Die Reorganisation der Volkshochschulen im Landkreis Dachau

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Die Reorganisation der Volkshochschulen im Landkreis Dachau
Die Reorganisation der
Volkshochschulen im Landkreis
Gerhard Gerstenhöfer
ARGE - Gründung, Aufgaben,
Mitgliedschaft
Die Arbeitsgemeinschaft der Volkshochschulen im Landkreis Dachau e.V. (ARGE)
wurde 1976 gegründet. Damals existierten neben dem Dachauer Forum lediglich
die Volkshochschulen Dachau und
Karlsfeld. Die ARGE beschäftigte anfänglich einen Geschäftsleiter und errichtete in sechs Gemeinden des Landkreises Außenstellen, um dort Bildungsveranstaltungen durchzuführen. Die Zahl
der Außenstellen erhöhte sich sukzessive. Die Außenstellen verwandelten sich
allmählich in selbständige Mitglieder und
gründeten in der Regel ihrerseits in den
Kommunen eigenständige Volkshochschulen in Form eingetragener Vereine.
Heute besteht die ARGE aus den Mitglieds-Volkshochschulen Altomünster,
Bergkirchen, Dachau, Erdweg, Haimhausen, Karlsfeld, Markt-Indersdorf, Odelzhausen als VG zusätzlich mit Sulzemoos
und Pfaffenhofen, Petershausen, Röhrmoos, Schwabhausen und Vierkirchen.
Über die ARGE sind die Volkshochschulen Mitglieder im Bayerischen Volkshochschulverband (bvv). Zehn dieser
Mitglieder führen auch den so genannten Verwendungszwecknachweis gegenüber dem bvv gemeinsam durch. Für
neun dieser Mitglieder ist das die Voraussetzung, um in den Genuss des durch
den Verband zu verteilenden Staatszuschusses zu gelangen. Die Mitgliedsvolkshochschulen Dachau und Karlsfeld führen eigene Nachweise durch und
sind außerdem auch direkte Verbandsmitglieder.
Die bisherigen Aufgaben der ARGE bestanden aus
- der gemeinsamen Informationsplattform (fachlich, rechtlich und den Verband betreffend)
- der kollektiven Mitgliedschaft im Verband und der Durchführung des gemeinsamen Verwendungsnachweises
- der gemeinsamen Nutzung von Lizenzen etc. (z.B. EDV-geführtes Verwaltungsprogramm)
- der Herausgabe eines gemeinsamen
Programmheftes für den Landkreis
Dachau
Fachliche
Existenzrechtfertigung
Bei der Gründung der ARGE standen
offensichtlich strategische Überlegungen im Vordergrund. Im Laufe ihres Bestehens waren es aber überwiegend die
aufgezeigten Aufgaben, die ihr die Existenz sicherte. Im Sinne dieser Aufgaben
erfüllt sie die Forderungen des Gesetzes
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zur Förderung der Erwachsenenbildung
(EbFöG) Artikel 6, „Kooperation und
Koordination“, Absatz 1:
„(1) Zur örtlichen und regionalen
Koordination und Kooperation der
Erwachsenenbildung sollen die Träger der Einrichtungen der Erwachsenenbildung auf der Ebene des
Landkreises oder der kreisfreien
Gemeinden, erforderlichenfalls auch
des Bezirks, Arbeitsgemeinschaften
bilden und insbesondere gemeinsame Veranstaltungsverzeichnisse erstellen.“
Die politischen Forderungen an die Erwachsenenbildung (EB) und die anstehende Novellierung des EbFöG weisen
der ARGE erneut strategische Aufgaben
zu.
