metaphysik - Philosophische Fakultät
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metaphysik - Philosophische Fakultät
METAPHYSIK Vorlesung an der HHU Düsseldorf (zu e rst g eh a lten S S 1 9 8 1 , zu letzt W S 2 0 0 8 /0 9 ) T eil I E in leitu n g, A n tike M etap h y sik (F o rtsetzu n g folgt) Prof. Dr. Lutz Geldsetzer © L . G e ld se tze r K o p ien zu m p ersö n lich en G ebrau ch erlau bt In h altsverzeich n is I. Einleitung § 1. Die Stellung der Metaphysik in der Architektonik der philosophischen Disziplinen und der Einzelwissenschaften § 2. Die Wissenschaftlichkeit der Metaphysik und der metaphysische Charakter der Wissenschaften § 3. Die Kriterien für metaphysische Prinzipien § 4. Die logischen Methoden metaphysischer Forschung: Deduktion und Induktion § 5. Definition der Disziplin Metaphysik II. Zur Geschichte der Disziplin Metaphysik § 6. Die Bezeichnungen der Disziplin Metaphysik § 7. Die Epochen der Disziplin: 1. Vorsokratiker - 2. griechische Klassik 3.mittelalterliche Philosophie. - 4. neuzeitliche Philosophie 5. moderne Metaphysik III. Zur Geschichte der metaphysischen Theorien A. Die antike Metaphysik § § § § § § § § § D ie L e istu n g en d er V o rso k ra tik er D ie k lassisch en m e tap h y sisch en S yste m e: D er A to m ism u s d es D e m o k rit D ie Id e en leh re P lato n s D ie M e tap h ysik d es A risto teles D ie n a ch k lassisch en S ch u len : d er E p ik u reism u s D ie S to a D ie S k ep sis D er P lato n ism u s u n d N e u p lato n ism u s D er E rtra g d er an tik en M etap h ysik 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15 16. I. Einleitung § 1 Die Stellung der Metaphysik in der Architektonik der philosophischen Disziplinen und der Einzelwissenschaften Womit der Anfang der Philosophie zu machen sei ist eine bedeutende und alte Frage des Philosophierens. Aristoteles hat sie schon so gestellt und so beantwortet, daß mit dem „Ersten“ der Anfang zu machen sei. Dabei unterschied er allerdings zweierlei Erstes, nämlich dasjenige, was „seiner Natur nach das Erste“ sei und dasjenige, was „für unsere Erkenntnis das Erste“ sei. W er n u n zu p h ilo so p h ieren b egin n t, d er m u ß m it d em b egin n en , w as zu erst erk an n t w ird. D as sin d die G eg en stän d e u n serer sin n lich en E rfahru n g. P lato n h atte sie „E rsch ein u n gen “ (p h ain o m en a) gen an n t. W a s als sin n lich e E rsch ein u n g w ah rgen o m m en u n d erk an n t w ird, verd an k t sich n ach P lato n u n d A risto teles ab er d er V eru rsach u n g d u rch etw as, w as „ sein er N atu r n ach“ frü h er u n d zu erst sein m u ß . D ieses zu erfassen u n d zu erk en n en, k an n d an n für d ie E rk en ntn is erst sp äter k o m m en . E s ist d ah er „ d as L etzte“, w as ü b erh au p t erk an n t w erd en k an n, w en n es ü b erh au p t erk an n t w erd en k an n. U n d so k an n A risto teles feststellen : W as für u n s als E rk en n en d e d as E rste ist, d as ist sein er N atur n ach d as L etzte; u n d w as sein er N atu r n ach d as E rste ist, d as ist für d ie E rk en n tnis d as L etzte. Darin liegen schon einige Hinweise, wie im Abendland meistens philosophiert worden ist. Man muß schon die Welt kennen, um sich zu diesem „Ersten und Letzten“ vorzuarbeiten, und diese Arbeit der Erkenntnis ist das, was in der besonderen Disziplin der Metaphysik geleistet werden soll. Sie heißt so, weil sie „über das Physische, d. h. die Natur und die Naturerscheinungen hinausgeht“. Die Welt und ihre Erscheinungen zu kennen und zu erkennen ist aber das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung. Erst auf ihren Resultaten aufbauend läßt sich dann auch etwas darüber ausmachen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“, was die Erscheinungen verursacht und was letztlich ihr Ursprung und ihr „natürlich Erstes“ ist. Man nennt es seither nach lateinischem Ausdruck „Prinzip“. Nach griechischem Ausdruck hieß es „Arché“. Sowohl das griechische „Arché“ wie das lateinische „Prinzip“ bringen mehrere Bedeutungen zum Ausdruck, die nachmals die metaphysische Erkenntnisarbeit gleichsam gesteuert haben. 1. das Erste im Sinne des Beginns und Anfangs. Und das wurde immer auch als zeitlicher Ursprung verstanden. 2. das Beherrschende, was am deutlichsten im griechischen Verbum „archein“, d. h. „herrschen“, ausgedrückt wird, im Lateinischen „Princeps“, dem „Herrscher“ wenigstens noch durchscheint. Das Herrschende wird dann als das „Wesen“ oder „Wesentliche“ verstanden. Dies braucht nicht mit dem Ursprung und zeitlichem Vorgang zusammenzuhängen. Aber es kann doch auch so verstanden werden, daß darin etwas vom Beherrschenden übergeht in dasjenige, was als Wesen von etwas verstanden wird und darin weiterhin vorhanden ist oder „anwest“. Das verweist auf die Problematik der Kausalerklärungen, in denen es ja immer darum geht, ob und wie eine zeitlich vorausgehende „Ur-Sache“ in ihren späteren Wirkungen als immer noch anwesend oder wirkend zur Geltung kommen kann. Es ist eine Problematik, die bis heute keineswegs endgültig geklärt ist. U nter h eu tigen B ed in gu n gen liegt d as Id een arsen al d er m en sch lich en E rfah ru n gen in d en R esu ltaten d er E in zelw issen sch aften vo r. D iese sin d d asjen ige, w as in d en ak ad em isch en S tu dien u n serer K en n tn is u n d E rk en n tnis zu erst zu gän glich w ird. D an eb en bleib en freilich au ch die vielfach en L e b en serfahru n gen d er M en sch en fü r die m eisten ein e m eh r o d er w en iger verläß lich e G ru n d lage für d en A u sgan g zu „ m etap h ysisch en “ S ch luß fo lgeru n gen . D ie E in sichten u n d W eish eiten d es A lters w erd en d an n gern e au ch zu ein er „ W eltan sich t“ o d er zu d em zu sa m m en gefaß t, w as u n s vo n vielen als jew eils „ m ein e P h ilo so p h ie“ vo rgetragen w ird. H alten w ir u n s ab er an d ie w issen sch aftlich en S tu d ien, so w ird m an vo n vo rn h erein verm u ten , d aß au ch im L eh rstoff d er E in zelw issen sch aften A rch ai b zw . P rin zipien en th alten sin d, die als E rb sch aft älterer E n td eck u n gen n o ch „an w esen “, o b w o h l sie selten als d as, w as sie w aren u n d sin d, n o ch erk an nt u n d h erau sgestellt w erd en . U m so w ich tiger ist es, w en igsten s in d er L eh re d er P h ilo so p h ie ein en Z u gan g zu d iesen E rb sch aften zu erö ffn en b zw . o ffen z u h alten. D ies gesch ieh t am b esten in ein er Ü b erlegu n g zu r A rchitekto n ik d es W issen sch aftsgeb äu d e s, in w elch em zu gleich d er h isto risch e w ie au ch d er sy stem atisch e Z u sa m m en h a n g d er E in zelw issen sch aften u n d d er p h ilo so p hisch en D isziplin en zu tage tritt. Ein Vorschlag zu einer solchen Architektonik der philosophischen Disziplinen und der zugeordneten Einzelwissenschaften sieht folgendermaßen aus: A rch itekto n ik d er p h ilo so p h isch en D iszip lin en Im V erh ä ltn is zu d en E in zelw issen sch a ften M E T A P H Y S IK K e rn d iszip lin : G ru n d d iszip lin en : O n to lo g ie B ereich sd iszip lin en : p h il. A n th ro p o lo g ie E rk en n tn isth eo rie P ra x eo lo g ie N a tu rp h ilo so p h ie K u ltu rp h ilo so p h ie S in n g eb ild ep h ilo so p h ie P h il. d er to ten u n d leb en d ig en N a tur S p rac h p h ilo so p h ie S o zia lp h ilo so p h ie, R ec h tsp h ilo so p h ie R elig io n sp h ilo so p hie P h il. Ä sth etik W issen sc h a ftsth eorie T ec h n ik p h ilo so p h ie L o g ik G esc h ic h tsp h ilo so p h ie in sb es. P h ilo so p h ieg esc h ic h te E th ik, N orm en leh re K u ltu rw issen sch aften S in n g e b ild e w issen sch . S p ra c h w iss., P h ilo lo g ien P s yc h o lo g ie, S o zio lo g ie P o lito lo g ie, Ö k o n o m ie R ec h tsw issen sc h a ft R elig io n sw issen sc h a ft, T h eo lo g ien K u n stw issen sc h a ft W issen sc h a ftsw issen sc h a ft T ec h n ik w iss en sc ha ften M a th em a tik G esc h ic h tsw isse n sc ha ft K U L T U R (A rtefa k te) S IN N G E B IL D E 1 E in zelw issen - N atu rw issen sc h a ften B io lo g ie d es M en sc h en, sch a ften : M ed izin isc h e W isse n sc h. B io lo g ie d er P fla n ze n u n d T iere C h em ie P h ysik W irklich k eitsb ereich e: N A T U R In diesem Schema wird die Metaphysik als „Kerndisziplin“ der Philosophie vorangestellt. Damit soll zweierlei besagt werden. Metaphysik ist einerseits seit Beginn ihrer abendländischen Geschichte der Ausgangspunkt und „Kern“ des Philosophierens überhaupt gewesen, seit die Vorsokratiker die ersten Vorschläge für erste Prinzipien der Welterklärung gemacht haben. Damit ist Metaphysik auch der historische Ausgangspunkt des Philosophierens, von dem aus sich durch Spezialisierung der Fragestellungen die Grund- und Bereichsdisziplinen und – teils begleitend, teils aus diesen hervorgehend, die Einzelwissenschaften entwickelt haben. Andererseits aber bleibt Metaphysik auch der philosophische „Kernbereich“ prinzipieller und letzter Fragestellungen, die sich in allen weiteren Disziplin- und Wissenschaftsbereichen überhaupt stellen können. 1 Vgl. dazu auch L. Geldsetzer, Allgemeine Bücher- und Institutionenkunde für das Philosophiestudium. Wissenschaftliche Institutionen - Bibliographische Hilfsmittel - Gattungen philosophischer Publikationen, Freiburg-München 1971, S.190. Die „Grunddisziplinen“ ergeben sich durch grundsätzliche Unterscheidungen von Fragen, die sich bislang bis in jede Einzelwissenschaft hinein stellen, und deren Beantwortungen ebenso in diesen mehr oder weniger selbstverständlich vorausgesetzt werden. Es sind die Fragen nach dem Gegenstand oder Objekt der Erkenntnisbemühung, also nach der Wirklichkeit bzw. nach dem „Sein“ und nach weiteren Unterscheidungen innerhalb des Objektes. Diese werden seit Aristoteles in der Grunddisziplin „Ontolologie“ (Seinslehre) zum Thema. Ihnen gegenüber stellen sich die Fragen nach der Möglichkeit, nach Voraussetzungen und Mitteln der Erkenntnis, die in der Grunddisziplin „Erkenntnistheorie“ (eine Bezeichnung des 19.Jahrhunderts) oder Gnoseologie zu beantworten gesucht werden. Werden Objekt und Objektserkenntnis unterschieden, so stellt sich die Frage nach demjenigen, was Inhaber solcher Erkenntnisse sein kann und wie dieser vom Objekt unterschieden werden kann. Es ist die Frage nach dem „Subjekt“, d. h. dem Menschen und seiner Leistungsfähigkeit und Unterscheidung vom vorausgesetzten Objekt. Diese Fragen werden in der Philosophischen Anthropologie gestellt und zu beantworten gesucht. Die von der Erkenntnisfähigkeit unterscheidbaren „praktischen“ Fähigkeiten des Menschen zum Handeln und Hervorbringen von kulturellen Artefakten werden in der praktischen Philosophie bzw. Praxeologie behandelt. Die Themenstellungen der Grunddisziplinen lassen sich in folgendem Schema übersichtlich in ihren Gegenüberstellungen zeigen: Schema des Verhältnisses der Grunddisziplinen Gnoseologie Philosophische Erkennen Ontologie O <=======> S Anthropologie Handeln Praxeologie O = Objekt; S = Subjekt; <==> = Verhältnis von S und O Hierzu ist zu bemerken, daß die genaue Unterscheidung der vier Thematiken der Grunddisziplinen aus Voraussetzungen einer „realistischen Metaphysik“ zustande kommt, die heute wieder als herrschende Metaphysik gelten kann. Gemäß dieser realistischen Metaphysik ist die Vorgegebenheit und Unterschiedenheit von Subjekt und Objekt die erste Voraussetzung jeder Wissenschaft. Das Verhältnis aber richtet sich nach den sogenannten Vermögen des Subjekts, die ebenso traditionell in theoretische (Sinnlichkeit und Denkvermögen) und praktische Vermögen eingeteilt werden. Dabei gelten im allgemeinen die Erkenntnisvermögen als passive: Sie nehmen auf und verarbeiten, was und wie das Objekt auf das Subjekt einwirkt. Die praktischen Vermögen (Wille, Triebe und körperliche Leistungsfähigkeiten) gelten dagegen als aktive, mittels welcher das Subjekt auf das Objekt einwirkt und es gegebenfalls verändert. In einer „idealistischen Metaphysik“, wie sie im Folgenden zugrunde gelegt wird, sind diese Unterscheidungen jedoch sämtlich in Frage zu stellen. Eine idealistische Metaphysik geht vielmehr davon aus, daß vorrangig vor diesen Unterscheidungen die Einheit von Subjekt und Objekt (also Wirklichkeit und Mensch, - denn der Mensch ist selbst ein Teil der Wirklichkeit - , und was für den Menschen Wirklichkeit sein kann, ergibt sich wesentlich aus seinem Erkennen und Handeln) sowie die Einheit von Erkennen und Handeln (Erkennen ist immer praktisch, und Praxis enthält Erkennen) nicht nur vorauszusetzen, sondern auch zum Gegenstand metaphysischer Reflexion zu machen ist. Ontologische Vorentscheidungen gehen regelmäßig in die sogenannte Gegenstandskonstitution der Bereichsdisziplinen und der Einzelwissenschaften ein. In der Geschichte der Ontologie und anhaltend im Alltagsverständnis von Wirklichkeit dominieren die Zweiteilungen der Wirklichkeit. Geläufig sind hier die Unterscheidungen von Sein und Nichts, Sein und Schein, Wesen und Erscheinung, sinnliche (materielle) und intelligible (ideelle) Wirklichkeit, Innen- und Außenwelt, Sein und Bewußtsein, Natur und Geist. Letztere Unterscheidung hat sich in den Zuordnungen aller Wissenschaften – nicht zuletzt durch die Organisation der Universitäten - zu den Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften verfestigt. In der Übersicht wird demgegenüber jedoch ein dritter Objektbereich neben den zweiteiligen vorgeschlagen, nämlich der Bereich der Kulturgebilde bzw. der Artefakte. Dieser Objektbereich kann definiert werden als Konkretion („Zusammenwachsen“) der beiden anderen. Kulturgebilde bzw. Artefakte sind demnach derjenige Wirklichkeitsbereich, in welchem sich Natürliches mit rein geistigen Sinngebilden zu neuen Wirklichkeitseinheiten amalgamiert. Dieser Wirklichkeitsbereich wird in der Neuzeit auch mit neuen Methoden zu erforschen und zu erkennen gesucht. Diese sind durchweg hermeneutische Methoden des Verstehens, wie sie vorher traditionell gesondert auf die Natur – als „Lesung des Buches der Natur gemäß den mathematischen Schriftzeichen“ (Interpretatio naturae) – und auf die Sinngebilde – als „Verstehen des Geistes“ gemäß seinen sprachlich-logischen Schriftzeichen in Texten und anderen Kulturdokumenten angewendet wurden. Die traditionelle Hermeneutik hat aber, z. T. bis heute, verkannt, daß das Verstehen darin besteht, bei ihrem genuinen Objekt jeweils die Naturseite als Träger von Sinn vom Sinngehalt selber erst einmal zu unterscheiden, um diesen Sinn dann in seinen „objektiven Gestalten“ zu identifizieren. Jedes Dokument, jeder Text, jedes historische Relikt vergangener Zeiten zeigt zunächst nur die Naturseite eines Artefaktes. Um es als Artefakt jedoch zu erkennen, bedarf es der Erkenntnis des Sinngehaltes, der sich auf Grund des Hineinarbeitens von Sinn in die Natur durch menschliche Aktivität mit dem natürlichen Träger verbindet. Und dann entsteht die weitere Forschungsaufgabe, den identifizierten Sinn in den Kosmos schon bekannter und gewußter Sinngebilde einzuordnen und so die Spur des Menschlichen in der Natur zu erkennen. Die Dreiteilung der Wirklichkeit in Natur, Kultur und Sinngebilde bestätigt einerseits die auch heute oft verwendete Gleichsetzung von Geistes- und Kulturwissenschaften. Sie hat aber auch zur Folge, daß die Objekte der reinen Sinngebilde-Wissenschaften eingeschränkt werden auf die reinen Ideen, Begriffe und mathematischen Gebilde, die schon traditionell als Sinngebilde, Bedeutungen, Strukturen, Normen und Formen eingeschätzt und thematisiert worden sind. Zwischen den Einzelwissenschaften und den philosophischen Grunddisziplinen haben sich die sogenannten philosophischen Bereichsdisziplinen etabliert. Teils sind sie die philosophischen Vorläufer einzelwissenschaftlicher Spezialisierungen. Teils etablieren sie sich zugleich mit neueren Spezialisierungen in den Einzelwissenschaften als solche philosophischen Disziplinen, die die grunddisziplinären Voraussetzungen bündeln, gleichsam verwalten und sie zur Verwendung in den jeweiligen Einzelwissenschaften zur Verfügung stellen, wo diese die Reflexion über solche Voraussetzungen aus ihrem Routinebetrieb ausgeblendet haben. Umgekehrt bedürften sie für ihre Entwicklung und Pflege auch der stetigen Bereicherung durch die Rücksicht auf die jeweiligen Forschungslagen und Ergebnisse der Einzelwissenschaften. Und diese ist meist schon dadurch gewährleistet, daß viele Nachwuchsphilosophen entweder direkt vom Studium einer Einzelwissenschaft zur Philosophie gekommen sind, oder daß sie zumindest Einzelwissenschaften als Nebenfächer eines philosophischen Hauptstudiums studiert haben. Jeder Studierende wird irgendwann die Erfahrung machen, daß es für die Durchsichtigkeit des Studienobjektes und seiner Methoden in der von ihm studierten Wissenschaft hilfreich sein muß, sich dieser bereichsphilosophischen Voraussetzungen zu vergewissern. Wer etwa Sprachwissenschaften und Philologien studiert, wird gut daran tun, sich besonders in der Sprachphilosophie umzutun. Ebenso im Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie, Soziologie und Ethnologie und Sozialphilosophie, oder im Verhältnis von Rechtsstudium und Rechtsphilosophie sowie praktischer Philosophie und Ethik, aber auch von Medizinstudium oder Psychologie und philosophischer Anthropologie. Nicht minder dürfte das auch für das Studium der Naturwissenschaften und der Naturphilosophie gelten. Und bezüglich reiner Sinngebildewissenschaften bleibt auch die Logik noch immer die für Mathematik zuständige philosophische Bereichsdisziplin, wie es der sogenannte Logizismus seit G. Frege und B. Russell im Bewußtsein der Mathematiker lebendig gehalten hat. Kant hat diese Verhältnisse zwischen Einzelwissenschaft und Philosophie sehr prägnant ausgedrückt. Er nennt den puren Einzelwissenschaftler einen „Cyklop von Mathematiker, Historiker, Naturbeschreiber, Philolog und Sprachkundiger, ... der groß in allen diesen Stücken ist, aber alle Philosophie darüber für entbehrlich hält“. Dieser habe jedoch davon nur eine „cyklopische Gelehrsamkeit, der ein Auge fehlt, das Auge der Philosophie“2. Ein anderes Diktum von Kant variierend könnte man auch sagen: Einzelwissenschaft ohne Philosophie ist blind. Aber Philosophie ohne Einzelwissenschaft ist leer. § 2 Die Wissenschaftlichkeit der Metaphysik und der metaphysische Charakter der Wissenschaften A ls es n o ch k ein e T ren n u n g vo n P h ilo so p h ie u n d E in zelw issen sch aften gab , k o n n te m an d avo n au sgeh en , d aß P h ilo so p h ie selb st exe m p larisch e W issen sch aft sei. E b en so , d aß jed e W issen sch aft – w ie in ihren A n fän gen sch o n die M ath e m atik (b eso n d ers als G eo m etrie) u n d d ie m ed izin isch e H eilk u n d e – au ch p h ilo so p h isch sei. M it d er d isziplin ären A u fglied eru n g d er W issen sch aften u n d ihrer V erselb stän dig u n g g e gen ü b er d er P h ilo so p h ie ergab sich d ah er d as P ro blem , o b u n d w elch e G em ein sa m k eiten u n d U n tersch ied e h ier b estü n d en. B is in s 1 8. Jahrh u n d ert b estan d ein e T en d en z u n d ein S p rach geb rau ch, d en so g en an n ten th eoretisch en , „ratio n alen“ o d er au ch „ scientifisch en“ T eil d er E in zelw issen sch aften „ P h ilo so p h ie“ o d er „p hilo so p h isch“ zu n en n en . S o galt etw a „ N atu rp h ilo so p h ie“ d am als als „th eoretisch e P h ysik “, w ie m an an Isaak N ew to n s H au p tw erk „ P h ilo so p h iae n aturalis prin cip ia m ath em atica“ vo n 1 6 8 7 (3. A ufl. 1 7 2 6 ) seh en k an n. U n d so verstan d m an au ch C h ristian W o lffs „ P sych o lo gia ratio n alis“ vo n 1 7 3 4 als p h ilo so p h isch en T eil sein er S eelen lehre im U n tersch ied zu sein er „ P sych o lo gia em p irica“ vo n 1 7 3 2. U m gek e h rt b estan d ab er au ch die T en d en z, b estim m te E in zelw issen sch aften als p arad ig m atisch au szu zeich n en, n ach d eren B eisp iel d er W issen sc h aftsch arak ter aller an d eren u n d au c h d er P hilo so p h ie zu b eu rteilen sei. In dieser H in sich t h at fast im m er die M ath em atik ein e h erau sra gen d e R o lle gesp ielt. In ein er Z eit fo rcierter V erselb stän digu n g u n d S p ezialisieru n g d er E in zelw issen sch aften u n d entsp rech en d er ö ffen tlich er In teressen an d en selb en m u ß sich d iese T en d en z verstärk en. In d er T at h at sich d ie P h ilo so p h ie seith er im m e r stärk er in d ie L a ge ged rän gt geseh en , ihren eigen en W issen sch aftsch arakter u n d 2 I. Kant, Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen, hgg. von G. B. Jäsche, erl. von J. H. v. Kirchmann, 2. Aufl. Leipzig 1878, S. 50. d am it au ch d en jen igen d er M etap h ysik n ach zu w eisen . Im m an u el K an t h atte sich zw ar erfo lgreich u m d en N a ch w eis b em ü h t, d aß die M ath em atik – en tge gen d em so ge n an n ten „ m o s geo m etricu s“ d es 1 7. u n d 1 8. Jah rh u n d erts – k ein P arad igm a fü r die P hilo so p h ie sein k ö n n e. G leich w o h l n ah m er ein en vo n ih m selb st k o n stru ierten u n d auf die d am alige (n ew to n sch e) P h ysik zu ge sch n itten en B e griff vo n W issen sch aftlich k eit zu m M aß stab au ch für d ie M eta p h ysik , w ie m an an sein en „ P ro lego m en a zu ein er jed en k ü nftigen M etap h y sik, die als W issen sch aft w ird auftreten k ö n n en “ vo n 1 7 8 1 (u n d au ch in d er „ K ritik d er rein en V ern u nft“ vo n 1 7 8 1 u n d 1 7 8 7) seh en k an n. K ant h at d am it ein en verh än gn isvo llen W e g ein g esch lagen , au f d em ih m viele P hilo so p h en gefo lgt sin d. Ä uß erlich zeigt sich d as in d er A rt u n d W eise, w ie im 1 9. Jahrh u n d ert vo rw iegen d p h ilo so p h iert w o rd en ist. P h ilo so p h isch e A rb eit m o d elte sich w eitgeh en d als p h ilo lo gisch e K lassik erinterpretatio n u n d P h ilo so p hie ge sch ichtssch reib u n g in d er „ trivialen “ P hilo so p h isch en F ak u ltät, u n d d as ist au ch h eute n o ch h ie u n d d a d er F all. Im m erh in h at dieses E in geh en au f d ie E rw artu n gen u n d F o rd eru n gen d er Z eit d ie P hilo so p h ie als u n iversitäres F ac h w en ig sten s in d er P h ilo so p h isch en F ak u ltät gew isserm aß en ü b er die R u n d en gerettet, w äh ren d sie in d er d am als sich vo n d er traditio n ellen P h ilo so p h isch en F ak u ltät ab sp alten d en „ M ath em atisch -N atu rw issen sch aftlich en F a k u ltät“ k ein e A u fn ah m e fan d . D ie extrem e E in stellu n g w ar au ch d am als sch o n diejen ige, d ie P h ilo so p h ie gän zlich d u rch E in zelw issen sch aften zu ersetzen. D a diese extrem e E in stellu n g h eu tzu tage u nter ö k o n o m isch en Z w än gen u n d im Z u g e stän diger N eu o rg an isatio n en d es H o ch sch u lw esen s stän dig verstärkt w o rd en ist, h at die P hilo so p h ie als F o rsch u n gs- u n d L eh rfach sich m eh r u n d m eh r au f L o gik u n d W issen sch aftsth eo rie k o n zen triert. U n d diese – in d er P hilo so p h ie im m er d iszip lin är gepflegten D iszip lin en - sch ick en sich an, sich selb er zu n eu en E in zelw issen sch a ften zu k o n so lid ieren. O b dies ein e n eu e Ü b erleb en sch an ce fü r die P hilo so p h ie im B ereich u niversitärer L eh rfäch er b ietet, ist d erzeit n o ch offen. D en n d a in allen E in zelw issen sch aften B ed arf an lo gisch en u n d erk en n tnisth eoretisch en b zw . w issen sch aftsth eo retisch en G ru n dla gen reflexio n en b esteht, h ab en sich viele E in zelw issen sch aften län gst ih re eigen en P ro p äd eu tik a für d iese S p ezialitäten organ isiert. In d essen k an n m an d iesen B efu n d ab er au ch p o sitiv d eu ten. D a sich zw eifello s in allen E in zelw issen sch aften ge m ein sa m er B ed arf ein g estellt h at, d as ge m ein sam e m eth o d o lo gisch e u n d w issen sch aftsth eo retisch e B an d zw isch en ih n en w ied er zu b efestigen (au ch sch o n d esw e gen , w eil sich so viele P seu d o -W issen sch aften zw isch en ih n en ein gen istet h ab en), d arf m an erw arten, d aß an sein em L eitfad en au ch ern eutes In teresse an d en K läru n g sleistu n gen d er P h ilo so p h ie u n d ihren G ru n d - u n d B ereich sd iszip lin en aufk o m m en m a g. U n d d a n u n au ch h artgeso tten e „ Ü b erw in d er d er M etap h ysik “ in zw isch en ein gew isses B e w u ß tsein d avo n en tw ick elt h ab en, d aß jed e K ritik an d er M etap h ysik selb st ein er gew issen m etap h y sisch en B e grü n d u n g b ed arf, k an n au ch d er p h ilo so p h isch en K ern disziplin ein e n eu e K o n ju n k tur vorau sgesa gt w erd en. U m m it H oraz zu red en: M etap h ysicam exp ellas furca, tam en u sq u e recurret! A n statt also in d er R o lle d es A n gek lagten die W issen sch aftlich k eit d er P h ilo so p h ie u n d d er M etap h ysik n ach zu w eisen , so llten d ie P h ilo so p h en lieb er d ie – sch o n vo n K an t gesch ätzte – R o lle d es U n tersu ch u n gsrichters ein n eh m en u n d ergrü n d en , w o u n d w ie die E in zelw issen sch aften ih rer K o n stitu tio n n ach selb er im m er sch o n p h ilo so p h isch u n d m etap h y sisch w aren u n d sin d. S ie sin d es auf d er E b en e ih rer „ axio m atisch en “ V o rau ssetzu n gen , d. h. b ei ihren G ru n d b egriffen u n d G ru n d sätzen . S ofern ü b er d iese K larh eit b esteht – w as n icht in allen E in zelw issen sch aften d er F all ist – h an d elt es sich d ab ei u m B ew eisgru n dla gen fü r die D ed u k tio n d er in ih ren T h eorien vo rk o m m en d en S ätze b zw . T h eorem en . B ezü glich d es V erh ältnisses vo n A xio m en zu ab ge leiteten T h eo rem en h at m an sich b eso n d ers in d er M ath em atik u n d - d urch ih re vo rw iegen d e A n w en d u n g d o rt – au ch in d en N atu rw issen sch aften d u rch gän gig an d ie V o rgab en d es sp ätan tik en m ath em atisch en L eh rb u c h s d er M ath em atik vo n E u klid, d ie “ E lem en te“ geh alten. D ort w ird gesa gt, d aß solch e A xio m e als B ew eisgru n dla gen nich t ih rerseits b ew iesen u n d „ d ed u ziert“ w erd en k ö n n en. U n d A risto teles h at d iese M ein u n g in sein er L o gik vo rgep rägt. D en n er b eh au ptete d arin, axio m atisch e G ru n d b egriffe b zw . K atego rien k ö n n ten als „ h ö ch ste u n d allge m ein ste G attu n gsb e griffe“ n icht d efin iert w erd en , w eil sie k ein e h ö h ere n G attu n gsb e griffe „ ü b er sich “ h ab en . U n d w as d ie „ lo gisch en G ru n d sätze b etreffe“ (S atz d er Id en tität, S atz vo m zu verm eid en d en W id ersp ru ch u n d S atz vo m au sg esch lo ssen en D ritten), so erw eise sich d erjen ige, d er für so lch e B e w eisgru n d lagen n o ch B e w eise ford ere, als „ u n geb ild et“ in d er jew eilig en W issen sch aft. S eith er ist es in d en W issen sch aften ü b lich, diese axio m atisch en V o rau ssetzu n gen als gru n d sätzlich „u n d efin ierb ar“, „selb stverstän d lich“, „ evid en t“ u n d d urch „ In tu itio n en“ o d er „ G lau b en“ (en glisch : b elief) erfaß - u n d h an d h ab b ar au szu w eisen . D er L o gik er Isen krah e n an n te die axio m atisch en G ru n d sätze gerad ezu „ E D E L -S ätze“ u n d „ U H B U N T -S ätze (d. h. „ ein leu chten d -d u rch -eigen e sL ich t“ b zw . „ u n b ew iesen -h in ge stellte-B ew eisu n terlagen “ 3 . M it K an t w erd en sie au ch „tran szen d en tale b zw . apriorisch e A rgu m en te“ (d. h. ü b er alles A b geleitete u n d B ew eisb are hin au sgeh e n d e „ B ed in gu n gen d er M ö glich k eit“ aller T h eorem e) b eh an d elt. U n d w er sie in se in em F ach geb iet n icht an erk en n t, w ird – n o ch im m er m it A ristoteles – als „ u n p rofessio n ell“ g eb ran d m ark t. D aß d ie A xio m e so w o h l als G ru n d b e griffe w ie als G ru n d sätze ab er k ein esw e gs p eren n e F u n d am en te d er E in zelw issen sch aften sin d , zeigt d eren G esch ich te u n d so m an ch e erfo lgreich e o d er au ch ab ortive „ G ru n d lagen revisio n “ o d er gar „ R evo lu tio n“ in ih n en . D a ab er ü b er allem A xio m atisch en in d en E in zelw issen sch aften gleich sam ein S ch leier d er T ab u isieru n g liegt, w erd en die V erän d eru n gen diesb ezü glich gern e als sch ick salh aft an ge se h en u n d gen ialen In tuitio n en w issen sch aftlich er G en ies zu gerech n et. D iese selb stversch u ld ete L a ge ist jed o ch ein d eu tlich es A n zeich en d afür, d aß d as B an d zw isch en d en E in zelw issen sch aften u n d d en p h ilo so p h isch en D iszip li3 vgl. C. Isenkrahe, Zum Problem der Evidenz. Was bedeutet, was leistet sie? Kempten-München 1917. n en gerissen ist. D en n w as im m er in d en E in zelw issen sch aften als axio m atisch vo rau sgesetzt w ird, ist d ies gerad e für die p hilo so p h isch en D isziplin en u n d letztlich die M etap h ysik k ein esw e gs. V ielm eh r sin d d ie A xio m atik en d er E in zelw issen sch aften gerad e d as h au p tsäch lich e F ak ten m aterial für d ie p hilo so p h isch e R eflexio n. Jed e B ereich sd isziplin sollte sch o n d azu d ien en, ü b er ge sch ich tlich e H erk u nft, A ltern