Leseprobe - www.staiger

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Leseprobe - www.staiger
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2012 Jürgen Staiger
Mobbing entsteht durch dauerhaft ungelöste
Konflikte und kontinuierlichen Druck. Beide
Faktoren stellen für den Gemobbten starke
Belastungen und somit Stressoren dar und
können den Betroffen psychisch und physisch
krank machen
Immer mehr Beschäftigte und Vorgesetzte führen einen Feldzug gegen Kollegen und scheuen nicht
davor zurück, zu heimtückischen Mitteln zu greifen. Seit Beginn der 90iger Jahre hat der Terror am
Arbeitsplatz einen prägnanten Namen: Mobbing.
Mobbing-Aktivitäten können sehr unterschiedlich sein. Das kann von Beschimpfungen und totaler
Ausgrenzung über Rufmord bis hin zur Unterschlagung von Informationen gehen. Im fortgeschrittenen
Stadium kann es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen oder zur sexuellen Belästigung kommen.
Die Betroffenen wollen es anfangs zum größten Teil nicht wahr haben, aber es kann jeden treffen.
Leider musste ich diese schreckliche Erfahrung auch am eigenen Körper erfahren, deshalb schreibe ich
heute dieses Buch, um das Ganze für mich zu verarbeiten. Ich wurde leider zweimal an meinen Arbeitsplätzen massiv gemobbt.
Das Fatale ist: Mobbingopfer fühlen sich oft schuldig, für das, was ihnen angetan wurde und suchen
oft die Schuld nur bei sich. Sie sind wie gelähmt, verharren in ihren Schuldgefühlen und oft falscher
Scham sowie ihrer Passivität. Nicht selten reagieren der Körper und die Seele mit Alarmsignalen. Hier
sieht man wieder, wie Geist, Seele und Leib im Einklang miteinander stehen. Wenn eines dieser drei
Grundsäulen leidet, hat dies Folgereaktionen auf die zwei anderen Säulen des Menschen.
Wann spricht man nun von Mobbing?
Wer mobbt wen?
Du musst zeitnah aktiv werden und Dich gegen die Angriffe wehren. Schweige nicht! Schlucke nicht
alles runter und suche nicht nur die Gesamtschuld des Ganzen an Dir. Falsch wäre, wenn Du in Passivität und Deinen Ängsten verharren bliebest. Versuche den bestehenden Konflikt immer zeitnah und
sachlich in einem Vieraugengespräch mit dem Angreifer anzusprechen.
Da du alles detailliert nachweisen musst, was genau vorgefallen ist, ist der Mobbing-Notfallplan eine
gute Hilfe. Hier kannst Du Dich juristisch (falls es zu einem Prozess kommen sollte) absichern. Hierzu
einige wichtige Tipps, die mir im Laufe meiner Mobbingzeiten hilfreich geworden sind. Nicht die
»Vogel-Strauß-Methode« (Kopf in den Sand stecken) hilft Dir weiter, sondern:
Aktiv nach Vorne blicken und die Dinge zeitnah anzugehen …
1. Vorkommnisse genau und detailliert im PC zu Hause dokumentieren
a) Was?
Genaue Inhalte, was ist detailliert vorgefallen, welche Aussagen sind gemacht worden,
schreibe alles genau im PC auf
b) Genaues Datum (Tag, Monat, Jahr und auch genaue Uhrzeit)
c) Gibt es Zeugen? Wer war dabei? Wer kann einzelne Vorfälle genau bezeugen?
d) Wo? Genauer Ort des Geschehens: Genaue Adressdaten: Ort mit Postleitzahl, Straßen
namen und Hausnummer
e) Eventuelle Arztbesuche: beim Haus- und/oder Facharzt unbedingt auch dokumentieren
(Fachrichtung des Arztes, genaue Adresse des Arztes mit Telefonnummer, gestellte
Diagnosen dokumentieren, Krankschreibengen von… bis…, Therapieform des Arztes…)
Der Begriff »Mobbing« kommt aus dem Englischen und bedeutet to mob = jemanden angreifen,
schikanieren, anpöbeln - the mob = Bande, Zusammenrottung, Pöbel.
