3. Wahlbarometer 2015
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3. Wahlbarometer 2015
Rechtsrutsch, bei schwächelnder Mitte Wichtiges in Kürze zur 3. Welle des Wahlbarometer 2015, September 2015 Studie im Auftrag von SRG SSR Projektteam Claude Longchamp Politikwissenschafter, Lehrbeauftragter der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen Martina Mousson Politikwissenschafterin Stephan Tschöpe Politikwissenschafter Aaron Venetz Politikwissenschafter Marcel Hagemann Sozialwissenschafter Johanna Schwab Sekretariat und Administration Inhaltsverzeichnis 1 WICHTIGES IN KÜRZE ................................................................................3 1.1 Wahlabsichten ......................................................................................3 1.2 Beteiligungsabsichten ...........................................................................4 1.3 Wanderungen der Wählenden seit 2011 ..............................................5 1.4 Bisheriger Wahlkampf...........................................................................5 1.5 Dringliche Probleme und Lösungen ......................................................6 1.6 Spezialthema: Energie ..........................................................................7 1.7 Parteipräsidenten und -präsidentinnen .................................................8 1.8 Systematisierte Gründe für Gewinne und Verluste ..............................9 1.9 Kurzantworten auf die drei Forschungsfragen ....................................11 1.10 Datengrundlage ...................................................................................13 2 ANHANG ....................................................................................................14 2.1 gfs.bern-Team .....................................................................................14 Bern, 09. September 2015 Copyright by gfs.bern 2 1 Wichtiges in Kürze 1.1 Wahlabsichten Wäre bereits am 24. August 2015 gewählt worden, hätten sich die Wahlberechtigten mit Beteiligungsabsichten wie folgt verteilt: Die SVP wäre auf 28.0 Prozent der Stimmen gekommen. An zweiter Stelle wäre die SP mit 19.3 Prozent gelegen. Dahinter eingereiht hätten sich die FDP mit 16.9 und die CVP mit 11.1 Prozent. Mit einem Wähleranteil von 7.4 Prozent wäre die GPS an fünfter Stelle gelegen; 4.3 Prozent wären auf die GLP entfallen und 4.2 Prozent auf die BDP. Das ist keine Prognose der Parteistärken für den Wahltag vom 18. Oktober 2015. Es ist der jetzige Stand der Dinge gemäss Wahlbarometer. Grafik 1 Die Messwerte selber sind mit einem statistischen Unsicherheitsbereich versehen. Dieser ist nicht absolut, denn er hängt von der Parteigrösse ab. Bei grossen Parteien fällt er grösser aus, bei kleinen Parteien kleiner. Er variiert auch mit dem verlangten Sicherheitsmass. Man kann diese Berechnungen dazu verwenden, um zu bestimmen, wie wahrscheinlich aktuelle Gewinne und Verluste gegenüber 2011 wären. Gewinne erscheinen bei der FDP zu 94 Prozent wahrscheinlich, bei der SVP zu 85 Prozent. Verluste von BDP und GLP gegenüber 2011 sind zu 96 Prozent wahrscheinlich. Bei der CVP und der GPS haben die Stimmenverluste eine Probabilität von 90 Prozent. Nach verbreiteter statistischer Konvention sind nur Aussagen mit 95prozentiger Wahrscheinlichkeit sicher genug. Effektiv sind die Abweichungen in der letzten Welle gering. Im Mittel der Parteien variieren sie im Wahlbarometer zwischen 1 und 1,3 Prozent für die Jahre 2003 bis 2011. 