ativen , T rag w eite, S tärk en u n d S ch w ä ch en b esteh en d er ein zelw issen sch aftlich er V orau ssetzu n gen K larh eit h erzu stellen. U n d sin d au ch d ie B ereich sd isziplin en – w ie in u n serer Ü b ersich t etw a d ie L o gik u n d E thik als F u n d a m en te th eo retisch er u n d prak tisch er P h ilo so p h ie – ihrerseits axio m atisch orga n isiert, so sin d d eren A xio m atik en w ied eru m d as fak tisch e M aterial für gru n d d isziplin äre R eflexio n en u n d K läru n gen . D iese so gen an n ten „ M eta-V erh ältn isse“ setzen sich b is zur M etap h ysik fort, in w elch er b ish er d ie groß en K lassik er-M etap h ysik en selb er als letztb egrü n d en d e A xio m atik en in d er G estalt ihrer „ S ystem e“ o rgan isiert w o rd en sin d. Die genuinen Probleme der Metaphysik bestehen daher im wesentlichen darin, wie mit diesen Systemen umzugehen ist. Etwa, ob sie selber als Axiomatiken alles wissenschaftlichen Denkens hinzunehmen sind oder ob sich auch hier Neuerungen, Alternativen gewinnen, kurz weitere Horizonte für die metaphysische Forschung eröffnen lassen. Wenn dies der Fall sein sollte, wovon auszugehen ist, wird man sich nicht auf die abendländisch-westlichen philosophischen Systeme und ihre metaphysischen Kerne beschränken dürfen. Man wird vielmehr alle Ressourcen der Weltphilosophie dafür in Anspruch nehmen müssen. § 3 Die Kriterien für metaphysische Prinzipien Die Metaphysik leidet nicht am Mangel, sondern eher am Überfluß von Vorschlägen für metaphysische Prinzipien. Ihre Geschichte bietet den Fundus dieser Vorschläge, die jederzeit aktualisiert und in die metaphysische Debatte eingeführt werden können. Diese Prinzipien werden seit dem 17. Jahrhundert in der Terminologie der „Ismen“ gekennzeichnet. Jeder metaphysische „Ismus“ bezeichnet eine Theorie, als deren Grundbegriff und Beweisgrund eben das Prinzip gilt, das die Leerstelle im Ismus ausfüllen kann. Im Idealismus ist es die Idee, im Realismus die „Res“ bzw. Sache oder Ding, im Materialismus die Materie, im Spiritualismus der Geist, im Pragmatismus die Handlung. Diese Gepflogenheit ist auch in die Einzelwissenschaften übernommen worden, insofern auch hier die schulmäßigen Grundlagentheorien als Ismen bezeichnet werden. Relativität ist der Grundbegriff der (Einsteinschen) Relativitätstheorie, Struktur der Grundbegriff einer ganzen Reihe von Natur- und Kulturwissenschaften. Und so spricht man hier von Relativismus und Strukturalismus. Zusammengesetzte oder spezifizierte Ismen, wie z. B. „interner Realismus“ (nach H. Putnam), „subjektiver Idealismus“ oder „dialektischer Materialismus“ deuten auf Grundlagentheorien hin, die entweder mehrere Grundbegriffe besitzen (dualistische oder pluralistische) oder ihr tatsächliches Prinzip verundeutlichen. Eine Reihe von Ismen knüpft an Eigennamen von Klassikern oder ganzen Schulen an. Man kennt den Platonismus, Aristotelismus, Stoizismus, Kantianismus, Hegelianismus, Marxismus usw. Sie sind in der Regel undeutlich, insofern die Lehren dieser Klassiker oder Schulen erst durch Interpretationen, die zahlreich und teils kontrovers ausfallen, festgestellt werden muß. Man kann beiläufig bemerken, daß als Klassiker gerade diejenigen Denker ausgezeichnet werden, die auf Grund einer gepflegten Undeutlichkeit zu solch vielfältigen Interpretationen ihrer Lehren einladen. Hält man sich an eine bestimmte Interpretation, so kommt man gewöhnlich auf die erstgenannten Ismen zurück. Platonismus wird so im allgemeinen als metaphysische Ideenlehre bzw. als Idealismus verstanden, Aristotelismus demgegenüber als Realismus. Logisch gesehen sind die Ismenbegriffe höchste Gattungsbegriffe in einer Begriffspyramide. In ihrem Umfang liegen die aus ihnen deduzierbaren nächst-niederen Begriffe, die in der Regel Kategorien (vormals auch „Postprädikamente“ genannt) der jeweiligen metaphysischen Theorie sind. Diese können evtl. ihrerseits höchste Gattungsbegriffe der Grunddisziplinen sein. In deren Umfang liegen die Begriffe der Bereichsdisziplinen, die ihrerseits eigene Begriffspyramiden bilden können. In den Begriffspyramiden der Bereichsdisziplinen können die Grundbegriffe („Kategorie“ i. e. S.) der Einzelwissenschaften, und von diesen wiederum alle weiteren Begriffe der Einzelwissenschaften deduziert werden. D as G esa gte stellt jed o ch n u r d en so gen an n ten exten sio n alen T eil d er p yram id alen B e griffsh ierarch ie d ar. S olan g e m an sich n ur an d iesen E xten sio n en (B egriffsu m fän gen ) orientiert, w ie dies w eith in in d er L o gik gesch ieh t, k an n d ie B e griffsp yram id e n ur zu ein er K lassifik atio n d er in m etap h ysisch b e grü n d eten E in zelw issen sch aften vo rk o m m en d en B e griffe d ien en. D ie jew eilige S u b su m p tio n fak tisch er B e griffe u n ter „h ö h ere“ B e griffe ersch ein t d an n als ziem lich w illk ürlich . D ie p yram id ale O rd n u n g erlau b t jed o ch d urch B erü ck sichtigu n g d er in ten sio n alen E igen sch aften d er je w eiligen B e griffe, n äm lich ihrer M erk m ale, zu ein er p yram id alen B e griffsh ierarch ie zu gelan gen , d ie w eit ü b er die lo gisch e L eistu n g sfäh igk eit ein er K lassifik atio n hin au sreich t. D azu w u rd e ein n eu er lo gisch er F o rm alism u s entw ick elt, w elch er in d er L a ge ist, d ie inten sio n alen u n d zu gleich d ie exten sio n alen E igen sc h aften vo n B e griffen ein er T h eorie grap h isch zu n o tieren . 4 D ieser F o rm alism u s b esteht in ein em exten sio n alen (klassifik atorisch en ) p yram id alen S ch em a, w elch es d en B e griffen ein er T h eo rie ein e b estim m te S telle in d er (exten sio n alen ) H ierarchie zu ord n et. In d ie jew eiligen B e griffsstellen (d u rch K reise b ezeich n et) w erd en so d an n d ie M erk m ale d er jew eiligen B e griffe d urch B u ch stab en ein g esch rieb en. D ab ei gilt die (d urch A ristoteles fo rm u lierte) R e gel, d aß säm tlich e M erk m ale h ö h erer B e griffe als „ gen erisch e M erk m ale“ in d en M erk m alsb estan d d er u n teren B e griffe vo llstän dig u n d als id en tisch e ein geh en . U n tere B e griffe en th alten n eb en ih rem gen erisch en M erk m alsb estan d jew eils ein zu sätzlich es M erk m al (n ach A ristoteles „sp ezifisch e D ifferen z“ gen an n t). D u rch d iese N o tatio n sw eise ergib t sich, d aß alle vo rk o m m en d en B e griffe d urch ihre S tellu n g in d er H ierarchie u n d ihren M erk m alsb estan d vo llstän dig u n d direkt ab lesb ar d efin iert w erd en. B ei d er form alen N o tatio n d er B e griffsstellen d er P yram id e h at m an d am it zu rech n en , d aß auf ih ren versch ied en en H ierarch ieeb en en d ih äretisch e (zw eiteilige) o d er m u ltip le (m eh rteilige) B e griffsu n tersch eid u n g en vo rk o m m en k ö n n en. E s gib t z. B . u nter ein er G attu n g zw ei o d er m ehrere A rtb eg riffe. D er F orm a lism u s stellt d afür entsp rech en d e F orm en b ereit. D iese P y ram id en stru ktu ren seh en fo lgen d erm aß en au s: D ih ä re tisc h e B e g riffsp y ra m id e g e m isc h t d ih ä re tisc h -m u ltip le P y ra m id e A AB ABD A = G attu n g; ABE A AC ACF AB ACG A B ... = A rten ; ABF ABG AC ADH AD ADI AE ADJ A B C ... = U n terarten o d er In d ivid u en M an b em erk t leich t, d aß d ieser F o rm alism u s sich n ac h u n ten fü r evtl. ab zu leiten d e sp eziellere B e griffe b elieb ig erw eitern läß t. E s so llte eb en so d eu tlich w erd en, d aß die h ö ch ste G attu n g (h ier m it „ A “ b ezeich n et) ein ein ziges M erk m al b esitzen m u ß . D ies ist zu b eto n en, d a die K atego rien lehren (vo n A ristoteles’ D efin itio n slehre u n d E u k lid s A xio m en leh re in d ie Irre gefü h rt) d avo n au sg eh en , d aß h ö ch ste G attu n ge n b zw . axio m atisch e G ru n d b egriffe nich t d efin ierb ar seien . W en n dies so w äre, k ö n n ten axio m a tisch e S pitzen b egriffe ü b erh au pt k ein e B e griffe sein. M an sieh t jed o ch, d aß sie d ad urch d efiniert sin d, d aß ihr M erk m al 4 Vgl. L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987 und neuere Veröffentlichungen im Internet der HHU Duesseldorf. au s d en ge m ein sam en M e rk m alen d er n äch stnied eren A rtb egriffe „in d u k tiv“ ge w o n n en w erd en k an n u n d au ch ge w o n n en w erd en m u ß . D ie o b en vo rge stellte p y ram id ale N o tatio n d er B e griffsverh ältn isse in T h eo rien form alisiert in d es n ur regu läre, d . h. w id ersp ru ch slo se B e griffe. In d er P raxis d er W issen sch aften u n d au ch b ei m etap h y sisch en T h eorien k o m m t es jed o ch vo r, d aß exp lizit o d er u n erk an n t w id ersprü ch lich e B e griffe (co n trad ictio n es in term in is o d er in adiecto) in T h eo rien ein geh en . D iese w aren u n d sin d n o ch im m er ein u n gelö stes P ro b lem d er L o gik, d as ge w ö h n lich d ad u rch u m gan gen w ird, d aß m an W id ersp rü chlich es in to to fü r „u n lo gisch “, „ ab su rd“, „ sin n - b zw . ge ge n stan d slo s“ u. ä. au sgib t. Z u d em w ird an gen o m m e n , d aß ih r V o rk o m m en in T h eo rien zu „falsch en A u ssa gen “ fü h re, d ie gan ze T h eorien „falsifizieren “. E s b esteh t also B ed arf, au ch fü r w id ersp rü ch lich e B egriffe ein e lo gisch p yram id ale N o tatio n ein zu fü hren . 5 S ie sieh t folg en d erm aß en au s: K o n stru ktio n w id ersp rü ch lich er B eg riffe d u rch V ersch m elzu n g d ih ä re tisch er A rtb e g riffe A AB ABC A = G a ttu n g ; AC Beispiel: A = organisches Wesen AB = lebendiges organisches Wesen AC = totes organisches Wesen ABC = lebendig-totes ("sterbliches") organisches Wesen A B u n d A C = d ih ä retisch e A rten ; A B C = w id ersp rü ch lich er B e g riff W id ersp rü chlich e B egriffe sin d en tge gen h errsch en d er M ein u n g w ed er sin n n o ch ge gen stan d lo s. D as zeigt sich sch o n d aran, d aß sie im alltagssp rach lich e n W o rtsch atz als O x ym o ra (z. B . „ sch w arzer S ch im m el“ ) u n d au ch im w issen sch aftlich en W o rtsch atz h äu fig, w en n au ch nich t im m er als so lch e erk an n t, vo rk o m m en U n d d a d u rch B eg riffe n ichts b eh au p tet, so n d ern n ur etw as vo rge stellt u n d ged ac h t w ird , sin d sie au ch n icht w ah r o d er falsch. S ie entsteh en d ad urch , d aß d ih äretisch e, also sich ge gen seitig „ au ssch ließ en d e“ b zw . n egieren d e A rtb egriffe zu ein em ein zigen B e griff versch m o lzen w erd en. D ieser en th ält so m it n eb en d em gen e risch en M erk m al ihrer ge m ein sam en G attu n g d ie sp ezifisch en D ifferen zen b eid er A rtb egriffe. Ih r U m fan g u m faß t (u n ge sch ied en) die E xten sio n en b eid er A u sgan gsb e griffe ge 5 Vgl. dazu ebenfalls L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987, S. 94 – 98, und Elementa logico-mathematica, Internet HHU Duesseldorf 2004. m ein sam . W ir n o tieren d ies im p yram id alen F o rm alism u s d urch d as V iereck zw isch en d en regu lären d ih äretisch en A rten , in w elch es d ie en tsprech en d en M erk m ale b eid er ein gesch rieb en sin d. U m ein B eisp iel zu geb en : D ie in allen L o gik leh rb ü ch ern strap azierte „ S terb lich k eit“ ist ge w iß ein b islan g u n erk an nter w id ersp rü ch lich er B e griff, d er au s d en b eid en E igen sch aftsb e griffen „to t“ u n d „leb en d ig“, d ie sich gege n seitig n egieren, versch m o lzen ist. Jed erm an n k en n t to te u n d leb en d ige O rgan ism e n , ab er d an eb en k ein e an d eren. „ S terb lich e“ O rgan ism e n m ü ß ten jed o ch „ tot u n d leb en dig zu gleich“ sein. U n d d as w ird ge w ö h n lich am „ sterb lich en S o k rates“ d em o n striert, d er län g st tot, zu gleich ab er in d er E rin n eru n g d er L o gik er h ö ch st leb en d ig ist. In d er F o lk lo re u n d so g ar in ern sth aften w issen sch aftsth eo retisch en D isk u ssio n en treten „ Z o m b ies“ als „leb en d ige L eich n am e“ w ie „ tote L eb e w esen “ auf. U n d u m sich d ab ei etw as vo rzu stellen, ist P h an tasie u n d E rin n eru n g an d ie getren nten E xisten zw eisen gefo rd ert. V o m P h ysik er w ird gan z en tsp rech en d in d er E lem en tarteilch en p h y sik gefo rd ert, sich die E lem en tarteilch en im B ild e d er sich au ssch ließ en d en M o d elle „ W elle“ u n d „ K o rp u sk el“ v orzu stellen. E r w eiß au s d er M ech an ik u n d H yd ro statik, w as ein e W elle u n d w as ein e K o rp u sk el (T eilch en) ist, u n d d aß ein e W elle k ein e K o rp u sk el u n d ein e K o rp u sk el k ein e W elle ist. D en n o ch k o m m t er nich t u m h in, sich d as gem ein te u n d so d efin ierte M ik ro -E lem en t als „ k o rp u sk u lare W elle“ b zw . als „ w ellen fö rm ige K o rp u sk el“ vo rzu stellen u n d sich d ab ei (in so ge n an n ter „d u aler D en k w eise“ n ach N . B o h r) etw as zu d en k en. D ie d azu n otw en d ige V o rstellu n g sk raft (P h an tasie) w ird gar zu sch n ell als ein e n icht jed em L aien zu gän glich e p h ysik alisch e Im a gin atio n sfäh igk eit b ezeich n et. D er A to m p h y sik er F ritz W o lf drü ck te es in sein em L eh rged ich t ü b er „ D as A to m “ 6 so au s: E s w ird sic h , w ie g esa g t, im L eb en fü r ein en L a ien o ft erg eb en , d aß er n u r sc h w erlich fa ssen k an n , w as so ein S p ezialist ersan n – u n d m an ch m al, m eisten s h in terh er, v ersteh t m an ü b erh au p t n ich ts m eh r. T atsäch lich ist dies n ur ein w eiteres B eisp iel „ dialektisch er“ B e griffsk o n stru k tio n. In ih r w ird eb en so w ie b ei d er „ S terblich k eit“ n u r erford ert, d as E lem en tarteilch en, w elch es sich em p irisch in d en d ih äretisch en A rten d er k o rp u sk u laren u n d d er w ellenfö rm igen G e stalt b eo b ach ten u n d b esch reib en läß t, als „ ein u n d d asselb e E lem en t“ zu d en k en. A u ch in d er M etap h ysik gib t es d ialek tisch e T h eo rien, die sich d ieser B egriffsbild u n g b ed ien en. S o h ab en die S to ik er d en B e griff d er (ato m istisch en b zw . k orp u sk u laren) M aterie D em o krits u n d d er E p ik ureer m it d em B e griff d es G eistes (d er d urch H eraklit, A n axa g oras u n d P lato n als L o go s, N o u s u n d Id ee u n d so m it 6 Fritz Wolf, Das Atom, Verlag Harri Deutsch, 4. Aufl. Frankfurt a. M. 1988, S. 97 als G e gen teil zu allem M ateriellen d efin iert w ar) zur E in h eit d es „ P n eu m a“ versch m o lzen u n d d ieses P n eu m a als „fein ste geistige M aterie“ d efin iert. D arin sin d ih n en d ie fran zö sisch en M a terialisten (D id erot u.a.) u n d m an ch e n eu eren D ialektik er gefo lgt, die die M aterie selb st als „ d en k en d“ o d er „ m it B ew u ß tsein b egab t“ b ezeich n en. U n d d as h eiß t u m gek eh rt au ch , d aß d er „ G eist“ zu gleich „ m ateriell“ sein so ll, w ie es ge gen w ärtig m an ch e H irn p h y siolo g en an n eh m en . D ie lo gisch e S tru k tur d er m etap h ysisch en (u n d ü b erh au p t aller) T h eorien, seien sie regu lär-w id ersp ru ch slo s o d er dialektisch -w id ersp ru ch svo ll zeigt vo r allem d eu tlich, d aß die M e rk m ale b zw . Inten sio n en ih rer P rin zipien als „ gen erisch e M erk m ale“ bis auf d ie E b en e d er vo n ih n en u m faß ten F ak ten u n d D aten (in divid u elle S ach verh alte) gleich sam d u rch sch lagen u n d so m it in ih n en id en tisch vo rh an d en sein m ü ssen . D e r R ealism u s m u ß b eh au p ten, d aß „ alles, w as ü b erh au p t existiert u n d erk an nt w erd en k an n , real (d in glich b zw . sach lich) ist“. D er S p iritu alism u s b eh au p tet eb en so, d aß „ alles geistig ist“ . U n d d as m u ß für alle O b jek te d er G ru n d - u n d B ereich sd isziplin en u n d d er E in zelw issen sch aften gezeigt u n d b ew iesen w erd en. G ew iß ist d as ein e id eale F ord eru n g, d er allen falls ein ig e w en ige m etap h y sisch e T h eorien w en ig sten s n ah e k o m m en . In d er p h ilo so p h isch en u n d w issen sch aftlich en P raxis h at m a n es ge w ö h n lich m it d ed u k tiven S k izzen vo n d en P rin zip ien zu d en F ak ten o d er u m gek eh rt m it in d u k tiv en V erallgem ein eru n gen vo n d en F ak ten zu axio m atisch en K atego rien zu tu n. F eh lt es hier an lo gisch er D u rch gän gigk eit, so k an n m an sich u n b ek ü m m ert u m K o n seq u en z zu gleich als „em p irisch er R ealist u n d tran szen d en taler Id ealist“ (w ie K an t u n d n ach ih m H . P u tn am vo n sich sagten ) gerieren. A b er dies zeigt n u r, d aß p h ilo so p h isch e A rb eit in d er M etap h ysik w eit h in ter ein stige A n fo rd eru n ge n zu rü ck gefallen ist u n d d ah er in ten siver lo gisch er A u sarb eitu n g b ed arf. G em äß d en lo gisch en B e d in gu n gen , d ie sich ergeb e n h ab en, lassen sich ein ige K riterien fü r jed e „ zü nftige“ m etap h y sisch e T h eorie, die u n ter d en sch o n vo rh an d en en als so lch e au sgezeich n et w erd en k an n, au fstellen : 1. D as m etap h ysisch e P rin zip m uß sich als allgem ein ster B e griff sch lech thin au sw eisen lassen . E s ist „ d as A llgem ein ste“ ü b erh au p t. 2. D as M erk m al dieses P rin zip s m uß sich als g en erisch es M erk m al aller gru n d d isziplin ären, b ereich d iszip lin ären u n d ein zelw issen sch aftlich en B e griffe n ach w eisen lassen . E s ist id en tisch er u n d integraler B estan d teil aller B e griffe u n d so m it zu gleich M erk m al alles K o n k reten. 3. A ls B estan d teil b zw . M erk m al au ch d es K o n k reten m uß d as, w as d am it vo rgestellt b zw . ged a ch t w erd en so ll, zu gleich d as B ek an n teste u n d V ertrau teste in allen E rfahru n gsb estän d en sein . 4. G erad e d esh alb w ird es in aller E rfahru n g ge w ö h n lich ü b erseh en u n d ersch eint d ah er au ch als d as „ U n h eim lich ste“. § 4 D ie log isch en M eth od en m etap h ysisch er F o rsch u n g: D ed u k tion u n d In d u k tio n A ls lo gisch e M eth o d en , die hier in F ra ge k o m m en , gelten seit jeh er d ie D ed u k tio n u n d die In d u k tio n. D iese w erd en in d er n eu eren L o gik in d er U rteils- b zw . A u ssa gen lo gik so w ie in d en S ch luß leh ren vo rgestellt u n d sin d d ad urch h ö ch st pro b lem atisch g ew o rd en . D ie sich h ier ergeb en d e n P ro b lem e, etw a d er V o llstän dig k eit o d er U n vo llstän d igk eit d er In d u ktio n u n d die d er Z u verlässigk eit d er D ed u k tio n in d en versch ied en en F o rsch u n gsb e reich en v erd an k en sich u. E . ab er d er T atsach e, d aß die B egriffsleh re in d er n eu eren L o g ik zu gu n sten d er A u ssagen lo gik zu seh r vern ach lässigt w o rd en ist. In d er T at sin d D ed u k tio n u n d In d u k tio n als M eth o d en d er B e griffsbild u n g vo n P lato n u n d A ristoteles erfu n d en w o rd en. U n d erst w en n B egriffe geb ild et u n d d efiniert w o rd en sin d, k an n m an m it ih n en lo gisch u rteilen u n d sch ließ en. D ie In d u ktio n (griech. eisago gia, „ E infü h ru n g“ in B egriffe) b eru ht n ach A risto teles auf d er sin nlich en W ah rn eh m u n g d er E igen sch aften b zw . d er M erk m ale vo n D in gen b zw . „ S u b stan z en“. W o rau f es d ab ei an k o m m t, ist die U n tersch eid u n g d erjen igen M erk m ale, d ie ein em ein zeln en G e gen stan d „ sp e zifisch zu k o m m en “, vo n d en jenigen , d ie er m it an d eren G egen stän d en ge m ein sam b esitzt. S ieh t m an . vo n d en sp ezifisch en E igen sch aften ab u n d läß t sie b eiseite (d as m ein t ursp rü n glich „ ab stractio“, A b zieh u n g), so k an n m an sein e A u fm erk sam k eit au ssch ließ lich au f d ie ge m ein sam en M erk m ale versch ied en er G e gen stän d e richten . D iese „ festzu h alten “ u n d sich d eutlich vo r A u gen zu stellen, ist sch o n In d u k tio n d es allge m ein en B egriffs (b ei A risto teles „ zw eite S u b stan z“ gen an n t). D er so g ew o n n en e - in d u zierte - B e griff u m faß t also in sein em U m fan g alle G e gen stän d e u n d S ach verh alte, d ie solch e gem ein sa m en M erk m ale en th alten, u n d er selb st enth ält n ur n o ch d iese gem ein sa m en M erk m ale. E s ist d ab ei vo n größ ter W ich tig k eit u n d w ird g ew ö h n lich vo n d en L o gik ern ü b erseh en , d aß ein so in d u zierter B e griff sich k ein esw e gs gleich sam ü b er d ie E b en e d er A u sgan gssach verh alte erh eb t u n d d ad urch , w ie m an sagt, „ ab strak t“ o d er „ u n an sch au lich “ w ird. Im G e gen teil bleibt d as, w as er als G em ein sam es am V ersch ied en en festh ält, gen a u so sin n lich au sw eisb ar u n d vo rstellb ar w ie die F ak ten u n d D aten, au s d en en er ab strah iert w u rd e. W äre es n icht so , so k ö n n te m an sich b ei ein em allge m ein en B e griff ü b erh au p t nich ts vo rstellen. E s liegt au f d er H an d , d aß die In d u k tio n n u n w eiter au f d ie so gew o n n en en u n d d urch ih re M erk m ale u n d ihren U m fan g d efinierten B egriffe an ge w an d t w ird . A u ch u nter ih n en ist n ach g em ein sam en M erk m alen A u ssch au zu h alten, u n d d ie sie sp ezifisch u n tersch eid en d en M erk m ale sin d w ied eru m w e gzu lassen . D as V erfah ren d er In d u k tio n k an n sch ließ lich n ur bis zu d erjen igen A b straktio n seb en e fo rtgefü h rt w erd en , w o sich n ur n o ch ein ein ziges, n u n allen in d u zierten B egriffen ge m ein sa m es M erk m al erk en n en läß t. D ieses w ird in jed em F alle ein m etap h y sisch es P rin zip als „allge m ein ster B egriff“ sein. E s ist allein d ad u rch d efiniert, d aß es n u r n o ch d as gem ein sam e M erk m al d er zuletzt in d u zierten B e griffe enth ält u n d in sein em U m fan g alles u m faß t, w as vo rh er als G ru n dlag e d er In d u k tio n en ged ien t h at. B eto n en w ir n o ch m als, d aß es b ei strik ter A n w en d u n g d er In d u k tio n zur B egriffsb ild u n g n ich t vo rk o m m en k an n, d aß d ie so gen an n ten h ö h eren o d er „ ab strak ten“ B e griffe sich jem als vo n d er A n sch au u n g u n d E rfahru n g entfern en k ö n n ten. U n d dieses E rgeb n is m uß in lo gisch er K o n seq u en z allen ü blich en A b straktio n sverfahren en tge gen geh alten w erd en, d ie d a vo n au sge h en, die A llge m ein b egriffe u n d in sb eso n d ere d ie K ateg orien u n d axio m a tisch en G ru n d b egriffe seien u n d efin ierb ar u n d u n an sch au lich u n d es ließ en sich d ah er ihre M erk m ale nich t m ehr an geb en . D ie T atsach e, d aß in w issen sch aftlich en T h eorien u n d erst rech t in m etap h y sisch en T h eo rien d erartiges an gen o m m en w ird , zeigt allen falls, d aß es d ab ei m eh r u m S p iele m it W orten an statt u m die A rb eit m it B egriffen geh t. W a s die D ed u ktio n b etrifft, so ist d avo n au szu g eh en , d aß sie erst m eth o disch n u tzb ar sein so llte, w en n v orh er in d u ktiv gew o n n en e B e griffe zur V erfü gu n g steh en. D ie D ed u k tio n ist d an n ein V erfah ren d er K o n tro lle d er In d u k tio n. D ie allge m ein en B e griffe w erd e n d ab ei h in sichtlich ih res U m fan gs in d ih äretisch e o d er m u ltiple A rtb egriffe, diese in U n terarten u sw . ein g e teilt. D ie E inteilu n g u n d U n tersch eid u n g ergib t sich au s d er F eststellu n g d erjenigen sp ezifisch en M erk m ale d er u nteren B e griffe, d ie zu d en ge m ein sam en ge n erisch en M erk m ale d es O b erb egriffs h in zutreten D ie D ed u k tio n h at allerd in gs ü b er diese K o n trollfu n k tio n d er regelrech ten In d u k tio n en ein en h ö ch st kreativen u n d h euristisch en C h arak ter hin zu ge w o n n en . S ie erlau b t es, au ch b elieb ige au s d er T raditio n stam m en d e o d er sp ek u lativ geb ild ete B e griffe in A rten u n d U n terarten bis hin zu F ak ten b en en n u n gen zu sp ezifizieren. S o lch e d ed u ktiv au fgeste llten B e griffsp yram id en d ien en d an n in aller R e gel als h euristisch e L eitfäd en für d ie em p irisch e F o rsch u n g. M an k an n d am it n ach em p irisch en F ak ten u n d S ac h verh alten su ch en, d ie - vie lleicht – d en d efin ierten inten sio n alen u n d e xten sio n alen V o rau ssetzu n gen d er d ed u zierten B e griffe en tsprech en . V iele em p irisch e F o rsch u n gserge b n isse b eru h en au f d iesem „ h y p o th etisch -d ed u k tiven “ V erfah ren. S o etw a d ie E ntd eck u n g d er „ m issin g lin k s“ (fehlen d er A rten u n d U n terarten) in d er b io lo gisch en T axo n o m ie d er L eb en sfo rm en. A u ch die ge g en w ärtige Jagd n ach n o ch w eitere n u n b ek an n ten E lem en tarteilch en , d eren E igen sch aften d ed u ktiv d efiniert w o rd en sin d, verd an k t sic h d iesem K o n zep t. K . R . P o p p er h at d ieses d ed u k tive F o rsch u n g sk o n zep t in sein em B u ch „ D ie L o gik d er F o rsch u n g“ 7 . au sfü hrlich entw ick elt u n d d em In d u k tivism u s ge gen ü b er gestellt. N eb en ihrer K o ntrollfu n k tio n für In d u k tio n en u n d n eb en ih rer h euristisch en F ru ch tb ark eit eign et sich d ie d ed u k tive M eth o d e ab er au ch für d ie K o n stru k tio n 7 K. R. Popper, Die Logik der Forschung. Zur Erkenntnistheorie der modernen Naturwissenschaft, Wien 1935, 7. erw. Aufl. 1982. u n d A b leitu n g vo n w id ersp rü ch lich en B e griffen . W ie vo rn ge zeigt, lassen sich so lch e B e griffe fast b eliebig au s sch o n d ed u zierten d ih äretisch en A rtb egriffen d urch d eren V ersch m elzu n g bild en u n d d efinieren. D ies k an n in dialektisch en T h eorien ab sich tlich u n d b ew u ß t b etrieb en w erd en. In d er allge m ein en w issen sch aftlich en P raxis w ird d ergleich en jed o ch p erh orresziert u n d gilt gerad ezu als w issen sch aftlich er K u n stfeh ler. D en n au s w id ersp rü ch lich en B e griffen lassen sich d an n au ch w id ersprü ch lich e U rteile u n d S ch lü sse b ild en, d ie ü blich er W eise fü r „lo gisch falsch “ geh alten w erd en. D ah er w ird m an se lb st in m an ifesten F ällen w id ersprü ch lich er B e griffe in w issen sch aftlich en T h eorien k au m jem als ein B ew u ß tsein o d er gar E in ge stän d nisse b ei d en T h eo retik ern fin d en, d aß es sich so verh alten k ö n nte. U n d d as h at zur F o lge, d aß vielerlei dialek tisch e B e griffe in allen D iszip lin en u n d E in zelw issen sch aften im U m lau f sin d, die n icht als so lch e d urch sch au t u n d erk an n t sin d. A ls B eisp iel sei au f u n sere lo gisch e R ek o n stru k tio n d er m ath em atisch en Z ah lb egriffe hin ge w iesen , die sich säm tlich als d ialek tisch e B e griffe erw eisen , vo n M ath em atik ern ab er als M u sterb eisp iele w id erspru ch slo ser B e griffsb ild u n g au sge geb e n w erd en. 8 . § 5 D efin ition d er D iszip lin M etap h ysik M etap h ysik ist die K ern disziplin d er P hilo so p h ie. S ie tradiert u n d verw altet in h isto risch er P ersp ek tive letztb egrü n d en d e P rin zipien b zw . allgem ein ste B egriffe u n d ih re V erw en d u n g in m etap h y sisch en T h eo rien. In sy stem atisch er P ersp ek tive w erd en d iese T h eorien interpretiert u n d m it lo gisch en M itteln k o n so lidiert. D as F o rsch u n gsziel d er M etap h ysik liegt in d er K ritik dieser T h eorien hin sichtlich ih rer W ah rh eit o d er F alsch h eit so w ie ih rer V erk n ü pfu n g m it d en G ru n d u n d B e reich sd isziplin en d er P hilo so p h ie u n d m it d en E in zelw issen sch aften h in sichtlich ihrer B e grü n d u n g sp o ten z fü r diese. D arü b er h in au s w ird sie im Z u sa m m en h an g m it d em E n tw ick lu n gstan d vo n E in zelw issen sch aften au ch d arau f h in arb eiten, evtl. g än zlich n eu e m etap h y sisch e T h eorien zu en tw erfen. 8 Vgl. L. Geldsetzer, Logik, Aalen 1987, S. 142 – 155, und „Elementa logico-mathematica“ im Internet HHU Duesseldorf 2004. I I . Z u r G e s c h ic h t e d e r D is z ip lin M e t a p h y s ik § 6 D ie B e z e ic h n u n g e n d e r D is z ip lin M e t a p h y s ik D ie K e n n tn is d e r B e z e ic h n u n g e n d e r „ M e ta p h ys ik “ is t w i c h t i g fü r d ie ric h tig e E in sc h ä tz u n g , u n te r w e lc h e n T ite ln in d e r P h ilo s o p h ie B e iträ g e m e ta p h y sisc h e r F o rsc h u n g e rw a rte t u n d a u f g e f u n d e n w erd en k ö n nen. I m M itte lp u n k t ste h t n a tü rlic h d i e B e z e ic h n u n g M e ta p h y s i k . S ie g e h t a u f d i e S c h u l e d e s A r i s t o t e l e s , i n s b e s o n d e r e d e s H e ra u s g e b e r s s e in e r W e r k e A n d r o n ik o s v o n R h o d o s ( u m 7 0 v . C h r.) z u r ü c k , d e r d i e P r i n z i p i e n r e f l e x i o n e n d e s A r i s t o t e l e s u n ter d ie se m T ite l "n a c h d e n p h ys ik a lisc h e n S c h rifte n " a n o r d n e t e . V o n d ah er k am au ch d ie T h eo rie au f, es h an d ele sich u m ein e e d i t o r i s c h e , j a b i b l i o t h e k a r i s c h e C h a r a k t e r i s t i k d e r A n o r d n u n g e in e r s o n st n ic h t u n te rz u b rin g e n d e n S c h rifte n g r u p p e " n a c h d e n p h y s ik a lis c h e n " ( d i e s i s t d i e w ö r tlic h e B e d e u tu n g v o n g r ie c h is c h e n " m e ta ta p h y s ik a “ 9 J e d o c h is t i m m e r a u c h d ie s a c h lic h e B e d e u tu n g v o n „ M e ta p h y s ik “ a ls B e z e ic h n u n g e i n e r h i n t e r d i e " N a t u r e r s c h e i n u n g e n " z u r ü c k r e i c h e n d e n F o r s c h u n g n a c h p h ä n o m e n k o n s titu tiv e n 9 Vg l. d a z u H . R e in e r, D ie E n ts te h u n g d e r L e h r e v o m b i b l i o t h e k a r is c h e n U r s p r u n g d e s N a m e n s M e ta p h y s ik , in : Z e its c h rift fü r p h ilo s o p h is c h e F o r s c h u n g 9 , 1 9 5 5 , S . 