässt, ist hingegen auf der Basis der bestehenden empirischen Forschungsarbeiten
widersprüchlich. Einige Untersuchungen gelangen zu dem Ergebnis, dass die Studienfachwahl tendenziell schichtinvariant ist
(vgl. z. B. Davies & Guppy 1997; Georg, 2005; Windolf, 1992) und mehr durch individuelle Motivstrukturen (Georg, 2005),
sozialisierte Werte und Normen (Windolf, 1992), der Geschlechtszugehörigkeit (Davies & Guppy, 1997) sowie
Leistungsdispostionen (Davies & Guppy, 1997) erklärt werden kann. Andere Studien identifzieren die Studienfachwahl
theoriekonform als Mechanismus der Kultur- bzw. Statusreproduktion (vgl. Lörz, 2012) und betonen folglich den Einfluss der
sozialen Herkunft der Studierenden bzw. Studienberechtigten auf die gewählten Fächer bzw. die gemessenen
Studienwahlpräferenzen - sowie den mit diesen Feldern korrespondierenden alltagsästhetischen antizipierten Präferenzen
(Becker, Haunberger & Schubert, 2010; Lörz, 2012; Meulemann, 1991; Reimer & Pollak, 2010, Preißer, 1989). Die verschiedenen
Ergebnisse synthetisierend gefasst, bleibt die Frage nach Studienwahlmotiven und dem erwarteten Nutzen eines
Hochschulstudiums der Studienberechtigten bzw. Studierenden virulent, da der Prozess der Studienfachwahl von individuellen
Motiven, Interessen und Fähigkeiten geleitet wird (vgl. Nagy, 2006), deren Abhängigkeit vom Bildungshintergrund respektive der
sozialen Schichtung der Studiereren bzw. Studierenberechtigkten das Zentralproblem der eingeleiteten Diskussion darstellt (vgl.
Georg, 2005; Windolf, 1992) und damit letztlich auf die soziale Distanz zum System der höheren Bildung rekurriert wird. Bargel
und Bargel (2010) beschreiben die von den Studierenden getroffenen Zwecksetzungen als Teil des sozialen Kapitals, das als
relevante Ressource zur Bewältigung des Studiums gilt (S. 9) und unterteilen dieses in (a) allgemeine kulturelle Bildung, (b)
berufliche Qualifizierung sowie (c) materiellen Gratifikationen (Bargel & Bargel, 2010, S. 11 f.). Sie konstatieren, dass „materielle
Chancen“ als Nutzen des Studiums durch untere Schichten stärker hervorgehoben, wohingegen „kulturelle Zugewinne“ weit mehr
von Angehörigen höherer Schichten betont werden. Auch für die Studienmotive (S. 11) fokussieren die Studierenden aus der
Arbeiter- und Grundschicht häufiger materielle Motive eines guten Einkommens und beruflicher Sicherheit. Oechsle und Hessler
(2012, S. 226) postulieren in einer qualitativen Untersuchung zum Verhältnis von Studium und Beruf, dass Studierende von Eltern
mit einem Hochschulabschluss die Autonomie der Wissenschaft stärker betonen, während Studierende aus nicht-akademischen
Elternhäusern die Aufgaben der Berufsqualifizierung durch die Universität hervorheben. Der vorliegende Beitrag greift die
widersprüchliche Befundlage auf verfolgt die Fragestellung, ob und in welchem Ausmaß sich Studierende mit Distanz zu höheren
Bildung in den Zwecksetzungen und Studienwahlmotiven unterscheiden. Die empirische Datenbasis bildet das 12.
Studierendensurveys (N= 4.884). Hierzu werden aus den Befunden von Bargel und Bargel (2010) sowie Oechsle & Hessler
(2012) deduzierte Hypothesen für Studierenden mit bzw. ohne akademischen Bildungshintergrund geprüft (T-Test). In einem
zweiten Schritt wird varianzanalytisch untersucht, ob sich die Ergebnisse für verschiedene Fachkulturen unterscheiden. Die
Ergebnisse verweisen einerseits auf fachkulturelle Differenzen und in der Konsequenz andererseits darauf, dass theoretisch
binäre Relationen nicht hinreichend sind, Studienfachwahlmotive empirisch zu beschreiben.
ID: 316
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Lehrer(aus)bildung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Lehrkräfte; naturwissenschaftlicher Unterricht; Technik;
Eigenschaften von Lehrkräften beim Einsatz eines technischen Messgeräts im naturwissenschaftlichen
Unterricht
Inga Simm, Anja Schiepe-Tiska, Manfred Prenzel
Technische Universität München, Deutschland
Der Auftrag schulischer Bildung ist die Vorbereitung auf die erfolgreiche Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen (Benner &
Tenorth, 1996). Kritisches Denken, problemlösungsorientiertes Vorgehen und kooperatives Arbeiten sind daher zunehmend
Kernkompetenzen, um in der heutigen komplexen und technologischen Welt erfolgreich zu sein (Plomp, 2013). Es muss daher
der Auftrag von Schulen sein diese Kompetenzen schon im frühen Alter zu fördern.
Zur Förderung dieser Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern zeigt die Unterrichtforschung, dass sich insbesondere
authentische Problemsituationen eignen, die eng mit der Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler verbunden sind (Häusler
et al., 1998). Besonders wirkungsvoll fürs Lernen sind diese Situationen, wenn Schülerinnen und Schüler daran aktiv und
kooperativ arbeiten (vgl. Kobarg, Altmann, Wittwer, Seidel, Prenzel, 2008). Im naturwissenschaftlichen Unterricht bieten
Experimente hohes Potenzial diesen Herausforderungen zu begegnen, da sie den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit
bieten aktiv den Prozess des wissenschaftlichen Vorgehens zu gestalten und eigene Schlüsse auf Grundlage der Experimente
zu ziehen (Hofstein et al., 2005). Studien zeigen jedoch, dass Experimente in den Unterricht eingebettet sein und sowohl Struktur
als auch Wahlmöglichkeiten bieten müssen (Seidel, Prenzel, Rimmele, Dalehefte, Herweg, Kobarg et al., 2006). Für dieses
Vorgehen können technische Messgeräte wichtige Tools sein, da sie Schülerinnen und Schülern im Prozess des
Experimentierens Bezugspunkte für kritische Diskussionen und Entscheidungen liefern und gleichzeitig einen thematischen
Rahmen abstecken. Wie momentane Befunde großer Schulstudien zum Einsatz von Computern im naturwissenschaftlichen
Unterricht zeigen, ist der Einsatz von Technologien im Unterricht in Deutschland immer noch unterdurchschnittlich im Vergleich
zu anderen Ländern (Bos, Eickelmann, Gerick, Goldhammer, Schaumburg, Schwippert, et al., 2014). Mögliche Gründe hierfür
können neben den schulischen Rahmenbedingungen und Schülervoraussetzungen, auch fehlendes Wissen über Technologien
und der pädagogischen Vermittlung dieser auf Seiten der Lehrkräfte sein (Law & Chow, 2008). Beim Einsatz von technischen
Messgeräten könnte insbesondere die Technikbereitschaft, die Einstellung zu innovativen Lehr- und Lernmethoden, sowie der
inhaltliche Nutzen des Messgeräts eine Rolle spielen. Bisher ist darüber jedoch noch wenig bekannt.
Im folgenden Beitrag wird daher der Frage nachgegangen inwieweit die Technikbereitschaft, die Vertrautheit mit kooperativen
und schüleraktiven Lehrmethoden, sowie der Nutzen des Messgeräts für den Unterricht bei Lehrkräften die ein technisches
Messgerät im Unterricht einsetzen ausgeprägt ist. Darüber hinaus wird nach der Art und dem Umfang der schüleraktiven und
kooperativen Lehr- und Lernmethoden beim Einsatz des Messgeräts gefragt.
In der folgenden Querschnittsstudie erhielten MINT-Lehrkräfte das Angebot ein technisches Messgerät für den Einsatz im
Unterricht zu leihen. Das technische Gerät diente der Messungen ergonomischer Bedingungen am Arbeitsplatz und bot
Lehrkräften damit Anknüpfungsmöglichkeiten im naturwissenschaftlichen Fachunterricht, sowie im fächerübergreifenden oder
projektbasierten Unterricht. Die Lehrkräfte setzten das Messgerät sowohl an Gymnasien, Realschulen und Mittelschulen in 5.10. Klassen ein. Im Anschluss an den Einsatz wurden die Lehrkräfte zu Eigenschaften ihrer Person und des durchgeführten
Unterrichts befragt. Der dafür entwickelte Fragebogen umfasst Skalen zur Technikbereitschaft, der Belastung durch schlechte
ergonomische Bedingungen und ihrer Einstellung zu innovativen Lehr- und Lernmethoden, sowie zum Umfang von
schüleraktiven und kooperativen Lehr- und Lernmethoden im durchgeführten Unterricht mit dem technischen Messgerät.
Zunächst zeigt sich, dass das Messgerät häufiger im Fachunterricht als im fächerübergreifenden oder projektbasierten Unterricht
angewendet wird. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Lehrkräfte, welche das Messgerät eingesetzt haben, eine hohe
Technikbereitschaft aufweisen. Darüber hinaus lassen die Ergebnisse vermuten, dass auch der thematische Schwerpunkt und
die Einstellung zu innovativen Lehr- und Lernmethoden eine wichtige Rolle für den Einsatz des Messgeräts spielt. Insgesamt
wird das Messgerät jedoch sowohl mit kooperativen und schüleraktiven Lehr- und Lernmethoden als auch ohne diese im
Unterricht genutzt. Die Ergebnisse geben damit wichtige Hinweise auf die Konzeption und den fundierten Einsatz von
Messgeräten im Unterricht.
ID: 318
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Wirtschafts- und Berufspädagogik, Sonstige Didaktiken
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Unterrichtsentwicklung/
Unterrichtsqualität
Stichworte: systemisches Denken, landwirtschaftlicher Fachunterricht, Interventionsstudie, komplexe interdependente Probleme
Systemisches Denken als Chance zur Förderung der Problemlösekompetenz im agraren Fachunterricht
nutzen
Eva-Maria Alfing
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Systemisches Denken ist in vielen wissenschaftlichen Disziplinen etabliert, weshalb unterschiedliche Definitionen existieren.
OSSIMITZ (2000) hat versucht aus den unterschiedlichen Ansätzen eine Definition aufzustellen, die vier Dimensionen umfasst:
1. Vernetztes Denken: Denken in Rückkopplungskreisen
2. Dynamisches Denken: Denken in Zeitabläufen
3. Denken in Modellen
4. Systemgerechtes Handeln.
Dabei müssen die Dimensionen immer zusammen betrachtet werden, damit ein breites Verständnis von systemischem Denken
entsteht (OSSIMITZ 2000). Systemisches Denken ist ein Versuch das Alltagsgeschehen, Kultur- und Naturphänomene, die Welt
als ein Zusammenspiel der Elemente und Erscheinungen in einem Ganzen zu sehen (BOLLMANN- ZUBERBÜHLER et al. 2010).
Zu den Merkmalen systemischen Denkens gehören der Perspektivenwechsel, die Erkenntnis, dass verschiedene Wege zum Ziel
führen und die Betrachtung der Details in einen größeren Kontext, um sie besser verstehen zu können sowie die Berücksichtigung
der Wechselwirkungen zwischen den Systemen (BOLLMANN-ZUBERBÜHLER et al. 2010). Für den Bereich der
Agrarwissenschaften ist systemisches Denken von besonderer Bedeutung, da viele Systeme und Subsysteme ineinandergreifen
und Wechselwirkungen und Rückkopplungen aufzeigen, die im Fokus des systemischen Denkens stehen. Jedes System weist
eine Eigendynamik und Zeitverläufe auf, die bei der Problemlösung berücksichtigt werden müssen (ALFING 2015). In der
Landwirtschaft treten stetig neue komplexe interdependente Probleme z.B. durch die sozio-ökonomischen, technischen und
gesetzlichen Änderungen auf. Diesen Herausforderungen müssen Landwirte und landwirtschaftliche Auszubildende gerecht
werden. Da bei jedem Lösungsversuch in das Gesamtsystem eingegriffen wird und die Ordnung und Struktur der Systeme und
Systemvariablen verändert wird, ist eine Förderung systemischen Denkens in der landwirtschaftlichen Ausbildung von großer
Relevanz. Nur so erkennen die Auszubildenden welche Auswirkungen ihre Lösungen der Probleme auf das Gesamtsystem
haben.
In dem Forschungsprojekt wird der Fragestellung nachgegangen inwieweit ein auf systemisches Denken ausgerichteter
Unterricht zur Kompetenzentwicklung beiträgt. Dabei soll die Hypothese überprüft werden, dass landwirtschaftliche
Auszubildende durch eine Intervention die Fähigkeit zum systemischen Denken erlernen können bzw. systemisches Denken
gefördert werden kann.
Damit die Ausgangsfrage beantwortet werden kann, ist ein Versuchs-Kontrollgruppen-Design mit Prä-Post-Post-Test geplant. In
der Versuchsgruppe wird eine Intervention zum systemischen Denken im Umfang von ca. 10 Unterrichtsstunden zum Thema
„Inhaltsstoffe des Futters und fütterungsbedingte Krankheiten“ bei landwirtschaftlichen Auszubildenden des dritten
Ausbildungsjahres durchgeführt. Die Unterrichtseinheit enthält Methoden durch die das systemische Denken erlernt bzw.
gefördert wird. Diese sind zum Beispiel die Szenariotechnik, Schnappschussmethode, Perspektivenwechsel (KRIZ/GUST 2013),
das Zeichnen von system tools oder Aufzeigen von Wechselwirkungen (PONTO/LINDER 2011). Die Kontrollgruppe wird
weiterhin nach herkömmlicher Art unterrichtet. Durch das Prä-Post-Post-Test-Design soll die Nachhaltigkeit der Intervention und
letztlich bewiesen werden, dass systemisches Denken durch gezielten Unterricht erlernt bzw. gefördert werden kann. Die Tests
sind teils als Multiple-Choice und teils als offene Fragen aufgebaut. Bei den einzelnen Aufgaben werden die Auszubildenden
aufgefordert Wechselwirkungen zwischen Systemen einzuzeichnen oder anhand eines beschriebenen Textes die richtigen
Prognosen zu treffen. Bei den Aufgaben stehen immer drei Antwortalternativen zur Verfügung, von denen eine richtig ist. Die
Datenanalyse erfolgt bei Normalverteilung der Datenbasis mittels T-Test und varianzanalytischer Verfahren. Ein
leitfadengestütztes Interview am Ende der Intervention mit dem jeweiligen FachlehrerIn, der/die Intervention durchgeführt hat,
soll die statische Auswertung unterstützen. Die Interviews werden nach der qualitativen Inhaltsanalyse (MAYERING 2015)
ausgewertet.
Die ersten Ergebnisse der Studie liegen ab Januar 2016 vor. Es wird erwartet, dass systemisches Denken bei landwirtschaftlichen
Auszubildenden gefördert werden kann.
ID: 337
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrerexpertise, Vorschulische Bildung
Stichworte: Elementarbereich, Conceptual Change, Überzeugungen, Basiswissen, aktionsbezogene Kompetenzen
Überzeugungen, Basiswissen und aktionsbezogene Kompetenzen von pädagogischen Fachkräften bzgl.
Conceptual Change
Miriam Leuchter1, Ueli Studhalter2, Annette Tettenborn3, Henrik Saalbach4
1
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland; 2ETH Zürich, Schweiz; 3PH Luzern, Schweiz; 4Universität Leipzig,
Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Wichtige Facetten der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen sind unter anderem lehr- lerntheoretische Überzeugungen.
Diese werden als subjektive Annahmen und Wertvorstellungen definiert (Kunter & Pohlmann, 2015; Reusser et al., 2014) und
wirken als Filter für Unterrichtshandlungen (Levin, 2015). Weitere, fachdidaktische Facetten sind Basiswissen und
aktionsbezogene Kompetenzen (Lindmeier, 2011). Unter Basiswissen werden Fachwissen und fachdidaktisches Wissen
zusammengefasst. Um das „Handeln unter Druck“ (Wahl, 1991) im Unterricht zu bewältigen, benötigen Lehrpersonen
aktionsbezogene Kompetenzen. Es wird davon ausgegangen, dass Überzeugungen, Basiswissen und aktionsbezogene
Kompetenzen reziprok verknüpft sind (Buehl & Beck, 2015). Lehrpersonen im naturwissenschaftlichen Bereich sollten über
Überzeugungen, Basiswissen und aktionsbezogene Kompetenzen bzgl. „Conceptual Change“ verfügen und diesen in ihren
Unterrichtshandlungen anregen. Dadurch wird die Ausdifferenzierung und Umstrukturierung naiver Vorstellungen hin zu flexiblen
und vernetzten Konzepten möglich (Brown & Hammer, 2008; Schneider et al., 2012). Allerdings haben Studien gezeigt, dass
Lehrpersonen gerade im naturwissenschaftlichen Bereich über verhältnismäßig wenig Kompetenzen diesbezüglich verfügen
(Appleton, 2008; Möller et al., 2006). Bislang ist ungeklärt, ob und inwiefern dies ebenso für pädagogische Fachkräfte gilt.
Fragestellungen
1. Über welche Überzeugungen, über welches Basiswissen und über welche aktionsbezogenen Kompetenzen verfügen
pädagogische Fachkräfte bezogen auf Conceptual Change?
2. Lassen sich bei pädagogischen Fachkräften Zusammenhänge zwischen Überzeugungen, Basiswissen und aktionsbezogenen
Kompetenzen nachweisen?
Methoden
Folgende lerntheoretische Überzeugungen wurden mit 35 Items von 96 pädagogischen Fachkräften erfasst: Lernen ist zu
verstehen als …Conceptual Change, …Entwicklung eigener Deutungen, …Selbstbildung, …Spiel (5-stufige Likert-Skala). Das
Basiswissen zum Conceptual Change im Lernbereich „Schwimmen und Sinken“ wurde mit 19 Items ermittelt (Patial Credit,
prozentualer Summenscore).
Die aktionsbezogenen Kompetenzen wurden bei einer Substichprobe von 33 pädagogischen Fachkräften im Kontext
„Schwimmen und Sinken“ auf der Basis von 40-Minuten-Videos aufgezeichnet. Das Kodierschema ist auf die verbale
Lernunterstützung fokussiert (IRR: Cohen’s Kappa=.78). Die Kodierung umfasst: Prozeduren erklären, Aufmerksamkeit
fokussieren, Vorwissen aktivieren und Conceptual Change herausfordern sowie die Verwendung fachbezogener Begriffe.
Ergebnisse
Die lerntheoretische Überzeugung Conceptual Change ist am geringsten, (M=2.97, SD=.61), Spiel hingegen ist am höchsten
ausgeprägt (M=4.38, SD=.57). Dazwischen finden sich Entwicklung eigener Deutungen (M=3.96, SD=.55) und Selbstbildung
(M=3.43, SD=.57).
Das Basiswissen zum Conceptual Change ergibt mit M=59.66 (SD=17.2) einen Wert leicht über dem erreichbaren Mittel.
Die Klärung von Prozeduren (M=39.3, SD=8.4) sowie die Fokussierung der Aufmerksamkeit (M=14.2, SD=6.8) nehmen in der
Praxis einen großen Stellenwert ein. Vorwissen aktivieren (M=12.3, SD=5.4), sowie Conceptual Change herausfordern (M=14.5,
SD=9.0) treten etwa gleich oft auf. Die pädagogischen Fachkräfte verwenden etwas seltener fachbezogene Begriffe (M= 11.9,
SD= 9.1).
Das Basiswissen der pädagogischen Fachkräfte korreliert mit den aktionsbezogenen Kompetenzen Conceptual Change
herausfordern (r=.38, p<.05) und der Verwendung fachbezogener Begriffe (r=.38, p<.05). Die Verwendung fachbezogener
Begriffe korreliert wiederum mit der Überzeugung, Lernen sei Conceptual Change (r=.37, p<.05). Die Überzeugung, Lernen sei
die Entwicklung eigener Deutungen, korreliert mit aktionsbezogenen Kompetenz Conceptual Change herausfordern (r=.45,
p<.00)
Diskussion
Pädagogische Fachkräfte verstehen Lernen weniger als Conceptual Change denn als Spiel. Dies kann mit ihrer Ausbildung
einhergehen, bei der nicht anzunehmen ist, dass sie Wissen über Conceptual Change erwerben. Dennoch zeigt sich, dass sie –
auch wenn sie altersgerecht oft Prozeduren klären und die Aufmerksamkeit fokussieren, zu einem beträchtlichen Ausmaß das
Vorwissen der Kinder aktivieren und Conceptual Change bei den Kindern herauszufordern versuchen. Die Zusammenhänge
zwischen den Überzeugungen, dem Basiswissen und den aktionsbezogenen Kompetenzen zeigen einen Zusammenhang
zwischen Komponenten, die für das Konstrukt des Conceptual Change eine große Bedeutung haben. Hinsichtlich der Ausbildung
pädagogischer Fachkräfte lässt sich der Schluss ziehen, dass sich der Aufbau von Basiswissen lohnt, da er sowohl mit der
Verwendung fachbezogener Begriffe als auch mit der Herausforderung von Conceptual Change im Umgang mit den Kindern
zusammenhängt.
ID: 346
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Inklusion, Lehrerexpertise, Schulentwicklung
Stichworte: Inklusion, Kooperation, Zwei-Pädagogen-System, Schulentwicklung
Teamteaching im inklusiven Unterricht: Welche Qualität hat multiprofessionelle Kooperation im
Unterricht?
Stefanie Czempiel1, Bärbel Kracke1, Sabine Sommer2, Ada Sasse2
1
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland; 2Humboldt-Universität zu Berlin
Vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland rechtswirksam ist, verändern sich
Schule, Unterricht und das professionelle Lehrerhandeln grundlegend (Moser, 2013). Eine der relativ neuen Herausforderungen
für Lehrerinnen und Lehrer ist dabei die Kooperation mit anderen Pädagoginnen und Pädagogen in der Planung, Durchführung
und Reflexion von Unterricht in heterogenen Lerngruppen. Forschungsergebnisse zeigen, dass die Qualität der Kooperation von
Pädagoginnen und Pädagogen das Gelingen von Inklusionsprozessen erheblich beeinflusst (Kreie, 2009; Löser, 2013). Im
inklusiven Unterricht kann multiprofessionelle Kooperation unterschiedliche Funktionen und Ausprägungen haben. Im Kontext
schulischer Inklusion ist allerdings bisher wenig erforscht, wie die Kooperationsbeziehungen zwischen den Pädagoginnen und
Pädagogen unterschiedlicher Professionen auf Unterrichtsebene ausgestaltet werden. Es liegen zwar einige Untersuchungen
vor, die sich auf Daten aus Fragebögen (Gebhard et al., 2014; Kreis et al. 2014) oder Interviews (Arndt & Werning, 2013), also
auf Selbstauskünfte, stützen. Objektive Beobachtungsdaten fehlen bislang jedoch völlig.
Im Rahmen der Expertise „Gemeinsamer Unterricht im Kontext von Schul- und Unterrichtskultur in der Stadt Jena“ wurden im
Sommer 2013 Unterrichtsbeobachtungen an insgesamt 26 Grundschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien durchgeführt.
Jena kann im bundesdeutschen Kontext als modellhafte Kommune betrachtet werden, die bereits im Schuljahr 2013/14 einen
sehr hohen Inklusionsanteil von 80% erreicht hat. Aus verschiedenen Datenquellen (amtliche Schulstatistik, Interviews,
Unterrichtsbeobachtungen, Lehrerfragebögen) wurde eine Einschätzung des Entwicklungsstandes im Hinblick auf Inklusion auf
der Ebene der jeweiligen Einzelschule vorgenommen. Von insgesamt 239 beobachteten Unterrichtssequenzen waren in 33
Sequenzen (14%) je eine Lehrerin und eine Sonderpädagogin gleichzeitig in der Klasse tätig. Die vorliegende Analyse bezieht
sich auf 76 Unterrichtssequenzen (33%), in denen neben der Lehrerin je eine Integrationshelferin als zweite Pädagogin tätig war.
Die beobachteten Kooperationsformen wurden zunächst offen notiert. Anschließend wurden die Tätigkeiten der zweiten
Pädagogin als Gruppenbezug, Einzelbezug oder eine Mischform kategorisiert. Uns interessiert die Frage, wie die
Kooperationsformen verteilt sind und welche Qualität der im Unterricht beobachteten Kooperationsformen an Schulen mit
entwickeltem inklusiven Unterricht zu finden ist.
Zunächst zeigt sich, dass der Gruppenbezug die am seltensten beobachtete Kooperationsform ist. Darüber hinaus zeigt sich,
dass Zusammenhänge zwischen dem Entwicklungsstand der Einzelschule in Bezug auf Inklusion und der Qualität der
Kooperation auf Unterrichtsebene bestehen. Die Hypothese, dass in weit entwickelten, inklusionskompetenten Schulen
intensivere, gruppenbezogene Kooperationsformen der Pädagoginnen und Pädagogen im Unterricht gepflegt werden, scheint
bestätigt zu werden.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung geben Hinweise zur kooperationsbezogenen Professionalisierung von Lehrkräften in den
drei Phasen der Lehrerbildung und darüber, wie Schulen in der Umsetzung und Weiterentwicklung von Inklusionsprozessen
unterstützt werden können.
ID: 350
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Lernen mit Computer und neuen Medien, Motivation und Emotion
Stichworte: Desirable Difficulties, Mood, Need for Cognition, Multimedia Learning
Do I have to be in a good mood? The interaction of mood and learning with inference prompts
Sabrina Dominique Navratil, Tim Kühl, Stefan Münzer
Universität Mannheim, Deutschland
Theoretical Background. There are many researchers focusing on optimal learning material to promote deeper cognitive
processing. So-called ‘desirable difficulties’, constrain the learner to deal with learning material more intensively resulting in
increased long-term retention and learning transfer. A fundamental idea is that factors having an effect on learning processes
also show an effect on later performance. So, instead of generating learning material that eases comprehension and processing
demands (Sweller, 1999), learning material should contain challenges (i.e. answering inference prompts) providing that learners
have to focus on it more intensively and actively. A further important factor is the ‘mood’ of the learner itself. It influences selfregulated learning and motivation which therefore affect academic achievement (Pekrun, 2006). According to the ‘dual-forcemodel’ (Fiedler, 1990; Fiedler, Nickel, Asbeck, & Pagel, 2003), positive mood may function as a motivational factor and leads to
more creativity, productive problem-solving and cognitive flexibility. In contrast, negative mood may function as an analytical
factor and enhance more careful stimulus assessment, and decision-making based on more piecemeal information search.
Besides, learners’ need for cognition, which is the extent to which learners are bent on doing effortful cognitive activities, has to
be considered.
Hypotheses. An interaction between mood (positive vs. negative) and desirable difficulty (no inference prompts vs. inference
prompts) is hypothesized: Learning with inference prompts (vs. learning without them) should lead to deeper understanding of
the content because of the active learning process. Furthermore, learning in a positive mood is expected to lead to higher learning
motivation and more problem-solving processes. Therefore, learners in positive mood learning with inference prompts should
show better performance in learning outcomes than learners in positive mood without inference prompts. Beyond, learning in
negative mood is assumed to lead to more methodological thinking and to enhance detailed-oriented processes. Consequently,
learners in negative mood learning without inference prompts should show better performance in learning outcomes compared
to learning with inference prompts. Besides, learners’ need for cognition should show an effect on their learning outcome
performance.
Methods. In a 2x2-design with ‘mood’ and ‘desirable difficulty’ as independent variables, university-students (N = 107) were
randomly assigned to one of four conditions. Mood was induced by a valence-loaded film segment. The learning material dealt
with the several phases of cell division (mitosis) and was presented in a multimedia format (text paragraphs and corresponding
pictures). Text paragraphs in the inference prompts condition contained less information than in the no inference prompts
condition, as learners in the first condition were instructed generating these most important concepts on their own by work on the
inference prompts. Learning outcomes of a verbal factual knowledge test and a transfer test served as dependent variable.
Results. A two-way ANCOVA was conducted with mood and desirable difficulty as independent variables, learning outcome as
dependent variable, controlled by need for cognition as covariate. No main effects of mood, desirable difficulty and need for
cognition were found (p > .05). However, the interaction between mood and desirable difficulty was significant F(1, 99) = 3.99, p
< .05, ŋ² = .04. Post hoc analyses employing Bonferroni correction revealed that learners in positive mood learned significantly
better with inference prompts (M = 14.23, SD = 1.20) than without inference prompts (M = 10.78, SD = 1.21) (p < .04).
Furthermore, post hoc analyses showed that learners in a negative mood who learned without inference prompts (M = 13.96, SD
= 1.23) outperformed marginal significantly learners in a positive mood (M = 10.78, SD = 1.21) (p = .07). The moderator role of
mood during learning processes and the effect of mood on inference prompts performance will be discussed in more detail.
ID: 362
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Hochbegabung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Enrichment-Programm, Begabtenförderung im Grundschulalter, räumliches Denken
Die Analyse räumlichen Denkens im Rahmen einer Interventionsstudie für begabte Grundschulkinder
Verena Fiebig1,2, Jessika Golle1,2, Ulrich Trautwein1
1
Eberhard Karls Universität Tübingen, Deutschland; 2LEAD Graduate School
Theoretischer Hintergrund und Fragestellungen
Nach einer Definition von Newcombe & Shipley (2015) bezieht sich räumliches Denken auf die Wahrnehmung und Verortung
von Objekten im Raum. Die Form der Objekte, die zurückgelegten Strecken bei Bewegung sowie die Beziehungen von Einheiten
innerhalb eines Objekts und von Objekten untereinander sind dabei von besonderer Bedeutung. Diese Definition kann in eine
Kategorisierung räumlichen Denkens mit den Dimensionen intrinsisch-statisch, extrinsisch-statisch, intrinsisch-dynamisch und
extrinsisch-dynamisch überführt werden (Okamoto et al., 2015; Newcombe & Shipley, 2015).
Neben der Wichtigkeit räumlichen Denkens für die Bewältigung von Alltagsaufgaben, wie die Nutzung von Geräten, Orientierung
im Raum oder Perspektivenübernahme (Uttal et al., 2013), wurde räumliches Denken als gewichtiger Prädiktor für Leistung und
Erfolg im MINT Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) identifiziert (Wai et al., 2009). Kürzlich
veröffentlichte Forschungsergebnisse legen nahe, dass räumliches Denken über alle Altersstufen hinweg trainiert werden kann
(Uttal et al., 2013), wobei sich für Kinder im Vergleich zu Erwachsenen etwas stärkere Trainingseffekte zeigten (Uttal et al. under
review, zitiert nach Newcombe & Shipley, 2015, 13).
Aktuelle Forschungsergebnisse liefern Hinweise, dass das räumliche Denken von Kindern sowohl durch Interventionen gefördert
werden kann, die direkt auf die Lösung von Aufgaben zur Messung räumlichen Denkens abzielen (Ehrlich et al., 2006; Cheng &
Mix, 2014), als auch durch Interventionen, die räumliches Denken indirekt über physikalisches Manipulieren, Rotieren und
Kombinieren von Objekten, bspw. durch visuell-räumliche Spielsachen (Bauklötze, Legos®, etc.) ansprechen (Casey et al., 2008;
Grissmer et al., 2013, zitiert nach Hawes et al., 2015).
Es existieren wenige Interventionsstudien, die auf Kinder im Vor- und Grundschulalter abzielen (Uttal. et al., 2013). Diese
Forschungslücke soll durch die vorgestellte Arbeit aufgegriffen werden: Im Rahmen einer Interventionsstudie soll die Förderung
des räumlichen Denkens von begabten Grundschulkindern in drei verschiedenen Kursen untersucht werden: Platonische Körper,
LEGOMindstorms und Fischertechnik. Alle drei Kurse sprechen räumliches Denken indirekt an, wobei im Kurs Platonische Körper
geometrische Figuren und ihre Besonderheiten im Fokus stehen, während die physikalische Manipulation, Rotation und
Kombination von Objekten in den Kursen LEGOMindstorms und Fischertechnik durch die Konstruktion von Robotern und
Fahrzeugen erfolgt. Diese Kurse werden im Rahmen des Projekts „Hector-Kinderakademien", einem außerschulischen
Förderprogramm für die genannte Zielgruppe, entwickelt.
Methode
Die Evaluation jedes Kurses soll auf Grundlage eines Prä-Posttest-Designs mit randomisierter Verteilung der Kinder auf eine
Interventions- und eine Warte-Kontrollgruppe erfolgen. Die Kontrollgruppe hat die Möglichkeit, den angebotenen Kurs als
Blockkurs zu besuchen.