3 Grafik 2 Aggregiert man Parteistärken auf Blöcke, kann man festhalten: Von der neuen Mitte, 2011 mit BDP und GLP entstanden, geht heute nicht mehr die gleiche Strahlkraft aus. Der Alleingang in einzelnen Fraktionen hat sie anders erhofft, nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Bei SP, GLP und CVP kann man zudem vermuten, dass sich verlorene Volksabstimmungen zu eigenen Initiativen negativ auswirkten. Wahlsieger wäre vielmehr die rechte Seite. Den FDP und SVP wären zusammen mehr als 3 Prozent stärker als 2011. SP und GPS blieben weitgehend stabil (-0.4%-punkte). Schwächeln würde die Mitte (-3.5%-punkte). Keine direkten Aussagen lassen nationale Umfragen auf Sitzverteilungen zu, denn die Mandate werden in den Kantonen verteilt und Listenverbindungen sowie Restmandate bestimmen den Ausgang ebenso. 1.2 Beteiligungsabsichten Anfangs August 2015 hätten sich 50 Prozent der Wahlberechtigten an den nationalen Wahlen beteiligt. Das wären minimal mehr als 2011. Damit würde sich der längerfristige Trend seit 1995 mit einer wieder ansteigenden Wahlteilnahme nochmals bestätigen. Hauptgrund ist die politische Polarisierung. Über dem nationalen Mittel sind die Teilnahmewerte bei der SVP, der GPS, der SP und der CVP. Darunter fallen sie bei der FDP aus. In den letzten 12 Monaten hat sie ihre Mobilisierungsfähigkeit aber verbessern können. Das gilt auch für die SVP. Rückläufig sind die Beteiligungsbereitschaften insbesondere bei der GLP und der GPS. Die CVP und BDP kennen ein anderes Problem. Sie mobilisieren zwar zunehmend besser ihr denkbares Elektorat, nur hat sich ihr Potenzial gegenüber 2011etwas verringert. 4 1.3 Wanderungen der Wählenden seit 2011 Die grössten Wählermärkte gibt es zwischen der SP und der GPS einerseits, der SVP und der FDP anderseits. Im ersten Fall nützt dies der SP, im zweiten Fall ist die Bilanz genau geteilt. Ersteres beobachteten wir schon in früheren Wanderungsanalysen; zweiteres ist neu, denn in den drei letzten Befragungen legte jeweils die FDP zulasten der SVP zu. Jetzt gewinnen beide Parteien insgesamt. Weitere nennenswerte Wählermärkte gibt es von der neuen Mitte von 2011 zur FDP sowie, ganz schwach, von der SP zur GLP. Verglichen mit 2011 kennen die SVP, die FDP und die SP eine positive Mobilisierungsbilanz. Negativ ist sie insbesondere bei der GLP. 1.4 Bisheriger Wahlkampf Die rechte Seite der Wahlwilligen nimmt deutlicher als die linke einen Wahlkampf wahr. Vor allem denkbare SVP- und FDP-Wählenden haben auch klarer eine Präferenz: 61 Prozent der SVP-Wählenden, die bestimmt teilnehmen wollen, halten den Wahlkampf ihrer Partei für den besten. Bei der FDP sind es 44 Prozent. An diese Werte kommen die linken Parteien nicht heran. Bei den voraussichtlichen SP-WählerInnen präferieren 30 Prozent die SP-Kampagne, bei den GPSWählenden sind es gar nur 22 Prozent. Genau gleich hoch ist der Anteil bei der CVP. Personen, die beabsichtigen für die GLP zu stimmen, nehmen vor allem die SVP-Kampagne als die beste wahr, bei der BDP schielt man stark auf die FDP. Wer von sich sagte, keine feste Parteipräferenz hat, bevorzugt auch keine der parteilichen Wahlkampagnen. Im kurzfristigen Zeitvergleich zulegen konnte nur die Kampagne der SVP. Grafik 3 5 1.5 Dringliche Probleme und Lösungen Die Migrationsthematik wird auch im August 2015 mit grossem Abstand am häufigsten als dringendstes Problem genannt. Es folgen Nennungen rund um die EU respektive die Bilateralen auf dem zweiten Rang. Dahinter reihen sich drei Problembereiche, die alle annähernd gleich dringlich erscheinen: die soziale Sicherheit, die Arbeitslosigkeit und die Umweltfrage. Zusammen bilden sie die Top-Fünf der dringlichsten Probleme, von denen man sich eine politische Lösung wünscht. Gewachsen ist der Vorsprung der Migrationsfragen auf alle anderen Problembereichen. Das kommt auch zum Ausdruck, wenn man die Dynamiken seit 2011 studiert. Nirgends ist die Veränderung nach oben so hoch wie hier. Dafür hat die Umweltfrage kurz- und mittelfristig an Bedeutung verloren. 