7 7 - 7 9 ; s o w i e a u c h H . R ein er, D ie E n tsteh u ng u n d u rsp rün glich e B ed eu tu n g d e s N am en s M etap h ysik, in : Z e i t s c h r i f t f ü r p h ilosop h isch e F orsch u n g 8 /2 , 1954, S. 210 – 237 G r u n d la g e n u n d P r in z ip ie n u n d " t r a n s z e n d e n t e n " P r i n z i p i e n v e rtre te n w o rd e n D ie la te in isc h e Ü b e rse tz u n g la u te t T ra n sp h y sic a (d isc ip lin a ). S ie fin d e t sic h b e i d e n sc h o la stisc h e n A risto te lik e rn A lb e r t u s M a g n u s und T h o m as von A quin. A risto tele s g e b ra u c h t in sein e r „ M eta p h ysik " g e n a n n te n S c h r if t d i e B e z e i c h n u n g e n E r s t e P h i l o s o p h i e ( p r o t e p h i l o s o p h ia , la t. p rim a p h ilo so p h ia ) so w ie T h e o lo g ie (th e o lo g ik e e p iste m e ) u n d d e fin ie rt sie a ls e in e " W is s e n s c h a ft v o m S e ie n d e n a l s s o l c h e m " (e p iste m e to u o n to s h e o n ) o d e r a u c h a ls " W iss e n s c h a ft v o n d e n e r s t e n P r i n z i p i e n u n d U r s a c h e n " ( e p i s t e m e t o n p r o t o n a r c h o n k a i a itio n ) . D ie s e B e z e ic h n u n g e n u n d B e s tim m u n g e n s in d k la s s is c h g e w o rd e n u n d g e b e n g e w is se r m a ß e n d ie K o n sta n te v o r, u m d ie a n d e r e B e s t i m m u n g e n o s z i l l i e r e n . In sb e so n d e re d ie B e z e ic h n u n g E rste P h ilo so p h ie ist d u rc h R e n é D e s c a r t e s ( M e d i t a t i o n e s d e p r i m a p h ilo so p h ia) u n d E d m u n d H u sserl (V g l. B d . 7 u n d 8 d er H u sserlian a , G e s . W e r k e , h g . v . H . L . v a n B r e d a ) w i e d e r v e r b r e ite t w o r d e n . A n d i e a r i s t o te li s c h e D e f i n i ti o n d e r " S e i n s l e h r e " ( d i e d a s „ S e i n a ls S e i n “ : o n h e o n b e h a n d e lt ) k n ü p f t d i e i n d e r d e u t s c h e n S c h u l p h il o s o p h i e d e s 1 7 . J a h r h u n d e r ts a u f g e k o m m e n e O n to lo g ie a n . S ie w ir d g e r n e a ls e in e " M e t a p h y s i c a g e n e r a l i s " d e f i n i e r t , d e r e n s p e z i e l l e r e T e i l e ü b e r d i e e i n z e ln e n S e i n s b e r e i c h e d a n n " m e t a p h y s ic a e s p e c i a l e s " g e n a n n t w e r d e n . E r s i c h t l i c h b e d e u t e t d a s e i n e E i n s c h r ä n k u n g d e s T h e m e n b e re ic h s m e ta p h ysisc h e r F ra g e ste lIu n g e n a u f d a s, w a s d a n n in d e r G r u n d d is z ip lin O n to lo g ie in A b h ä n g ig k e it v o n m e ta p h y s i s c h e n V o r e n ts c h e id u n g e n th e m a tis ie r t w ir d . E s is t a u c h e in e R e a k tio n d a g e g e n , w e n n s e it A . G . B a u m g a rte n s S c h rift ''M e ta p h ys ic a “ ( v o n 1 7 5 9 u . ö ) u n d v o n ih m a u s g e h e n d b e i K a n t u n d in s e in e r S c h u le M e ta p h y sik a ls e in e "s c ie n tia p rim a p r in c ip ia c o g n itio n is h u m a n a e c o n tin e n s" d e fin ie rt w ird , d . h . a ls L e h re v o n d e n e rste n E r k e n n tn is p rin z ip ie n , a ls o n ic h t d e r e r s te n S e in s p r in zip ie n . K a n t s e l b s t v e r f o lg t m it s e in e r T r a n s z e n d e n ta lp h ilo s o p h ie a ls e in e r F o r s c h u n g n a c h d e n " B e d i n g u n g e n d e r M ö g l i c h k e i t a l l e r E r k e n n t n i s " d i e s B a u m g a r te n s c h e P r o g r a m m , w e lc h e s e r s ic h tlic h d i e M e ta p h y s i k a u f d e n g r u n d d i s z i p l i n ä r e n B e s t a n d d e r E r k e n n t n is t h e o r i e e i n sc h rä n k t. D ie R e c h tfe rtig u n g d a fü r fin d e t sic h in d e r k a n tisc h e n T h e se, d a ß d ie P rin zip ie n d er E rk e n n t n is z u g l e i c h a u c h d ie P r i n z i p i e n d e s S e i n s s e i e n . E in e b e n f a lls in d e r d e u ts c h e n S c h u lp h ilo s o p h ie d e s 1 7 . Jah rh u n d e rts a u f g e k o m m e n e r V o rs c h la g e in e r „ A r c h e lo g ia “ a l s a l l g e m e i n e r P r i n z i p i e n l e h r e v o n J o h a n n H e i n r i c h A ls te d h a t sic h n ic h t d u rc h g e s e tz t. M it z u n e h m e n d e r A b lö s u n g d e r E in z e lw is s e n s c h a fte n v o n d e r P h ilo so p h ie u n d d e r S tilisie ru n g d e r P h ilo so p h ie n a c h w iss e n s c h a f tlic h e n V o r b ild e r n , d ie im m e r w ie d e r s e it d e m 1 9 . J a h rhu n d e rt in d e n R u f n a c h " P h ilo so p h ie a ls s tre n g e W is se n s c h a f t " m ü n d en, w ird M etap h ysik auch als G ru n d - o d e r F u n da m en tal-W issen scha ft ( F . K . B ie d e r m a n n , F . L . F ü lle b o r n , J . F . I. T a f e l, J . E . R e h m k e 1 0 ) e in g e f ü h r t. V e r b r e ite t s in d s e i t d e m a u c h B e z e ic h n u n g e n a ls A ll g e m e i n e P r i n z i p ie n le h r e o d e r a l s W e l t a n s c h a u u n g s l e h r e ( W . v . H u m bold t, W . D ilthe y) und Ideologie ( P . H . G . C a b a n i s , K . R o s e n k r a n t z , K . M a r x , F . E n g e ls ) ; o d e r d i e I d e n t if i k a t i o n v o n M e t a p h y s i k m i t P h i l o s o p h i e s c h l e c h t h i n , b e s o n d e r s i n d e r P h il o s o p h ie g e s c h ic h ts s c h r e i b u n g H e g e ls u n d d e r H e g e li a n e r , d i e d i e k l a s s i s c h e n M e t a p h y s i k e n a l s " P h il o s o p h ie n “ ( i m P l u r a l) b e h a n d e ln . H ie r h e r g e h ö r t w o h l a u c h d i e „ E le m e n ta r p h ilo s o p h ie “ K a r l L e o n a r d R e i n h o ld s S c h lie ß lic h fin d e t s i c h se it F rie d ric h S c h le g e ls V o rs c h l a g ( 1 8 0 2 ) a u c h d ie B e z e ic h n u n g „ P h ilo s o p h ie d e r P h ilo s o p h ie “ ( W . D ilt h e y ) . E s i s t e i n A u s d r u c k d e s V e r s u c h e s , a u c h P h i l o s o p h i e n d u r c h P h i l o s o p h i e n o c h k r i t i s c h z u h in te r f ra g e n . I n g le ic h e r R ic h tu n g g e h e n d ie V o r s c h lä g e e in e r „ M e ta p h ilo s o p h ie “ ( v g l. M . L a z e r o w itz , S tu d ie s in M e t a p h il o s o p h y , 1 9 6 4 ; H . L e f e b v r e , M e ta p h i l o s o p h i e , P r o l e g o m è n e s , 1 9 6 5 ). E rs ic h tlic h fü h rt s ie n ic h t a u s d e m R a h m e n m e t a p h y s i s c h e r T h e m e n s te llu n g e n h in a u s . S ie s in d a ls u n ta u g lic h e r V e r s u c h z u k e n n z e ic h n e n , e rs te P rin z ip ie n v o n n o c h frü h e re n P rin z ip ie n a b z u le ite n . U n d d a s k ö n n te n u r h e iß e n , d a ß d ie „ e rste n P rin z i p i e n “ n i c h t d i e e r s t e n s i n d . D i e a n g e b lic h v o r a u s l i e g e n d e n „ a lle re rs te n “ e rw e is e n s ic h a u c h b e i n ä h e re m H in s e h e n a ls r e c h t b e l i e b i g . 11 § 7 D ie H a u p te p o c h e n d e r D is z ip lin 10 Vgl. F. K. Biedermann, Fundamentalphilosophie, Leipzig 1838; F. L. Fülleborn, Materialien zu einer 2 3 1 3. %HUOLQ - ) , 7DIHO 'LH )XQGDPHQWDOSKLORVRSKLH LQ genetischer Entwicklung mit besonderer Rücksicht auf die Geschichte jedes einzelnen Problems, 1.Teil, Tübingen 1848; J. E. Rehmke, Philosophie als Grundwissenschaft, 1910, 2. Aufl. 1929. 11 V g l . d a z u L . G e l d s e t z e r , M e t a p h i l o s o p h i e a l s M e ta p h y s ik , in : Z e i t s c h r i f t f ü r a l l g e m e i n e W is s e n s c h a fts th e o r ie 5 , 1 9 7 4 , S . 2 4 7 – 5 5 . *UXQGZLVVHQVFKDIW !+ 1 . D ie V o r s o k r a t ik e r h a b e n m it d e m S c h w e r s te n b e g o n n e n , w a s in d e r P h ilo s o p h ie z u le is te n i s t : m it d e r A rc h é -F o rs c h u n g , d e m A u fs u c h e n u n d B e s tim m e n d e r P r i n z i p i e n , U r - S a c h e n u n d e r s t e n G rü n d e v o n a lle m . V e rm u tlic h w a r ih n e n d a s n u r m ö g lic h , w e il ih re n V o rsc h lä g e n v o n P rin z ip ie n e in n u r m ü n d lic h e s P h ilo s o p h ie re n v ie le r V o rg ä n g e rg e n e ra tio n e n v o ra u s la g , v o n d e m w ir k e in e K u n d e h a b e n . Ih re P h ilo s o p h ie is t in sg e sa m t M e ta p h y sik , u n d ih re M e ta p h y s ik u m fa ß t n o c h a lle s, w a s s p ä t e r a n D i s z i p l i n e n u n d E i n z e l w i s s e n s c h a fte n a u s g e b a u t w u rde. 2 . D ie g r ie c h isc h e K la ssik b rin g t m it P la to n s u n d A risto te l e s ’ P h ilo so p h ie -A rc h ite k to n ik e n e rste d isz ip lin ä re A u sb ildungen. F ü r P la to n s t e h t a n S te lle d e s s e n , w a s s p ä te r M e ta p h y s ik w ird , d ie Id e e n le h re , u n d a n h ö c h ste r u n d le tz te r S te lle d ie Id e e d e s G u te n a ls e rste A rc h é a lle s S e ie n d e n u n d a lle r E rk e n n t n i s , e r s t r e c h t a l l e n H a n d e l n s . F ü r d i e I d e e n le h r e g i lt d e r p a r m e n i d e i s c h e G r u n d s a tz d e r I d e n tit ä t v o n S e in u n d D e n k e n . N e b e n d e r I d e e n le h r e g ilt d i e M a th e m a tik a ls P r o p ä d e u tik . " K e in e r s o ll in d i e A k a d e m ie e i n t r e t e n , d e r n i c h t M a t h e m a t i k b e h e r r s c h t " s t e h t ü b e r d e m E in g a n g d e r p la to n is c h e n A k a d e m i e , d a s ie e s m it d e n e in fach en u n d ein fach zu ü b ersch au en d en m ath e m atisch en Id een z u tu n h a t. D ie N a tu r w is s e n s c h a f te n b e r u h e n a u f d er A n w e n d u n g d e r m a th e m a tis c h e n Id e e n a u f d ie a n sic h n ic h tig e n " E rs c h e in u n g e n “ d e s B e w e g lic h e n u n d V ie lfä ltig e n d e r N a tu r. A r i s to t e le s ü b e r n i m m t d i e s e A n o r d n u n g f ü r d i e G r u p p e d e r "th e o re tisc h e n W is s e n sc h a fte n ". D ie se b e ste h e n in P h ilo so p h ie (= M e ta p h y s ik b z w . T h e o lo g ie , a u c h a ls W is se n sc h a ft v o m S e i e n d e n a ls s o lc h e m d e f in ie r t) , M a t h e m a tik u n d P h y s i k b z w . N a t u r w is s e n s c h a f t e n . N e b e n d e n t h e o r e t i s c h e n W i s s e n s c h a f t e n g i b t e s d a n n n o c h d i e p r a k tis c h e n W is s e n s c h a f te n v o m H a n d e ln u n d S c h a f f e n ( E t h i k , P o l i t i k , Ö k o n o m i k a l s H a n d l u n g s l e h r e n , s o w ie P o e t ik , v o n d e r n u r d i e T h e o r i e d e r T r a g ö d ie ü b e r l ie f e r t w u r d e , d i e a b e r e i n e L e h r e v o m h a n d w e rk lic h e n , te c h n is c h e n u n d k ü n s tle ris c h e n P ro d u z ie re n se in so llte ) . W ic h tig is t h ie r d ie e rs tm a lig e A u sz e ic h n u n g v o n M e ta p h y s ik (d ie s e r N a m e w ird d e n e n ts p re c h e n d e n S c h rifte n in d e r a r is to te li s c h e n S c h u le , d e m P e r i p a t o s , g e g e b e n ) a l s e i n e b e s o n d e r e t h e o r e t is c h e W is s e n s c h a f t a n d e r S p itz e d e r P h ilo s o p h ie ( " E r s te P h i l o s o p h i e " ) . S i e h a n d e l t v o n d e m b e d e u te n d s te n u n d f ü r a l le s a n d e re g ru n d le g e n d e n G e g e n s ta n d , d e n e rs te n G rü n d e n . D a ru m w ird s ie a u c h e in e "g ö ttlic h e W is s e n s c h a f t " ( t h e o l o g ik e e p is te m e ) o d e r a u c h W is s e n s c h a ft v o m G ö ttlic h e n (w ie e s d i e s p ä t e r e F a k u ltä t d e r " T h e o lo g ie " f e s tg e h a l te n h a t ,) b e z e i c h n e t . F o l g e n r e i c h u n d v i e l l e i c h t v e r h ä n g n i s v o ll w a r d ie E in s c h r ä n k u n g ih re s G e g e n s ta n d s b e re ic h s a u f d ie e r s te n G r u n d e d e s S e in s , a u f d a s " S e i e n d e a l s s o l c h e s “ ( o n h e o n ) , d a d i e s s p ä t e r i m m e r w i e d e r v e r a n l a ß t e , M e t a p h y s ik m i t O n to lo g ie z u id e n tif iz ie r e n . D ie s w a r e in a r i s t o t e l i s c h e r R ü c k f a l l h i n t e r d i e V o r s o k r a t i k e r , d i e a u c h sc h o n d ie e rste n G rü n d e d e r E rk e n n tn is u n d d e s H a n d e l n s m i t t h e m a t i s i e r t h a l t e n . D i e e r s t e n E r k e n n t n i s g r ü n d e b e h a n d e lte A ris to te le s a b e r in d e r v o n ih m k o n z ip ie rte n fo rm a le n L o g ik , d ie e r n ic h t a ls W is s e n s c h a ft, s o n d ern n u r a ls H ilfs m itte l (O rg a n o n ) z u r W is s e n s c h a ft a n s ie h t. D ie s h a b e n d a n n d ie S to ik e r w ie d e r ric h tig g e ste llt, in d e m s ie d ie L o g ik (e in sc h lie ß lic h d e r E rk e n n tn is th e o rie ) a ls th e o re tisc h e W isse n sc h a ft g le ic h b e re c h tig t n e b e n d ie N atu r w i s s e n s c h a f t e n u n d d i e H a n d lu n g s w i s s e n s c h a f t e n s te ll te n . D a b e i ih n e n a b e r d ie M e ta p h y s ik k e in e n e ig e n e n a r c h ite k to n is c h e n O r t h a t, e b e n s o w e n ig w ie d ie O n to lo g ie , w ir d s i e v o n i h n e n v o r w i e g e n d a l s E r k e n n t n i s l e h r e b e t r i e b e n . A u c h d i e s w ird s ic h a ls s p ä te r w ie d e r a u fg e n o m m e n e T e n denz erw eisen. 3 . D ie m itte la 1 te r 1 ic h e P h i1 o s o p h ie i s t b is z u r H o c h s c h o la s tik d e s 1 4 . Ja h rh u n d e rts v o rw ie g e n d n e u p la to n is c h o rie n tie rt. In d ie se r E p o c h e fin d e t d a s u n iv e rsitä re F a k u ltä ts s y s te m u n t e r d e m E i n f l u ß d e s p l a t o n i s c h i e n B i l d u n g s k a n o n s s e in e A u s b ild u n g . D ie I d e e n le h r e w ir d im T r i v i u m ( D r e i w e g ) d e r P h i l o s o p h i s c h e n F a k u lt ä t i n d e n d r e i D i s z i p li n e n G r a m m a ti k , R h e to r ik u n d L o g ik e n tf a l te t; M a th e m a t i k ( a l s A r i t h m e t i k u n d G e o m e t r i e ) w i r d m i t d e r m u s i k a l i s c h e n H a r m o n i e l e h r e ( e in p y t h a g o r e i s c h e s E r b e ) u n d d e r N a tu r w is s e n s c h a f t im Q u a d r iv iu m ( V ie r w e g ) v e r e in ig t. D ie P h ilo s o p h is c h e F a k u ltä t u m f a ß t s o im T r iv iu m u n d Q u a d r iv iu m d i e „ S i e b e n f r e i e n K ü n s t e “ , d i e a u c h a l s „ s e r m o c i n a l e “ (triv ia le ) R e d e -W is s e n s c h a fte n u n d „ re a le “ (q u a d riv ia le ) R e a lw is s e n s c h a f te n b e z e ic h n e t w e rd e n . S i e w e rd e n d a n n p ro p ä d e u t i s c h e u n d w i s s e n s c h a f t l i c h - p h ilo s o p h is c h e G r u n d la g e n f ü r d a s S tu d iu m d e r " h ö h e re n " F a k u ltä te n Ju risp ru d e n z , M e d iz in u n d T h e o lo g ie . S i e b i l d e n d a s P o t e n z i a l , a u s d e m i n d e r N e u z e i t d i e E i n z e l w i s s e n s c h a fte n d e r p h ilo lo g isc h - h i s t o r i s c h e n F ä c h e r d e r n e u e n P h ilo s o p h is c h e n F a k u ltä t s ic h a ls „ G e is te s w is s e n s c h a f te n “ v o n d e n m a th e m a tis c h e n N a tu rw is se n sc h a fte n a b tre n n e n . D ie M e ta p h y s ik h a t in d e r m a th e m a tisc h -n a tu rw is se n s c h a ftlic h e n F a k u ltä t k e in e n d is z ip lin ä r e n O r t m e h r. Ih re T h e m a tik w i r d v o r a l l e m a l s " n a t ü r l i c h e T h e o l o g i e " i m T r iv i u m b e h a n d e l t, a u s d e m d i e n e u e r e n „ G e i s t e s w is s e n s c h a f t e n “ h e r v o r w ach sen. 4 . D ie n e u z e itlic h e P h ilo so p h ie. U n te r d e m E in flu ß d e s a r i s t o t e l i s c h e n W i s s e n s c h a f t s b e g r i f f s w i r d P h i l o s o p h i e a llg e m e in a ls d e r " th e o r e tis c h - s c ie n tif is c h e “ T e i l d e r D is z ip lin e n d e s T r iv iu m s u n d Q u a d r iv iu m s v e r s ta n d e n . D ie s im U n te r s c h i e d z u i h r e n e m p i r i s c h - h i s t o r i s c h e n ( f a k t e n k u n d l i c h e n ) T e i le n . D ie s f ü h r t s e it d e m 1 8 . J a h r h u n d e r t z u m A u s b a u d e s p h i lo s o p h is c h e n S y s te m s d e r B e r e ic h s d i s z i p l in e n ( z . B . „ N a t u r p h ilo s o p h i e “ a ls th e o r e tis c h e N a tu r w i s s e n s c h a ft g e g e n ü b e r d e r " N a tu rg e s c h ic h te “ a ls N a tu rk u n d e . G e s c h ic h ts p h ilo s o p h ie tritt s e it V o lta ire a ls G e s c h ic h ts w is s e n s c h a ft d e r fa k te n k u n d lic h e n H is to rio g ra p h ie g e g e n ü b e r. D ie a ris to te lis c h e N o m e n k la tu r fü r d ie D is z ip lin b e z e ic h n u n g e n w ird d u rc h v ie le rle i te rm in o lo g is c h e V o rs c h lä g e b e s o n d e rs in d e r d e u ts c h e n S c h u lp h ilo s o p h ie d e s 1 7 . u n d 1 8 . J a h rh u n d e rts a u s g e s ta lte t. „ O n to lo g ie “ , „ A n th ro p o lo g ie “ , „ G n o s e o lo g ie “ u n d „ p ra k tis c h e P h ilo s o p h ie “ s e tz e n s ic h d u rc h , u n d d ie e n ts p re c h e n d e n G ru n d d is z ip ln e n fin d e n in te n s iv e P fle g e . I n d i e s e m K o n te x t e r le b t a u c h d ie M e ta p h v s ik e i n e n n e u e n A u fs tie g . R e n é D e sc a rte s n e n n t sie m it d e m a lte n a ris to t e l i s c h e n N a m e n „ E r s te P h ilo s o p h ie " u n d w id m e t ih r s e in e e in f lu ß r e ic h e n " M e d i ta ti o n e n ü b e r d i e e r s te P h il o s o p h ie " ( 1 6 4 1 ) , in d e n e n e r d ie E rstp rin z ip ie n d e s S e in s, d e r E rk e n n tn is u n d d e r m e n sc h lic h e n K o n stitu tio n (L e ib -S e e le - P r o b l e m ) , n o c h n ic h t je d o c h d ie G r u n d la g e n d e r p r a k tis c h e n P h ilo s o p h ie b e h a n d e lt. L e tz te r e s h o lt L e ib n iz n a c h , in d e m e r d ie „ M o n a d e n “ s c h le c h th in a ls " H a n d lu n g s w e s e n " (ê tre c a p a b le d ' a c tio n ) d e fin ie rt u n d ih re A k tio n s w e is e n u n te rs u c h t. I n d e r d e u t s c h e n S c h u l p h i lo s o p h ie d e s 1 7 . J a h r h u n d e r t s w i r d d a g e g e n d i e M e t a p h y s ik z u n ä c h s t m it d e r O n to lo g ie g le ic h g e s e tz t. S ie is t a ls M e ta p h y s ic a G e n e r a lis a llg e m e in e S e in s le h r e u n d u m f a ß t d ie M e ta p h y s ic a e s p e c ia le s d e r e in z e ln e n S e in s b e r e ic h e d e s A b s o lu te n , d e r N a tu r w e lt u n d d e r s e e lis c h e n I n n e n w e lt, a ls o T h e o lo g ie , K o s m o lo g ie u n d P s y c h o lo g ie . S o b e i C h r is tia n W o lf f . D a g e g e n ric h te t sic h d ie O p p o sitio n a n d e re r M e ta p h y s i k e r w ie A le x a n d e r G o ttlie b B a u m g a r te n ( M e ta p h y s ic a , H a lle 1 7 3 9 u . ö . ) , d e r d i e M e t a p h y s ik m i t d e r E r k e n n t n i s le h r e b z w . G n o s e o l o g ie g l e i c h s e t z t u n d s i e a l s " s c i e n t ia p r i m a p r in c i p i a c o g n i t i o n i s h u m a n a e c o n t i n e n s " ( e i n e W is s e n s c h a ft v o n d e n e rs te n P rin z ip ie n d e r m e n s c h lic h e n E rk e n n tn is ) d e fin ie rt. In g le ic h e m S in n e d e fin ie rt s ie a u c h K a n t a ls " P h ilo so p h ie ü b e r d ie e rste n G rü n d e u n se re r E rk e n n tn is“ ( W W . B a n d 2 , S . 2 9 1 ) u n d g e s ta lte t s ie a ls " V e r n u n f tk r itik u n d " T r a n z e n d e n ta lp h ilo s o p h ie " a u s . D a a b e r n a c h s e in e m K o n z e p t d i e " B e d in g u n g e n d e r E rk e n n tn is z u g le ic h d ie B e d in g u n g e n d e s S e in s s in d “ , w ir d O n t o lo g ie e in e a b g e le ite te D i s z i p l i n In e in e m w e ite re n S in n e b e h a n d e lt K a n t a b e r a lle (e rk e n n t n i s t h e o r e t is c h e n u n d o n t o l o g i s c h e n ) G r u n d la g e n p ro b le m e d e r T r a n s z e n d e n ta l- W is s e n s c h a fte n a ls d e re n M e ta p h ys ik (v g l. s e in e S c h r if te n " M e ta p h y s ik d e r N a tu r " u n d d ie " M e ta p h y s is c h e n A n f a n g s g r ü n d e d e r N a tz u r w is s e n s c h a f te n “ s o w ie d ie " M e ta p h ys ik d e r S itte n “ ) . Z u g le ic h w ir d s e in B e s tr e b e n s ic h tb ar, s ie n a c h d e m V o r b ild d e r „ W is s e n s c h a f te n “ s e lb s t z u s tilisie re n . D a h e r d e r T ite l se in e r " P ro le g o m e n a z u e in e r je d e n k ü n f ti g e n M e ta p h y s ik , d ie a ls W i s s e n s c h a f t w ir d au ftr e te n k ö n n e n " v o n 1 7 8 3 . 5 . D ie M e t a p h y s ik d e r M o d e r n e . D u r c h d a s W ir k e n s o lc h p ro m in e n te r V e rtre ter g e w in n t d ie M e ta p h ysik ih re n le g itim e n P la tz u n te r d e n p h ilo s o p h is c h e n D is z ip lin e n z u rü c k . In L e h r e u n d S tu d iu m u n d e n ts p r e c h e n d im B ib lio th e k s - u n d B ib lio g ra p h ie w e s e n b e z e ic h n e t s ie d i e S te lle , w o e s u m d a s G r u n d s ä tz lic h e s c h le c h th in g e h t. A lle r d in g s b le ib t d e r P a r a lle lis m u s ih r e r in s titu tio n e lle n B e h a n d lu n g s o w o h l i n d e r P h i lo s o p h is c h e n w ie i n d e r T h e o l o g i s c h e n F a k u l tä t b e s te h e n . D a h e r e r g e b e n s ic h v o r a lle m s e it d e n g r o ß e n " m e t a p h y s i s c h e n S y s t e m e n “ d e s d e u ts c h e n I d e a lis m u s f r u c h t b a re K o n ta k te u n d A n re g u n g e n z w is c h e n d e r " p h ilo s o p h is c h e n " u n d d e r " t h e o l o g is c h e n " M e t a p h y s i k . D i e M e t a p h y s i k e n d e s d e u t s c h e n I d e a li s m u s s i n d s ä m t lic h a u c h G o tte s le h r e n , d . h . s i e b e n e n n e n i h r e E r s t p r i n z i p i e n m i t t h e o l o g is c h e n N a m e n a ls A b so lu te s, G ö ttlic h e s , W e ltg e ist, V o rs e h u n g u . a . U m g e k e h r t k o m m t d ie ( m e i s t p s y c h o l o g i s tis c h in s p ir i e r te ) M e ta p h y s i k d e r T h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t e n n i c h t u m h in , d ie R e su lta te d ie se r m e ta p h ysis e h e n F o rsc h u n g e n v o r s ic h tig z u re z ip ie re n u n d ih re r L e h re u n d V e rk ü n d ig u n g z u g r u n d e z u le g e n . D i e s e r e n g e K o n ta k t m it d e r T h e o l o g ie h a t d i e M e ta p h y s i k je d o c h i m 1 9 . J a h r h u n d e r t b e i v ie le n w ie d e r u m v e r d ä c h t i g g e m a c h t , n i c h t z u l e t z t b e i E i n z e l w i s s e n s c h a f t l e r n . M it A u g u s te C o m te w o llte n s ie in ih re r G e g e n w a rt d a s " th e o z e n tr is c h e " u n d " m e ta p h y s is c h e Z e ita lte r " e n d lic h v o m " p o s iti v w i s s e n s c h a f t lic h e n Z e it a l te r “ a b g e l ö s t s e h e n . M e t a p h y s i k w i r d h i e r z u m T i t e l e i n e r ü b e r h o l t e n , v o r w i s s e n s c h a f t lic h e n u n d o b s o le t g e w o r d e n e n G e is te s h a lt u n g . E i n e s o l c h e a n t i m e ta p h y sisc h e E in ste llu n g d ü rfte a u c h h e u te n o c h u n te r E in z elw i s s e n s c h a f tl e r n u n d i m w e i t e r e n P u b l i k u m v e r b r e i t e t s e i n . S i e v e r k e n n t u n d h a t s c h o n b e i C o m te v e r k a n n t d ie e ig e n e n m e ta p h y s is c h e n G r u n d l a g e n a u c h j e d e r p o s i t i v - w i s s e n s c h a ftlic h e n E in s te llu n g . D i e i n h a ltli c h e E n t w i c k l u n g d e r M e ta p h y s i k i s t d a h e r s e it d e m 1 9 . J a h r h u n d e r t g e p r ä g t d u r c h d a s A u f tr e te n v o n " M e ta p h y s ik e n " b z w . W e lta n s c h a u u n g e n , d ie in e n g e m A n s c h lu ß a n d ie E in z e lw is s e n s c h a f te n d e r e n G r u n d b e g r if f e z u a l l e s e r k l ä r e n d e n P r i n z i p ie n h o c h s tilis ie r e n . M e ta p h ys ik w ird so z u m S c h la c h tfe ld o d e r K rie g ssc h a u p la tz im p e r ia lis tis c h e r F e ld z ü g e d e r E in z e lw isse n sc h a fte n , d ie s ic h g e g e n s e itig h i n t e r f r a g e n , k r i t i s i e r e n , b e g r ü n d e n und "besser verstehen, als es ihnen jew eils aus eigener K raft m öglich sein sollte“. D ie G estalten dieser M etaph ysiken sind die verschiedenen Ism en w ie H istorism us, Soziologism us, Ö kono m ism us, B iologism us (oder L e- bensphilosophie), N aturalism us oder im engeren Sinne Ph ysikalism us, u. a. U nd ersichtlich ist die m etaph ysische A useinandersetzung m it dem Z uzug neuer W issenschaften und ihrer in A nspruch geno m m enen A llerklärungsko m petenz noch im m er in vollem G ange. D ie D iagnose dessen, w as hier vorgeht – K ant hat dazu in seinem B uch über den „Streit der Fakultäten“ von 1795 einen frühen B eitrag geliefert - gehört selbst zum Problem bestand der M etaph ysik. III. Z u r G esch ich te d er M etap h y sik A. Die antike Metaphysik § 8 D ie L eistu n g en d er V o rso k ra tik e r M it ih r e r A r c h é -F o r s c h u n g , d e r S u c h e n a c h d e m U r g r u n d u n d E r s te n a lle r D in g e u n d ih r e n B e h a u p tu n g e n u n d V o rsc h lä g e n , w a s d ie se s se i, b e tre ib e n d ie V o rso k ra tik er so g leic h u n g e sc h ie d e n P h ilo so p h ie a ls M e ta p h y sik . In d ie s e m p h ilo so p h isc h e n U n te rn e h m e n tre te n z w e i T h e m en zutage, die nach m als für alle P hilo so p hie u nd W issen sch aft leiten d b leib en : 1. D ie U n tersc h eid u n g ein es E rste n u n d ein es F o lg e n d e n . D ie se U n tersc h eid u n g w ird in v ielerlei B e g riffe n a u s v e rsc h ie d e n e n B e re ic h e n , in d e n e n sie A n w e n d u n g fin d e t, g e faß t, z . B . a ls d e r U n te rs c h ie d v o n G ru n d u n d F o lg e , U rsa c h e n u n d W ir k u n g , P rin z ip u n d A b g e le ite te m , S e in u n d E rsc h ein u n g (b z w . S c h ein o d er N ic h ts). 