50 Jahre Oldenburger Ökumenische Gespräche

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50 Jahre Oldenburger Ökumenische Gespräche
50 Jahre Oldenburger Ökumenische Gespräche | www.offizialat-vechta.de | 1. Februar 2016
50 Jahre Oldenburger Ökumenische Gespräche
Die seit 1966 bestehenden „Oldenburger Ökumenischen Gespräche“ sind der älteste ökumenische
Arbeitskreis auf Kirchenleitungsebene in der Bundesrepublik. Über 80 Mal hat dieses Treffen inzwischen stattgefunden, jahrzehntelang zwei Mal im Jahr, später im jährlichen Rhythmus. Mit den
Oldenburger Ökumenischen Gesprächen verbinden sich die Namen der evangelischen Bischöfe von
Oldenburg wie Gerhard Jacobi, Dr. Hans Heinrich Harms, Dr. Wilhelm Sievers, Peter Krug und Jan
Janssen. Katholischerseits sind zu nennen die Bischöfe von Münster wie Dr. Joseph Höffner, Heinrich
Tenhumberg, Dr. Reinhard Lettmann und Dr. Felix Genn, sowie die Bischöflichen Offiziale in Vechta
Heinrich Grafenhorst, Dr. Max Georg Freiherr von Twickel und Heinrich Timmerevers. Zudem haben
immer wieder namhafte Theologen beider Kirchen mitgewirkt.
Mit dem Ökumenismusdekret hatte das Zweite Vatikanische Konzil 1964 für die römisch-katholische
Kirche die Tür zur Ökumene geöffnet. Schon wenig später, am 10. Februar 1965, schrieb der Bischof
der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Oldenburg, Gerhard Jacobi, an den damaligen Bischof von
Münster, Dr. Joseph Höffner: „Es scheint mir an der Zeit zu sein, dass auch im Raum Oldenburg ein
Gespräch zwischen Gliedern der katholischen und der evangelischen Kirche stattfindet.“ So trafen
sich am 8. Januar 1966, genau einen Monat nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, 16
hochrangige Vertreter der beiden Kirchen in Vechta zum ersten Oldenburger Ökumenischen Gespräch, darunter Bischof Gerhard Jacobi (Oldenburg), Bischof Dr. Joseph Höffner (Münster) sowie der
Bischöfliche Offizial Heinrich Grafenhorst (Vechta).
Gesprächsbedarf gab es bei diesem ersten Treffen durchaus. Damals war z.B. die gegenseitige Anerkennung der Taufe noch keine Selbstverständlichkeit. In Folge dieses ersten Treffens wurden katholischerseits alle evangelischen Taufen als gültig anerkannt, die nach der „Ordnung der Kindertaufe“
bzw. der anerkannten Agende der Evangelisch-Lutherischen Kirche Oldenburgs gespendet worden
waren. Damit war ein erster greifbarer Fortschritt erzielt.
Doch nicht nur deswegen trifft Bischof Jacobis Wort zum ersten Treffen: „Brücken sind über den Graben gelegt, der uns seit Jahrhunderten trennt.“ Es entstand eine neue Qualität des Umgangs miteinander: In dieser wie auch in den folgenden Begegnungen wuchs das Vertrauen der Kirchen zueinander. Zwischen Jacobi und Grafenhorst entstand ein sehr persönlicher und vertrauensvoller Briefwechsel. „Bischof Jacobi war mein Bruder; wir haben gemeinsam Freud und Leid geteilt“, sagte Grafenhorst bei Jacobis Verabschiedung im Oktober 1967. Zur Einführung des neuen Oldenburger Bischofs, Dr. Hans Heinrich Harms, kam neben Weihbischof Tenhumberg und Offizial Grafenhorst damals sogar ein Vertreter des römischen Sekretariats zur Förderung der christlichen Einheit, dem vatikanischen „Ökumene-Ministerium“.
Und diese Vertrauensatmosphäre war auch notwendig, denn der Oldenburger Ökumenische Arbeitskreis sparte keine kontroversen Fragen aus.
Zunächst aber stand man gemeinsam vor dem Phänomen der 68er-Bewegung, die sich gegen herrschende Ordnungen auflehnte. „Unsere Sorge um die der Kirche Entfremdeten“ beschäftigte 1968
den ökumenischen Arbeitskreis, denn man konstatierte eine steigende Entfremdung von der Kirche.
Als Hauptursache dafür sah man den modernen weltanschaulichen Pluralismus, verbunden mit einem starken Streben nach persönlicher Autonomie. So befasste man sich bei den nächsten drei
Zusammenkünften mit dem Thema „Autorität und Freiheit“. Der weltanschauliche Pluralismus, der
Protest gegen herrschende Ordnungen, das Betonen von Autonomie und persönlicher Freiheit war
eine gemeinsame Herausforderung, der sich die Kirchen stellen mussten.