2011 rangierte sie bisweilen an erster Stelle. Im Wahljahr 2015 ist sie vom dritten auf den fünften Rang abgestiegen. Vergleichsweise dringlicher geworden sind die Arbeitslosigkeit und die soziale Sicherheit. Grafik 4 Die von den Themenwählenden wahrgenommenen Kompetenzen der Parteien sind bei der SVP die Migrationspolitik, bei der SP die soziale Sicherheit sowie die Arbeitslosigkeit und bei der FDP die Europa-Frage. Die GPS konnte die Umweltfrage klar besetzen. In keinem Top-Fünf-Thema führend sind die CVP und die GLP, nur in der Europa-Frage erwähnt wird die BDP. Zeitlich gesehen hat der Vorsprung der SVP in Migrationsfragen abgenommen. Es wächst der Anteil, der hier keine parteipolitische Lösung will oder eine überparteiliche präferiert. Das gilt auch für Fragen der Arbeitslosigkeit. 6 Grafik 5 1.6 Spezialthema: Energie Die Energiewende ist das Spezialthema dieses Wahlbarometers. Zunächst sei festgehalten, dass die Einstellungen zur Energiewende 2050 mehrheitlich positiv sind. 74 Prozent sind mit der Forderung einverstanden, wonach die Schweiz langfristig ohne Strom aus Atomkraftwerken auskommen soll. 22 Prozent sind hier umgekehrter Meinung. 7 von 10 befürworten auch eine Beschränkung der Laufzeiten für Kernkraftwerke. 27 Prozent der Wahlberechtigten widersprechen dem ausdrücklich. Argumentativ hofft eine Mehrheit von zwei Dritteln, dass die Energiewende in der Schweiz Jobs schaffe. Genau die Hälfte findet, die in Aussicht stehende Verteuerung der Energie sei für die Schweizer Wirtschaft nicht tragbar. In allen Fragen zeigt sich ein Links/rechts-Gegensatz. Der grundsätzliche Ausstieg aus der Kernenergie ist in allen Parteiwählerschaften mehrheitsfähig – bei der SVP allerdings nur ganz knapp. Das gilt nicht für die Beschränkung der Laufzeit für bestehende Kernkraftwerke. In der SVP-Wählerschaft gibt es mehr Gegner dieser Forderung als Befürworter, und selbst bei der BDP und FDP sind nur knappste Mehrheiten dafür. Ähnliches wiederholt sich bei der Jobfrage. Optimistisch sind hier die Wählerschaften von GPS und GLP über SP und CVP. Einiges an Skepsis zeigt sich dagegen bei der FDP, insbesondere auch bei der BDP- und SVP-Basis. Mehrheitliche Kritik an einer Belastung der Wirtschaft durch die Energiewende zeigt sich aus den gleichen Kreisen. So sind SVP-, knapp auch FDP- und BDPWählende mehrheitlich der Meinung, dies sei nicht tragbar. 7 Grafik 6 1.7 Parteipräsidenten und -präsidentinnen Die höchste Glaubwürdigkeit bei den Wahlberechtigten insgesamt kennt der CVP-Präsident Christophe Darbellay (49%), gefolgt von Christian Levrat (49%). Auf den Rängen drei und vier folgen Philipp Müller (45%) und Toni Brunner (41%). Dabei polarisiert der SVP-Parteipräsident am meisten, gefolgt vom SPParteipräsidenten. Knapp mehr als ein Drittel der Schweizer Wählerschaft hält Toni Brunner für unglaubwürdig, den nächsthöchsten Vergleichswert erreicht Christian Levrat mit 15 Prozent. Auf den hintersten drei Rängen der Glaubwürdigkeitsskala sind die Parteipräsidenten der BDP und der GLP einerseits, das grüne Co-Präsidium andererseits zu finden. Bei diesen drei Präsidien mangelt es namentlich an Bekanntheit nach aussen. Für die Romands sind die beiden Westschweizer Parteipräsidenten Levrat und