Zur Erfassung von räumlichem Denken werden bestehende Messinstrumente eingesetzt. Konkret handelt es sich dabei um
sieben verschiedene Aufgabentypen, die sich den Dimensionen intrinsisch-statisch, extrinsisch-statisch, intrinsisch-dynamisch
und extrinsisch-dynamisch zuordnen lassen: Der Children’s Embedded Figures Test (Witkin et al., 1971) und der Diagrammatic
Representations Test (Newcombe & Frick, 2015) werden zur Messung der intrinsisch-statischen Dimension eingesetzt. Der
Water-Level-Test (Piaget & Inhelder, 1956) dient zur Erfassung der extrinsisch-statischen Dimension. Die Instrumente Bauen mit
Soma-Teilen, wer berührt wen und Würfelschlangen vergleichen (Plath, 2014) zielen auf die intrinsisch-dynamische Dimension.
Mit dem Test wer sieht was (Plath, 2014) wird die extrinsisch-dynamische Dimension abgebildet.
Erwartete Ergebnisse
Mit Blick auf die Evaluation der genannten Kurse wird die Hypothese aufgestellt, dass sich das räumliche Denken der begabten
Grundschulkinder durch die Interventionen verbessert.
Die Inhalte des Kurses Platonische Körper sprechen gezielt geometrische Figuren und ihre Besonderheiten an. Desweiteren
verbringen die Kinder im Kurs Platonische Körper im Vergleich zu den anderen beiden Kursen mehr Zeit mit der Analyse der
Objekte sowie der Beziehungen von Einheiten innerhalb der Objekte und von Objekten untereinander. Daher wird erwartet, dass
sich das räumliche Denken der Grundschulkinder durch den Kurs Platonische Körper im Vergleich zu den Kursen
LEGOMindstorms und Fischertechnik am stärksten verändert.
ID: 363
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Bildung im Sekundarbereich, Motivation und Emotion
Stichworte: Lebenslanges lernen, Sekundarstufe, Motivation, Selbstreguliertes Lernen, Unterrichtsstruktur
Die LLL-Kompetenz von österreichischen SchülerInnen und deren Zusammenhang mit
Unterrichtsstruktur und Leistung
Julia Klug, Marko Lüftenegger, Barbara Schober, Christiane Spiel
Universität Wien, Österreich
Theoretischer Hintergrund
Europa ist derzeit mit zahlreichen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen konfrontiert: Immer mehr BürgerInnen bleiben
nicht über ihr gesamtes Berufsleben hinweg im gleichen Tätigkeitsfeld. Die Anpassung an neue Arbeitsumgebungen erfordert
die ständige Erweiterung eigener Kompetenzen (Mikula, 2007). Daher wurde "Lebenslanges Lernen" (LLL) als europaweite
Strategie ausgerufen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2000).
Obwohl LLL oft als Thema der Erwachsenenbildung gesehen wird (Cendon et al., 2007), ist mittlerweile klar, dass die Schule
und insbesondere Lehrkräfte eine wichtige Rolle dabei spielen, SchülerInnen auf LLL vorzubereiten (Egger, 2006; Lipowsky,
2006; Wayne & Youngs, 2003). Zentrale Komponenten erfolgreichen LLLs sind die anhaltende Motivation zu lernen sowie die
Fähigkeiten diese Motivation selbstreguliert in konkrete Lernhandlungen zu übersetzen (Artelt, Baumert, Julius-McElvany &
Peschar, 2003; Schober, Lüftenegger, Wagner, Finsterwald & Spiel, 2013; Weinstein & Hume, 1998). Monitoring-Studien wie
PISA oder TIMSS zeigen jedoch Defizite in den LLL-Kompetenzen europäischer SchülerInnen (OECD, 2004). Andere Studien
weisen auf ein Absinken der Motivation mit zunehmender Verweildauer an der Schule hin, das nicht ausschließlich auf
entwicklungsbedingte Ursachen zurückgeführt werden kann, sondern mit dem Lernumfeld in Zusammenhang steht (z.B. Wigfield,
Eccles, Schiefele, Roeser & Davis-Kean, 2006).
Aktuell gibt es jedoch wenige empirische Erkenntnisse über die LLL-Kompetenzen von SchülerInnen (z.B. Schober et al., 2013).
Um in Zukunft Förderprogramme entwickeln zu können, die den Besonderheiten nationaler Bildungssysteme Rechnung tragen,
bedarf es neben den Erkenntnissen aus internationalen Large Scale Assessments wie PISA (siehe z.B. Artelt et al 2003; Haider
& Reiter 2004; OECD, 2004; Schreiner, 2007) auch nationaler Studien. Studien zu LLL-Kompetenzen österreichischer
SchülerInnen sind bisher jedoch eher bruchstückhaft (vgl. Schober et al., 2009). Diese Lücke zu schließen, ist Anliegen der
vorliegenden Studie.
Fragestellungen
Konkret wurden folgende Fragestellungen untersucht:
1. Wie sind die LLL-Kompetenzen bei SchülerInnen in Österreich ausgeprägt?
2. Kann die wahrgenommene Strukturierung des Unterrichts die LLL-Kompetenzen vorhersagen?
3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den LLL-Kompetenzen mit Leistung?
Methode
Die Daten zur vorliegenden Studie entstanden im Sparkling Science Projekt zur ökologisch validen Erfassung der LLL
Kompetenzen von SchülerInnen der Sekundarstufe. Insgesamt nahmen 5366 SchülerInnen (52.1% weiblich) der Schulstufen 5
bis 13 aus 36 österreichischen Schulen verschiedener Schulformen teil (mittleres Alter 15.35 Jahre, SD=2.45). Gemessen wurden
im Online-Fragebogen auf einer Skala 1 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu) jeweils für die Fächer Mathematik und Deutsch: (1) LLL
mittels (1a) kognitiven und metakognitiven SRL-Strategien (Tiefen – und Oberflächenstrategien; Planung, Überwachung,
Regulation) und (1b) Zielorientierungen sowie Erwartungs- und Wertkomponenten der Motivation (Selbstwirksamkeit, Implizite
Persönlichkeitstheorien; Interesse); (2) Strukturierung des Unterrichts (Aufgabe, Autorität, Evaluation); (3) Leistung durch (3a)
Leistungstests und (3b) Noten.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass die LLL-Kompetenzen österreichischer SchülerInnen der Sekundarstufe in beiden Fächern mittel
bis hoch eingeschätzt werden, insbesondere was kognitive Lernstrategien betrifft (Oberflächenstrategien: Deutsch M=3.10,
SD=.63, Mathe M=2.94 SD=.71; Tiefenstrategien: Deutsch M=3.18, SD=.56, Mathe M=3.07, SD=.60). Für die Motivation zeigt
sich ein besorglicheres Bild. Auffallend ist die hoch ausgeprägte vermeidende Leistungszielorientierung (M=3.26, SD=.69 in
Deutsch, M=3.18, SD=.73 in Mathe) sowie das eher niedrig ausgeprägte Interesse (M=2.07, SD=.84 in Deutsch, M=2.27, SD=.86
in Mathe), während für Selbstwirksamkeit und inkrementelle IPT zufriedenstellende Werte erreicht werden. Durch die
wahrgenommene Strukturierung des Unterrichts können sowohl Zielorientierungen, insbesondere die annähernde
Lernzielorientierung (β=.467, p<.000), als auch Lernstrategien, hier vor allem metakognitive Strategien (β=.402, p<.000), und die
Motivation, besonders stark das Interesse (β=.748, p<.000), vorhergesagt werden. Mit der Leistung zeigen sich
erwartungsgemäß niedrige Zusammenhänge zwischen .10 und .19 (p<.05) für Lernstrategien und moderate Zusammenhänge
zwischen .11 und .26 (p<.05) mit den Erwartungskomponenten der Motivation.
Die Ergebnisse sind relevant für die schulische Praxis, da durch die Strukturierung des Unterrichts und damit durch das Handeln
der Lehrkraft LLL und vor allem dessen bei österreichischen Schülerinnen und Schülern niedrig ausgeprägte Aspekte gefördert
werden können.
ID: 375
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Sonderpädagogik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Inklusion, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Inklusive Beschulung, Sonderpädagogischer Förderbedarf, Beurteilung von Schülerleistungen, Genauigkeit der
Leistungsbeurteilung
Wie genau schätzen angehende Lehrkräfte die Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne
Bedarf an sonderpädagogischer Förderung ein? Eine experimentelle Studie im Simulierten Klassenraum
Jennifer Igler1, Anna Südkamp1, Heinrich Tröster1, Johanna Kaiser2, Jens Möller2
1
TU Dortmund, Deutschland; 2Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die im Jahr 2009 ratifiziert wurde, bringt für die Lehrerinnen und Lehrer
neue Aufgaben und veränderte Arbeitsfelder mit sich (Kreis, Wick & Kosorok Labhart, 2014). Eine Herausforderung, die sich für
die Lehrkräfte ergibt, ist die Leistungsbeurteilung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer
Förderung (SFB). Hierzu wurden in einer Studie von Hurwitz, Elliott und Braden (2007) Leistungseinschätzungen von Lehrkräften
der vierten Klasse bezüglich Schülerinnen und Schülern mit SFB und ohne SFB in ihrer Genauigkeit untersucht. Es konnte
festgestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit SFB ungenauer eingeschätzt werden als Schülerinnen und Schüler ohne
SFB. Ebenfalls tendieren Lehrkräfte zu einer Unterschätzung der Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit SFB.
Die Forschung zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften hat bisher vor allem die Genauigkeit der Leistungsbeurteilung
durch Lehrkräfte im nicht-inklusiven Unterricht fokussiert. In Studien, in denen Einschätzungen von Lehrerinnen und Lehrern mit
standardisiert gemessenen Schülerleistungen verglichen werden, zeigt sich, dass die Lehrkräfte in der Lage sind, eine relativ
genaue Rangfolge der Schülerleistungen in ihrer Klasse abzubilden. Nach einer Meta-Analyse von Südkamp, Kaiser und Möller
(2012), in der 75 Studien zur Thematik der Genauigkeit von Lehrerurteilen zusammengestellt wurden, liegt der Mittelwert der
Korrelationswerte zwischen den Lehrerurteilen und den erbrachten Schülerleistungen bei r = .63.
In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie genau angehende Lehrkräfte die Leistungen von Schülerinnen und Schülern
mit und ohne SFB beurteilen. Es wurde angenommen, dass die Leistungsbeurteilung von Schülerinnen und Schülern mit SFB
negativer ausfällt als die der Leistungen von Schülerinnen und Schülern ohne SFB, auch wenn beide Gruppen identische
Leistungen zeigen. Zudem wurde davon ausgegangen, dass die Urteilsgenauigkeit, gemessen als die Übereinstimmung
zwischen Leistungsbeurteilung und tatsächlicher Leistung, für die Schülerinnen und Schüler mit SFB geringer ausfällt im
Vergleich zu Schülerinnen und Schülern ohne SFB.
Zur Untersuchung der Fragestellung wurde eine experimentelle Studie mit dem Simulierten Klassenraum durchgeführt. Dabei
handelt es sich um die Computersimulation einer Unterrichtssituation, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Rolle einer
Lehrkraft übernehmen. Dazu wählen die Probandinnen und Probanden aus einem Menü unterrichtsfachbezogene Fragen aus
und richten diese an die Schülerinnen und Schüler auf dem Computerbildschirm. Der Anteil korrekter Antworten der einzelnen
Schülerinnen und Schüler wird experimentell variiert und stellt das Maß für die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler dar. Die
Übereinstimmung der Schülerleistung mit dem Urteil der Probandinnen und Probanden kann als diagnostische Kompetenz
ermittelt werden (Südkamp, Möller & Pohlmann, 2008). Die simulierte Klasse bestand aus 12 Schülerinnen und Schülern, davon
wurde bei 4 Kindern der SFB während der Unterrichtsstunde kenntlich gemacht.
Insgesamt nahmen N = 90 Lehramtsstudierende (n = 36 im Lehramt für sonderpädagogische Förderung und n = 54 in anderen
Lehramtsstudiengängen) an der Studie teil. Um die Genauigkeit der Leistungsbeurteilung durch die Lehramtsstudierenden zu
bestimmen, wurden die Komponenten der Urteilsgenauigkeit (Schrader & Helmke, 1987), sowie das Globale Abweichungsmaß
berechnet.
Die Analysen weisen signifikante Unterschiede in der Akkuratheit der Leistungsbeurteilungen von Schülerinnen und Schülern mit
und ohne SFB auf. Die Ergebnisse zeigen, dass die Leistungseinschätzung bei den Schülerinnen und Schülern mit SFB (M =
.50; SD = .10) signifikant niedriger ausfällt als bei den Schülerinnen und Schülern ohne SFB (M = .54; SD = .09) (t(89) = -3,72; p
= .00), trotz gleicher tatsächlicher Leistungen in beiden Gruppen. Ferner konnte in dieser Studie festgestellt werden, dass
Schülerinnen und Schüler mit SFB (M = .19; SD = .07) prinzipiell genauer in ihren Leistungen eingeschätzt werden als
Schülerinnen und Schüler ohne SFB (M = .21; SD = .07) (t(89) = -3.19; p = .00).
ID: 379
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Motivation und Emotion, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Unterrichtsqualität, Motivation, differenzielle Effekte
Differenzielle Effekte von kognitiver Aktivierung für Schüler und Schülerinnen mit unterschiedlichen
motivationalen Voraussetzungen
Franziska Baier, Mareike Kunter
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Empirische Studien zeigen, dass Unterrichtsqualitätsmerkmale wie kognitive Aktivierung positiv mit der Mitarbeit der
Schüler/innen zusammenhängen (Fredricks, Blumenfeld, & Paris, 2004). Nach dem Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke
(2014) führt eine hohe Mitarbeit der Schüler/innen (Angebotsnutzung) zu positiven Lernergebnissen. Verschiedene Studien
zeigen jedoch auch, dass die Zusammenhänge zwischen Unterrichtsqualität und Schüleroutcomes nicht für alle Schüler gleich
ausgeprägt sind, und dass vor allem Schüler/innen mit ungünstigen kognitiven/sozialen Voraussetzungen von hoher
Unterrichtsqualität profitieren (Cadima, Leal, & Burchinal, 2010; Hamre & Pianta, 2005).
Ein in diesem Kontext bisher noch nicht untersuchtes Schülermerkmal ist die Motivation der Schüler/innen für ein bestimmtes
Fach. Nach der Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Ryan und Deci (2000) lässt sich zwischen extrinsischer und
intrinsischer Lernmotivation unterscheiden. Dabei kann extrinsische Motivation in vier Formen entlang eines Kontinuums
vorliegen: als externale, introjizierte, identifizierte oder integrierte Regulation. Letztere weist den höchsten Grad an
Selbstbestimmtheit auf und liegt vor, wenn externale Ziele vollständig in das Selbstkonzept integriert sind. Sie weist somit
Elemente der intrinsischen Motivation auf. Die intrinsische Motivation wird als günstigste Form der Motivation betrachtet, da sie
vollständig selbstbestimmt ist. Studien zeigen, dass selbstbestimmtere Formen der Motivation mit besserer Mitarbeit einhergehen
(Ryan & Deci, 2000). Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, ob unterschiedliche motivationale Voraussetzungen die
Wirkung von Unterrichtsqualität moderieren. Es ist zu erwarten, dass Schüler/innen mit ungünstiger motivationaler Tendenz
(externale Regulation) weniger stark in ihrer Mitarbeit von der Unterrichtsqualität profitieren, da sie rein externale Ziele verfolgen.
Es wird also entgegengesetzt bisheriger Befunde kein protektiver Effekt erwartet. Bei intrinsisch motivierten Schüler/innen
hingegen könnte eine hohe wahrgenommene Unterrichtsqualität zusammen mit der Freude am Fach zu einer erhöhten Mitarbeit
führen.
Hypothesen
Die Motivation der Schüler/innen für das Fach Mathematik moderiert den Zusammenhang zwischen kognitiver Aktivierung und
der Mitarbeit im Unterricht.
Methode
Es handelt sich um eine Tagebuchstudie, an der 261 (57% Mädchen) 7. Klässler aus neun Klassen aus zwei deutschen
Gymnasien in Berlin teilnahmen.
In einem Prätest gaben die Schüler/innen Auskunft über stabile motivationale Merkmale in Bezug auf das Fach Mathematik.
Anschließend schätzten sie drei Wochen lang nach jeder Mathematikstunde die Unterrichtsqualität ein und berichteten über ihre
Mitarbeit im Unterricht.
Die kognitive Aktivierung wurden von den Schüler/innen anhand von 5 Items eingeschätzt (Kunter & Baumert, 2006b). Die
Mitarbeit wurde anhand des Items „Ich habe gut mitgearbeitet“ erfasst. Basierend auf der Selbstbestimmungstheorie (Ryan &
Deci, 2000) wurden zwei Formen der extrinsischen Motivation ausgewählt und erfasst, nämlich die externale Regulation (3 Items)
und die identifizierte Regulation (3 Items). Die intrinsische Motivation wurde anhand von 4 Items erfasst.
Die Daten wurden mehrebenenanalytisch anhand von Random -Slope-Modellen ausgewertet, mit den Messzeitpunkten in den
Schülern geclustert. Die wahrgenommene kognitive Aktivierung wurde am individuellen Schülermittelwert zentriert und diente als
Prädiktor für die Mitarbeit. Auf Schülerebene wurden jeweils in getrennten Modellen die verschiedenen Motivationsformen als
Moderatoren aufgenommen. Eine latente Modellierung ist geplant.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass die wahrgenommene kognitive Aktivierung positiv mit der Mitarbeit zusammenhängt. Außerdem
arbeiten Schüler/innen mit einer hohen intrinsischen Motivation generell besser mit (b = 0,20, SE = 0,04; t(184) = 4,51, p< 0,001).
Die Mitarbeit von Schüler/innen mit einer hohen identifizierten Regulation wird weniger stark positiv von ihrer wahrgenommenen
kognitiven Aktivierung beeinflusst als die von Schüler/innen mit einer geringen Ausprägung (b = -0,06, SE = 0,02; t(1410) = -2,62,
p = 0,009). Für Schüler/innen mit hoher externaler Regulation findet sich die gleiche Tendenz. Keine signifikante Moderation
zeigt sich für die intrinsische Motivation.
Die Ergebnisse unterstützen Befunde, die zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Unterrichtsqualität und Schüleroutcomes
von Schülermerkmalen moderiert wird. Eine differenzielle Betrachtung von Unterrichtseffekten erscheint gerade in Kontexten mit
heterogenen Schülergruppen sinnvoll.
ID: 385
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Genderforschung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Geschlechtsunterschiede, Metakognition, Geschlechtsstereotyp, Nationales Bildungspanel, Kompetenzentwicklung
Da war ich auch richtig gut! Ausdifferenzierung der aufgabenbezogenen Selbsteinschätzung zu
sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereichen und die Tendenz zur Überschätzung
bei Jungen.
Kathrin Lockl, Ilka Wolter
Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Deutschland
Ausgehend von empirischen Befunden aus dem Bereich der Forschung zu Fähigkeitsselbstkonzepten (z.B. Marsh, Craven &
Debus, 1991; 1998) kann auch bei aufgabenbezogenen Selbsteinschätzungen zu verschiedenen Domänen eine zunehmende
Ausdifferenzierung mit Beginn der systematischen Leistungsrückmeldung zu Beginn der Schule vermutet werden. Die
aufgabenbezogene Selbsteinschätzung wird hierbei als ein Indikator für die prozedurale Metakognition, also die Fähigkeit zur
Überwachung und Steuerung eigener Lern- und Gedächtnisleistungen, betrachtet (Schneider & Lockl, 2008).
Während Studien zum akademischen Selbstkonzept (z.B. Eccles, Wigfield & Blumenfeld, 1993) zeigen, dass Kinder bereits sehr
früh eine Fähigkeitseinschätzung anhand der Geschlechtskonnotation der Domänen (z.B. Steffens & Jelenec, 2011) aufzeigen
(z.B. Niklas & Schneider, 2012), ist dieser Befund im Bereich der prozeduralen Metakognition noch kaum untersucht. Wir nehmen
vor dem Hintergrund von Theorien zu Geschlechterrollen an (vgl. Eagly, Wood, & Johannesen-Schmidt, 2004), dass Jungen sich
in der Beurteilung ihrer eigenen Leistung in tendenziell in allen Bereichen stärker überschätzen als Mädchen. Erklärt über das
Geschlechtsstereotyp ist zu erwarten, dass bei Jungen eine eher kompetitive und selbstsichere Selbstwahrnehmung, aber von
Mädchen eine eher bescheidene und zurückhaltende Selbsteinschätzung gezeigt wird (vgl. Ruble, Martin & Berenbaum, 2006).
Ausgehend von den Studien zur Geschlechtskonnotation von Schuldomänen sollte die Höhe dieser erwarteten Überschätzung
allerdings für sprachliche und mathematisch-naturwissenschaftliche Bereiche unterschiedlich ausfallen. So sollten in den
männlich-konnotierten Fächern die Jungen eine noch höhere Überschätzung zeigen als in weiblich-konnotierten Fächern.
In drei längsschnittlichen Stichproben, die im Rahmen des Nationalen Bildungspanels erhoben wurden (NEPS; Blossfeld,
Roßbach & von Maurice, 2011), gingen wir der Frage nach, a) ob sich die aufgabenbezogene Selbsteinschätzung mit Beginn der
Schulzeit ausdifferenziert, b) ab wann erste Geschlechtsunterschiede in diesen Einschätzungen auftreten und c) ob Jungen eine
deutlichere Tendenz zur Überschätzung zeigen als Mädchen, vor allem im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. In
drei Kohorten, beginnend im Kindergarten (n = 2452), der 5. Klasse (n = 4972) und der 9. Klasse (n = 14117), wurde die
aufgabenbezogene Selbsteinschätzung im Bereich der Sprachkompetenz (Lesen, Wortschatz, Grammatik, Orthografie) und im
mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich (Mathematik, Naturwissenschaft, Computerwissen) über die Anzahl der
vermutlich richtig gelösten Aufgaben im Anschluss an die Kompetenzmessung erhoben (Händel, Artelt & Weinert, 2013). Aus
diesen Daten resultieren zwei Werte: einerseits der geschätzte Anteil der richtig gelösten Aufgaben und andererseits der
geschätzte Anteil der richtig gelösten Aufgaben relativiert an der tatsächlichen Leistung im Kompetenztest (Lockl, 2015).
Die Ergebnisse bestätigten zunächst, dass sich die aufgabenbezogenen Selbsteinschätzungen mit dem Beginn der Schulzeit,
also bei Kindern in der 1. Klasse, ausdifferenzieren und etwas realistischer werden. In den Daten der jüngeren Kinder (5 bis 6
Jahre) zeigen sich dagegen noch starke Deckeneffekte und eingeschränkte Varianzen in der Abfrage der prozeduralen
Metakognition in allen Domänen. Ab Schuleintritt zeigen sich dann außerdem erste Geschlechtsunterschiede in den
Einschätzungen: Jungen und Mädchen überschätzen sich in Relation zu ihren tatsächlichen Leistungen im Mittel in allen
Domänen, allerdings überschätzen sich die Jungen insgesamt deutlich stärker als Mädchen. Ebenfalls erwartungskonform
schätzen Jungen im Vergleich zu Mädchen ihre Leistungen vor allem im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich als
besser ein und die Differenzierung im Hinblick auf männlich bzw. weiblich konnotierte Domänen nimmt tendenziell mit höheren
Klassenstufen zu.
Zusammenfassend stehen die Ergebnisse sowohl in Einklang mit Befunden zur prozeduralen Metakognition, die auf realistischere
Einschätzungen mit zunehmendem Alter hinweisen (Schneider & Lockl, 2008), als auch mit Befunden aus der
Selbstkonzeptforschung, aus denen abgeleitet werden kann, dass sich die Einschätzung der eigenen Leistung erst mit Beginn
einer systematischen Leistungsrückmeldung bei Eintritt in die Schule ausdifferenziert und Geschlechtsunterschiede im Verlauf
der Schulzeit zunehmen (vgl. Jacobs, Lanza, Osgood, Eccles & Wigfield, 2002). Die Ergebnisse werden in Hinblick auf
weiterführende Forschungsfragen bezüglich der langfristigen Leistungsentwicklung von Jungen und Mädchen und der
Übernahme von Geschlechterstereotypen in die Selbstwahrnehmung diskutiert.
ID: 388
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Vorschulische Bildung
Stichworte: Sprachkomplexität, Eltern-Kind-Interaktionen, Grammatikerwerb, soziale Disparitäten, Mediationseffekte
Spezifische Merkmale in Eltern-Kind-Interaktionen als Prädiktoren und Vermittler sozialer Disparitäten im
Grammatikerwerb von Kindern im Vorschulalter
Angela Anderka
Universität Bamberg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund:
Bereits im Alter von drei Jahren sind interindividuelle Unterschiede im Grammatikerwerb in Abhän-gigkeit von der sozialen
Herkunft feststellbar, die über die Kindergartenzeit hinweg relativ stabil blei-ben (Weinert, Ebert & Dubowy, 2010) und zu Defiziten
in komplexen syntaktischen Kompetenzen für Kinder aus bildungsferneren Familien führen (Vasilyeva & Waterfall, 2011).
Befunde zur Bedeutung der häuslichen Lernumwelt für den Grammatikerwerb lassen vermuten, dass spezifische Merkmale in
Eltern-Kind-Interaktionen und im elterlichen Sprachangebot den partiellen Mediationseffekten der allgemeinen familiären
Literacy-Anregung zugrunde liegen (Lehrl, Ebert, Roßbach & Weinert, 2012; Weinert & Ebert, 2013).
Fragestellung:
Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutsamkeit spezifischer Merkmale in Eltern-Kind-Inter-aktionen als Prädiktoren für den
Grammatikerwerb von Kindern im Vorschulalter und geht der Frage nach, inwiefern diese soziale Disparitäten im
Grammatikerwerb und Effekte der allgemeinen Litera-cy-Anregung vermitteln.
Methode:
Es wurden Daten von 65 Kindern und ihren Eltern, einer Teilstichprobe des Längsschnitts BiKS 3-10 der Bamberger DFGForschergruppe „Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Formation von Selektionsentscheidungen im Vor- und
Grundschulalter“ (Teilprojekt 3 unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Sabine Weinert sowie angegliederte Promotionen) analysiert.
Das elterliche Sprachangebot wurde im halbjährlichen Abstand zu drei Messzeitpunkten in halbstandardisierten Eltern-KindInteraktionen erfasst (vgl. Ebert, 2011) und im Rahmen der vorliegenden Studie sowohl auf quantita-tive Aspekte wie z.B. Dauer
der Interaktion und Menge der Äußerungen als auch auf qualitative Aspekte wie die syntaktische und lexikalische Komplexität
hin analysiert. Die erhobenen Merkmale der Elternsprache wurden in Beziehung gesetzt zu Ergebnissen der Kinder in einem
rezeptiven Grammatiktest (TROG-D, Fox, 2006). Die Kinder waren zum ersten einbezogenen Messzeitpunkt 4;6 Jahre und zum
dritten Messzeitpunkt 5;6 Jahre alt.
Ergebnisse:
Es finden sich zu allen drei Messzeitpunkten statistisch bedeutsame Zusammenhänge zwischen den quantitativen und
qualitativen Merkmalen der Elternsprache und dem sozialen Status der Familien: Eltern mit einem höheren sozialen Status
sprachen in einer halb-standardisierten Bilderbuchsituati-on, in der sie die Zeit frei einteilen konnten, länger und mehr mit ihren
Kindern als Eltern mit einem niedrigeren sozialen Status und verwendeten im Vergleich mehr komplexe Sätze und verschiedene
Wörter in ihrer Sprache.
Unter den erhobenen Merkmalen der Eltern-Kind-Interaktionen erweisen sich sowohl die erhobene Dauer der Interaktion als auch
die syntaktische Komplexität im elterlichen Sprachangebot (Anzahl der komplexen Sätze) als prädiktiv für die grammatischen
Kompetenzen der Kinder (ein halbes bis ein-einhalb Jahre später). Diese Zusammenhänge bleiben auch unter Kontrolle des
Ausgangswertes der Sprachkompetenzen (zum ersten einbezogenen Messzeitpunkt) noch prädiktiv.
Hinsichtlich der Mediation sozialer Disparitäten zeigt sich ein partieller Mediationseffekt dieser bei-den Merkmale für den
Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund und den grammatischen Kompetenzen der Kinder. Mediationsmodelle, in
die diese Merkmale gleichzeitig mit einem Indikator der allgemeinen Literacy-Anregung („Erfahrung mit Büchern“) aufgenommen
werden, bestätigen die Hypothese dass deren Effekte auf spezifische Merkmale in Eltern-Kind-Interaktionen zurückzuführen sind.
ID: 391
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Lehrerausbildung, Studienerfolg, Berufserfolg, Prognosemodell
*Werden aus guten Schüler(inne)n auch gute Lehrkräfte?* Zum Zusammenhang zwischen
Abiturdurchschnittsnote, Studienerfolg und Berufserfolgsmaßen bei angehenden Lehrkräften
Kristin Wolf, Olga Kunina-Habenicht, Christina Linninger, Mareike Kunter
Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: An den meisten deutschen Hochschulen entscheidet allein die Abiturdurchschnittsnote über die
Zulassung zum Lehramtsstudium und damit auch darüber, wer später als Lehrkraft arbeiten darf (Heine et al., 2006). Zur
Prognosegüte der Abiturnote für den Erfolg im Lehramtsstudium liegen zahlreiche empirische Studien vor, die einen positiven
Zusammenhang berichten (Blömeke, 2009; Hanfstingl & Mayr, 2007). Jedoch wurde bisher die Prognosekraft der Abiturnote für
den späteren Berufserfolg als Lehrkraft nur unzureichend empirisch untersucht. An dieser Forschungslücke setzt der vorliegende
Beitrag an und verfolgt das Ziel, die Zusammenhänge zwischen Abiturnote, Studienerfolg und Berufserfolg bei angehenden
Lehrkräften zu untersuchen.
Studienerfolg wird in Untersuchungen zur Studienerfolgsprognose häufig an den Leistungen der Studierenden festgemacht
(Baron-Boldt et al., 1988; Freyer, 2013; Brandstätter & Farthofer, 2002), so auch in diesem Beitrag. In Anlehnung an den Aufbau
des Lehramtsstudiums wurden sowohl Leistungen aus dem akademischen Hochschulstudium als auch aus dem praktischen
Vorbereitungsdienst berücksichtigt. Da Lehrkräfte den Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes unterliegen (Halász et al., 2004),
ist es naheliegend, dass klassische Berufserfolgskriterien wie Einkommen oder beruflicher Aufstieg zur Operationalisierung des
Berufserfolgs von Lehrkräften ungeeignet sind (Abele, 2011). Da vor allem das Unterrichten die Kernaufgabe von Lehrkräften
darstellt (Klusmann et al., 2011; Terhart, 2006), kann die Qualität einer Lehrkraft im Wesentlichen durch professionelles Verhalten
im Unterricht bestimmt werden (Kunter et al., 2011; Terhart, 2006). Darüber hinaus postuliert beispielsweise das Modell der
Determinanten und Konsequenzen der Kompetenz von Lehrkräften (Kunter et al., 2011), dass Berufserfolg auch an lehrerseitigen
Kriterien wie etwa deren beruflichem Wohlbefinden festgemacht werden kann (Kunter et al., 2011). In Anlehnung an dieses
Modell und Untersuchungen zur Berufserfolgsprognose von Lehrkräften (Abele, 2011; Blömeke, 2009) wurden Unterrichtsqualität
und berufliches Wohlbefinden als Berufserfolgskriterien ausgewählt.
Fragestellung: Der Beitrag untersucht, ob Lehrkräfte, die als Schüler(innen) einen guten Abiturdurchschnitt erzielten, auch in
Studium und Beruf erfolgreich sind. Es wird davon ausgegangen, den vielfach gezeigten positiven Zusammenhang zwischen
Abiturnote und Studienerfolg zu replizieren. Aufgrund der geringen empirischen Evidenz bezüglich der Prognosegüte der
Abiturnote für den Berufserfolg von Lehrkräften, wird dies explorativ untersucht. Des Weiteren wird untersucht, ob Studienerfolg
in Zusammenhang mit Erfolgsmaßen im Beruf steht. Dabei wird angenommen, dass akademischer und praktischer Studienerfolg
den späteren Berufserfolg vorhersagen können.
Methode: Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden Daten der beiden Längsschnittstudien COACTIV-R (Löwen et al.,
2011) und BilWiss (Kunter et al., in Druck) herangezogen, die angehende Lehrkräfte von Beginn des Vorbereitungsdienstes bis
zu ihrem Berufseinstieg begleitet haben. Die Analysen beziehen sich auf Gesamtstichproben von 856 angehenden Lehrkräften
der Studie COACTIV-R sowie 4.342 angehenden Lehrkräften der Studie BilWiss. Aufgrund des längsschnittlichen Studiendesigns
und damit verbundenen Dropouts variiert die Stichprobengröße je nach Analyse zwischen 61 und 3.457 angehenden Lehrkräften.
Zur Erfassung des Berufserfolgs wurden vier Indikatoren verwendet: Die Unterrichtsqualität wurde anhand von
Selbstberichtsskalen durch die Lehrkräfte und Fremdbeurteilungen durch deren Schüler(innen) erfasst, das berufliche
Wohlbefinden anhand von Selbstberichtsskalen zur emotionalen Erschöpfung und Berufszufriedenheit der Lehrkräfte. Die
Prognosegüte von Abiturnote und Studiennoten für die ausgewählten Berufserfolgsmaße wurde mithilfe von
Strukturgleichungsmodellen und manifesten Analysen untersucht.
