IKT 2020 - Forschungsprofile Niedersachsen
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IKT 2020 - Forschungsprofile Niedersachsen
IKT 2020 Forschung für Innovationen Impressum Herausgeber Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Öffentlichkeitsarbeit 11055 Berlin Bestellungen schriftlich an den Herausgeber Postfach 30 02 35 53182 Bonn oder per Tel.: 01805 – 262 302 Fax: 01805 – 262 303 (0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz) E-Mail: [email protected] Internet: http://www.bmbf.de Gestaltung [sku:l] Büro für Grafik und Text, Reichshof-Nosbach Druckerei Druckhaus LOCHER GmbH, Köln Bonn, Berlin 2007 Bildnachweis/Nähere Informationen Titelbild: Siemens AG Getty Images (5), Digital Vision Ltd. (7), Infineon (16), AMO GmbH (16), VDI TZ GmbH (17), Deutsche Telekom AG (19), Forschungszentrum Jülich GmbH (20), Fraunhofer IZM (21), Fraunhofer FIT(22), DLR (23), DaimlerChrysler (29), Fraunhofer IBMT (33), Siemens AG (33, 37, 40, 47), Carl Zeiss AG (43), Städtisches Vermessungsamt Dresden (44), Prof. Hütten/Universität Bielefeld (48), Werbeagentur creart/Fachhochschule Fulda (49), BASF (50), AMD (57) IKT 2020 Forschung für Innovationen INHALT 3 Inhalt Zusammenfassung 4 1. Politische Einordnung 6 2. Wirtschaftliche Potentiale der IKT 9 3. Perspektiven der IuK-Technologien 15 4. Förderprogramm 24 4.1 Strategische Instrumente 26 4.1.1 Leitinnovationen 26 4.1.2 Technologieverbünde 34 4.1.3 Diensteplattformen 40 4.1.4 IKT-spezifische KMU-Förderung 43 4.2 Basistechnologien 43 4.2.1 Elektronik und Mikrosysteme 43 4.2.2 Softwaresysteme und Wissensverarbeitung 48 4.2.3 Kommunikationstechnik und Netze 4.3 Zukünftige Entwicklungen 5. IKT-Politik aus einem Guss 53 56 60 5.1 Entwicklung und Erprobung neuer Multimedia- und Internettechnologien 60 5.2 Europäische Kooperationen im 7. Forschungsprogramm der EU 62 5.3 Exzellenzinitiative 63 5.4 IKT-Forschung der Wissenschaftsorganisationen 64 5.4.1 Max-Planck-Gesellschaft 65 5.4.2 Fraunhofer Gesellschaft 65 5.4.3 Leibniz-Gemeinschaft 66 5.4.4 Helmholtz-Gemeinschaft 67 5.5 Nachwuchs, Fach- und Führungskräfte 68 6. Finanzmittel für IKT 70 7. Operative Umsetzung des Förderprogramms 71 8. Weitere nützliche Informationen 72 9. Glossar 73 4 ZUSAMMENFASSUNG Zusammenfassung Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind der Innovationsmotor Nr. 1. Mehr als 80 Prozent der Innovationen in den in Deutschland starken Anwendungsfeldern/ Branchen Automobil, Medizintechnik und Logistik sind IKTgetrieben. In der Hightech-Strategie der Bundesregierung gehören IKT deshalb zu den bedeutendsten Innovationsfeldern. Diesen Motor müssen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Deutschland gemeinsam weiter in Schwung bringen. Das vorliegende Forschungsprogramm IKT 2020 ist der Beitrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das in der Hightech-Strategie und im Aktionsprogramm „iD2010 – Informationsgesellschaft Deutschland 2010“ identifizierte Handlungsfeld „Forschungsförderung“. Es ist das Angebot an Wissenschaft und Wirtschaft, die Zukunft der IKT-Forschung gemeinsam zu gestalten. ■ Zielsetzung und Leitlinien: Die Förderaktivitäten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zielen darauf ab, die technologische Spitzenstellung Deutschlands im Bereich IKT zu festigen und auszubauen. Darüber hinaus soll die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs-, Produktions- und Arbeitsplatzstandortes Deutschland sowohl branchenbezogen als auch branchenübergreifend durch IKT gesichert und erhöht werden. Verfolgt wird eine Innovationspolitik aus einem Guss, die an allen Gliedern der Innovationskette ansetzt. Dazu gehört es auch, den Zugang für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu technologischem Know-how zu verbessern. Im Vordergrund der Förderung stehen Technologieentwicklungen und Prozesse, die eine besondere volkswirtschaftliche Hebelwirkung entfalten, Technologieführerschaften erhalten und ausbauen sowie neue Dienstleistungen integrieren. Die Forschungsschwerpunkte wurden und werden gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft identifiziert, bei gleichzeitiger technologieübergreifender Bündelung der Forschungskapazitäten und Forschungsgelder. ■ Strategische Ausrichtung: Die Forschungsförderung von BMBF und BMWi wird auf in Deutschland starke Anwendungsfelder/Branchen ausgerichtet, in denen Innovationen in hohem Maße IKT-getrieben sind. Neben der IKT-Wirtschaft selbst sind dies Automobil, Maschinenbau, Medizin, Logistik und Energie. Wesentliche Grundlage für Innovationen auf diesen Feldern sind (anwendungsorientierte) Forschungs- und Entwicklungsergebnisse im Bereich der Basistechnologien Elektronik und Mikrosysteme, Softwaresysteme und Wissensverarbeitung sowie Kommunikationstechnik und Netze. Ausgerichtet wird die IKT-Förderung entlang der strategischen Forschungs- und Entwicklungslinien „IKT in komplexen Systemen“ (z. B. „Embedded Systems“), „neue Geschäftsprozesse und Produktionsverfahren“ sowie „Internet der Dinge und Dienste“. Dabei ist eine Fokussierung auf die Qualitätsziele Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit und Ressourceneffizienz erforderlich, da sich nur so die Stärken in der deutschen IKT-Forschung und das traditionell hohe internationale Ansehen deutscher Ingenieurleistungen auf IKT-Lösungen aus Deutschland übertragen lassen. ■ Instrumente und Schwerpunkte: Es sollen Brücken geschlagen werden zwischen Technologien und Anwendungsfeldern/Branchen, damit aus Forschungsergebnissen auch wirtschaftliche Erfolge generiert werden können. Hierzu sollen Innovationsallianzen zwischen den beteiligten Gruppen (Stakeholdern) – insbesondere in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik – geschlossen werden. Zum einen werden stark vertikal ausgerichtete Kooperationen (Leitinnovationen), die auf bestimmte Anwendungsfelder/Branchen ausgerichtet sind und an denen sich Technologiebereiche abgestimmt fördernd beteiligen, gebildet. Zum anderen stark horizontal ausgerichtete Kooperationen (Technologieverbünde), die eine gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft festgelegte technologische Zielsetzung verfolgen, sowie Diensteplattformen. Darüber hinaus wird der in der Hightech-Strategie vorgesehenen stärkeren Innovationsbeteiligung von KMU Rechnung getragen. Dazu wird die im Rahmen des alten Programms „IT-Forschung 2006“ aufgelegte Forschungsoffensive „Software Engineering 2006“ neu ausgerichtet. Folgende strukturelle Änderungen werden vorgenommen: IuK-technologieübergreifende Förderung von kooperativen FuE-Vorhaben in KMU, vereinfachte Förderverfahren, Bildung einer zentralen Anlaufstelle sowie Verkürzung der Zeit zwischen Antragstellung und abschließender Förderentscheidung/Mittelbereitstellung. ■ Finanzmittel für IKT 2020: Auf der Basis der derzeitigen Haushaltsplanung werden für das Förderprogramm IKT 2020 im Zeitraum von 2007 bis 2011 jährlich knapp 300 Mio. Euro zur Verfügung stehen. Hinzu kommen jährlich rund 80 Mio. Euro für die IKT-Förderung seitens des BMWi. ZUSAMMENFASSUNG 5 (Getty Images) ■ IKT 2020 als lernendes Programm: Der strategische Ansatz des Forschungsprogramms IKT 2020 ist auf zehn Jahre angelegt und weist mit seiner grundsätzlichen Orientierung auf das Jahr 2020. Da sich IKT rasant weiterentwickeln, ist der thematische Rahmen der FuE-Förderung allerdings zunächst auf 5 Jahre begrenzt. Die extrem kurzen Innovationszyklen in der IKT machen es erforderlich, dass möglicherweise bereits in diesem Zeitraum Ergänzungen und Schwerpunktverlagerungen vorgenommen werden müssen. Aus diesem Grund ist IKT 2020 bewusst als offenes und lernendes Forschungsprogramm ausgelegt. Die dargestellten Leitinnovationen, Technologieverbünde und Diensteplattformen sowie Schwerpunkte und Forschungsthemen sind weder vollständig noch abgeschlossen. Wie bei der Erstellung von IKT 2020 wird das BMBF zur Fortschreibung und Weiterentwicklung den Dialog mit Wissenschaft und Wirtschaft fortsetzen. Nur so kann rechtzeitig auf technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen reagiert und die Förderaktivitäten entsprechend angepasst werden. 6 POLITISCHE EINORDNUNG 1. Politische Einordnung Der Informations- und Kommunikationstechnologie-Standort Deutschland soll an die Weltspitze kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gemeinsam neue Chancen für Wachstum und Arbeitsplätze eröffnen, zukunftsträchtige Wachstumsfelder mutig weiter entwickeln und die erfolgskritischen Handlungsfelder angehen. Hierzu ist beim ersten nationalen Gipfel der Bundeskanzlerin am 18. Dezember 2006 in Potsdam ein 12-Punkte-Programm mit einem ersten Bündel von Maßnahmen erarbeitet worden, dessen Umsetzung Wissenschaft, Wirtschaft und Politik als gemeinsame Verantwortung verstehen. Innovationsfeld IKT in der Hightech-Strategie Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind der Innovationsmotor Nr. 1. Diesen Motor müssen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Deutschland gemeinsam weiter in Schwung bringen. Aus diesem Grund gehören IKT zu den bedeutendsten Innovationsfeldern in der HightechStrategie der Bundesregierung und bilden einen Schwerpunkt der neuen integrierten Innovationspolitik der Bundesregierung. Deutschland ist das Land der Ideen. Die Hightech-Strategie zeigt den Weg, wie dies auch in Zukunft so bleiben kann. Aber neue Ideen sollen in Deutschland nicht nur entwickelt, sondern auch umgesetzt werden. Dafür müssen die Wege von der Entwicklung zum Markt kürzer und schneller werden. Mit der Hightech-Strategie werden erstmals Forschungsförderung und Rahmenbedingungen konsequent gemeinsam betrachtet. Mit der Hightech-Strategie rückt Innovationspolitik in das Zentrum des Regierungshandelns. Dieser Aufbruch für eine neue Innovationspolitik wird durch Taten unterstrichen: Die Investitionen in Forschung und Entwicklung werden bis Ende 2009 um insgesamt zusätzlich 6 Milliarden Euro aufgestockt. Mit dem neuen Aktionsprogramm „iD2010 – Informationsgesellschaft Deutschland 2010“ der Bundesregierung werden die verschiedenen programmatischen Maßnahmen der Bundesregierung in den Bereichen IKT und Neue Medien zusammengefasst. Es beschreibt damit zusammen mit der Hightech-Strategie die Innovationsstrategie der Bundesregierung für das Innovationsfeld IKT. Das vorliegende Forschungsprogramm IKT 2020 ist der Beitrag des BMBF zur Umsetzung des Handlungsfeldes „Forschungsförderung“ im Innovationsfeld IKT der Hightech-Strategie und des Aktionsprogramms iD2010. Ziele und Leitlinien der IKT-Forschungspolitik Innerhalb der Bundesregierung wird die IKT-Forschungspolitik vor allem durch BMBF und BMWi gestaltet und vorangebracht. Deren Förderaktivitäten zielen darauf ab, die technologische Spitzenstellung Deutschlands im Bereich IKT zu festigen und auszubauen. Hierdurch sollen die Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte und Dienstleistungen vorangebracht und dabei neue Anwendungsfelder erschlossen werden. Durch