Darbellay die glaubwürdigsten. Toni Brunner belegt hier den letzten Rang. Im Tessin führt der CVP- vor dem FDP-Präsident. Die SP- und SVP-Präsidenten haben das Nachsehen; sie liegen noch hinter Landolt. Anders präsentiert sich die Lage, werden nur die Angaben der jeweiligen Parteiwählerschaften zu ihren eigenen Parteipräsidenten ihrer eigenen Parteipräsidentin berücksichtigt: Auch hier schneidet Christophe Darbellay mit 84 Prozent Glaubwürdigkeit am besten ab. An zweiter Stelle folgt allerdings Toni Brunner mit 81 Prozent. Hauptgrund hierfür ist, dass beide nach innen nicht polarisieren. Es folgen Christian Levrat und Philipp Müller. Die Bekanntheitsschwächen der Parteispitzen der BDP, GLP und der GPS bestätigen sich tendenziell selbst innerhalb der eigenen Wählerschaft; die Glaubwürdigkeit ist aber für alle drei Parteispitzen in den Augen ihrer WählerInnen intakt. Das gilt am klarsten für Martin Bäumle. 8 Grafik 7 1.8 Systematisierte Gründe für Gewinne und Verluste Aus den bisherigen Wahlbarometer-Befragungen wissen wir, dass eine gute Stimmung im eigenen Wahlkampf und eine hohe Identifikation mit dem eigenen Parteipräsidenten eine zentrale Voraussetzung für ein gutes Abschneiden bei den Nationalratswahlen sind. Das ist grosso modo bei allen untersuchten Parteien gegeben. In der Wichtigkeit folgen die programmatischen Aussagen respektive die Positionierung in den bürgerseitig vorrangigen Themen. Die FDP kann sich hier empfehlen, weil sie die Wirtschaftsentwicklung ganz allgemein thematisiert, aber auch die Migrations- und Energiefragen aufgenommen hat. Falsch wäre es die SVP zur Ein-Themenpartei stempeln zu wollen, denn aus Sicht der Wählenden kommt sie mit ihren Positionen in der Europa-Politik, der Wirtschaftsentwicklung und der Sozialversicherung ebenso gut an. Die Stärken der SP schliesslich liegen ebenfalls im Wirtschaftsbereich, gekoppelt mit sozialpolitischen Forderungen. Mittels Migrationsfragen kann sie sich marginal empfehlen. Stärkster Grund CVP zu wählen, ist die Europa-Frage, während die sozialen und ökologische Fragen für die GPS sprechen. Bei der GLP sind es Infrastruktur- und Umweltthemen, die ziehen, während bei der BDP kein bestimmtes Thema die Wahlabsicht begründet. Wertmässig konnte sich die FDP als Wahrerin des (ökonomischen) Erfolgsmodells Schweiz empfehlen, die SP als Vertreterin einer offenen Schweiz. Bei Wählenden rechts der Mitte spielt die Positionierung von SVP, FDP und beschränkt jene der CVP eine Rolle, bei GPS und SP im linken Spektrum ebenso. GLP und BDP können sich am ehesten als Parteien gegen die parteipolitische Polarisierung empfehlen respektive mit Stärken überparteilicher Allianzen. Der neue Trend besteht in den Parteistärken darin, dass die grösseren Parteien eher gestärkt werden, die kleineren eher geschwächt. Das steht der Aufteilung 9 in immer mehr Parteien gegenüber, wie wir es 2011 erlebt haben. Es spricht auch dagegen, dass Kleinstparteien diesmal grosse Sprünge wie bei der Vorwahl machen könnten. Vielmehr kommt sowohl ein Trend zur Vereinfachung der Parteienlandschaft zum Ausdruck, der die grossen Polparteien stärkt und der rechten Seite mehr nützt als der linken. Tabelle 1 Parteienlager Indikator 2011 3. Welle Wahlbarometer 2015 Trend Regierungslager 78.1 79.5 leichte Zunahme Regierungslager (ohne BDP) 72.6 75.3 Zunahme bürgerlich (SVP, FDP, CVP) 54.0 56.0 Zunahme rechts (SVP, FDP) 41.7 44.9 Zunahme Mitte (CVP, GLP, BDP, EVP) 25.1 21.3 Abnahme rotgrün (SP/GPS/Linke) 28.0 27.6 stabil Mitte/links (SP, GPS,GLP, BDP, CVP, EVP, Linke) 53.1 48.9 Abnahme Bemerkung: Veränderungen