Hieraus sieht man schon, das Mobbing eine negative Bedeutung hat. Mobbing bedeutet, dass jemand
am Arbeitsplatz systematisch und über einen längeren Zeitraum schikaniert, drangsaliert, benachteiligt
und ausgegrenzt wird.
2. Ein helfendes, klärendes Gespräch suchen - soziale Unterstützung ist das Allerwichtigste!
Mobbing-Betroffene brauchen gute Gespräche z.B. mit Familienangehörige oder guten Freunden
a) Mit den Beteiligten, von den Mobbing ausgeht
b) Sollte dieses Gespräch nichts bringen, suche ein weiteres Gespräch und nehme Zeugen dazu
c) Führe ein Gespräch mit dem Betriebsrat, sofern Deine Firma einen hat
d) Suche das klärende Gespräch mit Deinem Vorgesetzten
Die typische Mobbingopfer-Persönlichkeit gibt es nicht. Jede Art der Persönlichkeit hat ihre Stärken
und Schwächen. Ob man Opfer von Mobbing wird, hängt nicht von der eigenen Person ab, sondern
von der Situation, in der man sich befindet. Es gibt (leider) viele Chefs, die ihre Untergebenen mobben
oder entscheidend an der Demontage Einzelner beteiligt sind. Dagegen ist es selten, dass Untergebene
ihre Chefs mobben. Das Geschlecht spielt nur bedingt eine Rolle: Männer mobben Männer, Frauen
mobben Frauen. Dies liegt daran, dass meist Männer mit Männern und Frauen mit Frauen arbeiten.
Grundsätzlich mobben Männer und Frauen gleichermaßen, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Neue
Kollegen sind besonders häufig Opfer von Mobbing. Sie haben noch keine Seilschaften, keinen, der im
Zweifel Partei für sie ergreift. Besonders exponierte Personen werden häufig gemobbt, z. B. Frauen am
Männerarbeitsplatz und umgekehrt, Ausländer, religiöse Außenseiter.
3. Sich eine Selbsthilfegruppe suchen
Eine weitere Alternative ist, Hilfe in einer Selbsthilfegruppe für Mobbingopfer zu suchen. Über das
Internet habe ich folgende Selbsthilfegruppe in Berlin-Friedrichshain ausfindig gemacht: Boxhagener
Straße 89, Berlin-Friedrichshain. Diese Gruppe trifft sich jeden Donnerstag um 17 Uhr. Alternativ gibt
es noch eine Gruppe in Berlin-Schöneweide. Akuthilfe bei Mobbing: Krisenintervention, Hilfestellung,
Praxis für Psychotraumatologie unter www.praxispsychotrauma.de zu recherchieren.
4. Suche professionelle Hilfe!
Da die Belastungen für Mobbing-Betroffene riesig sein können, ist während dieser »Krisenzeit« therapeutisch Hilfe zu empfehlen.
Hilfen bei Mobbing
5. Sorge für Ausgleich in Deinem Leben - Pflege Deinen Körper und Deine Seele!
Das Anknüpfen an frühere gute Freizeiterfahrungen ist von sehr großer Bedeutung! Solche Aktionen
bringen körperliche Entspannung, Freude am Leben und neues Selbstbewusstsein: Hier nun einige
parktische Tipps von mir:
a) Suche ein Fitness-Studie auf: Hier kannst Du viel psychischen Druck abbauen
b) Radfahren anstatt alles nur per Auto erledigen
c) Singen in einem Chor
d) Suche soziale Kontakte zu Freunden und pflege diese Kontakte
e) Plane einen Urlaub oder eine Städtereise – auch alleine!
f ) Sollte es schlimmer werden, habe den Mut und beantrage eine Kur oder mache einen
schönen entspannten Urlaub
g) Nehme Hilfe von außen in Anspruch: Psychiater, Psychotherapie
h) Finde für Dich Wege, wie Du Deinen Stress besser abbauen kannst
i) Lerne wieder zu Lachen. Das befreit und entspannt!
j) Suche humorvolle Menschen, die Dich aus dem Tief herausholen. Suche Menschen,
die Dir „gut tun, und nicht stressen, das kannst Du jetzt absolut nicht gebrauchen!