Never touch a running system
(nur nicht hinlangen, wenn’s läuft)
Zwar wurde in den ARGE-Sitzungen seitens der Vorstände (Rasch, stellv. Vors.
d. bvv und Engelbrecht, Vors. ARGE)
immer wieder auf die Verbandsforderungen bezüglich Professionalisierung und
Qualitätssicherung mittels Einführung
von Zertifizierungssystemen hingewiesen, die Vertreter der mehrheitlich kleineren Volkshochschulen nahmen das lange Zeit lediglich nur zur Kenntnis. In
solchen Einführungen sehen bzw. sahen
sie primär eine Bedrohung der Existenz
ihrer Einrichtungen. Die Qualität dieser
kleinen Einheiten ist in der Bürgernähe,
der empirischen Ausweitung des Bildungsauftrages in symbiotischer Vereinigung mit den lokalen Verhältnissen
und einer „professionellen Ehrenamtlichkeit“ begründet. Die Ehrenamtlichkeit ist
der Sonderpreis ländlicher Gemeinden
für den Einstieg in die EB. Sie findet ein
festes Fundament in dem dort tradierten
Vereinswesen. Eine Tatsache, die seit je
her von der Governance stoisch ignoriert wird.
Der Staatszuschuss für die
Erwachsenenbildung in Bayern
Die staatliche Förderung der EB in Bayern beträgt etwas mehr als einen Euro pro
Einwohner (!). Sie wird über die sieben
staatlich anerkannten EB-Verbände verteilt. Die vom bvv verwalteten Zuschüsse unterteilen sich nach Abzug des eigenen Verwaltungsaufwandes des Verbandes in einen leistungsabhängigen
„Staatszuschuss“, der sich nach unterrichteten Doppelstunden bemisst und in
einen „Verwaltungszuschuss“, den jede
Volkshochschule für das Beschäftigen
eines Geschäftsleiters erhält, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.
Die ARGE erhält nur den leistungsab-
hängigen Staatszuschuss, den sie ohne
Abzug an die Mitglieds-Volkshochschulen weiterverteilt. Den Verwaltungszuschuss erhielt sie bisher nicht, da sie
auch kein Büro hatte, um darin einen
Geschäftsleiter zu beschäftigen.
Selbstkritische Analyse
Der Verwaltungszuschuss war ein Thema, warum sich die ARGE immer mal
wieder mit der Frage beschäftigte, ein
eigenes Büro einzurichten und einen
Geschäftsleiter zu beschäftigen. Bei anderen Themen ging es um Kriterien resultierend aus Förderrichtlinien. Sie werden
hauptsächlich aus zwei Quellen gespeist.
Das ist zum einen die anstehende Novellierung des EbFöG, in der vermutlich die
Zertifizierung obligat und die so genannte Professionalisierung zur Grundlage
wird. Zum anderen sind es die Voraussetzungen zur Förderung von Projekten
durch die EU (z.B. LEADER), die durch
den Regionalverein Dachau AGIL an den
Landkreis vermittelt werden.
Es gibt da noch einen weiteren Grund:
Die Kooperation unter den ARGE-Mitgliedern, die ohne Koordination nicht
funktioniert. Die thematisch punktuelle
Zusammenarbeit, spontan entstanden,
temporär angelegt, bilateral zwischen
benachbarten Volkshochschulen sporadisch immer mal wieder probiert, funktioniert nicht ohne systematische Konzeption und fortwährende Steuerung über
längere Zeiträume.
Was ist unverzichtbare Bildungsarbeit?
Dass der Staat die EB gerne nichtstaatlichen Organisationen überlässt, heißt
nicht, dass er darauf verzichtet, analog
einer feierlichen Präambel diese begrifflich zu definieren und deren Aufgaben in
allgemeiner Form zu spezifizieren (Artikel 1 EbFöG). Hinzu kommen noch die
politischen Forderungen nach lebenslangem Lernen und die geistige Mobilmachung für den globalen Wettbewerb.
Was hier an politischer und berufsbegleitender Bildung erwartet wird, bedarf
der Organisation auf Landkreisebene.
Organisationsprojekt mit Folgen
Vor gut einem Jahr beschloss die ARGE,
im Rahmen eines Projektes die Frage
einer eigenen Geschäftsstelle zu klären.
Das Team bestand aus den drei Vorsitzenden, Frau Fähr, Frau Rehm und Frau
Engelbrecht und mir (einem ehem. ARGEVors.) sowie Herrn Lung, einem externen
Berater zur Moderation und zum Projektmanagement.
Heraus kam das, womit allgemein gerechnet wurde, nämlich, dass an einer
eigenen Geschäftstelle der ARGE
überhaupt kein Weg vorbeiführt. Die
sich erweisende Eindeutigkeit und Dringlichkeit waren dann doch überraschend.