2. M it d ie ser U n tersc h eid u n g ist d ie A u fg a b e g e ste llt, d ie V erk n ü p fu n g z w isc h en d e m U n tersc h ie d e n e n zu erfa sse n . D ie se V erk n ü p fu n g, d ie A rtik u latio n d e s V erh ältn isses z w isc h e n A rc h é u n d " A b g e le itete m ", ist d a s M u ste r alle r E rk lä ru n g . E rk lä re n h e iß t se itd e m fü r a lle w iss e n sc h a ftlic h e F o r sc h u n g Z u rü c k fü h ru n g (A b le itu n g ) ein e s G e g e b e n e n a u f e in e ( v o n e in e r) U rsa c h e o d e r e in e n G ru n d , o d e r H e rle itu n g v o n F o lg e n o d e r W irk u n g e n a u s ein er g e g e b e n e n U rsac h e. B ei d e n V o rsc h lä g e n d e r V o rso k ratik er, w a s d ie A rc h é se i, la ss e n sic h w ie d e ru m z w e i R ic h tu n g e n b z w . D im e n sio n en u n tersc h eid e n , in d e n e n d ie A rch é im V erh ältn is z u d e m , w a s A b g e leite te s se in so ll, g e su c h t w ird . D ie ein e D im e n sio n erstre c k t sic h in d ie E b e n e d e s G e g e b e n e n selb st. D ie A rc h é ist e in e s v o n v iele m . D a s P ro b le m b e ste h t d a n n in d er A u sz eic h n u n g d e s E in e n g e g e n ü b er d e m a n d e re n . U n d h ie r sc h e in t - in d e n e rste n ta ste n d e n V e r su c h e n d e r m ile sis c h e n " N a tu rp h ilo so p h e n " - d ie re in e W illk ü r z u h e rrsc h e n . D a s W a s se r (F lü ssig e o d e r F e u c h te ) n a c h T h a le s, d ie L u ft (G a s fö rm ig e s) n a c h A n a x im e n e s, d a s F e u e r (G lü h e n d e s) n a c h H e ra klit u n d d ie E rd e n a c h X e n o p h a n e s ist je w e ils e b en so g u t ein V o rg e g e b e n e s, e in " P h ä n o m e n " w ie d a s a n d e re . F ü r se in e A u s z eic h n u n g a ls E rste s o d er G ru n d d e s a n d ere n sp ric h t alle n fa lls d ie A u ffä llig k e it d e s V o rk o m m e n s, d ie Q u a n titä t, in d er e s v e rb reite t ist, d ie W ic h tig k e it fü r d a s a n d ere, d ie sic h zeig t, w en n e s feh lt. D e r Z u sa m m e n h a n g z w isc h en d ie se m a u sg e z e ic h n ete n E rste n u n d d e m ü b rig e n w ird in erster L in ie a ls N e b e n ein a n d e rstellu n g , d e m V o rb ild a lle r sp ä te re n K la s sifik a tio n d e r P h ä n o m e n e , g e stifte t. D ie k la ssis c h e n M u ste r sind die E lem entenlehre des E m pedokles (E rde, W asser, Luft und Feuer gelten dann als gleichrangige A rchai) und des A ristoteles. Ihre E ntfaltung führt zur A tom enlehre Leukipps und D em okrits und durch diese zum m odernen "periodischen S ystem der E lem ente" bzw . der T eilchen -K lassifikation der E lem entarteilchen-Physik. E ine w eitere - und den A nspruch archeolo gischer E rklärun g einlösende – Zusam m enhangs-Stiftung besteht in der B ehauptung des In-einander-Ü bergehens, der V eränderung und B ew egung. M ischun g und E ntm ischun g, W ach stum und V ergehen sind hier die selber phäno m enalen M uster, nach denen der H ervorgan g des einen aus dem anderen A usgezeichn eten erklärt w ird. T endenziell w ird dadurch die klassifizierende N ebeneinanderstellun g durch eine zeitliche N acheinand erO rdnun g ab gelö st. D as E rste w ird zum Früheren, das F olgen de und A bgeleitete zum S päteren "nach der O rdnung der Z eit" w ie erstm alig d er berühm te S pruch des A naxim an der es ausdrückt. H ierin liegt das M uster aller späteren "kausalen" E rklärung, in der die U r-S ach e zeitlich von der W irkun g unterschieden und doch zu gleich m it ihr in V erbindun g gehalten wird . W ir nennen diesen T yp von A rché eine phänom enale A rché, w eil sie grund sätzlich noch ein B estim m tes unter anderem B estim m ten bleibt. S ie ist nur ein ausgezeichnetes B estim m tes, als solches ausw eisbar, selber P hänom en w ie alle anderen, die sie erklären soll. U nd sie scheint uns der legitim e V orgän ger aller K andid aten zu sein, die später A nspruch auf die P osition eines m etaph ysischen P rinzips gem acht haben, das zu einer w iderspruchslosen T heorie führte. V on ihr untersch eiden w ir einen anderen A rché-T yp, den w ir tra n szen d e n te A rc h é n en n en w o lle n , u n d zu w elch e m andere V o rsokratiker V orschläge gem acht haben. D ie transzendente A rché ist grund sätzlich das ganz andere gegenüber dem , w as aus ihr erklärt w erden soll. S ie w ird nicht P häno m en, so nd ern bleibt gleich sam "hinter" d en P hän o m en en verborgen. G leichw ohl ist auch sie das A usgezeichnete, E igentliche, W esen hafte, und dies gerade im U nterschied zum P häno m enalen, das in diesem U nterschied zu m Ü blichen, G ew ohnten, aber auch zum U neigentlichen, P häno m enalen, ja zum Scheinbaren und S cheinhaften oder gar N ichtigen w ird. D ie transzendente A rché begründet alle Z w ei-W eltenlehren und um gibt die eine m it dem S chleier des G eheim nisvollen, V erborgenen , R ätselhaften, das noch in aller R ede vo m T ranszendenten m itschw ingt (desw egen haben w ir sie transzendente A rché gen annt!), w ährend sie die andere W elt der P häno m ene in gleichen M aß e entzaub ert, entw ertet und tendenziell vernichtet. A ls B eispiel für die transzen dente A rché ist in erster L inie das A p eiron (lat. Infinitum , das G renzenlose, U nbestim m te, "U n endliche") des A naxim an der zu nennen. U n d er hat es überhaupt zuerst als "A rché" bezeichnet. E s ist das U nbestim m te im V erhältnis zum B estim m ten, B egrenzten, "D efinierten", näm lich den P häno m en en; und es ist ihr G rund, ihr U rsprung. Jeder V ersuch, es zu bestim m en, zu erfassen, zu erkennen, w ürde es zu einem B estim m ten und B egrenzten m achen und in die P hänom ene einreihen. S o w ird es als das N ichtP hänom enale, das N icht-so und N icht-dies gefaßt. H ier w ird schon deutlich, daß transzendente A rché-Fo rsch un g m it einem G rund w iderspruch behaftet ist, der in der G eschichte der M etaphysik verhängnisvoll perenniert w ird: D ie A rché gilt hier als unbestim m t, unerkennbar, unaussagb ar - und zu gleich ist sie als E rstes und U r-S ach e bestim m t, so m it auch erkannt und als dieses benannt. G eschichte der M etap h ysik - und von ihr initiiert w eithin auch G eschichte der W issen schaften - ist seitdem auf w eite S trecken der untau gliche V ersuch, dies U nbestim m te zu bestim m en , das U nerkenn bare zu erkennen, das U nsagbare zu sagen, das sie doch selber als das U n bestim m te schon im m er bestim m t, als das U n erkennbare schon erkannt, als das U nsagbare schon ausgesagt hat. D ieser C harakter paradoxaler B estim m theit-U n bestim m theit der transzen denten A rché haftet in w eniger leicht durch schaubarer W eise- auch den übrigen V orschlägen an. E ine solche transzendente A rché ist auch der Logos des H eraklit, der "hinter" den vielfältigten , verän derlichen, in S treit und W idersprüchen gegen einander stehenden P hänom enen als ihre E inheit, ihre H arm onie, ihr G esetz, ihr W esen w altet. D er L o gos ist die E inheit der V ielfalt, die R uh e der B ew egun g, die H arm o nie der D isharm onie: er ist alles und ist es auch nicht. A uch der N ous (G eist) des A naxagoras trägt diese Z üge, w enn von ihm gesagt w ird, er sei "etw as U nendliches" (Fr. 12), "das feinste und reinste von allen D in gen" (ibid.), "allein selbst für sich selbst", er "besitze von jeglichem D inge jegliche E rkenntnis", er sei der "U rheb er der B ew egun g und d er E n tsteh u n g" u sw . H ier h ab en w ir d en P ro totyp aller philosophischen G ottesbegriffe, die die A rché als ein "A b solutes" (A b geson dertes, für sich B estehendes, G eistiges) und T ranszend entes, zu gleich aber auch in die V ielfalt A ufgelöstes und Im m anentes zu fassen suchen. S chließ lich m uß auch Z ahl und G estalt der P ythagorä er als transzendente A rché genannt w erden. S ie trägt alle B estim m un gen des herakliteischen L o go s und des anaxagorischen N ous, aber zugleich ist sie das G egenteil des anaxim andrisch en U nbestim m ten, näm lich B estim m theit par excellence und als A rché das M u ster und M od ell aller B estim m barkeit. A uf diese A rché geht aller abendländischer M athem atizism us zurück, der das W esen d e r D inge in Z ahlausdrücken oder geom etrisch en B ildern zu erfassen sucht. Ist aber die A rché das B estim m te schlechthin, so w ird das A bgeleitete im U nterschied dazu das U nbestim m te, U nerkenn bare, irrationaler R est und eigentlich N ichtiges, w ie es die platonische Ideen - und Z ahlenlehre ihrer T enden z nach von den P häno m en en behauptet. P arm enides faß t alle diese M otive und B egriffe in einer groß artigen S ynth ese zu sam m en, die in n u ce die P ro gram m atik aller abend ländischen W issensch aft enthält. "D asselbe ist das S ein und das D enken", so lautet ja sein berühm tes D iktum . U nd dieses Identische aus S ein und D enken w ird näher als das E ine, U nbew egte, U n veränderliche bestim m t. D arin liegt auch, daß nur dasjenige Sein ist, w as als das Selbe und Im m ergleiche, als E inheit gedacht w erden kann. U nd um gekehrt, daß D enken nur das S ein denkt, und zw ar als E inheit und Im m ergleiches. D ieses Identische ist die A rché. A us ihm und von ihm her erklärt sich und bem ißt sich, w as N icht-S ein und N ichts und auch w as N icht-D enken, V ielheit und B ew egung ist. N äm lich alles sinnlich W ahrgenom m ene, die W elt der Phänom ene. Sinnliche E rfahrung ist M einung (doxa), Irrtum und U nw ahrheit, denn sie richtet sich auf das N ichts, das sie für ein Sein hält. S o erklärt S ein als A rché das N ichts, W ahrheit den Irrtum und die F alschh eit, D enken die sinnliche W ahrneh m un g, E inheit die V ielheit, R uhe und S elbigk eit die B ew egung und V eränderung. D as Program m atische dieser L ehre für die spätere W issenschaft und M etaphysik liegt darin, daß sie das S ein als G rund aller D in ge zu denken sucht, es als m etaph ysisch es Prinzip benennt und von ihm her das V ielfältige und V eränderliche erklärt, w ährend sie zugleich den Irrtum , den Schein und die U nw ahrheit zu m eiden sucht, die sich in der w iderspruchsvollen V erknüpfung von S ein und N ichts, S innlichkeit und D en ken, E inheit u nd V ielheit, S elbigkeit und V erschiedenheit ergeben. P arm enides unterscheidet die W endung zum S ein und diejenige zum N ichts als „zw ei W ege der Forschung“. E rsteren hält er für den „W eg der W ahrheit“, letzteren für den „ W eg der F alschheit und T äuschung“. Sicher hat er sich darin selbst getäuscht, w elche W ege zur W ahrheit oder zur F alschheit führen. A ber solche unterschiedenen W ege (griech hodos) bzw . „M ethoden“ gehören seither zur P hilosophie und W issenschaft. D er Fehler, den diese L ehre als sch w ere H ypothek der abendlän dischen P hilosophie und W issen schaft hinterließ, ist die "archeo logische" T rennun g von S innlichkeit und D enken un d die V erk en n u n g ihrer gru n d sätzlich en Id en tität, d am it au ch die U nterschätzun g der sinnlichen B ilder in allem "denkerischen" V erstand esgebrauch. D enn auch die E inheit, R uhe und "K ugelförm igkeit" des Seins ist ja offensichtlich nach sinnlichen B ildern definiert. U nd w ird das zu D enk ende nicht in solchen B ildern gedacht, so w ird m an sicher gar nicht denken. D iesen F ehler haben besond ers P laton und der N euplatonism ua fortgeerbt, indem sie eine denk erische "Ideen sch au" postulierten, vo n der die sinnliche B ilderschau selber nur eine M im esis und A nam nesis sei, w ährend es doch gerade um gekehrt ist. D iese Ideenschau begegnet im deu tschen Idealism us als "intellektuelle A n schauun g" bei S chelling w ied er, und sie ist da zu einer contradictio in adiecto heran gereift, aus der - nach der logischen R egel: ex falso sequitur quodlibet -"spek u latives D enken" und "kategoriale A nschauu n g" die abenteuerlichsten F olgerungen zogen. A ristoteles aber hatte diesen Fehler sch on richtiggestellt, indem er gem äß seiner "tabula-rasa-T heorie" (T heorie vom „unbeschriebenen B latt“) auch die Inhalte des D enkens letztlich auf sinnliche A nschauun gen begründete. B eide T heorien aber pflanzten sich im perennen G egensatz von R ationalism u s, als dessen V ater sich P arm enides und A naxagoras erw eisen, und E m pirism usS ensualism us fort, zu dem A ristoteles (und m it ihm Protagoras) den G rund legte. § 9 D ie klassischen m etaph ysisch en S ystem e D rei R ichtun gen kennzeich nen die A u sarbeitun g der vorsokratischen A rchéF orsch u n g un d ihren E rklärun gssch em atism u s in d er klassisch en H o ch zeit d er griechischen A ntik e: D ie A to m istik des L eukipp und D em okrit, die Ideenlehre P latons und die M etaphysik des A ristoteles. D em okrit (um 460 - 370 v. C hr.) aus A bdera, der S chüler des L eukipp, der seinerseits ein S chüler des P arm enideers Z enon in E lea gew esen sein soll, bildet die parm enideische L ehre vom S ein und N ichts zu einer dualistischen A rchéL eh re vo m V o llen u n d L ee ren au s. D ab ei w erd en d ie p arm enideischen B estim m u n gen des S eins und N ichts anders auf diese beiden A rchai verteilt. D as V olle w ird gleichsam zerschnitten (tom ein), bis es nicht m ehr geht. D ie E inheit des S eins zerfällt in die unendliche V ielheit der "unteilbaren" (atom oi) E lem ente, die daher A tom e heiß en. N ach P lutarch soll D em okrit sie auch Ideen (ideai, G estalten, B ilder) genannt haben. A ristoteles w eist auch auf ihre archeologische E inheit hin: "D em okrit behauptet, daß kein A to m aus dem anderen entstände. A ber trotzdem ist die gem einsam e Substanz aller die A rché; nur, daß sich die einzelnen an G röße und G estalt unterscheiden". (Physik III, 4. 203 a 33 ). Andere Namen sind eben das Volle (pleres, plethos), das Seiende (on), das Feste (stereon), die E lem ente (stoicheia). Ihre E igenschaften aber w erden als L age (thesis), G estalt (sch em a) und A nordnung (taxis) angegeben, ihre Z ahl als unendlich, "w eil nichts m ehr so beschaffen als irgendw ie anders beschaffen w äre“ (Sim plicius). Ihre G röße sei verschieden, "auch seien sie so klein, daß sie von unseren Sinnen nicht erfaß t w erden könnten" (S im plicius). H ierin begegnet m an dem parm enideischen M otiv w ieder, daß sie nur gedacht, nicht sinnlich w ahrgeno m m en w erden können. D och findet sich in der späteren L iteratur auch die B ehauptung, D em okrit habe "auch einzelne ganz groß e A tom e", die daher sichtbar seien - und dies im G egensatz zu E pikur an genom m en (D ion ysio s bei E usebios). P arm enideisch ist auch n och die B estim m un g, "daß die A to m e von N atur unbew egt seien" (S im plicius). E rst der spätere A usb au der L ehre durch E pikur hat ihnen eine natürliche B ew egtheit beigelegt. D em okrit ließ die B ew egun g durch einen S chlag (palm os, nach S im plicius und A etius) entstehen, w as A ristoteles auf die andere A rché, das von D em okrit angenom m ene L eere zurückführt. Doch scheint auch schon Leukipp die. Atome als "immer bew egt" (aei kinoum ena, nach T heophrast bei Sim plicius) angesehen zu haben. D ie zw eite A rché ist das L eere (kenón). E s w ird auch als N icht-Sein (m e on), D ünnes bzw . L ockeres (m anon) und U n bestim m tes bzw . U nendliches (apeiron) - hier die A rché des A naxim ander - bezeichnet, O b es auch als "leerer R aum " - w ie in Ü bersetzungen und Interpretationen üblich gew orden - bezeichn et w erden kann, dü rfte eine offene Frage sein; denn ersichtlich ist in L age, G estalt und A nordn un g schon den A to m en ein "bestim m ter" R aum zu gesprochen, w as eh er gem ein griechischen A uffassun gen entsprach. A b er zw eifellos ist aus der dem o kriteischen L eere der spätere ph ysikalische B egriff vo m "leeren R au m " entstanden, den die Physiker so lange m it irgendetw as - dem Ä ther oder energetischen Feldern - zu füllen such ten, w ährend aus L age, G estalt und A nordnung die "örtliche Struktur" der A tom e und E lem entarteilchen w urde. A u s b eid e m n u n , au s d e m V o llen b z w . d e n A to m e n u n d dem L eeren w ird nun alles erklärt, w as in dieser Z eit fraglich sein konnte: zunächst die N aturphänom ene, dann aber auch die D in ge und P roblem e des täglichen L eben s. H ier w erden denn auch die m eisten D inge - im m er noch gemäß parmenideischem Vorbild - zum bloßen Schein. Der dem okriteische A tom ism us hat eine un gem ein purgierende W irkun g. D enn es gilt z. B . "S üß und bitter, w arm und kalt existieren nur nach der herköm m lichen M einu n g, und ebenso die Farben; in W irklichkeit existieren nur die A tom e und das L eere" (nach Sextus E m piricus, D em okrit, Fr. 9). U nd dies gilt für vieles and ere, beso nders auch für die G eister und G ötter. A lles ist nur M ischung der A tom e (krasia), die gew isserm aßen m akroskopisch die bunte V ielfalt erscheinen läßt, "w eil unsere Sinne infolge der K leinheit der nebeneinander gelagerten T eilchen keinen dieser für sich allein w ahrnehm en können" (nach A lexander von A phrodisias). D iese M ischung besteht in einer H inbew egung des G leichen zum G leichen. Sie ist, w ie schon an geführt, zuerst durch einen S chlag bew irkt: "E s habe sich ein W irbel m annigfaltiger G estalten von dem A ll abgesondert" (Sim plicius). D ie S päteren haben so gleich auch dafür eine U rsache, eine eigene A rché gefordert, näm lich den Z ufall oder die N otw endigkeit zu einer neuen A rché hochstilisiert. A ristoteles dürfte aber der M einun g des D em okrit am nächsten kom m en, w enn er dies ein "von selber" (to autom aton) nennt (P hysik II, 4, 196a), nur m acht er fälschlich auch daraus w ieder eine "U rsache". In der T at kann diese "A uto m atik" nur auf die A tom -A rché zurückverw eisen. Ü berhaupt sch eint die Frage nach Z ufall oder N otw endigkeit bei D em okrit noch kein eigentliches T hem a gew esen zu sein, und entsprechend w ird ihm von den einen später zugeschrieben, er habe alles aus Z ufall entstehen lassen, vo n den anderen, alles geschehe bei ihm aus N otw endigk eit. D ie S toa hat die letztere, E pikur die erste V ersion in der P hilosophiegeschichte perenniert D aß die S eele ebenfalls nur eine M ischun gskonstellation aus A to m en sei, versteht sich von selbst. D em okrit geht so gar so w eit, die parm enideische U nterscheidun g vo n S innlich keit und D enk en, m ithin die "S eelen verm ö gen" w ieder einzu ebnen. „D em okrit erklärt, die S eele habe keine T eile und nicht vielerlei V erm ö gen, es w äre näm lich D enken und W ahrnehm en dasselbe und erfolgten auf G rund eines einzigen V erm ö gen s" (A etius). A ndererseits spricht derselbe G ew ährsm an n ihm die M einun g zu, die S eele sei doch "zw eiteilig. Ihr vernünftiger T eil w ohne im B rustkorb, dagegen sei der vernu nftlose über das gan ze G efü ge des K örpers zerstreut". A b er sicher sei: "D ie W ahrneh m un g und das D enk en seien V eränd erun gen des K örpers". U nd diese entstehen ihrerseits aus dem E indrin gen der A to m e (die ja zugleich ideai oder eidolai genannt w erden), die sich von den D ing-K om plexen abgelöst haben, in die Sinnesorgane bzw . in die P oren des K örpers. E s kann kein Z w eifel darüber bestehen, daß diese M etaphysik des D em okrit eine der erfolgreichsten der P hilosophie- und W issen schaftsgeschichte gew orden ist. D ies in so lch em M aß e, d aß ihre m o d ern en V ertreter es geradezu ablehnen, sie eine M etaphysik zu nennen, vielm ehr gerade pure "W issenschaftlichkeit" für sie in A nspruch neh m en. V o m N euplatonism us des frühen, vo m A ristotelism us des späten M ittelalters vor allem m it dem A rgum ent der G ottlosigkeit in den U ntergrund gedrängt, hat der A tom ism us durch R enaissancelektüre seiner K lassiker einen stetigen A ufstieg erfahren und ist schließ lich im M aterialism u s der franzö sischen A ufklärun g, im dialektischen M aterialism u s seit K arl M arx, der D em okrit seine berühm te D ok tordissertation w id m ete, aber nicht w eniger im naturw issenschaftlichen M aterialism us des 1 9 . Jah rh u n d erts die m etaph ysisch e G rundlage des m od ernen naturw issen schaftlichen W eltbildes gew orden. Jeder physikalistische R eduk tionism us, der noch die fernsten kosm ischen V orgän ge w ie die physio lo gischen L eben sprozesse, chem isch en A bläufe, B ew uß tsein und D enken - via H irnphysiologie auf atom are oder neuerdings" subatom are" E lem en tarteilchenprozesse zu rückführt, kann sich m it R echt auf D em okrit berufen. U nd gern ist m an bereit, dies als eine B estätigun g dem okriteischer E insichten und A hnungen anzusehen. E s könnte jedoch gerade um gekehrt sein: D aß näm lich der D em okritism us eher erklärt und verständlich m acht, daß und w arum die m o derne N aturw issenschaft die W elt so sieht, w ie sie sie sieht, als daß beide die W elt richtig seh en. D am it m uß in der M etap h ysik im m er gerech net w erden. D er groß e V orzu g dieser L ehre besteht gew iß in ihrer S chlichtheit und Ö konom ie der E rklärung, m it der alles P assen de in einen "archeolo gisch en" Z u sam m enhan g gebracht u nd das N ichtpassende als S chein und N ichtiges w eggefegt w ird. S chon A ristoteles konnte D em o krit höch ste A nerkennu n g nicht versagen: "Ü berhau pt hat k einer sich über irgend etw as G edanken gem acht, die über die O berfläche hinausgingen, m it A usnahm e des D em okrit. D ieser scheint über alles nachgedacht zu haben" (V om W erden und V ergehen I, 2. 315a); ein M ann, vo n dem noch in spätester Z eit als berüh m tes W ort zitiert w urde, "daß er lieber eine einzige E rklärung (aitiologia) finden m öchte, als K önig von P ersien zu w erden". U nd nim m t m an erst seine M axim en und R eflexionen über die m enschlichen D inge, das H andeln und die "W ohlgem uth eit" (atham bie, Freisein vo n A n gst und S chrecken) hinzu, die noch heute und jederzeit lesensw ert und lehrreich sind (sie sind bei W . C apelle, D ie V orsokratiker, Stuttgart 1968, aus dem auch, die obigen Z itate stam m en, gesam m elt), so kan n m an dem U rteil des A ristoteles nur zustimmen. D ennoch m ü ssen w ir D em okrit einen gravierenden Fehler vorw erfen: daß er näm lich hinter die parm enideische Identifikation von S ein und D enken (w ir m einen "D en ken" im w eitesten Sinne von B ew ußtsein) zurückgefallen ist. D ieser Fehler haftet seitdem den m eisten G estalten des M aterialism us und A tom ism us an, nicht jedoch denjenigen von Leibniz und D iderot, die bekanntlich den A tom en gerade B ew uß tsein zu gesch rieben haben. D esw egen schw an kt D em o krit auch zw ischen der E rklärung des B ew uß tseins als eines N ich tigen, er m acht es zum S chein-P häno m en, und seiner Inanspruchnah m e als A rché. D enn das B ew uß tsein erklärt gerade, w aru m das eigentliche S ein, die A tom e, nicht sinnlich w ahrgeno m m en, w ohl aber notw endig gedacht w erden m üssen. U nd ohne diese Präm isse bleibt der ganze A tom ism us ohne B egründung. Ein. zw eiter Fehler ist die U nterschätzung der Sinnlichkeit, die der D em okritism us m it dem Platonism us teilt. D araus ergibt sich der W id erspruch, daß die A to m e nur "gedacht" w erden sollen, gleichw ohl aber als "G estalten" (idola, . ideai), näm lich z. B . als "schief, hakenförm ig, m it m uldenförm igen V ertiefun gen, gew ölbt" usw . (S im plicius) oder w ie ein berühm tes M odell an gibt, "w ie B uch staben" vorgestellt w erden sollen. E ine dritte E igentüm lichkeit m ag nicht als Fehler, vielm ehr als un gew ollter V orzu g gelten: D em okrit behauptet zw ar zw ei A rchai, das V olle und das L eere, aber vo m L eeren m acht er kaum oder überhaupt nicht erklärenden G ebrauch. E rsichtlich ist "R äum lichkeit" als G estalt, L age und O rdnung schon eine E igenschaft der A tom e selber (D ie E insteinsche R elativitätstheorie hat diesen G edanken w ieder aufgegriffen), und der "leere R aum " (vielleicht ja ein M ißverständnis der Interpreten) w ird überflüssig. W enn das so ist, dann ist auch der A tom ism us tendenziell ein Monismus.. Fassen w ir unsere K ritik zusam m en, so können w ir sagen: D ie A tom e des D em okrit (und nach ihm die M aterie der M aterialisten) sind Fiktionen des reinen D enkens, der sinnlichen E rfahrung gänzlich unzu gän glich , gleichw o hl m it sinnlichen E igenschaften ausgestattet und vorgestellt, das w ah re und eigentliche S ein, dem gegenü ber ihr D enken u nd V orstellen nur S chein und N ichtiges ist, oder m it anderen W orten: reine G espenster. § 10 D ie Ideen leh re P laton s In P latons (427 - 347 v. C hr.) Ideenlehre besitzen w ir das U rbild aller idealistischen M etaph ysik. Sie geht von der parm enideischen Identifikation von S ein und D en ken aus und differenziert diese E inheit - hierin der dem o kriteischen A tom enlehre folgend - in die V ielheit d er ein zeln en Id een m it E in sch luß d er B e griffe u n d d er Z ah len u n d geo m e trischen G estalten. Ihre E inheit als A rché und höchster B egriff ist d i e Idee des G uten, die insofern die Position einer einzigen („m onistischen") A rché einnim m t. D as H ervorgehen der V ielheit aus ihr bzw . das E nthaltensein (m ethexis, T eilhabe) des V ielen in dieser E in heit ist - ebenso w ie bei D em okrit - ein dunkler Punkt dieser Lehre, d e r erst später durch die aristotelische form ale Logik als A bstraktions-Z usam m enhang der B egriffe (jeder B egriff ist eine E inheit gem einsam er M erkm ale im V erschiedenen) oder in den "em anatistisch en" S ystem en der N eu platoniker als W erden s- und E ntstehun gszusam m enh an g zu explizieren versucht w ird. B ei P laton selbst dürfte ein "teleolo gisch er" oder Z w eckzu sam m enh an g leitm otivisch gew esen sein: D as G ute ist in erster L inie Z iel allen E rkennnens, Strebens, V erhaltens, H andelns und Schaffens, es ist die E inheit aller untergeordneten E inzelziele und M ittel. G em äß sokratischem "ethischem Intellektualism us" folgt auch E rkenntnis und E insicht dem L eitfaden der Z w eckM ittel-R elation, um das G ute als das W ahre aufzufinden. U nd gem äß gem eingriechischem Schönheitssinn w ird dieses G ute und W ahre bei P laton w ie bei keinem and eren auch als das S chöne (kalon kai agathon) gefeiert. U nd daß es zu gleich das S ein ist, ist die V oraussetzun g dieser G estalt von A rché-L ehre. V o n d ah er b e grü n d et d iese A rch é in vo rb ild lich er W eise ein e E in h eit vo n S ein, W ah rh eit b zw . E rk en n en u n d H an deln bzw . S chaffen. Sie gibt dam it auch einen L eitfaden für die späteren Forschungen darüber, w ie O ntologie, E rkenntnistheorie (einschließlich L o gik) und P raxeologie "m etaphysisch" zusam m enhängen und einheitlich zu begründen sind. D ie G rundlagen einer philoso phischen A nthropo logie sin d dabei nur in A nd eutun gen im R ahm en der E rkenntnislehre (L ehre von den Seelenverm ögen) m itgestiftet. W ie sie aber in ihrer E inheit zu denken sind, w ird nach m als das groß e T hem a m ittelalterlicher T ranszendentalien lehre vo n der "con versio" des S eins und des G uten, S chö nen und W ahren. Für Platon selbst und allen N euplatonism us ist das D enkm odell für diese E inheit der V ielheit die S onne (vgl. sein "Sonnengleichnis" im Staat 508a - 509b) "D ie S onne verleihe dem Sichtbaren nicht nur das V erm ögen, gesehen zu w erden, sondern auch das W erden und W achstum und N ahrung, unerachtet sie selbst nicht W erden ist". Sie w ird zum P aradigm a aller "L ichtm etaphysik", die noch in D escartes' "klaren und deutlichen Ideen" und aller "A ufklärun g" ihren E influß geltend m acht. U nd fü gen w ir hinzu: sie w ird auch das M odell dafür, w ie es zu denken ist, daß die A rché das V ertrauteste und U nheim lichste und insofern das selber U nerken nbare, M ystisch e bleibt. Indem sie allem L icht, K ontur und G estalt gibt, blendet sie den, der sie selber betrachten w ill. U nd noch etw as w eiteres w ird vo n diesem D enkm odell her einsichtig: das N ichts. W o L icht ist, da ist auch Finsternis. D iese nim m t m it dem A bstand zur L ichtquelle zu. D as N ichts ist w ie die Fin sternis: A b w esen heit des Lichts bzw . d e s Seins, E ntfernung vom G uten, G renze des W ahren als b estim m t A u ssagb aren. S o kan n d as N ichts b ei P laton au ch k eine A rché sein, sondern w ird zu einem A bgeleiteten. D ies ist w ichtig für den platonischen B egriff vo m P häno m en bzw . von den N aturerscheinu n gen oder den sinn lichen D in gen. S ie sind in diesem S inne nichtig, daß sie d e n größten A bstand zum Ideen-S ein haben, gleichsam S chatten (w ie es im H öhlen gleichnis heiß t), aber doch auch teilhabend (m etechein) an ihrem S ein. E in w eiteres D enk m o dell verdeutlicht diesen S ach verhalt: W ie ein B ild etw as m it seiner V orlage gem ein hat, ohne selber diese V orlage zu sein, so sind die Phänom ene A bbilder der Ideen, un d sie w erden ihrerseits durch noch seinsfernere A bbilder (Spiegelbilder oder G em älde und S chattenrisse) abgebildet. D ie "erkenntnistheoretische" A usarbeitung dieser A rché-L ehre führt w ieder zum parm enideisch en U nterschied von D enken und S innlichkeit. N ur das D enken erfaßt in der "Id eenschau" das S ein der Ideen; die sinnliche A n schauun g aber richtet sich auf die P häno m ene. A ber auch ein Z usam m enhan g zw ischen D en ken und S innlichkeit w ird gestiftet: sinnliche W ahrnehm un g ist nur A nlaß und A uslösung für die W iedererinnerung (anam nesis) an "vorgeburtliche" Ideenschau. U nd w as in sinnlicher E rkenntnis an W ahrheit liegt und erkannt w ird, das verdankt sich eben diesem sin nlichen E rscheinen der Ideen selber auch in ihren fernsten M anifestationen der D inge und S chatten. S ie zu erkennen heißt: die Ideen, und zunächst und vor allem Z ahl und G estalt in sie hineinsehen. P latonische N aturerklärun g w ird dadurch - w ie bei den P ythagoräern - m athem atisch -geo m etrische N aturerklärung. Im D ialo g „T im aios“ gibt Platon das B eispiel solcher N aturerklärung, indem er den D em iurgen (W eltenschöpfer) aus D reiecken zu nächst die vier E lem ente (die sog. "platonischen K örper: das Feuer als T etraeder, die L uft als O ktaeder, das W asser als Ikosaeder, die E rde als W ürfel) und aus diesen die übrigen P häno m en e erschaffen läß t. U n d auch im "S taat" findet solch m athem atische K onstruktion ihre A n w endun g: D er gute S taatsm an n m uß nur die richtige Z ahl kennen und alle gesellschaftlichen und staatlichen V erhältnisse nach ihr ordnen, den S taat stark, m ächtig und dauerhaft, schö n und harm o n isch u n d gu t zu m ach en , w ie es die Id een selb er sin d. Ü ber diese Z ahl ist viel gerätselt w ord en. E s scheint aber, daß Platon sie in den "G esetzen" auch verraten hat. E s ist die Z ahl, die am m eisten durch andere Z ahlen teilbar ist und so die m eisten V erhältnisse und P roportionen herzustellen erlau b t, n äm lich 5 0 4 0. 