Ergebnisse: Die Befunde zum positiven Zusammenhang zwischen Abiturnote und Studienerfolg konnten erfolgreich repliziert
werden (r=.45 bis .63, p<.05). Zur Vorhersage der Berufserfolgsmaße erwies sich die Abiturnote jedoch nicht als signifikanter
Prädiktor. Einzelne signifikante Zusammenhänge waren klein und nicht über beide Studien konsistent. Neben der Abiturnote
konnte auch der Studienerfolg den Berufserfolg mehrheitlich nicht signifikant vorhersagen. Lediglich bei separater Betrachtung
der Note des Vorbereitungsdienstes erwies sich diese für die Schülerbeurteilung auf den Skalen Sozialorientierung (β=-.36,
p<.05) und Störungen (β=.29, p<.05) als bedeutsam.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Abiturdurchschnittsnote nur unzureichende Prognosekraft hinsichtlich des Berufserfolgs von
Lehrkräften besitzt. Der Einsatz der Abiturdurchschnittsnote als alleiniges Kriterium in der Auswahl von zukünftigen Lehrkräften
sollte daher kritisch hinterfragt werden.
ID: 412
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Mentorenqualifikation, videogestütztes Training
Mentorinnen und Mentoren für die Beratung von Lehramtstudierenden fortbilden. Welche Wirkung hat ein
videogestütztes Training?
Jutta Möhringer, Marc Kleinknecht, Katharina Müller
Technische Universität München, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Einen zentralen Baustein im Lehramtsstudium bildet die schulpraktische Ausbildung. Wenngleich die empirischen Befunde über
das Lernpotential von Praktika zu Bescheidenheit raten (Hascher; 2012), ist belegt, dass die Qualität der Betreuung einen
wesentlichen Einflussfaktor für das Lernen im Praktikum darstellt (Kreis & Staub 2007; Schubarth et al. 2011; Hascher 2012).
Dabei tragen Fortbildungen für Mentoren zur Verbesserung der Betreuungsqualität bei (Valencic Zuljan & Vogrinc, 2007). Auf
Basis von empirischen Befunden werden an verschiedenen Institutionen Fortbildungsprogramme durchgeführt, bei denen
Mentoren eng mit Dozenten der Lehrerausbildung kooperieren (Bullough, 2005). Im Mittelpunkt dieser Programme steht meist
der Austausch über praktische Erfahrungen und pädagogisch-psychologische Konzepte (Carroll, 2005; Graham, 1997).
Der vorliegende Beitrag stellt die Begleitforschung für ein Weiterbildungskonzept für Lehrkräfte vor, das in drei aufeinander
aufbauenden Modulen auf eine systematische Qualifizierung von Betreuungslehrkräften bei der Beratung zur Unterrichtsvor- und
–nachbereitung zielt. Das Fortbildungskonzept verbindet zwei empirisch erforschte Ansätze insofern, als das Münchner Modell
der Gesprächsführungskompetenz (Gartmeier et al., 2011) im Kontext des fachspezifisch-pädagogischen Coachings (Kreis &
Staub, 2011; 2012; 2014) vermittelt und angewendet wurde. Das Konzept sieht als Kernelemente eines guten
Beratungsgespräches vor, dass die inhaltliche Gestaltung durch eine ko-konstruktive Lösungsfindung, die Verlaufsgestaltung
durch eine transparente Strukturierung und die Kommunikation durch eine wertschätzende Haltung geprägt ist. Die Module
bestehen jeweils aus einer ganztägigen Präsenzveranstaltung. Zwischen den Modulen fand jeweils eine wiederholendvertiefende Online-Übung statt.
Fragestellung
Im Rahmen der Begleitforschung untersuchten wir, wie sich die Beratungsgespräche der Mentoren im Hinblick auf die drei
Kernelemente guter Gesprächsführung „ko-konstruktive Lösungsfindung“, „transparente Strukturierung“ und „wertschätzende
Haltung“ veränderten.
Design und Methode
In einem Pre-Post-Follow-Up-Design wurden Selbsteinschätzungen der Lehrkräfte zu ihren Beratungsgesprächen über eine
Fragebogenbefragung sowie Fremdeinschätzungen über die Analyse von Audioaufzeichnungen der Beratungsgespräche
erfasst.
Die Trainingsgruppe setzte sich aus 39 Gymnasial- und Realschullehrkräften zusammen, die während des Schuljahres (2014/15)
Studierende im Schulpraktikum betreuten und freiwillig an allen Modulen (zwischen Oktober 2014 und Juli 2015) der Fortbildung
teilnahmen. Die Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Mentorengespräche wurden vor Beginn (T1) und nach dem dritten
Modul (T2) eingesetzt (T1/T2: N = 39). Die Items orientierten sich an den Kernelementen der Gesprächsführung, wobei die
Skalen zur Strukturierung des Gesprächsablaufs 8 Items umfassten, z.B. „Ich achte darauf, dass die Gespräche immer ähnlich
strukturiert sind“ (Cronbachs α = 0,76; Zustimmung jeweils vierstufig, 1 = stimme voll zu), die zur wertschätzenden Gestaltung 9
Items, z.B. „Ich stelle eine angenehme Atmosphäre her, die frei von Hektik ist“ (α = 0,82) und die zur ko-konstruktiven
Problemlösung 7 Items, z.B. „Für mich steht im Vordergrund, dass die Verantwortung für das Lernen der Schüler/innen bei mir
und der Studentin/dem Studenten liegt.“ (α = 0,73). Der Einsatz des Fragebogens zum Zeitpunkt T3 ist 6 Monate nach Abschluss
der Fortbildungsreihe im Dezember 2015 vorgesehen.
Für die Fremdeinschätzung der Mentorengespräche wurden ebenfalls zum Zeitpunkt T1 und T2 vertiefende qualitative Daten
erhoben, indem Mentorengespräche audiographiert wurden. Diese wurden transkribiert und mittels einer qualitativen
Inhaltsanalyse (Mayring, 2003) mit MAXQDA ausgewertet. Das Kategoriensystem wurde theoriegeleitet erstellt, wobei wiederum
die Kernelemente eines guten Beratungsgesprächs die Hauptkategorien für die Analyse bildeten. In der Anwendung auf die
Transkripte wurde das Kategoriensystem weiter ausdifferenziert.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zu den Selbsteinschätzungen (Fragebogenstudie) zeigen, dass die Lehrkräfte nach der Fortbildung die
Gesprächsqualität hinsichtlich des Kernelementes „transparente Strukturierung“ signifikant besser einschätzen (T1: M = 2.31,
SD = 0.07; T2: M = 1.92, SD = 0.18; t(2,4) = 2.35, p < 0.05, Cohen’s d = 0.80). Bei der „ko-konstruktiven Lösungsfindung“ zeigte
sich eine leichte, nicht signifikante Verbesserung, bei der „wertschätzenden Haltung“ eine leichte, nicht signifikante
Verschlechterung.
Für die Präsentation werden zusätzlich zu diesen Ergebnissen die Reliabilitätswerte für das Fremdeinschätzungsinstrument
(Kategoriensystem zur Analyse der Gespräche) sowie die deskriptiven Maße für beide Messzeitpunkte berichtet.
ID: 413
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Intelligenz, Persönlichkeit, Leistungsängstlichkeit, akademische Leistung, Lehramt
Studienerfolg bei Lehramtsstudierenden – Vorhersage durch Intelligenz, Gewissenhaftigkeit und
Leistungsängstlichkeit
Christoph Waterbör1, Nicolas Becker1, Julia Karbach2, Frank M. Spinath1, Roland Brünken1
1
Universität des Saarlandes, Deutschland; 2Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: Zur Vorhersage von Schul- und Studienerfolg werden häufig Noten herangezogen, die den
Leistungsaspekt dieses Kriteriums abbilden. Im schulischen Kontext hat sich Intelligenz als varianzstarker Prädiktor für Leistung
bewährt (Neisser et al., 1996; Roth, Becker, Romeyke, Schäfer, Domnick & Spinath, im Druck), im universitären Kontext zeigt
sich allerdings, dass die Zusammenhänge häufig geringer ausfallen (Furnham, Chamorro-Premuzic & McDougal, 2003). Werden
hingegen schulische Durchschnittsnoten als Prädiktor herangezogen, fallen die Zusammenhänge höher aus (Trapmann, Hell,
Weigand & Schuler, 2007). Allerdings bleibt bei Verwendung derartiger Notenaggregate offen, welche Konstrukte an der
Vorhersage beteiligt sind und in welchem Ausmaß. Derartige Fragestellungen erfordern die Integration mehrerer Konstrukte in
Vorhersagemodellen.
Neben der Vorhersagekraft von Intelligenz wurde auch der Zusammenhang einzelner Persönlichkeitsdimensionen und
akademischer Leistung umfangreich untersucht. Meta-Analysen zeigen, dass sich vor allem für die Dimension Gewissenhaftigkeit
bedeutsame Zusammenhänge ergeben (z.B. Poropat, 2009; Trapmann, Hell, Hirn & Schuler, 2007). Die Befunde von Richardson,
Abraham und Bond (2012) zeigen zudem, dass Gewissenhaftigkeit über traditionelle Studienerfolgsprädiktoren (z.B. schulische
Durchschnittsnote) hinaus Varianz erklären kann. In der Studie von Furnham und Kollegen (2003) klärten
Persönlichkeitsdimensionen des Big Five Modells (Costa & McCrae, 1992) mehr Varianz auf als Intelligenz, wobei sich
Gewissenhaftigkeit als besonders starker Prädiktor erwies.
Neben Persönlichkeitsmerkmalen haben Forschungsarbeiten weitere nonkognitive Konstrukte als bedeutsame Prädiktoren
bestätigt, darunter motivationale Faktoren und auch spezifische Merkmale wie etwa Leistungsängstlichkeit (Richardson et al.,
2012). Richardson und Kollegen (2012) zeigten einerseits metaanalytisch, dass Leistungsängstlichkeit akademische Leistung
bedeutsam vorhersagen kann, andererseits zeigten sie in einem Mehrebenenmodell, dass Leistungsängstlichkeit über
traditionelle Studienerfolgskorrelate und Gewissenhaftigkeit Varianz aufklären konnte.
Auch im Kontext der Lehrerprofessionalisierungsforschung spielt die Untersuchung des Einflusses kognitiver und nonkognitiver
Konstrukte auf die Entwicklung berufsbezogener Kompetenzen eine bedeutsame Rolle (Kunter, Kleickmann, Klusmann &
Richter, 2011).
Fragestellung: Können Intelligenz, Gewissenhaftigkeit und Leistungsängstlichkeit die Leistung im bildungswissenschaftlichen
Grundlagenstudium bei Lehramtsstudierenden verschiedener Fachgruppen vorhersagen?
Methode: Zur Überprüfung der inkrementellen Validität wurde eine Strukturgleichungsanalyse durchgeführt. Sämtliche Daten
wurden im Rahmen der Studie zu individuellen und organisationalen Einflüssen auf den Studienerfolg in der Lehrerbildung (SioSL; Biermann et al., im Druck) erhoben. Als Stichprobe wurden Lehramtsstudierende (N = 495) zu Beginn ihres Studiums
herangezogen.
Intelligenz wurde durch eine Kurzform des Leistungsprüfsystems (LPS; Horn, 1983) operationalisiert, Gewissenhaftigkeit durch
das NEO Fünf Faktoren Inventar (NEO-FFI; Borkenau & Ostendorf, 1993). Leistungsängstlichkeit wurde durch sieben Skalen
des Differentiellen Leistungsangst Inventars (DAI; Rost & Schermer, 1997) erfasst. Das Kriterium der Leistung wurde durch
insgesamt drei Noten des bildungswissenschaftlichen Grundlagenstudiums (Module 1 und 2; vgl. Modulhandbuch, 2009)
operationalisiert.
Zur Indikatorisierung der latenten exogenen Variablen wurden auf Basis inhaltlicher und faktorenanalytischer Gesichtspunkte
Aufgabenbündel gebildet. Die Noten dienten als manifeste Indikatoren der latenten endogenen Variable.
Ergebnisse: Insgesamt zeigten die herangezogenen Fit-Indizes zur Modell-Evaluation eine gute bis akzeptable Passung des
Vorhersagemodells (χ² (69) = 165.18, p < .001; RMSEA = .05; SRMR = .05; CFI = .96; AGFI = .93; TLI = .94). Intelligenz konnte
die Leistung vorhersagen (β = .34, p < .001); darüber hinaus verbesserte sich die Vorhersage durch Gewissenhaftigkeit
bedeutsam (β = .27, p < .001). Leistungsängstlichkeit hingegen erlaubte keine zusätzliche bedeutsame Vorhersage (.11, p > .05).
Diskussion: Entgegen der Erwartung klärte Leistungsängstlichkeit keine zusätzliche Varianz im Leistungskriterium auf.
Hypothesenkonform wies hingegen Gewissenhaft inkrementelle Validität über Intelligenz hinaus auf, wobei Intelligenz die stärkste
Prädiktionskraft auszeichnete.
Im Kontext der Lehrerprofessionalisierungsforschung erscheint es bedeutsam zu klären, inwiefern die gefundenen Ergebnisse
auf andere Aspekte des Professionswissens (Baumert & Kunter, 2006) übertragen werden können oder inwiefern eine
Fachgruppendifferenzierung für die Ergebnisse von Bedeutung ist. Erste Ergebnisse, die die Bedeutung einer
Fachgruppendifferenzierung untersuchen, liegen bereits vor (z.B. Kaub et al., 2012).
ID: 416
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Genderforschung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Laddish Behavior, Teachers' Judgment, Students' Academic Achievement, gender stereotype
The Influence of Laddish Behavior on Teachers' Judgment of Students' Academic Achievement
Margret Finkbeiner, Johanna Kaiser, Jens Möller
Institut für Psychologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland
Theoretical Background
In the present study the influence of students' laddish behavior on teachers' judgment of students' academic achievement was
examined. Laddishness is described as attitudes and behavior that is considered as particularly masculine (e.g., Francis, 1999).
As such, laddishness is characterized as gender stereotypical behavior for boys. At the same time it is described as an
inappropriate and incompatible behavior for school. Therefore, it can be assumed that when male students exhibit laddish
behavior and express laddish attitudes that gender stereotypes are activated in teachers' perception. Hence, information
processing about that student might be affected, which in the end might lead to different judgments.
Research Question
The research question to be answered is, if gender stereotypical behavior of boys, in particular laddishness, influences teachers'
judgment of students' academic achievements. We hypothesized that the information about the student's sex itself does not affect
teachers' judgment of students' academic achievement (H1). Furthermore, we assumed that judgments of both laddish boys and
laddish girls should be negative (H2). We also postulated that teachers judge academic achievement of a male student who
exhibits laddishness more negatively than academic achievement of a female student who also exhibits laddishness (H3).
Additionally, we expected that teachers' assessment of low achieving laddish boys is even more negative than teachers'
assessment of low achieving laddish girls (H4). Lastly, we expected that teachers' own gender identity influences the probability
to apply gender stereotypes, assuming that there is a confounding effect of sex-typed teachers on perceiving laddishness (H5).
Method
A computer simulation of an instructional situation, the Simulated Classroom, was used. The program presents students of a
class, while the participant operating the computer takes over the role of a teacher. Students' sex (male vs. female), laddishness
(not laddish vs. laddish) and students' achievement (low, medium, high achieving) were manipulated. Proportional judgments,
school grades and expectations were conducted to measure teachers' judgment. The German version of the Bem Sex Role
Inventory (BSRI) was used in order to measure participants' own gender identity (Schneider-Düker & Kohler, 1988). Analyses
are based on a sample of N = 46 pre-service teacher students. Multilevel models and regression analyses were conducted to
test the hypotheses.
Results
Preliminary analyses showed an influence of participants' sex on participants' judgment: Female participants rated the proportion
of correct answers given by students higher than male participants, and as such, female participants also gave better grades.
However, no influence of participants' sex on ratings of laddish or non laddish students were found. In contrast to H1 participants
rated the proportion of correct answers given by female students higher than given by male students independently of students'
actual performance. Participants also had higher expectations of girls' academic future. Also, a significant interaction of
laddishness and students' sex was found: On low achievement levels girls were rated higher than boys, but boys were rated
higher than girls on high achievement levels. Teachers' judgments did not significantly differ between laddish or non laddish
students (H2). Teachers' judgments did also not significantly differ between laddish boys or laddish girls as it was postulated in
H3 when all achievement levels were tested. A stronger negative effect of the interaction of laddishness and students' sex for the
group of low achieving students was not found (H4). However, for the group of low achieving students, laddish students received
slightly better proportional judgments and better school grades than non laddish students. Additionally, teachers gave non laddish
girls higher grades than non laddish boys. Interestingly, laddish boys received better grades than laddish girls. No influence of
participants' gender identity on perceiving laddishness could be found (H5).
ID: 437
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochbegabung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Hochbegabung, Stereotypen, Disharmoniehypothese, Einstellungen von Lehramtsstudierenden, interkultureller
Vergleich
Implizite Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber Hochbegabung: eine interkulturelle
Vergleichsstudie
Svenja Matheis1, Franzis Preckel2, Leonie Kronborg3
1
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Deutschland; 2Universität Trier, Deutschland; 3Monash University, Victoria,
Australien
Befundzusammenfassung: Sowohl deutsche als auch australische Lehramtsstudierende weisen ambivalente Einstellungen
gegenüber hochbegabten SchülerInnen auf. Neben Leistungsstärke und hoher Intelligenz werden mit Hochbegabung
fälschlicherweise auch Verhaltensauffälligkeiten assoziiert.
Hochbegabte und durchschnittlich begabte SchülerInnen unterscheiden sich nicht systematisch in ihren sozialen Fähigkeiten und
nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen (Rost, 1993, 2009). Dennoch können Lehrkräfte Einstellungen und Ansichten zu
hochbegabten SchülerInnen haben, die fälschlicherweise systematische Unterschiede in der Persönlichkeit und den sozialen
Fähigkeiten beider Begabungsgruppen annehmen. Studienergebnisse dokumentieren positive, negative und ambivalente
Einstellungen von Lehrkräften gegenüber hochbegabten SchülerInnen (z.B. Lee, Cramond, & Lee, 2004; McCoach & Siegle,
2007; Needham, 2012). Die Befunde können unter der Harmonie- versus Disharmoniehypothese subsumiert werden. Die
Harmoniehypothese besagt, dass Hochbegabte neben hohen intellektuellen Fähigkeiten auch eine größere Kompetenz in
anderen Fähigkeitsbereichen besitzen. Da Intelligenz als wesentliches Charakteristikum von intellektueller Hochbegabung und
zudem als sozial erwünschtes Attribut angesehen wird, ist eine Assoziation mit anderen positiven Eigenschaften naheliegend
(Mõttus, Allik, Konstabel, Kangro, & Pullmann, 2008). Im Gegensatz dazu proklamiert die Disharmoniehypothese, dass hohe
intellektuelle Fähigkeiten mit Defiziten insbesondere im sozio-emotionalen Bereich einhergehen (Becker, 1978; Gallagher, 1990;
Neihart, 1999). Damit beschreibt die Disharmoniehypothese ein insgesamt ambivalentes Bild (positive Bewertung von
intellektuellen Fähigkeiten bei gleichzeitig negativer Bewertung sozio-emotionaler Eigenschaften). Baudson und Preckel (2013)
fanden Belege für die Disharmoniehypothese bei deutschen Lehramtsstudierenden und Lehrkräften.
In der vorliegenden Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, ob ambivalente Einstellungen gegenüber hochbegabten
SchülerInnen kulturübergreifend nachweisbar sind. In einem experimentellen between-subjects Design wurde dazu 707
deutschen und australischen Lehramtsstudierenden (nDeutschland = 375, nAustralien = 332; Alter: MDeutschland = 22.21 Jahre,
MAustralien = 21.80 Jahre) eine Vignette über eine Schülerperson präsentiert. Das Begabungsniveau (hochbegabt versus
durchschnittlich begabt) sowie das Geschlecht der in der Vignette beschriebenen Schülerperson wurden dabei experimentell
manipuliert. Anschließend schätzten die Lehramtsstudierenden die beschriebene Schülerperson auf Ratingskalen ein. Die
Bewertung der beschriebenen Schülerperson wurde mit einem 29-Item Fragebogen (Preckel, Baudson & Glock, 2014)
gemessen, welcher die Skalen intellektuelle Fähigkeiten, (Mangel an) sozio-emotionalen Fähigkeiten, und
Verhaltensauffälligkeiten enthält; zudem erfasst der Fragebogen Enthusiasmus und Selbstwirksamkeitserwartung der
Lehramtsstudierenden, die beschriebene Schülerperson zu unterrichten (Cronbach’s α: Deutschland ≥ .74 ≤ .88, Australien ≥ .63
≤ .85).
Die Datenauswertung erfolgte bisher nur zu den männlichen Vignetten (n = 388), die Daten der weiblichen Vignetten (n = 319)
werden derzeit ausgewertet. Nachdem skalare Messinvarianz der fünf Skalen über die Vignettenversionen und Kulturen bestätigt
werden konnte, zeigte eine messwiederholte ANOVA mit latenten Faktorwerten (Messwiederholung über die 5 Skalen) sowie
anschließende post-hoc Tests, dass Lehramtsstudierende innerhalb Deutschlands und in Australien hochbegabten Schülern im
Vergleich zu durchschnittlich begabten Schülern signifikant höhere intellektuelle Fähigkeiten, aber auch Verhaltensauffälligkeiten
zuschreiben. Zudem wurden innerhalb beider Kulturen signifikant geringere Selbstwirksamkeitserwartungen berichtet, einen
hochbegabten Schüler zu unterrichten. Die australischen Lehramtsstudierenden berichteten zudem signifikant weniger
Enthusiasmus, einen hochbegabten Schüler zu unterrichten. Der Vergleich der Kulturen zeigte, dass australische
Lehramtsstudierende höhere Werte im Enthusiasmus und der Selbstwirksamkeitserwartung sowie niedrigere Werte bezogen auf
einen Mangel an sozio-emotionalen Fähigkeiten bei Schülern berichten. Alle Befunde waren unabhängig vom Geschlecht der
Lehramtsstudierenden. Auf der GEBF 2016 sollen die Befunde komplettiert um die Auswertung der Daten der weiblichen
Vignetten vorgestellt werden.
Zusammenfassung: Deutsche sowie australische Lehramtsstudierende schätzen hochbegabte Schüler entsprechend der
Disharmoniehypothese ein. Beide schreiben ihnen neben hohen intellektuellen Fähigkeiten auch Verhaltensauffälligkeiten zu.
Die Befunde zeigen zudem an, dass sich deutsche Lehramtsstudierende weniger gut auf das Unterrichten von Hochbegabten
vorbereitet fühlen und es einen Bedarf an Bildungsmaßnahmen zum Thema Hochbegabung im Lehramtsstudium gibt. Auch im
Hinblick auf das Thema der Inklusion in der Schule ist dies ein relevanter Befund. Lehrpersonen sollten auf das Unterrichten von
SchülerInnen mit unterschiedlichen intellektuellen Fähigkeiten vorbereitet werden, damit sie alle Kinder gemäß ihrer tatsächlichen
Bedürfnisse fördern können.
ID: 440
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Berufliche Bildung, Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Bildungsungleichheiten, Bildungsteilhabe, Hochschulstudium, Lehramt, peer-Mentoring
Hochschulperspektiven für alle: Peer-Mentoring zur Begegnung von Bildungsungleichheiten im
Lehramtsstudium
Janika Grunau, Miriam Lotze, Sibylle Drexler
Universität Osnabrück, Deutschland
Die soziale Herkunft stellt einen entscheidenden Faktor für Bildungsteilhabe in Deutschland dar. Bis in das deutsche
Hochschulbildungssystem hinein ist eine Kumulation von Herkunftsungleichheiten zu beobachten (vgl. z. B. Becker 2011: 223).
Innerhalb der Bildungs- und Sozialforschung wird die Entstehung und Manifestierung von Bildungsungleichheit an den
Schnittstellen der Bildungsbiographie – sprich den Übergängen – verortet (vgl. Maaz 2006: 51). Diese Tatsache offenbart sich
auch beim Übergang von der Schule in die Hochschulen und Universitäten: Während 77% der Kinder aus akademischen
Elternhäusern ein Studium beginnen, sind es nur 23% der Kinder aus nicht-akademischen Familien (vgl. Middendorf et al. 2012:
11 f.). Sowohl der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung als auch die Entscheidung für ein Studium werden hierbei
maßgeblich durch die soziale Herkunft bedingt. Zudem spielt auch ein erfolgreicher Einstieg in das Studium eine wichtige
Schlüsselrolle für die weitere akademische Bildungskarriere. Möglichen Studienabbrüchen präventiv entgegenzuwirken ist daher
eine zentrale Aufgabe der Hochschulentwicklung. Das Lern- und Unterstützungsformat des „peer Mentorings“ (vgl. Ensher et al.
2001: 419 ff.) bietet hier einen Zugang, Schwellenängste und Unsicherheiten im Hinblick auf ein Studium abzubauen, individuelles
Lernen im Studium gezielt zu fördern und auf diese Weise Bildungsungleichheiten aufgrund von sozialen Herkunftseffekte zu
begegnen.
Das vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderte Projekt „Hochschulperspektiven für alle (HoPe)“
ist ein Mentoringprogramm für Studierende des Lehramtsstudiums. Es umfasst die bedarfsorientierte Unterstützung von
Studierenden in der Eingangsphase durch erfahrene Masterstudierende. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Förderung
von Studierenden niedriger und mittlerer Bildungsherkunft bzw. aus nicht-akademischen Elternhäusern, den sogenannten „First
Generation Students“ (vgl. Miethe 2014), da hier häufig Unsicherheiten und Passungsprobleme im akademischen Milieu aufgrund
der Diskrepanz zwischen dem primär erworbenen und dem akademisch geforderten Habitus auftreten (vgl. Bremer/Lange-Vester
2014: 66).
Das Mentoringprogramm wird quantitativ mithilfe einer RCT-Studie im Prä-Post-Design evaluiert. Hierbei stehen sowohl bei den
Mentorinnen und Mentoren als auch bei den Mentees Fragen nach der Wahrnehmung des eigenen Studienerfolgs, nach dem
Abbau von Unsicherheiten und Ängsten im Hinblick auf den akademischen Werdegang sowie die Akzeptanz des
Mentoringprogramms im Fokus. Die bisherigen Ergebnisse sowie die zusätzlich geführten qualitativen Interviews bestätigen die
Hypothese, dass Mentoring als studienbegleitendes Unterstützungsformat wirksam ist und zudem auf eine hohe Akzeptanz bei
den beteiligten Akteuren trifft.
Auf dem Poster werden zum einen die Struktur und die konkrete Ausgestaltung des Projektes wiedergegeben, zum anderen
wissenschaftliche Forschungsergebnisse bezüglich der Wirksamkeit und der Akzeptanz des Projekts „Hochschulperspektiven für
alle“ zur Verbesserung der Chancengleichheit am Bildungsübergang Schule – Hochschule dargestellt.
ID: 446
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: MINT, Berufsorientierung, Schulische Rahmenbedingungen, Sekundarbereich
Traumberuf Naturwissenschaftler? Der Einfluss schulischer Rahmenbedingungen auf die
Berufsorientierung im MINT-Bereich
Sarah Reinhold, Doris Holzberger, Tina Seidel
Technische Universität München, Deutschland
Theorie
International sowie auch in Deutschland ist eine immer geringere Zahl von Studienanfänger/innen im Bereich Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) (Eurydice, 2006; OECD, 2007) festzustellen. Im OECD-Durchschnitt
entscheidet sich lediglich ein Viertel aller Studienanfänger für ein Studienfach im MINT-Bereich (OECD, 2014). Doch wie ist
dieses geringe Studieninteresse zu erklären und wie kann die Berufsorientierung im MINT-Bereich gefördert werden? In den
letzten Jahren steigt das Forschungsinteresse an der Lehr-Lernsituation in den MINT-Fächern der Sekundarstufe stetig an
(BMBF, 2012), wobei eine Vielzahl an schulischen Einflussfaktoren überwiegend auf die Kompetenzentwicklung von
Schüler/innen im MINT-Bereich untersucht wird. Strukturelle schulische Rahmenbedingungen wie die sozioökonomische
Zusammensetzung der Schule, die Anzahl der Schüler oder auch das Schulklima haben sich besonders im Rahmen der
Schuleffektivitätsforschung als wichtige Faktoren für die Kompetenzentwicklung erwiesen (Adams, 2014; Hogrebe & Tate, 2010),
ebenso die materielle und personelle Ausstattung hinsichtlich des MINT-Unterrichts (Areepattamannil & Kaur, 2013). Zusätzlich
werden prozessbezogene Rahmenbedingungen der Schule untersucht, darunter die Gestaltung und Organisation des MINTUnterrichts (Areepattamannil, Freeman, & Klinger, 2011; Boaler & Staples, 2008; Caleon & Subramaniam, 2007) sowie
Zusatzangebote wie Wahlpflichtfächer, Schulprojekte oder die Teilnahme an MINT-Wettbewerben (Hampden-Thompson &
Bennett, 2013; Milford, Ross, & Anderson, 2010). Mangels eines theoretischen Rahmenmodells, welches die beschriebenen
Rahmenbedingungen zusammenfasst, werden in den bisherigen Studien lediglich einzelne Faktoren unabhängig voneinander
untersucht.
Während der Fokus der Forschung bislang vorrangig auf der kognitiven und motivationalen Kompetenzentwicklung der
Schüler/innen lag, untersuchen noch relativ wenige Forschungsprojekte die Prädiktoren der Berufsorientierung von Schüler/innen
(Areepattamannil & Kaur, 2013; Basl, 2011). Doch auch hier spielen schulische Rahmenbedingungen (z.B. Angebote der
Berufsinformation) eine zentrale Rolle für die Entscheidung für oder gegen ein Studium im MINT-Bereich (Morgan et al., 2013;
Legewie & DiPrete, 2014).
Fragestellung
Der vorliegende Beitrag widmet sich daher der Frage nach Einflussfaktoren von Karriereaspirationen. Auf der Grundlage einer
Forschungssynthese wird einerseits ein theoretisches Rahmenmodell abgeleitet, das die bislang in Forschung und Theorie
diskutierten Variablen zusammenfasst. Andererseits soll analysiert werden, ob und in welchem Umfang die bisherige Forschung
ebenfalls Zusammenhänge zwischen schulischen Rahmenbedingungen und MINT-Berufsorientierungen von Schüler/innen im
Sekundarbereich gezeigt hat.
Methoden
Die systematische Literatursuche erfolgte in den Datenbanken Web of Science und ERIC anhand von Suchbegriffen bzgl. (1)
schulischer Rahmenbedingungen (z.B. school characteristic), (2) des MINT-Fachbereichs (math, science, STEM), und (3)
Karriereaspirationen (z.B. career aspiration). Die daraus resultierenden 53 Artikel wurden anhand folgender Kriterien durch zwei
unabhängige Rater auf ihre Passung analysiert: englischsprachige Publikationen zwischen 2000 und 2015, mindestens ein
Zusammenhang zwischen schulischen Rahmenbedingungen und MINT-Karriereaspiration von Schülern in der Sekundarstufe
wird untersucht, quantitative Studien, Zeitschriftenartikel mit peer-review. Die verbleibenden 15 Artikel wurden anhand eines
Kodierschemas hinsichtlich schulischer Rahmenbedingungen auf struktureller und prozessbezogener Ebene, sowie der
Karriereaspiration von Schülern in der Sekundarstufe kodiert. Die Kodierung erfolgte wiederum durch zwei unabhängige Rater,
deren Übereinstimmung geprüft wurde.
Ergebnisse & Diskussion
Basierend auf den bisherigen Forschungsergebnissen wurde ein Modell zum Zusammenhang schulischer Rahmenbedingungen
und der MINT-Berufsorientierung von Schüler/innen abgeleitet, das sowohl Faktoren seitens der Schule sowie auch seitens der
Schüler/innen umfasst. Erstens wird die Berufsorientierung der Schüler mit Blick auf den MINT-Bereich durch strukturelle
Schulmerkmale beeinflusst, bspw. durch die sozioökonomische Zusammensetzung der Schule. Zweitens bedingt das
Berufsorientierungsangebot in der Schule, inwieweit sich die Schüler/innen über Karrieremöglichkeiten im MINT-Bereich
informiert fühlen und damit auch, ob sie sich letztendlich für einen Beruf oder ein Studium mit naturwissenschaftlich-technischem
Schwerpunkt entscheiden. Darüber hinaus spielen drittens motivational-affektive und kognitive Eigenschaften der Schüler/innen
selbst eine entscheidende Rolle. Einerseits hängt ihre Ausprägung von den schulischen Rahmenbedingungen ab, und
andererseits bedingen sie wiederum die Berufsorientierung der Schüler/innen.