Insbesondere das Wahren der Chancen
auf Partizipation an den EU-geförderten
Projekten erlaubte keinen Aufschub. So
Kulturspiegel Altomünster
Ausgabe 32, Februar 2009
hat der Vorstand auch schnell reagiert.
Mit heißer Nadel gestrickt
In Indersdorf wurde ein Büro eingerichtet. Da auf die Schnelle keine externe
Person für die Geschäftsleitung (GL) mit
Kenntnis der anstehenden spezifischen
Problematik eingearbeitet werden konnte, musste diese in den eigenen Reihen
gefunden werden. Frau Engelbrecht
schied aus gesundheitlichen Gründen
aus. Frau Rehm kam auf Grund ihrer vielfältigen Aufgaben und Engagements nur
für eine nominelle Funktionsverschiebung innerhalb der Vorstandschaft in
Frage. So lag die Lösung nahe: Frau Fähr
übernahm als geringfügig Beschäftigte
die GL. Weil sie nicht ihre eigene Mitarbeiterin sein kann, trat sie als Vorsitzende der ARGE zurück. Damit fiel an Frau
Rehm die kommissarische Leitung der
ARGE. Das Ganze ist durch eine Empfehlung der Projektgruppe und einen formalen Vorstandsbeschluss abgesichert,
bedarf aber wegen eindeutiger Vorschriften der Satzung und bei der gegebenen
Interessenskonzentration dringend noch
der Bestätigung durch die Mitgliederversammlung.
Ein „Ruckler“ wie ein Beben
Wie wird die Geschäftsstelle der ARGE
aussehen, wem ist sie zuzuordnen, welche Aufgaben soll sie wahrnehmen, wie
soll sie betriebswirtschaftlich arbeiten,
wie soll sie finanziell abgesichert werden, wer übernimmt die Anschubfinanzierung, wie soll sie heißen, braucht sie
eine neue Satzung, entwickelt sie ein
eigenes Kursprogramm, gefährdet die
neue Geschäftsstelle die Existenz der lo-
kalen Einrichtungen? Das sind vielleicht
nicht alle, aber die wichtigsten und drängendsten Fragen. Die Antworten darauf
führen uns in eine stark veränderte Welt
der EB im Landkreis Dachau.
Gelegenheit gegeben werden, sich projektbezogen zu beteiligen. Als Musterprojekt sollte sich die ARGE um eine
Anschubfinzierung durch den bvv oder
aus EU-Mitteln bemühen.
Das Büro wird vom Verband bezuschusst,
nicht voll finanziert. Die Koordinationsdienste bringen kein Geld. Es hat Bildungsfelder abzudecken, für die die Leistungsfähigkeit der lokalen Volkshochschulen nicht ausreicht. Bei der Arrondierung der Kompetenzfelder ist eine Flurbereinigung durchzuführen. Diese wird
das Spektrum des Angebots von Lehrveranstaltungen der lokalen Volkshochschulen nicht reduzieren, wohl aber verändern. Die Existenzen der lokalen Volkshochschulen sollen durch eine Konzentration auf die natürlichen lokalen Kompetenzen einerseits und auf räumlich verteilte Kompetenzschwerpunkte des
ARGE-Programms gesichert und das
bürgernahe Bildungsangebot insgesamt
markant erhöht werden (die ARGE hat ja
kein eigenes geographisch getrenntes
Klientel).
Die entstehende Kreisvolkshochschule
Dachau wird das Rückgrat der kommunalen EB des Landkreises sein. Als leistungsstarker Kooperationspartner sollten in der aufgezeigten Entwicklung auch
die großen selbständigen Einheiten der
ARGE, das Dachauer Forum und vor
allem der Regionalverein Dachau AGIL
Vorteile erkennen können. Als Einrichtung der öffentlichen Hand müssen die
Volkshochschulen in erster Linie das
gesamte Bildungsangebot für die Bürgerinnen und Bürger sehen, erst in zweiter Linie den eigentlichen Bildungsprozess, die wirtschaftlichen Ergebnisse der
Einrichtungen und den Wettbewerb der
Einrichtungen untereinander in Überschneidungsbereichen.