Suche Menschen, die Dir wieder die schönen Seiten des Lebens zeigen können.
Humor: der Schwimmgürtel, auf dem Strom des Lebens.
Sich mit der Situation zu arrangieren ist keine gute Lösung! Einen respektvollen Umgang kann man von
jedem erwarten. Man kann gegen Mobbing etwas tun! Aber: Von alleine ändert sich der Mobber nicht!
Gib Ihm dein Stopp-Signal! Bis hierher und nicht weiter! Nimm Dein Leben wieder in die Hand. Aus
welchem Glas möchtest Du in Zukunft trinken? Aus dem halbleeren oder dem halbvollen? Du musst
Dich entscheiden! Tue es heute!
6. Analysiere das Problem gründlich!
Nicht nur die Seite des Mobbers, auch deine eigenen Schwachstellen solltest Du genau analysieren.
Wo bzw. durch welches Verhalten von Dir, kommt es konkret zu Mobbingangriffen gegen Dich und
was kannst Du konkret dagegen tun? Tipp: Eine wichtige Hilfe kann das Führen eines MobbingTagebuches sein.
7. Mache Dich innerlich vom Mobber/in unabhängig
a) Solange man sich rechtfertigt oder sich im Kampf verbeißt, ist man von seinem Gegner
abhängig
b) Besser ist: Konzentriere Dich darauf, dass die Mobbinghandlungen unterbleiben
c) Eine Charakteränderung des anderen sollte schon zum eigenen Schutz nicht angestrebt
werden.
8. Finde Deine eigene Strategie, wie Du vorgehen kannst! Angreifen und Standhalten
Die eigene Strategie hängt vom konkreten Einzelfall ab. Kleiner Tipp am Rande: Gegenbeschuldigungen können ein Anfang sein. Strategien können zu Gegenbeschuldigungen von Seiten des Mobbers
führen. Was Ängste weckt, kann auch ein Anfang der Klärung sein, denn damit hat ein Gespräch über
die Situation schon begonnen!
9. Problemlösungen dauern: Habe Geduld und einen langen Atem
a) Zum Finden guter Bündnispartner/Innen
b) Zur Durchführung einer Mobbinganalyse
c) Zur Entwicklung von Strategien
Gib nicht zu schnell auf. Das Leben ist viel zu schön, als alles hinzuschmeißen.
10. Kommunikation ist das A und O
Nicht jeder Angriff auf Deine Person ist gleich Mobbing. Oft handelt es sich einfach um eine sogenannte Kommunikationsstörung, im wahrsten Sinne des Wortes. Was ist nun genau Kommunikation und
wie geschieht das?
Mobbingopfer haben nur dann ein Recht auf Schmerzensgeld, wenn sie die Vorwürfe detailliert
schildern können. Pauschale Ausführungen gegen den Arbeitgeber reichen nicht aus, wie die Deutsche
Anwaltsauskunft mit Verweis auf ein Urteil des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mitteilt.
In dem Fall warf ein Arbeitnehmer seinem Chef vor, er habe ihn durch permanentes Schikanieren in
die Depression getrieben. Diesen Vorwurf stützte er vor allem auf angeblich sinnlose Arbeitsaufträge.
Unter anderem habe er einen Container reinigen müssen, der am nächsten Tag zerstört und entsorgt
wurde. Eine bereits gereinigte Wand auf dem Firmengelände habe von ihm nochmals gesäubert werden
müssen. Doch die Richter bemängelten, ein konkreter Mobbingvorwurf sei nicht nachvollziehbar. Es sei
jedoch Aufgabe des Klägers, die tatsächlichen Umstände eines Mobbingvorwurfs dem Gericht schlüssig
darzulegen. Weil der Nachweis einer bewussten Schädigung fehlte, blieb laut Urteil offen, ob zwischen
der diagnostizierten Depression und dem Verhalten des Arbeitgebers ein Zusammenhang bestand (AP)
Aktenzeichen: 9 Sa 935/06 Quelle: Berliner Zeitung Nr. 281 vom 01./02.12.2007
Fazit: Verwende stets ein Mobbingprotokoll
»Auch aus Steinen,
die einem in den Weg gelegt werden,
kann man Schönes bauen«
J. W. von Goethe
Meine persönlichen Mobbing-Erfahrungen
Meine erste Mobbing Erfahrung hatte ich in einem katholischen Pflegeheim in Süddeutschland. Das
Haus hatte ca. 110 Bewohner/innen. Das Mobbing war in der Zeit von Januar bis September 2000.