Forschungsförderung sollen so unternehmerische Investitionen in Deutschland ausgelöst werden. Die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs-, Produktionsund Arbeitsplatzstandortes Deutschland soll sowohl branchenbezogen als auch branchenübergreifend durch IKT gesichert und erhöht werden. Darüber hinaus leisten die IKT wichtige Beiträge im Bereich der Vorsorge (Gesundheit, Ressourceneffizienz und Umwelt) und der zivilen Sicherheit. Verfolgt wird eine Innovationspolitik aus einem Guss, die an allen Gliedern der Innovationskette ansetzt. Dazu gehört es auch, den Zugang für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu technologischem Know-how zu verbessern, (rechtliche) Rahmenbedingungen in Kooperation mit anderen Ressorts innovationsfreundlich mit zu gestalten, Hürden zu identifizieren und zu beseitigen sowie die Projektförderung und die institutionellen Aktivitäten noch besser zu verzahnen. Im Vordergrund der Förderung stehen Technologieentwicklungen und Prozesse, die eine besondere volkswirtschaftliche Hebelwirkung entfalten, Technologieführerschaften erhalten und ausbauen sowie neue Dienstleistungen integrieren. Die Forschungsschwerpunkte werden gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft identifiziert, bei gleichzeitiger technologieübergreifender Bündelung der Forschungskapazitäten und Forschungsgelder. Innovationspolitik ist mehr als Forschungsförderung. Es geht auch darum, wissenschaftliche Exzellenz zu fördern, technologische Stärken zu erkennen, sie auszubauen und für Deutschland disziplin-, technologie- und branchenübergreifend zu nutzen. Es geht darum, Brücken zu bauen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie zwischen Technologien und Anwendungsfeldern/Branchen. Forschung und die Umsetzung von Forschungsergebnissen bedürfen exzellent ausgebildeter Wissenschaftler und Ingenieure sowie einer hervorragenden Forschungsinfrastruktur. Dabei stellt die Mitarbeit an anspruchsvollen Forschungsprojekten ihrerseits eine berufliche Aus- und Weiterbildung dar. POLITISCHE EINORDNUNG 7 Ein weiterer wichtiger Faktor ist es, die Bedürfnisse von Nutzern und Nutzerinnen frühzeitig zu berücksichtigen. Wenn die Perspektive beider Geschlechter wie auch älterer Mitbürger und Mitbürgerinnen von Anfang an in die Forschung einbezogen wird, kann es gelingen, Fehlentwicklungen oder einseitige Festlegungen zu vermeiden. Europäische Kooperationen und internationale Allianzen Es sind Brücken zu bauen zwischen nationaler und europäischer Forschung. Die Verabredung gemeinsamer Ziele und Strategien auf europäischer Ebene sind eine Grundvoraussetzung, um im internationalen Wettbewerb mit den USA und Ostasien um die besten Forschungs- und Produktionsstandorte bestehen zu können. Zudem wird es in einigen Bereichen darauf ankommen, durch Kooperation in Europa kritische Massen zu schaffen, die dann zusammengenommen auch im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sind. Im 7. Forschungsrahmenprogramm stellt das Förderprogramm aus dem Bereich IKT (IST-Programm) mit einem Budget von ca. 9 Mrd. Euro für 7 Jahre das größte Einzelprogramm im Bereich Kooperationen dar. Dies unterstreicht die Bedeutung, die IKT auf europäischer Ebene beigemessen wird, und die einer Verzahnung von nationaler Förderung und Förderprogrammatik der EU zukommt. Auf Grund der absehbaren Entwicklung des IKT-Marktes und der damit verbundenen veränderten Wettbewerbslage im globalen Kontext wird selbst die europäische Ebene als Kooperationsplattform auf bestimmten Gebieten nicht mehr ausreichen. Deshalb wird das BMBF im Rahmen seiner Strategie zum Internationalen Forschungsmarketing prüfen, ob und inwieweit die Initiierung von und die Beteiligung an internationalen Allianzen mit außereuropäischen Partnern ein Mittel zur Sicherung der nationalen und europäischen Wettbewerbsfähigkeit auf bestimmten Gebieten im IKTBereich sein kann. Die Strategieentwicklung und -umsetzung wird dann in enger Abstimmung mit Wirtschaft und Wissenschaft erfolgen. (Digital Vision Ltd.) 8 POLITISCHE EINORDNUNG Stärken ■ ■ ■ ■ ■ Forschungslandschaft: Hoher Grad an Vernetzung; FhG ist die größte IKT-Forschungseinrichtung Europas; alle großen IKT-Hersteller unterhalten FuELabore in Deutschland. Marktgröße: Deutschland ist weltweit der drittgrößte und in Europa der mit Abstand größte Markt der IKTBranche. Europas Elektronik-Standort Nr. 1: Cluster Dresden; jeder zweite Halbleiter aus Europa ist „Made in Germany“. Infrastruktur: Leistungsfähiges Transport-Netz; hohe Funknetzabdeckung; funktionierender Wettbewerb. Chipkarten-Technologie: 70 % Weltmarktanteil für deutsche Unternehmen. Chancen ■ ■ ■ ■ ■ ■ Schwächen ■ ■ ■ ■ ■ Wenige deutsche Global Player: Standardsoftware, Unterhaltungselektronik, Chip- und Displayproduktion von asiatischen und US-amerikanischen Firmen dominiert. Langsame Technologiediffusion: Anteil der IKT-Ausgaben am BIP unter westeuropäischem Durchschnitt; bei E-Government unteres Mittelfeld in Europa. Große IT-Anwendungsprojekte: Projektmanagement und Rahmenbedingungen optimierungsfähig. Internationale Standardisierungsprozesse: Bedeutung wird unterschätzt, Deutsche Beteiligung vielfach zu gering. Zu geringe Investitionen in IKT-Infrastrukturen (neue Märkte). Wachstumsmärkte: Chipproduktion +15 % p. a. Forschung: Ergebnisse der Grundlagenforschung nutzen, neue IKT-Anwendungen in Mobilität, Medizin, Produktion absehbar. Infrastruktur: Aufbau zukunftsfähiger Netze für neue ortsfeste und mobile Anwendungsfelder (z. B. Produktion, Dienstleistung, Gesundheit). Sichere Anwendungen und vertrauenswürdige Geschäftsprozesse: Unter Berücksichtigung von Datenschutz / Nutzeranforderungen zu entwickeln. IT-Markt in Bewegung: Es entwickeln sich KMU zu hochspezialisierten Produktentwicklungs-, Systemarchitektur- und Systemintegrationsspezialisten. IT-Sicherheit: Den mittelständisch geprägten IT-Sicherheits-Standort Deutschland ausbauen. Herausforderungen ■ ■ ■ ■ ■ ■ Globalisierung: Outsourcing von IT-Dienstleistungen; Welthandel mit IKT-Produkten und v.a. -Dienstleistungen wächst überdurchschnittlich. Zyklische Märkte: Starke Preisschwankungen bei Elektronik-Bauteilen, Angebot und Nachfrage bei IT-Spezialisten unausgeglichen. Entwicklung neuer Geschäftsmodelle: Netzbetreiber werden Plattformbetreiber und Inhalteanbieter, TK-Unternehmen geraten durch Internet-Telefonie etc. unter Druck. Tiefgreifender Wandel: Informations- und Wissensgesellschaft entsteht. Ganzheitliche IKT-gestützte Prozess- und Produktinnovationen: Entwicklung vorantreiben. Verletzlichkeit der Informationsinfrastruktur: IKT-Sicherheitslösungen entwickeln und einsetzen. Tabelle 1: SWOT-Analyse zum Innovationsfeld IKT 1 1 Akutalisierung der SWOT-Analye zu IKT aus: Hightech-Strategie der Bundesregierung (2006). WIRTSCHAFTLICHE POTENTIALE DER IKT 9 2. Wirtschaftliche Potentiale der IKT Wandelnde und neue Märkte bieten großes Wachstumspotential Mrd. Euro Wachstum IT-Markt 80 70 Die IKT-Branche wächst stetig. Vergessen sind die kargen Jahre nach Platzen der Internet60 blase zu Beginn dieses Jahrtausends. Handfeste 50 Technologien und zahlreiche Ideen bahnen 40 sich weltweit ihren Weg zum begehrten Produkt. Vom Chip über innovative Software30 Lösungen, von neuen Kommunikationsnetzen 20 bis zu weit reichenden, neuen Dienstleistungen für Internetnutzer wachsen alte 10 Märkte und neue entstehen. Parallel nimmt 0 die Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze zu. Nicht nur in Fernost und in den USA, sondern dank zukunftsweisender Forschung und Entwicklung auch in Europa und Deutschland. Dabei ist der große Anteil der IKT-Produkte „Made in Germany“ für den Konsumenten oft nicht sichtbar. Sie verbergen sich in Automobilen und Industrieanlagen, Stromnetzen und Kraftwerken, Kommunikationsnetzen, Robotern und Logistiksystemen. „Neue Geschäftsmodelle, neue Kommunikationsplattformen, neue Pforten zum digitalen Wettbewerb finden ihren Weg in den Weltmarkt“, sagt Bruno Lamborghini, Leiter des European Information Technology Observatory (EITO) in Frankfurt. Alljährlich ermittelt das EITO Marktzahlen und Trends der IKT-Branche. Nach schrumpfenden globalen Umsätzen 2002 und 2003 gewinnt seit 2004 der IKTMarkt wieder an Dynamik. Weltweit zeigen die EITO-Zahlen für 2005/2006 ein Wachstum von 5,9 Prozent. Und auch 2007 erwarten die Frankfurter Experten eine ähnliche Zunahme. Haupttreiber mit knapp zehn Prozent Marktwachstum sind dabei die aufstrebenden Staaten wie China und Indien. In Japan rechnet man mit einer schmalen Zunahme von 2,2, in den USA mit einer kräftigeren von 5,6 Prozent. Und die EU-Staaten legen mit 4,2 Prozent für 2007 leicht zu. Deutschland bleibt knapp unter diesem Durchschnitt mit drei Prozent Wachstum, zudem begleitet von einem stagnierenden Markt in der Telekommunikationstechnik. „Doch die meisten europäischen IKT-Märkte haben sich von der Rezessionsphase 2001 bis 2003 schneller erholt als die Gesamtwirtschaft“, so Lamborghini in dem aktuellen EITO-Report. Deutschland Großbritannien Frankreich Italien Spanien 2003 2004 2005 2006 2007 Quelle: EITO, 2006 Metatrends der IKT-Branche Ein klarer Trend zeichnet sich dabei für die kommenden Jahre ab: Die größten Stützen des Wachstums werden nicht mehr Geräte, IKT-Ausstattung und Übertragungstechniken sein. Hier gehen die Marktanalysten von geringen Wachstumsraten um die zwei Prozent innerhalb der EU aus. Leistungsfähigere, modular aufgebaute Software und auf die Bedürfnisse von Firmen und Privatpersonen genau zugeschnittene Dienstleistungen und Angebote, die IKT-Services, werden europa- und weltweit mit gut sechs Prozent Zunahme immer stärker nachgefragt werden. Dabei spielt die Ausrichtung auf einzelne Nutzergruppen wie z. B. Frauen oder ältere Mitbürger und Mitbürgerinnen eine zunehmende Rolle. Diese Entwicklung mit einer Konsolidierung beim Hardware-Absatz und deutlichen Steigerungen im Softwareund IKT-Diensleistungsgeschäft spiegelt sich auch in einem Trendbericht des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) wieder. Zusammen mit der Roland Berger Strategy Consultants heben sich in einer Studie zur „Zukunft der digitalen Wirtschaft“ vier übergeordnete Metatrends für die nächsten Jahre heraus: die Konvergenz der Märkte, die Flexibilisierung von Organisationen, die Allgegenwärtigkeit von IKTTechnologien und die uneingeschränkte Nutzbarkeit digitaler Informationen. „Diese vier Entwicklungen verändern weltweit die Märkte, sie verändern die Unternehmen und sie verändern die Geschäftsprozesse“, fasst BITKOM-Präsident Willi Berchtold die Bedeutung dieser Trends zusammen. Damit die etwa 800.000 Arbeitsplätze in der IKT-Branche in Deutschland mit einem Umsatz von rund 146 Milliarden Euro gesichert 10 Mrd. Euro 100,0 WIRTSCHAFTLICHE POTENTIALE DER IKT IKT-Service Markt Deutschland Gute Ideen steigern Chancen Wer sich zuhause und im Büro umschaut, wird kaum den Eindruck bekommen, dass IKT-Produkte „Made in Germany“ eine wesent80,0 liche Rolle spielen. Digitalkameras und Flach70,0 Kommunikation Kommunikation 56,6 bildschirme kommen aus Fernost, auf HiFi60,0 55,0 Anlagen, MP3-Playern und Fernsehern prangt 50,0 nur selten das Logo einer deutschen Firma, 40,0 auf den begehrten Spielekonsolen gar nicht. 