1 2 Ü ber die B edeutun g und W irksam keit dieser platonisch en M etaph ysik für die aben dlän disch e P hiloso p hie u nd W issen schaft brauch t w eiter kein W ort verloren zu w erden. W o im m er m an ein w enig "kratzt", kom m t baldigst Platonisches zum V orschein. A uch ist es kühn, ihm Fehler anzulasten, die vielleicht erst spätere A usleger verursacht haben, w ährend P laton selbst in grandios gepflegter V agheit zu so vielen und auch im m er neuen Interpretationen A nlaß gibt, in denen jede E poche ihre eigenen G ew ißheiten w iederfindet. S o ist vielleicht schon die üblich gew ordene strikte Z w eiteilung in den ideellen und sinnlichen B ereich (K osm os noetos und kosm os aisthetos bzw . m undus intelligibilis und m un dus sen sibilis) eine Z u spitzun g der P latoniker, die sich m ehr auf P arm enides denn auf P laton stützen könnte; ebenso die strikte U ntersch eidun g vo n S innlichkeit und D enken . D enn das S onnen gleich nis und die A nam nesislehre w eisen eher auf K o ntinuität und Z usam m enh an g zw ischen ihnen hin. A llein, die U ntersch eidungen haben ihre G eschichte gem acht. D iese G eschichte aber beruht w esentlich darauf, daß das D enken gegenüber der S innlichen A nschauung und aller "A nsch aulichkeit" als etw as anderes und H öheres gilt. Im S inne dieser A useinanderreiß ung sind die platonischen M yth en und G eschichtchen im m er w ieder als nur pro pädeutische, "anschauliche" H inw eise auf das eigentlich nur zu D enkende der Ideenlehre ausgelegt w orden, das im G runde einer solchen V eranschaulichung nicht zugänglich sei. D abei sagt doch Platon selbst "Ideenschau", und überhaupt sind alle seine R ed en über das D enken an der sinn lichen A n sch auun g orientiert. M an m uß freilich bis auf den Idealisten G eorge B erkeley im 18. Jahrhundert w arten, bis die „Ideenschau“ als direkte sinnliche A n schau un g gedeutet w ird. A ber auch dies w ird heute noch nicht recht verstanden. S ollte A ristoteles, der zw anzig Jahre Platons S chüler gew esen ist, seinen M eister gerad e darin überw und en und rich tiggestellt haben, daß er gegen Platons Intellektualism us den S ensualism us w ieder in seine R echte einsetzte? W ie dem auch sei, so m uß m an P latons M ythen w ohl ernster nehm en, als es ihre V erharm lo sun g als bloße B ilder und eben M yth en nahelegt. S ie sind sehr ernst zu neh m en de M od elle für die erkenntnistheoretischen und ontologischen V erhältnisse, M odelle selber auch des w issenschaftlichen V erfahrens, das im m er nur ein quid-pro-quo darstellt: etw as B ekan ntes und Ü b erschaub ares, vor allem A nschauliches an die Stelle des U nbekannten, erst E rtasteten , G eah n ten u n d V erm u teten zu stellen u n d d ie A rtikulationen des B ildes m it der R ealität zu vergleichen. H ier sind regulierte m athem atische und lo gische F orm en qualitativ in keiner W eise besser als direk t anschau liche V erhältnisse der alltäglichen U m w elt. Platonische W issensch aft ist ansch auliche, kon krete, sinnliche W issenschaft. K ein 12 Vgl. dazu J. F. Fries, „Platons Zahl, De Republica L. 8. p 546 Steph.“, in: Sämtliche Schriften, hgg. v. G. König und L. Geldsetzer, Band 20, Aalen 1969, S. 355 ff. W u nder, w enn nachm als auch neuplatonische M etaphysik die höchste A rché: den G ott in sinnlichen B ildern des M enschlichen und Persönlichen zu denken lehrte. W as nun die platonische A nam nesislehre betrifft, so ist sie selber ein höchst ansch auliches B ild vo m "A uftauchen" der Ideen im G edächtnis. E s schildert das V ergessen und W ied ererinn ern, das A ha-E rlebnis des W iedererkennes und den V organg der Identifikation von sinnlicher E rfahrung m it erinnerten B ildern, und dies in den "m ytholo gisch en" B ildern vo m L ethefluß und der vorgeb urtlichen E xisten z der S eele, die den G riechen aus den hom erischen S agen und verm utlich aus dem V erkehr m it indischer Philosophie bekannt w aren. D araus sind alle späteren L ehren vom U nbew ußten entstanden, die das platonische B ild durch ein dunkles und w iderspruchsvolles vehiculum ign orantiae ersetzten. D aß die Seele voller B ilder ist, w ar die richtige F eststellun g Platons; daß aber nur solche B ilder in der S eele sind, die durch die sinnliche A n schauun g hineingeko m m en sind, stellte die richtige Fortbildung dieser L ehre durch A ristoteles fest. A u s solcher E insicht entstand ein neuer und dritter T yp m etaphysischer A rché-L ehre: die des A ristoteles. A ber im R ückblick m uß m an der A nam nesislehre noch eine viel w ichtigere B edeutung beim essen. W enn die Ideen "im G edächtnis" sind und - nach allen landläufigen B egriffen vom G edächtnis - das G edächtnis dazu dient, E rinnerun gen an V ergan genes gegen w ärtig zu halten, V ergan genes selber dadurch präsent zu m achen, so sind die platonischen Ideen, in ontolo gisch er P erspektive geseh en, die G egen w ärtigkeit der V ergangenheit, also die A rt und W eise, w ie die V ergangenheit sich in der G egenw art zur G eltung bringt. A lle E rkenntnis der sinnlichen D inge, w ie sie uns jew eils gegen w ärtig sind, geschieht "nach dem M u ster der Ideen", d. h. durch eine Identifikation bildhafter V ergan genheitserfahrun gen m it den sinnlichen G egen w artserfahrungen (die keinesw egs bildhaft, sondern jew eils "die S ache selbst" sind!). A ristoteles scheint einen solchen G edanken für seine D efinition der D inge als "to ti en einai" (w örtlich: das-w as-w ar-sein, w ir nennen es: das G e-W esen) benutzt zu haben. D iese als dunkel geltende B estim m un g leuchtet von daher sehr ein. Z ugleich leuchtet auch ein, w arum P laton keine eigene G eschichtsphilosophie entw ickelt hat. Sie w ar überflüssig, w eil sie in der A n am nesislehre m itenthalten w ar. V ergangenheit ist hier w eit davon entfernt, ein N ich t-m eh r u n d so m it ein Ü b erh au p t-N ich ts zu sein, vielm ehr w ird sie in der Ideenlehre als gedächtnism äßige P räsenz der Ideen so gar zur eigentlichen W irklichkeit; sie gew innt absoluten ontologischen V orrang vor der bloß sinnlichen G egenw ärt der P hänom ene. A ugustinus, selber ein N euplatoniker und nicht zufällig der B egründer der G eschichtsphilosophie (durch sein W erk: D e C ivitate D ei), hat diesen Z u sam m enhang von G edächtnis und Ideenw elt als R eich der N otw endigk eit w ohl gesehen. D ie Ideen w erden vergöttlicht: G ottvater ist in der T rinität die groß e m em oria, der O rt der Ideen, und das m enschliche G edächtnis sein m enschlicher A bglanz. A ber A ugustins Fehler w ar die dam it verbund ene S ubjektivierun g der Ideen lehre, ein tragisches V erhängnis der M etaphysikgeschichte, das jedem Idealism us seitdem den S tem pel des Subjektivism us und in letzter K onsequenz des Solipsism us aufprägte. H ier gilt es also, die ontologische und m etaphysische B edeutung der platonischen Ideenlehre w ieder zur G eltung zu bringen, d. h. sie von den subjektivistischen E ntstellungen w ieder au befreien. D as bedeutet auch, daß die G edächtnislehren aus ihrer üblich gew ordenen bloß psychologischen B etrachtungsw eise heraus genom m en und in w eitere ontologische R ahm ungen hineingestellt w erden m üssen. N ur dadurch läß t sich die angem essene P erspektive für eine W ürdigung des Idealism us w iederfinden. D ie platonische M etaphysik dürfte sich dafür als noch län gst nicht ausgeschöpftes M od ellreservoir bew ähren. § 11 D ie M etap h ysik d es A ristoteles A ristoteles (3 8 4 - 32 2 v. C h r.) ist der B egrün d er einer disziplin ären M etap h ysik als "E rster P hilosophie" und "göttlicher W issen schaft" (theolo gike epistem e), die er als eine W issenschaft vo m "S eienden als solchem " (on he on) definiert. Seine S chule hat dieser D isziplin den N am en "M etaphysik" gegeben, w eil sie das behandelt, w as "hinter den natürlichen D in gen " (m eta ta ph ysica) steht und sie als deren A rché - verursacht. Sie ist neben M athem atik und Physik "theoretische W issenschaft", und diese drei theoretischen W issenschaften w erden ihrerseits von den "praktischen" und "S chaffens-W issenschaften" unterschieden. U m richtig zu verstehen, w as hier "theoretisch" heiß t, m uß m an A ristoteles ’ B egrün dun g der form alen L o gik als "Q rganon " (= Instrum ent, H ilfsm ittel) für alle W issenschaften, nicht als W issenschaft selber, zu R ate ziehen; darüber hinaus seine erkenntnistheoretischen A nsichten. L etztere sind in seinen logischen w ie auch in den S chriften der "M etaph ysik" genannten S chriftengruppe m itentw ickelt. A lles W issen - also auch m etaphysisches - beginnt m it der sinnlichen A nschau un g und E rfahrun g. D iese ist eine M itgift der N atur an alle tierisch en L ebew esen. D ie sinnliche "A nschauung", nicht von ungefähr nach der L eistungsfähigkeit des A uges benannt, denn sie ist die w ichtigste und für die W issen sch aft ausschlaggebende, liefert in E m pirie und H istorie (G egenw artserfahrung und erinnernder V ergegenw ärtigung) K enntnisse vom E inzelnen und B esonderen (vom "D aß ", griech. hoti), den Fakten und D aten. H ier ist aber sogleich auf die genau ere B estim m un g zu achten, die A ristoteles vom E inzelnen und B esonderen gibt, und durch w elche er den A nschluß an die platonische Ideenlehre herstellt: D as E inzelne und B esondere ist w esentlich to ti en einai, „etw as, w as w ar und (noch) ist“. W ir haben es ein G e-W esen genan nt und betonen dam it gram m atisch die Identität von perfektiver und verbalsubstantivischer V orstellung. D as E inzelne und B eson dere ist etw as "D urchständiges" in der Z eit. D eshalb w irken zu seiner E rkenntnis die E rinn erung und die sinnliche G egenw artserfassun g - darüber hinaus auch die "prohairesis", die zukünftige E rw artung - zusam m en. A ristotelische Z eitlehre faßt die Z eit als eine pure "O rdnung des Früheren und S päteren". In jeder B estim m ung des E inzelnen und B esonderen kom m t sie zur A nw en dun g durch Identifikation der V ergan genh eitsbilder und Z uku nftserw artun gen m it der jew eiligen sinnlichen E rfahrung. E rkenntnis des E inzelnen und B eso nderen ist darum un geschieden "H istoria" und "E m peiria" - und m an m uß über die aristotelischen A usführun gen hinaus hinzu fügen - auch "prohairetische" Z ukunftserw artung, die in der extrapolierenden Projektion von G edächtnisbildern in die Z ukunftsdim ension besteht. S innliche E rfahrung steht im m er im K ontext von E rinnerung und E rw artun g. Sie erfaß t das E inzelne und B esondere als das Identische in der Z eit, und dies gleicherw eise entw eder als U nw andelbares und B eständiges oder als V eränderliches und B ew egliches. E s versteht sich, daß dam it die sinnlichen P hänom en e ein für allem al parm enideischer V er-N ichtun g enthoben sind. A ristoteles' L eh re vo m E inzelnen und B esonderen, speziell seine N aturphilosophie der "P hänom ene" hat am m eisten das geleistet, w as die G riechen (m it einem A u sdruck, der selber aus der platonischen A kadem ie stam m t) die "R ettung der Phänom ene" nannten. 1 3 D er Ü bergan g zur "theoretischen W issenschaft" besteht in der genauen und deutlichen E xplikation dieser "Faktoren" in B ezug auf das je E inzelne und B esondere. Z u diesem Z w eck faß t A ristoteles die V orschläge der V orso kratiker und Z eitgeno ssen zu archeolo gischen E rklärungen in ein S chem a zusam m en, das als V ier-U rsachen-S chem a berühm t und für die w eitere F orschungsprogram m atik abendländischer W issenschaft paradigm atisch gew orden ist. T heoretisch e W issenschaft "erklärt" das E inzelne und B esond ere, indem sie es auf vier G ruppen von U rsachen (archai bzw . aitiai) zurückführt bzw . es von diesen her ableitet oder aus diesen konstruiert. Solche E rklärungen oder A bleitungen gehen nicht über das E inzelne hinau s, vielm ehr stiften sie nur zw ischen einem (neben dem zu E rklärenden, dem E xplikand um ) w eniger oder noch unbekan nten E inzelnen und anderem , schon bekanntem und selber in gleicher W eise erklärten E inzelnen einen Z usam m enhang. Jedes E inzelne gerät, dadurch gleichsam in ein Fadenkreuz, dessen E nden anderes E inzelnes als seine U rsachen sind; und diese stehen ihrerseits in solchen Fadenkreuzen. E in ganzes N etz solcher Z usam m enhänge stellt eine T heorie des jew eiligen B ereiches von E inzelheiten dar, die in diesem N etz gleichsam gefangen sind. E rklärung durch T heorie ist also A uflösung, "A nalyse" eines K notens in diesem N etz und gew isserm aß en A ufdröseln der vier Fäden, die zu den K noten im U m kreis hinführen, die als die "vier U rsachen" des aufzulösen den Problem knotens gelten. D ie vier U rsachen-G ruppen sind bekanntlich die folgenden: 1. D ie Form -U rsache (idea, eidos, B egriff, lat. causa form alis); 2. D ie M aterie-U rsache (hyle, Stoff, lat. causa m aterialis); 3. D ie B ew egungs- bzw . V eränderungs-U rsache (hothen he arche tes kineseos, "W oher der B ew egung", lat. causa efficiens), speziell auch W irkursach e genannt; 4. D ie Z w eck- bzw . Z ielursache (telos, Z w eck, Z iel, lat. causa finalis). W ir können sie w ie folgt in einem Schem a darstellen: 13 Vgl. dazu J. Mittelstraß, Die Rettung der Phänomene, Berlin 1962. A ristotelisch es V ier-U rsach en-Schem a - Form -U rsache (B egriff) - - W irk-U rsache - zu erklärende Substanz - Z w eck-U rsach e - M aterie-U rsach e E s w ird dienlich sein, sich die vorsokratische und zeitgenössische H erkunft dieser A rchai zu vergegenw ärtigen. D ie Form -U rsachen verw eisen auf die platonische Ideenlehre (und auf A ristoteles' eigene logische L ehre vo n den B egriffen). S ie ist für jede E rklärun g eines E inzelnen das W ichtigste und oftm als Z ureichende. D as, w as "gesehen " w ird, seine G estalt und Form , die durch N am en benannt und evo ziert, vorgestellt und als sein "W esen" gedacht w ird. D ie M aterie-U rsachen geh en auf die em pedokleische (und dem okriteische) A tom - und E lem entenlehre zurück. D arüber hinaus verw eisen sie auf die parm enideische L ehre vom N ichts. D er Stoff bzw . die M aterie "individuiert" die Form , "atom isiert" sie, "konkretisiert" sie zum E inzelnen (denn dieselbe Form kom m t vielem E inzelnen zu). D abei ist m it einer A usnah m e jede M aterie-U rsache selber schon "geform te M aterie" (desw egen unterliegt sie dem gleich en V ierU rsache-E rklärungsschem a). Insbesondere gilt das vo n den em pedo kleischen E lem enten und dem o kriteischen A tom en, die ja schon von Platon als geform te regelm äß ige D reieck skörper erklärt w orden sind. E rst diese "untersten" M aterien haben zum S toff die "reine M aterie", die konsequenterw eise keine Form m ehr besitzen kann. U nd deshalb kann m an sie auch nicht m ehr (durch Form en bzw . B egriffe) bestim m en: D ie reine M aterie ist daher zugleich reine U n bestim m theit w as auf des anaxim an drische A peiron zurück verw eist - un d som it N ichts (m e on, w örtlich: N icht-S eiendes). H ier hängt die M aterie-L ehre des A ristoteles m it P latons D eutun g des N ichts als A bw esen heit des Ideenseins nach dem M uster des L icht-Fin sternism o dells zusam m en. D ie W irk-U rsachen erinnern an die em pedokleischen "K räfte" der L iebe und des H asses, der S ym pathie und A ntipathie, die die M ischung und E ntm ischung d e r E lem ente regieren. B ei ihnen unterscheidet A ristoteles zw ischen den "äuß eren" A nstoß -K räften, die er im engeren Sinne das "W oher der B ew egun g" (hothen he arche tes kineseos) nennt, und den im Innern des E inzelnen w irkenden B ew egungs- und V eränderungskräften, die er dynam is (lat. potentia; K raft, V erm ö gen, auch D ispo sition zu..., A nlage, Fähigkeit) nennt. N och L eibniz w ird später die M onaden-A tom e als "K raftw esen" bestim m en, und dam it dieser U rsache die H aupterklärungsfunktion einräum en. D ie Z w eck-U rsachen schließlich verw eisen auf pythagoräische S ym m etrie-, H arm o nie- und V ollkom m en heitsbestim m un gen, dam it auch auf die platonische Idee des G uten, zu der als "Ideal" alles strebt, und nach deren M uster alles geschaffen ist. Im U nterschied zu den Form ursachen, den faktisch "verw irk- lichten" Form en und G estalten des E inzelnen, sind sie die prohairetisch erw arteten Z iele und Z w ecke aller B ew egu n gen, V eränderun gen und E ntw icklun gen. In der theoretischen E rklärung des E inzelnen expliziert nun ersichtlich die A chse Form -M aterie den Z ustand, die A chse W irk - und Z ielursache die B ew egun g und V eränderung des je E inzelnen. V eränderung und B ew egun g ist w ie schon Z enon von E lea zutreffend gezeigt hatte - ein D urchgan g durch Z ustände. E in sinnlich w ah rgeno m m ener Z u stand heißt nach dem dafür von A ristoteles eingeführten B egriff energeia (w örtlich: im -W erke-sein), und die deutsche Ü bersetzung „ W irklichkeit“ ist uns in der A lltagssprache erhalten geblieben. D ie L ateiner haben dies als actus (H andlun g) übersetzt und dam it das Ü bergan gsm o m ent, das P rozeß hafte am Z ustand betont. A uch das deutsche "W esen" (oder "A n-W esen", von H eidegger in seinem verbalsubstantivisch en C h arak ter u nterstrich en ) w eist in diese R ich tung. Z ur F eststellu n g u n d B esc hreib u n g vo n B ew e gu n g un d V eränderung aber bedarf es der integrierten M itw irkung der unm ittelbaren A n schau un g der Sinne, die den jew eiligen Jetzt-Z ustand erfassen, und der E rinnerung, die den vergan genen Z ustand festhält; und hinzu kom m t auch die E rw artun g künftiger Z ustän de, die ihrerseits G ed ächtnisbilder "ähnlicher" E rfahrungen in die Z ukunft extrapoliert. H ier ist denn der Punkt, w o A ristoteles an die A nam nesislehre und Ideenlehre P latons anknü pft. D ie E rinnerungs- und E rw artun gsbilder, die ja gerade festhalten, w as der G egenstand nicht m ehr und noch nicht ist, erklären genau das, w as der jew eilige G egenstand ist: daß er dies w ar und noch ist (to ti en einai) - und daß er so und so sein w ird. D ie zeitlichen A b schattun gen nennen w ir noch jetzt m it verdeutschter aristotelischer T erm inologie „M öglichkeiten“ (d ynam is, endecho m enon), und w ir setzten sie eben so m it aristotelischem B egriff dem "aktuellen" Z ustand bzw . der "W irklichkeit" entgegen. Solche M öglichkeiten der D inge w erden durch A ristoteles auch näher bestim m t. S ie bem essen sich durch den "A bstand" (steresis, privatio; deutsch: B eraubung, M angel), den ein D in g oder Z u stand vo n seinem vollend eten E ntfaltun gszu stand oder (bei O rtsbew egun gen) vo n dem ihm "zugehörigen O rt (oikeios topos) hat. D er vollendete Z ustand organischer W esen (und sie w erden das M uster solcher E rklärun gsw eise) ist ihre R eifeform . Z u ihr streben sie, und w enn sie sie erreicht haben, zerfallen sie w iedeir. T ote W esen (m aterielle D inge) streben dagegen nach aristotelischer N aturlehre in "natürlicher B ew egu n g" (w en n sie nicht daran gehindert w erden) zu einem ihnen zu geh örigen O rt: das E rdhafte S ch w ere nach unten zur E rde, das W ässrige ebenso, bis es auf E rde trifft, das L uftartige nach oben, das Feurige noch schneller als L uft und R auch hinauf zum S ternenfeuer. A lles dies stim m t ja sehr gut m it der E rfahrun g überein, w enn es auch (bis auf die im m er noch rätselhafte "S chw erkraft" bzw . new tonsche G ravitation, die als axio m atisch er B egriff der P hysik beibehalten w orden ist) anders, näm lich eben nur noch m it H ilfe der S ch w erkraft, erklärt w ird. D ieses S treben nach und "W issen um das Z iel" w ird keinesw egs selber erklärt, sondern nur festgestellt und benannt. A ristoteles stellt fest: D ie D inge und L ebew esen haben "ihr Z iel in sich". E r nennt das ihre "E ntelechie" (w örtlich: D as-Z iel-in-sich-haben). M it ihr w erden nun die M ö glichkeiten in B eziehun g gebracht. E in D in g oder ein L ebew esen hat so viel und so lan ge M ö glichkeiten, w ie es von seinem natürlichen Z iel (der R eifegestalt oder dem zu gehörigen O rt) entfernt ist. U nd diese M ö glichkeiten sind um so größer, je w eiter sie entfernt sind, um so geringer, je näher sie zu dem Z iele gelan gen. M it E rreich un g des Z iels haben sie keine M ö glichkeiten m ehr. Z iel (telos) und vollendete F o rm fallen zur W irklichkeit zusam m en. W ir haben un s bem ü ht, den S achverhalt ohne R ekurs auf den K raftbegriff zu beschreiben, obw ohl der aristotelisch e M ö glich k eitsb egriff eb en d erselb e B egriff ist w ie der d er K raft b zw . D yn am is. A b er m an w ird A ristoteles sicher m iß verstehen, w enn m an ihm spätere, insbesondere neuplatonische K raftbegriffe unterstellt. D ynam is und E ntelecheia sind nur die V orgänger der K raftbegriffe; hier noch reine B eschreibun gsm ittel, die erinnerte und erw artete Z u stände auf S ub stanzen und L ebew esen beziehen. D er N euplatonism u s, der w esentlich aristotelische D enkm uster m it den platonischen verschm ilzt, w ird daraus selber substan zielle G ebilde, "K räfte" m achen und die W irklich keit m it ihnen bevölkern. D ann w erden die Ideen zu P otenzen, E ntelechien und K raftw esen h ypo stasiert. B ei A ristoteles ko m m t es w esentlich darauf an zu verstehen, daß D yn am is und E ntelechie nur B eschreibun gsbegriffe dafür sind, daß W irkursach e und Z ielursache in der "E rklärun g" eines D inges auf es bezo gen w erden m üssen. E r ist auch w eit von jeder quantitativen Fassung dieser B egriffe entfernt. E rst neuplatonische M athem atisierung der N aturerklärung hat sie zu quantifizieren versucht und dadurch physikalische "D ynam ik" initiiert. W ir haben alle diese Ü berlegungen zum V ier-U rsachen-E rklärun gsschem a an gestellt, um nun das T hem a der aristotelischen M etaph ysik genau er bestim m en zu können . G eht m an näm lich am L eitfaden der U rsachenerklärungen von einem zu m nächsten fort, so ko m m t m an zw an gsläufig vor die Frage, ob es letzte U rsachen gibt oder nicht. U nd dies ist nun die aristotelische B estim m un g des T hem as der M etaphysik: Sie ist "W issensch aft von den ersten G ründen und U rsachen" (epistem e ton proton archon kai aition, M et.1,2, 982 b,9f ) die natürlich auch die "letzten" U rsachen sind. N un w ar ja die ganze V o rsokratik und w aren auch die Z eitgeno ssen bem üht, solche E rst- bzw . L etztursachen aufzuzeigen und zu benennen. E rsichtlich legt A ristoteles es darauf an zu zeigen, daß alle Lehren in seine m etaph ysisch e T heorie einm ünd en, in ihr kulm inieren; daß, w as W ahres an ihnen sei, m it seiner T heorie übereinstim m e, das F alsche d urch sie w iderlegt w ürde. Z unächst ist die Frage zu erledigen, ob es überhaupt erste U rsachen gibt, oder ob m an bei der U rsachenforschung unendlich w eiterfragen kann. D ie A ntw ort des A ristoteles lautet in guter Ü bereinstim m ungen m it den L ehren der V orsokratiker. Im m er-w eiter-Fragen heißt, ein U nendliches und U nbestim m tes als U rsache setzen. D ieses (das A peiron des A naxim ander) ist aber die prote hyle, erste M aterie, das vollkom m en U nbestim m te, das N ichts. W er aber das N ichts als U rsache ansieht, verkennt gerade das W esentliche w issenschaftlicher und m etaphysischer U ntersuchung, denn diese geht auf B estim m tes. A us dem N ichts ist nichts zu erklären (w ohl aber aus je schon bestim m ter M aterie, die schon F o rm aufgenom m en hat), deshalb kann das N ichts keine U rsache sein. S o bleiben als L etztursachen übrig, w as in der D im ension des W oher der B ew egun g, der Form en und der Z w ecke als Letztes auszum achen ist. Z u ihrer B estim m u n g bedient sich A ristoteles seiner logischen A bstraktionstheorie. D iese lehrt, im E inzelnen und B eso nderen das G em ein sam e als A llgem ein es herauszufinden un d begrifflich festzuhalten. U nter den Form ursachen ist es diejenige, die allen S u bstanzen gem ein sam zukom m t. A uf dem W eg über die K ategorienanalyse (die K atego rien sind die allgem einsten B egriffe verschiedener S einsbereiche: S ubstanzen, Q ualitäten, Q uantitäten, R elationen, Ö rter, Z eiten, usw .) kom m t A ristoteles zur B estim m un g auch des noch ihnen allen G em einsam en: D as Sein (to on he on) ist höchste Form , G em einsam es aller K ategorien, die es nur "verschied en aussprechen (to on pollachos legetai). E ntsprechend dem S ein als oberster Form m uß es auch eine einzige und höchste B ew egungsursache geben. P er d efin itio n e m m u ß sie etw a s sein , w a s selb er u n bew egt ist (sonst w ürde es von einer anderen U rsache bew egt): dies ist der erste, "unbew egte B ew eger" . U nd w ied erum entsprech end m uß es auch ein Z iel aller Z iele, einen Z w eck aller Z w eck e als das, w as allen Z w ecken und Z ielen gem einsam ist, geben: den E ndzw eck und das E ndziel aller D inge und B ew egun gen. D am it nicht genug, zeigt A ristoteles w eiter, daß diese drei U rsachen in eine einzige zusam m enfallen, konvergieren. D ies erw eist sich bei jeder "V erw irklichun g" veränderlicher und bew egter D inge. T elos ist im m er die vollendete G estalt, also Form , und w enn sie erreicht ist, sind alle M öglichkeiten getilgt, das D ing ist volle "W irklichkeit". E benso die W irkursache: "E in M ensch zeugt einen M enschen" - lautet hier A ristoteles ’ A rgum ent. E ntsprechend und erst recht gilt das für die letzten bzw . ersten U rsachen. D er erste B ew eger ist zugleich reine Form (S ein) und vollendetes Z iel in vollster V erw irklichung (energeia, "actus purus" w erden es die S cholastiker nennen). „U nd das nennt m an G ott", fügt A ristoteles hinzu. D eshalb ist solche m etaphysische Forschung nach den bzw . der ersten U rsache eine "göttliche W issenschaft". Sow eit sie aber theoretisch betrieben w ird, dient sie auch dem B ew eis, daß es diese erste U rsach e gibt und w orin sie besteht, sie liefert G ottesbew eise. M an beachte, w ie die Leitfäden der drei U rsachen zugleich die L eifäden der hauptsächlichen G ottesbew eise christlicher T heologie w erden. N äm lich des im engeren Sinne "kausalen" aus d e r B ew egun gsursache (G ott als W eltschöpfer), des „teleologischen" (G ott als oberstes G utes, nach w elchem alles strebt), und des "ontologischen" (G ott als höch ste Form , die zu gleich reines S ein, actus purus ist). U nd nicht zuletzt sieht m an h ier den aristotelisch en Prototyp einer göttlichen D reieinigkeit: E in G ott in drei G estalten von U rsächlichkeit. D ie w eitere G eschichte der M etaphysik zeigt, w ie diese "w issen schaftliche" Findu n g und B estim m un g der A rché auch zur G rundlage w issenschaftlicher christlicher - und islam isch er - T heologie w ird. S ie w ird vo m N euplatonism u s voll w iederaufgeno m m en, dem ja der A ristotelism u s nur als eine A u sarbeitun g der platonischen P hilosophie galt. D abei w ird die (statische) aristotelische S eins- und S ubstanzen lehre "dynam isiert": D as Sein w ird zur K raft, Potenz, M acht, und "E nergie" w ird selber B ezeichnun g vollko m m en ster K raft- und M achtausübung. A uffällig aber bleibt dabei, daß die m etaphysische Lehre von der E inheit der drei Letztursachen der Form , des B ew egungs- und V eränderungsursprungs und des letzten Zw eckes, die hier als „der G ott“ bezeichnet w irden, w eder von den m ittelalterlichen N euplatonikern noch von den N euaristotelikern als „Trinitätsbew eis“ genutzt w ird. D a m an im allgem einen die aristotelische G run dlegun g der W issen schaften in der M oderne in ihrer W irkung und noch aktuellen P räsenz unterschätzt, sei noch darauf hin gew iesen, w ie sie sich noch jetzt in den G rundlagen von G eistesund N aturw issenschaften zur G eltun g brin gt. E rsichtlich läuft sow ohl geistes- w ie naturw issenschaftliche Forschu n g noch im m er an den L eitfäden, die das V ier-U rsach en-S chem a gespannt hat: N aturw issenschaft verfolgt prinzipiell nur noch die m ateriellen und d ie W irkursachen und hält die N atur-P häno m ene für erklärt, w en n sie von diesen beiden U rsachen grup pen ab geleitet w erden können. Ihre neuzeitliche N eubegründung (durch G alilei) hat darin bestanden, die Form en und Z w ecke als S chim ären aus der N atur zu entfernen. S o blieben die Form en und Z w ecke für die neuzeitlichen G eistesw issenschaften übrig. D iese "verstehen" ihren G egenstand, w enn sie seine Form en als S inngebilde erfaßt und in ihren teleolo gisch en Sinnzusam m enhängen expliziert haben. So ist das V ier-U rsachen-S ch em a nur aufgeteilt und arbeitsteilig spezifiziert w orden. Für das Schicksal der M etaphysik aber w ird bedeutsam , d aß dad urch die "m aterialistischen" (realistisch en) u n d "form alistischen" (idealistischen) M etaphysiken als V erabsolutierungen des P otenzials der ganzen N aturw issenschaften oder der ganzen G eistesw issenschaften eben so w ie diese selber in K onkurrenz zueinander geraten. D er R ealism us deutet die W elt als "K ausalzusam m enhang" m aterieller E lem ente; der Idealism us als "S innzusam m en hang" von Sinngebilden. § 1 1 D ie nachklassischen Schulrichtungen Sie schließen sich in ihren G rundlagen an die vorsokratischen und klassischen M etaphysiken an und exhaurieren ihre G eh alte in der A nw endung auf speziellere Fragen des L ebens und. der W issen schaften. D ie W issen schaftslehre und M etho dologie gilt überall als Fortbildung der platonischen Ideen lehre durch A ristoteles. Z u m al seine form ale L o gik als allgem eines O rganon aller W issensch aft erscheint als m etaph ysisch neutrales Instrum ent, das in allen Schulen gleicherm aßen verw endet w ird. So erklärt sich das auffällige V ersch w ind en eines schulm äß igen A ristotelism us in der S pätantike und P atristik: A ristoteles ist durch L o gik und W issen schaftslehre in allen S chu len präsent. S eine N aturphilosophie und M etaphysik verschm ilzt m it der neuplatonischen, seine praktische Philosophie w ird in der Stoa w eiterentw ickelt. W ie A ristoteles später als "der P hilosoph" schlechthin gilt, so seine P hilosophie schon dam als als der M aß stab des S elbstverständlichen, das nur in den verschiedenen S chulen ausgelegt und term inologisch bestim m ter gefaßt zu w erden brauchte. So bleiben vier große S chulrichtungen bestehen: E pikureism us, Stoa, und Platonism us bzw . N euplatonism us, von w elchem die Skepsis ein integrierender Z w eig (der sogenannten m ittleren platonischen A kadem ie) w ar. Der Epikureismus D er E pikureism us ist von Epikur (341 - 2?0 v. C hr.) begründet w orden. 