Es wird diskutiert, inwieweit die Ergebnisse zur Erklärung des geringen Interesses an MINT-Studiengängen beitragen und welche
Faktoren dem positiv entgegenwirken können.
ID: 447
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: cultural diversity, teacher perceptions, school diversity practices, mixed-methods
Linking teachers’ diversity perceptions of the school context and multicultural practices in German
secondary schools
Sauro Civitillo1, Maja Schachner1, Linda Juang1, Peter Noack2, Fons van de Vijver3
1
Universität Potsdam, Deutschland; 2Universität Jena, Deutschland; 3Tilburg University, the Netherlands
In Germany, as in many other European countries, schools are becoming more culturally and linguistically diverse. This has
placed further demands upon teachers who are required to educate students with a broader array of abilities and a wider range
of backgrounds. As suggested by Horenczyk and Tatar (2012), teachers do not work in isolation, and their response to culturally
diverse students tends to reflect norms and values of the educational setting in which they work. Nevertheless, there is
considerable variation in the practices schools adopt to deal with cultural diversity (Faas, 2008; Wegmann, 2014). Cultural
diversity practices refer to actions that teachers, school staff and school leaders can take to deal with cultural diversity (Banks,
2001), such as displaying images of diverse people in the posters on classroom walls. Taking a sequential mixed-methods
approach (Hanson et al., 2005), the current study casts light on how teachers’ perceptions of the school context and cultural
diversity practices are related.
According to social psychological research on intergroup relations (Berry, 1997; Park & Judd, 2005), two diverse approaches of
dealing positively with cultural diversity have been distinguished: egalitarianism and multiculturalism. The first aims at fostering
equality and inclusion in order to reduce possible negative consequences of diversity such as perceived discrimination. The
second promotes cultural pluralism and emphasizes differences, thereby seeing diversity as a resource. These two approaches
also underlie teachers’ diversity beliefs (Hachfeld et al., 2015) and students’ perceptions of the cultural diversity climate in schools
(Schachner, Noack, van de Vijver & Eckstein, in press). Although not examined in the empirical literature, it seems likely that
teachers’ perceived school norms and values are associated with cultural diversity practices at their school.
Drawing on a data pool from a larger investigation on intergroup relations in the educational context, we focused on self-reports
from 207 (Mage = 40.8; 73% female), working in 22 multi-ethnic secondary schools (10 low vocational, 7 middle vocational, 5
high school) in south-west Germany, for the current study. Measures of teachers’ perceptions of the diversity context at school
tapped into equality and inclusion norms, cultural pluralism norms, teaching of multicultural topics in the classroom curriculum,
and headmaster commitment to valuing diversity. In addition, using methods from visual sociology (Pauwels, 2010), cultural
diversity practices of the schools in which teachers’ perceptions showed a strong endorsement of either egalitarian or multicultural
perceptions were triangulated with images (n = 9494) illustrating school interiors and classrooms materials (n = 2995, see for two
examples Figure 1 and 2), and screenshots of school website (n = 6499). Images and screenshots were coded by research
assistants and inter-agreement was calculated.
Findings of this study show that in the schools in which norms and values were perceived from teachers as highly multicultural
oriented, cultural diversity practices supporting the multicultural approach were indeed found. School practices coded as more
assimilative in their intent were instead related to perceptions of teachers who work in a more egalitarian school context. In
contrast, in the schools in which teachers perceived cultural diversity practices as both low egalitarian and multicultural oriented,
hardly any cultural practices or signs of cultural diversity were displayed. Implications for educational policy and practice as well
as applied diversity research will be discussed.
ID: 454
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung, Motivation und Emotion, Sonstiges
Stichworte: Latent-state-trait, Stabilität, Anstrengungsbereitschaft, Interesse, Gewissenhaftigkeit
Schätzung von trait-state Varianzkomponenten und Stabilitäten für Anstrengungsbereitschaft,
Individuelles Interesse und Gewissenhaftigkeit
Sven Rieger1, Richard Göllner1, Marion Spengler1, Brent W. Roberts2, Benjamin Nagengast1, Ulrich Trautwein1
1
Universität Tübingen, Deutschland; 2Universität Illinois in Urbana-Champaign, USA
Theoretischer Hintergrund & Fragestellung
In der Persönlichkeitspsychologie werden Konstrukte häufig in sogenannte core- und surface characteristics unterteilt (Asendorpf
& van Aken, 2003; Cattell, 1965). Während core characteristics als genetisch determiniert gelten und sich entsprechend früh in
der Persönlichkeit manifestieren, wird für surface characteristics postuliert, dass diese sich entweder aus den core characteristics
herauskristallisieren oder sich eher später in der Persönlichkeit zeigen. Des Weiteren werden core characteristic als
weitestgehend situationsunabhängig und als relativ stabile Merkmale über die Zeit beschrieben (z.B. die Big Five). Surface
characteristics hingegen gelten als eher situationsspezifisch und weniger stabil über die Zeit (z.B. selbstbezogene Schemata;
Kandler, Zimmermann & McAdams, 2014).
Das Klassifizierungssystem von core- und surface characteristics lässt sich ebenso auf Konstrukte der Pädagogischen
Psychologie und der Empirischen Bildungsforschung übertragen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es die Konstrukte Individuelles
Interesse und Anstrengungsbereitschaft (jeweils in den Fächern Mathematik, Englisch und Deutsch), dem Konstrukt
Gewissenhaftigkeit, hinsichtlich zweier Merkmale von core- und surface characteristic, gegenüberzustellen. Hierfür werden die
Konstrukte zunächst in eine trait- und in eine state-Komponente (Indikator für Situationsspezifität) zerlegt und daran anknüpfend
die Stabilität der trait-Komponenten geschätzt. Die konkreten Forschungsfragen sind folgende: 1) Wie viel Varianz kann den traitFaktoren und wie viel Varianz den state-Faktoren zugeordnet werden? 2) Wie stabil sind die trait-Anteile der Konstrukte über die
Zeit?
Methode
Die Daten für die vorliegende Untersuchung stammen aus der Studie „Tradition und Innovation: Entwicklungsverläufe an Hauptund Realschulen in Baden-Württemberg und Mittelschulen in Sachsen“ (TRAIN; Jonkmann, Rose, & Trautwein, 2013), welche
am Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung in Tübingen durchgeführt wurde.
Stichprobe. Für die vorliegende Untersuchung wurden Daten von vier Messzeitpunkten (MZP1 bis MZP4; Klasse 5 bis 8) aus
133 Klassen (99 Schulen) verwendet. Zum MZP1 waren Informationen von n = 2,893 (46% weiblich) Schülerinnen und Schüler,
zu MZP2 n = 2,936 (45% weiblich), zu MZP3 n = 2,990 (46% weiblich) und zu MZP4 n = 3,052 (46% weiblich) verfügbar. Es
wurden alle Informationen von Schülerinnen und Schüler verwendet, die mindestens zu einem MZP einen Fragebogen
beantwortet haben. Die Stichprobengröße des endgültigen Datensatz beträgt N = 3,870.
Instrumente. Gewissenhaftigkeit wurde anhand der deutschen Version (Lang, Lüdtke, & Asendorpf, 2001) des „Big Five“-Inventar
(BFI; John, Donahue & Kentle, 1991) erhoben. Die interne Konsistenz war zu allen vier Messzeitpunkten gut (Cronbachs Alpha`s
> .77). Vier Items dienten zur Erfassung der Anstrengungsbereitschaft in den Fächern Mathematik, Englisch und Deutsch. Die
interne Konsistenz war für alle Fächer zu allen Messzeitpunkten gut (Cronbachs Alpha’s > .79). Individuelles Interesse wurde für
die drei Schulfächer jeweils anhand drei Items erhoben. Die interne Konsistenz war für alle Fächer zu allen Messzeitpunkten
akzeptabel (Cronbachs Alpha`s > .70).
Statistische Analyse. Anhand autoregressiver Latent-State-Trait Modelle wurden sowohl die Varianzkomponenten der jeweiligen
trait- und state-Anteile separiert als auch die Stabilitätskoeffizienten der trait-Anteile geschätzt.
Ergebnisse
Für Gewissenhaftigkeit fanden sich die zu erwarteten Ergebnisse. So wurde 70.4% der Varianz der trait-Komponente und 29.6%
der state-Komponente zugeordnet. Der Stabilitätskoeffizient betrug b = 0.78. Allerdings zeigten sich auch für Individuelles
Interesse und Anstrengungsbereitschaft nicht unerhebliche trait-Anteile und Stabilitäten. Folglich wurde für Individuelles Interesse
61.1% bis 66.1% der Varianz den trait-Anteilen und 33.6% bis 38.9% den state-Anteilen zugeordnet. Die Stabilitätskoeffizienten
der trait-Faktoren variierten für die verschiedenen Fächer zwischen b = 0.80 bis b = 0.87. Für Anstrengungsbereitschaft wurden
57.8% bis 59.6% der Varianz den trait-Faktoren und 40.4%bis 42.2% der state-Komponenten zugeordnet. Die
Stabilitätskoeffizienten der trait-Faktoren variierten zwischen b = 0.80 bis b = 0.82.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass auch motivationale Konstrukte beachtliche trait-Anteile aufweisen können. Darüber hinaus
zeigen sich im Vergleich zu Gewissenhaftigkeit leicht geringere trait-Anteile, allerdings vergleichbare Stabilitäten.
ID: 462
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: Metastereotyp, Schüler/innen mit Migrationshintergrund, Kompetenz, Lesekompetenz, türkische Jugendliche
Kompetenzbezogene Metastereotypen deutscher und türkischer Jugendlicher im Vergleich
Martin Schmidt-Daffy1, Lysann Zander1, Andreas Sander2, Nele McElvany2, Bettina Hannover1
1
Freie Universität Berlin, Deutschland; 2Technische Universität Dortmund
Schülerinnen und Schüler (SuS) mit türkischer Familiensprache, eine der größten Subgruppen mit Migrationshintergrund (MH)
im deutschen Bildungssystem, gelten als besonders benachteiligt in Bildungspartizipation und Kompetenzerwerb. Defizite der
SuS mit türkischem MH werden insbesondere im Bereich sprachlicher Fähigkeiten berichtet (Stanat et al., 2010). Einer der
Faktoren, der zu einer Erklärung von Leistungsnachteilen beitragen kann, sind negative Metastereotype, also die Annahme von
Menschen, dass Menschen im Allgemeinen ein negatives Stereotyp über die Kompetenzen der jeweiligen Gruppe haben.
Negative Metastereotype können im Sinne sich selbsterfüllender Prophezeiungen wirken. Für den mathematischen Bereich
zeigen erste Studien, dass SuS unabhängig davon, ob sie selbst einen MH haben oder nicht, die Mathematikleistungen von SuS
mit ausländischen Wurzeln für geringer halten als die von deutschstämmigen SuS (Zander et al., 2014). Ähnlich fanden Martiny
et al. (2014), dass türkisch- und deutschstämmige Jugendliche gleichermaßen der Meinung waren, dass die meisten Menschen
die Mathematikkompetenz von Deutschen für höher halten als die von türkischen Migrantinnen und Migranten in Deutschland.
Bisher nicht untersucht ist, inwieweit negative Metastereotype für andere Kompetenzbereiche gelten, z.B. schulische oder
sprachliche Kompetenzen. Weiterhin interessiert die Frage, welche Gruppe ggf. ein negatives Metastereotyp über
türkischstämmige Jugendliche vermutet: Jugendliche ohne Migrationshintergrund, Jugendliche mit türkischstämmigem oder
Jugendliche anderem als türkischen Migrationshintergrund?
In einer Online-Studie mit 286 Jugendlichen (Alter M=13.8, SD=1.6; 54.3% weiblich) ohne MH (49.7%: beide Eltern mit deutscher
Erstsprache), mit türkischem MH (16.1%: ein oder beide Elternteil/e mit türkischer Erstsprache) oder einem anderen MH (34.2%:
alle anderen Konstellationen) haben wir Metastereotype über türkisch- und deutschstämmige SuS erfasst. Zwischen den
Teilnehmenden wurde variiert, ob die zu beurteilende Peergruppe (a) als deutsche oder türkische Jugendliche bezeichnet wurde
und (b) aus der Sicht deutscher oder türkischer Jugendlicher eingeschätzt werden sollte.
Die Teilnehmenden sollten angeben, wie viele deutsche bzw. türkische Jugendliche aus ihrer Sicht deutsche bzw. türkische
Jugendliche für 1) allgemein kompetent (4 Items, z.B. „Deutsche/türkische Jugendliche sind geschickt“, „…klug“, nach Cuddy et
al., 2004, Alpha=.81); 2) kompetent in der Schule (4 Items. z.B. „Deutsche/türkische Jugendliche sind gut in der Schule“, für
Fremdbeurteilung adaptierte Skala schulisches Selbstkonzept aus SESSKO, Schöne et al., 2002, Alpha=.86) und 3) sprachlich
kompetent (2 Items, z.B. „Deutschen/türkischen Jugendlichen fällt Lesen leicht“, adaptierte Skala Selbstkonzept Deutsch/Lesen,
SESSKO, Schöne et al., 2002, Alpha=.84) erachten.
Die Ergebnisse zeigten für schulische und sprachliche Kompetenzen negative Metastereotype in allen drei Gruppen: Sowohl
Jugendliche ohne MH, als auch türkischstämmige SuS und SuS mit einem anderen MH waren der Meinung, dass deutsche
Jugendliche türkische Jugendliche für weniger kompetent halten als umgekehrt türkische Jugendliche deutsche Jugendliche.
Für die allgemeine Kompetenzeinschätzung ergab sich ein anderes Muster: Während Jugendliche ohne MH und mit anderem
als türkischem MH wieder der Meinung waren, dass deutsche Jugendliche türkische Jugendliche als weniger kompetent
einschätzen als umgekehrt türkische Jugendliche deutsche Jugendliche wahrnehmen, nahmen die türkischstämmigen
Jugendlichen an, dass deutsche Jugendliche türkische Jugendliche positiver wahrnahmen als umgekehrt deutsche Jugendliche
türkische Jugendliche einschätzen. Alle Effekte blieben bestehen, wenn das Alter der Teilnehmenden kontrolliert wurde.
Zusammengefasst zeigte sich, dass Jugendliche, die selbst von negativen Metastereotypen nicht betroffen waren, negative
Metastereotypen über türkischstämmige SuS in sämtlichen Kompetenzen vermuteten. Die betroffenen türkischstämmigen SuS
hingegen stimmten zwar mit den anderen Gruppen darin überein, dass ihre eigene Gruppe in Bezug auf schulische und
sprachliche Kompetenzen negativ gesehen wird; gleichzeitig vermuteten sie jedoch bezüglich allgemeiner Kompetenzen sogar
ein positives Metastereotyp über ihre Gruppe. Zukünftige Untersuchungen müssen zeigen, ob dieser Befund als "stereotype
reactance" gewertet werden kann: möglicherweise um der von den negativen Metastereotypen ausgehenden Bedrohung
entgegenzuwirken, schrieben türkischstämmige Jugendlichen der Eigengruppe auf der übergeordneten Kompetenzdimension
sogar positivere Ausprägungen zu als der Fremdgruppe. Die Befunde werden vor dem Hintergrund aktueller Stereotype-ThreatForschung und in ihrer schulpraktischen Bedeutung diskutiert.
ID: 472
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Epistemologische Überzeugungen, Lehrerbildung, Bildungswissenschaften, Interventionsstudie, Quasi-Experiment
Epistemologische Überzeugungen von Lehramtsstudierenden zu den Bildungswissenschaften: Effekte
verschiedener Förderansätze zur Veränderung epistemologischer Überzeugungen
Julia Rueß
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Die Förderung epistemologischer Überzeugungen gilt als wichtige Aufgabe in der Lehrerbildung (Hofer, 2008; Seilfried, 2009). In
orientierender und steuernder Funktion können epistemologische Überzeugungen das unterrichtliche Handeln von Lehrpersonen
beeinflussen (Feucht, 2010; Staub & Stern, 2002) und auch Einfluss darauf nehmen, wie (primäre) Forschungsliteratur rezipiert
und bewertet wird (Mason & Boscolo, 2004; Porsch & Bromme, 2011).
Nicht immer angemessene Vorstellungen haben Lehramtsstudierende in Bezug auf die Bildungswissenschaften, mitunter auch
noch zum Ende ihres Studiums (Stark et al., 2010; Zeuch & Souvignier, 2015). Bisher fehlt es jedoch an Erkenntnissen dazu, wie
die bildungswissenschaftsbezogenen epistemologischen Überzeugungen angehender Lehrkräfte gezielt gefördert werden
können.
Obgleich vermutet wird, dass epistemologische Überzeugungen als subjektive Theorien relativ stabil sind (Groeben et al., 1988;
Schommer, 1990), deutet eine Reihe von Studien darauf, dass eine Förderung durch Interventionen möglich ist. Dabei lassen
sich drei übergeordnete Interventionstypen identifizieren:
(1) Der direkte Interventionstyp zielt auf eine explizite Thematisierung epistemologischer Überzeugungen, stimuliert etwa über
die Reflexion der eigenen epistemologischen Überzeugungen (Brownlee et al., 2011; Khishfe, 2013) oder über die kritische
Bewertung von Quellen (Kammerer et al., 2015; Tsai, 2008).
(2) Der indirekte Interventionstyp zielt auf eine implizite Auseinandersetzung mit epistemologischen Überzeugungen, die
ausgelöst wird, indem Lernende beispielsweise mit multiplen konfligierenden Texten konfrontiert werden (Ferguson et al., 2012;
Kienhues et al., 2011) oder vorgegebene Probleme eigenständig lösen (Bernack et al., 2011; Muis & Duffy, 2013).
(3) Der Kombinationstyp schließlich verbindet direkte mit indirekten Förderansätzen (Lahtinen & Pehkonen, 2012; Schwartz et
al., 2013).
Eine empirisch gestützte Antwort auf die Frage, welcher Interventionstyp besonders geeignet ist, bleibt bislang offen.
Fragestellung
Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, die Wirksamkeit der verschiedenen Interventionstypen zu prüfen und zu erklären.
Untersucht wird, welcher Typ besonders geeignet ist, um die bildungswissenschaftsbezogenen epistemologischen
Überzeugungen von Lehramtsstudierenden gezielt zu verändern.
Methode
Für jeden Interventionstyp werden zunächst theoriegeleitet Interventionen entwickelt und in einer Vorstudie erprobt. Über ein
Expertenrating (n=6) wird sichergestellt, dass die Interventionen eine geeignete Umsetzung des theoretischen Interventionstyps
darstellen.
Um die Wirksamkeit der Interventionen bewerten zu können, wird eine quasi-experimentelle Feldstudie durchgeführt. Die
Interventionen werden in je einer regulären Lehrveranstaltung eines Bachelor-Lehramtsmoduls durchgeführt, das aus ähnlich
aufgebauten Parallel-Seminaren besteht. Zu Kontrollzwecken wird eine Vergleichsgruppe aus demselben Modul hinzugezogen,
die keine Intervention erhält.
Der Zeitumfang ist für alle Interventionen auf eine Seminarsitzung von 90 Minuten festgelegt, da sich kurze Interventionen bereits
als wirksam erwiesen haben (Ferguson et al., 2013; Gill et al., 2004) und zugrundeliegende Veränderungsmechanismen gezielt
untersucht werden können (Feucht, 2010).
Die bildungswissenschaftsbezogenen epistemologischen Überzeugungen werden zu drei Messzeitpunkten erhoben: Prä-, Postund zeitverzögert ein Follow-Up-Test. Genutzt werden drei bereits vorliegende und sich ergänzende Fragebogeninstrumente
(DEBQ von Hofer, 2000; CAEB von Stahl & Bromme, 2007; Skala zur Wissensanwendung von Blömeke et al., 2008).
Da es sich bei den teilnehmenden Studierendengruppen voraussichtlich um kleine Fallzahlen handelt, werden nichtparametrische Verfahren der Datenauswertung genutzt: der Wilcoxon-Vorzeichenrangtest zur Prüfung signifikanter
Veränderungen innerhalb der einzelnen Versuchsgruppen sowie der H-Test zur Prüfung von Unterschieden zwischen den
Gruppen.
Um (nicht) beobachtete Veränderungen auch erklären zu können, sollen im Nachgang der Interventionen fokussierte Interviews
mit teilnehmenden Studierenden geführt werden. Orientiert am Veränderungsmodell von Rule & Bendixen (2010) soll dabei
untersucht werden, inwieweit sich zwischen den Interventionen unterschiedliche Veränderungsmechanismen abbilden lassen.
Ergebnisse
Die quasi-experimentelle Feldstudie wird im Wintersemester 2015-16 durchgeführt, so dass zum Zeitpunkt der Konferenz
Ergebnisse vorliegen werden. Auf Basis der Vorstudie und des Expertenratings wird erwartet, dass die direkte Intervention und
die Kombinationsintervention signifikante Effekte mittlerer Stärke aufweisen. Bei der indirekten Intervention, die von den
Expert/innen als gut konzipiert, aber weniger erfolgversprechend bewertet wird, werden nur kleine Effekte erwartet. Zudem
werden erste Ergebnisse zu den spezifischen Veränderungsmechanismen der einzelnen Interventionen berichtet.
ID: 474
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Lese- und Sprachförderung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: silbenbasiertes Lesen, Leseförderung, Grundschule
Die Silbe im Fokus: Effekte eines silbenbasierten Lesetrainings in Klasse 2
Bettina Müller1, Tobias Richter1, Gabriele Otterbein-Gutsche2
1
Universität Kassel, Deutschland; 2Technische Universität Kaiserslautern, Deutschland
Trainings zur Verbesserung der phonologischen Rekodierung (phonics instruction) gelten besonders in der Schuleingangsphase
als effektive Maßnahmen zur Förderung der visuelle Worterkennung (z.B. Ehri, Nunes, Stahl & Willows, 2001; NICHD, 2000).
Den Kern dieser Trainingsmaßnahmen bilden Aufgaben zur systematischen Festigung und Vermittlung von Graphem-PhonemKorrespondenzen und des alphabetischen Prinzips sowie das Untergliedern von Wörtern in kleinere Einheiten (Galuschka, Ise,
Krick & Schulte-Körne, 2014). Durch das wiederholte Lesen häufiger Silben und Morpheme sollen leseschwache Kinder im
Aufbau orthographischer Repräsentationen unterstützt und damit die Routinisierung der visuellen Worterkennung gefördert
werden (Ritter, 2011).
In diesem Beitrag sollen die Effekte eines silbenbasierten Lesetrainings für leseschwache Zweitklässler(innen) auf die einzelnen
Teilprozesse der visuellen Worterkennung (phonologische Rekodierung, orthographischer Vergleich und lexikalischer Zugriff)
gegenübergestellt werden. Im Fokus des Trainings stand die Silbensegmentierung von Wortmaterial, das anhand der häufigsten
Schreibsilben des kindlichen Grundwortschatzes der Altersstufe 6 bis 8 Jahre (vgl. Datenbank ChildLex, Schroeder et al., 2015)
zusammengestellt wurde.
Insgesamt 150 Kinder der zweiten Klassenstufe wurden aufgrund ihrer Ergebnisse in standardisierten Lesetests (ProDi-L, Richter
et al., 2012: Subtests zur visuellen Worterkennung; ELFE 1-6, Lenhard & Schneider, 2006: Subtest Leseverständnis) zur
Trainingsteilnahme aus einer Screeningstichprobe von 549 Kindern ausgewählt. Die Umsetzung erfolgte als experimentelles PräPost-Test-Design. Die Zuweisung zu den Trainingsbedingungen erfolgte als randomisierte Blockzuweisung auf Klassenebene:
79 Kinder wurden der Experimental-, 71 Kinder der Wartekontrollgruppe zugewiesen. Das Lesetraining umfasste 24 Sitzungen,
die jeweils zwei Mal wöchentlich in Kleingruppen von sechs Kindern von geschulten studentischen Hilfskräften durchgeführt
wurden. Nach Abschluss des Trainings erfolgte die wiederholte Testung mit den standardisierten Lesetests.
Zur Überprüfung der Trainingseffekte wurden Kovarianzanalysen mit den Post-Test-Werten der ProDi-L-Skalen als abhängige
Variablen und der Trainingsbedingung als zweistufigem Faktor (Experimental- vs. Kontrollgruppe) geschätzt. Die Prä-Test-Werte
der ProDi-L-Skalen und die kognitive Grundfertigkeit der Kinder (erfasst mittels CFT-1, Weiß & Osterland, 1997) wurden als
Kovariaten einbezogen. Für die phonologischen Rekodierung ergab sich ein signifikanter Gruppenunterschied zugunsten der
Experimentalgruppe (F (1, 114) = 7.47, p < .05, ῃ2 = .062), ebenso für die orthographischen Vergleichsprozesse (F (1,113) =
4.088, p < .05, ῃ2 = .035). Demnach gelang es Kindern, die das Lesetraining erhalten hatten, nach Abschluss der Intervention,
Wörter schneller und genauer zu erkennen als die Kinder in der Kontrollbedingung. Für den Teilprozess des Zugriffs auf
Wortbedeutungen zeigten sich jedoch keine Gruppenunterschiede (F (1,103) = .849, n.s.). Das systematische Training
sublexikalischer Verarbeitungseinheiten scheint sich demnach positiv auf die Routinisierung der Worterkennungsprozesse
ausgewirkt zu haben, jedoch ohne Transfereffekte auf die Aktivierung von Wortbedeutungen. Da gut routinisierte
Worterkennungsprozesse eine wichtige Voraussetzung für Leseverständnisprozesse darstellen (Perfetti & Hart, 2002), soll in
dem Beitrag weiterführend untersucht werden, inwieweit Effekte auf hierarchiehöhere Prozesse erzielt werden konnten.
ID: 483
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktik Deutsch
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lese- und
Sprachförderung
Stichworte: Sprache, Diagnostik, Grammatik, Deutsch als Zweitsprache, Validierung
Entwicklung und Validierung eines Instruments zur Erfassung grammatischer Fähigkeiten in der 3. und 4.
Jahrgangsstufe für Kinder deutscher und nicht-deutscher Familiensprache (INGA 3-4)
Jennifer Paetsch1, Annkathrin Darsow1, Anja Felbrich1, Petra Stanat1,2
1
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 2Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB)
Theoretischer Hintergrund:
Aus der Forschung zum Zweitspracherwerb ist bekannt, dass bestimmte grammatische Merkmale der deutschen Sprache für
Kinder nicht-deutscher Familiensprache schwierig zu erwerben sind. Aber auch Schüler deutscher Familiensprache haben nicht
selten Schwierigkeiten im Bereich der Grammatik. Um Kinder gezielt zu fördern, ist eine Diagnose derjenigen Teilbereiche
notwendig, die ihnen besondere Schwierigkeiten bereiten. Die derzeit vorliegenden Testverfahren zur Erfassung grammatischer
Kompetenzen sind aus ökonomischen und inhaltlichen Gründen für wissenschaftliche aber auch für pädagogische
Fragestellungen oft nicht sinnvoll einsetzbar (eine Übersicht findet sich z.B. bei Ehlich, 2007; Redder et al., 2011). Im Rahmen
des vom BMBF geförderten Projekts BeFo II (Vertiefende Analysen zu Bedingungen der Wirksamkeit sprachsystematischer und
fachbezogener Sprachförderung bei Grundschulkindern nicht-deutscher Familiensprache) wurde deshalb erstmals ein Test zur
Erfassung der grammatischen Kompetenzen für die Jahrgangsstufen 3 und 4 der Grundschule entwickelt, der als Gruppentest
administrierbar ist und separate Normen für Kinder deutscher und nicht-deutscher Familiensprache zur Verfügung stellt. Mit Hilfe
des standardisierten Tests sollen Lehrkräfte einzelne Kinder mit der entsprechenden Referenzpopulation vergleichen können,
um spezifische Problembereiche zu identifizieren, die in einer gezielten Förderung angesprochen werden können. Die
Entwicklung der Aufgaben erfolgte theoriegeleitet auf der Grundlage von Entwicklungsstufen bestimmter grammatikalischer
Bereiche (z.B. Appeltauer, 1997; Grießhaber, 2007). Der im Test verwendete Wortschatz orientiert sich am Standardwortschatz
für die Grundschule (Grundschulwörterbuch Deutsch, Langenscheidt).
Fragestellung:
Der Posterbeitrag geht auf Kriterien für die Entwicklung eines Instrumentes zur Messung grammatischer Kompetenzen für Kinder
deutscher und nicht-deutscher Familiensprache ein. Dabei wird insbesondere die inhaltliche Ausdifferenzierung verschiedener
grammatischer Bereiche begründet dargelegt. Des Weiteren werden Ergebnisse der Normierungs- und Validierungsstudie
dargestellt. Es werden Ergebnisse zur dimensionalen Struktur, Zusammenhänge mit anderen Testverfahren (konvergente und
divergente Validität) sowie mit äußeren Kriterien (Lehrereinschätzungen Leistungen der Kinder) berichtet.
Methode und Ergebnisse:
Bei einer im Herbst 2013 durchgeführten Pilotierungsstudie wurde der Test an 40 Grundschulen erfolgreich erprobt. Die
Normierung fand im Herbst 2014 an Grundschulen der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,
Bremen und Baden-Württemberg statt. Die Stichprobe wurde per Zufall gezogen. Um Normwerte für die Gruppe Kinder nichtdeutscher Familiensprache zu erhalten, wurde eine Schichtung der Schulen nach dem Anteil an Schülerinnen und Schüler
deutscher und nicht-deutscher Familiensprache vorgenommen. Des Weiteren verhielt sich die Stichprobenverteilung nicht
proportional zur Größe der Bundesländer, weshalb die gewünschte Verteilung eine weitere Schichtung nach Bundesland
erforderte. An der Normierung nahmen 2 753 Kindern im Alter zwischen 7;0 und 12;7 Jahren (MW = 8;10 Jahre) teil. Davon
besuchen 49.3 % die 3. Jahrgangsstufe und 28.1 % sprechen mit mindestens einem Elternteil eine andere Sprache als Deutsch.
Die Überprüfung der Validität erfolgte auf Grundlage einer Teilstichprobe. Die interne Konsistenz des gesamten Tests (60
Aufgaben) wurde getrennt nach Jahrgangsstufe und Familiensprache (deutsch/nicht-deutsch) bestimmt und liegt zwischen α =
.92 und α = .94. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Kinder deutscher und Kinder nicht-deutscher Familiensprache beider
Jahrgangsstufen signifikant in ihren grammatischen Kompetenzen unterscheiden. Kinder deutscher Familiensprache in der 3.
Jahrgangstufe lösten durchschnittlich 66.9 % (SD = 20.4) der Aufgaben währenddessen Kinder nicht-deutscher Familiensprache
44.6. % (SD = .22.7) richtig lösten (Effektstärke d= 1.07, die Effektstärke in der 4. Jahrgangsstufe liegt bei d = 0.96). Ergebnisse
der Validierungsstudie zeigen, dass die Korrelationsstruktur den theoretischen Annahmen entspricht. So korreliert der Test
einerseits mit Verfahren zur Erfassung von Wortschatzkenntnissen bzw. grammatischen Kompetenzen zwischen r = .59 und r =
.84 und andererseits mit den mathematischen Leistungen der Kinder zwischen r = .24 und r = .43. Im Rahmen des Beitrages
werden abschließend die methodische Konzeptualisierung des Tests und Implikationen für die Ausgestaltung der pädagogischen
Arbeit diskutiert.
ID: 486
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Lese- und
Sprachförderung
Stichworte: Lesekompetenzentwicklung, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis, Grundschule, Bilingualismus
Entwicklung der Lesekompetenz in der Grundschule: Unterscheiden sich die Wechselbeziehungen
zwischen Leseverständnis und -geschwindigkeit bei deutschsprachigen und bilingualen Kindern?
Anika Fäsche1, Bettina Müller2, Petra A. Arndt1, Kerstin Kipp3
1
Universität Ulm, Deutschland; 2Universität Kassel, Deutschland; 3Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
Stuttgart, Deutschland
Das Lesen stellt eine Hauptkompetenz dar, die Kinder während der Grundschulzeit erlernen (Pfost et al., 2012). Gelingende
Leseprozesse reichen vom schnellen und genauen Dekodieren von Wörtern bis hin zur Fähigkeit, den Sinn ganzer Texte zu
erfassen. Die Bedeutung dieser basalen und höheren Lesefertigkeiten nimmt über die Grundschulzeit stetig zu. Längsschnittliche
Studien zeigten, dass eine gute Lesekompetenz in der Schulzeit mit späterem höheren akademischen Erfolg zusammenhängt
(Esser et al., 2002). Umso beunruhigender sind die Ergebnisse großangelegter Vergleichsstudien (z.B. PIRLS, 2006), wonach
rund 13% der deutschen Grundschüler am Ende ihrer Grundschulzeit schwerwiegende Defizite im Lesen aufweisen (Bos et al.,
2007). Insbesondere bilinguale Kinder scheinen in ihrer Lesekompetenzentwicklung mit zusätzlichen Anforderungen konfrontiert
zu sein. Das Risiko, in der Leseleistung zurück zu liegen, ist für diese Kinder zwei bis drei mal höher als für ihre deutschsprachigen
Klassenkameraden, mit weitreichenden kumulativen Folgen für die akademische Laufbahn (Baumert & Schümer, 2001). Dies
betont die Bedeutung der Erforschung typischer Entwicklungsmuster der Lesekompetenz für Kinder mit unterschiedlichem
sprachlichen Hintergrund.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war eine Prüfung möglicher Wechselbeziehungen zwischen dem Leseverständnis und
der Lesegeschwindigkeit in der Grundschulzeit, sowie möglicher Unterschiede in diesen Beziehungen zwischen deutschen und
bilingualen Kindern. Die Daten wurden im Kontext der „Wissenschaftlichen Begleitung des „Bildungshaus 3 – 10““, gefördert mit
Mitteln des BMBF und des ESF der EU, erhoben. Es liegen Daten von Kindern aus Grundschulen vor, die in üblicher Weise mit
den Kindergärten kooperieren, sowie Daten von Kindern aus Grundschulen, die im Rahmen des baden-württembergischen
Modellprojekts „Bildungshaus 3-10“ eine Intensivkooperation mit den zugehörigen Kindergärten aufgebaut haben.