30,0 In dem boomenden Markt der Computerspiele wird Deutschland als Entwicklungsland ein20,0 IT IT 29,4 gestuft. 25,6 10,0 Auch Software, gerade bei weit ver0,0 2004 2007 breiteten PC-Endanwendungen, importiert Quelle: EITO, 2006 Deutschland in großen Mengen. Der Export rangiert trotz des Global Players SAP gerade bei und weitere geschaffen werden können, ist die Entwicklung sieben Prozent Weltmarktanteil. Obwohl die meisten euround rasche Umsetzung von Schlüsseltechnologien gefordert. päischen Chips in dem erfolgreichen Dresdner MikroelektroDies ist umso wichtiger, da die IKT-Branche schon heute im nikcluster in Deutschland gefertigt werden, bleibt die BedeuDurchschnitt aller OECD-Länder etwa zehn Prozent des tung dieses Standorts für den Weltmarkt begrenzt. Und der Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, Tendenz steigend. aktuelle Trend weist noch stärker nach Asien. Hier ballen sich 35 der derzeit in Bau befindlichen Chipfabriken. In NordInnovationstreiber IKT amerika sind es nur drei, in Europa zwei. Doch der Wandel und die Schnelllebigkeit der IKT-ProIuK-Technologien durchdringen zunehmend eine Vielzahl dukte bieten in diesen auf den ersten Blick für Deutschland anderer Wirtschaftsbereiche wie den Maschinen- und Autodüsteren Märkten große Chancen. Und sie werden auch mobilbau, die Automatisierungstechnik, das Bildungswesen genutzt. So investiert der britische Kunststoff-Elektronikund die Dienstleistungsbranche, die Medizintechnik, die hersteller Plastic Logic 100 Millionen Dollar in das europaEnergietechnik und die Logistik. IKT wird ein immer wichtiweit erste Werk für elektronisches Papier in Dresden. gerer Innovationstreiber. Über drei Viertel der neuen ProIntegriert in Kleidung oder zusammengerollt wie eine dukte entstehen in vielen dieser Märkte durch den Einsatz normale Zeitung könnten diese stromsparenden Displays von IKT. Für 2007 erwarten technische Fach- und FühImpulsgeber für Mess- und Automatisierungstechnik Top 10 für die rungskräfte laut einer breiten (% der Nennungen, Mehrfachnennungen möglich) nächsten 3 Jahre Umfrage des VDI, dass 11,2 Pro45 0 5 10 15 20 25 30 35 40 zent aller marktfähigen InnoMikrosystemtechnik / Miniaturisierung 40,1 vationen überhaupt auf IKTInternettechnologien 37,2 Fortschritten beruhen werden. Drahtlose Kommunikation 36,5 Damit stehen die IKT an dritter 31,4 Stelle hinter der Nano- und RFID (Transpondertechnik) Biotechnologie. Durch das 30,7 Mensch-Maschine-Kommunikation rechtzeitige Erkennen von 28,6 Optische Technologien Marktentwicklungen, aktive 27,9 Biotechnologien Forschung, sowie geeignete wirtschaftliche und politische 24,1 Robotik Randbedingungen sichern IuK23,1 Informationssicherheit (Security) Technologien auch Spitzenpo22,1 Funktionale Sicherheit (Safety) sitionen in traditionell starken , Quelle: VDI / VDE GMA Mitgliedsumfrage 06 Wirtschaftszweigen Deutschlands. 90,0 WIRTSCHAFTLICHE POTENTIALE DER IKT kleine Flachbildschirme aus mobilen Anwendungen verdrängen. Bis 2010 wird mit einem Markt für über 40 Millionen Module gerechnet, die Dresdner Fabrik soll 2008 mit einer Produktion von einer Million Stück pro Jahr starten. Dieser Fabrikneubau zeigt genauso wie die moderne Chipfertigung von AMD und Qimonda, dass in Dresden das Cluster-Konzept der Bundesregierung Früchte trägt. 11 „Made in Germany“ – Verborgene Produkte brauchen sich nicht zu verstecken Die wahren Stärken der deutschen IuK-Technologie liegen indes im Verborgenen. Und doch sind sie allgegenwärtig. „Embedded Systems“ – in Produkte eingebettete Hard- und Softwaretechniken allein bildeten laut BITKOM 2005 einen Softwareentwicklung – Weltmarkt von 138 Milliarden Euro, der auf rund 194 MilliarAuf dem Weg zu Europas Nr. 1 den Euro im Jahr 2010 steigen wird. „Moderne Elektronik und mit ihr die Digital- und Computertechnik ist die VorausTrotz eines starken Kostendrucks investieren deutsche setzung für die Leistungsfähigkeit der Produkte und Systeme Unternehmen zunehmend mehr in ihre IKT-Ausstattung. in der Energie- und Verkehrstechnik, der IndustrieautomatiMit großem Interesse beobachten sie die Entwicklung von sierung, in Fahrzeug- und Maschinensteuerungen, in der Webservices und so genannten SOA-Systemen – ServiceMedizintechnik und vielen anderen Kerngebieten der deutorientierten Architekturen. SOA bilden ein breit angelegtes, schen Industrie“, sagt Friedhelm Loh, Präsident des Zentralkonzeptionelles Rahmenwerk, in dem sich Softwaremodule verband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). erstellen, verwalten und kombinieren lassen. Die angestrebSo bringt der Exporttreiber Maschinenbau laut Aussage ten Ziele: eine Erhöhung der Flexibilität des Unternehmens seines Branchenverbandes VDMA mit 17 Prozent Wachstum bei gleichzeitiger Optimierung und Vernetzung von Gein den letzten fünf Jahren und weiterhin guten Aussichten schäfts- und Fertigungsprozessen. Diese Systeme werden die IKT-gestützte Automatisierung voran. Flexible Fertizunehmend von außen eingekauft. „Deutsche Unternehmen gungsprozesse bei geringen Kosten und zugleich hoher werden sich bei der externen Softwareentwicklung zur Qualität sind weltweit gefragt. Deutschlands Rolle auf dem Nummer 1 in Zentraleuropa entwickeln“, heißt es in der Weltmarkt der Automatisierungstechnik (etwa 13 Prozent) IT-Trendstudie 2006 der Consulting-Firma Capgemini. mit einem Gesamtvolumen von über 214 Milliarden Euro Durchschnittlich fertigen deutsche Unternehmen heute kann durch IKT-gestützte Innovationen ausgebaut werden. nur noch 35,7 Prozent im eigenen Haus und geben den Eine aktuelle Umfrage des VDI belegt, dass die wesentlichen überwiegenden Teil der Arbeit mit steigender Tendenz an Innovationsimpulse für die Automatisierungstechnik in den Dienstleister ab. Von diesem Trend werden nicht nur die nächsten drei Jahren aus der Einbindung der IKT erwartet großen Softwareentwickler profitieren. Wegen des kundenwerden, z. B. Verwendung der Internettechnologien oder spezifischen Zuschnitts der Unternehmenssoftware können der drahtlosen Kommunikation. vor allem kleinere, auf Branchen spezialisierte Firmen von Viel Know-how bei offenen und vernetzten Kommunidem stark wachsenden Bedarf profitieren. kationstechnologien wie zum Beispiel RFID, eine führende Rolle in moderner Sensorik und selbst organisierenden Weltweiter Markt für Service-orientierte Architekturen Mrd. Euro Systemen legen dabei eine 40 viel versprechende Grundlage. Diese werden in den nächsten 38,0 Mrd. 35 Euro Jahren zu vollständigen Sensor30 netzwerken ausgebaut wer43 % den. Ausgeklügelte Kommunijährliche 25 Wachstumsrate kations- und Mikrosystemtechnik, Telematik und eine 20 starke Stellung im Bereich 15 Mensch-Maschine-Interaktion fördern hier marktrelevante 10 Innovationen. Das Ziel ist die 9,0 Mrd. 5 Euro intelligente, digitale Fabrik, das sich auch das Projekt 0 SmartFactory der TU Kaisers2006 2010 Quelle: Roland Berger 12 WIRTSCHAFTLICHE POTENTIALE DER IKT lautern mit Industriebeteilung gesetzt hat. Große Marktchancen bietet zudem der wachsende Markt für Industrie- und Serviceroboter, der sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Mit Produktion und Entwicklung in Deutschland stehen die Unternehmen Kuka und ABB mit an der Spitze dieses Trends. Mrd. Euro Weltweite Marktentwicklung „Embedded Systems“ 250 jährlich 9% Wachstum 200 194 150 138 100 Führung im Automobilbau 50 Im hart umkämpften Markt der Auto0 mobilbranche können deutsche Hersteller ihren Platz in der Spitzengruppe nur mit einem Technologievorsprung und hoher Zuverlässigkeit sichern. Das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers schätzt, dass weltweit die Produktion bis 2010 auf mehr als 70 Millionen Autos zunehmen wird, das sind knapp 14 Prozent mehr als 2005. Laut ZVEI stützen sich über 80 Prozent aller Innovationen im Automobilbau auf Elektrotechnik und Elektronik. „Die deutsche Hersteller- und Zulieferindustrie ist (noch) führend in der Welt“, heißt es in einem Report des Industrieverbandes. „Die computerrelevanten Anwendungen in der Automobilbranche steigen von Jahr zu Jahr. Ein Oberklassewagen Mrd. Euro 2006 2010 Quelle: Roland Berger, Gartner besitzt heute bis zu 40 Prozent computergesteuerte Komponenten“, sagt auch der stellvertretende Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Volker Wanduch. Sensoren, Aktuatoren, Regelsysteme und deren Vernetzung gehören zu den IKT-relevanten Schlüsselbereichen. Nicht nur moderne Antriebs-, Abgas- und Ausstattungtechniken profitieren davon, auch Entwicklungen wie Fahrerassistenzsysteme und die dringend geforderte Robustheit der kompletten Fahrzeugelektronik werden dadurch unterstützt. FuE-Aufwendungen der deutschen Automobilindustrie 20 18 16,3 15,8 * 15,7 16 14,4 14 14,8 15,1 15,2 * 2005 2006 13,5 12,4 12 9,5 10 8,8 8 6,9 6 4 2 0 1996 * Schätzung 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2007 Quelle: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2006 WIRTSCHAFTLICHE POTENTIALE DER IKT 13 Gute Aussichten: Medizin und Logistik Neben diesen Paradebeispielen für Produkte „Made in Germany“ führt IKT zu neuen Produkten in vielen anderen Wachstumsbranchen. In der Medizintechnik, bei der nach ZVEI-Angaben allein in Deutschland ein Investitionsstau von 10 bis 15 Milliarden Euro existiert, spielt IKT eine Schlüsselrolle. Weltweit erwarten Analysten bis 2010 ein stabiles Wachstum von jährlich vier bis fünf Prozent. Und der Umsatz deutscher Medizintechnik-Unternehmen steigt mit neun Prozent 2005 auf 14,7 Milliarden Euro überproportional. IKT-gestützte Neuerungen finden sich in der Telemedizin, intelligenten Patientensystemen für Krankenhäuser, neuen diagnostischen und bildgebenden Verfahren und nicht zuletzt in vernetzten Informationssystemen, bei denen Deutschland mit der elektronischen Gesundheitskarte eine Vorreiterrolle einnimmt. Mit vernetzten Funkchips (RFID), Echtzeitmanagement von Logistikketten, vollautomatisierten Lagersystemen und Telematik baut die moderne Logistik zunehmend auf IKTLösungen. 2004 setzte die Logistikbranche allein in Deutschland rund 170 Milliarden Euro um und baut derzeit mit wachsenden Unternehmen wie DB Logistics, der Deutschen Post/ DHL und Kühne & Nagel ihren Marktanteil in Westeuropa aus. „Der deutsche Anteil an den westeuropäischen Logistikumsätzen erhöhte sich somit auf rund 26 Prozent, bei einem Bevölkerungsanteil von knapp 21 Prozent“, berichtet die Logistik-Beratungsfirma KnowledgeAgent. In Deutschland ist die Logistik mit 2,5 Millionen Arbeitsplätzen mittlerweile die drittstärkste Branche. Und mit neuester Technologie soll diese Position ausgebaut und der Warentransport noch effizienter gestaltet werden. Ein Schlüssel dazu sind Funkchips (RFID), die bisher vor allem an Containern und wertvollen Waren prangen, um Herkunft, Inhalt und Ziel elektronisch an die Logistikrechner weiterzugeben. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik will auf diesen Chips die idealen Transportrouten ergänzen. Pakete und Container melden sich damit selbstständig an Knotenpunkten an und werden automatisch auf den richtigen Weg und in das jeweils schnellste und günstigste Verkehrsmittel geladen. Transportengpässe umgeht die Ladung in Zukunft autark, und neue Routen werden rasch durch spezielle Software ermittelt. Erste Simulationen bewiesen, dass sich so die Durchsatzraten effizient steigern ließen. Die engen Parallelen zu dem paketvermittelten Datentransport im Internet sind unübersehbar. So wie hier Informationsstücke sich selbstständig den schnellsten Weg durchs Web suchen, finden in zukünftigen Logistiknetzwerken reale Pakete ihre beste Route zum Ziel. So werden in den kommenden Jahren Positionsbestimmungen von Containern und Stückgut in Echtzeit an Bedeutung gewinnen. Durch die führende Rolle deutscher Entwickler beim europäischen Umsatzentwicklung der Medizintechnikindustrie Mrd. Euro Auslandsumsatz Inlandsumsatz 16 14,72 13,56 14 12,54 11,99 12 11,27 10,05 9,18 10 7,89 6,81 6,58 5,96 8 5,09 6 4 4,96 5,3 5,41 5,73 5,67 5,63 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2 0 Quelle: SPECTARIS e. V. Statistisches Bundesamt, 2006 (Rundungsabweichungen) 14 Satellitennavigationsprojekt Galileo wird hier ein weiterer Technologievorsprung entstehen. Besonders im Handel führen diese Innovationen mittelfristig auch zu wichtigen Verbesserungen für den Endverbraucher. Umfassende Produktinformation und -beratung durch intelligente Einkaufsassistenten, kassenloses Bezahlen sowie rasches und gezieltes Auffinden der gewünschten Produkte im Warenmarkt sind Vorteile für den Kunden, die führende deutsche Handelsunternehmen mit neuen IKT-Technologien unterstützen wollen. Steigende Energiekosten treiben IKT-Innovationen Große Chancen für IKT-Systeme liegen in naher Zukunft im Bereich der Energieversorgung, getrieben von steigenden Kosten für Strom und Wärme. Deutsche Kraftwerks- und Leitungsbauer nutzen intelligente Regelungstechnik und Netzmonitoring-Systeme in ihren neuen Produkten. Wegen der zunehmenden Einspeisung regenerativer Energien auf allen Spannungsebenen muss das zukünftige Stromnetz intelligent werden. Ein komplexes Datenkommunikationsnetz zwischen Erzeugern und Verbrauchern wird parallel zu den Stromleitungen entstehen. Nach Aussage des Branchenverbandes (VDN) werden die deutschen Netzbetreiber bis 2020 etwa 40 Milliarden Euro in Ausbau und Modernisierung des Stromnetzes investieren. Experten schätzen die nötigen weltweiten Investitionen sogar auf bis zu fünf Billionen Euro über die nächsten 20 bis 30 Jahre. Ein Riesenmarkt, von dem auch die IKT-Branche profitieren wird. Auch in Millionen von Eigenheimen wird Energieeffizienz zu einem Treiber für IKT. Heiz- und Stromkosten lassen sich durch moderne Elektronik effizient einsparen. Für Europa beträgt der gegenwärtige Energieverbrauch in den Haushalten ca. 400 Milliarden Kilowattstunden. Davon könnten allein 70 Milliarden Kilowattstunden – das entspräche der Leistung von vier Kernkraftwerken – eingespart werden, ohne dass wir uns im täglichen Leben einschränken müssten. Sensornetzwerke und optimierte Regelsysteme passen dazu Wärme- und Strombedürfnisse flexibel und sparsam an die Bewohner an. Nicht nur Neubauten profitieren davon, auch bei älterem Bestand lohnen sich solche Investitionen gerade bei steigenden Energiekosten. Boombranche Sicherheitstechnik Parallel zu dieser umfassenden Datenvernetzung wird die Nachfrage nach Sicherheitstechnologien im IKT-Bereich ansteigen. So wird der Markt für Digitales Rechtemanagement, das die Urheberrechte an digitalen, medialen Inhalten WIRTSCHAFTLICHE POTENTIALE DER IKT sichert und ihre individuelle Verwertung ermöglicht, weltweit von rund 500 Millionen Euro in 2005 auf zwei Milliarden Euro im Jahr 2010 wachsen. Zudem zeigt der BiometrieMarkt laut BITKOM eine starke Dynamik. Er soll von aktuell 1,3 Milliarden Euro auf rund fünf Milliarden Euro im Jahr 2010 wachsen. Deutsche Unternehmen haben hier eine gute, aber keine dominante Position auf dem internationalen Biometrie-Markt. Öffentliche Projekte wie der elektronische Reisepass oder der elektronische Personalausweis könnten Entwicklung und Verbreitung deutscher Biometrie-Technologie fördern. Mehr Mut und Bildung – Fachkräfte und Neugründungen Die IKT-Märkte wachsen, auf vielen Gebieten mischen deutsche Unternehmen in der weltweiten Spitzengruppe mit. Wie aktuelle Patentzahlen zeigen, mangelt es nicht an neuen Ideen gerade auf dem innovationsintensiven Feld der Informationstechnologien. Um diese aber besser umzusetzen, müssen die deutsche Wirtschaft und Politik vier hemmende Entwicklungen in den Griff bekommen: den derzeit steigenden Fachkräftemangel, die stagnierende Zahl der Neugründungen von Hightech-Firmen und nicht zuletzt den mangelnden Mut zur Selbstständigkeit und eine bremsende Skepsis gegenüber technologischen Neuerungen. PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN 15 3. Perspektiven der IuK-Technologien Fundierte Forschung für die Märkte von morgen Keine Branche ist so schnelllebig wie die der Informationsund Kommunikationstechnologien. Immer kürzer werden die Abstände, in denen Speicherchips, Bildschirme und Handys, Übertragungstechniken, Roboter oder Software von leistungsfähigeren Nachfolgern aus dem Markt gedrängt werden. Behaupten können sich nur Unternehmen, die Entwicklungen rechtzeitig aufspüren, Kontakte zu ideenreichen Wissenschaftlern pflegen und massiv in die eigenen Forschungsabteilungen investieren. Doch dem drohenden Risiko, schnell den Anschluss und damit Marktanteile zu verlieren, stehen mindestens ebenso große Chancen gegenüber. Jeder Technologiewandel öffnet ein Tor, um in scheinbar aufgeteilte Märkte einzudringen. Von neuen Chiptechniken über autarke Roboter und vernetzte Sensoren bis hin zu cleveren Bedienungsmodulen und intelligenten Computerprogrammen legen deutsche Forscher die Grundlagen für den Erhalt und Ausbau einer Spitzenposition im weiten Feld der IKT-Technologien und deren Anwendung. Im Gebiet der Nanotechnologie machen sie wahr, was der amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Richard P. Feynman bereits Ende 1959 in seiner berühmten Rede „There’s plenty of room at the bottom“ („Da unten ist noch viel Raum“) vorausgesagt hat. Für neue Techniken zur schnelleren Übertragung und Vernetzung von Daten arbeiten deutsche Wissenschaftler im Sinne von Guglielmo Marconi „It is dangerous to put limits on Wireless Communications“ („Es ist gefährlich, die drahtlose Kommunikation zu begrenzen.“). Marconi hat Ende des 19. Jahrhunderts nach Heinrich Hertz Forschungen über die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen als erster diese Wellen auf größere Distanzen genutzt und damit die moderne, drahtlose Datenübertragung begründet. Kaum überschaubar ist das Feld der Nutznießer vom Chiphersteller über Softwareentwickler, Medizintechniker und Ingenieure bis hin zu jedem einzelnen Bürger. Chips geben den Takt an Immer kleiner, schneller und günstiger. Computerchips mit ihren Millionen von Transistoren geben den Taktschlag für die gesamte IKT-Branche vor. Etwa alle 18 Monate verdoppeln Speicher und Rechenchips ihre Leistungsfähigkeit. Mit den Halbleiterfabriken von Firmen wie AMD, Qimonda und Infineon behauptet sich Dresden als der führende europäische Chip-Standort im internationalen Wettbewerb. Auf 300 Millimeter großen Silizium-Scheiben (Wafer) werden hier in den kommenden Jahren Chips in der aktuellen 65 Nanometer-Technologie produziert. Und der nächste Schritt auf 45 Nanometer kleine Strukturbreiten wird vorbereitet, um im Wettlauf mit den Halbleiterproduzenten in USA und Fernost mitzuhalten. Die Zukunft der Halbleiterchips haben die Industrieforscher zusammen mit den Wissenschaftlern der Fraunhofer Gesellschaft und einer Reihe von Halbleiterinstituten an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen im Blick. Dreidimensionale Chipstrukturen wie beim so genannten FinFET-Transistor mit einer senkrecht stehenden Silizium-Finne sollen den Stromverbrauch der Mikroprozessoren senken und etwa 2012 serienreif sein. Dieses Konzept wurde unter anderem von Infineon und dem Institut für Halbleitertechnik der RWTH Aachen auf seine Einsetzbarkeit untersucht. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts wird diese Technik auch von Intel und IBM für die nächsten Chipgenerationen unter 65 Nanometer (Millionstel Millimeter) vorbereitet. Zusätzlich ermöglicht dabei die Immersionslithografie mit Wassertropfen zwischen Silizium-Scheibe und Belichtungsoptik sogar ein Schrumpfen der Schaltkreisstrukturen auf nur noch 45 Nanometer Größe. Selbst über die Zeit danach denken deutsche Forscher und Forscherinnen intensiv nach. Bereits 2003 wurde gezeigt, dass spezielle Transistoren auf Silizium-Basis mit sehr kleinen Strukturen von zehn Nanometern noch gute Dienste leisten können. Doch Alternativen zum bewährten Werkstoff Silizium sind gefragt. All diese neueren Ansätze, die ohne diesen bewährten Halbleiter arbeiten sollen, müssen mehr Leistungsfähigkeit und potenziell geringere Kosten als Silizium-Chips aufweisen. So weit ist die Nanoforschung heute noch nicht. 