Das Pflegeheim hatte im Januar 2000 einen Wechsel in der Pflegedienstleitung. Die beliebte alte
Pflegedienstleiterin (PDL) ging in ihren wohlverdienten Ruhestand. Leider hatte die »alte PDL« nur
den einen Fehler: Sie konnte leider nicht gut organisieren. Deshalb schaute sich die Heimleitung bei der
Neubesetzung der PDL-Stelle nach einer dynamischen, organisatorisch »fitten PDL« um.
Ich war zu dieser Zeit in der Funktion als Wohnbereichsleiter auf einem Wohnbereich für an Demenz
erkrankte Menschen tätig. Mir waren 14 Mitarbeiter/innen unterstellt. Aufgrund meiner gesundheitlichen Situation, bedingt durch eine hochgradige Latexallergie mit Asthma und Hautproblemen, musste
ich über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege umschulen. Dies wusste
die Heimleitung und auch die neue PDL. Es stand jedoch zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht fest, was
ich genau beruflich machen werde …
Die neue »dynamische PDL« nutze die Situation meiner Erkrankung und das baldige Ausscheiden aus
gesundheitlichen Gründen aus, und versuchte mich schnellstmöglich aus dem Pflegeheim zu bekommen. Sie hatte das Ziel, ihre Freunde und Bekannte auf neu freiwerdende Stellen im Hause zu setzen.
Dies war ihre Taktik und dabei versuchte sie folgendes:
1. Sie kontrollierte mich und meine Arbeit, wenn ich nicht anwesend war und oft auch
hinter meinem Rücken und versuchte einzelne Teammitglieder gegen mich auszuhorchen und auszuspielen
2. Sie lauschte an den Türen von Bewohnern, wenn ich in deren Zimmern die Grund- und
Behandlungspflege durchgeführt habe. Sie kontrollierte mich auf Schritt und Tritt. Das
war für mich purer Stress hoch zehn! Dieses Verhalten von ihr habe ich ihr in einem
persönlichen Gespräch auch mitgeteilt. Sie war zuerst etwas irritiert über meine
Direktheit hörte aber nicht mit den Mobbingattacken auf!
3. Sie kam, während ich in den Zimmern meine Arbeit durchgeführt hatte, und
kontrollierte mich wie einen Auszubildenden, obwohl ich die Wohnbereichsleitung war.
Sie wollte mich loshaben! Dieses Kontrollverhalten erzeugte in mir Druck, Stress,
Unsicherheit und starkes Misstrauen. Ich war wie gelähmt, in dieser für mich so
schrecklichen Zeit!
4. Sie versetzte die ehemalige stellvertretende Wohnbereichsleiterin, mit der ich sehr gut
ausgekommen bin, auf einen anderen Wohnbereich und setzte mir eine neue, ihr
näherstehende Mitarbeiterin vor, um mich rund um die Uhr zu bespitzeln
5. Sie ließ immer ihre Bürotür um einen kleinen Spalt offen, um ja sämtliche aktuellen
Gespräche, die auf dem Gang gesprochen wurden, mitzubekommen.
Dieses Verhalten lieferte ihr wieder neuen Stoff, um die Mitarbeiter zeitnah zu schikanieren! In dem
Pflegeheim herrschte ein eisiges Klima. Keiner traute sich mehr etwas zu sagen, geschweige denn zu
lachen: Es war einfach nur schrecklich. Je mehr Kontrollen und Schikanen die neue PDL durchgeführt
hatte, desto unsicherer wurde ich und desto mehr ungewollte Fehler passierten mir.