Teilnehmer waren 1221 Kinder (50% Mädchen) aus zwei Kohorten (64% Bildungshausstichprobe). Fast ein Fünftel (19%) der
Kinder sprach in der Familie kein Deutsch oder eine weitere Sprache (23% Bildungshaus-, 15% Vergleichsstichprobe). Sie
wurden in der zweiten, dritten und vierten Klasse hinsichtlich Leseverständnis (ELFE 1-6; Lenhard & Schneider, 2006) und
Lesegeschwindigkeit (WLLP-R; Schneider et al., 2011) untersucht. Soziodemografische Angaben wurden per Fragebogen durch
die Mütter erfasst. Die Analysen kontrollierten neben Alter, Geschlecht, Intelligenz, Bildungshauserfahrung und
Kohortenzugehörigkeit des Kindes auch für das Bildungsniveau der Mutter, das Einkommen der Familie und für die Nestung der
Daten.
Erste Ergebnisse latenter Cross-lagged Analysen im Multigruppendesign zeigten für die autoregressiven Modellpfade, dass
sowohl für deutschsprachige als auch bilinguale Kinder das Leseverständnis in Klasse 3 (Bdeut = .89, p < .001, Bbiling = .72, p
< .001) und Klasse 4 (Bdeut = .83, p < .001, Bbiling = .91, p < .001) jeweils durch das Leseverständnis des Vorjahres positiv
vorhergesagt wurde. Ebenso wurde die Lesegeschwindigkeit in Klasse 3 (Bdeut = .43, p < .01, Bbiling = .51, p < .001), nicht aber
Klasse 4, in beiden Gruppen positiv durch die Leistung im Vorjahr vorhergesagt. Unterschiede zeigten sich in den cross-lagged
Modellpfaden. Für deutschsprachige Kinder wurde sowohl die Lesegeschwindigkeit in Klasse 3 (Bdeut= .32, p < .001) als auch
Klasse 4 (Bdeut = .78, p < .001) positiv durch das Leseverständnis des Vorjahres vorhergesagt. Signifikante Zusammenhänge
zeigten sich hingegen nicht zwischen dem Leseverständnis in Klasse 3 und 4 und der Lesegeschwindigkeit des Vorjahres. Für
bilinguale Kinder wurde die Lesegeschwindigkeit in Klasse 4 (Bbiling = .79, p < .05), nicht aber Klasse 3, durch das
Leseverständnis des Vorjahres vorhergesagt. Demgegenüber zeigte sich ein negativer Zusammenhang zwischen dem
Leseverständnis in Klasse 4 (Bbiling = -.17, p < .001), nicht aber Klasse 3, mit der Lesegeschwindigkeit des Vorjahres.
Die vorliegende Arbeit betont differenzielle Entwicklungsmuster in der Lesekompetenz für Grundschulkinder mit
unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund. Weitere Ergebnisse zu Moderatoreffekte durch die Bildungshauserfahrung werden
vorgestellt. Hieraus wird abgeleitet, inwiefern jahrgangs- und institutionsübergreifende Lern- und Spielangebote vor und nach
dem Eintritt in die Schule Kinder in ihrer Lesekompetenzentwicklung zusätzlich unterstützen können.
ID: 491
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Trainings- und Evaluationsforschung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Eltern-Kind-Interaktion, Scaffolding, Co-Regulation, Problemlösen
Der Einfluss der elterlichen Co-Regulation auf das Problemlöseverhalten von Kleinkindern
Silke Hertel, Kim Angeles Gärtner
Universität Heidelberg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Selbstregulationsfähigkeiten stellen eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und Problemlösen dar (Zelazo, Carter,
Reznick & Frye, 1997). Sie entwickeln sich bereits in der frühen Kindheit, wobei die Interaktion mit der Umwelt – insbesondere
der Eltern – einen hohen Stellenwert einnimmt (Fay-Stammbach et al., 2014). Durch co-regulierendes Verhalten können Eltern
ihr Kind dabei unterstützen, Selbstregulationsfähigkeiten zu erwerben. Die elterliche Co-Regulation kann sowohl emotionalmotivationale Aspekte als auch kognitive Prozesse adressieren. Für die Beschreibung elterlicher Co-Regulation im kognitiven
Bereich kann der Begriff „Scaffolding“ (Wood, Bruner & Ross, 1976) herangezogen werden. Scaffolding ist gekennzeichnet durch
die kontinuierliche Anpassung und das Ausblenden der Unterstützung, sowie das Übertragen von Verantwortung (van de Pol,
Volman & Beishuizen, 2010). Für die Unterstützung können unterschiedliche Strategien herangezogen werden, z.B.
Aufmerksamkeit lenken, Fragen stellen, Hinweise geben, Erklären, Transfer anregen (van de Pol et al., 2010). Scaffolding wurde
bislang insbesondere in schulischen Lehr-Lernsituationen untersucht (z.B. van de Pol et al., 2010). In diesem Beitrag wird das
Konzept auf den Bereich der frühen Bildung und Eltern-Kind-Interaktion übertragen.
Fragestellungen
1. Welchen Einfluss hat das elterliche Scaffolding-Verhalten auf den Erfolg von Kleinkindern bei der Bearbeitung von
Problemlöseaufgaben?
2. Können elterliche Scaffolding-Strategien im Rahmen eines Elterntrainings effektiv vermittelt werden?
Methode
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden Daten von 47 Eltern-Kind-Dyaden (Alter der Kinder: 18-36 Monate) im Rahmen
einer experimentellen Interventionsstudie erhoben. Die Zuteilung zu einer von drei Gruppen erfolgte randomisiert: 1) ScaffoldingTraining, 2) Scaffolding- und Feinfühligkeits-Training, und 3) Warte-Kontrollgruppe. Das elterliche Scaffolding-Verhalten wurde
vor und nach den Trainings anhand von Fragebögen und Videoaufnahmen von Eltern-Kind-Interaktionen während zwei
Problemlöseaufgaben (mittlere und hohe Schwierigkeit) erfasst und mittels eines eigens entwickelten Ratingsystems (highinference) analysiert. Der Fokus lag auf den Dimensionen Passung der Unterstützung, Verantwortungsübertragung, Lenkung der
Aufmerksamkeit und Nutzung von Scaffolding-Strategien. Die Leistung der Kinder in den Problemlöseaufgaben (PL) wurde auf
einer dreistufigen Skala erfasst (erfolgreich gelöst, teilweise gelöst oder nicht gelöst), für die weiteren statistischen Analysen
jedoch dichotom betrachtet (mittlere PL: erfolgreich vs. teilweise/nicht gelöst; schwierige PL: nicht gelöst vs. teilweise/erfolgreich
gelöst). Der kognitive Entwicklungsstand der Kinder wurde mit den Bayley Scales II erfasst.
Ergebnisse
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurden, basierend auf Daten des Prätests, sequentielle logistische Regressionen
in PASW 22 gerechnet. Die Leistung der Kinder in den Problemlöseaufgaben stellte jeweils die abhängige Variable dar. Im ersten
Schritt wurden das Alter und die kognitive Entwicklung (KE) der Kinder als Prädiktoren aufgenommen. Der zweite Schritt
beinhaltete die Variablen des elterlichen Scaffolding-Verhaltens. Für die mittlere Problemlöseaufgabe ergab sich eine gute
Modellgüte unter Einbezug des Alters und der KE der Kinder, χ²(2)=9.62, p<.01, Nagelkerkes R²=.27. Durch Hinzunahme der
Scaffolding-Variablen verbesserte sich die Modellpassung signifikant, χ²(6)=18.48, p<.01, Nagelkerkes R²=.65. Ein
vergleichbares Bild zeichnet sich für die schwierige Problemlöseaufgabe ab. Insbesondere die Dimension Lenkung der
Aufmerksamkeit stellt einen bedeutsamen Prädiktor in der mittleren Problemlöseaufgabe dar (b=3.92, p<.01), nicht aber in der
schwierigen (b=1.70, p<.10).
Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurden MANCOVAs gerechnet, wobei für die Daten des Prä-Tests kontrolliert
wurde. Es zeigten sich signifikante Trainingseffekte hinsichtlich der elterlichen Überzeugungen, F(2,35)=3.32, p<.05, und des
Wissens über Scaffolding, F(2,35)=3.51, p<.05 (Fragebogendaten) sowie der Nutzung von Scaffolding-Strategien, F(1,26)=7.31,
p<.05 (Videobeobachtung). Eltern der Experimentalgruppen wiesen im Post-Test höhere Werte auf als Eltern der WarteKontrollgruppe.
Diskussion
Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutung elterlicher Co-Regulation beim Bearbeiten von Problemlöseaufgaben sowie die
Wirksamkeit von Elterntrainings zur Vermittlung von Scaffolding-Strategien hin.
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist die kleine, selektive und homogene Stichprobe zu berücksichtigen. Die Auswertungen
der Eltern-Kind-Interaktionen basieren auf einem high-inference Rating. Weitere Analysen mit Hilfe eines low-inference Ratings
könnten zusätzliche Einblicke in die zugrunde liegenden Prozesse liefern. Zukünftig sollen die Forschungsarbeiten auf die
Risikogruppe frühgeborener Kinder und ihrer Eltern ausgeweitet werden.
ID: 506
Poster
Disziplinen-Cluster: Didaktik Fremdsprachen
Thematisches Cluster: Fremdsprachenunterricht
Stichworte: Mehrsprachigkeit, Fremdsprachenunterricht, Situation, Videostudie, Konversationsanalyse
Mehrsprachigkeit im schulischen Drittsprachenunterricht: Eine videobasierte Analyse
Miroslav Janik, Tomas Janik, Eva Minarikova
Masaryk Universität, Tschechische Republik
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Problematik, wie im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache mit der Tatsache
umgegangen wird, dass im schulischen Kontext in der Tschechischen Republik Deutsch nach Englisch gelernt wird.
Theoretisch wird dieser Beitrag durch die Konzeption der Mehrsprachigkeit gerahmt. Für unsere Auffassung von
Mehrsprachigkeit ist die Annahme grundlegend, dass sich Mehrsprachigkeit als die Fähigkeit verstehen lässt, drei oder mehrere
Sprachen auf unterschiedlichen Niveaus und mit unterschiedlichem Grad an Flüssigkeit zu verwenden (de Angelis, 2007, S. 8).
Dementsprechend wird Mehrsprachigkeit als mehrsprachige Kompetenz charakterisiert, die nicht einfach die einsprachigen
Kompetenzen addiert, sondern diese kombiniert und vielfältig vernetzt. In unserem Beitrag betrachten wir die Sprachen nicht als
voneinander getrennte Elemente, sondern als kommunikative „Ressourcen“ (Lüdi & Py, 2009).
In Anlehnung an Hufeisen (2003, S. 97) gehen wir davon aus, dass die erworbenen oder zu erwerbenden Lerner/innensprachen
einander in unterschiedlicher Weise beeinflussen bzw. miteinander interagieren und somit in diesem Zusammenspiel die
Gesamtheit der Sprachen eines lernenden Individuums ausmachen. Wir nehmen an, dass dieses Phänomen in Interaktionen
zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen im Fremdsprachenunterricht sichtbar ist.
Das Ziel unseres Beitrages ist es, jene Situationen im L3-Unterricht zu beschreiben, die einen sichtbaren Einfluss der L2
aufweisen. Als Hauptforschungsfrage galt folgende: „Wie lassen sich die Situationen im realen Deutsch als L3- Unterricht
beschreiben, die einen Einfluss des Englischen als L2 aufweisen?“ Die Forschungsfragen, die gestellt wurden, sollten Aufschluss
darüber geben: (1) wie die Situationen organisiert werden und welche typischen Organisationssequenzen sich in den Situationen
identifizieren lassen? (2) Wie und von wem die Situationen initiiert werden? (3) Welche Sprachmittel in den jeweiligen Situationen
ausgebaut werden? Im Rahmen der Diskussion wird auf die Frage eingegangen, wie die Situationen zur Förderung der
Mehrsprachigkeit ausgenutzt werden.
Als Datenquelle für unsere Studie wurde eine Videostudie gewählt, die im Rahmen des gesamten Projektes IRSE Videostudien
(z.B. Janík et al., 2006) durchgeführt wurde. Die Stichprobe für die Videostudie des Faches Deutsch als Fremdsprache umfasste
8 Schulen, 8 Lehrkräfte und die Datenbasis bilden insgesamt 28 Unterrichtsstunden.
Zuerst wurden die Videoaufnahmen transkribiert. Dann haben wir jene Situationen identifiziert, die einen sichtbaren Einfluss der
L2 aufweisen. Als Situation verstehen wir Interaktionen bzw. Interaktionsketten, die eine thematisch abgegrenzte Einheit bildet.
Die Identifizierung dieser Situationen erfolgte durch trainierte Videorater/innen nach einer Überprüfung der
Beobachter/innenübereinstimmung (Cohens Kappa: 0,71).
Als Methode zur Analyse der identifizierten Situationen wurde die Konversationsanalyse eingesetzt (Silverman, 1998;
Deppermann, 2001). Da es sich in unserer Studie um einen unterrichtlichen Kontext handelt, müssen einerseits einige Spezifika
der Konversation in der Schulklasse berücksichtigt werden (z.B. Seedhouse, 2004), andererseits sollte auch nicht vergessen
werden, dass es sich um eine Art mehrsprachiger Konversation handelt (z.B. Gumperz, 1970).
Die vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Englische oft als Reaktion auf eine Lehrer/innenfrage vorkommt und
dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um eine kommunikative Strategie handelt. Der/ die Lehrer/in reagiert am häufigsten mit
Hilfe einer Korrektur (repair) in zwei Formen: entweder sagt er/sie selbst die erwartete (preferred) deutsche Variante, oder weist
er/sie darauf hin, dass der Schüler/die Schülerin eine andere Sprache eingesetzt hat. Diese Andeutung verläuft fast
ausschließlich auf Tschechisch (L1). Weiters hat sich gezeigt, dass die Situationen öfter von den Schüler/innen initiiert werden
als von den Lehrkräften und dass vor allem Wortschatz und Aussprache als Sprachmittel in den untersuchten Situationen
gefördert werden.
Anhand der Ergebnisse bietet sich eine Möglichkeit, sowohl für die fachdidaktische Forschung als auch für die Praxis zu
überlegen, wie die Mehrsprachigkeit der Schüler/innen ausgenutzt werden kann und wie der Fremdsprachenunterricht des
Deutschen nach Englisch effektiver gestaltet werden kann.
ID: 507
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Lese- und Sprachförderung, Vorschulische Bildung
Stichworte: Lesekompetenz, häusliche Lernumwelt, erwartungswidriger Bildungserfolg, Kindergarten, NEPS
Erfolg versprechende Lesevorläuferfähigkeiten wider soziale Umstände – welche Rolle spielt die
häusliche Lernumgebung?
Jennifer Lambrecht, Helvi Koch, Guido Nottbusch, Nadine Spörer
Universität Potsdam, Deutschland
Lesen gilt als Grundlage für lebenslanges Lernen und als Schlüsselkompetenz in der Wissensgesellschaft (Hohn et al., 2013).
Zwar kann aus internationalen Vergleichsstudien geschlossen werden, dass sich die Lesekompetenz der Schulkinder in
Deutschland verbessert hat und dass sich die Chancenungleichheit im Bildungssystem verringert, jedoch besteht nach wie vor
eine Kopplung zwischen Herkunft und Lesekompetenz bei 15-jährigen Schulkindern (Ehmke, Klieme & Stanat, 2013; OECD,
2013). Diese Kopplung, also die Wirkmächtigkeit sozialer Disparitäten, konnte auch für Grundschulkinder gezeigt werden: Kinder
mit Migrationshintergrund, Kinder nicht-deutscher Herkunftssprache sowie Kinder aus einkommensschwachen und
bildungsbenachteiligten Elternhäusern verfügen über weniger personale Ressourcen und schneiden in Lesekompetenztests
weniger gut ab als Kinder, die nicht zu diesen Gruppen gehören (Merkens, 2012; Tarelli et al., 2012).
Bereits im Kindergarten lassen sich soziale Disparitäten in den für das Lesen notwendigen Vorläuferfähigkeiten wie Wortschatz,
Grammatik und phonologische Bewusstheit finden (Weinert, Ebert & Dubowny, 2010; Weinert & Ebert, 2013). Aufgrund dieser
früh feststellbaren Disparitäten ist davon auszugehen, dass die häusliche Lernumwelt bei dem Erwerb der Vorläuferfähigkeiten
eine wichtige Rolle spielt. Internationale sowie nationale Befunde bestätigen dies (Melhuish et al., 2008, Siraj-Blatchford 2010;
Lehrl et al., 2012; Weinert & Ebert, 2013), wobei Uneinheitlichkeit dahingehend besteht, dass international die Bedeutung der
häuslichen Lernumwelt größer zu sein scheint als dies in nationalen Studien gezeigt werden konnte. So konstatieren Weinert
und Ebert (2013) eher kleine Effekte der häuslichen Lernumwelt. Melhuish et al. (2008) analysierten Einflussfaktoren auf
erwartungswidrigen Bildungserfolg, den 16% der Kinder in Risikogruppen aufwiesen. Sie fanden einen bedeutenden Einfluss der
häuslichen Lernumwelt. Mögliche Ursachen können Unterschiede in der Operationalisierung sowie im methodischen Vorgehen
sein.
Die vorliegende Studie hat im Anschluss an diese Ergebnisse zum Ziel, zu analysieren, (1) in welchem Ausmaß
Kindergartenkinder aus Risikogruppen in Deutschland erwartungswidrig hohe Vorläuferfähigkeiten im Lesen aufweisen und (2)
ob sich die häuslichen Lernumwelten von diesen Kindern von Kindern, die erwartungskonforme Kompetenzen mitbringen,
unterscheiden. Es wird erwartet, dass Kinder aus Risikogruppen, die erwartungswidrig hohe Kompetenzen haben, in einer
günstigeren Lernumwelt aufwachsen, als Kinder, die erwartungskonforme Kompetenzen mitbringen.
Die Datengrundlage zur Prüfung dieser Hypothese bildet die Startkohorte 2 des nationalen Bildungspanels (Blossfeld et al.,
2011). Die Analysen beruhen auf N = 2800 vierjährigen Kindergartenkindern, deren Vorläuferfähigkeiten querschnittlich mittels
des standardisierten Wortschatztests PPVT-R (Roßbach et al., 2005) und der gekürzten Version des Grammatikverständnistests
TROG-D (Fox, 2006) erhoben wurden. Die Eltern wurden mittels standardisierten Fragebögen sowie Telefoninterviews bezüglich
familiärer Hintergrundmerkmale (Geburtsland, Haushaltseinkommen, sozialer Status, Bildung) und der häuslichen Lernumwelt
befragt. Aus den Angaben zu familiären Hintergrundmerkmalen wurden der ISEI-08 (Ganzeboom et al., 1992; Ganzeboom, 2010)
als Indikator für den sozialen Status und die Bildungsklassifikation CASMIN (Lüttiger & König, 1988; Lechert, Schroedter &
Lüttinger, 2006) als Indikator für den Bildungsstand gebildet. Der Migrationshintergrund wurde über das Herkunftsland des Kindes
und seiner Eltern berechnet, die Herkunftssprache wurde über die Interaktionssprache im Haushalt operationalisiert.
Anschließend wurden Risikogruppen identifiziert (niedriger ISEI, niedriger CASMIN, Migrationshintergrund und nicht-deutsche
Herkunftssprache). Erste Analysen zeigen, dass N = 475 Kindergartenkinder zu mindestens einer Risikogruppe gehören, wobei
87% dieser Kinder mehreren Gruppen angehören.
Aus den Angaben der Eltern zu häuslichen Aktivitäten mit ihrem Kind (z. B. Häufigkeit des Vorlesens) wurde in Anlehnung an
Melhuish et al. (2008) aus sieben Variablen ein Index zur Ausprägung der häuslichen Lernumwelt gebildet. Zur
Operationalisierung erwartungswidrig hoher Kompetenzen wurden Regressionen von den Indizes zu familiären
Hintergrundmerkmalen und Individualfaktoren des Kindes (z. B. Geschlecht) auf die Vorläuferfähigkeiten im Lesen gerechnet.
Mittels standardisierter Residuen auf Individualebene wurden Kinder identifiziert, die erwartungswidrig hohe Werte (eine
Standardabweichung über dem Mittelwert) in Wortschatz und Grammatik aufwiesen (Melhuish et al., 2008). Differentielle
Analysen zu den Lernumwelten von Kindern aus Risikogruppen und dem Zusammenhang zu Vorläuferfähigkeiten im Lesen
erfolgen mittels logistischer Regression. Diese Analysen werden derzeit durchgeführt.
ID: 508
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Inklusion
Stichworte: Transition to secondary school, Turkish German, school engagement, narrative interviews
Making it to the Top – Narratives of Secondary School Experience among Young Adults in Germany of
German and Turkish Heritage
Ursula Moffitt, Linda Juang
Universität Potsdam, Deutschland
While ostensibly a meritocracy, the three-tiered school system in Germany strengthens divisions along cultural and class-based
lines (Gomolla, 2012). Research has shown that a disproportionate number of children with migration background are sent to the
lower track schools (Scherr, Janz, & Müller, 2015), thereby reinforcing negative stereotypes (Zander, Webster, & Hannover,
2014), and perpetuating systemic inequalities. Children of Turkish heritage, who represent the largest ethnic minority group in
Germany, tend to have the lowest overall academic achievement (von Below, 2007), while also reporting high levels of
discrimination (Foroutan et al., 2014). Yet, the narrowing performance gap between children with and without migration
background over the past decade (OECD, 2013) indicates a potential shift in a positive direction. So what are the factors that
promote school success among those who attend Gymnasium, and which factors get them there in the first place? Do the
experiences of Gymnasium attending Germans without migration background differ from those of Turkish heritage? Using semistructured, narrative based interviews, the present study aimed to address these questions.
Participants included young adults (N = 20; Mage = 25; 50% female), all born and raised in Germany, 10 of Turkish heritage, 10
of German heritage. Questions focused on parental support, teacher and peer relationships, school engagement, and whether
and to what extent cultural diversity was addressed in the classroom. As young adulthood represents a period of heightened
identity exploration (Arnett, 2015), participants were able to critically reflect on meaning-making experiences encountered during
secondary school. Data were analyzed first using an adapted listening guide method (Rogers & Way, 2015), which allows for
detailed engagement with interview text in context, then using thematic analysis (Braun & Clarke, 2006) in MAXQDA 12. Clear
trends emerged, including parental intervention overriding teachers’ recommendations of lower track schools among the majority
of Turkish heritage participants, often despite positive school performance. No German heritage participants faced such an
experience. All participants reported a steep decline in the number of students with migration background (both in general and in
students with Turkish heritage specifically) between primary and secondary schools. This shift to a more homogenous cultural
context was challenging for certain Turkish heritage participants who faced regular ethnic discrimination and were made
continually aware of their minority status. Although no participants of Turkish heritage reported much discussion of cultural
diversity at school, those who encountered ethnic discrimination emphasized this lack as a significant problem. Participants of
both German and Turkish heritage stated that when diversity was discussed, it was generally in a comparative European or global
context, thereby underscoring the idea of Germany as a monocultural country. No participants reported ever having discussed
Germany as a country of immigration.
These key findings highlighted the stark discrimination that occurs both in the transition to Gymnasium and during school itself,
including in the form of omission of intercultural education and recognition of German as a multicultural country. Those Turkish
heritage participants who faced the most discrimination cited their parents and Turkish heritage friends as key sources of support
in making it through Gymnasium. While such support is positive, had these students not faced consistent discrimination, their
academic success may not have necessitated such struggle. These results thereby underscore the need for great change in the
secondary school environment to promote equity, intercultural understanding, and a level playing field for all students. As
Germany continues to become more culturally diverse, results such as these highlight deep inequalities, while also offering key
insight into points for positive change in the future.
Word count: 580
ID: 529
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Motivation und Emotion
Stichworte: Langeweile im Unterricht, Berufswahlintentionen, Erwartungs-x-Wert-Modell
Schulische Langeweile und Berufswahlintentionen: Mehr als nur Über- oder Unterforderung?
Maike Krannich1, Thomas Götz1,2, Madeleine Bieg1
1
Universität Konstanz, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Thurgau, Schweiz
Berufswahlintentionen können als höchst relevante Outcome-Variablen im Kontext von Schule erachtet werden – derzeit
insbesondere bezüglich der MINT-Fächer und des dort vorherrschenden Mangels an Nachwuchsfachkräften. Das Erwartungs-xWert Modell von Eccles und Kollegen (1983) stellt ein etabliertes Modell dar, welches die komplexen Einflussfaktoren auf
Berufswahlintentionen beschreibt. Im schulischen Kontext können sowohl fachspezifische Über- als auch Unterforderung die
Erfolgserwartung beeinflussen und damit als Erwartungskomponenten betrachtet werden. Langeweile als negative Emotion kann
aufgrund ihrer Auftretenshäufigkeit (z.B. Nett, Götz & Hall, 2011) als wichtige Wertkomponente angesehen werden. Die
Auswirkungen von Über- und Unterforderung als auch Langeweile in der Schule sind insofern komplex, da Über- und
Unterforderung wiederum wichtige Antezedenzien der Langeweile darstellen (z.B. Acee et al., 2010; Lohrmann, 2008). Die
vorliegende Studie untersucht das komplexe Zusammenspiel dieser Variablen im Hinblick auf Berufswahlintentionen.
Überforderung im Unterricht entsteht, wenn Schülerinnen und Schüler die Kontrolle über die Situation aufgrund zu schwieriger
Aufgaben als gering erleben; Unterforderung wiederum entsteht, wenn das Kontrollerleben als zu hoch empfunden wird (z.B.
Pekrun et al., 2010). Es kann davon ausgegangen werden, dass Überforderung mit geringerer Erfolgserwartung und damit auch
verringerten Berufswahlintentionen – hinsichtlich dem jeweiligen Schulfach verwandten Berufen – einhergeht (Hypothese 1a); für
Unterforderung werden hingegen aufgrund der mit ihr einhergehenden hohen Erfolgserwartungen positive Effekte auf
Berufswahlintentionen vermutet (Hypothese 1b). Langeweile in der Schule resultiert primär aus einer fehlenden Passung
zwischen der individuellen Fähigkeit und der erlebten Herausforderung (Daschmann, Goetz & Stupnisky, 2011; Mikulas &
Vodanovich, 1993) und sollte daher sowohl bei Über- als auch Unterforderung entstehen (Hypothese 2). Es wird darüber hinaus
erwartet, dass Langeweile als negative Wertkomponente (Pekrun, 2000) negativ mit fachverwandten Berufswahlintentionen
zusammenhängt (Hypothese 3). Während die Wirkung von Überforderung auf Berufswahlintention sowohl direkt, als auch
vermittelt über Langeweile negativ sein sollte (siehe Hypothese 1a und 2), ist die Gesamtwirkung von Unterforderung auf die
Berufswahlintention als komplex anzunehmen: der direkte Effekt sollte hier positiv sein, der über Langeweile vermittelte Effekt
hingegen negativ (siehe Hypothese 1b und 2).
Zur Hypothesenprüfung wurde eine Studie mit N = 662 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 (_M_Alter = 17.69, 54%
weiblich) aus acht Gymnasien der deutschsprachigen Schweiz durchgeführt. Fachspezifisches Langeweileerleben (TraitLangeweile), wahrgenommene Über- bzw. Unterforderung und Berufswahlintentionen wurden mittels Fragebogen jeweils in den
Fächern Deutsch, Mathematik und Französisch erhoben. Die Effekte von Über- bzw. Unterforderung auf Berufswahlintentionen
und Langeweile, als auch von Langeweile auf Berufswahlintentionen wurden in M_plus_ 7.1 (Muthén & Muthén, 2012) mit Hilfe
latenter Strukturgleichungsmodelle unter Berücksichtigung der geschachtelten Datenstruktur (Schüler in Klassen) getestet.
Über alle drei Fächer hinweg ließen sich negative direkte Effekte von Überforderung und positive Effekte von Unterforderung auf
Berufswahlintentionen nachweisen. Weiterhin zeigten sich positive Effekte sowohl von Über- als auch Unterforderung auf
Langeweile. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit bisherigen Forschungsarbeiten, die suboptimale Passung zwischen Umweltund Personenmerkmalen als Antezedenzien von Langeweile identifizierten (z.B. Csikszentmihalyi, 1975). Weiterhin konnten
negative Effekte von Langeweile auf die Berufswahlintentionen der Schülerinnen und Schüler gezeigt werden. Neben dem
direkten Effekt von Über- bzw. Unterforderung blieb darüber hinaus auch ein indirekter Effekt über Langeweile auf die
Berufswahlintentionen bestehen. Dieser indirekte Effekt war wie erwartet sowohl im Falle von Über- als auch Unterforderung
negativ.
Die Ergebnisse der Studie zeigen sowohl einen Einfluss von Über- bzw. Unterforderung auf Berufswahlintentionen und darüber
hinaus, dass schulische Langeweile ebenfalls mit Berufswahlintentionen zusammenhängt. Interessant ist hierbei insbesondere
der komplementäre Einfluss von Unterforderung und Langeweile auf Berufswahlintentionen, welcher in weiteren
Forschungsarbeiten näher betrachtet werden sollte. Die vorliegende Befundlage liefert ein Indiz dafür, dass im Unterricht erlebte
Langeweile auch bei unterforderten Schülern in der schulischen Praxis nicht unterschätzt werden sollte.
ID: 534
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Grundschulbildung
Stichworte: Jahrgangsübergreifendes Lernen, Flexible Schulanfangsphase, Implementation
Implementation des jahrgangsübergreifenden Lernens in der Berliner Schulanfangsphase: eine
längsschnittliche Betrachtung verschiedener Indikatoren
Anna-Maria Gelke1, Martin Brunner1,2, Katharina Thoren1
1
Freie Universität Berlin, Deutschland; 2Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ)
Das jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) ist seit der Neugestaltung des Schulanfangs eine an Berliner Schulen vorzufindende
Methode zur Schulorganisation und Unterrichtsgestaltung. Zunächst an wenigen Modellschulen seit 1992 genutzt, wurde es mit
der Einführung der flexiblen Schulanfangsphase zum Schuljahr 2005/2006 zu einer Innovation, die flächendeckend Verbreitung
finden sollte. Zwischen den Schuljahren 2008/2009 und 2010/2011 lag sogar eine Verpflichtung zu einer
jahrgangsübergreifenden Organisation der ersten beiden Jahrgänge vor. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, wie die
Berliner Grundschulen die Implementation von JüL vornahmen. Die Bewertung des Implementationserfolgs sowie mögliche
Implementationstypen von Schulen können als Grundlage für weitere Forschungsfragen dienen. Anhand dessen könnte eine
Evaluation der Wirkung von JüL erfolgen. Bislang gibt es keine Untersuchungen zur Frage, wie JüL tatsächlich an Berliner
Grundschulen implementiert wurde. Zur Beantwortung dieser Frage werden in der vorliegenden Studie, die im Rahmen einer
Masterarbeit erstellt wurde, längsschnittliche Analysen anhand mehrerer Indikatoren durchgeführt.
Auf Grundlage von Längsschnittsdaten der Berliner Schulstatistik wurde die Klassenorganisation der Schulanfangsphase in den
Schuljahren 2006/2007 bis 2014/2015 an allen öffentlichen Berliner Grundschulen (N=279, insgesamt mit durchschnittlich 1.676
Klassen pro Schuljahr) untersucht. Das Hauptaugenmerk lag hierbei darauf, ob die Klassen der ersten beiden Jahrgangsstufen
jeweils jahrgangsbezogen oder -übergreifend organisiert wurden. Insbesondere wurde untersucht, (a) wie lange eine Schule
überhaupt JüL-Klassen anbot bzw. (b) welcher Anteil der Klassen an einer Schule als JüL-Klassen organisiert wurde. Auf Basis
dieser Ergebnisse wurde (c) eine Typisierung der Schulen bzw. ihrer Implementation vorgenommen.
