Working Paper No. 90

Transcription

Working Paper No. 90
Working Paper / Arbeitspapier
PROJEKTMANAGEMENT IM INNOVATIONSPROZESS
Analyse des Managements von Innovationsprojekten am Beispiel
des Lead User-Ansatzes
Tobias Sebastian Schmidt, Jens Lehnen*, Cornelius Herstatt
November 2015
Working Paper / Arbeitspapier Nr. 90
Hamburg University of Technology (TUHH)
Institute for Technology and
Innovation Management
Am Schwarzenberg-Campus 4
D-21073 Hamburg
Tel.: +49 40 42878 3777
Fax: +49 40 42878 2867
[email protected]
www.tuhh.de/tim
* Corresponding author
Abstract
Lead User führen Bedarfstrends an und liefern dabei nicht nur Informationen zur Frage, was benötigt
wird, sondern auch wie Lösungen umgesetzt werden können. Diese Lösungsinformationen sind im
Innovationprozess von sehr großem Wert für ein Unternehmen, insbesondere wenn sie Monate oder
Jahre vor dem Aufkommen des Bedarfs in der breiten Masse des Zielmarkts existieren. Das
Unternehmen gewinnt Zeit für eine adäquate Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen zur
Bedarfsbefriedigung und profitiert gemäß dem Open Innovation-Ansatz vom Wissen und den
Erfahrungen der Lead User. Obwohl die Lead User-Methode, die dem Unternehmen zur
Identifikation von Lead Usern und deren Nutzbarmachung dient, sehr vielversprechende
Eigenschaften aufweist, kommt sie in der Praxis vergleichsweise selten zum Einsatz. Dies lässt sich
auf eine problematische Organisation und Durchführung der Methode in der Praxis zurückführen.
Problematisch sind vor allem der hohe Arbeitsaufwand, die Wissensasymmetrie sowie involvierte
Risiken, die den Erfolg und teilweise die Sinnhaftigkeit der Methodendurchführung in Frage stellen.
Projektmanagement bietet ein umfangreiches Instrumentarium zur Bewältigung dieser Probleme.
Dieses Arbeitspapier stellt deshalb einen Versuch dar, identifizierte Verbesserungspotentiale mit Hilfe
des Projektmangements auszuschöpfen. Die Untersuchung versteht die Lead User-Methode daher
nicht als Vorgehensbeschreibung, sondern als Projekt, das einer leistungsmaximierenden und
risikominimierenden Handhabung bedarf. Eine explorative Fallstudienanalyse dient dazu, neue
Einflussfaktoren auf diesem Gebiet offenzulegen und eine Praxisorientierung herzustellen. Das
Hauptergebnis der Untersuchung ist ein Managementmodell für Lead User-Projekte als Hybrid aus
agilem Projektmanagement und dem Stage Gate-Ansatz. Es verbessert die Leistungsfähigkeit des
Innovationsprozesses mit eingebetteter Lead User-Methode und schafft eine Beherrschbarkeit der
besonderen Rahmenbedingungen im Fuzzy Front End, ohne die erfolgskritische Kreativität negativ zu
beeinflussen. Experten verifizieren schließlich die Praxistauglichkeit und -relevanz des Hybrids. Es
stellt sich in der Untersuchung heraus, dass sich eine professionelle Projektierung der Lead UserMethode lohnt. Vor allem die agilen Prinzipien erweisen sich als besonders vorteilhaft und praktisch
anwendbar.
Keywords: Lead User-Methode, Projektmanagement, Agile Methoden, Agile/Stage Gate-Hybrid
nicht den Kundenbedürfnissen, werden sie am
1
Markt nicht angenommen - solch fehlgeschla-
Einleitung
gene Markteinführungen können zu existenzi-
Die Notwendigkeit zur Entwicklung innovati-
ellen Folgen für die Unternehmen führen (vgl.
ver Produkte und Dienstleistungen hat sich in
Lüthje, Herstatt 2004, S. 553). Zur Verminde-
den letzten Jahren deutlich verstärkt. Gründe
rung des Risikos von Neuproduktentwicklun-
dafür sind bspw. neu entwickelte Technologien,
gen werden zunehmend die Unternehmens-
eine zunehmende Globalisierung und sich ver-
grenzen im Innovationsprozess geöffnet und
ändernde, gesellschaftliche Rahmenbedingun-
externe Stakeholder wie Kunden, Lieferanten
gen (vgl. Lettl et al. 2006, S. 251). Daraus resul-
oder Konkurrenten integriert (vgl. Urban, von
tieren eine verstärkte Individualisierung von
Hippel 1988, S. 569). Dieses Phänomen wird als
Kundenbedürfnissen sowie verkürzte Produkt-
Open Innovation bezeichnet (vgl. Chesbrough
lebenszyklen (vgl. Reichwald et al. 2009, S. 305).
2003, S. 43 ff.). Eine besondere Kundenform mit
Die Innovationskraft innerhalb der Unterneh-
großem Potenzial für die Unternehmen sind so
men reicht daher oftmals nicht mehr aus, um
genannte Lead User. Diese nach dem MIT-
kundenorientierte Produkte und Dienstleistun-
Professor Eric von Hippel (1986) definierten
gen zu entwickeln. Entsprechen Innovationen
1
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Nutzer zeichnen sich durch zwei wesentliche
von Lead Usern entwickelt (vgl. Herstatt et al.
Eigenschaften aus (Hippel 1986, S. 796):
2001). Der Ablauf umfasst vier Hauptphasen,
•
•
wie in Abbildung 2 visualisiert.
Lead User sind Anwender, die mit Bedürfnissen konfrontiert sind, die sich erst
1. Phase: Zu Beginn wird ein interdisziplinäres
später am Markt etablieren werden.
Team von drei bis sechs Personen bspw. aus
Sie sind in der Lage, eigene Lösungen zur
den Abteilungen F&E, Fertigung, Marketing
Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu entwickeln
und Vertrieb zusammengestellt. Das Innovati-
und dadurch besonders zu profitieren.
onsfeld, in dem Ideen generiert werden sollen,
wird abgesteckt und das Projekt unter Berück-
Lead User zeichnen sich also insbesondere da-
sichtigung der spezifischen Rahmenbedingun-
durch aus, dass sie Bedürfnisse und Lösungs-
gen formal initialisiert.
ansätze vor dem Massenmarkt erfahren und
kommunizieren können. Sie sind daher zeitlich
2. Phase: Das Team identifiziert bspw. mit Hilfe
vor der Kommerzialisierung von Produkten
der
und Dienstleistungen einzuordnen. Abzugren-
Technologie- und Gesellschaftstrends, wählt
zen sind Lead User demnach von so genannten
unter Einbezug des Top Managements etwa
Early Adopters, also Personen, die Produkte
fünf relevante Trends für die weitere Betrach-
und Dienstleistungen zwar sehr schnell adap-
tung aus und leitet entsprechende Bedarfe ab.
tieren, aber eben erst dann, wenn sie bereits
Zusätzlich zu Experteninterviews und dem
vorhanden sind (vgl. Abbildung 1). Lead User
Abschöpfen von internem Wissen sollte eine
Delphi-Methode
Markt-,
Wirtschafts-,
innovieren oftmals selbst, um Lösungen für
Internet-, Datenbank- und Literaturrecherche
ihre Probleme zu schaffen. Unternehmen kön-
durchgeführt werden (vgl. Lüthje, Herstatt
nen diese Innovationen adaptieren und in
2004, S. 561).
kommerziell erfolgreiche Produkte umsetzen.
3. Phase: Aufbauend auf den Ergebnissen von
So wurden bspw. erfolgreiche Innovationen im
Phase 1 und 2 sind Merkmale der gesuchten
Extremsportbereich wie das Mountainbike,
Lead User abzuleiten. Anschließend werden
Skateboard oder Wakeboard von Lead Usern
mit Hilfe der Screening- oder Pyramiding-
entwickelt. Auch Haushaltsprodukte wie Tip-
Methode potentielle Lead User und Lead
Ex oder Post-Its basieren auf Erfindungen von
Experts gesucht. Beim Screening (parallele Su-
Lead Usern und sind im alltäglichen Gebrauch
che) werden Merkmale in einen Fragebogen
nicht mehr wegzudenken (vgl. Wagner, Piller
überführt und an eine repräsentative Gruppe
2011, S. 4). Damit Unternehmen nicht auf oft-
von Personen verteilt. Die Güte der Merkmaler-
mals zufällig entstandene Innovationen warten
füllung lässt auf Lead User schließen (vgl.
und reagieren müssen, wurde die Lead User-
Schreier, Prügl 2008, S. 344). Das Pyramiding
Methode als aktiver Prozess zur Integration
Marktdiffusion
Produkt- bzw. Dienstleistungseinführung
Routineanwender
Early
Adopters
Lead User
Nachzügler
Zielmarkt/Massenmarkt
Zeit
Abbildung 1: Idealtypische Bedarfsdiffusion nach Churchill et al. (2009, S. 7)
2
Working Paper Nr. 90
1. Phase
Start des Lead
User-Projekts
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
2. Phase
Identifikation von
Bedürfnissen und
Trends
3. Phase
Identifikation von
Lead Usern und
deren Ideen
4. Phase
Entwicklung von
Lösungskonzepten
(Workshop)
• Bildung interdisziplinärer
Teams
• Interviews mit Marktund Technologieexperten
• Networking-Suche
nach Usern im Zielmarkt
• Planung eines Workshops mit Lead Usern
und Mitarbeitern
• Festlegung der
Zielmärkte
• Scanning von Internet,
Literatur, Datenbanken
• Networking-Suche in
analogen Märkten
• Weiterentwicklung der
Ideen
• Definition der
Projektziele
• Selektion der
wichtigsten Trends
• Findung und erste
Evaluation der Ideen
• Dokumentation und
Konzeptbewertung
Abbildung 2: Die Lead User-Methode nach Herstatt und von Hippel (1992, S. 216 ff.)
(sequenzielle Suche) basiert auf dem Schnee-
dukten und Dienstleistungen der Absatz und
ballprinzip (vgl. Hippel et al. 2009, S. 1397).
die Wahrscheinlichkeit, dass das neu entwickel-
Beginnend mit der Befragung weniger Experten
te Design eine neue Produktlinie gründet, signi-
im Innovationsfeld werden durch konsequentes
fikant (vgl. Herstatt, Hippel 1992, S. 219 f.; Li-
Weiterempfehlen zu Personen mit noch um-
lien et al. 2002, S. 1051 f.). Es gibt verschiedene,
fangreicherer Erfahrung die „besten“ Lead User
oft zitierte Standardbeispiele von Unterneh-
aus dem sozialen Netzwerk herausgefiltert (vgl.
men,
ebd., S. 1398 f.).
durchgeführt haben. Hilti entwickelte innovati-
die
erfolgreiche
Lead
User-Projekte
ve Bohrvorrichtungen mit Lead Usern, Johnson
4. Phase: Am Ende des Projekts werden die
& Johnson arbeitet eng mit solchen Personen im
identifizierten Lead User zusammen mit den
Bereich der Medizintechnik zusammen (vgl.
unternehmensinternen Mitarbeitern zum etwa
Herstatt, von Hippel 1992, S. 215 ff.). Auch 3M
zweitägigen Workshop eingeladen, in dem sie
führt
interaktiv neuartige Lösungskonzepte entwer-
regelmäßig
erfolgreiche
Lead
User-
Projekte durch (vgl. von Hippel et al. 1999, S. 47
fen und prüfen. Zunächst werden dafür die
ff.; Lüthje, Herstatt 2004, S. 554). Bislang ist das
Teilnehmer in mehrere Subgruppen eingeteilt,
Potential dieser Methode allerdings nicht voll-
die entweder Gesamt- oder Teilkonzepte erar-
ständig ausgenutzt, weshalb sie die industrielle
beiten. Im Anschluss finden sich alle Subgrup-
Praxis nur relativ selten adoptiert (vgl. Olson,
pen zur Plenumsdiskussion und zur Findung
Bakke 2001, S. 388; Lüthje, Herstatt 2004, S. 554
eines finalen Konzeptvorschlags zusammen.
f.). Kommt sie jedoch zur Anwendung, ge-
Nachdem die Ergebnisse des Lead User-
schieht dies oftmals zu unregelmäßig und un-
Workshops adäquat dokumentiert sind, wird
systematisch (vgl. Wagner, Piller 2011, S. 4).
das Konzept unternehmensintern ausgearbeitet
Insbesondere im Projektmanagement der Lead
und dem Top Management zur Freigabe des
User-Projekte kommt es zu Problemen. So min-
Entwicklungsprojekts vorgestellt. Das Lead
dert die Planungsunsicherheit dieser Projekte
User-Projekt gilt dann als abgeschlossen.
insbesondere in Bezug auf die einzusetzenden
Die Wirkung der Lead User-Methode auf den
Ressourcen die Anwendung dieser Methode in
Unternehmenserfolg ist vielversprechend. Zum
der Praxis. Zudem ist der Output kaum vorher-
einen werden Kundenbedarfe früh erkannt und
sehbar, sodass Abwägungen bzgl. Aufwand
zu einem außergewöhnlich hohem Grad be-
und Ertrag der Projekte erschwert werden.
friedigt, sodass Risiken bei der Markteinfüh-
Studien zeigen jedoch, dass der Innova-
rung minimiert werden (vgl. Lilien et al. 2002,
tionsprozess durch adäquates Projektmanage-
S. 1051 f.; Lüthje, Herstatt 2004, S. 557; Lehnen
ment verbessert werden kann (vgl. Verworn et
et al. 2014, S. 18). Zum anderen steigen im Ver-
al. 2000, S. 9 - 16; Herstatt et al. 2007a, S. 28 - 34;
gleich zur klassischen Entwicklung von Pro-
Peters 2011, S. 55 - 59). Probleme wie Wissens3
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
asymmetrien und komplexes Identifizieren von
Aspekten des Projektmanagements. Die auftre-
Lead Usern legen dies im Speziellen auch für
tenden Probleme lassen sich nicht immer klar
die Lead User-Methode nahe (vgl. Olson, Bakke
voneinander abgrenzen und können sich statt-
2001, S. 392 - 394; Lilien et al. 2002, S. 1051 -
dessen beeinflussen (bspw. kann eine aufwen-
1055). Unprofessionelles Projektmanagement
dige Recherche nach Lead Usern zu Kosten-
kann jedoch als Innovationshemmnis wirken
und Terminüberschreitung führen). Zu erken-
(vgl. Herstatt et al. 2007a, S. 14). Das Projekt-
nen ist jedoch, dass viele der genannten Prob-
management bietet durch seine Varianten- und
lembereiche die Unsicherheit der Lead User-
Methodenvielfalt also große Chancen (z.B. Leis-
Projekte durch eine erschwerte Vorhersage des
tungssteigerung), aber auch Risiken (z.B. Ver-
Prozessablaufs betreffen. Dies beeinflusst die
nachlässigung der Kreativität) für den Lead
Steuerbarkeit und Komplexität der Projekte.
User-basierenden
(vgl.
Eine langfristige, strikte Planung des Projektab-
Peters 2011, S. 59, 62). In diesem Kontext werfen
laufs ist dadurch kaum möglich. Ein operativer,
sich zwei grundlegende Fragen auf:
kurzfristiger Prozess erscheint sinnvoller, um
•
Innovationsprozess
iterativ Herausforderungen des Projekts zu
Können klassische oder neuartige Formen
erkennen und Lösungsansätze zu entwickeln.
des Projektmanagements helfen, Hemm-
Dies basiert auf den Grundlagen eines integra-
nisse im Innovationsprozess mit eingebet-
len Managementsystems.
teter Lead User-Methode abzubauen?