Ich befand mich in einem Dilemma, das kaum auszuhalten war. Ich entwickelte regelrecht eigene
Kontrollmechanismen, das heißt ich überprüfte meine Arbeit x-mal, bevor ich etwas endgültig abschließen
konnte. Ich kam mir vor, wie ein Hamster im Rad.
Dadurch stieg der Druck auf mich, den die Pflegedienstleitung auf mich aufgebaut hatte und ich
baute gegen mich noch mehr Druck auf, weil ich in dieser Phase an allem gezweifelt habe, was ich
gemacht habe. Ich dachte: »Die Schuld liegt alleine nur an mir.«
Und diese verzerrte Wahrnehmung ist falsch! Gewiss hatte ich Anteile, die zu diesem Mobbingverhalten geführt haben, aber nicht die alleinige Schuld! Es war die Taktik der Mobberin (PDL), mich
scheibchenweise, psychisch mit ihrem ständig aufbauenden Druck (Stress) fertigzumachen. Ihr Ziel war:
Mich zeitnah so fertig zu machen, das ich krankheitsbedingt ausscheiden werde!
Während dieser akuten Mobbingphase hatte mein Körper mit folgenden Symptomen zu kämpfen:
• ständige Unsicherheit, wieder etwas falsch gemacht zu haben, versagt zu haben
• chronische Angst und zittern, wenn ich die PDL nur schon vom Weitem sah
• Angst vor der Angst, wie zur Arbeit gehen zu müssen und wieder neue Unverschämtheiten über
sich ergehen lassen zu müssen
• ich hatte ständig nass geschwitzte Hände
• Magenschmerzen und Gewichtsverlust
• ständige Müdigkeit
• chronisch Erschöpfung, Gefühl des ausgebrannt sein
Als Folge des ganzen Dilemmas hatte ich mit starken Depressionen und mit einer generalisierten
Angsterkrankung zu kämpfen. Ich fiel jahrelang in die Arbeitslosigkeit, sogar in den Hartz IV-Bezug.
Manchmal hatte ich auch suizidale Gedanken, die ich aber wieder verwarf! Aus lauter Verzweiflung habe
ich im Jahr 2009 die Frührente beantragt. Diese wurde jedoch abgelehnt. Ich habe dann gleich Widerspruch eingelegt. Der Rentenversicherungsträger schickte mich zur Rehabilitation und hat mir jetzt
eine Trainingsmaßnahme für ein Jahr bewilligt, in der meine Leistungsfähigkeit geprüft und stabilisiert
werden soll. Sollte diese Maßnahme greifen, ist eine Umschulung zum Kaufmann im Gesundheitswesen
vorgesehen.
Im Juni 2011 musste ich die Umschulungsmaßnahme infolge eines Burnout und einer Bluthochdruckkrise auf Anraten mehrerer Ärzte abbrechen und habe nach langem Hin und Her die EU Rente
im Dezember 2011 beantragt.
Letztendlich sind diese Folgeerkrankungen nichts anderes als die Folgeerkrankungen von jahrelangem
Mobbing. Dieses Buch entstand während der Zeit der Trainingsmaßnahme. Daher habe ich dieses
Buch auch ganz bewusst »Mobbing - der Seelenkiller« genannt. Mobbing entzieht dir Stück um Stück
Lebensenergie - und mein »Belastungs-Akku« ist leer und nicht mehr aufladbar …
Mobbing-Erfahrung & Coming-Out
Parallel zu den Vorfällen in dem kirchlichen Pflegeheim hatte ich noch mein verspätetes Coming-Out,
was mir sehr viel Kraft und Energie entzog. Zuvor wurden von einer sehr intriganten Kollegin private
Telefonate abgehört, wenn mich mein damaliger Freund auf der Arbeit angerufen hat. Sie versuchte
mich dann, aufgrund der Tatsache, dass ich schwul bin, zu mobben. Also musste ich an zwei Fronten
kämpfen.
Meinem Coming-Out-Prozess, der damals ganz frisch war und die Situation, dass mich die neue PDL
schnellstmöglich weghaben wollte, um meine Stelle mit ihresgleichen zu besetzen, belasteten mich sehr.