16 PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN In Zukunft schalten und walten Nanomodule Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen setzen auf Methoden, mit denen Transistoren nicht mehr aus einem Kristall herausgeätzt, sondern aus einzelnen Atomen und Molekülen zusammengesetzt werden. Im letzten Jahr offenbarte sich eine mögliche Alternative zu Silizium. In monomolekulare Graphitschichten, so genannte Graphen-Schichten, können Daten tragende Ladungen rasant mit einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit bewegt werden. Parallel werden Lichtteilchen (Photonen) als Datenträger der Zukunft untersucht. Aufgebaut aus photonischen Kristallen und Molekül-kleinen Lichtquellen könnten Photonik-Chips die Nachfolge von elektronischen Mikroprozessoren antreten. Mit zahlreichen Arbeitsgruppen auf dem Gebiet der Photonik ist die deutsche Forschung gut auf diesen Trend vorbereitet und prägt ihn wesentlich mit. So entwickelten jüngst Physiker der Technischen Universität Chemnitz eine Art Nano-Scheinwerfer aus einem Millionstel Millimeter kleinen Molekülhaufen aus Cadmiumselenid. Damit können die optischen Eigenschaften von photonischen Kristallen besser untersucht werden. Klassische, aber teure Lithografie-Prozesse könnten durch die selbstorganisierenden Fähigkeiten von Molekülen ersetzt werden. Hier ist das Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle in Europa federführend. In einem EU-Projekt zusammen mit der Universität Würzburg lassen sie beispielsweise winzige Nanodrähte aus Silizium gezielt wachsen. Ein weiteres Beispiel liefert das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart unter der Leitung des Nobelpreisträgers Klaus von Klitzing mit einer spin-basierten Elektronik oder kurz gesagt Spintronik. Statt elektrischer Ladungen können hier die Spins der Elektronen als Informationsträger eingesetzt werden. Damit soll die Schaltenergie von zukünftigen Spin-Transistoren stark vermindert und die unerwünschte Verlustwärme eines Chips deutlich verringert werden. Ganz vorne in der internationalen Liga spielen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom Center of Nanoelectronic Systems for Information Technology (CNI) am Forschungszentrum Jülich mit. Hier werden magnetische Spins und selbstorganisierende Nanostrukturen sowie neuartige Bauteil- und Materialkonzepte für extrem kleine, schnelle und Strom sparende Schaltkreise unter die Lupe genommen. Und mit Messungen des Magnetismus von einzelnen Atomen verblüffte das Institut für Angewandte Physik der Universität Hamburg die Fachwelt. Heute ist dieses Institut ein gesuchter Forschungspartner bei der Entwicklung zukünftiger Nanospeicher. Aber trotz solch guter Ansätze in Deutschland gelten die USA als Vorreiter auf diesem Feld der Nanoelektronik. MultiGate-FinFET Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Graphen-Transistors (Infineon) (AMO GmbH) Noch tiefer in die Quantenwelt tauchen Physiker und Physikerinnen in Bonn, Mainz und München ein. Sie entwickeln sowohl die theoretischen als auch die praktischen Grundlagen für die Verarbeitung von Daten mit Quantenphänomenen, die das alltägliche Vorstellungsvermögen überfordern. Ein Quantenbit könnte beispielsweise nicht nur eine digitale Null oder Eins repräsentieren, sondern auch gleichzeitig beliebig viele Zustände dazwischen annehmen. Diese nur auf Wahrscheinlichkeiten basierenden, physikalischen Aussagen sollen eines Tages jeden Verschlüsselungscode rasant brechen oder heute unvorstellbare Suchalgorithmen ermöglichen können. „Doch praktische Anwendungen für einen Quantencomputer sehe ich in weiter Ferne“, dämpft Nobelpreisträger Theodor W. Hänsch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München allzu große Erwar- PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN 17 tungen. Er gilt als ein Pionier der Laserspektroskopie und als internationale Kapazität für Quantenphänomene. Und obwohl laut Hänsch Deutschland auf dem möglichen Zukunftsfeld der Quanteninformation gut aufgestellt sei, seien die experimentellen Probleme bis zu einem funktionierenden Quantencomputer noch gewaltig. Software bringt Rechner auf Trab Weit näher am Markt als die Quantenphysiker und -physikerinnen und Nanoforscher und -forscherinnen arbeiten Informatiker. Mit intelligenten Programmen forschen sie daran, wie noch mehr Leistung aus bereits verfügbarer Hardware heraus zu kitzeln ist. Software-Ingenieure haben dabei vor allem die Steigerung von Effizienz, Qualität und Zuverlässigkeit im Blick. Die Nutznießer der Entwicklungen reichen von Telekommunikationsfirmen über Finanzdienstleister und Medizintechniker bis hin zu Automobil- und Logistikunternehmen. So abstrakt Software-Entwicklung im Detail sein mag, handelt es sich für die IKT-Branche um eine grundlegende und wichtige Wissenschaft. Neue mathematische Modelle, Datenstrukturen und Algorithmen machen das exponentielle Wachstum der Computerleistungen erst möglich. Zusammen mit verbesserter Hardware und immer genaueren Simulationen werden hohe Präzision, Visualisierungsqualität und Geschwindigkeit möglich. Aktuell wird zunehmend an der Modularisierung von Softwarearchitekturen gearbeitet, um Service-orientierte Systeme zu entwickeln. Ein weiterer Trend liegt in so genannten Multi-Nature Systemen, bei denen elektronische und nichtelektronische Komponenten miteinander kommunizieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit immer leistungsfähigerer Software kann ein Produkt schon in der Entwicklung gründlich untersucht und getestet werden, obwohl es physisch noch gar nicht existiert. Rechner simulieren chemische Reaktionen oder elektronische Schaltungen. Sie zeigen, wie sich eine Autokarosserie bei einem Aufprall verformt oder welches Licht verschiedene Leuchtmittel ausstrahlen können. In der Produktion steuern intelligente Systeme nicht nur den Materialfluss sondern auch komplexe und sicherheitskritische Fertigungsprozesse. Eine kontinuierliche Datenerfassung in der Produktion ermöglicht genaue Chargenverfolgung bei sensiblen Produkten, z. B. in den Bereichen Pharma, Chemie oder Lebensmittel. (VDI TZ GmbH) 18 Netze der Intelligenz So wichtig schnelle Prozessoren, gigantische Datenspeicher und komplexe Programme auch sein mögen, ohne eine optimale Vernetzung können sie ihre volle Leistung nicht ausspielen. Heute bilden Glasfaserkabel das globale Rückgrat der modernen Kommunikationstechnik mit dem Internet als weltweit wichtiger Wirtschaftsmotor. Und ihre Kapazitäten werden in Zukunft deutlich wachsen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Fraunhofer Instituts für Nachrichtentechnik Heinrich-Hertz (HHI) in Berlin gehen davon aus, dass das Netz der nächsten Generation die BackboneInfrastrukturkapazität drastisch erhöhen wird und maximal ausnutzen muss. Dieses Ziel im Blick stellten HHI-Forscher 2006 eine neue Rekordmarke für die Datenrate durch Glasfaserkabel auf: 2,56 Terabit flossen pro Sekunde über eine Strecke von 160 Kilometer Länge – das entspricht dem Inhalt von 60 DVDs und ist etwa 50 mal schneller als auf den heute besten Hochgeschwindigkeits-Strecken. Dazu schickten die Berliner Nachrichtentechniker ultrakurze Laserblitze durch die Fasern und nutzten eine Phasenmodulation des infraroten Lichts. Mit diesem Ergebnis, von dem die Glasfasernetze in den kommenden Jahren profitieren werden, überholten sie nach fünf Jahren wieder ihre japanische Konkurrenz. Mio. Zugänge Und das Potential wird in heutigen Netzen nur zu einem 25 Bruchteil genutzt. Theoretisch seien sogar Bandbreiten von 20 60 bis 70 Terabit pro Sekunde möglich. 15 Nicht nur Netzwerkfirmen werden die HHI-Resultate für zukünftige Produkte nutzen 10 können. Das Berliner Institut entwickelt auch die Technik 5 für deutlich schnellere Datenanschlüsse für Privatpersonen 0 zuhause. Heute fließen über 2005 Kupferkabel und mit DSLTechnik bis zu 16 Megabit pro Sekunde in die Wohnzimmer der Nation. Derzeit läuft der schrittweise Ausbau auf 52 Megabit mit VDSL-Technik. Aber die Zukunft liegt in dem Datentransport via Lichtleiter. Laut HHI wird es unvermeidlich sein, die Glasfaser bis in die Haushalte zu verlegen. Derzeit haben bei dem Ausbau der Infrastruktur Japan und Korea die Nase vorn. Doch die Fiber To The Home-Technik (FTTH) ist europaweit auf dem Vormarsch. Bis zu 2500 Megabit pro Sekunde sowohl als Down- als auch als Upload werden damit PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN möglich sein. Erste Pilotprojekte, beispielsweise in Schwerte und Berlin, sind bereits gestartet. Nach einer Studie der TU Dresden und der Fraunhofer Gesellschaft wird erwartet, dass schon 2010 mehr als zehn Prozent aller Haushalte mit FTTH versorgt werden. Gut ausgebaute Breitbandnetze bilden auch die Grundlage für ein leistungsfähiges Mobilfunknetz. Denn ein Mobilfunknetz beruht zu 80 Prozent auf einem Festnetz: Ein Zusammenhang, der den wenigsten Handy-Nutzern bewusst ist. Begnügen sich UMTS-Nutzer heute mit maximal 1,8 Megabit pro Sekunde (HSDPA), peilt die nächste vierte Mobilfunkgeneration, kurz 4G, die 1000 Megabit-Schwelle an. Das zentrale Ziel dieser noch in den Anfängen steckenden Entwicklung sind höhere Datenraten zu geringeren Kosten. Auch die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen am Lehrstuhl für Mobile Nachrichtensysteme der Technischen Universität Dresden konzentrieren sich auf die 4GForschung. In ihrem Labor funken auch erste Prototypen mit hohen Megabit-Raten. Noch nimmt die aufwändige Elektronik ganze Laborschränke ein und passt in kein Handy. Bis zu einer Einführung von 4G Mitte des kommenden Jahrzehnts werden Chips und Antennen noch deutlich schrumpfen müssen. Breitband-Internetzugänge Deutschland Großbritannien Frankreich Italien Spanien 2006 2010 Quelle: EITO, 2006 4G wird anders als alle bisherigen Mobilfunkstandards mehrere Funkkanäle in einem System vereinen. Mindestens vier Antennen stellen nach dem MIMO-Prinzip (multiple in – multiple out) ihre Datenverbindungen parallel zu einer Basisstation her. Damit kann auch jedes Handy selbst als Basisstation dienen und je nach Verteilung der Geräte die Netzabdeckung flexibel und schnell erhöhen. PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN 19 Vermittlungsstellen dienen nach wie vor als wichtige Knotenpunkte im weltweiten Datenverkehr. Zusätzlich greifen die Dresdner Forscher zu einem zweiten Kunstgriff mit dem Namen OFDM (Orthogonal Frequence Division Multiplexing). Damit kann ein Frequenzbereich in viele kleine Subkanäle eingeteilt werden, wodurch die Datenrate steigt. In Deutschland ballen sich die Entwicklungslabore für die Datenübertragung der Zukunft geradezu und schaffen in der Mobilfunkforschung eine führende Position. Unternehmen wie Nokia und Siemens, Alcatel-Lucent oder Ericsson arbeiten hierzulande an 4G-Techniken. Im Verbund mit weiteren 4G-Forschern in Europa besteht sogar die Chance, einen kommenden Standard vor den USA und Fernost maßgeblich gestalten zu können. Auch wenn nach dem Aus für Siemens-BenQ nur noch wenige Handys in Deutschland gebaut werden, liegt hier die Wissensbasis für die Mobilfunkbranche. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an der TU Dresden sehen hier riesige Chancen für neue kleine Firmen in Deutschland. Und aus den vielen Blüten könnten neue Firmen mit 100, 1.000 oder gar 10.000 Mitarbeitern entstehen. (Deutsche Telekom AG) Grids und Supercomputer – Die perfekte Simulation Breitbandige Datennetze eröffnen nicht nur völlig neue Märkte für Dienstleistungen, sie ermöglichen zudem ausgeklügelte Grid-Netzwerke. Durch die Verknüpfung leistungsfähiger Rechner werden in einem Grid nicht nur Daten wie im Internet ausgetauscht, auch die Kopplung und dezentrale Abfrage von gebündelter Rechenleistung wird möglich. In Deutschland baut die D-Grid-Initiative eine nachhaltige Infrastruktur für Anwender aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf. Beim Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart geht man davon aus, dass D-Grid der Kern einer zukünftigen Infrastruktur ist, die ähnlich dem Stromnetz die Basis dafür schafft, dass Lösungen nicht lokal und zeitlich beschränkt, sondern deutschlandweit und auf Dauer eingesetzt werden können. Der einfache und schnelle Zugriff auf gewaltige Datenbanken und die Bearbeitung komplexer Forschungsdaten und Simulationen stehen im Mittelpunkt. Deutsche Grid-Entwickler stehen im internationalen Vergleich sehr gut da. Nach wichtigen Pionierarbeiten nehmen deutsche Grid-Forscher viele Führungsrollen in europäischen Projekten ein. Ein Marktpotential des Grid liegt in der Kombination von Grid- und Web-Technologien. Über das Grid können nicht voll ausgenutzte Ressourcen verfügbar gemacht 20 PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN In vier Doppelschränken versammelt der Jülicher Superrechner JUBL mehr Rechenleistung als jeder andere Rechner in Europa. Unter den frei verfügbaren Wissenschaftsrechnern ist er sogar weltweit die Nummer 1. (Forschungszentrum Jülich) werden. Eine große Menge von Benutzern kann über das Grid Zugang zu Daten und Rechenleistung bekommen und damit Dinge wie individualisierte Wettervorhersagen und Finanzanalysen durchführen. Einmal entwickelt bieten sich Grid-Produkte für Unternehmen an, um die Nutzung ihrer IKT-Ressourcen optimieren und Kosten senken zu können. Neben der D-Grid-Initiative wird das bundesdeutsche Potential der Supercomputer im Gauß Centrum für Supercomputing gebündelt. Dort arbeiten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der drei Standorte für das Höchstleistungsrechnen in Deutschland – Jülich, München/Garching, Stuttgart – zusammen. Damit entsteht der größte Höchstleistungsrechnerverbund in Europa, der eine herausragende Bedeutung für Forschung und Entwicklung haben wird. Aufwändige Simulationen stehen an erster Stelle. Denn das Modellieren am Computer wird für die moderne Klimaforschung, Hochenergiephysik, Astronomie und medizinische Grundlagenforschung immer wichtiger. Der deutsche Automobil-, Flugzeug- und Schiffbau, der Maschinenbau insgesamt, sowie die Werkstoffentwicklung – um nur einige Anwendungsfelder zu nennen – wären ohne diese leistungsfähige Rechnerinfrastruktur und dazugehörigen Softwaresysteme auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig. Sensorik – Das Web lernt Begreifen Vom Vormarsch der vernetzten und allgegenwärtigen Datenverarbeitung hat in den letzten 15 Jahren besonders die Logistik-Branche profitiert. Rechnersysteme und intelligente Algorithmen beschleunigen den Warentransport zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Fabriken lassen ihre Lager schrumpfen und erhalten ihre Rohwaren „just in time“ für die aktuelle Produktion. Dieser Wandel ist heute Realität. In der Zukunft liegt das „Internet der Dinge“, in dem nicht nur Container per Funkchip identifiziert werden, sondern jeder einzelne Joghurtbecher Teil des weltweiten Datennetzes werden kann. Günstigere RFID-Funkchips, entwickelt in Deutschland, sollen diesen Trend unterstützen. Den Weg dazu ebnet beispielsweise das Hightech-Unternehmen PolyIC. Im Rolldruckverfahren bannen sie elektronische PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN RFID/Polymer-MST: Folie auf Rolle. Hybrider additiver polymer-elektronischer Prozess für Polymer Elektronik und Sensorik (HADPEPP). (Fraunhofer IZM) Schaltkreise aus halbleitenden und flexiblen Polymeren auf Kunststofffolie. Mit dieser Schlüsseltechnologie können schon in den kommenden Jahren die Kosten pro Funkchip von derzeit rund 25 Cent auf nur wenige Cent fallen. Noch intelligentere Datennetzwerke haben deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit autarken Sensoren im Sinn. Kombiniert mit der RFID-Funktechnik oder mit Schnittstellen zu Handynetzen können sie in der Warenwirtschaft beispielsweise den Frischezustand von Lebensmitteln bestimmen und übermitteln. Medizintechniker und -technikerinnen denken an autarke Überwachungssysteme von Patienten, die ständig Blutzuckerspiegel, Herzschlag und andere wichtige Körperfunktionen kontrollieren und bei Bedarf selbstständig einen Alarm auslösen. Im Automobil- und Maschinenbau sind Sensoren für die Überwachung der technischen Funktionen schon heute unerlässlich. Sie regeln die Verbrennung im Motor, messen den Abstand zum vorausfahrenden Auto oder kontrollieren den Reifendruck. In einem Neuwagen stecken schon heute bis zu 150 der kleinen Detektoren, Tendenz steigend. Letztlich hängt der praktische Mehrwert von Sensornetzen aber von der inhaltlichen Analyse der Sensordaten durch intelligente Mustererkennung und wissensbasierte Interpretation ab. Durch semantische Technologien muss gewährleistet werden, dass sich alle Einzelkomponenten im Internet der Dinge 21 auch untereinander verstehen, so dass ein intelligentes Gesamtsystem entsteht. Sensoren und Sensornetzwerke sind auch der Schlüssel zu einer höheren Zuverlässigkeit der immer komplexer werdenden Technik. Kontrollieren eingebettete Chips und Elektronikmodule alle wichtigen Abläufe vom Küchenherd bis zum Verkehrsflugzeug, kann damit auch die Zuverlässigkeit dieser Systeme erhöht werden. Über die Rückkopplung mit Sensordaten können diese Systeme Fehlfunktionen früher erkennen und darauf reagieren. Zudem weiten sich die Anwendungen der Sensortechnik mit Detektoren für Chemikalien und Schadstoffe zunehmend auf Produktionsprozesse und das Umweltmonitoring aus. Insgesamt werden Sensoren die sichere Anwendung von Technik deutlich erhöhen. Der Drang zu kleineren, leistungsfähigeren und günstigeren Modulen bestimmt den boomenden Sensormarkt. Zahlreiche Universitäten und Fraunhofer-Institute widmen sich der Entwicklung neuer Sensortechniken, die sowohl optische Effekte als auch Fortschritte in der Mikro- und Nanotechnologie für so genannte MEMS (mikro-elektromechanische Systeme) und NEMS (nano-elektromechanische Systeme) nutzen. Selbst die Verknüpfung von lebloser Elektronik mit biologischen Sensorsystemen verspricht, die Empfindlichkeiten und Zuverlässigkeit zu liefern, die der Technik allein noch versagt bleibt. So greift beispielsweise ein Team am Forschungszentrum Jülich auf lebende Zellen zurück, um robuste und genaue Sensoren für spezielle Substanzen zu entwickeln. Über diesen Weg können in Zukunft IKT-Methoden verstärkt in die biologische Analytik und Medizintechnik für bessere Lab-on-Chip-Systeme vordringen. Die digitale Zukunft des Stroms Schon heute werden IKT-Systeme verstärkt zur besseren Kontrolle des Stromnetzes genutzt. Doch in Zukunft müssen diese gekoppelt mit moderner Sensorik noch intelligenter werden und einen zunehmenden Einfluss auf die Energieversorgung haben. Besonders regenerative Quellen wie Wind und Sonne sollen von verlässlichen Wettervorhersagen profitieren. Ziel ist eine zeitnahe Planung für die zu erwartende Stromerzeugung. Schwankungen bei Flaute oder bewölktem Himmel können so intelligent und schnell aufgefangen werden. An der Spitze dieses jungen Forschungsbereichs der Energiemeteorologie stehen deutsche Wissenschaftler. Ihre Erkenntnisse und die Vorteile der IKT-Technik für die Energieerzeugung bündeln sie im „Wissensnetz Energiemeteorologie (WISENT)“, das wesentliche Grundlagen für die sichere und nachhaltige Energieversorgung von morgen legt. 22 Doch dem Stromnetz steht auch ein grundlegender Wandel bevor, in dem IKT eine zentrale Rolle spielen wird. Heute fließt der Strom meistens zentral von Gigawatt-Kraftwerken wie in einer Einbahnstraße zum Verbraucher. Für den zunehmenden Austausch von Strom auf allen Spannungsebenen ist es nicht ausgelegt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollen möglichst alle Komponenten, seien es kleine Stromerzeuger oder -verbraucher, mit einem eng geknüpften Datennetz verbunden werden. Die Forschungen reichen in Deutschland sogar so weit, dass aktuelle Preisinformationen von der Strombörse in Leipzig im Eigenheim abgerufen werden können und so Strom fressende Geräte in Niedrigpreisphasen gestartet werden können. Im Verbund mit europäischen Wissenschaftlern könnte hierzulande ein Technikstandard für die Stromnetzregelung entwickelt werden, der die weltweite Technologieführerschaft in diesem wachsenden IKT-Bereich festigen könnte. Der Computer wird sinnlich So vielseitig die Leistungen von Rechnern und Datennetzen auch sind, letztendlich muss ein Mensch die Befehle eingeben und die Ergebnisse wahrnehmen. Forschungen an der Aufklärung von kognitiven Prozessen auf experimentellem, theoretischem und methodischem Gebiet, wie am MPI für biologische Kybernetik, sind die Grundlage für zukunftsweisende Innovationen. Tastatur, Maus und Bildschirm stehen längst nicht mehr allein. Ausgereifte Sprachdialogsysteme drängen nach dem Einsatz bei Service-Hotlines, am PC und dem Handy auch ins Auto und in die Fabriken. „Auf diesem Feld sind deutsche Forscher dank langjähriger Förderungen führend“, betont man im Zentrum für MenschMaschine-Interaktion (ZMMI) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) an der TU Kaiserslautern. 3D-Displays setzen gerade zum Sprung an, um in Kürze in Spielekonsolen oder auf speziellen Monitoren Technikern und Wissenschaftlern die Bearbeitung ihrer Daten zu erleichtern. Und Datenbrillen zeigen automatisch beim Betrachten eines Objekts, sei es ein zu reparierendes Gerät in einer Werkstatt oder eine Sehenswürdigkeit in einer Stadt, Zusatzinformationen, Schaltpläne oder historische Ansichten an. Dieser Bereich der „erweiterten Realität“, in dem das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung zahlreiche Fortschritte erzielt hat, könnte schon bald Einzug in viele Produkte für Industrie, Forschung und Tourismus halten. „Eine der wichtigsten Herausforderungen für die zukünftige Wissensgesellschaft ist die Schaffung intelligenter Technologien für die Mensch-Maschine-Interaktion, die den natürlichen Kommunikationsstil von Techniklaien akzeptieren, einen direkten Dialog mit der Technik unterstützen und PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN damit Hemmschwellen bei der Nutzung von Hochtechnologie abbauen“, so Wolfgang Wahlster, Vorsitzender der Geschäftsführung des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken, Kaiserslautern und Bremen. Weit sind die Entwicklungen, Elektronik über Gesten und Augen zu steuern. Und entsprechende Geräte für berührungslose Kommunikation mit dem Computer sind zwar noch teuer, aber verfügbar. Fehlerfrei arbeiten sie jedoch noch nicht. Ein noch besseres Verständnis zwischen Mensch und Maschine ist gefordert. Der Trend geht zur Verknüpfung von mehreren Kanälen. Über eine Redundanz der Informationen wird auch die Zuverlässigkeit steigen. Gerade für neuartige Steuerungen in der Industrie, beispielsweise in Chemieanlagen, hätten Fehlbedienungen katastrophale Folgen. Weltweit verfolgen die Forscher und Forscherinnen das Ziel, den Rechnern alle Sinne des Menschen beizubringen. In Deutschland wollen beispielsweise Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von der Leibniz Universität Hannover den Rechnern das Fühlen und Tasten beibringen. Form und Haptik eines Gegenstandes sollen über Tastsensoren digitalisiert werden. Über Fühlmodule könnte so ein Mensch in Europa ein Stück Seide in China über das Internet auf seine Qualität prüfen. Noch stehen diese Entwicklungen ganz am Anfang, aber über ein elektronisch gesteuertes Fühlmodul, das aussieht wie ein kleines Nagelbrett, kann heute schon die Rauhigkeit einer Oberfläche simuliert werden. Der Blick durch die Brille erweitert die Realität: Mit Hilfe von semitransparenten Spezialbrillen werden