•
Integrales Managementsystem
Wie genau kann die Leistungsfähigkeit des
auf dem Lead User-Ansatz beruhenden
Da Innovationen unter anderem mit inhaltli-
Innovationsprozesses durch die Instru-
cher und organisatorischer Komplexität einher-
mente des modernen und professionellen
gehen, sie auf Neu- und Einzigartigkeit basie-
Projektmanagements verbessert werden?
ren sowie durch den wettbewerbsindizierten
Das Ziel dieses Arbeitspapiers ist es, dem Ma-
Innovationsdruck zeitlich befristet sind, erfül-
nagement von Innovationsprojekten, die dem
len Innovationsvorhaben die Wesensmerkmale
Lead User-Ansatz folgen, Möglichkeiten aufzu-
eines Projekts (vgl. Hauschildt, Salomo 2011, S.
zeigen, Innovationshemmnisse durch den Ein-
58; PMI 2013, S. 3; DIN 69901:2009-01). In ande-
satz von Projektmanagement zu minimieren
ren Worten ist es aus begriffsdefinitorischen
und somit die Leistung von Innovationsprozes-
Gesichtspunkten also möglich, eine Innovation
sen zu maximieren.
als Projekt zu betrachten. Als abteilungsübergreifende Arbeitsteilung im Innovationsprozess
Probleme der Lead User-Methode
ist die Behandlung einer Innovation als Projekt
In der Literatur sind verschiedene, mitunter
prinzipiell nicht nur möglich, sondern auch
durch empirische Anwendungen belegte Aus-
sinnvoll und lohnenswert (vgl. Edmondson,
sagen über die Probleme bei Lead User-
Nembhard 2009, S. 127). Innovationen können
Projekten zu finden. Teilweise sind dies für
insbesondere mechanistischen Organisationen,
diese Methode spezifische Probleme wie die
schwierige
Identifizierung
wirklicher
die auf Stabilität und Kontinuität bauen, große
Lead
Probleme bereiten, da diese strukturell auf Rou-
User (vgl. Herstatt, von Hippel 1992, S. 215).
tinevorgänge ausgelegt sind (vgl. Horsch 2003,
Oftmals treten jedoch Schwierigkeiten auf, die
S. 15; Hauschildt, Salomo 2004, S. 60 - 62). “...
dem generellen Projektmanagement zuzuord-
[H]alte die radikalen Innovatoren komplett
nen sind. Tabelle 1 bietet eine Übersicht der
Problembereiche
von
Lead
separiert von den Traditionalisten, die das All-
User-Projekten,
tagsgeschäft führen” rät Tushman (1997, S. 171,
unterschieden nach für diese Methode spezifi-
zit. nach Herstatt, Verworn 2007, S. 308). Das
schen Herausforderungen sowie allgemeinen
Projektmanagement kann das Koordinieren
4
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Hanisch, Wald 2013, S. 198 f.).
und Steuern dieser Sondervorgänge ermöglichen, indem sie vom Alltagsgeschehen in eine
Grundsätzlich existieren dazu verschiedene
situativ optimierte Projektorganisation abge-
Projektmanagementmodelle. Einer weltweiten
koppelt werden (vgl. Turner, Müller 2003, S. 7;
Wissensmanagement
Zeitlicher, finanzieller und personeller Aufwand
Art
Lead User-Methode
Projektmanagement
Aufwendige Recherche (vgl. Lüthje, Herstatt 2004,
S. 562; Hippel 2005, S. 76)
Zusatzaufwand durch unnötige Komplexität (vgl. Link
2014, S. 67)
Aufwendige Suche nach Mitarbeitern mit entsprechender Ausbildung (vgl. Olson, Bakke 2001, S.
391)
Zu großer bürokratischer Aufwand (vgl. Herstatt et
al. 2007b, S. 6, 2007a, S. 58)
Motivieren der Lead User zur Teilnahme an Workshop (vgl. Lüthje, Herstatt 2004, S. 564)
Aufwendiges Finden von geeigneten Lead Usern
(vgl. Olson, Bakke 2001, S. 391 f.)
Aufwendiger Lead User-Workshop (vgl. Lüthje,
Herstatt 2004, S. 565)
Vage Sprache der Lead User („information
stickiness“) (vgl. Olson, Bakke 2001, S. 392; Hippel
2005, S. 70)
Schlechter Wissensfluss über den Prozess (vgl.
Olson, Bakke 2001, S. 392; Lüthje, Herstatt 2004, S.
563)
Fragwürdiger Schutz des geistigen Eigentums (vgl.
Greer, Lei 2012, S. 77)
Schlechte Ergebnisübergabe zwischen F&E und Entwicklung (Inventions- und Entwicklungsprojekt werden als
separate Vorhaben angesehen) (vgl. Roberts 2007, S. 47;
Huber et al. 2014, S. 34)
Unterschiedliche „Sprache“ der verschiedenen Spezialisten im Innovationsprojekt (vgl. Verworn et al. 2008,
S. 13; Edmondson, Nembhard 2009, S. 128 f.; Dahlander, Gann 2010, S. 705)
Not Invented Here-Syndrom (vgl. Lüthje, Herstatt
2004, S. 562)
Gefahr des Nicht-Folgens des Trends (wenn Lead
User zu weit vor dem Zielmarkt sind) (vgl. Olson,
Bakke 2001, S. 391)
Unsicherheiten
Tendenz zur Kosten- und Terminüberschreitung (vgl.
Verworn et al. 2000, S. 15; Herstatt et al. 2007a, S. 30)
Große Planungsunsicherheiten der Recherche
durch ungenauen Umfang (vgl. Lüthje, Herstatt
2004, S. 563)
Fehlende oder mangelhafte Risikoplanung (vgl.
Verworn et al. 2000, S. 17; Herstatt, Verworn 2007, S. 30)
Generelles Problem von Unsicherheiten im Projektmanagement (vgl. Verworn et al. 2008, S. 12; Peters
2011, S. 57)
Personalfluktuation (vgl. Olson, Bakke 2001, S.
392)
Kompliziertes Finden von geeigneten Lead Usern
(vgl. Olson, Bakke 2001, S. 391 f.; Hippel 2005, S.
76)
Kompliziertes Unterfangen der Recherche (vgl.
Lüthje, Herstatt 2004,S. 562)
Unternehmen hat keine geeignete Organisationsstruktur, die die Lead User-Methode benötigt (vgl. Olson, Bakke 2001, S. 393 f.)
Zu wenige Personen im Unternehmen und auf
dem Arbeitsmarkt mit entsprechender Ausbildung zur Methodendurchführung vorhanden
(vgl. Olson, Bakke 2001, S. 391)
Schlechte Steuerbarkeit des Prozesses (vgl. Link 2014,
S. 67)
Schwierige Überschaubarkeit des Prozesses (vgl. ebd.,
S. 67)
Überforderung der Mitarbeiter durch Komplexität
(vgl. Brügge et al.2011, S. 72; Link 2014, S. 67)
Unnötige Komplexität durch übertriebene Kundennähe (vgl. Link2014, S. 67)
Unzureichende Kenntnisse in der Innovations- und
Projektsteuerung (vgl. Verworn et al. 2000, S. 15; Herstatt et al. 2007a, S. 30, 32 - 34)
Unzureichende Kenntnisse im PM (vgl. Verworn et
al. 2000, S. 17; Herstatt et al. 2007b, S. 1, 2007a, S. 28)
Autoritärer Führungsstil als Innovationshemmnis (vgl.
Verworn et al.2000, S. 16)
Führungsstil
Ausbildung
der Mitarbeiter
Komplexität
Gefahr des Nicht-Lohnens der Lead UserMethode (wenn Lead User nicht weit genug vor
dem Zielmarkt) (vgl. ebd., S. 391)
Innovationssteuerung wird als Fremdkontrolle angesehen (vgl. Herstatt et al. 2007b, S. 6)
Geringe Bereitschaft zur Aufgaben- und Verantwortungsdelegation (vgl. Verworn et al. 2000, S. 16)
Tabelle 1: Problembereiche der Lead User-Methode und des Projektmanagements (eigene Darstellung)
5
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Studie der PricewaterhouseCoopers AG zufolge
Komplementär rückt den projekt- bzw. innova-
verwenden 41% der 1524 Befragten aus 38 Län-
tionsübergreifenden Erfolg in den Vordergrund
dern und 34 Branchen den Industriestandard
und fokussiert damit die Innovationspipeline
“Project Management Body of Knowledge”
(langfristige Perspektive). Unter anderem wählt
(PMBoK) (vgl. PwC 2012, S. 18). Projects in
es Timing- und Selektionsstrategien („Was soll-
Controlled Environments 2 (Prince2) und agiles
te wann realisiert werden?“), definiert Innova-
Projektmanagement, das vor allem in der Soft-
tionsfelder („Auf welchem Gebiet soll das Un-
wareentwicklung zum Einsatz kommt, spielen
ternehmen innovativ sein?“), legt den Ziel-
mit 3 und 9% eine eher untergeordnete Rolle
markt fest und bemüht sich um eine innovati-
(vgl. Abbildung 3).
onsfördernde Unternehmenskultur (vgl. ebd., S.
Kein
Modell;
26%
19 f., 27). Projektmanagement beschäftigt sich
Sonstige;
21%
somit vorrangig mit der effizienten, operativen
und Innovationsmanagement primär mit der
ITMethoden
(vor allem
agile); 9%
PMBoK;
41%
effektiven strategischen Umsetzung der Ziele
(vgl. ebd., S. 18 f.). Beide Disziplinen bilden
zusammen das integrale Managementsystem
und grenzen, angewendet auf die Lead User-
PRINCE
2; 3%
Methode, den Betrachtungsbereich für nachfolgende Untersuchung ab.
Abbildung 3: Popularität der Projektmanagementmodelle in Anlehnung an PwC (2012, S. 18)
In Verbindung mit der Lead User-Methode
Die Besonderheit von agilem Projektmanage-
nagementsystem eine bilaterale “Geben-und-
besteht zwischen ihr und dem integralen MaNehmen” Relation: Gegenüber dem Innova-
ment liegt zum einen im sehr schlanken Regel-
tionsmanagement hilft die Lead User-Methode
werk. Zum anderen erlaubt der iterative Cha-
dem Innovationsmanagement beim Verstehen,
rakter, der auf zwei- bis vierwöchigen Sprints
was die Bedürfnisse des Kunden wirklich be-
basiert, auf Unvorhersehbares relativ zeitnah
friedigt (vgl. Lilien et al. 2002, S. 1051), sowie
zu reagieren. Jeder Sprint bringt durch eine
beim Sammeln von Produkt- und Fertigungs-
individuelle Planung, Durchführung und Steu-
ideen (vgl. Hippel 1986, S. 800). Sie wirkt zu
erung das Projektergebnis näher an die Erwar-
einem gewissen Grad dem Not Invented Here-
tungen des Auftraggebers. Am Ende jedes
Syndrom entgegen (vgl. Lüthje, Herstatt 2004,
Sprints werden die Ergebnisse mit dem Auf-
S. 562) und generiert neues Wissen im Unter-
traggeber diskutiert, sodass im darauffolgen-
nehmen (vgl. Wagner, Piller 2011, S. 5). Außer-
den Sprint die verfeinerten Erwartungen bzw.
dem bietet sie die Möglichkeit, Trends früh oder
Änderungswünsche sowie Unvorhergesehenes
sogar als Erster zu erfahren (vgl. Lüthje, Her-
Berücksichtigung findet (vgl. Schwaber, Suther-
statt 2004, S. 557). Gegenüber dem Projektma-
land 2013).
nagement hilft die Lead User-Methode beim
Das Projektmanagement dient als prozess- und
Definieren und Planen des Entwicklungspro-
effzienzorientiertes Führungskonzept, mit dem
jekts, indem die Informationsbasis breiter und
die innovative Idee verwirklicht wird (vgl.
verlässlicher wird (vgl. Wagner, Piller 2011, S.
Horsch 2003, S. 19). Es zielt auf eine optimale
6). So beugt sie möglichen Projektabbrüchen
Umsetzung hinsichtlich der Zeit-, Budget- und
vor (vgl. Cooper, Kleinschmidt 1993, S. 76; Kim,
Qualitätsdimensionen ab (magisches Dreieck)
Wilemon 2002, S. 274).
und begrenzt sich dabei auf den Erfolg des
Auf der anderen Seite gibt das Innovationsma-
jeweiligen Projekts (kurz- und mittelfristige
nagement der Lead User-Methode unterneh-
Perspektive). Das Innovationsmanagement als
6
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
mensspezifische Innovationsstrategien vor, die
artige Erkenntnisse zu gewinnen. Nachteilig ist
insbesondere in der Trendanalyse, Definition
die bedingte Vergleichbarkeit der Fallstudien
des Zielmarkts und der Suche nach geeigneten
aufgrund von Datenlücken, die auf die Halb-
Lead Usern deutlich wird. Zusätzlich liefert das
standardisierung zurückzuführen sind.
Projektmanagement der Lead User-Methode
Die Interviews gliedern sich in vier Phasen. Die
Hilfsmittel zur effizienten und risikominimierenden
Durchführung
(z.B.
Risiko-
Gesprächseröffnung mit besonders offenen
und
Fragen (z.B. „Welche Probleme sind im Rah-
Stakeholdermanagement).
men der Lead User-Projektdurchführung aufgetreten?“) baut Barrieren ab und schafft eine
2
Informationsgrundlage für Fragen und Diskus-
Methode
sionen in den anschließenden Phasen. In der
Zur Erforschung der Problembereiche dienen
folgenden allgemeinen Sondierung wird der
Interviews mit qualitativen und explorativen
Interviewteilnehmer sukzessive mit den Prob-
Charakter zur Aufnahme von industriellen
lemfeldern konfrontiert, um die individuelle
Fallstudien. Ziel ist es dabei also nicht, bekann-
Meinung, Argumente und ggf. Problemlösun-
te Faktoren oder Phänomene tiefer zu durchdringen
(deskriptiver
Charakter),
gen aufzunehmen. Dabei macht es keinen Un-
sondern
terschied, ob die Problemlösungen bereits ge-
vielmehr unbekannte Faktoren und Argumente
testet oder ungetestet sind, ein Gedankenspiel
hervorzubringen (vgl. Wrona 2005, S. 26 f., 35).
oder ein wohlüberlegtes Lösungskonzept dar-
In anderen Worten ist das primäre Ziel der
stellt. Jede Information kann helfen, neue Mög-
Fallstudienanalyse, die existierende Theorie
lichkeiten in den Problemfeldern zu erschlie-
zum Thema Lead User und Projektmanage-
ßen. Um die Argumente und gelieferten Kon-
ment im Innovationsprozess zu erweitern, an-
zepte tiefgehend zu durchdringen, dient die
statt sie zu validieren. Aufgrund der Struktu-
anschließende spezifische Sondierung der In-
rierung nach Problemfeldern folgt die Untersu-
terpretation und Diskussion von bereits Gesag-
chung der Methode des problemkonzentrierten
tem. Zum Schluss gibt der Ad hoc-Frageteil die
Interviews.
Möglichkeit zur Klärung letzter Unklarheiten
Das problemkonzentrierte Interview, das an
(vgl. Witzel 2000, S. 146 f.; Witzel, Reiter 2012,
den Grounded Theory-Ansatz angelehnt ist
S. 64 - 94). Insgesamt sind sechs Interviews
(vgl. Glaser, Strauss 1967; Witzel 2000, S. 143),
telefonisch geführt worden. Die Interviewdauer
versucht, mit einem gezielt offenen Gesprächs-
beträgt jeweils etwa eine Stunde. Um einen
rahmen die individuelle Perspektive des Be-
uneingeschränkten Informationsfluss zu ge-
fragten in Bezug auf ein gewisses Problem bzw.
währen und somit verzerrte Darstellungen
Thema zu entfalten (vgl. Wrona 2005, S. 25 f.).
vorzubeugen, verpflichtet sich die Studie zur
Ein Frageleitbogen, der eher als Richtlinie und
Anonymität. Tabelle 2 liefert einen Überblick
nicht als konkreter Ablaufplan des Gesprächs
über die Teilnehmer. Aufgrund der sehr unter-
zu verstehen ist, gibt der Interviewdurchfüh-
schiedlichen Fallzahl von durchgeführten Lead
rung einen roten Faden (vgl. Witzel 2000, S.