Die Ergebnisse zeigen, dass das jahrgangsübergreifende Lernen in der Schulanfangsphase eine hohe Verbreitung erfuhr. Die
Implementationen von JüL erfolgte jedoch an den Schulen hinsichtlich der Dauer als auch hinsichtlich des Anteils von JüLKlassen an der Gesamtklassenzahl verschieden. Im Schuljahr 2006/2007 wiesen erst wenige Schulen (9,7%)
jahrgangsgemischte Klassen auf. In den folgenden Schuljahren stieg der Anteil von Schulen mit JüL-Klassen stark an –
insbesondere aufgrund der Verpflichtung zur jahrgangsübergreifenden Organisation der Schulanfangsphase. Seit dem Schuljahr
2012/2013 sank die Anzahl der Schulen mit JüL-Klassen (50,5%) jedoch wieder.
In dem Zeitraum von 2006/2007 bis 2014/2015 nutzten insgesamt nur 2,2% der Schulen keine Jahrgangsmischung. 48,8% der
Schulen boten JüL-Klassen lediglich für eine bestimmte Dauer an, ein Großteil dieser Schulen ausschließlich während der
vierjährigen Verpflichtung. 49,5% der Schulen hingegen gestalteten ihren Unterricht – nachdem sie JüL einführten – weiterhin
jahrgansgemischt. Der Anteil der JüL-Klassen einer Schule war überwiegend sehr hoch. 95% der Schulen nutzten JüL für nahezu
die gesamte Klassenanzahl.
Durch die Typisierung der Schulen wurden fünf Gruppen gebildet, die sich hinsichtlich der Dauer der Implementation sowie des
Anteils der JüL-Klassen unterscheiden. Vorwiegend liegen Schulen vor, die JüL für eine lange Dauer sowie für einen hohen Anteil
an Klassen anwendeten (69,5%). Zu Schulen, die nur eine kurze Dauer eine jahrgangsübergreifende Organisation für einen
hohen Anteil an Klassen nutzten, gehörten ein Viertel der Schulen. Die übrigen drei Typen von Schulen (kein JüL; kurze Dauer,
geringer Anteil von JüL-Klassen; lange Dauer, geringer Anteil von JüL-Klassen) wiesen sehr geringe Anteile von Schulen auf
(0,8-2,2%).
Die Ergebnisse weisen einerseits darauf hin, dass – insbesondere durch die verpflichtende Einführung von JüL – nahezu alle
Schulen Berlins diese Innovation umsetzten. Andererseits deuten sie ebenso darauf hin, dass nicht alle Schulen die Innovation
JüL als Nutzen wahrnahmen und sich wieder von dieser Organisationsform abwandten. Andere Gründe für eine Abkehr von JüL
sind ebenso möglich wie beispielsweise die als ungenügend wahrgenommenen materiellen und personellen Ressourcen und die
fehlende Identifikation des pädagogischen Personals mit der Innovation. Für zukünftige Studien wäre interessant zu betrachten,
wie die Unterrichtsgestaltung innerhalb der JüL-Klassen erfolgt und ob damit eine bessere Förderung aller Schülerinnen und
Schüler gelingt. Für zukünftige Evaluationsstudien wird mit der vorliegenden Studie ein guter Beitrag geleistet.
ID: 547
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Mathematisch-naturwissenschaftlicher
Unterricht
Stichworte: Studienerfolg, naturwissenschaftlich-technische Studiengänge, DFG-Forschergruppe ALSTER
Studienerfolg in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen – Zentrale Datenerhebung und
fächervergleichende Auswertung der DFG-Forschergruppe „ALSTER“
Jens Fleischer, Daniel Averbeck, Elke Sumfleth, Detlev Leutner, Matthias Brand
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen bei gleichzeitig hohen Quoten an Studienabbrüchen, insbesondere in den
naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen (Heublein et al., 2012), kommt der Studieneignungsdiagnostik eine zentrale
Rolle zu (vgl. Schuler & Hell, 2008). Häufig sind empirische Arbeiten zu Bedingungen des Studienerfolgs jedoch entweder
weitestgehend fachunspezifisch, betreffen sehr unterschiedliche Studiengänge oder aber sind punktuell auf einzelne Fächer oder
Studiengänge bezogen. Sie unterscheiden sich darüber hinaus in der Operationalisierung des Studienerfolgs, der über Kriterien
wie Studiennoten, Studiendauer oder auch Studienzufriedenheit operationalisiert wird, und berücksichtigen sehr unterschiedliche
Prädiktoren, was zu divergierenden Ergebnissen dieser Studien führt und eine vergleichende Bewertung erschwert.
Die DFG-Forschergruppe „ALSTER“ hat sich daher zum Ziel gesetzt, Einflussgrößen des Studienerfolgs in den
naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen zu identifizieren. Aufgabe des hier beschriebenen Teilprojektes der
Forschergruppe ist es, die Ergebnisse aller anderen Teilprojekte zusammenzuführen und übergreifend eine systematisch
angelegte, fachspezifische Modellierung des Studienerfolgs zu entwickeln sowie moderierende Effekt der fachspezifischen
Anforderungen zu prüfen.
Die o.g. Vielzahl an einzelnen Forschungsergebnissen zu fachunspezifischen Prädiktoren des Studienerfolgs wurde in
verschiedenen Modellen zusammengefasst (z.B. Rindermann & Oubaid, 1999; Thiel et al., 2010; Heublein & Wolter, 2011). Als
zentrale Prädiktoren erwiesen sich dabei unter anderem die Abiturgesamtnote und/ oder fachspezifische Schulnoten (Trapmann
et al., 2007), kognitive Fähigkeiten (z.B. Trapmann, 2008) sowie Persönlichkeitsvariablen und deren Interaktion mit allgemeiner
Studienmotivation oder persönlicher Zielsetzung (Steinmayr et al., 2010; Ziegler et al., 2010). Hinzu kommt die
Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten (Giesen et al., 1986) sowie eine ganze Bandbreite möglicher weiterer
demografischer Faktoren und Persönlichkeitsvariablen (z.B. House, 1995; Wagner et al., 2002). Längsschnittliche
Untersuchungen zum Studienerfolg wurden bisher jedoch nur vereinzelt durchgeführt (z.B. Jiang et al., 2010). Begründete
Empfehlungen für Studienberatung oder Fördermaßnahmen lassen sich aus diesen methodisch verschiedenen und mit
unterschiedlichen Zielen verfolgten Studien nur bedingt ableiten. Ebenso ist ein Vergleich der Bedeutung der einzelnen Variablen
kaum möglich.
Im übergreifenden Forschungsprogramm der Forschergruppe ALSTER soll demnach ein Modell geprüft werden, welches zum
einen fachspezifisch auf den Studienerfolg in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen fokussiert und entsprechende
fachspezifische Studienanforderungen unterscheidet. Zum anderen bildet es komplexe Zusammenhänge (Mediation und
Moderation) zwischen Prädiktoren und Kriterien des Studienerfolgs ab. In diesem Moderated-Mediation-Modell wird Studienerfolg
in den naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen anhand von Studienleistungen wie Klausur- und Modulnoten, dem mit
Fachwissenstests gemessenen Wissenszuwachs sowie dem Verbleib im Studium operationalisiert. Zur Vorhersage des
Studienerfolgs dienen Prädiktoren, die sowohl stabile Merkmale (z.B. kognitive Fähigkeiten inklusive der Abiturgesamtnote und
der relevanten Fachnoten, grundlegende Persönlichkeitseigenschaften) betreffen als auch variable Merkmale wie Wissen über
Metakognition und Lernstrategien, fachliches Vorwissen, akademisches Selbstkonzept und Erwartungen an das Studienfach
sowie fachliches Interesse und allgemeine Lern- und Studienmotivation. Es wird angenommen, dass diese Variablen direkt auf
den Studienerfolg wirken, aber auch über spezifische Lernstrategien, ein geeignetes Ressourcenmanagement sowie die
Studienzufriedenheit mediiert werden. Außerdem wird zu prüfen sein, inwiefern sowohl die direkten als auch die mediierten
Effekte der Prädiktoren auf den Studienerfolg durch die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Studienfaches in den
Bereichen Mathematisierung, Visualisierung und Wissenstypen moderiert werden.
Die Pilotstudie (N ca. 1000 Studierende) wird im Wintersemester 2015/2016 durchgeführt. Die Variablen werden dabei an zwei
Messzeitpunkten zum Anfang und zum Ende des ersten Studiensemesters erhoben. Im Rahmen der Haupterhebung werden die
Variablen an drei Messzeitpunkten erhoben: Zu Beginn des ersten Semesters (Oktober 2016), am Ende des ersten Semesters
(Februar/ März 2017) und am Ende des zweiten Semesters (August 2017). Im Rahmen des Posters werden Ergebnisse der
Pilotierungsstudie mit Schwerpunkt auf dem ersten Messzeitpunkt vorgestellt.
Durch die fächerübergreifenden und fächervergleichenden Analysen zur Vorhersage des Studienerfolgs in naturwissenschaftlichtechnischen Studiengängen werden Erkenntnisse gewonnen, die nachfolgend genutzt werden können, um das Lehren und
Lernen im Hochschulbereich zu verbessern und dadurch die Studienabbruchquoten zu reduzieren.
ID: 551
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung, Lehrerexpertise
Stichworte: Professional Vision, Classroom Management, Lehrerkompetenzen
Die professionelle Wahrnehmung von Classroom Management - Ein Experten-Novizen-Vergleich mit Hilfe
von Blickbewegungsmessung
Rebekka Stahnke1, Sigrid Blömeke2
1
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland; 2Centre for Educational Measurement Oslo, Norwegen
Theoretischer Hintergrund
Classroom Management ist ein zentrales Merkmal von Unterrichtsqualität und stellt gleichzeitig eine Herausforderung für
angehende, aber auch erfahrene Lehrpersonen dar. Classroom-Management-Expertise ist gekennzeichnet durch drei
Dimensionen kognitiver Anforderungen (König, 2015): eine genaue Wahrnehmung, eine holistische Wahrnehmung sowie eine
angemessene Begründung von Handlungen.
Ein Aspekt der Expertise von Lehrpersonen ist ihre professionelle Wahrnehmung von Unterricht (professional vision). Diese
umfasst die Fähigkeit, relevante Ereignisse in einer Unterrichtssituation zu identifizieren (noticing) und wissensbasiert zu
interpretieren (knowledge-based reasoning) (Van Es & Sherin, 2002; vgl. auch Blömeke, Gustafsson & Shavelson, 2015). Jedoch
unklar ist bisher, ob sich in der professionellen Wahrnehmung von Classroom Management Expertise-Effekte zeigen. Inwiefern
sich erfahrene Lehrpersonen in ihrer Unterrichtswahrnehmung bereits auf Ebene der visuellen Aufmerksamkeit von angehenden
Lehrpersonen unterscheiden, ist bisher kaum untersucht.
Wissen über Classroom Management wird als ein Teil der pädagogisch-psychologischen Kompetenz einer Lehrperson
eingeordnet (Blömeke, Gustafsson & Shavelson, 2015) und somit als domänenübergreifend betrachtet. Dennoch gibt es erste
Befunde, dass sich auch in allgemeinpädagogisch-psychologischen Kompetenzfacetten fachspezifische Anteile finden lassen
(Blomberg, Stürmer & Seidel, 2011). Ob sich domänenspezifische Effekte hinsichtlich der kognitiven Aufmerksamkeits- und
Schlussfolgerungsprozesse auch in der professionellen Wahrnehmung von Classroom Management finden lassen, bleibt bisher
offen.
Über zwei Fragstellungen werden die kognitiven Prozesse angehender und erfahrener Lehrpersonen hinsichtlich des Classroom
Managements untersucht: _Unterscheidet sich die professionelle Wahrnehmung (hinsichtlich des Noticing und Knowledge-based
Reasoning) von Classroom Management in Abhängigkeit von der Expertise der Lehrperson? Inwiefern zeigen sich
fachspezifische Anteile der professionellen Wahrnehmung von Classroom Management?_
Methodisches Vorgehen
Aus videographierten Mathematik- und Biologiestunden in der Sekundarstufe I werden Unterrichtsszenen ausgewählt, die
typische Aspekte des Classroom Management darstellen. Zur Auswahl der in der Studie genutzten Videoausschnitte wird ein
Expertenrating hinsichtlich der Repräsentativität, Authentizität und der sichtbaren Aspekte des Classroom Management in den
Unterrichtsszenen durchgeführt. So sollen einerseits thematisch relevante, visuelle Bereiche (Areas of Interest) zur Analyse der
Blickbewegungsdaten identifiziert werden und anderseits eine valide Auswahl an für das Classroom Management typischen
Unterrichtsszenen getroffen werden. Diese Vignetten werden von den Probanden (angehende und erfahrene Biologie- und
Mathematiklehrpersonen; N = 40) zweimal angesehen: Bei erster Betrachtung werden die Blickbewegungen der Probanden
aufgezeichnet. Anschließend werden die eigenen Blickbewegungen als Cue für die zweite Betrachtung eingesetzt und die
verbalen Kommentare der Probanden aufgezeichnet (Cued Retrospective Think-Aloud). Indikatoren für das Noticing sind die
visuelle (über Fixationshäufigkeit, -dauer sowie Verteilung auf die SchülerInnen) als auch verbale Identifikation bedeutsamer
Aspekte des Classroom Management. Relevante Ereignisse innerhalb eines Unterrichtsclips werden durch Time-Stamps
(zeitliches Markieren über die Tastatur) erhoben.
Beschreibende, erklärende als auch vorhersagende Kommentare werden als Indikatoren für knowledge-based Reasoning
betrachtet. Somit erfolgt einerseits eine quantitative Auswertung der Blickbewegungsdaten und andererseits eine qualitative
Auswertung der verbalen Daten. Für die qualitative Analyse der Kommentare wird ein Kodierschema (in Anlehnung an Wolff et
al. 2015) mit drei Achsen eingesetzt: Verarbeitungstiefe der Kommentare (beschreiben, erklären oder interpretieren), Themen
und Fokus der Aussagen (z.B. SchülerInnen- oder LehrerInnenverhalten) sowie die zeitliche Perspektive der Kommentare
(retrospektiv, kontemporär oder prospektiv).
(Erwartete) Ergebnisse und Ausblick
Ziel der Studie ist es, zu untersuchen inwiefern sich die professionelle Wahrnehmung von Classroom Management in
Abhängigkeit von der Expertise und des Fachbereichs einer Lehrperson unterscheiden. Insbesondere von Interesse sind dabei
die (visuellen) Aufmerksamkeits- und Schlussfolgerungsprozesse, die sich bei der Betrachtung und Kommentierung von
authentischen Unterrichtsszenen zeigen.
ID: 552
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie, Sonstige Didaktiken
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung, Motivation und Emotion
Stichworte: Forschungskompetenz, affektiv-motivationales Kompetenzmodell, Forschendes Lernen, Methodenausbildung
„Forschung heißt, in einen dunklen, offenen Raum zu gehen“ - Modellierung und Operationalisierung
affektiv-motivationaler Forschungskompetenz in den Sozialwissenschaften
Insa Wessels, Julia Rueß, Christopher Gess, Wolfgang Deicke
Humboldt -Universität zu Berlin, Deutschland
1. Theoretischer Hintergrund
Die Vermittlung von Forschungskompetenz, verstanden als die Fähigkeit, Forschungsprojekte eigenständig durchführen zu
können, ist ein zentrales Ziel universitärer Bildung (KMK, 2005; Wissenschaftsrat, 2006). Zur Frage, wie sozialwissenschaftliche
Forschungskompetenz definiert und erfasst werden kann, liegen erste Ansätze vor (z.B. Gess, 2015). Dieses und andere Modelle
fassen unter Forschungskompetenz vor allem forschungsmethodisches und methodologisches Wissen oder andere vornehmlich
kognitive Leistungsdispositionen. Darüber hinaus ist es jedoch auch denkbar, dass sich bestimmte motivationale und affektive
Fertigkeiten förderlich auf das Durchführen studentischer Forschungsprojekte auswirken. Ein umfassendes Modell der affektivmotivationalen Facette von Forschungskompetenz fehlt jedoch bislang.
Als zentrale Variablen für selbstregulierte Lernprozesse werden klassischerweise die Selbstwirksamkeitserwartungen (z.B.
Schwarzer & Jerusalem, 2002) und das individuelle Interesse (z.B. Marsh et al., 2005) der Lernenden betrachtet. Die Relevanz
der beiden Konstrukte auch für die Aufnahme und Durchführung von Forschungsvorhaben wurde bereits gezeigt (Bieschke,
2006). Die Beschaffenheit des Forschungsprozesses als ergebnisoffen und besonders rückschlagsbehaftet dürfte neben diesen
jedoch auch weitere Konstrukte, wie die Ungewissheitstoleranz (Dalbert, 1999), erfordern. Ziel dieses Vorhabens ist es,
forschungsrelevante affektiv-motivationale Konstrukte empirisch begründet zu modellieren und für weitere Untersuchungszwecke
zu operationalisieren.
2. Fragestellung
Die zentrale Fragestellung dieser Studie lautet, welche affektiven und motivationalen Fertigkeiten und Dispositionen von
Studierenden benötigt werden, um Forschungsvorhaben eigenständig durchzuführen. Diese affektiv-motivationale Facette von
Forschungskompetenz soll operationalisiert und durch ein Testinstrument erhoben werden.
3. Methode
Das Modell der affektiv-motivationalen Facette von Forschungskompetenz wurde durch Experteninterviews mit
Hochschullehrenden (n=16) der sozialwissenschaftlichen Fächer entwickelt. Die Auswertung orientierte sich an den
Empfehlungen von Meuser und Nagel (2002). Kritische Anforderungssituationen im Forschungsprozess und notwendige
Fertigkeiten zur Bewältigung dieser Anforderungen wurden induktiv identifiziert. In einem sich anschließenden OnlineExpertenrating mit Professor_innen und Post Docs verschiedener sozialwissenschaftlicher Fächer (n=27) wurden die Situationen
und Konstrukte validiert und angepasst. Eine sich anschließende Konzeptualisierung (Meuser & Nagel, 2002) sicherte eine
theoretische Fundierung des Modells.
Die identifizierten Konstrukte wurden anschließend durch Selbsteinschätzungs-Fragebögen operationalisiert. Items für die
einzelnen Konstrukte wurden basierend auf Konstruktionsanleitungen entwickelt und in einem mehrstufigen Prozess ausgewählt
(Terzer et al., 2013).
Die Pilotierung der Items erfolgt in sechs sozialwissenschaftlichen Fächern (n=450) und bildet Leistungsniveau und Heterogenität
der Zielgruppe ab (Terzer et al., 2013). Durch die Betrachtung verschiedener Selektionskriterien wie Itemtrennschärfe und schwierigkeit (Kelava & Moosbrugger, 2008) werden die Items ausgewählt und falls notwendig überarbeitet.
Die Validierung des finalen Instruments erfolgt im Wintersemester 2015/16 anhand bestehender Instrumente zu verwandten
Konstrukten wie der allgemeinen Ungewissheitstoleranz oder der Komplexitätstoleranz. Betrachtet wird ein nomologisches Netz,
das Hypothesen über die Bezüge aller affektiv-motivationalen Konstrukte untereinander sowie zwischen ihnen und den
verwandten, nicht-forschungsbezogenen Konstrukten formuliert. Genutzt werden Strukturgleichungsmodelle bei der die
geclusterte Datenstruktur berücksichtigt wird (robuste MLR-Schätzung, Muthén & Muthén, 2007).
4. Ergebnisse
Das Modell der affektiv-motivationalen Facette von Forschungskompetenz in den Sozialwissenschaften umfasst sechs zentrale
Anforderungssituationen des Forschungsprozesses und 11 dazugehörige Konstrukte. Beispielhaft zu nennen sind




das wertbezogene Interesse an Forschung als Überzeugungen zum Nutzen von Forschung, um gesellschaftliche
Probleme zu lösen, um die Wissenschaft voranzubringen oder als Erkenntnisgewinn an sich,
die Ungewissheitstoleranz, die Neigung mit der Ungewissheit des Forschungsprozesses umgehen zu können
(operationalisiert in Anlehnung an Dalbert, 1999),
die Frustrationstoleranz, die den Umgang mit vereitelter Motivbefriedigung im Forschungsprozess umfasst
(operationalisiert in Anlehnung an Kuhl & Kazen, 2003),
die Neigung, Beratung einzufordern und Hilfe nicht als autonomie- oder selbstkonzeptgefährdend wahrzunehmen
(operationalisiert in Anlehnung an Ryan, Pintrich & Midgley, 2001).
Die Konstrukte wurden von den Experten aus Lehre und Forschung als durchweg relevant für das erfolgreiche Durchführen
studentischer Forschungsvorhaben bewertet: Das wertbezogene Forschungsinteresse erhielt die geringste
Relevanzzuschreibung von mInt=3,16 (auf 4-stufiger Likertskala), die Frustrationstoleranz mit mFrust=3,76 die höchste.
Bis zur Konferenz im März werden die Daten des Pretests sowie erste Erkenntnisse aus der Validierungsstudie vorliegen.
ID: 553
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Hochschulbildung
Stichworte: Selbstreguliertes Lernen, Studierende, e-Learning, Interventionsstudie
Vermittlung von selbstreguliertem Lernen im Studium: Wie wirksam sind e-Learning Veranstaltungen im
Vergleich zu Präsenz-Seminaren?
Sophie Butz1, Silke Hertel1, Yves Karlen2, Henrik Bellhäuser3, Birgit Spinath1, Katharina Maag Merki2, Bernhard
Schmitz3
1
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Deutschland; 2Universität Zürich; 3Technische Universität Darmstadt
Theoretischer Hintergrund
Die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen ist ein wichtiger Prädiktor für akademischen Erfolg (Richardson et al. 2012). Dies
zeigt sich u.a. bezogen auf die erzielten Noten, die Studiendauer und den Studienabbruch (Bellhäuser & Schmitz, in
Vorbereitung). Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass viele Studierende deutliche Defizite im Bereich des selbstregulierten
Lernens aufweisen (Peverly et al. 2003; Stark und Mandl 2005). Die Förderung der Selbstregulationskompetenz von
Studierenden durch geeignete Trainingsmaßnahmen stellt somit einen wichtigen Aspekt der universitären Lehre dar (Benz, 2010;
Dignath & Büttner, 2008).
Bislang wurde die Wirksamkeit von Seminaren zum selbstregulierten Lernen im Rahmen der universitären Lehre insbesondere
für Präsenzveranstaltungen gezeigt. Gegenwärtig gewinnt allerdings die Implementation von e-Learning Formaten in der
universitären Lehre zunehmend an Bedeutung. Webbasierte Seminare ermöglichen den Studierenden, sich unabhängig von Ort
und Zeit mit den Inhalten der Lehrveranstaltung selbstständig zu befassen. Allerdings erfordern sie ein höheres Maß an
Selbstregulationskompetenzen auf Seiten der Lernenden. An der TU Darmstadt wurde ein webbasiertes Selbstregulationstraining
(WBT) entwickelt, welches in ersten Untersuchen positive Ergebnisse erzielte (Bellhäuser & Schmitz, in Vorbereitung). Ein
Vergleich mit Präsenzveranstaltungen zur Vermittlung des selbstregulierten Lernens steht bislang noch aus.
Fragestellung
Der Beitrag befasst sich mit den folgenden Fragestellungen:
(1) Inwiefern unterscheiden sich ein webbasiertes e-Learning Seminar und eine reguläre Präsenzveranstaltung hinschlich ihrer
Effektivität in der Vermittlung von selbstreguliertem Lernen?
(2) Für welche Studierenden sind webbasierte Seminarformate besonders effektiv bzw. ungeeignet?
Methode
Es wurde eine randomisierte Interventionsstudie mit Studierenden im Lehramtsstudiengang (N=161) sowie im Bachelor
Studiengang (N=74) durchgeführt. Der Studie liegt ein 2x3x2 Design mit Messwiederholung zugrunde, wobei nicht alle
Bedingungen realisiert wurden. Im Vorlesungsverzeichnis wurden drei Seminare zum selbstregulierten Lernen angeboten, zwei
für Studierende in Lehramtsstudiengang und eines für Studierende im BA Bildungswissenschaft (Faktor I: Studiengang).
Studierende, die sich für die Seminare zum selbstregulierten Lernen angemeldet hatten, wurden zufällig in die Präsenz- und in
die e-Learning Bedingung eingeteilt. Aufgrund der hohen Anmeldezahlen konnte in einem Seminar zusätzlich eine
Wartekontrollgruppe (e-Learning, randomisierte Zuteilung) eingerichtet werden (Faktor II: Seminarform). Zusätzlich wurde in
einem der beiden Seminare für Lehramtsstudierende ein online Lernjournal ohne Prompts eingesetzt, in dem die Studierenden
ihr Lernverhalten über das Semester dokumentieren sollten (Faktor III: Lernjournal). Auch hier erfolgte die Zuteilung der
Seminargruppe zufällig.
Die Anzahl der Lerneinheiten, die Dauer, die Struktur sowie die Inhalte wurden in dem webbasierten e-Learning Seminar und
dem regulären Präsenzseminar parallelisiert. In fünf Lektionen wurden theoretische Grundlagen vermittelt sowie zentrale Lernund Selbstregulationsstrategien kennengelernt und eingeübt. Um den Transfer der erlernten Strategien in den Studierendenalltag
zu untersuchen, erhielten die Studierenden anschließend einen Arbeitsauftrag (Erarbeiten eines wissenschaftlichen Textes zum
selbstregulierten Lernen), der Selbstregulationskompetenzen erfordert.
Zur Erfassung der abhängigen Variablen sowie potenzieller Kovariaten wurden bewährte bzw. leicht adaptierte Instrumente
eingesetzt: (i) Fragebögen zur Selbsteinschätzung des Selbstregulierten Lernens (SRL-U; Bellhäuser & Schmitz, in Vorbereitung;
SELLMO-ST, Spinath et al., 2012), (ii) Wissenstests zur Erfassung des deklarativen Wissens (u.a. Bellhäuser & Schmitz, in
Vorbereitung) sowie (iii) situationsspezifische Wissenstests zur Erfassung des metakognitiven Wissens bezogen auf das
wissenschaftliche Schreiben (u.a. MCSWT, Karlen, in Vorbereitung). Es wurden drei Messzeitpunkte (Prätest, Posttest,
Stabilitätserhebung nach 6 Wochen) realisiert.
Ergebnisse
Die Auswertung der Daten erfolgt mittels (Ko-) Varianzanalysen mit Messwiederholung. Es wird erwartet, dass das webbasierte
Seminarformat eine vergleichbare Wirksamkeit aufweist wie die Präsenzveranstaltung. Studierende, die zum Zeitpunkt des
Prätests über geringere Selbstregulationskompetenzen verfügen, sollten geringere Kompetenzzuwächse im webbasierten
Seminarformat aufweisen als Studierende mit höheren Selbstregulationskompetenzen, da das WBT höhere Anforderungen an
die Selbstregulation stellt.
ID: 562
Poster
Disziplinen-Cluster: Sonderpädagogik, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Förderpädagogik, Hochschulbildung, Lehrer(aus)bildung
Stichworte: WTH/S, interdisziplinäre Lehramtsausbildung, Studienfachwahl, Motivation
Motivationsfaktoren und berufsbezogenes Selbstkonzept angehender Lehrkräfte im Fach WirtschaftTechnik-Haushalt/Soziales
Jana Markert, Carolin Frank
Universität Leipzig, Deutschland
Theoretischer Hintergrund: Neben motivationalen Orientierungen stellen auch selbstbezogene Kognitionen wichtige
Prädiktoren von Verhalten dar. Für Studierende des Lehramts stehen entsprechende Indikatoren im Zusammenhang mit der
Studienwahl, der Wahrnehmung von Lerngelegenheiten im Studium und mit Aspekten der professionellen Handlungskompetenz
im Kontext der späteren beruflichen Tätigkeit (NBPTS 2002, Baumert & Kunter 2006, Blömeke 2009, Retelsdorf 2014). Da sowohl
motivationale Orientierungen als auch selbstbezogene Kognitionen domänenspezifische Konstrukte darstellen, wurden für die
Gruppe der Lehramtsstudierenden spezifische Instrumente zur Erfassung von Berufswahlmotiven (FEMOLA, Pohlmann & Möller
2010) und berufsbezogenen Selbstkonzepten (ERBSE-L, Retelsdorf et al. 2014) entwickelt. In beiden Instrumenten werden
neben lehramtsübergreifenden Motiven und Selbstkonzepten auch fachliche Motive und Selbstkonzepte erfasst. Um eine
allgemeine Einsetzbarkeit zu ermöglichen, werden die fachlichen Motive und Selbstkonzepte fachunspezifisch, d. h. ohne die
Nennung des jeweiligen Lehramtsfaches, erhoben. Für interdisziplinäre Studienfächer kann dies jedoch problematisch sein, da
sie eine Vielzahl an Bezugsdisziplinen aufweisen. So finden sich in interdisziplinär angelegten Lehramtsfächern – wie dem hier
fokussierten Fach Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (WTH/S) – oft Fachkombinationen aus stark divergenten
wissenschaftlichen Disziplinen. Es ist möglich, dass angehende Lehrkräfte welche ein interdisziplinäres Studien- und Schulfach
wählen bezüglich der einzelnen enthaltenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Einstellungen und Überzeugungen
besitzen. Somit ist es wichtig zu untersuchen aus welchen fachbezogenen Motiven und Selbstkonzepten junge Erwachsene ein
interdisziplinäres Lehramtsfach wie WTH/S wählen und welche Charakteristika diese Studierenden aufweisen. Im Hinblick auf
den aktuellen Mangel an Lehrenden in technischen Fächer scheint es sinnvoll zu überprüfen, ob Kompensationseffekte zwischen
Berufswahlmotivation bezüglich der einzelnen im Fach WTH/S enthaltenen Disziplinen existieren. Weiterhin könnten auf
Grundlage der Ergebnisse spezifische Anforderungen an das Lehramtsstudium eines interdisziplinären Faches bestimmt werden.
Wissenschaftliche Fragestellungen: Das Fach Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales zeichnet sich besonders durch seine
starke fachliche Interdisziplinarität aus. Am Beispiel des Fachs WTH/S sollen daher folgende Fragen untersucht werden:
1) Inwieweit stehen die Skalen „Fachliches Interesse“ (Femola, vgl. Pohlmann & Möller, 2010) und „Selbstkonzept Fach“ (ERBSEL, vgl. Retelsdorf et al. 2014) lehramtsübergreifender Instrumente zur Erfassung der Motivation zur Lehramtsstudienwahl und
berufsbezogener Selbstkonzepte mit spezifischen Skalen der jeweiligen Bezugsdisziplinen eines interdisziplinäres Lehramtsfach
wie z. B. WTH/S in einem Zusammenhang?
2) Welche Charakteristika (z.B. Berufswahlmotivative, berufsbezogene Selbstkonzepte, Persönlichkeitsvariablen) weisen
angehende Lehrkräfte auf, die sich für das Fach WTH/S im Lehramt Sonderpädagogik entschieden haben?
Methoden: Die personenbezogenen demografischen Daten und Merkmale der Studienfachwahl werden mittels eines PaperPencil-Fragebogens in einer Querschnittsbefragung der angehender Lehrkräfte des Fachs WTH/S zu Studienbeginn
(Wintersemester 2015/16) an allen sächsischen WTH/S-Studienorten (Leipzig, Dresden, Chemnitz, N=90) erhoben. Zur
Beantwortung der Forschungsfragen wurden relevante Skalen der etablierten Instrumente FEMOLA und ERBSE-L auf das Fach
WTH/S angepasst. Die Dimension „fachliches Interesse“ von FEMOLA wurde gemäß den vier im Fach WTH/S vereinten
wissenschaftlichen Disziplinen (Wirtschaftswissenschaft, Techniklehre, Ökotrophologie und Sozialwissenschaft) spezifiziert und
für alle vier einzeln erhoben. Das berufsbezogene Selbstkonzept wird mit dem Instrument ERBSE-L (Retelsdorf et al., 2014)
untersucht. Hierbei werden die Items zum Selbstkonzept Fach auf die vier einzelnen Disziplinen konkretisiert und für diese
getrennt erhoben. Mit Hilfe von Korrelationsanalysen wird der Zusammen zwischen den lehramtsübergreifenden Skalen und
denen der WTH/S-spezifischen Skalen untersucht. Die Beschreibung der WTH/S-Studierenden hinsichtlich ihrer
Berufswahlmotive und berufsbezogenen Selbstkonzepte erfolgt mittels deskriptiver Statistik.