von 1.0 Prozentpunkt und mehr gelten als Abnahme respektive Zunahme. Veränderungen darunter, aber von minimal 0.5 Prozentpunkten werden als leichte Zu- oder Abnahme charakterisiert, derweil kleinere Veränderungen nicht kommentiert werden. © SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 Dabei fällt auf, dass die Volatilität im Wahljahr wieder gestiegen ist. Im unmittelbaren Nachgang zur überraschenden Aufhebung der Euro-Untergrenze dominierte die Stabilität, mit der Entwicklung des Wahlkampfes geht diese wieder etwas zurück. Profitieren konnte das rechtsbürgerliche Lager. Es ist gut 3 Prozentpunkte stärker als 2011. Derweil ist die Mitte fast 4 Prozentpunkte schwächer als vor vier Jahren. Weitgehend stabil ist das rotgrüne Lager. Das lässt die Schlagzeile zu, dass der Rechtsrutsch gegenwärtig am wahrscheinlichsten ist, allenfalls mit einer Polarisierung zugunsten der grösseren Parteien. In der längerfristigen Betrachtung gleicht dieser Trend sicher nicht dem von 2011. Am ehesten kommt er dem von 2007 nahe. Damals legte allerdings die GPS zu, und es verlor die SP an Stimmenstärke. Momentan sieht es eher nach dem Umgekehrten aus. Neu wäre auch, dass nicht mehr die SVP alleine gewinnt, sondern SVP und FDP zusammen. Bezogen auf die Regierungsbildung sei festgehalten, dass Mitte/links ihre Mehrheit bei den Stimmen verlieren dürfte. Eindeutig mehrheitsfähig wäre ein bürgerlicher Schulterschluss. Was sich bei den jüngsten kantonalen Wahlen als Erfolgsformel herauskristallisierte, dürfte aber auf Bundesebene für die CVP zu grossen Herausforderung werden, denn bei einer Stärkung der SVP im Bundesrat zulasten der BDP würde sie numerisch ihre Rolle als mögliche Mehrheitsbeschafferin verlieren. Denkbar wäre auch, dass die GLP ein zweites SVPRegierungsmitglied stützen würde. Es bräuchte voraussichtlich aber nicht einzelne, die von der bisherigen Politik abweichen würden, sondern ein weitgehend geschlossenes Verhalten, wenn die CVP für die bisherige Regierungszusammensetzung votieren sollte. 10 1.9 Kurzantworten auf die drei Forschungsfragen 1. Wer will wen wählen? Gemäss Wahlbarometer bleibt 2015 die SVP die stärkste Partei. Auch sonst wird sich aller Voraussicht nach nichts Entscheidendes an der Reihenfolge in der Wählergunst ändern. Zunehmend variabel erscheinen in unserer Befragungsreihe die Parteistärken. Zulegen dürfte die FDP, und neuerdings sind auch Gewinne für die SVP möglich. Stabil bleiben oder leicht stärker werden dürfte die SP, während sich kleinere Wählerverluste für BDP, CVP, GLP und GPS anzeichnen. Direkte Wählerbewegungen sind von bisherigen NichtwählerInnen zu SVP, SP und FDP zu verzeichnen. Attraktivste Partei für WechselwählerInnen ist die FDP, sie gewinnt ehemalige WählerInnen der BDP und der GLP. Links gewinnt die SP auf Kosten der GPS, verliert allerdings schwach an die GLP. Allen Zentrumsparteien fällt es schwer die bisherige Wählerschaft zu halten. Die wichtigste Polarisierung der Wahlabsichten findet im Stadt/Land-Spektrum statt. Wichtigste Wählerbasis des linken Pols bleiben die grossen Agglomerationen, während der rechte Pol nirgends so stark ist wie auf dem Land. Zwar konnte sich die SVP konnte sich nach der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative auch in den grossen Agglomerationen empfehlen. Sie sieht sich aber auf dem Land namentlich von der FDP konkurrenziert. Damit teilweise verbunden ist die schichtmässige Herkunft der Wählerschaften. Je tiefer diese ist, desto eher gehen sie nach rechts, je höher, desto eher verändern sie sich nach links. In beide Richtungen