User-Projekten und der Perspektivenverschie-
145). Da nicht alle Interviewteilnehmer mit den
denheit werden die Unternehmen in die Klas-
gleichen Fragen konfrontiert werden, sondern
sen “beratend” und “produzierend” eingeteilt.
der Interviewer immer wieder gelieferte Argu-
Unternehmen A und B gehören als Consulting-
mente situationsadäquat hinterfragt, lässt die
Dienstleister zur beratenden Klasse, wohinge-
Methode sich als ein halbstandardisiertes Ver-
gen Unternehmen C, D, E und F produzierend
fahren klassifizieren (vgl. Wrona 2005, S. 25 f.).
tätig sind. Die Interviewauswertung erfolgt
Vorteilig sind der explorative Charakter und
zunächst separiert für jedes Problemfeld. Im
die hohe Wahrscheinlichkeit, fundamental neu7
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Unternehmen
Branche
Anzahl
Mitarbeiter
Erfahrung
PM
des
Befragten
Erfahrung
LUM des
Befragten
Besonderheit
A
Consulting
LUM
16
10 Jahre
2 Jahre
200 abgeschlossene Lead User-Projekte im Unternehmen
Consulting
Open
InnovationMethoden
60
Buntweber
750
Projektdurchführung und Coaching
Branchenübergreifende Erfahrungen
B
C
7 Jahre
7 Jahre
Projektdurchführung und Coaching
Branchenübergreifende Erfahrungen
3 Jahre
1 Projekt
Projektierung mittels agilen Methoden
Erstmaliges Lead User-Projekt
D
Maschinenbau
39.000
10 Jahre
5 Projekte
E
Fahrzeugbau
1.000
7 Jahre
1 Projekt
Pharmazie
89.000
LUM als Bedarfsabsicherung
LUM kommt regelmäßig zum Einsatz
Projektdurchführung ausgelagert an externen Dienstleister
LUM resultiert in zu radikalem Konzept, die mit zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht umgesetzt werden
kann
Erstmaliges Lead User-Projekt
F
1 Jahr
1 Projekt
Projektdurchführung ausgelagert an externen Dienstleister
3 Projekte im Unternehmen durchgeführt
Tabelle 2: Studienteilnehmer im Vergleich (eigene Darstellung)
Anschluss dient die Theoriebildung der Zu-
fektivität, der Auswahl des Projektmanage-
sammenführung der Problemfelder zu einem
mentmodells, der Strukturierung des Innovati-
Managementmodell. Dieses Modell versteht
onsprozesses, dem Staffing und Wissensmana-
sich – aufbauend auf den Implikationen der
gement, dem kontinuierliches Lernen sowie
Fallstudie – als Handlungsempfehlung.
dem Training von Mitarbeitern unterschieden.
Eine Online-Umfrage konfrontiert die Befragten
Effizienz versus Effektivität
aus der Fallstudie und sieben weitere Experten
Hinsichtlich der Balance zwischen Effizienz
schließlich mit dem entwickelten Modell. Ex-
und Effektivität bewerten die Studienteilneh-
perten sind in diesem Kontext Personen aus
mer grundsätzlich eine hohe Effektivität im
Forschung und Praxis mit umfangreichen Er-
Vergleich zu einer hohen Effizienz als deutlich
fahrungen im Projektmanagement sowie in der
wichtiger (C, D, F). „Also lieber habe ich [nur,
Durchführung von Lead User-Projekten. Diese
Anmerkung des Verfassers] fünf Lead User und
Umfrage prüft zum einen die richtige Interpre-
[...] hinter diesen stehe ich zu 100 Prozent und
tation der Interviewergebnisse und testet zum
hab vielleicht eine längere Zeit dafür gebraucht,
anderen die Praxistauglichkeit des Modells.
als dass ich das irgendwie effizient mache und
Insgesamt umfasst die Online-Umfrage 24 Hy-
ich hab aber nur so halb halb“ (C). Im Kontext
pothesen, zu denen die Experten aufgefordert
dieser Balance schlägt Hippel et al. (2009, S.
sind, ihren Zustimmungsgrad auf einer Skala
1403) vor, die Lead User-Suche bei einer hinrei-
mit fünf Unterteilungen einzutragen.
chenden Lead Userness zu beenden. Die Effizienz erhöht sich in diesem Fall zu Lasten der
3
Effektivität. Wie das obige Zitat aus Unterneh-
Ergebnisse der problemkonzen-
men C stellvertretend zeigt, wird dies von fast
trierten Interviews
allen Befragten abgelehnt (A, B, C, F), was die
Die Ergebnisse der Interviews werden nachfol-
besondere Bedeutung der Effektivität für die
gend in für die Durchführung von Lead User-
Industrie nochmals unterstreicht. Die Industrie
Projekten relevante Potentialfelder unterteilt.
verlangt also primär einen sehr effektiven Pro-
Dabei wird zwischen der Effizienz versus Ef8
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
zess. Diese Effektivität entscheidet sich insbe-
Im Hinblick auf die Suchmethodik ist es auffäl-
sondere am Prozessanfang. Je weiter der Pro-
lig, dass in der Praxis kein Endkriterium der
zess fortschreitet, desto wichtiger wird die Effi-
Lead User-Suche festgelegt wird, sondern wie
zienz (A, E). Bspw. weist Unternehmen A da-
bei Unternehmen B der Ablauf eines Zeitbud-
rauf hin, dass „80 Prozent des Projekterfolgs in
gets die Suchmethodik beendet. Falls absehbar
den ersten 20 Prozent des Projekts liegen“,
ist, dass dieses ex ante definierte Zeitbudget
weshalb Unternehmen A sehr viel Zeit in die
nicht ausreicht, wird an entsprechender Stelle
definitorischen Aktivitäten (z.B. Zielformulie-
um eine Verlängerung gebeten. Die Studie
rung, Suchfeldeinschränkung) investiert. So
zeigt, dass dies vor allem an zwei Faktoren
dauert z.B. die Perfektionierung der Suchfeld-
liegt: Zum einen haben die Methodenanwender
einschränkung bei Unternehmen A etwa einen
Probleme mit der Adoption der Lead User-
Monat, also 20% der empfohlenen Projektdauer
Definition auf ihre individuelle Situation („Was
(vgl. Wagner, Piller 2011, S. 11). Obwohl diese
genau ist ein Lead User für unser Projekt?“)(B,
Aktivitäten keinen unmittelbaren Wert generie-
C) und zum anderen fehlt eine explizite Zielde-
ren, profitiert das Projektteam im späteren Ver-
finition der Lead User-Suche („Wann haben wir
lauf von einer klaren Definition des Projekter-
einen Lead User gefunden? Und wie viele Lead
gebnisses, was sich in einer vergleichsweise
User benötigen wir?“)(B, C). Im Hinblick auf
kurzen Projektdauer und weniger kritischen
die Trendrecherche gibt es keine Anzeichen
Problemen äußert (A). Damit vertritt Unter-
dafür, dass diese anders abgewickelt wird.
nehmen A die gleiche Meinung wie Cooper
Um die Effektivität abzusichern, empfiehlt es
(2014, S. 28).
sich ein adäquates Risikomanagement. Ein
Die Befragten schätzen den Zeitaufwand des
typisches Lead User-Projekt ist vielen potentiel-
Lead User-Projekts als sehr hoch ein (B, C).
len Risiken ausgesetzt. Bspw. können gefunde-
Dabei wird häufig auf die langwierige Trendre-
ne Lead User aufgrund von Krankheit ausfal-
cherche, die schwierige und aufwendige Lead
len, wodurch ein Arbeitsaufwand von Wochen
User-Suche und die ungewöhnlich lange Dauer
unnötig wird (B, C). Unternehmen C nennt eine
für einen Workshop verwiesen (A, B, C, E, F).
Ausfallquote von etwa 10%. Auch kann die
Obwohl Unternehmen B auf ausgereifte Pro-
Tauglichkeit der selektierten Lead User für die
jektstandardvorlagen und umfangreiche Erfah-
Teilnahme am Workshop fragwürdig sein. So
rungswerte mit Lead User-Projekten zurück-
berichtet bspw. Unternehmen E von besonders
greift, kommt es regelmäßig zu Zeitproblemen:
extrovertierten Lead Usern, die sich geschickt
„[W]ie viel Vorbereitung das braucht und vor
in den Mittelpunkt manövrieren und das Ar-
allem wie lange das dauert, diese Lead User zu
beitsklima empfindlich stören. Ein weiteres
finden [...]. Ich glaub, das unterschätzen wir
Risiko besteht darin, dass entwickelte Ideen
selber jedes Mal wieder aufs Neue.“ (B) Diese
und Konzepte die Leistungsbereitschaft und
Erkenntnisse bestätigen die Behauptungen von
-fähigkeit eines Unternehmens übersteigen,
Olson und Bakke (2001, S. 392) sowie Lüthje
sodass die Sinnhaftigkeit des Projekts im Nach-
und Herstatt (2004, S. 562 f., 565). Sie führen zur
hinein in Frage gestellt wird (E, F). Bspw. wur-
Implikation: Die industrielle Praxis würde die
de bei Unternehmen E ein dermaßen radikal
Lead User-Methode öfter anwenden, wenn die
neuartiges Fahrzeuggestell entworfen, das von
Trendrecherche und die Suchmethodik bei glei-
dem Unternehmen aufgrund der hohen Investi-
cher Effektivität effizienter wären. Nachfolgen-
tionskosten nicht realisiert werden kann. Ob-
de Diskussion fokussiert daher zum einen die
wohl das Lead User-Projekt bei Unternehmen E
Erhöhung der Effizienz und zum anderen die
offiziell als erfolgreich gilt, sind die Projekter-
Erweiterung und Absicherung der Effektivität.
gebnisse jedoch aus diesem Grund bis heute
9
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Risiken
Aufgetreten bei
Entwickeltes Konzept kannibalisiert bestehendes Produkt im Portfolio
A, F
Selektierte Lead User können ausfallen (bspw. aufgrund von Krankheit)
A, C
Zu geringe Lead Userness (z.B. Lead User mit Bedarfs-, aber keinen Lösungsinformationen)
A, C, F
Entwickelte Ideen und Konzepte übersteigen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit
E, F
Ergebnisse der Trendrecherche stellen sich im Laufe des Projekts als veraltet oder falsch heraus
A
Implizite Lead User-Bedürfnisse sind schwer zu erfassen und können falsch interpretiert werden
A, C
Lead User-Methodik ist nicht akzeptiert und führt zu Widerstand (z.B. in Form von Totschlagargumenten)
A
Workshoptauglichkeit der Lead User nicht gegeben (z.B. besonders extrovertierte Lead User, die sich in
den Mittelpunkt manövrieren)
E
Meinung der Workshopteilnehmer spiegelt nicht die Bedürfnisse des eigentlichen Zielmarkts wider
D, F
Generieren von realitätsfernen Ideen im Lead User-Workshop
E, F
Implizite Wünsche der Lead User können falsch über das Projekt bzw. die Folgeprojekte transferiert
werden
Olson und Bakke
(2001, S. 391)
Zielmarkt folgt dem identifizierten Trend nicht
Olson und Bakke
(2001, S. 391)
Lead User hat keine Zeit für Workshop; schwierige Termineinigung mit vielen Teilnehmern
B, C
Zu aktive Workshopbeteiligungen unternehmenseigener Mitarbeiter überdecken die Lead UserÄußerungen
F
Tabelle 3: Typische Risiken in einem Lead User-Projekt (eigene Darstellung)
nicht weiterentwickelt worden. Tabelle 3 führt
samkeit vor allem bei radikalen Innovationen
weitere typische Risiken eines Lead User-
innerbetriebliche
Projekts auf. Obwohl z.B. Unternehmen D ein
Unternehmen D lässt aufgrund dieser Ängste
professionelles Risikomanagement anwendet,
und Zweifel den Lead User am Ende des Work-
zeigt die Studie, dass dies in der Industrie nicht
shops unter dem Lastenheft unterschreiben und
üblich ist: „[E]s gibt Leute, die sich gegen
hält im späteren Entwicklungsprozess immer
Hochwasser versichern, auch wenn sie oben am
wieder mit diesem Rücksprache. Ein weiteres
Berg wohnen. [...] [D]azu gehören wir [...]
Beispiel für innerbetriebliche Widerstände sind
nicht.“ (B) Die genannten Risiken sind keine
„Totschlagargumente“, die sich auf bedrängte
Exoten,
Auftritts-
Entscheidungsträger zurückführen lassen: „Das
wahrscheinlichkeit typische Szenarien in Lead
haben wir schon alles versucht“ oder „[Das]
User-Projekten. Auf solche Fälle sollte ein Pro-
[h]ätten die Japaner dann schon längst erfun-
jektteam vorbereitet sein, indem es ein profes-
den“ (A). Im Falle von Unternehmen E äußer-
sionelles Risikomanagement z.B. nach PMBoK
ten sich die Widerstände in einer anderen Art:
führt.