virtuelle computergenerierte Gebäude dreidimensional in das Sichtfeld projiziert. Es entsteht der Eindruck, als stünden die Objekte vor dem Benutzer auf dem Besprechungstisch. Die Gebäude können in Echtzeit modifiziert werden. Perspektive und Position des Betrachters werden stets berücksichtigt. (Fraunhofer FIT) PERSPEKTIVEN DER LUK-TECHNOLOGIEN DLR Leichtbauroboter mit Vierfingerhand. Roboter mit Gefühl Ein gefühlvoller Tastsinn wird auch Roboter zu neuen Anwendungen führen. Weit gediehen sind hier die Entwicklungen am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR). Die „DLR Hand“ mit zahlreichen Motoren, Gelenken und Sensoren kann selbst fragile Objekte sanft ertasten und bewegen. Diese Technik könnte einen Menschen beim Zupacken in gefährlicher und lebensfeindlicher Umgebung – sei es bei Weltraummissionen, Laboren oder Kerntechnikanlagen – unterstützen. Heute treiben vor allem japanische Firmen mit tanzenden Androiden oder künstlichen Hunden die Entwicklung wesentlich voran. Aber die deutsche RobotikForschung braucht sich nicht zu verstecken. Bei Industrierobotern steht Deutschland sehr gut da, wissen die Roboterexperten am Lehrstuhl für Angewandte Informatik III der Universität Bayreuth. Zusammen mit dem ABB Forschungszentrum in Ladenburg arbeiten sie am Fließband der Zukunft mit intelligenteren und beweglicheren Robotern. Sie sollen vor allem in der Automobilindustrie zu kürzeren Produktionszeiten bei höherer Qualität führen. Dieses Team 23 (DLR) entwirft Techniken und Steuerungsprogramme, wie mehrere Roboter an einem Objekt zusammenarbeiten können. In Zukunft werden Mensch und Roboter sogar auf der gleichen Arbeitsfläche zusammenarbeiten und sich ergänzen. Ist diese Kooperation heute aus Sicherheitsgründen nicht möglich, werden Sensorsysteme alle Bewegungen eines Arbeiters erkennen und die Roboteraktionen an den Kollegen aus Fleisch und Blut anpassen ohne ihn zu verletzen. Der Trend muss sich langfristig weg vom starren zum weichen Roboter ausrichten. 24 FÖRDERPROGRAMM 4. Förderprogramm Vor dem Hintergrund der Zielsetzung der IKT-Forschungspolitik, die technologische Spitzenstellung Deutschlands im Bereich IKT zu festigen und auszubauen, und die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs-, Produktions- und Arbeitsplatzstandortes Deutschland sowohl branchenbezogen als auch branchenübergreifend durch IKT zu sichern und zu erhöhen, sind für die Ausrichtung der Förderaktivitäten drei Fragen von zentraler Bedeutung: ■ ■ ■ Worin bestehen die spezifisch deutschen Stärken? Welche technologischen Entwicklungen sind von besonderer Bedeutung? Mit welchen (strategischen) Instrumenten kann am wirkungsvollsten Innovationspolitik betrieben werden? Das nachfolgende Förderprogramm ist der Beitrag des BMBF zur Umsetzung des Handlungsfeldes „Forschungsförderung“ der Hightech-Strategie im IKT-Bereich und des Aktionsprogramms iD2010. Die weiteren IKT-relevanten Maßnahmen der Bundesregierung in diesem Handlungsfeld sind im Aktionsprogramm iD2010 zu finden und werden mit Ausnahme der BMWi-Förderung von Multimedia- und Internettechnologien (vgl. Abschnitt 5.1) im Folgenden nicht dargestellt. Anwendungsfelder/Branchen Die Analyse der wirtschaftlichen Potentiale (vgl. Kapitel 2) hat die Bedeutung der in Deutschland starken Anwendungsfelder/Branchen, in denen Innovationen in hohem Maße durch IKT getrieben sind oder ohne IKT gar nicht möglich wären, herausgearbeitet. Die Forschungsförderung wird deshalb – neben der IKT-Wirtschaft selbst – auf die folgenden Anwendungsfelder/Branchen ausgerichtet: ■ ■ ■ ■ ■ Automobil, Mobilität Maschinenbau, Automatisierung Gesundheit, Medizintechnik Logistik, Dienstleistungen Energie, Umwelt Qualitätsziele Bei allen Maßnahmen ist eine Fokussierung auf Qualitätsziele erforderlich, denn nur mit klaren Qualitätszielen können die Stärken in der deutschen IKT-Forschung in Anwendungsfeldern umgesetzt und das traditionell hohe internationale Ansehen deutscher Ingenieurleistungen besonders im Maschinen- und Anlagenbau auf IKT-Lösungen aus Deutschland übertragen werden. Vorrangige Qualitätsziele sind: Wirtschaftlichkeit, Sicherheit (und Zuverlässigkeit), Nutzerfreundlichkeit und Ressourceneffizienz. Durch klare Entwurfs- und Qualitätsziele für IKT-Lösungen, die dann auch zu einem internationalen Gütesiegel für IKT-Produkte „Made in Germany“ werden, werden im Hochlohnland Deutschland auch weiterhin wettbewerbsfähige Systemlösungen im Bereich IKT entstehen. Strategische Forschungsund Entwicklungslinien Die Analyse der technologischen Perspektiven (vgl. Kapitel 3) hat deutlich gemacht, dass die wichtigen technologischen Entwicklungen zwar ausgesprochen breit gefächert sind, dass sich aber drei Themen wie ein roter Faden durch dieses Spektrum ziehen: IKT in komplexen Systemen („Embedded Systems“), neue Geschäftsprozesse und Produktionsverfahren sowie Internet der Dinge und Dienste. Die IKT-Förderung wird deshalb vorrangig entlang der entsprechenden strategischen Forschungs- und Entwicklungslinien ausgerichtet. Strategische Instrumente Um Brücken zu schlagen zwischen (Basis-)Technologien und Anwendungsfeldern/Branchen und damit aus FuE-Ergebnissen auch wirtschaftliche Erfolge zu generieren, sollen Innovationsallianzen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik (vgl. Hightech-Strategie der Bundesregierung) vereinbart werden. Zur Bildung solcher Innovationsallianzen kommen im IKT-Bereich drei strategische Instrumente 2 zum Einsatz (vgl. Abschnitt 4.1): Basistechnologien ■ Wesentliche Grundlage für Innovationen in diesen Feldern sind (anwendungsorientierte) Forschung und Entwicklung im Bereich der Basistechnologien der IKT: Elektronik und Mikrosysteme, Softwaresysteme und Wissensverarbeitung sowie Kommunikationstechnik und Netze. 2 ■ ■ Leitinnovationen, Technologieverbünde und Diensteplattformen. Auf operativer Ebene steht die Förderung von FuE-Vorhaben als Verbundprojekte im Vordergrund. FÖRDERPROGRAMM 25 Anwendungsfelder / Branchen IKT-Wirtschaft Automobil, Mobilität Maschinenbau, Automatisierung Leitinnovationen Logistik, Dienstleistungen Gesundheit, Medizin Wirtschaftlichkeit (z. B. Initiative „Automobilelektronik“) Energie, Umwelt Technologieverbünde / Diensteplattformen Sicherheit Qualitätsziele Nutzerfreundlichkeit Elektronik und Mikrosysteme Ressourceneffizienz Software und Wissensverabeitung (z. B. „Standards für die Kommunikation der Zukunft“) Kommunikationstechnik und Netze Basistechnologien IKT 2020 – Strategischer Ansatz Darüber hinaus wird ein KMU-spezifisches Förderinstrument für das Aktionsfeld IKT eingeführt (vgl. Abschnitt 4.1.4). In der oberen Abbildung ist der strategische Ansatz von IKT 2020 schematisch dargestellt. IKT Politik aus einem Guss Auch für das Innovationsfeld IKT gilt: Innovationspolitik ist mehr als Forschungspolitik. Deshalb ist „Forschungsförderung“ nur ein Handlungsfeld im Bereich IKT in der HightechStrategie der Bundesregierung und darf nicht isoliert von anderen IKT-relevanten Maßnahmen betrachtet werden. Vielmehr gilt es, diese im Sinne einer IKT-Politik aus einem Guss in den Gesamtkontext einer IKT-Politik der Bundesregierung einzuordnen (vgl. Kapitel 5). Angrenzende Forschungs- und Technologieprogramme des BMBF Durch das immer stärkere Zusammenwachsen von IKT mit anderen Schlüsseltechnologien ergibt sich die Notwendigkeit einer technologieübergreifenden, koordinierten Vorgehensweise. Eine solche abgestimmte Förderpolitik findet im BMBF durch die Bündelung aller Schlüsseltechnologien, insbesondere zwischen dem Forschungsprogramm IKT 2020 sowie den folgenden Programmen/Initiativen statt: ■ ■ ■ ■ ■ Förderprogramm Optische Technologien Mikrosysteme – Rahmenprogramm zur Förderung von 2004 – 2009 Nano-Initiative – Aktionsplan 2010 Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ Rahmenprogramm Werkstoffinnovationen für Industrie und Gesellschaft - WING 26 FÖRDERPROGRAMM Das Qualitätsziel Sicherheit (und Zuverlässigkeit) und damit das Forschungsthema IKT-Sicherheit sind nicht nur Gegenstand des vorliegenden Forschungsprogramms. Sie werden auch im neuen Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ der Bundesregierung adressiert, sofern Fragen mit gesellschaftsdestabilisierendem Potential berührt sind. ■ IKT 2020 als lernendes Programm Auf diese vier strategischen Instrumente werden die Fördermittel (vgl. Kapitel 6) konzentriert. Der strategische Ansatz des Forschungsprogramms IKT 2020 ist auf 10 Jahre angelegt und weist mit seiner grundsätzlichen Orientierung auf das Jahr 2020. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der IKT ist der thematische Rahmen der FuE-Förderung allerdings zunächst auf 5 Jahre begrenzt, und die extrem kurzen Innovationszyklen in der IKT werden es erforderlich machen, dass möglicherweise bereits in diesem Zeitraum Ergänzungen und Schwerpunktverlagerungen vorgenommen werden müssen. Aus diesem Grund ist IKT 2020 als offenes und lernendes Forschungsprogramm ausgelegt. Die dargestellten Leitinnovationen, Technologieverbünde, und Diensteplattformen sowie Schwerpunkte und Forschungsthemen sind weder vollständig noch abgeschlossen. Wie bei der Erstellung von IKT 2020 wird das BMBF zur Qualitätssicherung, Fortschreibung und Weiterentwicklung den Dialog mit Wissenschaft und Wirtschaft fortsetzen, um auf technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen abgestimmt und zeitnah reagieren zu können. Darüber hinaus soll das Programm auf seine Wirksamkeit hin von unabhängigen Experten während der Laufzeit und vor der Weiterentwicklung des thematischen Rahmens der FuE-Förderung untersucht werden (Evaluierung). 4.1 Strategische Instrumente Mit Richtung auf die Ziele der IKT-Forschungspolitik kommen vier strategische Instrumente bei der Förderung zum Einsatz: ■ ■ Leitinnovationen: stark vertikal ausgerichtete Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft, die auf bestimmte Anwendungsfelder/Branchen ausgerichtet sind und an denen sich Technologiebereiche abgestimmt fördernd beteiligen. Technologieverbünde: stark horizontal ausgerichtete Kooperationen, die eine gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft festgelegte konkrete technologische Zielsetzung verfolgen und zu deren Umsetzung eine technologisch ausgerichtete Roadmap vereinbart wird. ■ Diensteplattformen: stark horizontal ausgerichtete Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft, ähnlich den Technologieverbünden, allerdings mit dem Ziel, neue Dienstleistungen durch neue Dienste zu ermöglichen. IKT-spezifische KMU-Förderung. Diese vier strategischen Instrumente können sowohl Ausgangspunkt für neue (regionale) Cluster im Sinne der Hightech-Strategie sein als auch zur Weiterentwicklung vorhandener Cluster beitragen. Ein prominentes Beispiel für ein Cluster ist die Mikroelektronik in Dresden und Umgebung: Mit Anstoß des BMBF ist der heute weltweit akzeptierte 300 mm Silizium-Waferstandard in Dresden geschaffen worden: Dresden hat sich in den letzten Jahren insbesondere durch staatliche Unterstützung zum bedeutendsten Standort für Mikro- und Nanoelektronik in Europa entwickelt (ca. 20.000 Arbeitsplätze). 