Das ganze Drama dauerte neun Monate. Für mich der absolute Horror! Bis ich dann Ende September
2000 psychisch zusammenklappte und so schwere Depressionen bekam, dass ich sechs Monate krankgeschrieben werden musste.
Ich hatte wöchentliche Termine beim Psychiater und eine parallel laufende Psychotherapie. Gleichzeitig wurde die Rehabilitationsmaßnahme über den Rentenversicherungsträger beantragt, welche auch
bewilligt wurde. Die neue PDL versuchte die neue stellvertretende Wohnbereichsleitung auf ihre Seite
zu bekommen. Sie gab ihr spezielle Kontrollaufträge, wie sie an neue Fehlerquellen von mir kommen
könne. Diese Taktik ging jedoch daneben, da die neue stellvertretende Wohnbereichsleitung und ich
sehr gut menschlich als auch fachlich kommunizieren konnten.
Meiner Heimleitung teilte ich den Zeitpunkt der Kur mit, dass nun weiterführend klar sei, was ich in
Zukunft beruflich machen werde und ich dann Ende März 2001 meinen Dienst dort quittieren werde.
Wir sprachen noch über dies und das und vereinbarten noch ein Abschlussgespräch. Darin erwähnte
ich auch, dass die neue PDL mich neun Monate lang intensiv gemobbt hat. Die Heimleitung sagte nur
kurz und knapp:
»Ja, Pfleger Michael, in der Kur hatten sie ja sicherlich viel Zeit um das Ganze aufzuarbeiten.«
Ich antwortete ihr: »Ich merke, dass sie das Mobbingthema im Hause nicht wirklich interessiert.«
Danach bin ich aufgestanden und gegangen. Soviel zu einem vertraulichen Krisengespräch und der
Reflexionsfähigkeit der Vorgesetzten.
Jahre später habe ich von einer ehemaligen jungen Wohnbereichsleiterin erfahren, dass diese aufgrund
neuer Mobbingattacken der PDL ihren Job als Wohnbereichsleiterin abgegeben hatte. Die junge Wohnbereichsleiterin hatte auch ein Gespräch mit der Heimleitung geführt: leider auch ohne Erfolg. Die PDL
wurde regelrecht von der Heimleiterin gedeckt.
Ich hielt das Ganze nicht mehr aus! So vereinbarte ich mit der PDL ein Dreiergespräch, an dem die
PDL, die neue stellvertretende Wohnbereichsleitung und ich teilnahmen. In diesem sehr offenen und
klaren Gespräch sprachen wir die PDL offen auf alles an. Auch das Wort »Mobbing« wurde von uns in
den Mund genommen. Wir berichteten genau, wie es uns mit dem Verhalten der PDL ergeht und was
das Ganze detailliert mit uns macht.
Die PDL konnte sich verbal drehen und wenden, wie eine glitschige Schlange. Sie war sehr wortgewandt – menschlich jedoch ein absolutes Armutszeugnis und eine Schande für den Ruf des Pflegeheimes. Die junge, dynamische Wohnbereichsleiterin führte unter anderem auch ein Gespräch mit dem
Betriebsarzt, der Zugleich Vorstand des kirchlichen Hauses war. Er hatte auch schon von dem schlechten Betriebsklima und von Beschwerden der Mitarbeiter gehört. Der Vorstand des Pflegeheimes setzte
eine neutrale Psychologin ein. Diese Psychologin führte dann diverse Gespräche mit allen Betroffenen
und mit der PDL. Jedoch unterm Strich blieb alles beim Alten. Das Mobben hörte nicht auf. Insgesamt
mussten acht Mitarbeiter psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen und zwei mussten stationär
in einer Psychiatrie behandelt werden.
Die PDL versuchte das Ganze schönzureden und das Gespräch in ein für sie gutes Licht zu bringen: was
für eine raffinierte Taktik! Folge des Gesprächs war, dass die neue stellvertretende Wohnbereichsleitung
zeitnah versetzt wurde, weil sie angeblich nicht gut organisieren konnte und sie die Position einer stellvertretenden Wohnbereichsleiterin nicht gut genug ausfüllen könnte.