Die Geschäftsführung hat nicht mit einer der-
sondern
mit
hoher
Widerstände
hervorrufen.
maßen radikalen Produktänderung am Fahrge-
In einem Lead User-Projekt arbeiten Personen
stell gerechnet, die nicht nur eine riskante und
zusammen, die sich oftmals vor dem Projekt
sehr umfangreiche Investition wäre, sondern
noch nicht kannten (A). Damit bei dieser Zu-
auch bestehende Produkte kannibalisiert. Des-
sammenkunft keine Zielkonflikte mit den indi-
wegen reflektiert Unternehmen E, zur Vermei-
viduellen Interessen und dem Projektziel ent-
dung von Zielkonflikten auf höchster Unter-
stehen, bedarf es einem adäquaten Stake-
nehmensebene zu klären, ob eine radikale In-
holdermanagement (A, B, E). Die frühzeitige
novation wirklich gewollt ist und unterstützt
Abstimmung der Projektziele mit den Stake-
wird, bevor das Lead User-Projekt startet. Wie
holdern ist wichtig (A, B, C, D, E). Unterneh-
die Beispiele zeigen, spielt der Faktor Mensch
men A berichtet bspw. von Ängsten vor dem
eine erfolgskritische Rolle in Lead User-
Öffnen des Innovationsprozesses, die gepaart
Projekten. In der Praxis ist eine Vielzahl von
mit Zweifeln gegenüber der Methodenwirk-
Personen beteiligt, dessen Interessen zu einem
10
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
hohen Maße divergent sein können. Der Teil-
Mehrwert für das Unternehmen generiert wird.
nehmerkreis im Lead User-Workshop variiert
Um die Projektinvestition abzusichern, emp-
zwischen 15 (A, E) und 30 (C). Insbesondere im
fiehlt
Falle der Unternehmensberatungen können
Prozessabfolge um den Schritt „Lead Userness-
zusätzliche Personen in der Trendrecherche
Überprüfung“ zu ergänzen.
und Lead User-Suche involviert sein (A). Auf-
Die
grund der verschiedenen individuellen Interessen
ist
ein
professionelles
es
sich,
die
Sinnhaftigkeit
originäre
der
Lead
User-
Ergebnisvalidierung
ergibt sich aus zwei Motiven. Zum einen hat
Stakeholder-
das Lead User-Projekt durch den radikalen
management z.B. nach PMBoK zur Absiche-
Charakter eine hohe strategische Bedeutung für
rung der Projekteffektivität sinnvoll. Die meis-
das Unternehmen (E, F). Zum anderen zweifeln
ten der befragten Unternehmen benutzen einen
Unternehmen an der Wirksamkeit der Open
auf die spezifischen Projektrahmenbedingun-
Innovation-Methoden und haben Angst vor
gen angepassten Lead User-Prozess. Unter-
einem Wissensabfluss sowie vor dem Nicht-
nehmen A und C überprüfen aus Gründen der
Erreichen des Projektziels (A, E). Zur Ergebnis-
Qualitätssicherung bspw. die Lead Userness
validierung wurden die Workshop-Ergebnisse
bevor diese zum Workshop eingeladen werden.
bei Unternehmen C von internen Mitarbeitern
Unternehmen B lockert die harte Definition
geclustert und von potentiellen Kunden sowie
eines Lead Users auf, sobald diese in der Reali-
von Marktexperten bewertet. Auch Unterneh-
tät z.B. aufgrund unpassender Sprachenkennt-
men F hat zur Validierung der Ergebnisse po-
nisse (Klient verlangt deutschsprachigen Work-
tentielle Kunden (nicht die Lead User) nach
shop, Lead User spricht aber nur Englisch) der
deren Meinung gefragt. Bei Unternehmen D
Lead User in der Praxis nicht anwendbar ist.
werden die Getriebeprototypen aufgrund des
Unternehmen C und F lassen die Ergebnisse
geringen Marktvolumens und der hohen Her-
des Workshops wegen der hohen strategischen
stellkosten unmittelbar für einen Lead User
Bedeutung des Lead User-Projekts auf das Un-
produziert. Dieser validiert die Ergebnisse des
ternehmen validieren. Diese Schritte bleiben im
Lead User-Workshops durch seine Unterschrift
Lead User-Prozess der Literatur unberücksich-
auf dem Lastenheft (D). Auffällig ist jedoch,
tigt, womit sich eine Schere zwischen Theorie
dass die Ergebnisvalidierung in den Interviews
und Praxis offenbart. Aufgrund der häufigen
mit beratenden Unternehmen keine Rolle spielt.
Nennung und dem hohen Nutzen für die Qua-
Grundsätzlich ist die hohe Effektivität wichti-
litätssicherung, macht es Sinn, den originären
ger als eine hohe Effizienz, womit insbesondere
Prozess um die Schritte „Lead Userness-
ein
Überprüfung“ und „Ergebnisvalidierung“ zu
adäquates
Risiko-
und
Stakeholder-
management sowie eine Überprüfung der Lead
erweitern, wie nachfolgend erläutert.
Userness und eine Ergebnisvalidierung Sinn
Da die Auswahl der richtigen Lead User ein
macht. Im Hinblick auf das integrale Manage-
wesentlicher Erfolgsfaktor für ein Lead User-
mentsystem ist das Innovationsmanagement
Projekt darstellt (C, E), überprüfen die Unter-
wegen der strategischen Ausrichtung am An-
nehmen A und C die Lead User vor der Einla-
fang und das Projektmanagement wegen der
dung zum Workshop hinsichtlich der Lead
operativen Ausrichtung am Ende des Prozesses
Userness und der Workshoptauglichkeit. Be-
bedeutsam. Überdies hat die Studie gezeigt,
währt haben sich Telefoninterviews, Hausbesu-
dass eine häufigere Methodenanwendung in
che und das Skizzieren erster Ideen (A, C). Die
der Industrie umso wahrscheinlicher ist, desto
Auswahl von falschen Personen mit zu gerin-
effizienter die Trendrecherche und die Lead
gen Lead Userness-Eigenschaften kann im
User-Suche wird. Letzteres appelliert vorder-
schlimmsten Fall dazu führen, dass kein
11
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
gründig an die Forschung, eine effizientere
nehmen B. Auffällig ist auch, dass zwei von
Suchmethodik zu entwickeln.
diesen drei genannten Unternehmen die Projektmanagementmodelle nicht zu unterschei-
Auswahl des Projektmanagementmodells
den wussten (B, E). So bestätigen die Interviews
Die Studie zeigt, dass Lead User-Projekte bei
die Behauptungen, die Praxis verlässt sich rela-
allen Teilnehmern bewusst geplant werden (vor
tiv häufig auf mangelnde Methodenkenntnisse
allem Aufgaben-, Zeit-, Meilenstein- und Res-
und
sourcenpläne). Bei den beratenden Unterneh-
eine
schlechte
Projektsteuerung (vgl.
Verworn et al. 2000, S. 15; Herstatt, Verworn
men kommen dafür Standardvorlagen, die
2007, S. 30; Herstatt et al. 2007b, S. 32 - 34).
speziell für die Lead User-Methodendurch-
Den Unternehmen A, C und D ist der agile
führung entwickelt wurden, zum Einsatz (A,
Ansatz bekannt. Unternehmen D wendet ihn
B). Während Unternehmen A, B, D und E die
jedoch nur bei besonders hohem Zeitdruck an
Planung zu Beginn erstellen und somit dem
und bislang noch nicht in einem Lead User-
traditionellen Managementansatz folgen, wen-
Projekt. Unternehmen C dagegen verfolgt als
det Unternehmen C das agile Projektmanage-
einziges der befragten Unternehmen das agile
ment an. Unternehmen C verlässt sich auf
Managementmodell im Lead User-Projekt. Ob
Selbstkontrolle und -organisation, hält regel-
das Managementmodell jedoch vollständig den
mäßige Statusmeetings ab und berichtet in Ab-
agilen Prinzipien folgt, bleibt offen. Agiles Pro-
ständen von wenigen Wochen an den Projekt-
jektmanagement ist der industriellen Praxis
auftraggeber.
also nicht fremd, allerdings vertrauen die meis-
Zum Einsatz kommt das Projektmanagement in
ten befragten Unternehmen (83%) der traditio-
Lead User-Projekten in der Regel aufgrund
nellen Herangehensweise nach PMBoK. Agiles
intrinsischer Motivationen (B, C, E): „Das Pro-
Projektmanagement in einem Lead User-Projekt
jekt ist so komplex und so groß, das geht über
wurde bereits in der Praxis getestet und hat
so einen langen Zeitraum, dass man ohne ir-
sich als sehr vorteilhaft erwiesen (C). Unter-
gendeine Form des [...] Projektmanagements [..]
nehmen A, B, C und E sind einstimmig der
da nicht durchkommt. Also man hat ja auch
Meinung, dass die Begeisterung und Leiden-
Kollegen, die man an gewissen Punkten ein-
schaft, die ein Projektteam für das Lead User-
binden muss. [...] Und die sind dann einfach
Projekt entwickelt, ausschlaggebend für die
nicht verfügbar, wenn ich das nicht rechtzeitig
Ergebnisqualität ist. Das Teamwork und die
einplane.“ (B) Speziell für Lead User-Projekte
Multidisziplinaritität werden dabei als sehr
kann die vorwiegend extrinsische Motivation
wichtig eingestuft (A, C, D). In einem Lead
von Teammitgliedern, wie von Verworn et al.
User-Projekt ist Leidenschaft für das Thema
(2000, S. 15 f.) sowie Herstatt et al. (2007b, S. 29)
und die Arbeit nicht nur für die Lead User
postuliert, nicht bestätigt werden. Womöglich
wichtig (vgl. Definition Lead User), sondern
haben sich die Einsatzmotive über die Jahre
auch für die Teammitglieder. Zusammen mit
geändert. Es gibt jedoch viele Anzeichen dafür,
der außerordentlichen Bedeutung des Team-
dass das Projektmanagement bei manchen Be-
works und der Multidisziplinarität sollte ein
fragten nicht auf einem professionellen Niveau
eingeschworener Teamgeist daher gefördert
stattfindet (B, D, E). Bspw. haben Unternehmen
werden.
D und E trotz mehrjähriger Beteiligung in Ent-
Bei Unternehmen C sind die Hauptmotive zum
wicklungsprojekten Probleme, Standardabläufe
Einsatz des agilen Ansatzes neben dem Fördern
des Projektmanagements (z.B. die Projektsteue-
des Teamworks das Vermeiden von starren
rung) zu erklären. Ein weiteres Beispiel ist das
Strukturen, die das innovationsfördernde Kli-
Fehlen von Risikoplänen trotz umfangreicher
ma empfindlich stören, sowie das Schaffen von
Projektmanagementerfahrung wie bei Unter12
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Kontrollierbarkeit über Planungsunsicherhei-
Nichtsdestotrotz bewertet die Praxis die etab-
ten. Unternehmen B vertraut zwar den inflexib-
lierten Innovationsprozesse als unüberschaubar
len Strukturen des traditionellen Projektmana-
und schwer verständlich (B, D, E), obwohl eine
gements, beklagt aber gleichzeitig die Un-
leichte Verständlichkeit von den Befragten als
vorhersehbarkeit und die schlechte Planbarkeit
wichtig für den Projekterfolg angesehen wird
des Innovationsprozesses. Genannt wird hier
(A, E). Um dem entgegen zu wirken, abstrahiert
bspw. die ex ante definierte Suchstrategie, die
Unternehmen C den Innovationsprozess auf
sich im Laufe der Lead User-Suche oftmals
wenige allgemeingültige Schritte, veröffentlicht
ändert (B). Das agile Projektmanagement eignet
ihn auf der Internetseite des Unternehmens und
sich hinsichtlich der Selbstkontrolle, der sich
fertigt regelmäßig interne Newsletter über die
häufig ändernden Informationsbasis, der mög-
Innovationsaktivitäten an. Dies schafft eine
lichen kurzfristigen (Recherche- oder Lead
unternehmensweite Transparenz und eine er-
User-Such-) Strategieänderung und der leiden-
höhte Innovationsakzeptanz (C). Bei allen an-
schaftlichen Teamarbeit besser für Lead User-
deren Studienteilnehmern sind solche Maß-
Projekte als der traditionelle Ansatz. Dies spie-
nahmen nicht erkennbar. Demzufolge ist es in
gelt sich auch darin wider, dass Cooper (2014,
der Praxis üblich, dass nicht alle Mitarbeiter
S. 21), auf den das Stage Gate-Modell zurück-
den aktuellen Projektstand kennen.
geht, eingesteht, dass der agile Managementan-
Ein aushängender Prozessplan, der für alle
satz womöglich sein Modell ablösen oder zu-
Projektstakeholder einsehbar ist und auf dem
mindest ergänzen wird. Das wenig verbreitete
der aktuelle Stand des Projekts eingetragen ist,
agile Projektmanagement bietet große Verbes-
würde die Transparenz fördern und Synergie-
serungspotentiale für Lead User-Projekte.
effekte mit anderen Projekten schaffen. Über-
Strukturierung des Innovationsprozesses
dies empfiehlt es sich auch, den Innovationsprozess zu einem grobschrittigen Plan zu
Der Arbeits- und Koordinationsaufwand in
standardisieren bzw. zu verallgemeinern, um
Lead User-Projekten wird als sehr umfangreich
die Verständlichkeit und Transparenz zu stei-
bewertet (B, C). Die Projekte dauern in der Pra-
gern. Nicht zuletzt erhöht eine bessere Prozess-
xis zwischen vier und sechs Monate (A, C) und
verständlichkeit auch die Identifikation und
beschäftigen unmittelbar zwischen 15 (A, E)
Leidenschaft für das Projekt. Im Hinblick auf
und 30 (C) Personen. Aufgrund dieser Koordi-
die Standardbildung kritisiert Unternehmen B
nationskomplexität und den oben beschriebe-
jedoch die teilweise unnötigen und unpassen-
nen Risiken sollte ein Lead User-Projekt des-
den Standardprozesse der Klienten, zu deren
halb auf keinen Fall ad hoc abgewickelt wer-
Einhaltung die Mitarbeiter oft verpflichtet sind.
den. Wegen des unsicheren Ausgangs des
Bei Nicht-Einhaltung kommt es auf die Gunst
Workshops („[S]ind die Konzepte tatsächlich
der Vorgesetzten an (B). Zu kleinschrittige Pro-
umsetzbar für uns?“, E) sollte die Lead User-
zesse führen zu Effizienzdefiziten und zu
Methode vielmehr in einem eigenständigen
Schwierigkeiten der Mitarbeiter, sich zu entfal-
Projekt eingebettet sein. So fungiert es als Vor-
ten, was die Kreativität belastet (vgl. Bahlow et
projekt des Entwicklungsprojekts und lässt sich
al. 2013, S. 12 f.). Der Faktor Mensch spielt so-
auf die besonderen Umstände des Fuzzy Front
wohl in Bezug auf die Projektteammitglieder
Ends optimieren.
als auch in Bezug auf die Lead User eine er-
Die Studie zeigt, dass sich Stage Gate-Prozesse
folgskritische Rolle. Sie generieren durch ihre
in der Praxis bewährt haben und als hilfreich
Kreativität sowie Fähig- und Fertigkeiten die
und damit sinnvoll empfunden werden, da es
Ideen, die unmittelbar zum Projektergebnis
die Projektsteuerung und die Einbindung des
führen. Dazu bedarf es Vertrauen und kreativi-
Top Managements vereinfacht (A, D, E).
13
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
(vgl.
agilem Projektmanagement, da es auf einer
Kullmann et al. 2013, S. 4 - 7). Unternehmen A
schlanken Planung und einem kurzen und
fasst dies wie folgt zusammen: „Und oftmals,
leicht verständlichen Regelwerk mit umfassen-
da diese Regeln [...] zu streng und zu struktu-
den Handlungsspielräumen beruht. Nicht zu-
riert sind und den Ideen und den Kreativitäts-
letzt zeigt die Erfahrung, dass agiles im Ver-
prozess [..] [als] auch die ersten Ideen [...] sehr
gleich zum traditionellen Projektmanagement
stark hemmen. [...] [D]a verliert eine gute Idee
die Projektdauer verkürzt (vgl. Sutherland et al.
oftmals so richtig an Fahrt.“ Auch Unterneh-
2007, S. 1; D).
tätsfördernden
Handlungsspielräumen
men C und E befürworten Handlungsspiel-
Staffing und Wissensmanagement
räume für das Projektteam. Nur Unternehmen
Im Hinblick auf den Wissensfluss im Innova-
D sieht in der strengen Einhaltung von Stan-
tionsprozess zeigt die Erfahrung der Studien-
dardprozessen jedoch keinen Gegensatz zwi-
teilnehmer, dass das Projektstaffing und die
schen Kreativität und Kontrollierbarkeit.