1 4 D urch L ukrez (96 - 55 v. C hr.) hat er in dem G edichtw erk "D e rerum natura" (V on der N atur der D inge) 1 5 eine um fassende literarische D arstellung erfahren, die ihm auch als B ildungsgut anhaltende W irkung verschaffte. D er E pikureism us ist eigentlich ein D em okritism us. D ie A tom e gelten ihm als einzige A rché, aus der alles P häno m enale durch ihre M ischun g und E ntm isch un g erklärt w ird. D abei betonen die E pikureer die rein körperliche N atur der A tom e. D em entsprechend erscheint auch alles G eistige nur als M ischungsverhältnis körperlicher A tom kom plexion, es m uß rein "physiologisch" erklärt w erden. Insbesondere w ird die E rkenntnis als Ü bergang m aterieller T eilchen aus den gem ischten D in gen in die ebenso gem ischten m ateriellen S innesorgan e, als m aterieller B ildtransport gedeutet. 14 Vgl. Epikur – Von der Überwindung der Furcht – Katechismus – Lehrbriefe – Spruchsammlung – Fragmente, hrgg., eingel. und übers. von O. Gigon, Zürich 1949. 15 Titus Lucretius Carus, Von der Natur der Dinge, deutsch-lateinisch hsgg. von H. Diels, 2 Bände, 1923 - 1924 A lle M ischungen und E ntm ischungen der E lem ente gelten als zu fällig u n d sp o n tan. W issen sch aft ist n u r die Feststellung und B eschreibun g, d aß und w ie etw as aus A to m en zusam m en gesetzt ist. Sie ist analytisch-redu ktionistisch, das M u ster aller strikten em piristischen W issensch aft, die den "B oden der T atsachen" nicht verlassen w ill. E n tsprechen d gibt es (auß er der R eduktion auf A tom e) keine "E rklärung", insbesondere keine kausale. D ies richtet sich gegen die - vor allem stoischen – E rklärungsversuche, die einen notw endigen gesetzlichen Z u sa m m en h an g d er V e rän d e ru n gs- u n d B e w e g u n g sv erhältnisse der P hänom ene voraussetzen. D er E pikureism us ist kontingentistisch oder indeterm inistisch: A u ch regelhafte V eränderun gen in der N atur können nur konstatiert, als "Z ufälle" b eschrieb en w erden, sie erlau ben k eine P ro gn o sen, d aß die gleich e R eg elhaftigkeit öfter oder im m er auftreten w erde. D ie ethische K ehrseite dieses N aturkontingentism us oder Indeterm inism us ist die ethische Freiheitslehre. D a die E pikureer keine K au salität anerkennen, gibt es auch im m en schlichen L eben keine kausalen G ründ e oder M otive für das ethische H andeln. Freiheit ist hier grund- und m otivloses E ntscheiden, w as später oft „ W illkürfreiheit“ genannt w urde. D em A tom ism u s ihrer N aturauffassung entspricht der "Individualism us" (w örtlich: lat. E ntsprechung zum griech. atom on!) in der E thik und S ozialphilosophie. A uch hierbei w ird vieles von D em o krits A nw eisun gen für das „gute“ und glückliche Privatleben übernom m en. E s gibt keine G ötter. U nd w enn es doch G ötter geben sollte, so leben sie w eit entfernt von den M enschen in „Z w ischenw elten“ (Interm undien) ohne jede V erbindung zu den Irdischen, um die sie sich daher auch nicht küm m ern noch sich durch K ult oder G ebete beeinflussen lassen. U nd daher hat m an sich auch vor G öttern nicht zu fürchten, noch w eniger B elohnungen oder Strafen von ihnen zu erw arten. D a es keine N otw endigkeiten, keine um fassenden Z usam m enhänge gibt, ist das Individuum (griech. auch idion: der E inzelne) vollkom m en frei, sich sein e U m geb u n g d urch M isch u n g m it an d eren In d ivid u en zu gestalten. D abei spielt (em pedokleische) S ym pathie und A ntipathie eine hervorragen de R olle. Freundschaft und G eselligkeit im kleinen K reise - in dem "G arten E pikurs", in dem er seine Freunde zu philosophischem G espräch zu versam m eln pflegte (daher w ird die P hilosophie E pikurs auch "G artenphilosophie" genannt) - ist gleich sam die erste und beständigste „m oleku lare“ V erknüpfun g zw ischen den gesellschaftlichen A to m en. D abei spielt es auch keine R olle – und darin steht der E pikureism us einzig unter den antiken philosophischen S chulen da – ob die durch Freu ndschaft verbu ndenen Individuen M änner oder Frauen, Freie od er S klaven sind. E pikur hat sie alle an seinen G arten gesprächen teilnehm en lassen, und in seinem überlieferten T estam ent hat er seine S klaven freigelassen. D ie „P hilosophie im G arten“ w ird so zu m M uster späterer S alons und philosophischer Z irkel. U nd nicht zuletzt w ird auch die philosophische und w issenschaftliche D iskussion nach ihrem V organg noch im m er „S ym posium “ (eigentlich: T rinkgelage) genannt. D ie K ehrseite ist der R ück zug aus den öffentlichen und um fassen deren Z usam m enh än gen, die V erantw ortungsscheu oder -V erm eidun g gegen über dem A llgem einen , das private B ied erm eier des "G lück s im stillen W inkel". E s w ird als „im V erborgenen leben“ (lathe biosas) gerü hm t. N och D escartes hat es als seine L eben sm axim e ausgegeben. W er aber V ergnü gen an der P olitik findet, m ag sich in die öffentlichen B elan ge einm ischen, so lan ge es ihm „S paß“ m acht. W enn der S paß zum Ä rger w ird, m ag m an w ieder „aussteigen“, w ie m an es noch heute an m odernen E pikureern sieht. S toische K ritik vom entgegen gesetzten S tand punkt aus spricht sich noch jetzt in den B egriffen vo m "P rivatm ann " (der der öffentlichen E inb indun g "beraubt ist") und gar vo m "Idioten", der seine Individu alität zur Inkom m unikabilität kultiviert, aus. D er E pikureism u s ist von der Stoa und vo m P latonism us und N eu platonism u s im m er w egen seines A theism u s und A ntispiritualism us bekäm p ft w orden. U nd um der K ritik S toß kraft zu verleihen, hat m an dabei kräftig das epikureische Ideal des „ L ebens um der L u st w illen“ als höch st am oralisch und verw erflich dargestellt. D abei zeigen die Z eu gnisse vo m persönlichen L eb en des E pikur, daß er geradezu ein M uster vo n M äß igkeit gew esen ist. U m „lustvoll zu leben“ erbat er sich von sein en Freun den gelegentlich „etw as trockenen K äse“ zum gew o hnten B echer klaren W assers. T rotz dieser K ritik ist der E pikureism u s niem als untergegan gen. D afür dürften die Ä rzte in erster L inie gesorgt haben, die ohnehin ihre W eisheiten gem äß dem E id des H ippokrates nicht an die Ö ffentlichkeit gelan gen ließ en. A ber auch, daß die L ehre durch L ukrez literarischen R an g als K un stw erk gew an n und D iogenes L aërtios in sein er „P hilosophiegeschichte“ über ihn berichtete, dürfte nicht unw esentlich dazu beigetragen haben. E r hat seit der N euzeit als radikale U nterlage des M aterialism us (in ihm gibt es auch eine stoische, geistige M aterie annehm ende B egleitström ung) im m er größere B edeutung gew onnen. D ie Ä rzte h aben ihn als ihre H au sphilo so phie in E hren gehalten und w eiter gepflegt, denen ja, nach A ussage eines ihrer G röß ten (V irchow ) "nie eine S eele unter das M esser gekom m en ist". So hat die Sparsam keit und G radlinigk eit des epikureischen W eltbildes im m er fasziniert, sein Individualism us allen "anarchistischen" A uflehnun gen gegen öffentliche G ew alten u n d ü b ergreifen d e S tru k tu re n , sein A th eism u s allen "exaktw issenschaftlichen" E ntm ythologisierungen von G ötter-, G eistern und B ew uß tseinsw elten zur G run dlage gedient. S eine Freiheitslehre hat sow ohl den politisch en neuzeitlichen L iberalism u s (der w esentlich die Freiheitssphäre und die "Freiräum e" des Individu um s gegen über den staatlich-politischen G ew alten sichern w ill) w ie auch den naturw issenschaftlichen Indeterm inism us (der jetzt in der A tom physik auf breiter Front im V orm arsch begriffen ist) inspiriert. U nd so ist der E pikureism us auch die G rund lage des heroischen E litism us aller m odernen "S elbstdenker" und "S ystem kritiker" gew orden, die m it Max. Stirners "Der Einzige und sein Eigentum“ und mit F. N ietzsche in vielen "existen zialistischen " S chüben bis in die neuesten A lternativbew egun gen das In divid u u m u n d sein e R ech te glorifizieren u n d d as A llge m eine und U m fassende perhorreszieren. Z u r K ritik w äre d as zu w ied erh olen, w as au ch ge gen D em okrits atom istischen M aterialism us schon gesagt w urde. S eine A n w end un g aufs ethische und gesellschaftliche G ebiet heilt nicht seine M ängel, sondern vergröbert seine W idersprüche. W as dem E pikureism us als das Selbstverständliche und U nableitbare, als A rché gilt: das m aterielle A tom und sein Pendant, das Individuum , sind ihrerseits nur Abstraktionen aus dem natürlichen P häno m enzusam m enh an g bzw . aus dem gesellschaftlichen Z usam m enhang. D as Individuum ist selbst nur ein gesellsch aftliches A llgem eines, es lebt und versteht sich nur auf K osten und im R ahm en des G anzen. A ls individualisiertes A llgem eines aber ist es der lebendige W iderspruch: die D utzend-Jem einigkeit, das kollektive E go (heute nennt m an es auch „Ich -A G “) oder der souveräne Nutznießer öffentlicher Daseinsvorsorge.. W enn die S cholastik das Individuum als "ineffabile", unaussprech lich, w eil m it vorgeblich unendlich vielen E igenschaften behaftet ansieht (dies ergibt sich aus dem S chem atism us der aristotelischen B egriffspyram ide, w o die untersten "konkretesten" B egriffe N am en sind, die jedenfalls keine bestim m te A n zahl von M erkm alen um fassen sollen), so tut sie das ganz im Sinne des E pikureism us. E s ist der m etaph ysische V ersuch, ein V ertrautes als d as U nheim lichste auszu w eisen. M oderne N aturw issen sch aft m acht daraus die "D in ge an sich" der subato m aren E lem entarteilchen, deren B estim m ungen die ganze K om plexion des U niversu m s erklären sollen, und die sie doch nur asym ptotisch erfassen zu können glaubt. A uch eine bestim m te A rt m oderner G eistesw issenschaft m acht daraus das unauslotbare Individuum t aus dessen T iefen die unverw ech selbar einm aligen kreativen S chö pfungen herausfließen, die sie untersucht. M an m uß freilich hinzufügen, daß solche S uch e nach dem innersten K ern des Individuu m s auch vo m platonischen und neu platonisch en D enken gem äß deren L eh re vo n der unsterblichen S eele und ihrem unend lichen R eichtu m an anam nesischen Ideeninh alten gefördert w orden ist. D a aber nichts noch so Falsches ohne ein K örnchen W ahrheit ist, soll auch dasjenige, w as in die richtige R ichtun g geht, erw ähnt w erden. E s ist die m etaph ysische T enden z, die A rché im E inzelnen und B eson deren aufzu su ch en u n d sie als ein E in h eitlich es (d ie m ateriellen A tom e) zu konstruieren. D am it w erden zum indest zw ei unserer m etaphysischen K riterien für einen w ahren K an didaten der m etaph ysisch en A rché erfüllt: A llgem ein heit und zugleich K onkretheit. M an kann aber kaum behaupten, daß die A tom e das uns V ertrauteste und B ekannteste sind - m an konnte sie in der A ntike überhaupt nicht sinn lich erfah ren, heute (w enn die m ikroph ysikalischen E lem en tarteilchen die legitim en N achfahren der A tom e sind) nur m it groß em technischem A ufw and. U nd noch w eniger sind sie uns befrem dlich oder gar unheim lich. D azu hat die m oderne P h ysik zu viel über sie herausgebracht. W enn der m oderne M aterialist gleich w ohl von der M aterie und den A to m en w ie von etw as M ystisch em spricht, so kann er nicht dasjenige m einen, w as eben G egenstand der P hysik der E lem en tarteilchen ist, und w as er m eint, kann m an allenfalls als M ystifikation bezeichn en. D enn auch der m oderne M aterialist argum entiert auf der G rundlage der Plausibilität des E rklärun gsp otenzials der N aturw issen schaften. D ie K o sten der A llgem einheit des m aterialistischen Prinzips aber bestehen in der L eugnun g oder in einer höchst w iderspruchsvollen A bleitung und E rklärungen des G eistigen und B ew uß tseinsm äßigen bzw . der Sinngebilde. § 13 D ie Stoa D ie stoische S chule ist von Zenon von K ition (336 - 264 v. C hr.) in der "S toa P oikile", einem A thener G ebäude m it schön en W andelhallen, gegründet w orden. Ihre H auptvertreter sind C hrysipp (281 - 208), P anaitios von R hodos (185 - 116 v. C hr.) u n d P o seid o nio s vo n A p a m eia (1 3 5 – 5 1 v. C h r.). 1 6 S ie ist - w ie der E pikureism us eine Philosophie besonders der Ä rzte - die H au sphilosophie der Juristen und S taatsm änner gew orden, unter denen der K aiser M ark A urel (R eg. 1 6 1 - 1 8 O n. C hr) und der Staatsm ann Seneca (gest. 65 n. C hr.) hervorragen. A uch die S toa geht vo m A tom ism us des D em okrit aus, fügt ihrer O ntologie aber auch E lem ente H eraklits (Feuerarché und L o goslehre) un d A naxagoras' (N ou slehre) b ei. Ü berhau pt ist ihr G rundzug eklektizistisch und synkretistisch: aristotelische W issen schaftstheorie und L o gik w ird vielfältig integriert, auf w eite Strecken ergeben sich P arallelen zum P latonism us und N euplatonism us. A lleserklärende A rché sind auch hier die A tom e. A b er anders als bei E pikur schließ en sie das G eistige m it ein. D as G eistige besteht in allerfeinsten, feurigen A tom en (P neum a, L uftartiges), die überall sind und alles durchdringen. U nd w ie der N ous b ei A naxagoras "alles erkennt und regiert", so tun es auch die G eistesatom e der Stoa. A ls "V ernunft-Sam enkräfte" (logoi sperm atikoi) teilen sie sich allen anderen A tom gem isch en m it, besond ers aber den L ebew esen (die darum alle in. gew isser W eise vernünftig sind, und hier vorzüglich dem M enschen, in dessen K örper sie "W urzel ziehen" (logoi em phytoi). D ies verbürgt die den Stoikern als R echtsphilosophen so w ichtige "allgem eine M enschenvernunft" und die G em einsam keit vernünftiger Ü berzeugungen (opiniones com m unes), die auch zu A xiom en aller w issenschaftlichen T heoriebildung w erden. A ber die geistige M aterie besteht auch für sich. D as sind die G ötter und G eister, die die S toa nicht nur anerkennt, sondern - ähnlich w ie der N euplatonism us - über alles M aß hinaus verm ehrt und verehrt. Insbeson dere gelten die feurigen G estirne als G ötter. U n d w ie sich in Jahreszeiten, W ettererscheinungen und M eeresgezeiten der ständige E influß der G estirne in den irdischen und sublunaren P hänom enen zur G eltun g brin gt, so in jedem E inzelnen und B eson deren des individuellen und staatlichen L eben s der M enschen. D ie stoische O ntolo gie ist auch die w irkun gsvollste G rundlage für alle nachm alige A strologie gew orden. D a das G eistige auch in gerin gsten S puren der B eim ischun g auch die um fassendsten A tom ansam m lungen "ferm entiert" und prägt, w ird auch chem isch e V eränderun g im organischen und anorganischen B ereich nach dem M uster der Ferm entation erklärt. D ies w ird G rundlage für die E ntw icklun g der A lchem ie und der S uch e nach dem "S tein der W eisen " bzw . der P anacee (dem A llheilm ittel für alle K rankheiten oder dem "L ebenselixier") als dem reinen G eisteskon zentrat, das alles in alles, und insbeso ndere alle M etalle in G old verw and eln können soll. D as G eistige ist allesb ew egende K raft. N ach aristotelisch em M u ster w ird es als U rspru n g u nd U rsach e aller B ew egung und V eränderung im K osm os, ebenso als teleologischer E ndzw eck und Z iel dieser B ew egungen aufgefaßt. H öchstes G eistiges und 16 Vgl. dazu die klassische Darstellung von Max Polenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, 2 Bände, 4. und 5. Aufl. Göttingen 1972- 1978. oberster G ott ist die "N otw endigkeit" (die G öttin A nanke, lat. Fatum ), die letztlich alles regiert und bestim m t, insb esondere alles vorau sbestim m t. A ls oberste A rché stellt sie alles in einen universalen N otw endigkeitszusam m enhang, einen U niversaldeterm inism u s, sie teilt sich selbst - als N otw endigkeit - allem und jedem E inzelnen m it. D ies ist der entschieden ste G egensatz zum epikureischen K ontingentism us. Für den S toiker gibt es keinen Z ufall, und w as so erscheint, ist nur der R eflex des N ichtw issens über den no tw endigen und gesetzlichen U rsachen-Z usam m en hang. D ieser N otw endigkeitszusam m enhang stellt sich in zw ei Form en dar: im U rsacheW irkungs-Zusam m enhang, nach dem jedes E inzelne und B esondere m it bestim m tem anderen zeitlich verkettet ist; und im Sym bol-Z usam m enhang, nach dem jedes E inzeln e und B esond ere ein B ild und G leichnis für anderes ist. Im ersten Sinn befördern die S toiker die w issenschaftliche Forschung nach den bestim m ten K ausalzusam m enhängen unter den E inzelheiten; im letzteren - hier dem okritischem M o delldenken folgend fördern sie w issen schaftliche M o dellbildung. Ihr universaler S ym bolism us w ird dab ei auch G rundlage eines uferlosen A berglaub ens, der überall Z eichen und V orzeichen für anderes und K ünftiges zu sehen m eint: A strologie, M antik, V o gelschau, P h ysio gn om ik sind die K ehrseiten eines gesu n d en S treb en s, d as n ach m als zur A u sb ild u n g geistesw issenschaftlicher S ym bolforschung und naturw issenschaftlicher P rogno stik geführt hat - und im m er w ied er in die N ähe stoischer Ü bertreibungen gerät. Im M ittelpunkt stoischer E rklärungsinteressen steht der M ensch. E r ist auch der M ittelpunkt der W elt. A ls G eist-K orperw esen ist er die vollendete M ischun g aller Atom e, insofern ein kleiner Kosm os, das Sym bol des groß en K osm os (M ikro-M akrokosm o sV erhältnis). E ntsprechend läßt sich die ganze W elt nach A nalo gie des M en sch en selbst, und um gekehrt der M en sch n ach A nalo gie des W eltalls verstehen. H ier w ird das aristotelische M enschenbild noch verallgem einert. D e r M ensch um faßt in seiner körperlichen S truktur tote M aterie, pflanzliches und tierisches D asein, in seiner S eele das göttliche P neum a, das ihm von jenseits d e r Sterne zugekom m en und nach sein em k örp erlich en T o d d o rth in zurü ck zu k eh ren b estreb t ist. E r ist auch "der G ötter liebstes K ind". D ie G ötter haben alles in der N atur zu seinem B esten eingerichtet. T eleologische N aturerklärun g im stoisch en S inne besteht im N achw eis, w elchen N utzen irgendetw as dem M enschen bringt: von den Flöhen, die ihn zur A rbeit aus dem B ette treiben, bis in die E inzelheiten der N atur, die ihm N ahrun g und Schutz gew ähren, und sie um geben ihn auch ständig m it ihrer Fürsorge. D ieser M ensch ist auch nur seiner körperlichen K om plexion nach ein E inzelnes und B esond eres, seinem geistigen un d vern ü nftigen T eil n ach ab er ein A llgem eines, ja selb er etw as G öttliches. E rkundet er die Inhalte seines B ew uß tseins, so findet er darin nur w ieder, w as ihm von auß en durch die S inne als B ild seiner U m gebun g zu gek om m en ist (sensualistische tabula-rasa-T heorie w ie bei A ristoteles) oder als A nteil der allgem einen V ernunft "zugew achsen" (em phytos logos) ist. A lles dies verbindet ihn m it den anderen M enschen und so gar L ebew esen. E thisches L eben sziel ist es gerade, dieses A llgem eine im beson deren zu pflegen und zur G eltung zu bringen. D aher ist der M ensch kein Individuum . E r w äre dies nur - w ie ja kritisch gegen den E pikureism us eingew andt w ird - als Privatm ann oder als Idiot (idiotes), der des A llgem einen "beraubt" ist und. som it "anorm al", ja w idernatürlich erscheint, und der sich som it selber aus der solidarischen M enschen gem ein schaft ausschließt oder ausgeschlossen zu w erden verdient. D er M ensch ist w esentlich "Person" (lat. personare, durch die T heater- m aske „hindurchtönen“, w as auf das M odell der T heaterrolle verw eist), ein durchw eg gesellsch aftliches und allgem eines V ernunft-W esen, das d urch seine Fun ktion und R olle in der Ö ffentlichkeit charakterisiert ist. D ie D efinition der P ersönlichkeit ist aber w esentlich eine rechtliche. S ie ist durch stoische R echtsphilosophie G em ein besitz des abendlän disch-rö m ischen R echtssystem gew orden und bestim m t bis heute die "zivilisierten" B egriffe vom W esen des M enschen. Persönlichkeit als R echtspersönlichkeit ist genau das, w as allen M enschen als R echtsgen o ssen zu k o m m t u n d g em ein sam ist u n d gerad e alles In dividuelle ausschließt. S pezifiziert w ird sie durch die R echtsin stitutionen (die selber solche "P ersönlichkeit“ zu gesprochen erhalten und nach m als zu "juristischen P ersonen" w erden), und insbesondere durch die öffentlichen B erufe. E s ist ein stoischer G edanke, daß der B eruf oder das H and w erk "den M ann m acht", näm lich als die A rt und W eise, w ie seine w esentliche P ersön lichkeit in den öffentlichen B e zü gen zu m A u sd ru ck, zu r D arstellu n g u n d zur E ntfaltun g kom m t. H ier kehrt sich Inneres (V eranlagu n g, K raft und körperliches G eschick) ins Ä uß ere, und das Ä uß ere und Ö ffentliche prägt und seligiert, w as ihm vo n innen entgegenkom m t. D er determ inistische U niversalzusam m ensan g setzt sich auch im G ebiet der m enschlichen D inge fort. H ier ist Freiheit grundsätzlich eine w enn auch w ohlbegründete Illusion: die Illusion des U nw issenden, vo n den U rsachen un d B egründ etheiten des eigen en D aseins ab gelö st zu sein. D enn entw eder tut einer aus E insicht das N otw endige, oder er w ird in seiner U nein sichtigk eit zum S pielball der N otw endigkeiten: „volentem fata ducunt, nolentem trahunt“ - lautet bei S eneca ein stoisch er K ernspruch. U nd so definieren sie d i e eigentliche und w ahre Freiheit als „E in sic h t in d ie N o tw e n d ig k eit“ u n d d a s S ich -S ch ick en in das U nabänderliche. In der N atur zeigt sich die N otw endigkeit als N aturgesetz. E ntsprechend verlän gert es sich auch in die K ultur und die m en schlichen D in ge als N aturrecht. D ie L ex N aturae ist das, "w as die N atur alle L eb ew esen gelehrt hat" (D igesten des Justinian). U nd ist auch seine E rkenntnis beschw erlich - ebenso w ie die E rkenntnis des N aturgesetzes selber - so kann und m uß es doch d e r K ern und die axiom atisch e G ru n dla ge aller „ p o sitive n G esetz geb u n g“ sein. E s ist zu gleich V ernunftrecht, ja die V erkörperun g des V ernunftigen schlechthin im Feld e der Institutionen und H andlungsanw eisungen. U nd w er späterhin irgend G rund fand, positive G esetzgebung von M achthabern oder Parlam enten als „U nrecht“ oder „ungerecht“ zu kritisieren, der hat sich noch stets auf das überpositive „ungeschriebene N aturrecht“ berufen und dieses als M aß stab w ahrer G erechtigkeit vorausgesetzt. R echt und E thik fallen in der S toa zusam m en: D as N atu rrecht ist zugleich auch der K anon der ethischen M axim en. S ie lassen sich auf die oberste M axim e zurückführen: „L ebe nach der N atur“ (te physei zen), d. h. nach den N aturgesetzen bzw . dem N atu rrecht. U nd das heiß t in erster L inie: im eigenen L eben und überall die V ernunft als das A llgem ein e zur G eltung bringen, insbesondere gegenüb er allem A norm alen, U n - und W idervernünftigen. D as R echt zu adm inistrieren aber heißt bei den S toikern und noch in heutiger R echtspraxis der G erichte „Ius suu m cuique tribuere“ (Jedem das ihm zuko m m end e R echt zuteil w erden lassen). U nd fordert m an noch jetzt im S trafrecht vo m A n geklagten „G eständ nisse“, d. h. E insicht in das U nrechte seiner H andlun g, so läß t sich das nur m it der lan gen stoischen T radition begründen, auch vom schlichtesten R echtsgenossen – und auch bei „U nkenntnis des G esetzes“- zu verlan gen, daß er über die „an geb orene K en ntnis“ (lo gos sperm atiko s) von dem , w as R echt und w as U nrecht ist, verfü gt. G ew iß ist die abendländisch-stoische R echtskultur eine der erfolgreichsten Institutionen der ganzen M enschheit gew orden. D as erkennt m an schon daran, daß in aller W elt die „V errechtlichun g aller L ebensverhältnisse“ fortschreitet. A ber gegen dieses Ü berm aß ist an eine eben so stoische K autele zur B egrenzu n g des R echtlichen zu erinnern. Z w isch en dem , w as rechtens oder U nrecht ist, haben sie auch den B ereich des „keines vo n beidem “ (adiaphoron), also des rechtlich Irrelevanten gesehen und ab gegrenzt. Ist das als R echt „A ufzusu chen de und zu B efolgende“ und das als U nrecht „zu Fliehen de und A bzuw ehrende“ von hö chster B edeutun g für den Staat, die G esellsch aft und das „bonu m com m un e“, so bleibt noch im m er genu g „G leich gültiges“, das so oder anders gehand habt w erden kann, übrig. M an kann nur hoffen und w ün schen, daß auch diese E insicht der stoischen E thik und R echtsphilosophie im m odernen R echtsw esen w ieder zur G eltun g gebracht w ird. A ls G egenteil des V ernünftigen gelten – eben so w ie bei P laton und A ristoteles - vor allem die L eid en sch aften u n d T rieb e, d ie gern e ü b er d as vern ü n ftige M aß hinaustendieren und dann als "K rankheiten der S eele" angesehen w erden m üssen. Ihr natürliches M aß ist aber – w ie ebenfalls m it P laton und A ristoteles angeno m m en w ird - ihre U nterw erfun g unter die V ernunftleitun g. D er S toa verdankt m an das Ideal des "stoischen W eisen", des sprichw örtlichen Philosophen, der in stoischer G em ütsruhe (ataraxia) die V ernunft in sich zur vollko m m enen H errschaft gebracht hat, und der in Fürsorge gegen die übrigen Lebew esen um ihn her und in P flichterfüllung gegenüb er den öffentlichen A n gelegenheiten ständig diese V ernunft zur allgem einen G eltung bringt. Z ur W ürdigun g der Stoa ist zunächst auf ihre ungeh eure N ach w irkun g im aben dländischen und von daher im W eltrechtsden ken hinzuw eisen. D ie Idee einer allgem einen S olidarität unter allen M enschen, die Idee des „W eltbürgertum s“ und „allgem einer M enschenrechte“ und die Idee der "w esentlichen" G leichheit der M enschen als R echts-P ersonen hat sich gegen über allen im m er w ieder dagegen ausgespielten K ultur- R assenund E litepartikularism en siegreich behaup tet und ist heute selber G em eingut der M enschheit gew orden, die gerade dadurch, daß sie diesen Ideen als Idealen huldigt, die allzu oft gegenläufige W irklichkeit und Praxis ins U nrech t setzt und die G ew issen dafür schärft. W eniger durch gedrungen ist die stoische Idee von einer vergleichbaren Solidarität aller Lebew esen, die allenfalls im N atur- und T iersch utz w eniger S taaten und in einigen internationalen V ereinbarun gen N iederschlag gefunden hat, im übrigen aber ersichtlich A uftrieb erhält. Ü b er das m oderne R echtsdenk en hinaus ist vieles S toische in A lltagsüberzeu gun gen eingegan gen. P raktische E thik der Pflichterfüllung und d er V erantw ortlichkeit, der Z urückstellung des Individuellen und E igenen gegenüber dem Ö ffentlichen und A llgem einen, R ingen um das "V ernünftige" (w as im m er es auch sei) und den K onsens der V ernünftigen gegenü ber den partikulären Interessen, das A ufgehen im B eruf und der V erzicht aufs P rivatleb en sin d ja in k lein en u n d groß en K reisen nicht nur Ideal, sondern vielfältig gelebte W irklichkeit. E benso ist vieles Stoische fester B esitz der w issenschaftlichen W eltbilder gew orden. O hne einen unerschütterlich en G lau b en an ein en h in tergrü n digen u n d verb o rgen e n u n iversalen K au salzu sam m e n h an g w äre n aturw issen sch a ftlich e K au salforschu n g k au m so allgem ein u nd erfolgreich entw ick elt w orden. S puren des stoischen „ M aterialism us“ (m it seiner w enn auch w id erspruchsvoll erscheinend en K onzep tion einer "geistigen" M aterie) sind in allen A u sprägu n gen des m odernen M aterialism us, d e r seinerseits ja eine G rundlagentheorie der N aturw issen schaften gew orden ist, noch vorhanden: vo n L eib nizens M on aden begriff über D iderots und d'A lem berts M ateriebegriff bis in die "dialektische" K onzeption vo m B ew uß tsein als "E ntw ick lungsstu fe" der M aterie. U nd neben eigentlicher W issenschaft schießen auch noch im m er stoisch e Ü bertreibun gen und Irrtüm er im pop ulären G lauben an A stro lo gie, allgem eine m antische S ym bolik und m an cherlei G eheim lehren ins K raut. P si-F aktoren, reichenbachsche "O ds" (eine A rt geistiger E nergiefaktor), T elekinese, H ellsehen u. ä beruhen w eniger auf neuplatonischen G eistesh ypo stasen als vielm ehr auf stoischen K onjekturen über die W irkung der geistigen M aterie auf die gröbere körperliche. In m etap h ysisch er H in sich t w ird m an d en S toizism u s als einen M aterialistischen M onism us ansprechen können. G egenüber dem m aterialistischen M onism us der E pikureer hat er den großen V orzug, das G eistige – w enn auch, w ie gesagt, in dialektischer W eise - in die M aterie ein zu sch ließ en, an statt es zu leu gn en o d er au s k örp erlicher M aterie abzuleiten. Indem er die geistige M aterie als Pneum a alle anderen M aterien regieren und erkennen läßt, setzt er für diese G eistes-A rché eine Priorität, die ihn ganz in die N ahe des N euplatonism us bringt. A ber er unterscheidet sich vom N euplatonism us dadurch, daß er das G eistige im m er noch aus der K ontinuität körperlicher E igenschaften erklärt. E s ist das feinste, kleinste, feurigste A tom , w äh rend der N euplatonism u s das G eistige schlechthin als das U naussprechlich-M ystische ansetzt und die körperliche M aterie (als eigentlich N ichtiges) vo n ihm her ableitet. E rsichtlich liegt aber das w ahre P rinzip genau zw isch en beiden und kann nur in einer S ynthesis beider M etaph ysiken form uliert w erden. E s m uß stoisch die K on tinuität von G eist und M aterie retten und neuplatonisch erklären, w as erklärbar ist und dunkel lassen, w as nicht erklärbar ist. § 14 D ie S kep sis S ie ist ein e S chu lrichtu n g, die sich auf die L ehren des P yrrhon von E lis (ca. 360 - 270 v. C hr.) beruft. U n ter A rkesila o s (ca. 3 1 5 – 2 4 0) u n d K a rn ea d es (ca. 214 - 129), ihren R ektoren, hat sie in der m ittleren und neuen platonisch en A kad em ie eine H eim stätte gehabt. Im 1. vorchristlichen Jahrhundert w urde sie von Ainesidem os (Ä nesidem ) von K nossos vertreten. In den S ch riften des A rztes Sextos E m p eirikos (Sextus E m piricus, 2. Jh. n. C hr.) 1 7 "Pyrrhonische H ypotyposen “ bzw . “P yrrhonische G rundzüge”, „G egen die D ogm atiker" und „G egen die M athem atiker" hat sie ihren vollendeten A usdruck gefunden. H aben w ir im E pikureism us so etw as w ie die P hilosop h ie der Ä rzte, im Stoizism us diejenige der Juristen, so kann m an die Skepsis als die H ausphilosophie der W issenschaft17 Sextus Empiricus, Opera, 4 Bände, hrgg. von H. Mutschmann, J. Mau und K. JDQDþHN/HLS]LJ– 1962; Griech.