Der Brief eines Psychiaters und Psychotherapeuten aus dem Landkreis hatte den entscheidenden Stein
ins Rollen gebracht. Dieser informierte den Vorstand, dass seit längerer Zeit mehrere Mitarbeiter/innen
bei ihm in Behandlung wegen des Thema »Mobbing am Arbeitsplatz« sind, welches durch die PDL
ausgelöst wurde.
Trotz des offenen Gesprächs hörten die Kontrollen und Attacken seitens der neuen PDL nicht auf. Ich
wurde mehr und mehr unsicher und schwamm regelrecht in meinen Angsthormonen. Ich konnte zunehmend nicht mehr klar denken. Die Ängste blockierten mich und ich konnte keinen klaren Gedanken
mehr fassen.
Der Vorstand musste nun reagieren und setzte eine außerordentliche Vorstandssitzung ein, in der die
PDL mit dem Schreiben des Psychiaters und Psychotherapeuten konfrontiert wurde. Der PDL wurde
das Vertrauen des Vorstandes unverzüglich entzogen und man lehnte eine weitere Zusammenarbeit
mit ihr ab. Man legte ihr die Kündigung nahe, da der Betriebsfrieden und auch der Ruf des Hauses
durch das Verhalten schwer beschädigt worden ist. Die Verantwortliche Dame ließ sich monatelang
krankschreiben. Das Ganze wurde dann durch eine Kündigung durchs Haus beendet. Da die PDL
nie abgemahnt wurde, musste das Pflegeheim ihr noch eine satte Abfindung zahlen. Der Schaden der
Mitarbeiter und der Ex-Mitarbeiter wurde und konnte nie gutgemacht werden. Eigentlich hätte die
ehemalige Heimleitung auch gehen müssen, denn sie hatte die PDL mehrfach gedeckt und ihre Fürsorgepflicht den Mitarbeiter/innen gegenüber aufs Schärfste verletzt!
Es wurde später auch bekannt, dass die PDL schon in früheren Pflegeheimen, in denen sie gearbeitet
hatte, für solches »mobbinghafte Verhalten« bekannt war. Auch wieder ein Indiz, dass sich die Heimleitung nicht genug beim Einstellungsprozess über die Bewerber erkundigt hatte.
Danach wurde ich Ende September 2000 wegen meines Mobbingkonfliktes am Arbeitsplatz Monate
lang krankgeschrieben und musste eine Rehabilitationsklink aufsuchen, um wieder etwas Land für mich
zu sehen. In dieser Zeit ging ich sehr ungerne zur Arbeit. Ich musste mich richtig dorthin schleppen.
Ich bekam Schlafstörungen, Magenschmerzen, Panikattacken, Schweißausbrüche, wenn ich nur schon
an die Arbeit dachte. Ich war gefangen in einer Angstspirale, aus der ich alleine nicht mehr herauskam.
Ich konnte mich niemandem mehr anvertrauen - obwohl ich selber Mitglied des Betriebsrates war. Ein
unsagbar schrecklicher Zustand, der mich erdrückte und krank machte.
Der Brief, der den Stein ins Rollen bringt
Zweite Mobbing-Erfahrung
Im Sommer 2001 habe ich meine Mobbinggeschichte einem Fachanwalt für Mobbing in Freiburg
im Breisgau vorgelegt. Er sagte mir, dass es momentan in Deutschland nur ein Urteil wegen Mobbing
gibt (Landgericht Erfurt vom 10.04.2001 – Az: 5 Sa 403/2000). Er macht mir auch wenig Hoffnung,
da mir zum einen Zeugen fehlten, die das Ganze vor Gericht bezeugen würden und die einzelnen
Mobbingaktivitäten der PDL nicht zeitnah dokumentiert wurden. Daher mein Tipp an alle Mobbingbetroffenen:
Verwendet den Mobbing-Notfallplan, den ich als Anlage in diesem Buch für euch ausgearbeitet habe.
Dieser Notfallplan kann für dich in einem eventuellen Prozess gegen den Mobber von sehr großer Bedeutung sein. Nur das, was detailliert schriftlich nachgewiesen wird, zählt vor Gericht!