Auswahl der „richtigen“ Workshopteilnehmer
Ein stabil verlaufender Prozess ist also ebenso
ausschlaggebend sind. Unternehmen B emp-
wichtig wie flexible Handlungs- und Entschei-
fiehlt seinen Klienten, diejenigen Mitarbeiter in
dungsspielräume, um auf unvorhersehbare
das Projekt zu involvieren, die im Anschluss im
Ereignisse situationsadäquat reagieren zu kön-
Entwicklungsprojekt teilnehmen würden. Dies
nen. Stabil-flexible Standards sind allerdings
beugt dem Not Invented Here-Syndrom vor (A,
kein Widerspruch. Der agile Managementan-
B) und deckt sich mit den Untersuchungser-
satz verbindet beide Eigenschaften und stellt
gebnissen von Roberts (2007, S. 47). Als Aus-
den Menschen, die Effektivitätsanforderungen
wahlkriterium nennt Unternehmen B die obli-
und die Kooperation mit Kunden in den Mit-
gatorische Fähigkeit, sich „mit den Lead Usern
telpunkt. Die Einhaltung von gesetzten Regeln
auf Augenhöhe [zu] unterhalten“ (B). Deshalb
und die konsequente Dokumentationspflicht
ist es unwahrscheinlich, dass bei zwei aufei-
werden dafür zu Gunsten der Schaffung von
nander folgenden Lead User-Projekten für ver-
kreativitätsfördernden Freiräumen und gegen-
schiedene Bedürfnistrends dieselben Mitarbei-
seitigem Vertrauen als weniger wichtig priori-
ter in Frage kommen (A). Daher ist es sinnvoll,
siert. Stabil-flexible Standards diktieren dabei
im Team einen Methodencoach zu integrieren,
nicht die expliziten Handlungsschritte zum
der projektübergreifend die methodisch korrek-
Ziel, sondern fokussieren die Beschreibung der
te und konsequente Durchführung verantwor-
Ergebniseigenschaften und verlangen die Ein-
tet.
haltung von (relativ weit gefassten) Grenzen
Überdies empfiehlt Unternehmen A den Klien-
zur Wahrung der Reproduzierbarkeit und
ten das Anwenden des Promotorenmodells.
Kontrollierbarkeit (vgl. Bahlow et al. 2013, S. 12
Promotoren sind Teammitglieder, die ihre
- 14).
Macht, ihr persönliches Netzwerk oder ihre
Das Einräumen von Handlungsspielräumen für
fachliche Expertise zu Gunsten des Projekts
jedes Teammitglied schafft Vertrauen, fördert
nutzen (vgl. Witte 1973, S. 14 - 22; Hauschildt,
das kreative Arbeitsklima und rückt den er-
Salomo 2011, S. 125). „[J]edes Lead User-Projekt
folgskritischen Faktor Mensch in den Mittel-
bei uns muss mindestens einen Machtpromoter
punkt der Projektabwicklung. Einmal mehr
haben, mindestens zwei Fachpromotoren und
bestätigt sich, dass der Einsatz des agilen Ma-
mindestens zwei Prozesspromotoren.“ (A) Ziel
nagementansatzes für Lead User-Projekte sinn-
ist es, Innovationshemmnissen entgegenzuwir-
voll ist. Um den Innovationsprozess gleichzei-
ken. Es ist ein Best Practice bei Unternehmen A,
tig leicht verständlich, leicht steuerbar und
der sich aus der kritischen Reflektion von mehr
schnell zu gestalten, lohnt sich der Einsatz von
als 200 Lead User-Projekten ergeben hat.
14
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Bei der Gewährleistung, dass Ergebnisse des
Im Hinblick auf den Wissensfluss innerhalb des
Lead User-Projekts tatsächlich im Entwick-
Lead User-Projekts hat sich der Einsatz von
lungsprojekt verwirklicht werden, sind die
Grafikern bewährt (A, C, E). Während der
Aussagen der Studienteilnehmer divergent.
Fachgespräche im Workshop können so nicht
Unternehmen B berichtet von fehlenden Kont-
nur die Bedürfnisse der Lead User visualisiert
rollinstrumenten bei seinen Klienten, obwohl
und dokumentiert, sondern auch die schwer
projektübergreifende Mechanismen wie Lasten-
identifizierbaren impliziten Wünsche aufge-
und Pflichtenhefte grundsätzlich als sehr sinn-
deckt und validiert werden. Des Weiteren zeigt
voll bewertet werden. Dennoch behauptet Un-
die Studie, dass die Förderung von Leiden-
ternehmen A, dass das Erstellen eines Lasten-
schaft und Projektidentifikation bei den Pro-
und
der
jektbeteiligten in Bezug auf das Verstehen von
Workshopergebnisse, wie es bspw. bei Unter-
impliziten Wünschen hilfreich ist (A). „[W]enn
nehmen D und F zu beobachten ist, eine gängi-
[...] ein Projekt [..] diesem Team [..] auf die Nase
ge Praxis darstellt. Auch Unternehmen F kann
gedrückt wird, [...] dann müssen wir dort ein-
sich die Nutzung von Lasten- und Pflichtenhef-
mal Begeisterung schaffen. Und diese Begeiste-
ten vorstellen, lehnt aber eine Erstellung unmit-
rung kann das Team nur als gesamtes Team
telbar nach dem Lead User-Workshop ab. We-
auch aufrecht behalten.“ (A) Diese Begeisterung
gen der strategischen Bedeutung der Ergebnis-
äußert sich z.B. bei Unternehmen E in einer
se seien diese vor der Lastenhefterstellung zu-
aktiven Beteiligung im Projekt. Osterloh und
nächst zu validieren. Unternehmen F dagegen
Frey (2000, S. 545 - 547) bestätigen, dass eine
ist der einzige produzierende Studienteilneh-
intrinsische Motivation und Leidenschaft für
mer, bei dem kein Lastenheft erstellt wird. Die-
das Thema hilft, implizite Bedürfnisse zu ver-
ser empfindet die Abschlusspräsentation des
stehen. Mitarbeiter können sich besser in den
projektdurchführenden Unternehmensberaters
Kunden hineinversetzen.
Pflichtenhefts
zur
Erfassung
als ausreichend (F). Alle Teilnehmer stufen
Eine geeignete Teambesetzung, Lasten- und
indes die Gewährleistung, dass die Projekter-
Pflichtenhefte sowie das regelmäßige Einbin-
gebnisse in Folgeprojekten „gehört“ werden,
den von Lead Usern in den anschließenden
als wichtig ein.
Entwicklungsprozess hilft, das generierte Wis-
Lasten- und Pflichtenhefte stellen nicht das
sen projektübergreifend zu übermitteln und
einzige Kontrollinstrument dar. Unternehmen
diesen Fluss zu steuern. Der Einsatz von Grafi-
B empfiehlt das Einbinden von Lead Usern im
kern im Lead User-Workshop und das Fördern
anschließenden Entwicklungsprojekt (z.B. zum
von Leidenschaft und Projektidentifikation bei
Beseitigen von Unklarheiten via Telefon). In der
den Unternehmensmitarbeitern verbessert das
Gruppe
Unternehmen
Verständnis von impliziten Äußerungen der
findet dies bei Unternehmen D Anwendung.
Lead User. Visualisierungen sowie intrinsisch
Obwohl Unternehmen D sehr auf den Schutz
motivierte Mitarbeiter sorgen dann dafür, dass
des eigenen Wissens bedacht ist, integriert es
auch schwer formulierbare Wünsche projekt-
die Lead User an mehreren Stellen im Innovati-
übergreifend weitergegeben werden.
der
produzierenden
onsprojekt, um die Kontinuität sicherzustellen.
Kontinuierliches Lernen
Die Studie von Sandmeier et al. (2010, S. 103)
Vor allem Unternehmen A, B, C und D, welche
kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die re-
die Lead User-Methode selbstständig durch-
gelmäßige Einbindung von potentiellen Kun-
führen (Unternehmen E und F haben die Pro-
den in den Innovationsprozess einen kontinu-
jektabwicklung an externe Unternehmensbera-
ierlichen Relevanztest darstellt und letztendlich
tungen abgegeben), haben tiefgehende Erfah-
zu zufriedeneren Kunden führt.
rungen mit der Projektierung gesammelt. „Also
15
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
ich glaube, es war nicht sehr effizient, nicht
zukünftige Projekte nutzbar zu machen. Der
optimiert. Könnte man jetzt in einem zweiten
kontinuierliche Überlieferungsprozess ist dabei
Workshop-Loop sicher besser machen“, resü-
sehr unterschiedlich und lässt teilweise deutli-
miert Unternehmen C. Die Interviews bringen
che methodische Mängel erkennen. So laufen
eine Vielzahl von Best Practices hervor, die in
z.B. nicht dokumentierte Erfahrungen wie bei
Tabelle 4 zusammengetragen sind.
Unternehmen E Gefahr, verloren zu gehen
(bspw. durch Fluktuation, Beförderungen oder
Das Übertragen auf zukünftige Projekte wird in
Abteilungswechsel). Vielmehr sollten Erfah-
den Unternehmen sehr unterschiedlich gere-
rungen regelmäßig im Kollektiv reflektiert, in
gelt. Unternehmen E dokumentiert keine Erfah-
Best Practices überführt und bspw. in einer
rungen, sondern verlässt sich ausschließlich auf
Datenbank konserviert werden.
mündlich vorgetragene Erfahrungsberichte von
Mitarbeitern
aus
Unternehmen
C
ehemaligen
dagegen
Training von Mitarbeitern
Projektteams.
reflektiert
und
Drei von vier Befragten, die die Lead User-
verschriftlicht alle Erfahrungen und leitet kon-
Suche selbst durchgeführt haben, berichten von
sequent Maßnahmen für zukünftige Lead User-
großen bis sehr großen Problemen mit der
Projekte ab. Auch Unternehmen A dokumen-
Übertragbarkeit der Lead User-Definition auf
tiert Erfahrungen durch eine Verbesserung der
das eigene Projekt (B, C, D). „Also ich selber bin
Standardvorlage, wird dabei aber eher ad hoc
etwas skeptisch, was die reine Lead User-
geleitet. Der Erfahrung von Unternehmen A
Methode angeht, weil mir einfach die Definiti-
zufolge, dessen branchenübergreifende Einbli-
on an manchen Stellen nicht wirklich weiter-
cke aus etwa 200 durchgeführten Lead User-
hilft, um diese Leute auch wirklich zu finden.
Projekten stammen, werden Innovationsprojek-
[...] Die Frage ist, für was ist der jetzt Lead
te insbesondere in großen Unternehmen oft nur
User? Für diesen einen Becher [, den er in seiner
wenige Male im Jahr in einem projektübergrei-
Freizeit entwickelt hat, Anmerkung des Verfas-
fenden Rahmen angesprochen. Dies führt zu
sers]? Generell für alle Joghurtbecher? Generell
einem schlechten Wissens- und Erfahrungs-
für Verpackungen? Also wie weit kann ich ihn
transfer. Unternehmen A plädiert deshalb auf
nutzen?“ (B) In einem solchen Fall vereinfacht
einen regelmäßigen Austausch (mindestens alle
Unternehmen B die Lead User-Definition so-
drei Monate).
weit, dass schließlich kreativere Nutzer heran-
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der
gezogen werden, was nicht im Sinne der origi-
Praxis gezielt versucht wird, Erfahrungen für
nären Lead User-Methode ist (B). Ähnliche
Best Practices
Referenz
Vor allem zu Beginn der Lead User-Identifikation kann es Phasen ohne Ergebnisse geben. Die Erfahrung
zeigt, dass sich eine konsequente Fortsetzung ohne Anpassung der Rahmenbedingungen bezahlt macht.
B
Projektübergreifende Kommunikation hilft, Synergien zu erkennen und auszunutzen (bspw. Kontakte).
A
Absicherung der Lead User-Aussagen durch zusätzliche Informationsquellen wie z.B. Marktanalysen.
D
Im Fall einer externen Projektdurchführung sind bei kritischen Entscheidungen wie z.B. der Auswahl
der Lead User der Projektauftraggeber miteinzubeziehen.
B
Personen mit langjähriger Branchenerfahrung können sich vor allem beim Vorantreiben von radikalen
Innovationen wie bei der Lead User-Methode bedrängt fühlen und den Projekterfolg empfindlich beeinflussen.
A
Lösungsträger sind im Lead User-Workshop tendenziell hilfreicher als Bedürfnisträger. Eine Kombination aus beiden ist dennoch anzustreben.
C
Die optimale Lead User-Anzahl liegt bei etwa 10 - 15 Personen.
A, C
Vor allem aufgrund des Personalwechsels macht es Sinn, Erfahrungen regelmäßig zu verschriftlichen.
C
Es hat sich bewährt, Lead User zu mehreren Zeitpunkten im Innovationsprojekt einzubinden.
D
Tabelle 4: Sammlung von Best Practices eines Lead User-Projekts (eigene Darstellung)
16
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Aussagen macht Unternehmen C, das haupt-
Workshopmoderator ein umfassendes Metho-
sächlich die Schwierigkeit und den hohen Zeit-
dentraining erhält.
aufwand bemängelt, den es für die Übertra-
Zusammengefasst wird eine gute methodische
gung der Definition auf das eigene Projekt be-
Ausbildung von der Industrie gesamtheitlich
darf. Seitens des Projektmanagements ist daher
als wichtig empfunden, wobei für die selbst-
darauf zu achten, ausreichend Zeit für die
ständige Projektierung möglichst viele Mitar-
Übertragung einzuplanen. Des Weiteren ist es
beiter trainiert sein sollten. Ein breites Ver-
in diesem Kontext sinnvoll, die Projektteam-
ständnis für die Lead User-Methode wirkt nicht
mitglieder bestmöglich zu schulen, um die Ri-
zuletzt auch der teilweise schlechten Metho-
siken in Verbindungen mit der erfolgskriti-
denakzeptanz entgegen („[Das, Anmerkung
schen Festlegung von Lead User-Kriterien ab-
des Verfassers] [h]ätten die Japaner schön
zusichern. Trotz alledem erreicht das Instrumentarium
des
Projektmanagements
längst erfunden.“, A).
seine
Diese Ergebnisse implizieren: Wenn Lead User-
Grenzen. Eine Unterstützung seitens der Wis-
Projekte oft durchgeführt werden, sollte es ei-
senschaft (bspw. durch die Bereitstellung von
nen zentralen Methodencoach im Unternehmen
Leitfäden zur Ermittlung der Lead User- Krite-
geben. Diese Rolle kann wie bei Unternehmen
rien für das eigene Projekt) ist wünschenswert.
D bspw. ein Innovationsmanager übernehmen.
Vor allem bei der ersten Durchführung der
Wenn die Lead User-Methode selten oder nur
Lead User-Methode sind dem Beratungsunter-
einmalig zur Anwendung kommt, liegt es nahe,
nehmen B zufolge große Schwierigkeiten zu
einen externen Partner, der sich auf die Metho-
überwinden, was auf die Trainings der Mitar-
de spezialisiert hat, für die Projektdurchfüh-
beiter zurückzuführen ist. Nur zwei von vier
rung zu beauftragen. Vor allem die Adoption
Studienteilnehmer aus der Kategorie der pro-
der Lead User-Definition auf das eigene Projekt
duzierenden Unternehmen führen die Lead
bereitet nicht nur den Erstanwendern große
User-Methode intern durch und haben zu die-
Probleme und bedarf sowohl eine gute metho-
sem Zweck eigene Kapazitäten aufgebaut (C
dische Ausbildung als auch viel Übung.
und D). Unternehmen E und F dagegen haben
die Projektierung an externe Dienstleister vergeben. Beide Gruppen empfinden die individu-
4
elle Herangehensweise als sinnvoll und wür-
Modellableitung: Weiterentwicklung des Agil/Stage Gate-Hybrids
den dies im nächsten Lead User-Projekt wie-
Wie gezeigt, benötigt die Lead User-Methode
derholen. Als Grund für die externe Vergabe
einen Rahmen, der es ermöglicht, Disziplin und
gibt Unternehmen F an, sich die Projektierung
Freiheit in Einklang zu bringen. Abgeleitet aus
nicht zuzutrauen und keine nötigen Kapazitä-
sieben industriellen Produktentwicklungspro-
ten freigeben zu wollen, die folglich nicht für
jekten schlagen Sommer et al. (2015, S. 42 f.)
die Kernkompetenz eingesetzt werden können.
einen Hybrid aus Scrum und Stage Gate vor.