stark polarisiert sind mittleren Einkommensklassen. Bei den tiefsten Einkommen stellen wir keinen ausgeprägten Trend zur SVP mehr fest, eher hin zur FDP und SP. 2. Wer will sich an den Wahlen beteiligen? Beteiligungsbereit sind heute 50 von 100 Wahlberechtigten. In höheren Bildungsschichten und Altersklassen ergeben sich höhere Werte. Vor allem bei einer mittleren Bildung und jüngerem Alter sind die Teilnahmeabsichten aber geringer. Zeitlich gesehen stieg die Teilnahmebereitschaft in der laufenden Legislatur stets ein bisschen an. Hauptgrund hierfür ist die Polarisierung in den Debatten, die sich auf die Positionen der Wählenden und der Parteien auswirken. Kurzfristig besser mobilisiert wurden vor allem misstrauische BürgerInnen. Ihre kurzfristig denkbaren Potenziale können SVP, SP und CVP gleich gut mobilisieren. Würde es der FDP gelingen, ihre vergleichsweise mittlere Mobilisierungskraft zu verbessern, könnte sie noch besser abschneiden. Die Möglichkeiten der Mitte-Parteien bleiben aber beschränkt, weil ihre Potenziale nicht wachsen, eher schrumpfen. Das gilt speziell für CVP und BDP. Letztere kann drohende Verluste in der Wählerstärke durch eine gute innere Mobilisierung etwas kompensieren. Das ist bei beiden grünen Parteien hingegen nicht der Fall, so dass sich deren Mobilisierung im Wahljahr insgesamt verschlechtert hat. 11 3. Was sind die zentralen Wahlgründe? Thematische Profilierung ist für die Ansprache von Wählenden von wachsender Bedeutung. Das gelingt Parteien mit klarer Ausrichtung besser als solchen im Zentrum und es gelingt grösseren besser als für kleineren. Profilierte Parteien haben in aller Regel ein Leadthema. Bei der SVP ist es die Migrationsfrage, bei der SP die soziale Sicherheit, bei der GPS die Umweltthematik und bei FDP und CVP sind dies am ehesten die Bilateralen. Bürgerseitig haben sich Migrationsfragen dauerhaft an der Spitze der zu lösenden Probleme etabliert. Das gilt auch für 2015 mit der Aktualität der Asylfrage. Erste Partei für ThemenwählerInnen ist in dieser Frage die SVP. Allerdings steiget gerade in der Migrationsfrage der Wunsch nach überparteilichen Lösungsvorschlägen. Generell gilt, dass Parteien, die mit Themen gewinnen wollen, mehrere Angebote brauchen. Die SVP gewinnt ThemenwählerInnen auch mit ihrer Position zur Sozial- und Wirtschaftspolitik, die SP kann sich ebenso mit Wirtschaftsfragen empfehlen. Für die FDP entscheidend ist, dass sich die Wahrerin des ökonomisch ausgerichteten Erfolgsmodells der Schweiz. Mittlere und kleinere Parteien kennen diese Mehrspurigkeit meist nicht. Themen als Wahlgründe sind im heutigen Umfeld meist wichtiger als Kampagnen und herausgehobene Personen. Hauptgrund hierfür ist, das letztlich alle Parteiwählerschaften ihre ParteipräsidentInnen positiv beurteilen, ebenso die eigene Kampagne schätzen. Die besten Noten gibt die Parteiwählerschaft der SVP für ihren Wahlkampf gefolgt von der FDP. Einiges dahinter folgen die Beurteilungen der Wahlkämpfe von SP und GPS, deren WählerInnen zu wenig von der Wahlkampagne ihrer Mutterpartei erfasst sind respektive nicht durchwegs überzeugt sind davon. Auffällig ist, dass die positive Wahrnehmung und Bewertung von Parteikampagne vor allem dort gut ausfällt, wo es eine werberisch aufwendige Vorkampagne gab. 12 1.10 Datengrundlage Die vorliegende Befragung wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern konzipiert und vom gfs-Befragungsdienst realisiert. Die Berichterstattung nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor. Dieses trägt auch die Gesamtverantwortung. Befragt wurden 2013 