Meine zweite Mobbingerfahrung durfte ich in einem privaten Pflegeheim in Ostberlin machen.
Es war ein Pflegeheim unter privater Trägerschaft mit insgesamt 126 Betten. Ich war dort von Mai
bis August 2007 als Pflegedienstleiter beschäftig. Außenstehende Menschen redeten oft von dem
»Mobbinghaus«. Dieser negative Ruf des Hauses wurde mir sehr schnell selber zum Verhängnis.
Die Heimleitung hatte meine Vorgängerin nach fünfjähriger Tätigkeit als Pflegedienstleitung kurz vor
deren Jahresurlaub abgesetzt, da diese angeblich für das Chaos im Hause verantwortlich gemacht worden ist. Nun suchte die Heimleitung schnellstmöglich eine dynamische PDL, die den Laden schnellstmöglich wieder in den Griff bekommen soll.
Als ich bei der Analyse der vielfältigen Missstände dahinter kam, dass auch einiges an Strukturellem
und Organisatorischem zu ändern sei und es teilweise gefährliche Pflege im Haus gibt sowie Missbrauch
Schutzbefohlener, war ich für die Heimleiterin ein Dorn im Auge. Jetzt war ich ihr Feind geworden,
der ihr wahres Problem erkannt hatte und ihr neues Problem, musste so schnell wie möglich beseitigt
werden … pervers aber wahr! Die Heimleiterin bekämpfte indirekt über mich ihre strukturellen und
organisatorischen Fehler, zu denen sie nicht stehen konnte. Jetzt war ich ihre neue Gefahr – die alte
Gefahr hatte sie ja abgeschossen und jetzt stand ich auf Ihrer inneren Abschussliste. Sie versuchte, mich
auch als schwulen Mann zu mobben, indem sie einen anderen Mitarbeiter, einen schwulen, aalglatten
Typen auf mich angesetzt hatte. Ihr war kein Spielchen zu schmutzig, um mir das Leben als neue PDL
schwer zu machen: Was für eine perfide Taktik.
Diese Katz-und Maus-Spiel habe ich jedoch relativ schnell durchschaut und habe sie in einem persönlichen Schreiben klar, sachlich und ruhig auf die organisatorischen wie auch strukturellen Probleme
des Hauses hingewiesen. Ich schrieb in dem Brief auch, dass ich als Pflegedienstleitung solche schwerwiegenden Missstände aus Fürsorgepflicht den Mitarbeitern und besonders den Bewohnern gegenüber
nicht länger mittragen kann, denn es handelte sich hier eindeutig um gefährliche Pflege, die schnellstmöglich beseitigt werden muss.
Ich gab der Heimleitung dann in einem vertraulichen Vieraugengespräch zu verstehen, das ihr Verhalten mir gegenüber ein ganz klarer Verstoß gegen das AGG ist (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
sei und ich die im Haus bestehenden Missstände als PDL nicht weiter mittragen kann, da sie für mich
aus meinem ethischen Pflegeverständnis untragbar sind.
Daraufhin schlug sie mir einen Auflösungsvertrag vor und stellte mich noch am gleichen Tag frei.
Diesem Auflösungsvertrag habe ich zugestimmt, da mir letztlich meine Gesundheit mehr wert ist, als
alles andere!
Nun hatte sich erfüllt, was die Leute von außen über das Pflegeheim sagten: »Mobbinghaus mit alten
Stasi-Allüren«. Und wieder Pech gehabt, denn selbst bei Mobbing in der Probezeit hat man keine Chance. Der Arbeitgeber kann einem innerhalb der Probezeit ohne Angaben von Gründen kündigen.
In diesem Buch beschriebt Jürgen Staiger, der Autor, seine
persönlichen Mobbingerfahrungen.
Durch viele Gespräche und intensive Recherchen möchte
der dem Leser Hilfestellung mit auf den Weg geben, wie
man dem Phänomen »Mobbing« begegnen kann und zeigt
auch anhand von gesetzlichen Grundlagen, wie sich Opfer
aktiv wehren können.
»Habe den Mut und lass Dich nicht länger durch
Mobbing erdrücken, sondern besiege dieses
Phänomen!«