Mit dem Lehrangebot der ARGE entsteht eine eigene Einrichtung der EB. Sie
ist so zu nennen, was sie ist – eine Kreisvolkshochschule. Sie ist dem Landkreis
in seiner Eigenschaft als Gebietskörperschaft zugeordnet. Mit der Neuordnung
wird eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit angestrebt. Die Teilnehmergebühren für die Lehrveranstaltungen sind
so auszurichten, dass sie zusammen mit
den Mitteln aus dem Kreishaushalt und
den staatlichen Zuschüssen den Finanzbedarf decken. Gemeinden sollte die
Yes, we can!
Schaffen wir das? Ja, wir schaffen das!
Angesichts der ermittelten Situation mit
den Konditionen des Umfeldes gibt es
ohnehin kaum eine Alternative. Nichts
tun würde zwar nicht unbedingt den
sofortigen Absturz im Zusammenhang
mit einzelnen Ereignissen bedeuten, wohl
aber eine Weichenstellung auf die Nebenstrecke. Wollen wir es schaffen, brauchen wir viele Köpfe, Hände, offenen
Umgang, gegenseitiges Verständnis,
Wohlwollen und Vertrauen, die Adoption durch die Politiker sowie deren finanzielle und ideologische Unterstützung.
Entwicklungskonzept für die Erwachsenenbildung
in der Marktgemeinde Altomünster
Gerhard Gerstenhöfer
Die Bildung avancierte zum politischen
Spitzenthema. Die Erwachsenenbildung
(EB) ist Angelegenheit der Kommunen.
Sie kann weitgehend eigenständig gestaltet werden.
1976 wurde Altomünster eine Außenstelle der Arbeitsgemeinschaft der Volkshochschulen im Landkreis Dachau
(ARGE). Die Programmgestaltung erfolgte damals durch Frau Dorothea Stevens
und Herrn Professor Dr. Wilhelm Liebhart. Wegen zu geringer Nachfrage gingen die Aktivitäten leider stark zurück. In
den 80er Jahren fanden nur noch wenige
Kurse statt. Sie wurden von der Volkshochschule Indersdorf durchgeführt.
1990 veranlasste Bürgermeister Konrad
Wagner unmittelbar nach seiner Wahl
die Gründung einer eigenen kommunalen Einrichtung der EB, die vhsAltomünster e.V. Sie ist per Satzung
Kulturspiegel Altomünster
Ausgabe 32, Februar 2009
Mitglied in der ARGE und damit mittelbares Mitglied im Bayerischen Volkshochschulverband (bvv). Der gut gebildete
Bürger ist das generelle Ziel der vhs,
weniger der eigentliche Bildungsprozess
selbst. Dies führte zu einer extensiven
Wahrnehmung ihres Auftrages. Mit der
laufenden Wahlperiode 2008/09 geht
meine Amtszeit als 1. Vorsitzender der
vhs zu Ende. Ein Generationenwechsel
ist eingeleitet. Ich nehme dies zum Anlass, meine aus dieser Tätigkeit gewonnenen Erkenntnisse und Überzeugungen als Richtschnur für die weitere Entwicklung der EB in Altomünster darzustellen.
Bedeutung der EB für die
kommunale Entwicklung
Erwachsenenbildung und Partizipation
der Bürger an den politischen Entschei-
dungen erweisen sich immer deutlicher
als erfolgsrelevante Faktoren der kommunalen Entwicklung. Mandatsträger
und Amtsinhaber werden daran gemessen, wie sehr sie sich dieser Thematik
angenommen und in welchem Maß sie
sich bietende Chancen wahrgenommen
haben. Dabei ist das Kriterium weniger
die Frage, was sie getan haben bzw.
geschehen ließen, als die, was sie eventuell unterlassen bzw. verhindert haben.
Die EB ist geeignet, die Rolle Altomünsters als Kleinzentrum zu festigen und
auszubauen. Dabei kommt es darauf an,
das regionale Umfeld zum Partner und
Mitgewinner zu machen. Kommunale
Entwicklungen sind Zukunftsprojekte,
die dann zum optimalen Ergebnis führen,
wenn am Erreichen dieses Zieles
möglichst viele mithelfen. So wie die
Partner partizipieren sollen, sollen auch
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