zum Bild - Galerie Widmer
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Varlin Friedhof in Spanien Varlin hat schon früh Friedhöfe gemalt und sie zogen ihn sein ganzes Malerleben lang an. Ob in Zürich auf der Hohen Promenade, in Cagnes-sur-Mer, Edinburgh oder Sanremo, er sah sie als Orte, an denen sich ein Teil des Lebens abspielt. Der einzige Friedhof jedoch, den er in verschiedensten Ansichten, Formaten und Variationen malte war derjenige von Almuñécar, einem kleinen Fischerort in der Nähe von Málaga. Eine Atelierversion dieses Friedhofs war Varlins erstes grossformatiges Werk überhaupt. Es ruhte vierzig Jahre lang als riesiges Wandbild in seinem ehemaligen Atelier am Zürcher Neumarkt, unsichtbar hinter einer Wandverkleidung. 1959 hatte er das monumentale Bild von 5,5 auf 2,6 Metern an die fensterlose Rückwand seiner Werkstätte gemalt. 2013 wurde es freigelegt und für kurze Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine zweite, fast ebenso grosse Version des Friedhofs von Almuñécar reichte er zusammen mit den Gemälden «Die Heilsarmee» und «Die Völlerei» 1964 als Beitrag zur Expo in Lausanne ein. Weshalb Varlin im Oktober 1958 ausgerechnet in Almuñécar landete, einem damals tristen Küstenort in der Provinz Granada weiss niemand mehr genau. Die Spanienreise ermöglicht hatte der kommerzielle Erfolg seiner Ausstellung im Kunstmuseum St. Gallen. In Almuñécar war Varlin ins tiefste Franco-Spanien geraten. Nur fünf Jahre zuvor war der letzte Guerillero am Ort erschossen worden. Die Sierra de Almuñécar hatte lange als Refugium für die in dieser Gegend besonders aktive Widerstandsbewegung gedient. Die herrschende Repression war Varlin nicht entgangen. Doch er war als Maler und nicht als Ankläger nach Spanien gereist, suchte Vorlagen und Modelle. Im Städtchen Almuñécar fand er beides. Er malte Personen aus dem Alltag der Stadt, aber auch verschiedene Gebäude wie die Schule und den Spital. Er war fasziniert und beeindruckt von der extremen Einfachheit der Leute, der Armut und der Kargheit der Landschaft. „Friedhof in Spanien“: Varlins zeitlose, eigenständige und durchaus kritische Kunst entfaltet sich in diesem grossflächigen Werk besonders. Umgeben von einer weissen Mauer, einer Kapelle und einigen Grabnischen, sind die wenigen, schmucklosen Gräber unregelmässig auf dem menschenleeren Gelände verteilt. Die letzte Ruhestätte der Widerstandskämpfer? Das Werk kann durchaus als Porträt der Condition humaine gelesen werden.