-engl. Ausgabe 4 Bände, hrgg. von R. G. Bury, London-Cambridge, Mass. 1933 – 1949, ND 1960 – 1961. ler und Forscher anseh en. H ier steht im M ittelpunkt der L ehre die M axim e, sein U rteil zurückzuhalten (epoché), alles genau zu prüfen und zu k ritisieren u n d w eiterzu forsch e n (sk ep sis = A u sch au halten). D ie S kepsis richtet sich in erster L inie gegen alle V o rschläge der übrigen S ch ulen hinsichtlich deren A rchai, und so w irkt sie noch jetzt in einer antim etaphysisch en E instellung, die unter E inzelw issenschaftlern w eit verbreitet ist, nach. A ls w issenschaftlich-offene, im m er revisionsbereite, antidogm atische und kritische H altung hat sie auch ihre ethische S eite: näm lich die V orurteilslosigkeit, die folgerichtig bei vielen W issen schaftlern zur T ugend ausgebildet ist; U m ab er au ch n u r fo rsch en zu k ö n n en , m u ß m an d o c h von irgend etw as ausgehen. D ie S keptiker kom m en dah er auch nicht um hin, die D ogm en und M axim en, die sie selber bei anderen kritisieren, w en ig sten s versu ch sw eise an zu n eh m en . A lle S ch u lm ein u n ge n stim m en sie in dieser W eise zu H yp othesen, A nnah m en und G esichtspunkten herab, die für das alltägliche L eben jedenfalls L eitfäden zur O rientierung bieten. U nd da sie zu jeder vorgebrachten H ypothese auch eine gegenteilige H ypothese aufzufinden verstehen, so daß sich alle gegenseitig negieren bzw . im W iderspruch zu einander stehen, w ird alles w issenschaftliche W issen der Schulen zu einem W ahrscheinlichkeitsw issen, das w eder auf W ahrheit noch auf Falschheit festgelegt w erden kann. A rkesilaos und K arneades nennen es W ahrscheinlichkeitsw issen (pithanotes), darin Platons T hese folgend, daß m an über E rscheinungen (scl. über das, w as in ihnen erscheint) nur „M einung und G lauben“ (doxa, pistis), nicht aber w ahres W issen haben könne. D ie S kepsis betont das "A usschau halten" bzw . das „H insehen“. U nd die B ezeichnung „Skeptizism us“, die dieser Schule gem äß m etaphysisch-disziplinärer T erm inologie gegeben w ird, soll dies zum A usdruck bringen. G ew iß bräuchte m an die S kepsis in einer G eschichte der M etaph ysik nicht zu erw ähnen, w enn sich bei ihr nicht solche m etaphysischen V oraussetzungen aufzeigen ließen. E s sind jedoch die A rchai der platonischen A kadem ie, zu der die S keptiker gehören. Ihr A usgangspunkt ist dabei die platonische L ehre von den P hänom enen, die auch von Platon zum A usgangspunkt aller w eiteren E rkenntnis der „Ideenschau“ und der A nam nesis gem acht w orden w aren. B ezüglich der Sinnesw ahrnehm ung der P hänom ene äußert sich S extus E m piricus ganz unm iß verständlich – und gegen alle von ihm kritisierten „dogm atischen Schulen“ so: „ W er ab er sag t, d aß d ie S k ep tik er d as E rsch e in en d e au fh eb en , sch ein t m ir u n ach tsa m au f d as zu sein , w as b e i u n s g esa g t w ird . D en n d a s in F o lg e e in es E rsch ein u n g sb ild e s E rleid b are, w a s u n s w illen lo s zu r B eistim m u n g fü h rt, leu g n en w ir n ich t ..., d ies ab er ist d as E rsch ein en d e. W en n w ir ab er b ez w eife ln , o b d as U n terlie g en d e so ist, w ie es u n s ersch e in t, so g eb en w ir ein erseits zu , d aß es ersch e in t, b ez w eifeln ab er n ich t d as E rsch ein en d e, v ielm eh r d as, w as ü b er d as E rsch ein en d e au sg e sa g t w ird ; d ies ist ab er etw a s an d ere s als d as E rsch ein en d e selb st b e z w eife ln “ 1 8 E s scheint, daß diese Stelle von allen späteren S keptikern und auch von den Interpreten des S keptizism us übersehen oder zum indest nicht ernst genom m en w orden ist. Sie bedeu18 Die pyrrhoneischen Grundzüge, dt. Ausgabe von Eugen Pappenheim, Leipzig 187I, 1. Kap. 10., S. 28. tet geradezu die archeologische E inführung dessen, w as m an später „P hänom enalism us“ genannt hat. D aß die E rscheinungen bzw . Phänom ene das einzig „U rsprüngliche“ und dam it U nbezw eifelbare und G ew isse sein sollen, fordert nach den üblichen E rkenntnism ethoden der antiken und auch aller neueren S chulen, daß dies als „W ahrheit“ ausgesprochen und behauptet w erden m üsse. A ber gerade gegen diese Forderung richtet sich die skeptische K ritik. D enn etw as als w ahr zu behaupten setzt voraus, daß die E rscheinungen m it irgend etw as, w as nicht erscheint, in V erbindung gebracht w erden m üssen. D ies geschieht aber in den Form en der logischen B egriffs-, U rteils- und S chluß bildung, gegen die sich die skeptische K ritik ebenso richtet w ie gegen jede dadurch behauptete inhaltliche D eutung, w as die P hänom ene noch w eiter „sein“ sollen. D as einzige, w as von den E rscheinungen ausgem acht w erden kann, ist, daß sie sinnlich w ahrgenom m en w erden (skeptesthai), und daß sie sich auch als erinnerte „Ideen“ (anam nesis) zeigen. D abei ist w ichtig festzuhalten, daß auch die E rinnerungen „geschaut“ w erden, also für die S keptiker in den B ereich des U nbezw eifelbaren fallen m üssen. A ber es ist nicht m ehr die platonische „Ideenschau m it dem geistigen A uge“, sonderen eine ebenso „sinnliche A nschaung bzw . W ahrnehm ung“ w ie die direkte W ahrnehm ung selber. E rinnerungen und gelegentlich auch die A ufm erksam keit bei einer sinnlichen W ahrnehm ung w erden in der R egel durch sprachliche W örter evoziert und gelenkt. D iese dienen als Z eichen oder S ym bole und erhalten in ihrer V erw eisungsfunktion eine heute sogenannte R eferenz oder S em antik. W as die S kepsis über die Z eichen feststellt, ist die bis heute kaum beachtete E insicht, daß sie sow ohl als sogenannte natürliche Z eichen w ie auch als künstlich festgesetzte L aute oder B ilder selbst sinnlich w ahrgenom m ene P hänom ene sind und als solche erst einm al ganz unverbunden m it irgend etw as anderem in der W ahrnehm ung oder in der E rinnerung gegeben sind. Sie sem antisch auf irgend etw as zu beziehen, sei es als W irkungen natürlicher U rsachen oder sei es als w illkürlich gesetztes K ennzeichen für irgend etw as, ist schon ein – gew öhnlich m ühsam zu erlernendes – W issen. U nd dieses W issen ist daher genau so täuschungsanfällig bzw . w ahrheits- und falschheitsträchtig w ie alles W issen überhaupt. D er echte S keptiker w ird also auch alle zeichenm äßigen Z uordnungen von „B edeutungen“ und V erw eisungen, seien sie im S prachgebrauch oder in Form alisierungen geregelt oder nicht, kritisch unter die L upe nehm en. D as E rgebnis der um fangreichen E rörterung des S extus E m piricus ist, daß es unm öglich ist, aus einem Z eichen, das selbst nur eine E rscheinung ist, einen „verw eisenden“ bzw . sem antischen B estandteil herauszuklauben. 1 9 U nd dies m uß auch schon für die inhaltliche oder form ale B ezeichnung von B egriffen gelten. E rst durch B egriffe, U rteile und S chlüsse w erden V erknüpfungen zw ischen den P hänom enen und V orstellungen hergestellt. A ristoteles und die Stoa haben dieses „auf B egriffe bringen“ der E rfahrung als „B egriffslehre“ von der U rteilslehre und Schlußlehre 19 Darüber handelt Sextus Empiricus im 11. Kapitel des 2. Buches „Ob es irgend ein anzeigendes Zeichen gibt“ (S. 116).und im Kap. 18 „Von der Zerlegung eines Wortes in die bezeichneten Dinge“: „Wie möchte es möglich sein, daß es eine Wissenschaft gebe, welche das Wort in das Bezeichnete zu zerlegen fähig ist? Oder wie könnte die Dialektik (gemeint ist die „Semantik“) eine Wissenschaft des Bezeichnenden und Bezeichneten sein, wie manche glauben?“ (S. 146). unterschieden. U nd beide L o gikkonzepte sind davon ausgegangen, daß die B egriffe als solche nicht w ahr oder falsch sein können, sondern daß W ahrheit und Falschheit erst durch die U rteilsbildung über und m it B egriffen zustande kom m t. A ber die skeptische K ritik richtet sich hier w esentlich schon gegen die Induktion (epagoge) der allgem einen B egriffe des A ristoteles. M an m uß beachten, daß hierbei die aristotelische (ebenso auch die platonische) U nterscheidung des A llgem einen vom B esonderen und Individuellen vorausgesetzt w ird. U nd es scheint, daß die A rgum entation gegen die Sicherheit der Induktion von den L ogikern später ganz allgem ein als stichhaltig angenom m en w orden ist: „S ehr abzulehn en aber, m ein e ich, ist auch die W eise in B etreff der Induktion. D a sie näm lich durch sie von den E inzeldingen aus das A llgem eine beglaubigen w ollen, so w erden sie dies tun, indem sie entw ed er doch an die E inzeldinge herangehen, oder an einige. A ber w enn an einige, so w ird die Induktion unsicher sein, da m öglich ist, daß dem A llgem einen einige von den in der Induktion ausgelassenen E inzeldinge entgegentreten; w enn aber an alle, so w erden sie m it U nm öglichem sich abm ühen, da die E inzeldinge unbegrenzt sind und um unschließbar. S o daß auf diese W eise von beiden S eiten, m eine ich, sich ergibt, daß die Induktion schw ankend w ird.“ 2 0 W as die S keptiker dam it in Frage stellen, ist daher nicht w eniger als die platonische, aristotelische (und auch die stoische) L ehre vom A llgem einen als etw as S elbständigem und vom E inzelnen U nterschiedenen. D as „A llgem eine“ gerät in diesen L ehren selbst schon in eine V erknüpfung m it anderen B egriffen, die das B esondere oder E inzelne bezeichnen.. D ie G attung enthält (extensional) A rten, U nterarten und E inzelnes, und sie behält (intensional) als generische M erkm ale das, w as im E inzelnen als D asselbe bestim m t w erden kann. In allgem einen B egriffen zu denken und sich etw as vorzustellen m uß daher schon V erknüpfungen zw ischen P hänom enen herstellen und hat sie im m er schon hergestellt. D as aber geht über das hinaus, w as die P hänom ene als solche hergeben. U nd daher verfällt auch die allgem eine B egriffsbildung dem skeptischen V erdikt der U nzulässigkeit. D as zeigt sich nach skeptischer M einung schon in der D efinition der A llgem einbegriffe. U m sie zu verstehen, m uß m an schon die einzelnen P hänom ene kennen, an w elche durch die M erkm ale der B egriffe erinnert w ird. U nd kennt m an diese M erkm ale, so w erden die D efinitionen geradezu überflüssig und ihre E rw ähnung in den D efinitionen der allgem einen B egriffe geradezu lächerlich. 2 1 B em erken w ir dazu: M an m uß bis auf G eorge B erkeley im 18. Jahrhundert w arten, bis dieser in seiner „R epräsentationstheorie“ der B egriffsbildung nachw ies, daß die soge20 Pyrrhonische Grundzüge, 2. Buch, Kap. 15, S. 142. Vgl. Pyrrhonische Grundzüge, 2. Buch, Kap. 16 „Von den Definitionen“, S. 144: „Um auch etwas zu scherzen: Wenn jemand, der von jemandem erfahren will, ob ihm ein Mensch begegnet sei, der auf einem Pferde ritt und einen Hund sich nachschleppte, die Frage so stellte: ‚O du vernünftiges, sterbliches Tier, für Denken und Wissenschaft empfänglich, war dir ein lachfähiges, mehrfingriges, für Staatskunde empfängliches Tier begegnet, welches auf ein sterbliches, des Wieherns fähiges Tier die Hinterbacken aufgesetzt hatte, indem es sich nachschleppte ein vierfüßiges, des Bellens fähiges Tier?’ Wie wäre er nicht zu verlachen, wenn er den Menschen in Sprachlosigkeit über eine so bekannte Sache versetzte in Folge der Definitionen?“ - Wie sich die Phänomene in den logischen Begriffen, seien sie allgemein oder speziell, als deren Merkmale ausweisen, davon handelt Sextus sehr detailliert im 2. Buch, Kap 20 (S. 147) „Von Gattungen und Arten“, und im 3. Buch Kap. 19 (S. 191 f.) „Von dem Ganzen und dem Teil“. 21 nannten „abstrakten A llgem einbegriffe“ ausschließlich anhand der phänom enalen sinnlichen W ahrnehm ungen verstanden w erden können. U nd m an darf sich auch w undern, daß dies keinerlei E indruck bei den (analytischen) L o gikern hinterlies, die noch im m er jeden schlichten W ahrnehm ungsbefund erst einm al in eine form ale D efinition einkleiden, über deren N achvollzug das gem einte Phänom en fast vergessen w ird. D ie von S extus E m piricus (w ie auch von anderen S keptikern) aufgeführten „skeptischen T ropen“ w erden gerne als A rgu m ente gegen die w ahrheitsverbürgend e L eistun gsfähigkeit der S innesw ahrneh m un g interpretiert, da in ihnen die A bhängigkeit von vielen "subjektiven" B edingu n gen etw a der Sinnesschärfe, O rgan ausstattun g der L eb ew esen, G estim m th eit, G esund heit oder K rankheit, auch der N ähe oder Ferne des Beobachtungsstandorts oder der H äufigkeit der sinnlichen B eobachtun g, herausgestellt w ird. A ber das ist w ohl eine falsche E insch ätzun g. D enn jede dieser „B egründun gen “ und das A bh än gigm ach en der W ahrneh m un g von bestim m ten B edin gun gen kön nen nur als B ehauptun gen ausgesprochen w erden, und diese „heben sich gegen seitig auf“, w ie schon gesagt w urde. V or allem stellen sie niem als in Frage, daß dabei überhaupt E rscheinun gen in der W ahrneh m un g oder E rinnerun g gegeb en sind. Sie richten sich daher keinesw egs gegen die Sinnesleistungen überhaupt, sondern sie dienen säm tlich als W arnung davor, m ehr in den Phänom enen zu sehen als sie sind. S chon die U nterscheidung zw ischen Sinnestäuschung und N icht-T äuschung erscheint als un begründ etes V otum für den einen gegen den anderen W ahrneh m un gs-S in n (die T astw ahrnehm un g erw eist d en S tab im W asser als gerad e, die S eh w ahrneh m u n g als gebrochen!). D ie S kepsis richtet sich jedoch in erster L inie auf die w issenschaftlichen B ew eism ethoden, insbesondere d i e U rteile und die S chlußfolgerungen als M ittel der an geblichen E rkenntnisgew innu n g. In U rteilen ist nicht m ehr enthalten, als w as scho n durch die in ihnen verknüpften B egriffe hineingelegt w orden ist. U nd so kann auch durch U rteilsverknüpfun gen in S chlüssen nicht m ehr herausgeholt w erden als eben dies. A lle S chlüsse (und sie sind eben B ew eisform en) erscheinen daher als zirkulär: sie setzen voraus, w as sie bew eisen w ollen, und bew eisen, w as schon vorausgesetzt w urde. Z entral ist der skeptische A ngriff auf die U rsachen-E rklärung. O ffensichtlich richtet er sich gegen den stoischen U niversaldeterm inism us, w ährend er sich platonischer und aristotelischer A rgu m ente bedient. U rsache und W irku ng gilt als V erhältnis zeitlich unterschieden er D in ge oder Z u stän de derart, daß etw as U rsache dann und nur solange ist, als eine W irkung noch nicht existiert. U nd um gekehrt: daß eine W irkun g erst dann erscheint, w enn die U rsach e nicht m ehr existiert, denn sonst w ären U rsache und W irkung gleichzeitig, und m an könnte sie nicht als U rsache und W irkun g unterscheiden. D ies heiß t aber gen au: W en n etw as als U rsache existiert, ist es U rsach e vo n N ichts; und w enn etw as als W irkun g existiert, ist es durch N ichts bew irkt A lso gibt es keinerlei E inw irkung vo n D ingen und Z uständ en aufeinander, erst recht keine universale U rsachen-V erkettung. 2 2 U rsache oder W irkung bezüglich eines D inges oder Zustandes ausgesagt, erscheinen daher als ein "H inzu gedachtes" (epinoeitai m onon), das jew eils gleichzeitig m it der jew eiligen S ache ist. - M an beachte, daß das genau der platonischen E rklärung der sinnlichen D inge aus "gedachten" Ideen-U rsachen (die ja w esentlich G edächtnisinhalte 22 Über die Schulmeinungen zum Ursache-Wirkungsverhältnis vgl. Buch 3, Kap.: „Vom Ursächlichen (S. 166f.). Die skeptische Kritik daran in Kap. 3 „Ob es ein Ursächliches von Etwas gibt“ (S. 168 – 171). sindl) entspricht. U nd es dürfte auch der aristotelisch en E rklärung aus den vier U rsachen entsprechen, die jew eils aus E rinnerung und Prohairesis zum E inzelnen hinzugedacht w erden. M an w ird hier anerkennen, daß die Skepsis klarsichtig auf etw as aufm erksam gem acht hat, w as kausale Fo rsch un g stoischer M anier übersehen hat: daß näm lich bei K ausalerklärungen und Prognosen V ergangenes w ie auch Z ukünftiges als erinnertes P hänom en und dam it als ideelle G egenw art behandelt und auf E inzelnes G e g e n w ä rtig e s b e z o g e n w ird . N icht zuletzt schaut die S kepsis genau auf die G otteslehren der S chulen, also auf das, w as m an schon B eiträge zur griechischen „T heologie“ nennen könnte. D avon han delt das 1. K apitel des 3. B uch es „V on G ott“ (S . 163 – 166). D ie G rundeinstellun g gegen üb er diesen T heolo go um ena für die L ebenspraxis lautet auch hier: „daß w ir zw ar, dem L eben ansichtslos (d. h. ohne uns festzulegen!) folgen d, sprechen, es geb e G ötter, und daß w ir G ötter ehren, und daß w ir sp rechen, sie üben V orsehun g“ (S. 163). A ber so gleich folgt eine schön e A ufstellun g der dogm atisch en L ehren über G ott, die sich säm tlich w idersprechen. D a sie m an che B estim m u n g auch des christlichen N euplatonism u s aufführt, seien sie hier zitiert: „D a nun unter d en L ehrph ilosoph en die ein en sa gen, der G ott sei ein K ö rp er, die and eren (er sei) unkörp erlich, und die ein en, er sei m enschlich gestaltet, die and eren, (er sei es) nicht, und die ein en, er sei an ein em O rte, die and eren, (er sei es) nicht; und von den en, (w elch e sa gen, er sei) an ein em O rte, die ein en, (er sei) inn erhalb d er W elt, die and eren, außerhalb; w ie w erd en w ir ein e V orstellun g von G ott b ek om m en könn en, ohn e w ed er ein e W esenh eit von ihm zu haben, w elch e zu gesta nd en w äre, n och ein e G estalt, noc h ein en O rt, an d em er w äre? “ (S . 164). E rinnern w ir uns auch hier, w orauf es dabei anko m m t. D ie zitierten M einu n gen über „den G ott“ stellen das dogm atische bzw . w issen schaftliche W issen der Z eit dar, und es bietet sich – w ie in den anderen T hem enbereichen – als ein aus W idersprüchen bestehen des W issen dar. D eshalb ist es das, w as vorher „ W ahrsch einlichkeitsw issen“ oder G laub e (pistis und do xa) genannt w urde. Für die L ebenspraxis aber heiß t dies, daß m an m it diesen W idersp rüchen über den G ott leben m uß. D as tut der S keptiker, indem er „glaubt“, daß der G ott sow o hl körperlich als auch unkörperlich, m en schlicher G estalt als auch nicht m en schlicher G estalt, an einem O rt und auch nicht an einem O rt, in der W elt und auch auß erhalb der W elt ist. K urzum , hier findet m an d ie dialektische S truktur aller späteren theolo gischen D o gm en bzw . den „C redibilia“ nicht nur des C hristen tum s, sondern auch anderer T heologien vorgeprägt. W ir w erden das bei den K irchenvätern T ertullian und A u gustin und bei dem S cho lastiker A bälard und nicht zuletzt bei N ikolau s von K u es w iederfinden. D ie L iste der w idersprüchlichen D o gm en über den G ott ist übrigen s dam it nicht ab geschlossen. S extus w id m et noch einige Ü berlegun gen der A nh an gsdialektik, die sich aus der A nnah m e der E xisten z des G ottes ergibt: „W er sagt, G ott sei, der m eint entw ed er, daß er V orsorge übe für die (D in ge) in der W elt oder nicht übe; und w enn er V orsorge übe, so entw eder für alles oder einiges“ (S. 165): D araus aber folgt: „ W enn er für alles V orsorge übte, so gäb e es w ed er etw as S chlec htes (Ü bles) n och S chlech tigk eit in d er W elt; von S chlechtigk eit ab er, sa gen sie, sei alles voll; nic ht für alles also, w ird m a n sagen übe d er G ott V orsorge. W enn er ab er für einiges V orsorge übt: w eshalb übt er zw ar für dies V orsorge, für jen es aber nicht? “ (S. 165). M an erkennt hier leicht das später so viel verhan delte T heodizee-P roblem , dem L eib niz sein berüh m tes B uch w id m ete. W ichtiger aber ersch eint, daß die gan ze T heodizeefrage anschließ end ganz und gar auf eines so verstan denen G ottes W ollen und K önnen ab gestellt w ird, das w iederu m nur dialektisch „geglaubt“ w erden kann. E s dürfte sich um die erste A nd eutun g einer „voluntaristischen“ G ottesvorstellun g handeln, die m an sonst A u gustin zuschreibt. „D enn entw ed er w ill und kann er für alles V orsorge üb en; od er er w ill zw ar, kann ab er nicht; od er er kan n zw ar, w ill ab er nicht; oder er w ill w ed er n och kann er“ (S . 165). Im K onzert m etaphysischer Schulen ist natürlich auch die Skepsis im m er gedrängt w orden, "Farbe zu bekennen", sich als S keptizism u s zu artikulieren, w ie m an das von anderen Ism en auch verlan gt. S ie hat aber geradezu davo n gelebt und lebt - in den E inzelw issen schaften - noch im m er davon, genau dies zu verm eiden. U nd dies sicher m it R echt, w ie w ir schon eingangs zeigten. D enn ihre M etaphysik ist kein S keptizism us (w as im m er das w äre), sondern ein Phänom enalism us. D ie antiken S keptiker w aren P latoniker der sogenannten m ittleren A kadem ie un d N euplatoniker, w as leicht vergessen w ird. U nd sie haben die A ufm erksam keit der antiken W elt vom platonischen Ideenhim m el auf Platons „P hänom ene“ heruntergelenkt. A lle w issenschaftlichen A ntw orten auf die Frage, ob und w as sich „hinter den P hänom enen“ verberge oder in ihnen „erscheine“, seien es die platonischen Ideen, die G eister oder das N ichts, hielten sie für „w ahrscheinlich“ und dam it für G laubenssätze, D ogm en und M einungen. M an darf ihnen dabei unterstellen, daß sie die W ahrscheinlichkeit nicht w ie die m oderne W issenschaft für näher bei der W ahrheit als bei der Falschheit liegend deuteten, sondern gerade als genau in deren M itte. U nd das kann nur heiß en: sow ohl w ahr w ie auch falsch, m ithin für w idersprüchlich, w ie sie bei allen ihren A nalysen der gegensätzlichen S chulm einungen zeigten. D ie neuplatonischen T heologen haben diese B estim m ungen festgehalten und nachm als und bis heute ihren G lauben so definiert. A m entschiedensten T ertullian („credo quia absurdum scl. contradictio“), A ugustinus (m it seinen kontradiktorischen G ottesbestim m ungen), A bälard (m it seinem „S ic et N on“ der D o gm en) und N ikolaus von K ues (m it der „C oincidentia oppositorum “ in der „docta ignorantia“), die bis zu K ants „dialektischer V ernunft“ m it ihren „transzendentalen A ntinom ien“ und insbesondere im „regulativen Ideal“ als G ottesbegriff nachhallten. A ber sie w aren nicht die einzigen, die ihr disziplinäres w issenschaftliches W issen so begründeten. N ächst ihnen w aren es die neuplatonischen M athem atiker, deren L ehren E uklid in seinen „E lem enta“ zusam m enfaßte und dabei die A xiom e der G eom etrie und A rithm etik als w idersprüchliche B egriffe einführte. A ber im U nterschied zu den T heologen legten sie über die axiom atischen G rundbegriffe einen S chleier der „U ndefinierbarkeit“, unter dem die „dialektische“ M athem atik als alternative D enkw eise zur aristotelischen L o gik noch bis heute als evidentes W issen schlechthin ausgegeben w ird. (vgl. dazu m eine „E lem enta logico-m athem atica“ und „G rundriß der pyram idalen L ogik“, bes. das K apitel über E uklid, im Internet). U nd über die enge V erbindung der M athem atik m it der N aturw issenschaft im platonischen und späteren universitären Q uadrivium w urde dies dialektische W issen auch in der P hysik endem isch. H eutzutage w ird diese E rbschaft der S kepsis von führenden V ertretern der W issen schaftstheorie der N aturw issensch aften w ie K arl P opper (T heorie der "verisim ilitude“, asym pto tische Annäherung an die W ahrheit) und W olfgang Stegm üller (Alle N aturgesetze sind statistisch e W ahrscheinlichkeitsgesetze) w eiter vertreten. A ber der W ahrscheinlichkeitsbegriff ist nur eines unter vielen B eispielen, in denen antike P hilosophie term inologisch kontradiktorische W idersprüche zu vielverw endeten B egriffen vereinigt hatte, die m an jetzt als norm al und w iderspruchslos, w enn auch als „irgend w ie besond ers“, aber typisch für die jew eilige D isziplin behandelt. S chon der herakliteische logos als "V ereinigun g der G egen sätze" w urde nachm als als ganz norm aler B egriff und gerad ezu als M atrix aller w iderspruchslosen B egriffe verstanden. Z enonische K ritik hatte die K onstruktion der B ew egun g als w idersprüchliche V ereinigun g des D aseins und N ichtseins von etw as an bestim m tem O rt in bestim m ter Z eit nach gew iesen. P latonische E rklärun g der N aturphäno m ene erw iesen sie als M ittleres zw ischen S ein und N ichts, und daran anknüpfen d lancierte A ristoteles den B egriff der M öglichkeit (dynam is, endechom enon, lat.: potentia), d e r ebenso ersichtlich die M itte zw ischen S ein und N ichts hält (das gilt entsprechend für alle m odernen B egriffe vo n K raft und M acht, die von dah er ab geleitet sind) G enau dies bestätigt aber unsere D iagnose, daß die S kepsis voll in die G rundlagen der forschenden W issen sch aften eingegan gen ist. D iese bekenn en sich zu und praktizieren die aristotelisch e L o gik der V erm eidung des W iderspruchs in U rteilen, S chlüssen und B ew eisen, w ährend sie zugleich die historisch überkom m ene W id ersp rü chlich k eit ih rer G ru n d b egriffe teils verk en n t, teils leugn et, teils als beson dere S tärke kultiviert. § 15 D er Platonism us und N euplatonism us D ie A kadem ie Platons in A then ist V orbild aller B ildungs- und Forschungseinrichtungen gew orden, die m an noch jetzt m it R echt nach Platons L ehrinstitut "akadem ische" nennt. Platons A kadem ie hat in A then selber bis zu ihrer S chließung durch Justinian im Jahre 529 in ununterbrochener B lüte gestanden. Ihre S chüler haben in der ganzen alten W elt Filialen gegründet und den platonischen S chulgeist den m ittelm eerischen K ulturen verm ittelt. D ie bei Juden, S yrern, P ersern, A rabern, erst recht aber R öm ern gelungene A m algam ierung m it den dort einheim ischen religiösen E instellungen und T raditionen hat die um fassen de nahöstliche und m ittelm eerische K ulturideologie erzeugt, die m an N euplatonism us nennt. Sie ist der M utterboden abendländischen D enkens gew orden. N ur eine beschränkt "christliche" Perspektive kann verkennen, daß die drei sogenannten W eltreligio n en d es Ju d en tu m s, d es Islam u n d d es C h ristentu m s im N euplatonisnm s eine gem einsam e theologisch-m etaphysische G rundlage besitzen, die sie gegenüber dem fer- neren "M orgenland" zu einer kulturellen "abendländischen ir Einheit zusam m enschließen. U nd geht m an hinter die philosophische A usarbeitun g altindo germ anisch er M ytholo gem e von den U rgöttern, der W eltschö pfung, der S eelen w and erun g, der eigentlichen N ichtigkeit der N aturphänom ene, der E rkenntnis als E rlösungs- und B efreiungsm ittel gegenüber der V erstrickung in die sinnliche W elt und paradiesischer V ollkom m enheit in einem irgendw ie gearteten Jenseits - w ie sie gerade durch Platon und seine S chule geleistet w orden ist - zurück, so w ird m an auch die oftm als überraschenden P arallelen zur indischen P hilosophie vedisch-upanishadischer T radition nicht übersehen, die auf gem einsam e und noch viel zu sehr im D unkeln liegende W urzeln schließen lassen. 2 3 A us der vedischen Tradition aber ist auch die L ehre B udd has entstand en, die den asiatischen R au m T ibets, C hinas, H interindiens und Japans nach haltig durchdrängt und geprägt hat. Ihre "philosophische A usarbeitung" zeigt ebenfalls dem N euplatonism us, insbesondere den Skeptikern verw andte Z üge, die sie zw ar nicht dem A bendland vindizieren, w ohl aber ihre kulturelle und m etaphysische A ffinität zum abendländisch-neuplatonischen D enken unterstreichen. 