Vorläufige Ergebnisse: Die sachsenweite Querschnittsbefragung wird neue Erkenntnisse bezüglich der Anwendbarkeit
etablierter lehramtsübergreifender Konstrukte zur Erfassung von Motivation zur Studienwahl und des berufsbezogenen
Selbstkonzepts bei stark interdisziplinär ausgerichteten Lehramtsstudiengängen liefern. Da die Befragung der Studierenden
aktuell zu Beginn des Wintersemesters 2015/16 stattfindet, können die Ergebnisse erst auf der Tagung präsentiert werden. Mit
einer an die Querschnittsbefragung angedockte Längsschnittuntersuchung soll die kontinuierliche Entwicklung motivationaler
und kompetenzbezogener Merkmale über den Studienverlauf abgebildet werden. Dies könnte das motivationale
Entwicklungspotenzial innerhalb fachlich stark differenzierter interdisziplinärer Lehramtsstudiengänge aufzeigen.
ID: 574
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Genderforschung, Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Stereotype, Gender Bias, quantitative Textanalyse
Gender Bias in der Darstellung von Care und MINT in Kinder- und Schulbüchern
Michael Heilemann, Daniel Patrick Balestrini, Sigrun Schirner, Heidrun Stöger
Universität Regensburg, Lehrstuhl für Schulpädagogik, 93040 Regensburg
Theoretischer Hintergrund:
Mediale Präsentationen von weiblichen und männlichen Rollenmodellen haben einen Einfluss auf die Übernahme von
Geschlechtsrollenstereotypen und darauf, was als typisch männlich bzw. typisch weiblich eingeschätzt wird (Oppliger, 2006).
Beispielsweise wird der Care-Bereich als typisch weibliche Domäne wahrgenommen (Rose & Stibane, 2013), während der
naturwissenschaftliche Bereich als typisch männlich wahrgenommen wird (Keller, 2001). Gender Biases in Vorstellungen über
Care und MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) tragen zur geringen Beteiligung von Jungen und
Männern im Care-Bereich bzw. von Mädchen und Frauen im MINT-Bereich bei (z.B. Leslie, Cimpian, Meyer & Freeland, 2015).
Neben verschiedenen anderen Faktoren üben auch Kinder- und Schulbücher einen Einfluss auf die Geschlechtsrollenidentität
aus. Sie stellen in einer prägenden Entwicklungsphase nahezu täglich Identifikationsfiguren zur Verfügung. Bisherige Studien
konnten vor allem auf Ebene der visuellen Darstellung von weiblichen und männlichen Rollenmodellen zeigen, dass der CareBereich überwiegend als weiblich und der MINT-Bereich überwiegend als männlich dargestellt wird (z.B. Finsterwald & Ziegler,
2007). Entsprechende Auswertungen von Kinder- und Schulbücher auf schriftsprachlicher Ebene fehlen bislang jedoch.
Fragestellung:
Dieser Beitrag fokussiert die Frage, inwiefern auf lexikalischer Ebene in Kinder- und Schulbüchern ein Gender Bias für die
Bereiche Care und MINT nachzuweisen ist. Es wird angenommen, dass Kinder- und Schulbücher (1) mehr Care-Wörter mit
weiblicher als mit männlicher Konnotation aufweisen sowie (2) mehr MINT-Wörter mit männlicher als mit weiblicher Konnotation.
Methode:
Als Datengrundlage wird childLex verwendet, ein ca. 10 Millionen Wörter umfassendes Textkorpus aus Kinder- und Schulbüchern
(Schroeder, Würzner, Heister, Geyken & Kliegl, 2015). Das Textkorpus bildet in optimaler Weise die schriftsprachliche Umwelt
ab, von der Kinder in den drei Altersgruppen 6 bis 8 Jahre, 9 bis 10 Jahre und 11 bis 12 Jahre in ihrer Sozialisation beeinflusst
werden.
Die Auswertung des Textkorpus erfolgt mit LIWC (Linguistic Inquiry and Word Count), einem Programm zur automatischen
Textanalyse, das in der psychologischen Forschung breiten Einsatz findet (Pennebaker, Boyd, Jordan & Blackburn, 2015). Für
die Analyse werden umfangreiche Wortlisten erstellt, die Care- und MINT-Wörter mit weiblicher (z.B. Krankenschwester,
Informatikerin), männlicher (z.B. Krankenpfleger, Informatiker) sowie neutraler Konnotation (z.B. Krankenpflege, Informatik)
umfassen.
Ergebnisse:
Erste Analysen zeigen, gemäß unserer Erwartungen, dass Care-Wörter mit männlicher Konnotation (16.2%) und MINT-Wörter
mit weiblicher Konnotation (4.3%) selten auftreten.
Ausblick:
Die Ergebnisse liefern erste Hinweise auf den Ausprägungsgrad des Gender Bias in der schriftsprachlichen Darstellung von Care
und MINT. In weiteren Analysen soll überprüft werden, ob Männer und Frauen in den Bereichen überwiegend in positiven bzw.
negativen Kontexten dargestellt werden.
ID: 588
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie
Thematisches Cluster: Lehrer(aus)bildung
Stichworte: Beanspruchungserleben, fachspezifisch-pädagogische Vorstellungen, Gymnasiallehrpersonen
Gesund und kompetent: Beanspruchungserleben Schweizer Lehramtsstudierender und dessen
Zusammenhang mit fachspezifischen pädagogischen Vorstellungen
Daniela Nussbaumer1, Henrik Saalbach2, Roland Grabner3
1
ETH Zürich und Hochschule für Heilpädagogik Zürich, Schweiz; 2Universität Leipzig; 3Universität Graz
Theoretischer Hintergrund
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Berufseignung von Lehrpersonen wurden mehrere Kompetenzbereiche
identifiziert, die für die erfolgreiche Ausübung des Lehrberufs zentral sind, vergleichsweise wenige Befunde liegen jedoch zu
deren Zusammenhängen untereinander vor. Die vorliegende Studie fokussiert auf das Beanspruchungserleben als Teil der
selbstregulativen Fähigkeiten sowie auf die fachspezifischen pädagogischen Überzeugungen bei Lehramtsstudierenden und
setzt beide Kompetenzbereiche mit dem Konstrukt der Berufseignung in Verbindung.
Fragestellung
Wir untersuchen die AVEM-Musterverteilung bei Schweizer Lehramtsstudierenden. Wir erwarten, dass sich die Zuteilung der
Studierenden zu den AVEM-Mustern mit gesundheitlichen Beschwerden in Verbindung bringen lässt, dass nämlich Studierende
mit den Mustern G und S weniger körperliche und psychische Beschwerden aufweisen als Studierende der Risikogruppen.
Wir erwarten einen Zusammenhang zwischen dem Beanspruchungserleben und fachspezifisch-pädagogischen Überzeugungen
dergestalt, dass ein ungünstiges Beanspruchungserleben (Risikomuster A und B) im Vergleich zum günstigen (G-Muster) mit
weniger stark ausgeprägten konstruktivistischen Überzeugungen und mit stärker ausgeprägteren transmissiven Überzeugungen
einhergeht.
Methode
Eine Stichprobe von 192 Schweizer Lehramtsstudierenden für die Gymnasiale Oberstufe bearbeitete Fragebogen zur Messung
des Beanspruchungserlebens (Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM); Schaarschmidt & Fischer, 2001)), zu
fachspezifisch-pädagogischen Überzeugungen (Kleickmann, 2008; Voss, Kleineckmann, Kunter, & Hachfeld, 2011), zur
Berufseignung (FIT-L, Herlt & Schaarschmidt, 2007) sowie zu körperlichen und psychischen Beschwerden (Schaarschmidt,
2005). Die Ergebnisse werden mit jenen aus der Potsdamer Lehrerstudie verglichen.
Ergebnisse
Die prozentuale Verteilung der AVEM-Muster zeigt sich wie folgt: dem G-Muster können in der Stichprobe der
Lehramtsstudierenden der ETH Zürich mit 48% am meisten Studierende zugeordnet werden. Auf das S-Muster entfallen 31%
der Studierenden, auf das Risikomuster A 13% und auf das Risikomuster B 8%. Im Vergleich zur Potsdamer Lehrerstudie fällt
die Musterverteilung somit deutlich günstiger aus: knapp 20% mehr Studierende gehören dem Muster G an und knapp 20%
weniger dem Risikomuster B.
Eine univariate, einfaktorielle Varianzanalyse mit den 4 Ausprägungen der AVEM-Muster und der abhängigen Variablen
„Gesamtwert der berichteten Beschwerden“ ergibt signifikante Mittelwertsunterschiede (F(3,168) = 14.03; p < .001; η2p = .20).
Damit lässt sich die Gesundheitsrelevanz der Bewältigungsmuster in der Stichprobe der ETH Studierenden replizieren.
Signifikante Unterschiede (p<.05) zeigen sich zwischen dem Muster G und jeweils Muster S, A und B. Das Muster G hebt sich
also von allen anderen drei Mustern durch weniger Beschwerden ab (siehe Abb. 2). Das S Muster hebt sich ebenfalls vom
Risikomuster B ab.
Zur Überprüfung diese Hypothese wurden Varianzanalysen (ANOVAs) mit dem Faktor AVEM-Muster (Ausprägungen G, S, A
und V) und den abhängigen Variablen konstruktivistische vs. nicht-konstruktivistische Vorstellungen gerechnet. Es ergeben sich
Unterschiede zwischen den AVEM-Mustern sowohl für konstruktivistische Vorstellungen F(3,30)= 3.10, p = .022 η2p = .06 wie
auch für nicht-konstruktivistische Vorstellungen: F(3,168) = 3.43; p = .018; η2p = .06. Es zeigen sich signifikante Unterschiede
(p<.05) für die konstruktivistischen Vorstellungen zwischen den Mustern G und A, sowie G und B und für die transmissiven
Vorstellungen zwischen den Mustern G und S, sowie A und S.
Diskussion
Im Vergleich zu den deutschen Studierenden zeigten sich in der Schweizer Stichprobe also deutlich günstigere
Bewältigungsmuster. Die Gesundheitsrelevanz der Bewältigungsmuster konnte für die Stichprobe der ETH Studierenden
repliziert werden – Studierende mit einem gesunden Bewältigungsmuster zeigen weniger Beschwerden als andere Studierende.
Ein Befund, der die Bedeutsamkeit des Beanspruchungserlebens aufzeigt. Studierende des Risikotyps B zeigen bezüglich aller
Komponenten der Berufseignung (Psychische Stabilität, Motivation soziale Kompetenzen, und Grundfähigkeiten und –
fertigkeiten) tiefere Werte und fallen durch weniger konstruktivistische fachspezifisch-pädagogische Überzeugungen auf.
Die günstigere Musterverteilung kann durch die strukturellen Unterschiede des Studiums sowie durch personelle Faktoren erklärt
werden. Das Lehramtsstudium wird nach einem erfolgreichen Abschluss des Fachstudiums absolviert oder parallel zu einem
regulären Fachstudium begonnen, was dazu führen könnte, dass die Entscheidung mit größerer Sicherheit gefällt wurde.
ID: 595
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Hochschulbildung
Stichworte: Selbstreguliertes Lernen, Strategien des Ressourcenmanagements, Studienerfolg
Selbstregulation des Lernens in der Studieneingangsphase – Strategien des Ressourcenmanagements
Julia Waldeyer1, Jens Fleischer1, Detlev Leutner1, Joachim Wirth2
1
Uni Duisburg Essen, Deutschland; 2Ruhr Uni Bochum, Deutschland
Es gibt nur wenige Lernfelder, in denen die Freiheitsgrade zur Gestaltung des eigenen Lernens so offen gestaltet sind wie im
Bereich der Hochschule (Wild, 2005). Akademisches Lernen unterscheidet sich somit maßgeblich vom Lernen an Schulen und
stellt damit deutlich höhere Anforderungen an die Selbstregulation und die strategische Ausrichtung von Lernprozessen (z.B.
Streblow & Schiefele, 2006; Wild, 2005). Während kognitive und metakognitive Strategien als Prädiktoren für schulischen
Lernerfolg hinreichend untersucht sind und zumeist keine oder nur geringe Korrelationen vorweisen (für einen Überblick siehe:
Leutner & Leopold, 2003), rücken in der Forschung ressourcenbezogene Strategien in Bezug auf akademisches Lernen und
Studienerfolg zunehmend in den Blick. Aber auch Persönlichkeitsfaktoren korrelieren in nennenswertem Maß mit Studienerfolg
(z.B. Blickle, 1996; DeFeyter et al., 2012). Das Projekt fokussiert daher sowohl auf das Ressourcenmanagement als auch auf
Persönlichkeitsfaktoren.
Es wird untersucht, inwiefern Lernprobleme in der Studieneingangsphase auf Defizite beim Einsatz von Strategien des
Ressourcenmanagements zurückzuführen sind und inwieweit die Verfügbarkeit und die Nutzung dieser Strategien den
Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Studienerfolg vermitteln. Hierfür werden folgende
Forschungsfragen bearbeitet:
FF1: Kompetenzen Studierender im Bereich des Ressourcenmanagements:

Sind Strategiewissen und Regulationsdefizite der Strategienutzung diagnostizierbar – z.B. Verfügbarkeits-, Produktionsund Nutzungsdefizite?
FF2: Bedeutung von Strategien des Ressourcenmanagements für den Studienerfolg:


Gibt
es
Unterschiede
in
Studienfächern
(Bauingenieurwesen/Erziehungswissenschaft)?
mit
unterschiedlichen
Leistungsanforderungen
Fungieren Verfügbarkeit und Nutzung entsprechender Strategien als Mediator zwischen Persönlichkeitsfaktoren
(insbesondere Gewissenhaftigkeit) und Studienerfolg?
Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden insgesamt drei Studien durchgeführt, wovon die erste bereits abgeschlossen
ist. Studie 1 identifizierte mittels Fokusdiskussionsgruppen Lernunterschiede zwischen Schule und Hochschule, die besondere
Anforderungen an das Ressourcenmanagement stellen sowie Bewältigungsstrategien, die Studierende kennen und nutzen. Die
Fokusdiskussionsgruppen wurden anhand eines 2x2x2-Designs gebildet – mit den Faktoren Studienfach
(Bauingenieurwesen/Erziehungswissenschaft), Zeitpunkt im Studienverlauf (zweites Studiensemester/viertes Studiensemester)
sowie Selbstwirksamkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (niedrig/hoch). Innerhalb jeder dieser acht Zellen wurden jeweils
zwei Diskussionsgruppen mit je fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmern gebildet, so dass sich insgesamt ein N von 5x2x2x2x2=80
ergab. Die Ergebnisse der ersten Studie bilden die Basis für die Entwicklung eines Situational-Judgement-Instruments zur
Erfassung von Strategiewissen und Regulationsdefiziten, das in Studie 2 pilotiert wird. Dabei liegt der Fokus auf solchen
Lernsituationen, für die Studierende retrospektiv ein geringes Strategiewissen innerhalb ihrer Schulzeit berichten, so dass sie mit
entsprechend geringer Strategieerfahrung ihr Studium aufnehmen mussten. Studie 3 überprüft Hypothesen zur Bedeutsamkeit,
zu Defiziten sowie zur mediierenden Rolle von Strategien des Ressourcenmanagements im Studium und kontrastiert dabei die
Fächer Bauingenieurswesen und Erziehungswissenschaft. Im Rahmen des Posters werden erste Ergebnisse der Studie 1 und 2
präsentiert.
Das Projekt leistet einen wesentlichen Beitrag zur DFG-Forschergruppe „ALSTER“, indem es auf Lernstrategien fokussiert und
untersucht, inwieweit die Verbindung zwischen Lernvoraussetzungen und Studienerfolg über Lernstrategien vermittelt wird
(Mediation) und inwieweit der vermittelte Zusammenhang sich in den betrachteten Fächern unterschiedlich darstellt (moderierte
Mediation).
ID: 600
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Genderforschung, Hochschulbildung
Stichworte: Bildungsaufstieg, Migration, Männlichkeit, soziale Lage, Intersektionalität
Bildungsaufstieg im Kontext von Migration und Geschlecht – Selbst- und Fremdpositionierungen
männlicher Studierender mit Migrationshintergrund
Benjamin Schäfer, Manuela Westphal, Karin Kämpfe, Samia Aden
Universität Kassel, Deutschland
Junge Menschen aus bildungsfernen Schichten und Migrationsfamilien finden zunehmend den Weg an die Hochschule.
Migrationserfahrung und -hintergrund sowie sozialer Hintergrund erweisen sich jedoch nach wie vor als starke
bildungsbenachteiligende Faktoren für den Übergang in Schule, Ausbildung, und Studium (vgl. Middendorff u.a. 2013; Geißler
2013). Welche Strategien, Kompetenzen und Ressourcen im Bildungsverlauf genutzt werden, um benachteiligende familiäre
Ausgangslagen und diskriminierende Strukturen im Bildungs- und Ausbildungssystem aufgrund von Migrationshintergrund und
Sozialstatus individuell zu bewältigen, sind noch nicht hinreichend geklärte Forschungsfragen. Was den Zusammenhang von
Bildungserfolg, Migration und Geschlecht betrifft, so liegen für Deutschland mehrere v.a. qualitativ und biographisch angelegte
Studien vor, in denen Frauen im Mittelpunkt standen (z.B. Behrensen/Westphal 2009; Farrokhzad 2007; Hummrich 2002), sowie
geschlechterübergreifende Studien weitgehend ohne systematischen Geschlechtervergleich (z.B. Schneider/Lang/Pott 2015; ElMafaalani 2012; Silkenbeumer/Wernet 2012; Schittenhelm 2012; Tepecik 2010; Raiser 2007; Pott 2002). Bildungserfolg ist im
Zusammenhang mit Genderdynamiken von Männlichkeit jedoch erst teilweise untersucht (z.B. King u.a. 2011, King 2006).
Auf dem Poster möchten wir eigene Forschungsergebnisse der qualitativ angelegten Studie „Bildungserfolgreiche Migranten –
Ihre Wege und Handlungsstrategien“ unter Rückbindung an vorliegende aktuelle Befunde darlegen. Das Sample umfasst 17
problemzentrierte Interviews mit männlichen Studierenden verschiedener Fachrichtungen der Universitäten Kassel und Marburg,
die im Vergleich zur Elterngeneration eine schulische Aufwärtsmobilität vorweisen, darunter überwiegend Selbstmelder. Ihre
Eltern sind aus verschiedenen Ländern vorwiegend als Arbeitsmigranten, aber auch als Flüchtlinge oder Aussiedler nach
Deutschland eingewandert. Die jungen Männer sind hier geboren bzw. spätestens im Grundschulalter zusammen mit ihren Eltern
nach Deutschland migriert. Konkret wurden die individuellen und familiären Ressourcen und Handlungsstrategien der jungen
Männer als auch deren Umgang mit Barrieren und (institutionellen) Diskriminierungen sowie Rassismuserfahrungen untersucht.
Das Auswertungsvorgehen orientiert sich an der inhaltsanalytischen Verfahrensweise nach Mayring (2010).
Beleuchtet werden Bildungsaufstiege als Aushandlungsprozesse zugewiesener und eingenommener Positionierungen. Die
Analyse des Materials ist an eine intersektionelle Perspektive angelehnt, bei der vor allem der Verschränkung und
Interdependenz von Geschlecht, Migration und Sozialstatus analytisch nachgegangen wird (vgl. Huxel 2014, Tunc 2012,
Bereswill/Rieker/Schnitzer 2012). Dabei zeigen wir, wie die verschiedenen interdependenten Differenzlinien in
Bildungsaufstiegsprozessen in Form von zugewiesenen und eingenommenen Positionierungen in (Hoch)Schule, Peer und
Familie wirksam werden.
Unsere Daten schließen dabei an Erkenntnisse zu Habitustransformation und -diversifizierung als Ressource für und Folge von
Bildungsaufstiegen an (vgl. Lehmann 2014, El-Mafaalani 2012, Schneider/ Lang 2014). So zeigt sich die Ausbildung einer
Adaptabilität, beruhend auf einem breiten Handlungsrepertoire, das u.a. in familiären und (außer)schulischen Sozialisations- und
Akkulturationsprozessen verankert ist (vgl. Westphal/Kämpfe 2013). Der daraus resultierenden Fähigkeit des flexiblen und
kompetenten ‚Acting‘ und ‚Switching‘ zwischen den sprachlichen und kulturellen Codes unterschiedlicher Sphären schreiben die
von uns befragten Studierenden eine zentrale Bedeutung für die Bewältigung des Bildungsaufstiegs zu. Transformations- und
Anpassungsanforderungen im Rahmen von sozialen Aufstiegsprozessen sind dabei nicht nur in Hinblick auf die intersektionalen
Dimensionen Soziale Klasse und Ethnizität, sondern auch auf geschlechtsbezogene Positionierungen auszumachen (vgl.
Mollenkopf u.a. 1997; Friend 2009; Francis/Skelton/Read 2012). Insgesamt verweisen Bildungsaufstiegsprozesse auf
kontextsensible Aushandlungen von sich verändernden Positionierungen in (Hoch-)Schule, Peer und (Migrations-)Familie. Die
vorliegenden Befunde weisen zudem auf das Erleben und Bearbeiten von sog. als aufstiegstypisch markierten Habitus-StrukturKonflikten im Kontext Hochschule hin (vgl. Schmitt 2010) und zeigen komplexe Verstrickungen von Mehrbelastungen, erhöhtem
(Leistungs)Druck und Risiken des Scheiterns auf.
ID: 604
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Grundschulbildung, Lese- und Sprachförderung, Trainings- und Evaluationsforschung
Stichworte: Lesenlernen, Leseförderung, Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, Primarstufe
Wirkung von systematischer Förderung auf das Lesenlernen
Claudia Harte, Harald Marx
Universität Leipzig, Deutschland
Über frühzeitige und gezielte Förderung von Kindern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) besteht disziplinübergreifend
Konsens. Trotz einer Vielzahl an Förderprogrammen für Grundschulkinder mit LRS betonen aktuelle Übersichtsarbeiten (Huemer
et al. 2009, Smolinska 2010, Ise et al. 2012), dass Fördermethoden mit theoretischer Fundierung und/ oder kontrollierter
empirischer Evidenz immer noch die Ausnahme sind.
In einer Interventionsstudie wurde das Trainingsprogramm „Lesen und Rechtschreiben lernen nach dem IntraActPlus-Konzept“
von Jansen, Streit & Fuchs (2007, 2012²) bezüglich seiner Effektivität als Leselerntraining empirisch geprüft. Es ist Baustein des
übergeordneten IntraActPlus-Konzepts (IAP-Konzept), welches der Arbeit an einer positiven Lernbeziehung als Basis für das
Lernen an Inhalten besondere Bedeutung zuweist (ebd.).
Das evaluierte Leselerntraining ist lernpsychologisch fundiert und konzentriert sich auf einen Prozess, der zu einer sicheren
Automatisierung von neuen, spezifischen Teilfertigkeiten des Lesens führen soll. Über die Relevanz von Leseprozessmodellen
unter Berücksichtigung der Automatisierung von Teilfertigkeiten (z.B. Graphem-Phonem-Korrespondenz) herrscht in der
Leseforschung Einigkeit. Wie dieser Lernprozess jedoch zu organisieren ist, darüber bestehen beträchtliche Differenzen (vgl.
Glaser 2009). Unzureichende Automatisierung von Basisfertigkeiten des Lesens ist jedoch nach Jansen & Streit (2006) das
Kernproblem von LRS. Basierend auf umfangreichen Befunden zu effektiven Lernwegen im Leseunterricht (National Institute of
Child Health and Human Development, 2000) sind die Übungsmodule deshalb systematisch und lerntheoretisch kleinschrittig
aufgebaut.
2009 geriet das Programm in die Kritik. Insbesondere von dem Pädagogen Hans Brügelmann wurde „Lesen und Rechtschreiben
nach IAP-Konzept“ u.a. als „lerntheoretisch zweifelhaft“, „fachdidaktisch unhaltbar“ sowie „grundschulpädagogisch nicht
wünschenswert“ beurteilt. In seinem Resümee betonte er, dass es sich verbieten würde, dieses Konzept zur Grundlage des
Anfangsunterrichtes im Lesen und Schreiben zu machen. Weiterhin läge keine Evaluation in der Unterrichtspraxis vor
(Brügelmann, 2009).
Die eigene Studie griff diese Kritikpunkte auf und nahm die nötige empirische Prüfung vor. Sie ging folgender Frage nach: Lässt
sich bei Einsatz des Leselerntrainings in der Unterrichtspraxis bei LRS-Grundschulkindern eine Lerneffektivität nachweisen?
Die Untersuchung wurde in der Schulpraxis mit 85 Grundschulkindern im Rahmen eines quasi-experimentellen
Längsschnittdesigns (Trainingsgruppe und Kontrollgruppe) in sächsischen LRS-Klassen durchgeführt. Neun Monate lang lernten
die Kinder der Trainingsgruppe täglich in kurzen Übungseinheiten mit den IAP-Materialien, sowohl im Deutschunterricht unter
Anleitung der Lehrkraft, als auch im Elternhaus. Dies ist ein Ansatz der in der Evaluationspraxis selten vorkommt.
Aufgrund der Systematik des Programms wurden Hypothesen aufgestellt, welche annehmen, dass es in den abhängigen
Variablen Leseleistung (H 1) und Rechtschreibleistung als Transferleistung (H 2) zu deutlicheren Verbesserungen kommen sollte
als in der herkömmlich geförderten Kontrollgruppe. Die Messungen wurden mit standardisierten Testverfahren vorgenommen.
Die Auswertung erfolgte mit zweifaktorieller Varianzanalyse. Ergänzend wurden die subjektiv erlebten Erfahrungen der Lehrkräfte
und Eltern mit Fragebögen erfasst (Trainingsgruppe 2).
H1 konnte vollständig bestätigt werden (Interaktionseffekt Eta²= 9%). LRS-Grundschulkinder steigern sich nicht nur signifikant in
ihren Leseleistungen, sondern die Leseleistungsverbesserungen übertreffen auch die der Kontrollgruppe. Überdies erreichen die
Trainingskinder mit einer Leistungssteigerung von im Mittel 11,63 T-Wert-Punkten eine durchschnittliche Lesefähigkeit (Wegfall
des LRS-Kriteriums im Bereich Lesen). Hiermit kann gezeigt werden, dass Kinder mit einem lernpsychologisch fundierten und
systematisch, kleinschrittig aufgebautem Programm erfolgreich lesen lernen können. H2 konnte bisher wegen hoher Streuung in
den Posttestwerten nur in der Tendenz bestätigt werden (Interaktionseffekt Eta²= 2,8%).
Diese Ergebnisse sollen unter Kontrolle von Störvariablen (systematische Gruppenunterschiede in der Schulpraxis bei
nichtrandomisierten Klassenstichproben des quasiexperimentellen Designs) in Einzelvergleichen untermauert werden. Die
Nachhaltigkeit der Trainingswirkung wird in der laufenden Follow up-Studie untersucht. Teildaten hierzu wurden bereits erhoben.
Deren Rohwerte (Trainingsgruppe 1) weisen auf anhaltende Effekte des Trainings hin.
Die subjektiven Einschätzungen der befragten Eltern und der Lehrkraft der Trainingsgruppe 2 bestätigen die empirischen
Befunde. Die Annahmen Brügelmanns über die fehlende Eignung des Trainingsprogramms nach IntraActPlus-Konzept für
Lesenlernende in der Grundschule sind nach diesen Befunden kaum mehr haltbar.
ID: 609
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie
Thematisches Cluster: Bildung im Sekundarbereich, Bildungsgerechtigkeit/ Migration
Stichworte: Migration, Studienaspiration, Sozialkapital, Sekundarstufe II
Die Bedeutung schulbezogenen Sozialkapitals für die Studienaspiration von SchülerInnen mit und ohne
Migrationshintergrund im Verlauf der Sekundarstufe II
Bettina Scheidt, Claudia Schuchart
Bergische Universität Wuppertal, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Migranten weisen trotz schlechterer Schulleistungen (Ditton et al. 2005) und geringerer Netzwerk- und Ressourcenausstattung
höhere Bildungsaspirationen auf als einheimische Eltern (Roth et al. 2010). Da am Übergang in die weiterführenden Schulen
diese Aspirationen häufig nicht umgesetzt werden, wird bspw. die Fach- oder Allgemeine Hochschulreife häufig auf alternativem
Wege erworben (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010, Kristen 2014). Anschließend weisen Migranten eine höhere
Studierneigung auf als andere Absolventen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010; auch international, z.B. Fekjaer &
Birkelund 2007).
Nach Bourdieu (1983) erreichen Menschen ihre Bildungsziele, indem sie verfügbare Kapitalien abrufen. Dazu zählt neben
kulturellem und ökonomischem Kapital soziales Kapital, welches in den Beziehungen zu Personen besteht. Die Größe des
Sozialkapitals einer Person ist abhängig davon, zu wie vielen Personen sie in Beziehung steht sowie von der Größe des
kulturellen und ökonomischen Kapitals dieser Beziehungspartner. Gerade Migrantenfamilien verfügen über weniger
ressourcenstarke Netzwerke (Roth et al. 2010). Eine mögliche Erklärung, wie es den SchülerInnen dennoch gelingt, die
Aspirationen aufrecht zu erhalten und umzusetzen, liegt in den schulischen Beziehungen. So bieten die Beziehungen zu den
Lehrkräften als institutionelle Agenten (Stanton-Salazar 1997, 2011) Zugang zu Ressourcen und Unterstützung, gleichwohl fällt
es benachteiligten Jugendlichen schwerer, diese Unterstützung abzurufen (Stanton-Salazar & Spina 2005). Weiterhin spielen
Peers als Sozialisationsagenten eine Rolle: So nehmen Freunde Einfluss auf Bildungsorientierungen und -aspirationen (Krüger
& Deppe 2010, Ream & Rumberger 2005), aber auch die ethnische Klassenzusammensetzung kann bedeutsam sein für den
Schulerfolg ethnischer Minderheiten (Baysu et al. 2014).
Fragestellung
In dem Beitrag soll folgende Frage verfolgt werden: Welche Rolle spielen die verschiedenen schulischen Sozialisationsagenten
(Lehrkräfte, Peers) für die Entwicklung der Studienaspiration von SchülerInnen mit im Vergleich zu SchülerInnen ohne
Migrationshintergrund im Verlauf der Sekundarstufe II? Die Beziehungen zu institutionellen Agenten und Peers sollen in ihrer
Quantität und Qualität genauer untersucht und in ihrer Erklärungsmacht für die Entwicklung der Studienaspiration analysiert
werden.
Methode
Unsere Datengrundlage umfasst 2700 SchülerInnen aus allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, die zu Beginn und zum
Ende der Sekundarstufe II zu ihren Studienaspirationen und damit im Zusammenhang stehenden Faktoren befragt wurden. Ein
Drittel verfügt über einen Migrationshintergrund. Für die Analyse der Art und Qualität der Beziehungen zu schulischen
Sozialisationsagenten werden varianzanalytische Methoden genutzt. Die Bedeutung der schulischen Sozialisationsagenten für
die Bildungsaspiration im Zeitverlauf analysieren wir mit Strukturgleichungsmodellen.
Ergebnisse
Auch in unserer Studie finden wir eine deutlich höhere Studienaspiration von SchülerInnen mit Migrationshintergrund im Vergleich
zu SchülerInnen ohne Migrationshintergrund, die im Verlauf der Sekundarstufe II in der letztgenannten Gruppe stärker sinkt als
in der erstgenannten Gruppe. SchülerInnen mit Migrationshintergrund nehmen besonders hohe Elternaspirationen wahr,
allerdings sind für sie im Unterschied zu SchülerInnen ohne Migrationshintergrund Lehrkräfte, Mitschüler und Freunde wichtigere
und häufigere Ansprechpartner bei Fragen zum weiteren Ausbildungsweg als die Eltern. Allerdings nehmen insbesondere
SchülerInnen mit Migrationshintergrund Lehrkräfte im Verlauf der Sekundarstufe II als immer weniger hilfreich und unterstützend
wahr, während die Unterstützung durch Freunde einen deutlichen Bedeutungszuwachs erfährt. Dass diese Freunde häufiger als
bei SchülerInnen ohne Migrationshintergrund eine Studienberechtigung bzw. ein Studium anstreben, lässt annehmen, dass sich
SchülerInnen mit Migrationshintergrund gezielter in Peergroups mit hohen Bildungsaspirationen aufhalten. Für die Entwicklung
der Studienaspiration von größter Bedeutung sind für SchülerInnen mit Migrationshintergrund die Erwartungen der Freunde und
die Ermunterung durch Lehrkräfte im Verlauf der Sekundarstufe, die Eltern besitzen keinen Einfluss. Im Unterschied dazu ist für
SchülerInnen ohne Migrationshintergrund die Bedeutung der Peers geringer, während die Studienaspiration ganz klar von der
Ermunterung durch die Eltern beeinflusst wird. Insgesamt verweisen die Ergebnisse auf die Wichtigkeit außerfamiliären sozialen
Kapitals für die Bildungsaspiration von SchülerInnen mit Migrationshintergrund und problematisieren die Rolle der Lehrkräfte in
der Sekundarstufe II.