repräsentativ ausgewählte Stimmberechtigte in der ganzen Schweiz. Um gewisse sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht. Tabelle 2 Technischer Kurzbericht Wahlbarometer 2015, 3. Welle Auftraggeber SRG SSR Grundgesamtheit Wahlberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz Herkunft der Adressen Telefonverzeichnis der Swisscom (gepoolt) Datenerhebung telefonisch, computergestützt (CATI) Art der Stichprobenziehung geschichtet nach at random/nach Sprachregionen; Geburtstagsmethode im Haushalt Sprachregionen Befragungszeitraum 21. – 29. August 2015 mittlerer Befragungstag 24. August 2015 Stichprobengrösse minimal 2000, effektiv 2013 n DCH: 1008, n WCH: 605, n ICH: 400 Teilnahmewillige NRW 2015 n = 1316 Stichprobenfehler +/- 2.2% bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit Quotenmerkmale Geschlecht/Alter interlocked Gewichtung nach Sprache, Teilnahme, Parteiaffinität Befragungsdauer Mittel Standardabweichung 10.7 Minuten 3.5 Minuten Publikation 9. September 2015, 17h © SRG SSR/gfs.bern, Wahlbarometer 2015, 3. Welle, 21.8. – 29.8.2015 Die Sperrfrist für den aktuellen Bericht ist Mittwoch, 9. September 2015, um 17 Uhr. Zitierweise 3. Welle des SRG-SSR-Wahlbarometer 2015, realisiert vom Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 21. bis 29. August 2015 bei 2013 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten. 13 2 Anhang 2.1 gfs.bern-Team CLAUDE LONGCHAMP Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung gfs.bern, Verwaltungsrat gfs-bd, Politikwissenschafter und Historiker, Lehrbeauftragter der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen, Dozent an der Zürcher Hochschule Winterthur, am MAZ Luzern und am VMI der Universität Fribourg und am KPM der Universität Bern. Schwerpunkte: Abstimmungen, Wahlen, Parteien, politische Kultur, politische Kommunikation, Lobbying, öffentliche Meinung, Rassismus, Gesundheits- und Finanzpolitik Zahlreiche Publikationen in Buchform, in Sammelbänden, wissenschaftlichen Zeitschriften MARTINA MOUSSON Projektleiterin, Politikwissenschafterin Schwerpunkte: Analyse politischer Themen und Issues, nationale Abstimmungen und Wahlen (SRG-Trend, VOX-Analysen, Wahlbarometer), Image- und Reputationsanalysen, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medieninhaltsanalysen, Qualitative Methoden, Gesellschaftsthemen (Jugendforschung, Rassismus, Familien, Mittelschicht) STEPHAN TSCHÖPE Leiter Analyse und Dienste, Politikwissenschafter Schwerpunkte: Koordination Dienstleistungen, komplexe statistische Datenanalytik, EDV- und Befragungs-Programmierungen, Hochrechnungen, Parteien- und Strukturanalysen mit Aggregatdaten, Integrierte Kommunikationsanalysen, Visualisierung AARON VENETZ Datenanalytiker, Politikwissenschafter Schwerpunkte: Datenmodellierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Datenanalyse, Programmierungen, Medienanalysen, Visualisierungen 14 MARCEL HAGEMANN Datenanalytiker, Sozialwissenschafter Schwerpunkte: Datenanalyse und Datenbanken, Programmierungen, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medienanalysen, Recherchen, Visualisierungen, Hochrechnungen JOHANNA LEA SCHWAB Sekretariat und Administration, Kauffrau EFZ Schwerpunkte: Desktop-Publishing, Visualisierungen, Projektadministration, Vortragsadministration 15 gfs.bern ag Hirschengraben 5 Postfach CH – 3001 Bern Telefon +41 31 311 08 06 Telefax +41 31 311 08 19 [email protected] www.gfsbern.ch Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufsoder Bestellabsichten durchgeführt werden. 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