2 4 D er Platonism us der alten A kad em ie, auf das selber höchst auslegun gsfähige und bedürftige W erk Platons gebaut, hat schon durch das W irken des größten S chülers Platons, durch A ristoteles, d er bekanntlich zw anzig Jahre lan g in der A kad em ie stu dierte, bedeutende A u s- und U m gestaltun gen erfahren. Im R ück blick (seit der R enaissance begin nend) ist ein w esentlicher m etaph ysisch er G egensatz zw ischen P laton und A ristoteles herausgearbeitet w orden. E s ist der G egen satz zw ischen Idealism us und R ealism us, der sich heute als der G rundgegensatz m etaphysischer S ystem e schlechth in behauptet. D ieser U nterschied w ar bis in die S cholastik hinein w eder faß bar noch verm utet. D as aristotelische W erk galt als A usarbeitun g, V erdeutlichun g, E xaktifizierun g, ja V erw issen schaftlichun g des platonischen. Insbeson dere erschien die form ale aristotelische L o gik als ein e "M etho dik d er Ideen zu sam m enh än ge", N achtrag zur A usarbeitun g eines von P laton abgesteckten F orschun gsgebiets, das für die .Ideen das leisten sollte, w as A rithm etik und G eom etrie schon dam als für die Z ahlen und geo m etrisch en F igu ren geleistet h atten , die P lato n b ek an n tlich als paradigm atischen T eil und zu gleich als exakte P ropädeutik für die Ideenlehre gepflegt hatte. N euplatonism u s ist in dieser aristotelischen E rgänzun g w esen tlich m eth o d isch e A u sgestaltu n g d er M ath em atik u n d ihre A nw endung auf alle W issensbereiche, die solche A nw endung erlauben: hauptsächlich N aturphilosophie und N aturw issen schaft, aber auch T heolo gie; und daneben m ethodische A usgestaltung der L ogik als einer form alen Sinngebilde-(ldeen-) Lehre und ihre A nw endung auf die ihr affinen G ebiete: S prachen, L iteratur, "G eistesw issenschaften", nicht zuletzt auch T heologie, w ie es ja A ristoteles schon in seiner M etaphysik vorgeführt hatte. D en w eitgespannten Interessenkreis der N euplatoniker, der sie überall zu eklektizistischen und synkretistischen Übernahmen vo n P hilo so p h em en u n d D o g m en an d erer S ch u len veran laßt und den N euplatonism us zur "katholischen" Philosophie der ausgehenden A ntike und 23 Vgl. L. Geldsetzer, Die klassische indische Philosophie. Internetveröffentlichung des Philosophischen Instituts der HHU Düsseldorf, 2000. Auch in: „Klassiker der indischen Philosophie“. CD-Rom, Sonderband Digitale Bibliothek (Directmedia Publishing GmbH), Berlin 2006. 24 Vgl. L. Geldsetzer, Über abendländische Verständnisgrundlagen des buddhistischen Denkens. In: Zhong Guo Quan Shi Xue (Chinesische Hermeneutik), hsg. von Hong Han-ding u. a. Band 3, Jinnan/Shandong 2006, S. 1-27. d e s frühen M ittelalters m acht, sieht m an leicht an den W erken. D as von Sokrates bei Platon übernom m ene M otiv des "W issens des N ichtw issens" (V orläufer aller docta-ignorantiaT heorien) und w esentliche skeptische A rgum entationen in der m ittleren und neueren A kad em ie befördern die forschende T endenz in ihr. Stoische P neum a- bzw . G eisterlehre und stoischer U niversalsym bolism us lassen sich leicht m it platonischer Ideenhyp ostasierung und "m ythologischer" E rklärungsw iese verschm elzen. D ie sinnliche U nerkennbarkeit dem okritisch-epikureischer A tom e und ihr D enken als „Ideen “ (eidola), G estalten, ja „B uchstaben“ läßt auch hier platonische N atu rphilosop hie als die eigentliche A usführun g des atom istischen A nsatzes erscheinen. D er N euplatonism us entw ickelt sich so in einer im m er zunehm enden K om m entarliteratur zu den D ialogen des G ründers, in der die w issenschaftlichen E insichten der Zeiten und S chulen als K lärungen und E ntw icklungen der platonischen G rund gedank en, und diese als die K eim e zu allen späteren E ntfaltungen des W issens darzustellen versucht w ird. E rw ähnen w ir als einen der bedeutend sten V ertreter P lutarch von C haironeia (45 ca. 125 n. C hr.), der selbst an der A kadem ie in A then studiert hat, Priester in D elphi w ar, w ohl der charm anteste Schriftsteller der antiken W elt, der gleichsam im P lauderton den N euplatonism u s in die W eltliteratur einführte. E r ist freilich eher durch seine P arallelbiographien bedeutender G riechen und R öm er im abendländischen D enken verankert geblieben. S chon vor ihm ist P hilon von A lexandria (geb. ca. 25 v. C hr.) aufgetreten. E r hat am Sitz d e s alexandrinischen T ochterinstituts der A kadem ie m it seiner für dam alige V erhältnisse (neben der P ergam enischen) größten B ibliothek der alten W elt die herm eneutischen G rundlagen für alle späteren Interpretationsm eth oden überkom m ener literarischer W erke, darunter vor allem auch der heiligen S chriften der B uchreligionen erarbeitet. Im G egensatz zu den G elehrten an der P ergam enischen B ib lio thek, die ihre T exte grund sätzlich nach dem „B u chstaben sinn“ (sensu s literalis) zu interpretieren pflegten , hat P hilon die L ehre vo m m ehrfachen (insbesond ere vom vierfachen) S chriftsinn eingeführt. S ie ist durch die „christlichen A lexandriner“ C lem en s (ca. 150 – ca. 210) un d O rigines (185 – 254) die S tandardm etho de der „kath olischen“ B ibelauslegun g gew orden. N eben dem w örtlichen „B uchstabensinn“ sollte es nach dieser H erm en eutik vor allem den „sen sus m ysticu s“ als „H intersinn“ (w ie m an heute noch sagt) oder als „geistigen Sinn“ geb en. D ieser w urde noch m als in dreierlei W eisen unterschied en, näm lich als allegorischer, m oralischer und anago gischer S inn. D iese L ehre vo m „vierfachen S chriftsinn“ w urde später in einem hübschen M erk verss tradiert, der lautete: L itera g esta g esta d o cet, q u o d cred as alleg o ria m o ralis q u o d agas, q u o ten d as an ago g ia (D ie re in en F a k ten a ufz u z eig en , d a s ist d e m L itera lsin n eig en , w a s d ir z u gla u b en a ufg etra g en , lä ß t sic h n u r a lle g oris c h sa g en . Z u m H a n d eln d ir d ie Z iele stec k t m ora l'sc h er S in n , d a rin v erstec k t, F ü rs letz te Z iel v on a lle m S treb en ist a n a g o g'sc h er S in n ge g e b en ) E s liegt auf der H and, daß die "allegorische D eutun g" als literarisch e Forschun g nach dem H intersinn scho n der platonischen M ythen und G leichnisse praktiziert w urde. P hilon hat sie auf die alttestam entlich-jüdischen Q uellen angew endet und so auch in ihnen verborgenen S inn entdeckt und ausschöpft – u nd natürlich konnte nur die neuplatonische Philosophie dieser (nicht jederm ann verständliche).H intersinn auch der heiligen S chriften sein. V o n A le xan d ria brin gt A m m onios Sakkas (ca. 175 - 242 n. C hr.) neuplatonischen G eist nach R om , w o ihn der "zw eite P laton", näm lich P lotin (203 - 269), der Schüler des A m m onios, zur H ofphilosophie des K aiserh au ses m ach t. P lotin s S ch ü ler w ar P o rp h yrio s a u s T yro s (geb. ca. 252 n. C hr.), der durch seine E inführung in die aristo telische L o gik so nachhaltig platonisches S einsdenken m it aristotelischer B egriffspyram idalik verschm olz. U nd dessen S ch ü ler Ja m b lich o s (ge st. ca. 3 3 o n. C h r.) b ild ete d an n in S yrien eine R eihe tüchtiger S chüler heran, die am S tudienzentrum vo n P ergam on, nicht zuletzt aber auch am byzantinischen K aiserhof für die V erw urzelung des N euplatonism us sorgten. H ier hat er ja in K aiser Julianus (w egen seines A bfalls vom christlichen G lauben „A postata“ genannt, 332 – 363 n. C hr.), dem N effen K onstantins des G roß en, einen kaiserlichen V ertreter gehabt. In A then an der A kadem ie gehörten P roklos (410 - 85 n. C hr.), selber in K onstantinopel geboren und m it R echt "der große S cholastiker des A ltertum s" (F. U eberw eg) genannt, übrigens in A lexan dria ausgebildet, und sein S chüler Sim plikios aus K ilikien (5./6. Jh. n. C hr.) zu den letzten Schulhäuptern und V orstehern der P latonischen A kadem ie. In ihren W erk en k o m m t d ie vo llk o m m en e S yn th ese d es p lato nischen und aristotelischen P hilosophierens zum A usdruck, und ihre K o m m entare zu beiden K lassikern bilden gew isserm aß en das V erm ächtnis der A ntike an die m ittelalterliche und m oderne W elt. W as ist nun die m etaphysische B otschaft des N euplatonism us? E s ist die A usarbeitung d e r platonischen Ideenlehre zu einem m onistischen Spiritualism us und die Plausibilisierung und B ew ährung dieser spiritualistischen M etaphysik als G rundlage spätantiker und m ittelalterlicher W elterklärung. G rundlage bleibt auch im N euplatonism us w ie bei Platon die p arm enid eische T hese: D as S ein u nd d as D en ken ist dasselbe. S ein, das denkt, ist G eist. S o ist das G eistige zu gleich das W esen der W irklichkeit. A ber dieses G eistige nun ist nicht m ehr das abstrakte ruhende Sein des Parm enides und des A naxagoras, sondern es ist zu einem dynam ischen Prinzip gew orden. D ie V ier-U rsachen-A nalyse des A ristoteles hat es dem S chem atism us der Substanzbestim m ung unterw orfen. D as G eistige ist das A llgem einste und B esondere, jedem , d e r denkt, das A llervertrauteste, innerstes V erm ögen und K raft zugleich, es selbst und alles andere zu sein („D ie Seele ist gew isserm aßen alles “ lautet ein berühm ter Spruch des A ristoteles in seinem B uch „Peri Psyches“), und in dieser Fähigkeit, das W eltall selbst zu um fassen das U nheim lichste und G eheim nisvollste. D enken ist gem äß A ristoteles die "E nergie" (lat.: actus) des G eistes, die die "M ö glichkeiten" (dynam eis, potentiae, V erm ö gen) des V erstan des in "W irklichkeit" überführt. D ie E rfahrung des D enkens lehrt seine U nvollkom m enheit - das N ichtw issen, V ergessen, V erm uten - und seine V erb esserun gsfähigkeit - die B ildung und A usbildung, Lernen, E rkennen, W issen. D ies w ird unm ittelbare E rfahrungsgrundlage für eine hierarchische K ontinuität des G eistes vo m puren schlu m m ernden V erm ö gen, reiner P otentialität bis zum w issenden W issen (noesis noeseos bei A ristoteles), in w elchem alle P otentialität getilgt, die reine E nergie und W irklichkeit des G eistes erreicht ist. U nd w ie nun Potentialität als „M angel (privatio) an S ein“ definiert w ar, so die E nergie als das S ein selber. D ie H ierarchie des S eins ist eine H ierarchie des G eistes, zugleich eine des W issens und E rkennens. D iese H ierarchie w ird in ind uktiven V erallgem einerun gen, m ithin als S tufenfolge der A llgem ein begriffe, erken nend erklom m en. P latonische Id een gem ein sch aft (K oino nia to n ideo n) w ird lo gisch als B egriffsp y ram id e aufgebaut, deren A llgem ein heitsstufen die N ähe zum eigentlichen S ein m arkieren: vom reinen und vollendeten S ein der Spitze verdünnt sich gleichsam das S ein, bis es sich an der B asis ins N ichts verliert. H atte P laton dies K ontinuum vom höchsten S ein zum N ichts m it H ilfe des S onnen gleichnisses verdeutlicht, so übernim m t bei den N euplatonikern das M odell der Q uelle diese V erdeutlichun gsfunktion, jedoch bleibt auch das L icht beliebtes D arstellun gsm ittel, w ie m an an traditioneller m ittelalterlicher "L ichtm etaphysik" erkennt. D ie Q uelle (griech. pege, lat. fons) erscheint als pures S tröm en, Fülle des S eins, volle W irklichkeit, reine "E nergie", absolute K raft, aus der sich die "Strahlen" des Seins über die K askaden der S einsstufen ergieß en bis sie im B oden der puren, nichtigen M aterialität versickern. E rkenntnis und D enk en – und im religiösen K o ntext alle E rlösun g - w ird zu einer A rt L achsspringen zurück und der Q uelle entgegen. Z w ei geistesgeschichtlich außerordentlich w irkungsvolle M otive w erden durch dieses S einsm odell der Q uelle initiiert. E s plausibilisiert die Idee der "creatio continua", der ständigen Schöpfung und Seinserhaltung durch die E nergie der Q uelle selbst. V ersiegt die Q uelle, so sinkt alles ins N ichts zusam m en. S o bed arf auch die ganze W elt der ständigen erhaltenden und schöpferischen K raft der S einsquelle. D a aber E rkenntnis und W issen ein "A ufstieg" zum eigentlichen S ein ist - soviel W issen, soviel S einspartizipation - w ird W issen und W issensch aft ein ontologisches G escheh en von höch ster B ed eu tung. D ie N euplatonik er seh en im E rkenntnisstreben vorbildlich das, w as P laton selbst als den L eben szw eck der M enschen ausgegeben hatte: die "m ö glich ste A n gleichu n g ans G öttliche" (hom oiosis theo kata dynaton, T heaitetos 176b). W issen sch aft w ird n u n m eh r G o ttesd ien st u n d d ie w ich tig ste S ache im ganzen K osm os. D er N euplatonism us lenkt alle religiö se H eilserw artu n g, alles E rlö su n gsstreb en u n d alle F lu ch tbestrebu ng vor dem B ö sen, der S ünd e, dem Ü bel in die K anäle d er W issen schaft, spannt sie in das "K raftfeld" zw ischen göttlichem höch stem S ein u nd w eitester G ottferne im N ichts hinein, in dem nur das W issen und die E rkenntnis den K om paß für die R ichtungsgew innung hin zum G öttlichen und zum Sein darstellt. D arin liegt zu gleich, daß die T heolo gie - die ja von A ristoteles als M etaphysik konzipiert w orden w ar - zentrale W issen sch aft w ird und tendenziell alle anderen W issenschaften als M ittel zu ihren Z w ecken in D ienst nim m t. In der R enaissance und ihrem N eo -N euplatonism u s w ird sich dies B ew uß tsein, daß W issenschaft ein G ottesdienst ist, noch verstärken durch die w issenschaftliche In genieur-P raxis, die die K un st, T ech nik und experim entelle N aturw issenschaft, aber nicht m inder die m ath em atische K on struktion und die literarische S inngebildeproduktion als ein M itw irken des M enschen am göttlichen S chöpfungsw erk, als „V ollendung der geschaffenen N atur“ auffaßt - w ie A ristoteles auch schon die K unst definiert hatte (näm lich als N achahm ung und V ollendung der N atur). D arüber hinaus liegt auch auf der H and, daß der W issen de, der W issenschaftler (und seit der R enaissance entsprechend der K ünstler und In genieur) gerade durch sein W issen am S einsran g teilhat. D iese H och sch ätzun g bis zur V ergöttlichun g geht im N euplato- nism us w eit über das hinaus, w as schon die Stoa dem P hilosophen und W eisen ein geräu m t hatte. D er N euplatonism us bereitet den B oden, auf dem es m ö glich ist, bestim m te M enschen - W issensbrin ger, "E rleuch tete" (durch das L icht des Seins) - als- Inkarnationen des G öttlichen anzusehen. Im N euplatonism u s entsteht die Idee des "K lassikers", dessen E rkenntnisse und E insichten nachzuvollziehen sich im m er lohnt, dessen überliefertes W erk selber „o bjektivierter G eist“ gew orden ist, den auszuschöpfen und in lebendigem D enken zu aktualisieren n u n selb er A u fgab e vo n W issen sch aft u n d F o rsch u n g w ird. S o w ird die neu platonische G estalt der W issenschaft vorw iegend K lassikerK om m entar: A neignung und A ktualisierung des vorbildlichen D enken s und E rken nens und zu gleich A d aptation und W eiterentw icklun g der G ehalte zur B ew ältigun g der je zeitgenössischen Problem stellungen. G ew iß w ar d i e T radition und V erehrung heiliger Schriften in Indien, B abylon, Persien, bei den Juden längst alter Brauch. U nd auch die G riechen brachten den hom erischen Ü berlieferungen ähnliche V erehrung entgegen. A ber diese alten Schläuche w erden nun m it dem neuen W ein neuplatonischen Sinnes gefüllt. E inm al in dem Sinne, daß nicht m ehr die S chläuche selbst, die S chriften und B ücher als sakrale G egen stände interessieren, son dern ihr Inh alt an S in n, als ob jektiver G eist. U n d darüber hinaus in dem S inne, daß ihr S inn als direkter oder versch lü sselter n eu p lato n isch er S in n k o n stru iert w ird. In d iesem S in n e ab er w ird d en N eu p lato nik ern schlech th in alles interessant, w as alt und überliefert ist. D ie Integration der jüdischen T radition ist ihnen m it epochalem E rfolg gelun gen. D araus entstand „christliches“ D enken, das nachm als seine U rsprünge so erfolgreich teils m ystifizierte, teils w issensch aftlich ergründ ete, so daß m an darüber auch am m eisten w eiß. D as V erhältnis zu ägyptischen Ü berlieferungen liegt noch jetzt im D unklen, doch eine große „herm etische“ L iteratur, auf altägyptisch e G eistesheroen zurückgeführt (T oth, „H erm es trism egistos“) und vielfach als Fälschung und interessierte A hnensuche verschrien; zeugt von vergleichbarer B em ühun g. V erm utlich w aren auch die B ezieh un gen zu Indien und seinen "G ym nosophisten" (vedische B rahm anen der strikten O bservanz, die „nackt“ gin gen; sie sind heute noch unter den Jainisten zu finden) intensiv und fruchtbar. Z u offensichtlich sind die P arallelen in der vedischen und neuplatonisch en O ntolo gie u nd E rkenntnistheorie, als daß sie sich nicht gegenseitiger B eeinflussung verdankten. Inhaltlich aber bleibt d e r N euplatonism us dem platonischen Program m treu. N äm lich dem A usbau der Ideenlehre zu einer spirituellen S einspyram ide oder besser S einskaskade und Z uordnung aller W issensgehalte zu ihren G efälle-Stufen. H ier erh alten m it L eich tigk eit alle G eister, D äm o n en u n d G ötter des O lym ps und m ittelm eerischer R eligionen einen O rt. D ie m enschlichen S eelen, schon von Platon selbst für unsterblich geh alten, befinden sich an der G renze des eigentlichen un sichtbaren G eisterreichs zur sinnlich-erfahrenen K örperw elt, und auch die N aturphänom ene w erden ihrer S ubstanzialität nach aus den m athem atischen S inngeb ilden und ihrem prism atisch en W id ersp iegeln d er S trah len d er arch eo lo gischen L ichtquelle konstruiert. B ei aller K ontinuität und einem fortschreitend detaillierteren A u sbau der S einspyram ide in im m er zahlreicheren Stufen, die die m onistisch-spiritualistische T endenz des N euplatonism u s unterstreichen, m achen sich aber im m er auch T enden zen bem erkbar, in diese P yram ide betonte E inschnitte zu legen. D er H au ptschnitt w ird unter B erufun g auf P laton selb st zw isch en dem sinnlich -sichtb aren u nd dem un sinnlich -denk baren B ereich an gelegt. D ieser S chnitt geht auch m itten durch den M en schen. S ein K örper bzw . L eib gehört dem einen, seine S eele dem anderen T eil an, der eine vergän glich, der an d ere u n vergän glich. D ie tiefv erw urzelte Ü b erzeu gu n g vo m D iesseits und Jenseits und vo m M enschen als B ürger zw eier W elten, dam it in eins die G rundprob lem atik des L eibS eele-V erhaltnisse verdank en sich dieser neuplatonischen U nterscheidung. E in zw eiter S chnitt w ird bei einigen V ertretern an der B asis der P yram ide angelegt: beim Ü bergang des sichtbaren und körperlichen B ereichs ins N ichts. D ieses w ird dann gerne nach aristotelischem M uster als reine oder erste M aterie gefaßt, die den „Stoff“ zu allen ideellen bzw . geistigen Ü berform un gen vorgeben soll. E rsichtlich w ird der m on istische C harakter der O ntologie dadurch gefährdet und ein G eist-M aterie-D ualism us deutet sich an, der in der N euzeit w eiter verstärkt und ausg etragen w ird, zum al unter dem E influß eines neubelebten A ristotelism us. Schließlich legen die N euplatoniker gerne einen dritten S chnitt zw ischen das oberste S ein und alles übrige. Sie unterstreichen dam it d i e T ranszendenz des G öttlichen als der S einsquelle und die A ndersartigkeit des gesch affenen S eins. D afür m uß in erster L inie die aristotelische D enkfigur vo m U nterschied dessen, w as reiner A kt bzw . vollendete W irklichkeit (energeia) und w as m it Potentialität behaftet ist, herhalten. W irkun gsvoller aber ist die genuin platonische "negative T heolo gie", die das G öttliche durch N egation der B estim m ungen des G eschaffenen, m an könnte sagen als das groß e „U n -W esen“ und „ganz A ndere“ zu erfassen sucht. E s liegt auf der H and, daß m an darin, in eben dieser neuplatonischen negativen T heologie, den V orgänger aller M ethoden zur A uszeichnung des m ystischen C harakters d e s m etaphysischen P rinzips zu sehen hat. M erken w ir aber an, daß dies Ü bergangsfeld vom E rsten, der m etaphysischen A rché G ott, zum Z w eiten und W eiteren ein P roblem feld ersten R an ges geblieben ist. A n ih m w urden alle lo gischen und m athem atischen D enkfiguren erprobt. D ie K ontinuitätsthese des Ü b ergan gs hat im m er w ieder zum Pantheism us geführt, die entschiedenste „Transzendentalisierung“ der A rché artikuliert den strikten M o notheism us der Juden und des Islam . D azw ischen finden sich die vielfältigen V ersu che, K ontinutität und U nterschied durch Z w ischeninstanzen zu verm itteln, unter denen sich christliches D reifaltigkeitsdenken als erfolgreichster T yp herauskristallisierte. H ier geht es um das zentrale T hem a der M etaphysik. D er N euplatonism us faßt es als das G ottesproblem . D urch das G ottesthem a w ird M etaph ysik zur T heolo gie, und diese zur w issen schaftlichen A usarbeitung eines B egriffs von der A rché schlechthin und ihrem V erhältnisse zu allem anderen, w as aus ihr zu erklären ist. U nd so w ird der N euplatonism u s die H ausphilosophie der T heologen: der christlichen, der jüdischen, und nicht m inder der islam ischen. D ie sach gem äß e A usarbeitu ng dieser m etaphysisch en P roblem stellun g aber erfordert notw endigerw eise die Indienstnahm e aller anderen W issen schaften. S o ist es die T heologie gew esen, die in P atristik und S cholastik eine so vielfach vo m V erfall bedrohte W issen sch aft über die W irren der V ölkerw anderun gen und den U m bruch ganzer K ulturen hinw eggerettet und an die M oderne verm ittelt hat. § 1 6 D er E rtrag der antiken M etaphysik A ntike Philosophie als A nfang abendländischer P hilosophie hat, w ie m an sagen kann, den vorphilosophischen M ythos in L ogos überführt. E s ist dam it B egründung w issenschaftlicher, vor allem m eth odischer V erfahren der W eltorientierung und W elterklärung: gem eint. D ie M ethodologie kulm iniert in der A usbildung pythagoräisch-plato n isch er M ath e m a tik u n d aristo telisch er L o gik , die die V erfahrensw eisen der sinnlichen A nschauung (Z ählen, R echn en un d regulierte B ild k on struk tion der G eo m etrie) und des begrifflichen D enken s (ind uktive B egriffsbildung und urteils- bzw . schluß m äßige B egriffsverknüpfung) unter R egeln bringen. D ie U nterw erfung aller A rgum ente unter m athem atische und logische R egeln tilgt den M yth os nicht, sondern transform iert ihn. D as W ort (m ythos) w ird B egriff (logos) dadurch, daß es hinsichtlich seines Sinnes bew eispflichtig w ird. D ie E inlösun g dieser P flicht besteht in der H erleitun g, A bleitun g, K o nstruktion von S inn aus anderem Sinn nach m athem atischen und logischen R egeln. D er Sinn des M ythos w ird differenziert, eingeteilt, klassifiziert, neu benannt, gew isserm aß en auf die B egriffe verteilt, aber er erhält sich in seiner S ubstanzialität. D iese Substanzialität besteht in der bildkräftigen Fassu ng unm ittelbarer L ebenserfahrung. D er M ythos redet in einfacher Sprache von N ot, E lend und G lück, H errschaft, Streit, K am pf und Frieden, L aster und T ugend, Freundschaft und Feindschaft, Liebe, Zeugung, G eburt und Tod, Schaffen und V ernichten, B ehausung und H eim atlosigkeit, vo n S onne, M ond und Sternen, von M en sch, T ier und. Pflanze und einfachen D ingen. U nd nicht seine geringste Stärke ist es, daß er auch das noch ins Bild bringt, w as zw ar erfahren, aber nicht dingfest zu m achen ist: S chicksal und Z ufall, G eheim nis un d W u nder, V ergan genheit und Z ukunft, das Innerste der Seele und das Ä ußerste der W elt. H ier zeigt sich seine phantastische K raft der B ildbildun g: er redet von G öttern und D äm o nen, er zeichnet sie als M enschen, T iere oder G egenstände, aber er m eint gerade nicht diese, sondern in ihrem B ild als G leichnis etw as ganz anderes, w as doch erfahren, aber anders nicht sagbar ist. H ier folgt er aber nur den G esetzen sprachlicher E tym olo gie. D ie W ö rter selb st w ie die gram m atischen Form en zeigen oder verraten überall die S puren m etaphorisch er Ü bertragun g anschaulichen S innes auf w eitere A nschauungsfelder und über deren G renzen hinaus. D er etym olo gischen Forschun g, insbesondere E rnst C assirers „P hilosoph ie der sym bolischen Form en“ und der in ihr entw ickelten S prachp hiloso phie 2 5 verdankt m an w esentliche E insichten in diese m etaphorologischen V orgänge. D iese P rozesse m ach en auch in der W issen schaft nicht H alt. S ie setzen sich vielm ehr verstärkt, aber nach R egeln fort. D er Ü bergan g vo m M ytho s zu m L o g os am A nfang abendländischer P hilosophie bei den G riechen, durch A ltphilologie, literarische T radition und Philosophiegeschichtsschreibu n g eines der am ausgiebigsten dokum entierten und durchforschten Forschungsfelder, m uß auch m etaph ysisch er Forschun g als ein überaus fruchtbares A n- 25 E. Cassirer, Philosophie der symbolischenn Formen, Berlin 1923 –1929, bes. Band I: Die Sprache (1923), sowie Band 2: Das mythische Denken (1925). schauungsfeld gelten, ihrer eigenen Sprachbildung ihre G esetze, R egeln, K niffe und T ricks abzusehen oder abzulauschen. W as die vorphilosophische M ythologie für die antike P hilosophie und M etaphysik ist, das ist im allgem einen antik e P hilosophie und M etaph ysik für die spätere W issenschaft gew orden. M an könnte die antike M etaphysik eine N eo-M ytholo gie des m od ernen w issenschaftlichen B ew uß tseins nennen. Ihre G rund m uster, in den groß en S ystem en, die w ir dargestellt haben, entw orfen, sind zu konkurrierenden W eltbildern gew orden, die durch w issenschaftliche A rbeit ausgestaltet, detailliert, m ethodolo gisch kohärent gem acht w orden sind, und die als S elbstverständlichkeit par excellence die M aß stäbe für E rklärungsbedürftiges und E videntes vorgeben. Sie sind es in solchem M aße, daß m an kaum um hin kann, sogar ihre W urzeln im vorphilosophischen M ythos noch in ihrem L ichte zu beleuchten und zu deuten. W ir sagten: kaum . D enn natürlich findet auch das U m gekehrte statt, und w ir haben selber hin und w ieder von der M ethode G ebrauch gem acht, die P hilosophie vom M yth os her ins L icht zu setzen. Fü r den P hilosop hen kann es das S elbstverständliche nicht geben. W eder ist es der einfache M ythos, noch der philosophische, noch der w issen schaftliche. E s ko m m t vielm ehr alles darauf an herauszufinden, w orin sie übereinstim m en, und w as in ihnen als E rfahrungsgeh alt festgehalten und evtl. zu m etaph orischen quid-pro-quo s verw endet wird . Je kom plexer die W issenschaft w ird, desto m ehr entsteht das B edürfnis, sie auf ihre einfachsten M o tive und M otivationen zurück zuführen. E s ist nach gerade eine gew isse M ode gew orden, hier „ideologiekritisch“ bei den M yth en - oder w as m an dafür hält anzusetzen. Sie lassen das K om plexe einfach, und das E infache kom plex erscheinen. U nd je m enschlicher und alltäglich-ban aler die B ilder und G leichnisse sind, desto m ehr beruhigen sie den sinnsuchenden Z eitgenossen bei dem G edanken, daß die M enschh eit sich doch durch alle Z eiten gleichgeblieben sei. D as from m e und schlichte G em üt sieht, daß "die B ibel doch R echt hat", der anspruchsvolle H eid e - vielleicht m it allen P erversionen des G eschlechtstriebs w ohl vertraut - sieht in d en M yth en u n d G esch ich ten d er griech isch en T ragö d ie alle w irklichen W ahrheiten der W issen schaft vorw eggeno m m en, die, selber eine sublim e P erversion der G eschlechtsenergie, nicht aufhört, die M utter N atur inzestu ös zu technischen U n geheuern zu besch w än gern und den ahnun gslosen V ater V ernu nft zu m orden. D er O lym p w ird zum S ozio gram m und die heilige D reifaltigkeit zum kapitalistischen P roduktionsm ech anism us. D as alles ist sicher nicht falsch und stellt gelehrtem W itz und m etaphorologischem Scharfsinn glänzende Z eu gnisse aus. D och erklärt es nicht, w ieso solche Identifikationen gefragt sind und gar im N am en der W issenschaft als O rientierungshilfen gelten sollen. D ie R ed u k tio n aufs P rim itiv e, U rsp rü n glich e, E infach e – au f U r-S ach en – ist selb st d er w issen sch aftlich e M yth o s ge w o rd en, d er sich in so lch en E nth ü llu n gen k ein esw e g s selb er enth ü llt, so n d ern n ur p eren n iert. A ls M ythos spricht er nur aus, w as w ied eru m tatsä ch lich erleb t, p ra k tizie rt als n atu rw üchsig und selbstverständlich gilt: als das Faktum der W issenschaft. In ihrer E ntstehungsphase aber ist W issenschaft noch nicht M ythos, sondern ein em pfindliches, um strittenes, nach allen S eiten offenes, m ühsam und hart erarbeitetes K ulturphänom en. H ier kann m an noch am ehesten Z ü ge an ihr erkennen, die später in den "blinden Fleck" der S elbstverständlichkeiten zu liegen kom m en und daher nicht m ehr w ahrgenom m en w erden können. W ir haben diese Phase deshalb ausgiebiger them atisiert, als es nach U m fang und gew öhnlicher A bsicht system atischer D isziplindarstellun g die geschichtliche E inführung nahelegt. D enn in den m etaphysischen System en der G ründer - w ie m an D em okrit, P laton und A ristoteles w ohl nennen kann - und in den A usgestaltun gen der M etaph ysik in ihren S chulen - sind zugleich die H orizonte entw orfen, in denen sich alle M etaph ysik und durch sie alle W issenschaft bisher entfaltet hat.