Unternehmen A, C und D sind der Meinung,
Dieser Hybrid bildet den kompletten Innova-
dass sich möglichst viele im Projektteam um-
tionsprozess von Produkten in produzierenden
fassend mit der Lead User-Methode auskennen
Unternehmen ab - von der Ideengenerierung
sollten, damit ein allgemeines Verständnis für
bis hin zur Kommerzialisierung (vgl. ebd., S. 34,
den Sinn und Zweck der Aufgabenerledigung
36, 42 f.). Er steht in keinem Zusammenhang
existiert. So steigen auch die Motivation und
mit der Lead User-Methode und verkörpert
die Identifikation mit dem Projekt (C). Für Un-
einen allgemeinen Produktentwicklungspro-
ternehmen E, das die Projektierung nicht selbst
zess (vgl. ebd., S. 34, 36, 42 f.).
durchgeführt hat, ist es ausreichend, wenn der
17
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Da das Modell vor dem Hintergrund der Inter-
nagementebenen (ebd., S. 42): strategische, tak-
viewergebnisse auch für die Lead User-Projekte
tische und operative (vgl. Abbildung 4).
vielversprechende Eigenschaften aufweist (z.B.
Auf der strategischen Ebene, auf der Entschei-
anpassungsfähig aber strukturgebend, leicht
dungen in Bezug auf das Produktportfolio des
verständlich und lean aber effizient und effek-
Unternehmens getroffen werden, gibt das Top
tiv), dient es als Grundlage für die Theoriebil-
Management als Projektauftraggeber die Rah-
dung. Um den Ansatz des Hybrids für die Lead
menbedingungen (inhaltlich, zeitlich und mo-
User-Methode kompatibel zu machen, sind
netär) vor. Das Top Management fungiert zu-
einige Anpassungen notwendig. Dazu erklärt
dem als Gate Keeper, da es zwischen den Sta-
nachfolgender Abschnitt zunächst die Beson-
ges den Fortgang oder Abbruch des Projekts
derheiten des Hybrids nach Sommer et al.
diktiert. Innerhalb der Stages wird das Projekt
(ebd.), bevor es anschließender Abschnitt mit
auf taktischer und operativer Ebene vorange-
Hilfe der Ergebnisse der Fallstudienanalyse auf
trieben. Auf taktischer Ebene koordinieren
die spezifischen Anforderungen der Lead User-
Team- und Abteilungsleiter Ressourcen und
Methode adaptiert.
Informationen über die aktuellen Projekte hin-
Agil/Stage Gate-Hybrid nach Sommer et al.
weg. Diese Koordination geschieht in regelmä-
(2015)
ßigen Meetings während der Stages. Auf operativer Ebene arbeitet das Projektteam, das die
Mit dem Ziel der Performanceverbesserung
Lieferung der Projektergebnisse verantwortet,
von Produktentwicklungsprojekten verbinden
mit Hilfe des agilen Projektmanagementmo-
Sommer et al. (ebd., S. 42 f.) den verbreiteten
dells Scrum (ebd., S. 42 f.).
Stage Gate-Prozess mit Scrum. Industrielle Fallstudien zeigen, dass die Kombination in der
Der Prozess folgt, wie in Abbildung 4 skizziert,
Praxis bereits angewendet wird und signifikan-
einem übergeordneten Stage Gate-Prozess mit
te
(vgl.
den üblichen fünf Phasen und beliebig vielen
ebd., S. 43). Der Hybrid unterscheidet drei Ma-
Scrum Iterationen, die in die Stages eingebettet
Performanceverbesserungen
erzielt
Abbildung 4: Agil/Stage Gate-Hybrid nach Sommer et al. (2015, S. 42)
18
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
sind. Als Schnittstelle zwischen Stage Gate und
Workshoptauglichkeit („Ist ein konstruktives
Scrum fungieren die Gates, in denen die strate-
Arbeiten mit dieser Person im Lead User-
gische, taktische und operative Ebenen aufei-
Workshop möglich?“). In der Ergebnisvalidie-
nandertreffen. In den Gates entscheidet sich der
rung wird das Workshopergebnis (meist ein
Fortgang oder der Abbruch des Projekts. Som-
Konzept) durch situationsadäquate Instrumen-
mer et al. (2015) integrieren des Weiteren eine
te (z.B. Marktanalyse) geprüft, sodass sicher
Machbarkeitsprüfung, die einen Schnelldurch-
davon ausgegangen werden kann, dass die
lauf des gesamten Innovationsprozesses dar-
Meinung der Workshopteilnehmer den Ziel-
stellt und die entwickelte Idee der ersten Stage
markt repräsentiert. Die Modellentwicklung in
hinsichtlich der Realisierbarkeit evaluiert (ebd.,
diesem Abschnitt legt aus diesem Grund einen
S. 42 f.). Untypisch für Scrum schlagen Sommer
fünfphasigen Lead User-Prozess zugrunde (vgl.
et al. (ebd.) einen dedizierten Projektmanager
Abbildung 5). Wegen der engen inhaltlichen
vor. Dessen Aufgaben reichen von der Kom-
Zugehörigkeit
munikation zwischen den Stakeholdern über
Überprüfung der Phase der Lead User-Suche
die Informationsbeschaffung bis hin zur Orga-
zugewiesen. Die Ergebnisvalidierung dagegen
nisation adäquater Ressourcen, womit der Pro-
erweitert den Prozess um eine fünfte Phase, da
jektmanager ein Scrum Master mit erweiterter
der Arbeitsinhalt je nach Validierungsmethode
Verantwortung ist. Dieser entscheidet jedoch
sehr umfangreich sein kann.
nicht, wie bei PMBoK üblich, über den genauen
ist
die
Lead
Userness-
In Anlehnung an das Stage Gate-Modell
Arbeitsinhalt, verteilt innerhalb des Projekt-
schließt eine Phase des Lead User-Prozesses,
teams keine Aufgaben und trifft keine operati-
die Stages entsprechen, mit einem Gate ab. In
ven Entscheidungen, sodass das Prinzip der
den Gates kommen alle Stakeholder zu einem
Selbstorganisation und -steuerung des Projekt-
Gate Review Meeting zusammen. Das Projekt-
teams unangetastet bleibt. Der Bereichsleiter,
team präsentiert die aktuellen Projektergebnis-
der die Stimme des Kunden repräsentiert,
se, sodass über den Projektfortgang entschieden
übernimmt zusammen mit dem Projektmana-
werden kann. Der Gate Keeper gibt bei einer
ger die Scrum Rolle des Produktinhabers, wo-
positiven Entscheidung die nächste Phase frei.
bei Sommer et al. (ebd.) nicht auf die Abgren-
Bei einer negativen Entscheidung sind Nachar-
zung der Kompetenzen eingehen (ebd., S. 43).
beiten zu erledigen (bedingter Fortgang) oder
Agil/Stage Gate-Hybrid am Beispiel der Lead
das Projekt wird als unter- oder abgebrochen
User-Methode
erklärt. Im letzten Fall sorgt der Gate Keeper so
dafür, dass die im Lead User-Projekt gebunde-
Geleitet von Erfahrungen hat die Industrie den
nen Kapazitäten für andere Vorhaben frei wer-
originären Lead User-Methodenprozess, wie in
den, da bspw. andere Projekte wichtiger ge-
der Fallstudienanalyse erläutert, weiterentwi-
worden sind. Die strategische und taktische
ckelt. Vor allem die Überprüfung der Lead
Ebene aus dem Modell nach Sommer et al.
Userness und die Ergebnisvalidierung haben
(2015) sind so in den Gate Review Meetings
sich in der Praxis als zweckmäßig erwiesen. Bei
vereint. Im Rahmen eines Lead User-Projekts,
der Lead Userness-Überprüfung lässt sich das
das im Vergleich zum Entwicklungsprojekt
Projektteam idealerweise bei Hausbesuchen
kurz und weniger komplex ist, kann auf eine
erste Ideen skizzieren und kontrolliert dabei
Trennung verzichtet werden. Die operative
sowohl das Vorhandensein von Bedarfs- und
Ebene findet sich analog zum Modell nach
Lösungsinformationen („Ist die Person tatsäch-
Sommer et al. (ebd.) im agilen Projektmanage-
lich ein Lead User für den spezifischen Bedarfs-
ment wieder.
trend? Und liefert sie Lösungen?“) als auch die
19
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Abbildung 5: Lead User-Prozess im Agil/Stage Gate-Hybrid (eigene Darstellung)
Jede Stage besteht aus diversen Sprints, in de-
gradig unsicheren Umgebung wie dem Fuzzy
nen im gleichmäßigen Takt die Projektergebnis-
Front End.
se erarbeitet werden. Dieser Takt beträgt in den
Das Entwicklungsteam trifft sich mit dem
Stages 2 bis 5 zwei Wochen. Innerhalb der Stage
Scrum Master jeden Tag zur gleichen Uhrzeit
1, der Projektdefinition, dauern die Sprints
am gleichen Ort zum Scrum Meeting, um in
wegen einem höheren Abstimmungsbedarfs
maximal 15 Minuten den aktuellen Projekt-
eine Woche. Im Vergleich zu den anderen Sta-
stand abzugleichen. Auf der Agenda steht die
ges bedarf es häufigerer Rückmeldung des Auf-
Aufgabenverteilung innerhalb des Entwick-
traggebers. Z.B. ist in dieser Stage das Projekt-
lungsteams und nicht die Lösungsfindung von
ziel zu formulieren, das Innovationsfeld festzu-
fachlichen Problemen. Letzteres ist in anschlie-
legen und ein grober Zeitplan zu erstellen.
ßenden Meetings mit Teilgruppen des Teams
Der Zeitplan aus Stage 1 dient primär der Ter-
zu klären, sodass die Mitarbeiter, die von den
minierung von Gates, sodass die Stakeholder
Problemen nicht betroffen sind, nicht unnötig
frühzeitig eingeladen werden können. Die ope-
aufgehalten werden. In den Sprints erarbeitet
rative Planung der Sprints („Wann führt wer
das Projektteam die Forderungen des Auftrag-
welche Aufgabe bis wann aus?“) bleibt davon
gebers, die im Projekt Backlog 1 gesammelt
unberührt und das Privileg des Projektteams.
werden. Iterativ treibt so das Team das Projekt
Auf operativer Ebene erfolgt die Planung ge-
in inkrementellen Schritten voran (vgl. Abbil-
mäß dem agilen Projektmanagement zu Beginn
dung 5). In den Sprint Reviews werden die
jedes Sprints und fällt damit in die Kategorie
Teilergebnisse dem Projektinhaber 2 präsentiert
der rollenden Planung. Für die Dauer der
und vom Selbigen als erledigt markiert. Dabei
Sprints herrschen statische Bedingungen. Än-
stehen vorzeigbare bzw. realisierte Teilergeb-
derungswünsche seitens des Projektauftragge-
nisse im Vordergrund. Absichtserklärungen
bers oder des Projektteams werden alle ein
Anstelle von „Produkt Backlog“ verwendet das Modell
den Begriff „Projekt Backlog“, um Dienstleistungen einzuschließen und Missverständnissen vorzubeugen.
bzw. zwei Wochen im Sprint Review Meeting
1
berücksichtigt. Dies generiert Planungssicherheit und erhöht die Produktivität in einer hoch-
Anstelle von „Produktinhaber“ verwendet das Modell den
Begriff „Projektinhaber“, um Dienstleistungen einzuschließen und Missverständnissen vorzubeugen.
2
20
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
und Dokumentationen über Erledigtes, wozu
Konzepte von Teammitgliedern des Entwick-
PMBoK tendiert, sind uninteressant. Ein reali-
lungsprojekts kann bei Missachtung die Folge
siertes Teilergebnis ist bspw. ein Kurzportrait
sein.
eines potentiellen Lead Users oder ein Prototyp,
management, das ebenfalls in den Sprint Pla-
den ein Lead User bereits gebaut hat. Von einer
nungsmeetings integriert wird, ist daher unab-
Dokumentation über das, was das Team dafür
dingbar. Dazu sind zunächst alle Stakeholder
getan hat, um den Lead User zu finden, ist nach
zu identifizieren und mindestens hinsichtlich
den agilen Prinzipien abzusehen.
der Erwartungen und der Einflüsse auf einer
Ein
professionelles
Stakeholder-
Skala zwischen Null und Zehn zu bewerten
Aufgrund des Potentials, fundamental neuarti-
(vgl. Andersen et al. 2009, S. 44 f.). Auch hier
ge Produkte bzw. Dienstleistungen hervorzu-
indizieren die höchsten Produkte der Kriterien
bringen und damit womöglich bestehende zu
die einflussreichsten Projektstakeholder, auf
kannibalisieren, kommt für das Unternehmen
dessen Erwartungserfüllung mit entsprechen-
dem Lead User-Projekt stets eine sehr hohe
den Strategien eingegangen werden sollte.
strategische Bedeutung zu. Innerhalb von wenigen Monaten generiert ein Lead User-Projekt
Aufgrund der Anfälligkeit gegenüber dem Not
Ergebnisse, die den Unternehmenserfolg für
Invented Here-Syndrom und der hohen strate-
viele Jahre beeinflussen können. Das Top Ma-
gischen Bedeutung des Projekts ist es im Sinne
nagement sollte daher intrinsisch motiviert sein,
des Stakeholdermanagements zweckmäßig, das
am Lead User-Projekt teilzuhaben. Das Modell
Promotorenmodell nach Witte (1973, S. 14 - 22)
sieht vor, das Top Management in den Gates,
zu integrieren. Es wirkt Innovationshemmnis-
den kritischen Zeitpunkten, zu integrieren. So
sen des Nicht-Wollens, Nicht-Könnens und
wird nicht nur die Konsistenz mit der Unter-
Nicht-Dürfens entgegen und fördert durch
nehmensstrategie gefördert, sondern auch ge-
engagierte
währleistet, dass die Ergebnisse des Lead User-
Machtquellen (hierarchische Stellung, fachliche
Projekts nicht in Vergessenheit geraten. Die
Expertise, persönliche Beziehungen) zurück-
Risiken in einem Lead User-Projekt sind um-
greifen, das gezielte Vorantreiben des Projekts
fangreich und vielschichtig, weshalb es einer
(vgl. Hauschildt, Salomo 2011, S. 122 - 126).
professionellen Handhabung bedarf. Sinnvoll
Untenstehende Rollenauflistung geht detaillier-
ist daher ein mitlaufendes Risikomanagement,
ter auf die Promotorenrollen ein.
welches das Projektteam mit jedem Sprint Pla-
Mitarbeiter,
die
auf
besondere
Das Projektteam aus drei bis sechs Personen
nungsmeeting aktualisiert. Potentielle Risiken
(vgl. Wagner, Piller 2011, S. 11) sollte für die
sollte das Projektteam sammeln und hinsicht-
komplette Projektdauer zusammenarbeiten und
lich der Eintrittswahrscheinlichkeit, der Aus-
sich multidisziplinär zusammensetzen. Emp-
wirkungen und dem Erkennungszeitpunkt auf
fehlenswert ist die Abdeckung der Kompetenz-
einer Skala zwischen Null und Zehn bewerten
bereiche Ingenieurwesen, F&E, Marketing und
(vgl. Carbone, Tippett 2004, S. 31 f.). Die Multi-
Vertrieb, wobei zusätzliche Bereiche von den
plikation dieser drei Dimensionen ermöglicht
Projektrahmenbedingungen
es, die gravierendsten Risiken (höchstes Pro-
abhängen.
Die
Teammitglieder sollten mit den Lead Usern
dukt) zu identifizieren und adäquate Maßnah-
fachlich ebenbürtig kommunizieren können,
men zur Vermeidung einzuleiten.
um zum einen die „richtigen“ Lead User ausviele
zuwählen und zum anderen bereits vor dem
Stakeholder (intern und extern bis zu 30 Perso-
Workshop erste Ideen zu sammeln. Von einer
nen) Erwartungen, die es bestmöglich zu erfül-
bspw. phasenabhängigen Änderung der Team-
len gilt. Innovationshemmnisse wie z.B. das
besetzung ist unbedingt abzuraten, da sie den
An
ein
Lead
User-Projekt
erheben
bewusste oder unbewusste Boykottieren der
21
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Wissensfluss über den Lead User- Prozess hin-
Methodencoach
weg negativ beeinflusst.