ID: 610
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft
Thematisches Cluster: Selbstreguliertes Lernen, Motivation und Emotion, Unterrichtsentwicklung/ Unterrichtsqualität
Stichworte: Lernzeiten, Helfersystem, Peer-Helping, Ganztag, Lernverhalten
Der Ganztag im Spannungsfeld zwischen gemeinsamem und eigenständigem Lernen. Einführung eines
Helfersystems in Lernzeiten im Rahmen einer Interventionsstudie
Inga Wehe
Technische Universität Dortmund, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Seit den unterdurchschnittlichen Ergebnissen deutscher Schülerinnen und Schüler bei den großen Schulleistungsstudien wie
PISA, TIMMS und IGLU wird versucht die dort aufgeführten Defizite sowie die in Deutschland bestehende Chancenungleichheit
und die Leistungsstreuung zwischen guten und schlechten Schülerinnen und Schülern durch den Ausbau von Ganztagsschulen
zu kompensieren (vgl. Coelen & Stecher, 2014).
Die Gestaltungselemente von Ganztagsschulen bergen besonders großes Potenzial gleiche Chancen auf Bildungserfolg zu
ermöglichen (vgl. Holtappels, 2006). Hierzu zählen auch die Lernzeiten, die die bisherige Hausaufgabentradition ablösen und zur
Etablierung einer neuen Lernkultur beitragen (vgl. BMBF; 2012). Lernzeiten sollen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu
selbstständigem und eigenverantwortlichem Lernen geben und damit gleiche Voraussetzungen für alle schaffen (vgl. ebd.).
Nach Zimmermann und Schunk (1989) stehen affektiv motivationale Faktoren des Lernens sowie Aspekte des Lernverhaltens
wie beispielsweise die Lernmotivation und die Selbstreflexion in Zusammenhang mit selbstständigen Lernen. In diesem Kontext
gilt Peer Education als ein Ansatz, das Selbstkonzept sowie Aspekte des Lernverhaltens zu steigern (vgl. Schumacher, 2008;
Wagener, 2014; Ginsburg-Block, Fantuzzo & Rohrbeck, 2006). Insbesondere das Peer Helping kann hierauf in Form eines
Helfersystems wirken, was bislang jedoch nicht tiefergehend erforscht wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
inwiefern sich die Teilnahme an einem Helfersystem in den Lernzeiten auf das Lernverhalten sowie auf die affektiv-motivationalen
Faktoren des Lernens auswirkt und somit Bedingungen für selbstständiges Lernen schafft.
Ziel des Forschungsvorhabens
Mit diesem Forschungsvorhaben sollen die positiven Effekte eines Helfersystems in Lernzeiten auf das Lernverhalten und
affektiv-motivationale Faktoren des Lernens von teilnehmenden Schülerinnen und Schülern aufgezeigt werden und damit den
Ansatz von Peer Education in Form eines Helfersystems als eine Möglichkeit für die Schaffung von gleichen Chancen auf
Bildungserfolg an der Ganztagsschule anführen.
Fragestellung
1) Inwiefern hat der Einsatz eines Helfersystem in Lernzeiten Auswirkungen auf das Lernverhalten und affektiv-motivationale
Faktoren des Lernens?
2) Bestehen Unterschiede zwischen den Hilfe gebenden und Hilfe empfangenden Kindern?
3) Besteht ein Zusammenhang zwischen der Qualität/Form der Hilfeleistung und der Veränderung des Lernverhaltens affektivmotivationaler Faktoren des Lernens?
4) Gibt es Einflussfaktoren, die sich besonders positiv/ negativ auf das Zustandekommen und die Qualität der Hilfestellung
auswirken?
Methoden
Der Interventionsstudie, unterliegt ein sequential mixed model design, bei dem zwei Hauptstudien mit qualitativem und
quantitativem Schwerpunkt im Längsschnitt durchgeführt werden sollen:
Quantitativer Forschungsanteil:
Methode
Prä-/Post-Design
Fragebogenerhebung (standardisiert) Interventionsbegleitend
Fragebogenerhebung (Reflexionsbögen) (standardisiert)
Konstrukte
Lernverhalten gemessen über:




Selbstreflexion
Lernmotivation,
Leistungsbereitschaft,
Selbstständigkeit im Lernprozess
Lernverhalten gemessen über:
Einzelitems zu:





Selbstreflexion
Lernmotivation
Leistungsbereitschaft
Lernzufriedenheit
Anspruch an Hilfe
Auswertungsmethode
Deskriptive Analysen, Mittelwertvergleiche, Faktoren- und Varianzanalyse, Regressionsanalyse
Deskriptive Analysen, Mittelwertvergleiche, Faktoren- und Varianzanalyse, Regressionsanalyse
Personen/ Bereiche
3x2 fünfte Klassen (180 Schülerinnen und Schüler)
Plus Kontrollgruppe (90 SuS)
180 teilnehmende Schülerinnen und Schüler (ca. 3800 Bögen verteilt über 21 Wochen/ein Halbjahr ) plus Kontrollgruppe (90
SuS)
Themenbereiche/Ziel
Einschätzungen der SuS (Unterscheidung in nicht teilnehmende, Hilfe empfangende und Hilfe gebende Kinder) zu ihrem
Lernverhalten
Einschätzungen der SuS zu ihrem Lernverhalten nach jeder Lernzeit sowie Dokumentation der Hilfestellungen, der Form der
Hilfe und Erfolg
Qualitativer Forschungsanteil:
Methode Leitfadengestütztes Interview
Auswertungsmethode Qualitative Inhaltsanalyse
Personen/ Bereiche Auswahl an teilnehmenden Kindern (5. Klasse)
Themenbereiche/ Ziele Einstellungen, Motivation zu Hilfeleistungen: Bedingungen und Voraussetzungen
(Erwartete) Ergebnisse
Auf Grundlage bereits existierender Forschungsergebnisse zu peer-gestütztem Lernen sowie dem damit eng in Beziehung
stehenden kooperativem Lernen wird erwartet, dass sich die Teilnahme an einem Helfersystem insbesondere bei den Hilfe
bekommenden Kindern positiv auf das Lernverhalten auswirkt. Darüber hinaus wird angenommen, dass vor allem positive Effekte
bei den Hilfe gebenden Kindern die affektiv-motivationalen Faktoren des Lernens aufgezeigt werden können. Zudem wird davon
ausgegangen, dass ein Zusammenhang zwischen der Form und Qualität der Leistung und den positiven Effekten auf das
Lernverhalten sowie den affektiv-motivationalen Faktoren des Lernens identifiziert werden kann.
ID: 626
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Genderforschung, Lernen mit Computer und neuen Medien, Sonstiges
Stichworte: Netzwerkanalyse, Online-Mentoring, Mentoring-Erfolg, PageRank, Ansteckung
Unterstützende Netzwerkeffekte in Online-Mentoring Plattformen
Manuel Hopp1, Michael Heilemann2, Heidrun Stöger2, Albert Ziegler1
1
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 2Universität Regensburg, Deutschland
» Hintergrund
Der Erfolg von Mentoring wird zu großen Teilen durch die Passung und die Beziehung zwischen Mentor und Mentee bestimmt
(vgl. DuBois & Karcher, 2013). In Online-Mentoring Netzwerken ist es Mentees und Mentorinnen neben der persönlichen
Gespräche möglich, auch mit anderen Teilnehmerinnen darüber hinaus zu kommunizieren. Dabei können Netzwerkeffekte
auftreten, die in der bisherigen Forschung vernachlässigt wurden.
(Soziale) Netzwerkwerkanalyse ist ein aufstrebendes Forschungsfeld. In sozialen Netzwerken werden die Benutzer durch Knoten
und die sozialen Kontakte durch verbindende Kanten zwischen diesen Knoten abgebildet. Kanten können beispielsweise auch
Kommunikationen, Facebook-Likes und anderen sozialen Austausch repräsentieren. Durch eine zusätzliche Gewichtung der
Kanten ist eine weitere Differenzierung der Beziehung zwischen den Knoten möglich (z.B. die Stärke der Freundschaft). Die
hieraus gebildeten Netzwerkabbildungen können schließlich durch graphentheoretische Analysen untersucht werden.
So können die Position einer Person (Knoten) im Netzwerk und die Art der Verbindungen (Kanten) deren Entscheidungen
beeinflussen und signifikante Unterschiede zwischen ansonsten ähnlichen Peers hervorrufen. Beispielsweise zeigt Granovetter
(1973) die Bedeutung von schwachen sozialen Kontakten („weak ties“) für Vorstellungsgespräche im Arbeitsmarkt. Smith &
Christakis (2008) zeigen an diversen Beispielen, wie die Gesundheit einer Person von ihrer Position und der Art von Peers im
Netzwerk abhängt. Auch bei der Verbreitung von Ideen und Krankheiten spielt die Netzwerkstruktur eine entscheidende Rolle
(Newman, 2002). Aus Kermacks und McKendricks (1927) SIR Modell (Susceptible-Infected-Recovered-Model) lässt sich
schließen, dass zentral positionierte, empfängliche (susceptible) Personen eine höhere Ansteckungswahrscheinlichkeit besitzen
als beispielsweise „Einzelgänger“. Friedkin & Johnson (1999) entwickelten passend hierzu die „social influence network theory“.
Um erfolgreiches Mentoring zu erreichen, ist es daher naheliegend, positive Netzwerkeffekte zu fördern. CyberMentor ist
deutschlandweit die größte Online-Mentoring Plattform für Mädchen in MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften &
Technik). Schülerinnen der 6. bis 12. Klasse werden ein Jahr von einer persönlichen Mentorin auf der Plattform begleitet.
» Fragestellung
In diesem Poster wird der Zusammenhang zwischen der Position einer Mentee im Mentoring-Netzwerk und dem Mentoring-Erfolg
im Rahmen der Online-Mentoring Plattform CyberMentor beleuchtet.
Dabei werden folgende Forschungsfragen beantwortet:
(1) Ist alleine schon eine höhere Vernetzung von Mentees auf der Online-Plattform hilfreich für erfolgreiches Mentoring?
(2) Zählt neben der Quantität des Austausches auch die Qualität der Kommunikation für den Mentoring-Erfolg?
» Methode
CyberMentor bietet den Teilnehmerinnen ein plattformgebundenes Nachrichtensystem. Im Verlauf von sechs Monaten im Jahr
2011 wurden zwischen den Teilnehmerinnen fast 11.000 Nachrichten ausgetauscht.
Durch korpuslinguistische Analysen mit dem Programm LIWC (Linguistic Inquiry and Word Count) wurde deren Inhalt auf MINTBezug hin überprüft. Hieraus konnten zwei Netzwerkstrukturen mit NodeXL (Smith et al., 2010) konstruiert werden: Zum einen
das gesamte CyberMentor Nachrichtennetzwerk und zum anderen das Netzwerk bestehend aus MINT-bezogenen Nachrichten.
Aus den Daten von insgesamt 422 Mentees und 421 Mentorinnen wurde ein Subset von 90 Mentees mit vollständigem Datensatz
extrahiert und deren Position in den jeweiligen Netzwerken berechnet. Sie unterscheiden sich bzgl. der erhobenen Attribute nicht
signifikant von der Gesamtstichprobe.
Als Zentralitätsmaß wurde der von Page et al. (1999) entwickelte PageRank verwendet. Je höher der PageRank, desto stärker
ist die Person mit anderen zentralen Personen verbunden (Näheres in Langville & Meyer, 2004). In diesem Zusammenhang
eignen sich einfachere Maße weniger für die Zentralitätsanalyse (vgl. Heidemann et al., 2010).
Zu Beginn des Mentorings und nach sechs Monaten wurde per Fragebogen nach der Durchführung von MINT-bezogenen
Tätigkeiten gefragt. Die Differenz der beiden Messzeitpunkte bildet den Mentoring-Erfolg.
In einer schrittweisen linearen Regression mit Kontrolle auf den Initialzustand wird der Zusammenhang zwischen PageRank und
Mentoring-Erfolg untersucht.
» Ergebnisse
Es zeigt sich ein linearer Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variablen „PageRank“ und der abhängigen Variablen
„Mentoring-Erfolg“. Je zentraler die Position einer Mentee bzgl. des PageRanks ist, umso mehr profitiert sie. Der Zusammenhang
wird nur im MINT-Netzwerk signifikant (p<.01).
ID: 627
Poster
Disziplinen-Cluster: Psychologie
Thematisches Cluster: Hochschulbildung
Stichworte: Persönlichkeitsentwicklung, Studienfachwahl, Narzissmus, Machiavellismus
Die Bedeutung der Studienfachwahl für die Entwicklung von Narzissmus und Machiavellismus
Michael P. Grosz1, Brent W. Roberts2, John F. Rauthmann3, Richard Göllner4,1, Marion Spengler4,1, Benjamin
Nagengast4, Ulrich Trautwein4
1
Graduiertenschule LEAD, Eberhard Karls Universität Tübingen; 2Department of Psychology, University of Illinois at UrbanaChampaign; 3Institut für Psychologie, Humboldt-Universität zu Berlin; 4Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung,
Eberhard Karls Universität Tübingen
Die Veränderung von Persönlichkeitseigenschaften ist ein vieldiskutiertes Thema, welches inzwischen auch für die Pädagogische
Psychologie und die Empirische Bildungsforschung von hoher Relevanz ist. Es besteht kaum mehr Zweifel daran, dass
Persönlichkeitseigenschaften einer Veränderung unterliegen und durch Charakteristika der Umwelt beeinflusst werden können
(insbesondere im frühen Erwachsenenalter; Roberts, Walton, & Viechtbauer, 2006). Die Identifikation entwicklungsrelevanter
Kontexte ist in den letzten Jahren auch zunehmend mehr in das Blickfeld der Empirischen Bildungsforschung gerückt (z.B.
Lüdtke, Roberts, Trautwein, & Nagy, 2011). Allerdings setzt die Identifikation kontextueller Einflussgrößen nicht nur das
Vorhandensein hinreichend unterschiedlicher Entwicklungsmilieus voraus, sondern erfordert notwendigerweise die Trennung von
Selektions- und Sozialisationseffekten. Ziel der vorliegenden Studie war es einerseits, den Einfluss von Narzissmus und
Machiavellismus auf die Studienwahl von Abiturienten zu untersuchen (Selektionseffekt) und andererseits zu prüfen, ob und in
welchem Ausmaß das gewählte Studienfach die Entwicklung von Narzissmus und Machiavellismus im frühen Erwachsenenalter
beeinflusst (Sozialisationseffekt).
Um diese Effekte zu untersuchen wurden längschnittliche Daten von zwei ähnlichen Kohorten des Projekts Transformation des
Sekundarschulsystems und akademische Karrieren (TOSCA; Köller, Watermann, Trautwein & Lüdtke, 2004; Trautwein,
Neumann, Nagy, Lüdtke, & Maaz, 2010) analysiert: TOSCA-2002 und TOSCA-2006. Die TOSCA-Kohorten sind ideal für die
dargelegten Fragestellungen, da in den Kohorten die Entwicklung von Narzissmus und Machiavellismus beginnend mit dem
letzten Schuljahr über eine Dauer von bis zu 12 Jahren erfasst wurde. Selektions- und Sozialisationseffekte wurden mittels
Propensity Score Matching und Unterschieds- und Veränderungsanalysen in Strukturgleichungsmodellen mit latenter
Modellierung getestet.
Es wurde hypothesiert, dass Abiturienten hoch in Narzissmus als auch Abiturienten hoch in Machiavellismus häufiger
ökonomische Studienrichtungen wählen als Abiturienten mit geringer Narzissmus- und Machiavellismusausprägung, da beide
dunklen Persönlichkeitseigenschaften und auch ökonomische Studienrichtungen durch eine Betonung von agentischen Zielen
(e.g., Status, Macht, Wettkampf und Überlegenheit) und einer Vernachlässigung von kommunalen Zielen (Beziehungen,
Akzeptanz und Gemeinschaftsgefühle) gekennzeichnet sind (Campbell & Foster, 2007; Dahling, Whitaker, & Levy, 2009;
McHoskey, 1999). Aus den gleichen Gründen wurde angenommen, dass das Studieren von ökonomischen Fächern mit einer
stärkeren Zunahme bzw. geringeren Abnahme an Narzissmus und Machiavellismus als im früheren Erwachsenalter üblich
einhergeht.
Die Ergebnisse zeigten allerdings durchaus unterschiedliche Effekte für die beiden Persönlichkeitseigenschaften. Abiturienten
mit hohem Machiavellismus (nicht aber mit hohem Narzissmus) wählten häufiger ökonomische Studienrichtungen als
Abiturienten mit geringem Machiavellismus (beziehungsweise Narzissmus). Gleichzeitig ging das Studieren von ökonomischen
Fächern auch nur mit einer geringeren Abnahme an Machiavellismus nicht aber mit einer geringeren Abnahme an Narzissmus
einher. Darüber hinaus zeigte sich unter anderem, dass Abiturienten mit einer hohen Machiavellismusausprägung häufiger als
nicht-machiavellistische Abiturienten Rechtswissenschaften studieren.
Möglicherweise wählen Abiturienten hoch in Machiavellismus vermehrt ökonomische und rechtwissenschaftliche Fächer, weil sie
sich aufgrund ihres zynischen Weltbildes davor fürchten ausgebeutet, dominiert und verletzt zu werden (Christie & Geis, 1970)
und daher ökonomische Ressourcen und Rechtsicherheit anstreben. Potentielle Erklärungen für die Abwesenheit der
angenommenen Selektions- und Sozialisationseffekte bezüglich Narzissmus werden diskutiert.
ID: 630
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Sonstige Didaktiken
Thematisches Cluster: Bildungsgerechtigkeit/ Migration, Hochschulbildung, Kompetenzdiagnostik/ Kompetenzentwicklung
Stichworte: Auslandsstudium, interkulturelle Kompetenz, Auslandsaufenthalt interkultureller Erfolg
Persönlichkeitsentwicklung und Kompetenzförderung im Auslandsstudium Eine empirische
Untersuchung über den Einfluss von Auslandsaufenthalten
Petia Genkova
HS Osnabrück, Deutschland
Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkungen ein Auslandsstudium auf die interkulturelle Kompetenz und die
Persönlichkeitsentwicklung hinsichtlich der Stressbewältigungsstrategien von Studierenden hat. Ist ein Auslandsstudium die
Basis für Interkulturelle Kompetenzentwicklung? Oder bringt ein Auslandsstudium eine Vielzahl von Problemen mit sich, sodass
es allgemeinhin nur als Lücke im Lebenslauf angesehen werden kann? Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um zwei
Untersuchungen, die den interkulturellen Erfolg in Bezug auf den Auslandsaufenthalt und die Rückkehr betrachten. Bei der
Untersuchung wurde eine Regressionsanalyse durchgeführt sowie die Unterschiede der Mittelwerte analysiert.
In den beiden Untersuchungen mit den Stichprobengrößen N= 453 und N= 151 werden die Wechselwirkungen zwischen den
Stressbewältigungsstrategien und soziokultureller und psychologischer Anpassung analysiert, um die Einflussfaktoren von
interkulturellem Erfolg zu ermitteln. Anhand der Messung der soziokulturellen Anpassung durch die SCAS (Ward & Kennedy,
1999) werden Unterschiede im Ausmaß der Stressbewältigungsprobleme (Fillip & Ferring, 1999) und den persönlichen Arbeitsund Erlebnisverhaltensmuster (AVEM- Schaarschmidt 6 Fischer, 2008) erkennbar.
Mittels moderierter Regression und SGMs wurden moderierende Faktoren auf der situationsbezogenen Ebene, speziell kulturelle
Distanz, Aufenthaltsdauer und Kontaktqualität zu Angehörigen der Gastkultur ermittelt. Als Einflussfaktoren der soziokulturellen
Anpassungen lassen sich auf der individuellen Ebene die Sprachkenntnisse und eine kulturorientierte Ausbildung ermitteln.
Zwischen soziokultureller und psychologischer Anpassung kann ein wechselseitiges Beeinflussungsverhältnis festgestellt
werden.
Die Studierenden unterscheiden sich ebenfalls in Bezug auf die Copingstrategien. Es konnte festgestellt werden, dass
Studierende mit problemorientiertem Coping eine bessere Anpassung und einen besseren Studienerfolg erzielten als diejenigen,
welche emotionszentrierte Copingstrategien verfolgten.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass längere Aufenthalte tendenziell zu bevorzugen sind, da hierbei bessere
Anpassungserfolge erreicht werden können. Ferner erweist sich die Kontaktpflege im Ausland als hilfreich. Ein guter Kontakt zu
Angehörigen der Gastkultur wirkt sich vor allen Dingen förderlich auf die soziokulturelle Anpassung der Studierenden aus. Hierbei
kommt es allerdings nicht auf die Quantität der Kontakte zu den Angehörigen der Gastkultur an, sondern auf die Qualität und
Intensität der Kontakte. Die Studierenden, welche tiefergehenden Kontakt zu Angehörigen der Gastkultur hatten, zeigten größere
Studienerfolge und größere Entwicklungen in ihrer interkulturellen Kompetenz. Dadurch lässt sich sicherstellen, dass im Ausland
gewohnte Leistungen erreicht werden. Zudem kann die Gefahr eines vorzeitigen Abbruchs des Aufenthalts reduziert werden.
Letztendlich können die beiden untersuchten Aspekte der Anpassung als Voraussetzungen für den interkulturellen Studienerfolg
gewertet werden.
ID: 649
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Psychologie, Didaktiken der Naturwissenschaften und Technik
Thematisches Cluster: Hochschulbildung, Lehrerexpertise, Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht
Stichworte: Videografie, Performanz, Lernprozesse
Kommunikationspartner und Lern- und Leistungsmotivationen als Determinan-ten von Art und Qualität
der sozialen Interaktion in offenen Lernarrangements. Befunde einer Videostudie im Planspielunterricht
in der Beruflichen Bildung
Antonia Scholkmann2, Jens Siemon2, Michel Knigge1, Kay-Dennis Boom2
1
Universität Potsdam, Deutschland; 2Universität Hamburg
I Theoretischer Hintergrund
Im schulischen Kontext gilt sozial angemessenes Kommunizieren als wesentliche Voraus-setzung für akademische Leistungen
und späteren beruflichen Erfolg gleichermaßen (vgl. Chew, Md Zain, & Hassan, 2015; Conrad & Newberry, 2012; Kunter & Stanat,
2002). Zur Bewertung der Angemessenheit einer Kommunikation gilt dabei, dass diese sich je nach Anforderungsgehalt der
Situation anpassen kann (vgl. Kanning, 2002). Auf den schulischen Kontext übertragen ist hier davon auszugehen, dass auch
der Status bzw. die Funktion einer Person (Lehrer oder Mitschüler) und motivationale Einflüsse zur Variation von Art und Qualität
der Kommunikation beitragen (vgl. Kunter & Stanat, 2002). Als dritter Ein-fluss lässt sich, insbesondere in verstärkt umgesetzten
partnerarbeitsbasierten Lernarran-gements, auf der Basis existierender Befunde der Einfluss von motivationalen Charakteris-tika
von Lernpartnern annehmen (vgl. z. B. Knigge, Siemon, Nordstrand, & Stolp, 2013) .Allerdings fehlen bisher empirische Befunde,
die genaueren Aufschluss über die komple-xe Dynamik zwischen situationellen Anforderungen, individuellen Motivationen und
der Art und Qualität der sozialen Interaktion in Lernprozessen geben können, wenn insbe-sondere auch
Lernpartnercharakteristika berücksichtigt werden.
II Fragestellung
Vor diesem Hintergrund stellte die hier vorgestellte Studie stellte die Frage, wie Kommu-nikationspartner und Lern- und
Leistungsmotivationen auf Schüler- und auf Lernpartner-seite die Art und Qualität sozialer Kommunikation von Schülern in
offenen Unterrichtssi-tuationen beeinflussen. Aufgrund theoretischer Vorannahmen und eigener Vorarbeiten wurde dabei davon
ausgegangen, dass insbesondere die Kommunikation von Lernpart-nern in Kombination mit intrinsisch geprägten
Motivationsaspekten sowie die Kommuni-kation mit dem Lehrern in Kombination mit einer hohen Leistungsmotivationen die Art
und Qualität der sozialen Kommunikation voraussagen sollte.
III Methode
Zur Untersuchung dieser Forschungsfrage nutzte die vorliegende Studie das Videografie-verfahren MuVA (Multimodale Videound Audioanalyse, Siemon, Boom, & Scholkmann, 2015), welches unterrichtliches Geschehen mithilfe mehrere Kameras in
Kombination mit individuellen Audioaufnahmen erfasst. Für die vorliegende Studie wurden Daten aus drei Hamburger
Berufsschulklassen für den Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau für Spediti-ons- und Logistikdienstleistungen analysiert (N =
59). Alle Schüler/-innen nahmen an ei-nem computerbasierten Simulationsplanspiel teil, welches über jeweils 8 Stunden gespielt
wurde und dabei über weite Strecken selbständige Partnerarbeit in Zweiergruppen erfor-derte.
Die Videodaten wurden mittels des Kodiermanuals SoKom (Siemon, Scholkmann, Boom, & Knigge, 2015) hinsichtlich der
Qualität der sozialen Interaktionen zwischen den Lern-partner/-innen sowie zwischen Schüler/-innen und der anwesenden
Lehrperson analy-siert. Das Manual differenzierte dabei basierend auf Fydrich, Chambless, Perry, Buergener, & Beazley (1998)
(1) den angemessenen Gebrauch von Stimme und Sprache, (2) die ange-messene Sprechdauer und (3) den angemessenen
Konversationsfluss. Zur Identifikation der Interaktionspartner „Lehrer“ oder „Lernpartner“ wurde die Dimension „Sozial“ des
Kodiermanuals Time on Task (TT) (Siemon, Scholkmann, Boom, & Knigge, 2015a) verwen-det. Die Erhebung der Motivation
erfolgte mit dem Fragebogen zur Erfassung aktueller Motivation in Lern- und Leistungssituationen (FAM, Rheinberg, Vollmeyer,
& Burns, 2001) zu zwei Zeitpunkten im Laufe des achtstündigen Planspiels. Neben den Werten der Schü-ler/-innen selbst auf
den erhobenen Dimensionen wurden in den Analysen die Werte des Lernpartners/der Lernpartnerin in der Dyade berücksichtigt.
IV Ergebnisse
Erste Ergebnisse mittels hierarchischer schrittweiser Regressionsanalysen zeigen, dass vor allem die Kommunikation mit dem
Lernpartner/der Lernpartnerin zusammen mit intrinsi-schen Motivationskomponenten die Qualität der sozialen Interaktion
bestimmt: Schüler/-innen, die viel mit ihrem Partner interagieren, kommunizieren adäquater in Stimme und Sprache und
Konversationsfluss, wenn sie gleichzeitig zu einem frühen Zeitpunkt im Lern-prozess ein hohes Interesse am Lerngegenstand
zeigen (Dimension Stimme und Sprache: R2=.56, p=.039, BetaKonvPart=.46/BetaFam1_I=.49; Dimension Konversationsfluss:
R2=.57, p=.032, BetaKonvPart.79/ BetaFam1_I=.42). Effekte für die Konversation mit der Lehrperson hingegen können in den
bisherigen Analysen nicht nachgewiesen werden. Ebenso zeigt sich, entgegen bestehender Annahmen, keinerlei Einfluss von
Motivationen des Lernpart-ners auf die Angemessenheit sozialer Kommunikationen.
ID: 651
Poster
Disziplinen-Cluster: Erziehungswissenschaft, Soziologie, Lehrerbildung
Thematisches Cluster: Methoden der empirischen Bildungsforschung
Stichworte: Partizipation, Zivilgesellschaft, Politik, zivilgesellschaftliches Engagement
Zivilgesellschaftliche und politische Partizipation von 14jährigen Schülerinnen und Schülern unter
Risikobedingungen
Daniel Deimel
Universität Duisburg-Essen, Deutschland
Problemkontext & theoretischer Hintergrund
Aktive Bürgerschaft ist definiert als „participation in civil society, community and/or political life, characterised by mutual respect
and non-violence and in accordance with human rights and democracy“ (Hoskins, 2006) und legitimiert den demokratischen Staat
(Meyer, 2009; Putnam, Leonardi & Nanetti, 1994). An diesen breiten Partizipationsbegriff anknüpfend beschreibt das Civic
Voluntarism Model (CVM, Verba, Schlozman & Brady, 1995) Ressourcen, das innere Beteiligtsein sowie das Eingebundensein
in präpolitische Kontexte als Prädiktoren zivilgesellschaftlichen und politischen Engagements. Politische Integration, also die
gleichberechtigte Berücksichtigung möglichst vieler Interessen, erscheint als Mittel der Wahl zur Sicherung sozialen Friedens
(Klein, Heitmeyer & Zick, 2012).
Bei Menschen mit ungünstigen sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Voraussetzungen zeigt sich eine Partizipations-Kluft:
eine Abkehr von verfassten politischen Akten zeigt sich insbesondere bei Angehörigen der unteren sozialen Schichten und
Personen mit geringen Formalabschlüssen (Petersen, Hierlemann, Vehrkamp & Wratil, 2013). Bei Jugendlichen gehen
ungünstige sozio-ökonomische Bedingungen des Elternhauses mit geringem Interesse an Politik, gering ausgeprägter
Bereitschaft zur politischen Partizipation sowie dem Ausbleiben gesellschaftlichen und politischen Engagements einher (Lange,
Onken & Korn, 2013). Bei Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte erweist sich vor allem Eingebundensein als wichtiger
Prädiktor; der elterliche soziale Status und inneres Beteiligtsein gilt hingegen ausschließlich bei Jugendlichen ohne
Zuwanderungsgeschichte als Prädiktor für unkonventionelles zivilgesellschaftliches Engagement (Eckstein, Jugert, Noack, Born
& Sener, 2015). Während die Rolle der Schulen hinsichtlich von Ungleichheiten breit diskutiert wurde (Quenzel & Hurrelmann,
2010), sind schulische Lernumgebungen förderlich für die zivilgesellschaftliche und politische Teilhabe junger Menschen
(Geboers, Geijsel, Admiraal & Dam, 2013; Torney-Purta, 2002). Die im Poster präsentierte Studie zielt darauf ab, Schutzfaktoren
(Noeker & Petermann, 2008) zu beschreiben, welche politische und zivilgesellschaftliche Teilhabe von SchülerInnen (SuS) unter
Risikobedingungen begünstigen.
Fragestellungen
1. Welche Merkmale charakterisieren Risikogruppen wenig partizipierender Jugendlicher?
2. Welche Schutzfaktoren fördern die Absicht zivilgesellschaftlicher und politischer Partizipation trotz Zugehörigkeit zu
Risikogruppen?
3. Welche schulbezogenen Variablen wirken hier moderierend / mediierend?
4. Welche Arten der Partizipation wählen Angehörige von Risikogruppen am ehesten?
Methoden
Im Rahmen der International Civic and Citizenship Education Study 2016 (ICCS 2016) wird untersucht, wie SuS auf ihre Rolle
als BürgerInnen vorbereitet sind. ICCS 2016 steht in einer Reihe mit weiteren Studien der International Association for the
Evaluation of Educational Achievement (IEA): CIVED (Schulz & Sibberns, 2004) und ICCS 2009 (Schulz, Ainley & Fraillon, 2011).
Im Rahmen von ICCS 2016 nimmt, neben weltweit 23 weiteren Bildungssystemen, als einziges deutsches Bundesland NordrheinWestfalen teil.
Zielpopulation sind SuS der achten Jahrgangsstufe. Erfasst werden unter anderem Wissen über Demokratie, politische
Handlungen und Institutionen, Einstellungen zu verschiedenen gesellschaftlichen Problemfeldern, politisches Interesse sowie
zivilgesellschaftliche und politische Handlungsabsichten. Weiter werden Hintergrundvariablen erhoben, welche eine
Kategorisierung nach sozio-ökonomischen Gesichtspunkten zulassen. Zusätzlich werden LehrerInnen und die Schulleitungen
befragt, um den schulischen Kontext der SuS zu erfassen.
Die Befragung der SuS erfolgt papierbasiert, die der Lehrkräfte und Schulleitungen als Online-Befragung. Die Stichprobe soll ca.
150 Schulklassen aus NRW umfassen, was ca. 3.500 SuS entspricht und ist hinsichtlich Schulform und Anteil der SuS mit
Migrationshintergrund stratifiziert. Gymnasien mit hohem Anteil von SuS mit Migrationshintergrund haben ein beabsichtigtes
Oversampling erfahren. Die Hauptuntersuchung findet im Frühjahr 2016 statt.
Ziele
Analog zum CVM (Verba et al., 1995) sollen verschiedene Modelle erarbeitet werden, in denen als abhängige Variable jeweils
bestimmte politische Beteiligungsakte definiert werden, die anhand der Pole „verfasst – nicht verfasst“, „legal – illegal“ und
„konventionell – unkonventionell“ systematisiert werden (Kaase, 1997). Die unabhängigen Variablen des CVM sollen als latente
Variablen konstruiert werden. ICCS 2016 bietet eine Reihe von Skalen und Variablen, welche diese Konstruktionen ermöglichen.
Anschließend lässt sich anhand der Ladungen beurteilen, welche dieser Einflüsse im Sinne von Schutzfaktoren für Risikogruppen
bedeutsam sind. Diese Schutzfaktoren bieten Ansätze für pädagogische Interventionen.