Mit der Frage um die Interkommunion war man ab 1970/71 bei einem heißen Eisen angekommen,
das bis zum heutigen Tag den wohl größten Leidenspunkt in der evangelisch-katholischen Ökumene
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bildet, ganz besonders in konfessionsverbindenden Ehen und Familien. Weil die Frage um ein gemeinsames Abendmahl untrennbar mit Weiheamt und Ordination sowie mit der gegenseitigen Anerkennung der geistlichen Ämter zusammenhängt, rangen die Gesprächsteilnehmer in den folgenden
zwölf Zusammenkünften mit „Fragen des Amtes als Voraussetzung zur Interkommunion“. Man hoffte
die Voraussetzungen für Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft erarbeiten zu können, stieß aber immer wieder an die eigenen Grenzen. Am dem 8. Januar 1978 wurde dann eine Textvorlage mit dem,
was man erreichen konnte, veröffentlicht.
In der 1990er Jahren standen immer wieder Fragen um den Religionsunterricht auf der Tagesordnung. Beide Kirchen verband das Interesse, den konfessionellen Religionsunterricht aufrecht zu erhalten. Beiden Kirchen lag daran, die Bedeutung des Religionsunterrichts im Bildungsplan der allgemeinbildenden Schulen gegenüber Staat und Wirtschaft deutlich zu machen und sich einer Marginalisierung des Faches entgegen zu stellen.
Manches Treffen war von aktuellen Ereignissen bestimmt, wie z.B. 1996 durch das Karlsruher Kreuzurteil. Und im Jahr 1998 veranlasste das verheerende Zugunglück bei Eschede die Gesprächsrunde,
sich mit dem Notfallseelsorge-Projekt in Wilhelmshaven näher zu beschäftigen. Überhaupt setzte
man sich mehrfach mit den Möglichkeiten kirchlichen Engagements für eine gerechtere Gesellschaft
auseinander: Im Jahr 2000 ging es beim Besuch der JVA für Frauen in Vechta um „Chancen und Grenzen der Gefängnisseelsorge“, im Jahr 2001 um „Jugendsozialarbeit als Arbeitsfeld kirchlichen Handelns“. Beim Treffen 2012 stand das Thema „Nachhaltigkeit und die Gestaltungsverantwortung der
Kirchen“ im Mittelpunkt.
Immer wieder stellten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen – im Laufe der Jahre gehörten auch
immer mehr Frauen der Gesprächsrunde an – den gesellschaftlichen Entwicklungen und ihrer Bedeutung für die Kirchen. So ging es beim Treffen 2006 um „Veränderungen der Bestattungskultur in
Deutschland“. Im Jahr 2013 setzte sich die ökumenische Gesprächsrunde mit dem Dokument „Das
christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ auseinander.
Taufe und Heilige Schrift, evangelische und katholische Frömmigkeitsformen und vieles andere mehr
stand in diesen Jahren auf der Agenda. Nicht nur ein Mal wurde um die Möglichkeitsbedingungen
ökumenischer Gottesdienste gerungen. Eine Frucht der Oldenburger Ökumenischen Gespräche waren die gemeinsamen Studientage, die von 2003-2010 regelmäßig als Orte ökumenischen Lernens für
Seelsorger und Seelsorgerinnen der beiden Kirchen, später zudem auch für alle ökumenisch Interessierten, angeboten wurden.
Die Oldenburger Ökumenischen Gespräche als evangelisch-katholisches Forum waren 1966 in dieser
Form ein Novum und ein enormer Fortschritt. Einen vorsichtigen Versuch, diese Zweier-Ökumene
auch für weitere Kirchen zu öffnen, gab es 1971. Damals waren zum ökumenischen Gottesdienst, der
im Anschluss an die Gespräche stattfand, bewusst neben katholischen und evangelischen Gemeindemitgliedern auch Angehörige der Freikirchen eingeladen. In den letzten 15 Jahren sind im Oldenburger Land mehrere Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen (ACK) entstanden, in denen Freikirchen, „altkonfessionelle“ Kirchen sowie orthodoxe Kirchen gemeinsam mit evangelischenlutherischen und römisch-katholischen Gemeinden Ökumene leben. Vertreter und Vertreterinnen
dieser in unserer Region oft kleinen Kirchen werden beim Festakt zu 50 Jahre Oldenburger Ökumenische Gespräche als Gäste mit dabei sein. Vielleicht wird daraus in Zukunft noch mehr entstehen.
Dr. Gabriele Lachner, 29.1.2016

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