Der Methodencoach Lead User-Methode ver-
Im Kontext der Lead User-Methode existieren
fügt über fundiertes Wissen und ausgiebige
im Agil/Stage Gate-Hybrid verschiedene Pro-
Übung in Bezug auf die Lead User-Methode
jektrollen, die es wegen der hohen strategischen
und steht dem Projektteam methodisch zur
Bedeutung des Projekts mit Sorgfalt zu beset-
Seite. Er verantwortet die methodische Konsis-
zen gilt.
tenz des Lead User-Prozesses. Diese Rolle kann
auch von externen Unternehmensberatungen
Projektauftraggeber
übernommen werden.
Der Projektauftraggeber, meist ein Mitarbeiter
Gate Keeper
aus dem Top Management (z.B. Leiter der
Technik), möchte radikal neuartige Lösungsan-
Als Gate Keeper kommen prinzipiell nur Top
sätze in einem bestimmten Innovationsfeld
Manager (z.B. Leiter Technik) in Frage, da diese
generieren. Dieser gibt dem Projektinhaber den
Rolle einer entsprechenden Entscheidungs-
Projektierungsauftrag und verantwortet die
kompetenz bedarf. Es ist das Bindeglied zwi-
Einbettung des Projekts in die Unternehmens-
schen strategischer und operativer Ebene.
strategie.
Machtpromoter
Projektinhaber
Der Machtpromotor (meist Top Manager, z.B.
Der Projektinhaber, ein Mitarbeiter aus dem
Leiter Technik) nutzt seine hierarchische Stel-
Middle Management (z.B. Produktmanager),
lung zu Gunsten des Projekts, indem er bspw.
verantwortet die Effektivität des Projekts, gibt
über die Ressourcenzuteilung entscheidet. Er ist
dem Entwicklungsteam das Projekt Backlog vor
durch die Erhaltung und Verbesserung der
und entscheidet im Sprint Review über die
Wettbewerbsfähigkeit
Freigabe von Teilergebnissen.
Hauschildt, Salomo 2011, S. 126). Es sollte min-
motiviert
(vgl.
destens einen Machtpromotor im Lead User-
Entwicklungsteam
Projekt geben.
Im Entwicklungsteam herrschen keine Hier-
Fachpromoter
archieunterschiede. Alle Teammitglieder sind
gleichgestellt und verantworten die effiziente
Fachpromotoren (z.B. Ingenieure) kennzeich-
Durchführung des Projekts. Es arbeitet nach
nen sich durch besonders fundiertes Fachwis-
den
-
sen, die den Barrieren des Nicht-Könnens ent-
steuerung und -disziplin. Das Team selektiert
gegenwirken (vgl. ebd., S. 126). Sie sind Exper-
selbst, welche Teilergebnisse in welchem Sprint
ten auf dem Innovationsgebiet und stellen dem
erledigt werden und schwört sich gemeinsam
Projekt ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zur
darauf ein, das gesetzte Sprintziel (Sprint
Verfügung. Es sollten mindestens zwei Fach-
Backlog) zu erreichen.
promotoren im Lead User-Projekt existieren.
Scrum Master
Prozesspromoter
Der Scrum Master verantwortet die methodi-
Prozesspromotoren (z.B. langjährige Mitarbei-
sche Konsistenz des agilen Projektmanage-
ter) nutzen ihre besonders gut ausgeprägten
ments. Er leitet die Meetings und sorgt sich um
persönlichen Beziehungen zu Gunsten des Pro-
die Einhaltung der Regeln. Daher sollte diese
jekts und kümmern sich um die reibungslose
Rolle hinsichtlich der Projektmanagementin-
Kommunikation zwischen den Stakeholdern.
strumente sehr gut ausgebildet und erfahren
Es sollten mindestens zwei Prozesspromotoren
sein.
im Lead User-Projekt teilnehmen.
Prinzipien
der
Selbstorganisation,
22
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Eine Person kann mehrere Rollen verkörpern.
heft übersetzt wird. Das Lasten- und Pflichten-
Bspw. macht es Sinn, den internen Methoden-
heft dient in Gate 5 schließlich als Entschei-
coach für die Lead User-Methode auch als
dungsgrundlage für die Initialisierung eines
Scrum Master und - ein gutes persönliches
Entwicklungsprojektes.
Netzwerk im Unternehmen vorausgesetzt - als
Nicht zuletzt sollten im Sinne der projektüber-
Prozesspromotor einzusetzen. Ebenfalls ist es
naheliegend,
dass
der
greifenden Qualitätssicherung im anschließen-
Projektauftraggeber
den Entwicklungsprojekt die Lead User regel-
gleichzeitig die Rolle des Projektinhabers und
mäßig eingebunden sein. Dieser kontinuierliche
des Gate Keepers einnimmt. Die Rollenvertei-
Relevanztest gewährleistet zum einen, dass die
lung bleibt jedoch stark von den spezifischen
impliziten Wünsche richtig verstanden wurden,
Gegebenheiten im Unternehmen abhängig. Für
und zum anderen, dass die Ergebnisse des Lead
den Workshop stoßen weitere Unternehmens-
User-Workshop tatsächlich umgesetzt werden.
mitarbeiter hinzu, sodass insgesamt das Ver-
Unzufriedene Lead User im Entwicklungspro-
hältnis zwischen Lead Usern und internen Mit-
jekt deuten schließlich im Sinne eines KPI‘s auf
arbeitern im Workshop etwa 0,5 bis 0,7 beträgt
einen Misserfolg im Entwicklungsprojekt hin.
(vgl. Wagner, Piller 2011, S. 18). Zur Vorbeu-
Die Online-Befragung validiert schließlich die
gung des Not Invented Here-Syndroms werden
richtige Interpretation der Interviews. Außer-
idealerweise die Unternehmensmitarbeiter im
dem bestätigt sie die Praxistauglichkeit des
Workshop integriert, die im Anschluss das
Modells. Vor allem die Agilität, die regelmäßi-
Entwicklungsprojekt verantworten oder zu-
ge Einbindung des Top Managements und die
mindest daran beteiligt sind. In der Sprint Ret-
Selbstorganisation stechen bei den Experten als
rospektive reflektiert das Projektteam im Kol-
besonders positiv hervor. Aufgrund der gerin-
lektiv den abgeschlossenen Sprint durch zwei
gen Stichprobe (n=11) versteht sich dieser Test
Fragen: Was lief besonders gut/schlecht? Was
der Praxistauglichkeit als erstes Indiz und be-
soll im nächsten Sprint genauso/anders ge-
darf einer belastbareren Untersuchung.
macht werden? Die Antworten implizieren Best
Practices, die das Team idealerweise in einer
unternehmensweiten Datenbank konservieren.
5
Da jeder Sprint mit einer Retrospektive ab-
Diskussion
Die Untersuchungsergebnisse und insbesonde-
schließt, tauscht das Team Erfahrungen in kur-
re der entwickelte Agil/Stage Gate-Hybrid für
zen Abständen aus und lernt kontinuierlich.
ein Lead User-Projekt bieten unmittelbare Im-
Ein Teammitglied kann so unmittelbar im
plikationen für die Wissenschaft und Praxis.
nächsten Sprint von Erfahrungen eines anderen
Nachfolgend werden diese aus einem kriti-
Teammitglieds profitieren, sodass die Effizienz
schen Blickwinkel hinterfragt und in den bishe-
und Effektivität steigt. Die unternehmensweite
rigen Forschungsstand eingeordnet.
Bereitstellung gewährleistet ein projektübergreifendes Lernen.
Implikationen für die Wissenschaft
Hinsichtlich des projektübergreifenden Wis-
Aus Sicht der Wissenschaft ist die Idee, agiles
sensflusses zeigt die Fallstudienanalyse, dass
Projektmanagement und Stage Gate miteinan-
sich Lasten- und Pflichtenhefte in der Praxis
der zu verbinden, nicht neu (vgl. Cooper 2014,
bewährt haben. Das Modell sieht deshalb vor,
S. 21). Bspw. schlagen Link (2014, S. 84 - 89)
als Abschluss der Ergebnisvalidierung in Stage
und Sommer et al. (2015) zwei Modelle vor, die
5 ein Lastenheft (bedarfsorientiert) zu erstellen,
sich jedoch auf
das ebenfalls in Stage 5 in die firmeninterne
tionsprozess - von der Idee bis zur Kommerzia-
Sprache (technologieorientiert) in ein Pflichten-
lisierung - beziehen. Neuartig ist im vorliegen23
den
kompletten Innova-
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Implikationen für die Praxis
den Arbeitspapier allerdings die Anwendung
auf den Lead User-Prozess und die Adaption
Für die Praxis bietet das entwickelte Modell ein
auf die besonderen Rahmenbedingungen im
mächtiges Werkzeug für die Organisation und
Fuzzy Front End. Die bewusste Verbindung
Durchführung der Lead User-Methode. Da der
von Projektmanagement und der Lead User-
Einsatz der Methode mit einem sehr großen
Methode ist bisher eine Lücke in der Literatur
Arbeits- und Koordinationsaufwand einhergeht
und besitzt eine sehr hohe Praxisrelevanz. Die
und viele Risiken involviert sind, macht es
Untersuchung leistet somit einen Beitrag in der
Sinn, die Methode in einem Projektformat ab-
relativ jungen Forschung zur Integration von
zuwickeln. Auch wenn PMBoK den derzeitigen
Innovations- und Projektmanagement (vgl.
Industriestandard darstellt, ist diese Herange-
Brady, Söderlund 2008, S. 465). Sie bedient die
hensweise im Lead User-Kontext ungeeignet.
„Forderung nach mehr anwendbaren, relevan-
Agiles Projektmanagement schafft dagegen
ten und integrierten Theorien“ (Greer, Lei 2012,
eine Beherrschbarkeit über Unsicherheiten und
S. 65) und versucht, die Schere zwischen Theo-
Chaoszustände, wie sie im Fuzzy Front End
rie und Praxis zu schließen (vgl. Tzeng 2009, S.
typisch sind.
388; Bogers et al. 2010, S. 866; Gianiodis et al.
Da agile Methoden jedoch im Branchendurch-
2010, S. 532).
schnitt wenig verbreitet sind, dürfte bei der
Neu ist auch die Sichtweise auf die Lead User-
Modelleinführung in die Praxis mit relativ gro-
Methode. Während viele Arbeiten wie bspw.
ßen Ängsten und Zweifeln sowie einer Routine-
Wagner und Piller (2011) und Churchill et al.
trägheit zu rechnen sein. Stabil-flexible Prozess-
(2009) die Lead User-Methode vom Innova-
standards funktionieren nur dann, wenn Vor-
tionsprozess losgelöst als Vorgehensbeschrei-
gesetzte den Mitarbeitern Handlungsspielräu-
bung betrachten, geht die vorliegende Untersu-
me einräumen. Sie wirken kreativitätsfördernd,
chung von einem Lead User-Projekt aus und
benötigen aber großes Vertrauen, denn Vorge-
beschäftigt sich mit der Einbettung in den In-
setzte verlieren ein gewisses Maß an Prozess-
novationsprozess (z.B. projektübergreifender
kontrolle und Mitarbeiter werden transparenter
Wissensfluss). Daneben legt sie den Fokus auf
(vgl. Kullmann 2013, S. 32 f.; Bahlow 2013, S. 48
die Umsetzung der Methode in der Praxis, an-
f.). Grundsätzlich ist deshalb zu klären, ob die-
statt wie ein Großteil der Untersuchungen (vgl.
ses Vertrauen existiert oder aufgebaut werden
z.B. Hippel 1994) die zugrundeliegenden Phä-
kann (vgl. Bahlow 2013, S. 48). Statistisch gese-
nomene zu hinterfragen (vgl. Greer, Lei 2012, S.
hen führt agiles Projektmanagement allerdings
65).
häufiger zum Projekterfolg als der traditionelle
Nichtsdestotrotz stoßen die Instrumente des
Ansatz (vgl. PMI 2015, S. 16 f.), womit die Mo-
professionellen Projektmanagements bei inhalt-
tivation zur Einführung eines vertrauensbasier-
lichen Fragen (z.B. effizientere Suchmethodiken
ten Führungsstils steigen dürfte.
und
ideale
Validierungsverfahren
der
In der Untersuchung wird deutlich, wie stark
Workshopergebnisse) an ihre Grenzen. Die
der Projekterfolg vom Faktor Mensch abhängt.
Untersuchung zeigt, dass ungenutzte Potentiale
Sie generieren die Ideen, tragen die Erfahrun-
auch in diesen Bereichen vorliegen. Projektma-
gen und das Wissen in sich und schaffen
nagement kann an dieser Stelle zwar grund-
schließlich die Innovationsfähigkeit des Unter-
sätzliche Leitgedanken liefern (z.B. Beenden der
nehmens. Deshalb sollte ein innovatives Unter-
Suche, wenn ex ante definiertes Ziel erreicht -
nehmen diese Kapazität zu schätzen wissen.
und nicht, wenn eingeplante Zeit abgelaufen),
Dies wird auch durch Hinterhuber (2012, S. 64
das inhaltliche Problem an sich jedoch nicht
f.) bestätigt, der den Faktor Mensch nach einer
lösen. Dafür wurde es nicht konzipiert.
exzellenten Führung (Projektmanagement) und
24
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
einer guten Strategie (Innovationsmanagement)
explorative und weniger deskriptive Erkennt-
im Innovationsvorhaben als drittwichtigste
nisse, sodass diese Faktoren im Hinblick auf die
Schlüsselgröße des Projekterfolgs einstuft.
Forschungsfrage eine untergeordnete Rolle
spielen. Eine Fehlinterpretation der qualitativen
6
Daten in der Fallstudienanalyse kann durch die
Fazit
Validierung der
Die eingangs gestellte Forschungsfrage, ob Pro-
ausgeschlossen werden.
hemmnissen im Lead User-Kontext helfen
Zukünftige Forschung sollte sich auf der einen
kann, lässt sich anhand der Fallstudienanalyse
Seite mit der detaillierteren Auflösung der Po-
bejahen. Das entwickelte Modell als Hybrid aus
tentiale (deskriptiv und kausal) beschäftigen.
Scrum und Stage Gate liefert dazu eine Mög-
Auf der anderen Seite sind sowohl weitere
lichkeit, dies in der Praxis zu bewerkstelligen.
Problemfelder als auch andere Lösungsmög-
Somit ist auch die zweite Forschungsfrage, wie
lichkeiten vorstellbar, die die Potentiale anders
genau die Leistungsfähigkeit des Innovations-
als das entwickelte Modell ausschöpfen. Denk-
prozesses mit eingebetteter Lead User-Methode
bar ist z.B. im Hinblick auf die Strukturierung
verbessert werden kann, exemplarisch beantDie
Expertenbewertung
mittels
quantitativer Expertenbefragung weitestgehend
jektmanagement beim Abbau von Innovations-
wortet.
Haupterkenntnisse
des Innovationsprojektes eine Scrum of Scrum-
bestätigt
Lösung (vgl. Link 2014, S. 79). Auch engere
schließlich die Praxistauglichkeit des Modells
Verknüpfungen zum Lean Innovation- (vgl.
und verifiziert die Erkenntnisse der Fallstudi-
Schuh et al. 2009) und zum Design Thinking-
enanalyse.
Ansatz (vgl. Link 2014, S. 88) bieten zusätzliche
Der Hybrid als Hauptergebnis der Arbeit
Verbesserungsmöglichkeiten
schafft Reproduzierbarkeit und Steuerbarkeit
für
den
Lead
User-Prozess und dessen Einbettung in den
im Lead User-Prozess und gewährt kreativitäts-
Innovationsprozess. Eine detaillierte, umfang-
fördernde Handlungsspielräume. Er versteht
reiche Analyse der praktischen Umsetzung des
sich als stabil-flexibler Prozessstandard und
Lead User-Ansatzes ist ebenfalls hilfreich, um
generiert eine Symbiose aus Disziplin und Frei-
den Ansatz auf Basis praktischer Erfahrungen
heit. Stage Gate und agiles Projektmanagement
evaluieren und weiterentwickeln zu können.
schließen sich nicht aus, sondern lassen sich gut
kombinieren. Vor allem im unsicheren und
chaotischen Fuzzy Front End, in dem die Lead
7
User-Methode angewendet wird, bietet der
Andersen, Erling, Kristoffer Grude und Tor Haug (2009):
Goal Directed Project Management: Effective Techniques and
Strategies. 4. Aufl. London, Philadelphia: Kogan Page.
Hybrid unter anderem Struktur, einen verbesserten Wissensfluss und eine hohe Leistungsfä-
Literaturangaben
Bahlow, Jörg (2013): „Sieben Prozessweisheiten in der
Einführung“. In: Agiles Projektmanagement in der Praxis
der Produktentwicklung. Hrsg. von Bullinger, Angelika.
Chemnitz: aw&I Wissenschaft und Praxis Technische
Universität Chemnitz. Kap. 9, S. 46–49.
higkeit.
Limitiert wird die Aussagekraft des vorliegenden Arbeitspapiers zum einen durch die mögli-
Bahlow, Jörg, Martin Helfer, Gerhard Kullmann und Jörg
Longmuß (2013): „Scrum als Methode für agiles Projektmanagement“. In: Agiles Projektmanagement in der
Praxis der Produktentwicklung. Hrsg. von Bullinger, Angelika. Chemnitz: aw&I Wissenschaft und Praxis Technische Universität Chemnitz. Kap. 4, S. 11–19.
cherweise unvollständige Problemliste. Zum
anderen führt die Halbstandardisierung des
Frageleitbogens zu einer schwierigen Vergleichbarkeit. Überdies indiziert die empirische
Bogers, Marcel, Allan Afuah und Bettina Bastian (2010):
„Users as Innovators: A Review, Critique, and Future
Research Directions“. In: Journal of Management 36 (4), S.
857–875.
Umfrage zur Überprüfung der Praxistauglichkeit wegen der geringen Fallzahl eher eine
Trendrichtung als eine repräsentative und ein-
Brady, Tim und Jonas Söderlund (2008): „Projects in Innovation, Innovation in Projects Selected Papers from the
deutige Aussage. Ziel der Studie sind jedoch
25
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
Herstatt, Cornelius, Eva-Maria Kern, Stephan Buse, Christoph Stockstrom und Rajnish Tiwari (2007b): Erfolgreiches Projektmanagement in der Neuproduktentwicklung von
KMU Strategien und Maßnahmen. Techn. Ber. Hamburg:
Institut für Technologie- und Innovationsmanagement,
Technische Universität Hamburg-Harburg, S. 26.
IRNOP VIII Conference“. In: International Journal of Project Management 26 (5), S. 465–468.
Brügge, Chris, Michael Hartschen und Jiri Scherer (2011):
Simplicity: Prinzipien der Einfachheit. Offenbach: Gabler
Verlag.
Carbone, Thomas und Donald Tippett (2004): „Project Risk
Management Using the Project Risk FMEA“. In: Engineering Management Journal 16 (4), S. 28–35.
Herstatt, Cornelius, Christian Lüthje und Christopher Lettl
(2001): „Fortschrittliche Kunden zu radikalen Innovationen stimulieren“. In: Institut für Technologie- und Innovationsmanagement, Technische Universität HamburgHarburg. Hamburg, S. 1–13.
Chesbrough, Henry (2003): Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology. Boston:
Harvard Business Review Press.
Herstatt, Cornelius und Birgit Verworn (2007): Management
der frühen Innovationsphasen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
Churchill, Joan, Eric von Hippel und Mary Sonnack (2009):
Lead User Project Handbook: A Practical Guide for Lead User
Project Teams. Techn. Ber. Cambridge: Massachusetts Institute of Technology, S. 162.
Hinterhuber, Hans (2012): „Erfolgsfaktoren für Innovation
Excellence“. In: Innovation Excellence: Wie Unternehmen
ihre Innovationsfähigkeit systematisch steigern. Symposion
Publishing GmbH, S. 63–84.
Cooper, Robert (2014): „Invited Article: What’s Next? After
Stage-Gate“. In: Research-Technology Management 57 (1),
S. 20–31.
Hippel, Eric von (1986): „Lead Users: A Source of Novel
Product Concepts“. In: Management Science 32 (7), S. 791–
805.
Cooper, Robert und Elko Kleinschmidt (1993): „Screening
New Products for Potential Winners“. In: Long Range
Planning 26 (6), S. 74–81.
– (1994): „Sticky Information and the Locus of Problem
Solving: Implications for Innovation“. In: Management
Science 40 (4), S. 429–439.
Dahlander, Linus und David Gann (2010): „How Open Is
Innovation?“ In: Research Policy 39 (6), S. 699–709.
– (2005): „Democratizing Innovation: The Evolving Phenomenon of User Innovation“. In: Journal fur Betriebswirtschaft 55 (1), S. 63–78.
DIN 69901:2009-01 (2009): Projektmanagement – Projektmanagementsysteme - Teil 1: Grundlagen. Hrsg. von Deutsches
Institut für Normung e.V. 9. Aufl. Berlin, Wien, Zürich:
Beuth Verlag GmbH.
Hippel, Eric von, Nikolaus Franke und Reinhard Prügl
(2009): „Pyramiding: Efficient Search for Rare Subjects“.
In: Research Policy 38 (9), S. 1397–1406.
Edmondson, Amy und Ingrid Nembhard (2009): „Product
Development and Learning in Project Teams: The Challenges Are the Benefits“. In: Journal of Product Innovation
Management 26 (2), S. 123–138.
Hippel, Eric von, Stefan Thomke und Mary Sonnack (1999):
„Creating Breakthroughs at 3M“. In: Harvard Business
Review 77 (5), S. 47–57.
Gianiodis, Peter, Scott Ellis und Enrico Secchi (2010): „Advancing a Typology of Open Innovation“. In: International Journal of Innovation Management 14 (4), S. 531–572.
Horsch, Jürgen (2003): Innovations und Projektmanagement:
Von der strategischen Konzeption bis zur operativen Umsetzung. 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
Glaser, Barney und Anselm Strauss (1967): The Discovery of
Grounded Theory: Strategies for Qualitative Research. Bd. 1.
4. Chicago: Adline.
Huber, Daniel, Heiner Kaufmann und Martin Steinmann
(2014): Bridging the Innovation Gap: Bauplan des innovativen Unternehmens. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler.
Greer, Charles und David Lei (2012): „Collaborative Innovation with Customers: A Review of the Literature and
Suggestions for Future Research“. In: International Journal of Management Reviews 14 (1), S. 63–84.
Kim, Jongbae und David Wilemon (2002): „Focusing the
Fuzzy Front-End in New Product Development“. In:
R&D Management 32 (4), S. 269–279.
Hanisch, Bastian und Andreas Wald (2013): „Effects of
Complexity on the Success of Temporary Organizations:
Relationship Quality and Transparency as Substitutes
for Formal Coordination Mechanisms“. In: Scandinavian
Journal of Management 30 (2), S. 197–213.
Kullmann, Gerhard (2013): „Was ist wichtig bei der Durchführung? 7 goldene Regeln“. In: Agiles Projektmanagement in der Praxis der Produktentwicklung. Hrsg. von Bullinger, Angelika. Chemnitz: aw&I Wissenschaft und Praxis Technische Universität Chemnitz. Kap. 6, S. 24–33.
Hauschildt, Jürgen und Sören Salomo (2004): Innovationsmanagement. 3. Aufl. München: Vahlen.
Kullmann, Gerhard, Jörg Longmuß, Angelika Bullinger und
Birgit Spanner-Ulmer (2013): Agiles Projektmanagement in
der Praxis der Produktentwicklung. Chemnitz: aw&I Wissenschaft und Praxis Technische Universität Chemnitz.
– (2011): Innovationsmanagement. 5. Aufl. München: Vahlen.
Herstatt, Cornelius, Stephan Buse, Rajnish Tiwari und
Christoph Stockstrom (2007a): Innovationshemmnisse in
KMU der Metropolregion Hamburg: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in ausgewählten Branchen. Techn. Ber.
Hamburg: Institut für Technologie- und Innovationsmanagement, Technische Universität Hamburg-Harburg, S.
110.
Lehnen, Jens, Daniel Ehls und Cornelius Herstatt (2014):
„Implementation of Lead Users Into Management Practice: A Literature Review of Publications in Business
Press“. In: Institut für Technologie- und Innovationsmanagement, Technische Universität Hamburg- Harburg.
Hamburg, S. 28.
Lettl, Christopher, Cornelius Herstatt und Hans Georg
Gemünden (2006): „ Users' contributions to radical innovation: evidence from four cases in the field of medical equipment technology”. In: R&D Management 36 (3),
S. 251–272.
Herstatt, Cornelius und Eric von Hippel (1992): „From
Experience: Developing New Product Concepts via the
Lead User Method: A Case Study in a Low-Tech Field“.
In: Journal of Product Innovation Management 9 (3), S. 213–
221.
26
Working Paper Nr. 90
Tobias S. Schmidt, Jens Lehnen, Cornelius Herstatt
sumers’ lead userness“. In: Journal of Product Innovation
& Management Association 25 (4), S. 331–346.
Lilien, Gary, Pamela Morrison, Kathleen Searls, Mary
Sonnack und Eric von Hippel (2002): „Performance Assessment of the Lead User Idea-Generation Process for
New Product Development“. In: Management Science 48
(8), S. 1042–1059.
Schuh, Günther, Michael Lenders und Dennis Bender
(2009): „Lean Innovation – Auf dem Weg zur Systematik“. In: Industrie Management 25 (1), S. 23–26.
Link, Patrick (2014): „Agile Methoden im ProduktLifecycle-Prozess: Mit agilen Methoden die Komplexität
im Innovationsprozess handhaben“. In: Komplexitätsmanagement in Unternehmen. Hrsg. von Schöneberg, KlausPeter. Wiesbaden: Springer. Kap. 5, S. 65–92.
Schwaber, Ken und Jeff Sutherland (2013): Der Scrum Guide.
Techn. Ber. Scrum.org, ScrumInc., S. 19.
Sommer, Anita Friis, Christian Hedegaard, Iskra DukovskaPopovska und Kenn Steger-Jensen (2015): „Improved
Product Development Performance through Agile/Stage
Gate Hybrids: The Next-Generation Stage-Gate Process?“ In: Research-Technology Management 58 (1), S. 34–
45.
Lüthje, Christian und Cornelius Herstatt (2004): „The Lead
User Method: An Outline of Empirical Findings and Issues for Future Research“. In: R&D Management 34 (5), S.
553–568.
Olson, Erik und Geir Bakke (2001): „Implementing the Lead
User Method in a High Technology Firm: A Longitudinal Study of Intentions Versus Actions“. In: Journal of
Product Innovation Management 18 (6), S. 388–395.
Sutherland, Jeff, Anton Viktorov, Jack Blount und Nikolai
Puntikov (2007): „Distributed Scrum: Agile Project Management With Outsourced Development Teams“. In:
Proceedings of the 40th Annual Hawaii International Conference on System Sciences. Hawaii, S. 10.
Osterloh, Margit und Bruno Frey (2000): „Motivation,
Knowledge Transfer, and Organizational Forms“. In:
Organization Science 11 (5), S. 538–550.
Turner, Rodney und Ralf Müller (2003): „On the Nature of
the Project as a Temporary Organization“. In: International Journal of Project Management 21 (1), S. 8.
Peters, Sibylle (2011): „Neue Formen von Projektorganisation und Projektmanagement - dynamisch und offen“. In:
Enabling Innovation. Hrsg. von Jeschke, Sabine, Isenhard,
Ingrid, Hees, Frank und Trantow, Sven. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 53–65.
Tushman, Michael (1997): „Winning Through Innovation“.
In: Strategy & Leadership 25 (4), S. 14–19.
Tzeng, Cheng-Hua (2009): „A Review of Contemporary
Innovation Literature: A Schumpeterian Perspective“.
In: Innovation: Management, Policy and Practice 11 (3), S.
373–394.
Piller, Frank, Christoph Ihl und Alexander Vossen (2011):
„A Typology of Customer Co-Creation in the Innovation
Process“. In: New forms of Collaborative Production and Innovation: Economic, Social, Legal and Technical Characteristics and Conditions. December. Aachen: SSRN Electronic
Journal, S. 31–61.
Urban, Glen und Eric von Hippel (1988): „Lead User Analyses for the Development of New Industrial Products”.
In: Management Science 34 (5), S. 569-582.
Verworn, Birgit, Christian Lüthje und Cornelius Herstatt
(2000): „Innovationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen“. In: Institut für Technologie- und Innovationsmanagement, Technische Universität Hamburg-Harburg. Hamburg, S. 24.
PMI (2013): Project Management Body of Knowledge: A Guide
to the Project Management Body of Knowledge. Techn. Ber.
Project Management Institute, S. 589.
– (2015): Pulse of Profession: Capturing the Value of Project
Management. Techn. Ber. Project Management Institute,
S. 28.
Verworn, Birgit, Cornelius Herstatt und Akio Nagahira
(2008): „The Fuzzy Front End of Japanese New Product
Development Projects: Impact on Success and Differences between Incremental and Radical Projects“. In:
R&D Management 38 (1), S. 1–19.
PwC (2012): Insights and Trends: Current Portfolio, Programme, and Project Management Practices. Techn. Ber.
PricewaterhouseCoopers AG, S. 40.
Wagner, Philipp und Frank Piller (2011): Mit der Lead-UserMethode zum Innovationserfolg: Ein Leitfaden zur praktischen Umsetzung. Leipzig: Center for Leading Innovation
& Cooperation.
Reichwald, Ralf, Frank Piller und Christoph Ihl (2009):
„Interaktive Wertschöpfung - Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung“.
Wiesbaden: Gabler.
Witte, Eberhard (1973): Organisation für Innovationsentscheidungen: Das Promotoren-Modell. Göttingen: Verlag Otto
Schwartz und Co.
Roberts, Edward (2007): „Managing Invention and Innovation“. In: Research-Technology Management 50 (1), S. 35–
54.
Witzel, Andreas (2000): „The Problem-Centered Interview“.
In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative
Social Research 1 (1), S. 142–150.
Sandmeier, Patricia, Pamela Morrison und Oliver
Gassmann (2010): „Integrating Customers in Product
Innovation: Lessons from Industrial Development Contractors and In-House Contractors in Rapidly Changing
Customer Markets“. In: Creativity and Innovation Management 19 (2), S. 89–106.
Witzel, Andreas und Herwig Reiter (2012): The ProblemCentered Interview. London: SAGE Publications.
Wrona, Thomas (2005): „Die Fallstudienanalyse als wissenschaftliche Forschungsmethode“. In: ESCP-EAP, Europäische Wirtschaftshochschule Berlin. Berlin, S. 55.
Schreier, Martin und Reinhard Prügl (2008): „Extending
lead-user theory: Antecedents and consequences of con-
27

Documents pareils