4.1.1 Leitinnovationen Die Ausrichtung der Technologieförderung auf ausgewählte Branchen- und Anwendungsfelder ist immer dann besonders sinnvoll, wenn so (gesellschaftliche) Problemstellungen technologieübergreifend zu lösen sind, die Stärke in einem Anwendungsfeld durch die Nutzung neuer Technologien ausgebaut werden kann und zugleich die Technologieentwicklung ihrerseits profitiert. Märkte und Anwendungsfelder können heute nur noch durch das interdisziplinäre Zusammenwirken unterschiedlicher Schlüsseltechnologien erschlossen werden. Die gezielte Markt- und Anwendungsorientierung bei einer Innovationsallianz wird im Rahmen des Konzeptes der Leitinnovationen umgesetzt. Leitinnovationen sind stark vertikal ausgerichtete strategische Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft, die auf ein(e) bestimmte(s) Anwendungsfeld/Branche ausgerichtet sind, eine besondere volkswirtschaftliche Hebelwirkung entfalten und an denen sich unterschiedliche Technologiebereiche abgestimmt beteiligen. Sie werden gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft identifiziert, bei gleichzeitiger technologieübergreifender Bündelung der Forschungskapazitäten und Forschungsgelder. Leitinnovationen schaffen so eine kritische Masse an Forschungskompetenz und -kapazitäten, die es erlaubt, besonders ehrgeizige und wichtige übergreifende technologische Fragestellungen anwendungsbezogen anzugehen. FÖRDERPROGRAMM Entscheidend für den Erfolg von Leitinnovationen sind die Ausrichtung an den Zeitplänen (Roadmaps) der Anwender und die strategischen Verabredungen mit den beteiligten Unternehmen auf der Ebene der Geschäftsfeldverantwortlichen. Die Leitinnovationen gehen über die Forschungsphase hinaus und beziehen die gesamte Wertschöpfungskette mit ein, weshalb ggf. weitere strategische Partner, wie beispielsweise Verbände und Sozialpartner, hinzugezogen werden. Insbesondere werden die Gestaltung der erforderlichen (rechtlichen) Rahmenbedingungen sowie möglicher Nachwuchs-, Fachkräfte- und Qualifizierungsbedarf als integraler Bestandteil der Leitinnovation frühzeitig aufgegriffen. Ziel der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft ist es, Brücken von den Technologien zu den Anwendungsfeldern/Branchen zu bauen. Für die Umsetzung wird deshalb ein erheblicher (finanzieller) Eigenanteil der Wirtschaft erwartet. Ein Commitment in dieser Richtung ist ebenso Bestandteil der zwischen den Beteiligten zu schließenden Vereinbarung wie operationale Ziele der Zusammenarbeit. Die Leitinnovationen haben eine Laufzeit von 3 bis 10 Jahren. Derzeit werden mit Wirtschaft und Wissenschaft die folgenden Leitinnovationen diskutiert: ■ ■ ■ ■ Initiative Automobilelektronik Vernetzte intelligente Objekte in der Logistik Sichere Mobilität durch Kommunikationstechnologien IKT für Gesundheit Diese Liste ist nicht abschließend. Weitere Leitinnovationen können und sollen während der Laufzeit des Programms bzw. im Rahmen der Fortschreibung definiert werden. Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgefordert, gemeinsam mit der Politik weitere Leitinnovationen zu konzipieren. Bei der Förderentscheidung wird das BMBF unabhängige Experten hinzuziehen. 27 28 FÖRDERPROGRAMM Leitinnovation Initiative Automobilelektronik Elektrik und Elektronik sind heute die wesentlichen Treiber für etwa 80 % aller Innovationen im Automobil. Im Sinne des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit in 10 und mehr Jahren erscheint es geboten, die deutsche Automobilindustrie durch eine nationale Initiative im vorwettbewerblichen Bereich zu unterstützen. Die führenden deutschen Automobilhersteller und -zulieferer regen deshalb an, eine solche Initiative unter der Überschrift „Initiative Automobilelektronik“ aufzusetzen, um mit einem ganzheitlichen Ansatz gezielt und nachhaltig aktuelle Forschungsthemen genau auf diesem Gebiet zu bearbeiten. Herausforderungen Sicherheit Fahrerassistenzsysteme haben ein großes Potential zum Schutz des Lebens der Fahrzeuginsassen und anderer Verkehrsteilnehmer. Durch die Erfassung des Umfelds z. B. durch vernetzte Sensoren und die Steuerung des Fahrzeugs z. B. durch den Antriebsstrang lassen sich Fahrerassistenzsysteme darstellen, die den Fahrer in kritischen Situationen unterstützen oder gar die Aufgabe des Fahrens autonom durchführen. Zuverlässigkeit Die Zuverlässigkeit der Automobilelektronik ist eines der wichtigsten Kaufkriterien und hat einen starken Einfluss auf die Gewährleistungskosten. Dabei stellen die wachsende Systemkomplexität und die fortschreitende Miniaturisierung ganz neue Herausforderungen an die Zuverlässigkeit. Umweltfreundlichkeit Umweltfreundlichkeit heißt Energieeffizienz und Schadstoffreduzierung. Die Energieeffizienz kann durch ein umfassendes Energiemanagement vergrößert werden. Eine wichtige Rolle spielt die Elektronik auch bei der Regelung des Antriebsstrangs. Aufgaben einer zukünftigen Motorelektronik umfassen diesbezüglich die Effizienzerhöhung des Motors, die Reduzierung des Schadstoffausstoßes, und die Integration elektrischer Antriebe (Hybridisierung). Dazu sind umfangreiche leistungselektronische und mechatronische Systementwicklungen notwendig. Zielsetzung Die Initiative Automobilelektronik möchte dafür sorgen, dass durch Forschung auf dem Gebiet der elektronischen Komponenten und Systeme für das Auto von morgen, die im Wettbewerbsvorfeld unternehmensübergreifend gemeinsam mit den Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt wird, Autos aus Deutschland auch in 10 Jahren noch zu den besten gehören und sich auf dem Weltmarkt durchsetzen. Vision: 0-Tote-Auto, 0-Fehler-Auto und 0-Emissionen-Auto, d. h. ■ ■ ■ ■ ■ Emissionsreduzierung und Steigerung der Kraftstoffeffizienz Erhöhung der Sicherheit durch Fahrerassistenzsysteme mit vollständiger Erfassung der Fahrzeugumgebung mit dem Langfristziel des „unfallfreien Fahrens“ Individuelle und intuitive Komfortsysteme zur einfachen und sicheren Bedienung und Steuerung unter Einbeziehung der Kommunikationsinfrastrukturen Beherrschbarkeit der Systemkomplexität und Kostenreduzierung bei zunehmendem Anteil der Elektronik im Auto Steigerung der System- und Funktionszuverlässigkeit bei wachsender Systemkomplexität und gleichzeitig fortschreitender Miniaturisierung Strategische Partner Automobilhersteller, System- und Komponentenzulieferer, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, BMWi (Verkehrsforschung) FÖRDERPROGRAMM 29 Forschungsthemen und technologische Voraussetzungen ■ ■ ■ Technologien advanced CMOS, Softwaretechnologie, intelligente Leistungselektronik, Sensorsysteme, sichere Datenkommunikation, Systemintegrationstechnologien, unkonventionelle Aktuatoren, Mustererkennung und Sensorfusion, adaptive und multimodale Fahrerdialogsysteme Systeme & Architekturen modulare Architekturen, Fehlertoleranz und Ausfallsicherheit, durchgängige Simulation/Design, System- und Funktionszuverlässigkeit, Robustheit, Null-Fehler-Konzepte Standardisierung Standardisierung von Schnittstellen & Modulen, Schaffung offener Systeme für hohe Modularität (DaimlerChrysler) 30 FÖRDERPROGRAMM Leitinnovation Vernetzte intelligente Objekte in der Logistik Die Globalisierung der Produktion und des Wirtschaftsverkehrs sowie die Beschleunigung der Taktraten wirtschaftlicher Aktivität gelten derzeit als die wesentlichen Treiber moderner Logistikentwicklung. Neue Anforderungen an Geschwindigkeit, Fehlertoleranz und Flexibilität setzen eine maximale Transparenz und automatisierte Abwicklung der physischen Flüsse voraus. Herausforderungen Aus technischer Sicht liegt die Herausforderung in der Realisierung einer intelligenten Selbstorganisation der möglicherweise dezentralen Anwendungskomponenten, die gleichzeitig die Reduzierung der Komplexität der bislang zentral organisierten IKT-Systeme und eine Steigerung der Systemzuverlässigkeit ermöglicht. Sicherheitsaspekte betreffen die zuverlässige Absicherung der Kommunikation zwischen allen Systemkomponenten sowie die kontinuierliche Erkennung von Manipulationen oder Eindringlingen. Zielsetzung Gesamtziel ist die prototypische Implementierung einer innovativen Integrationsplattform für sensornetzwerkbasierte Informationssysteme in der Logistik. Dies beinhaltet die Entwicklung einer Dienste-orientierten Software-Architektur, Hardwareinfrastruktur, Systemintegration, Validierung sowie die Demonstration an praktischen Anwendungsfällen. Aus Sicht der Anwendung ist wissenschaftlich zu klären, wie sich logistische Prozesse mit intelligenten Objekten basierend auf Sensornetzen oder anderen Auto-ID- bzw. Tracking-Technologien technisch und wirtschaftlich verbessern lassen, wie Sensornetzwerk-basierte, dezentrale Informationssysteme in unternehmensinterne und unternehmensübergreifende IKT-Infrastrukturen integriert werden können und wie sich daraus neuartige Geschäftsprozessmodelle entwickeln lassen.3 Strategische Partner Softwareunternehmen, Logistikdienstleister und Anbieter von Sicherheitslösungen, Forschungsinstitute, Hochschulen, BMWi Forschungsthemen und technologische Voraussetzungen Sensornetzwerke, Mikrosysteme, Sicherheit, Energie (Speicher, Erzeugung/Versorgung), Miniaturisierung, Service-Engineering, IKT-Netzwerke und -Systeme, Protokolle und Standards, Service-orientierte Softwarearchitekturen, Datenintegration 3 Im Rahmen des Leitvorhabens „NextGenerationMedia – Vernetzte Lebens- und Arbeitswelten“ setzt das BMWi Schwerpunkte in den Bereichen unternehmensübergreifende RFID-basierte Logistiknetze, Rückverfolgbarkeit durch prozesskettenübergreifende RFID-gestützte Erfassung von Produktions- und Logistikdaten, intelligente Assistenzsysteme zur Steuerung von Logistiknetzen, RFID-gestützte Produktions- und Beschaffungslogistik. FÖRDERPROGRAMM 31 Leitinnovation Sichere Mobilität durch Kommunikationstechnologien In den letzten Jahrzehnten wurde zwar erreicht, dass weit weniger Menschen tödlich im Straßenverkehr verunglücken als früher. Solange aber immer noch Menschen im Verkehr zu Schaden kommen, bleibt die Sicherheit im Verkehr ein wichtiges forschungspolitisches Thema. Darüber hinaus ist eine effiziente Mobilität einer der wesentlichen Stützpfeiler eines funktionierenden Wirtschaftssystems und einer modernen Gesellschaft. In Anbetracht des prognostizierten weiteren Verkehrswachstums müssen Verkehrsströme intelligent organisiert werden, u. a. unter Berücksichtigung unterschiedlicher Anforderungen einzelner Gruppen wie älterer Mitbürger und Mitbürgerinnen. Informations- und Kommunikationstechnologien haben hier ein großes Zukunftspotential. Sie eröffnen eine neue Dimension des vorausschauenden Fahrens: Der Informationsaustausch zwischen intelligenten Systemen von Fahrzeug zu Fahrzeug oder von Fahrzeugen zur Verkehrsinfrastruktur könnten in Zukunft Leben retten: So kann eine Stau-Ende-Warnung an nachfolgende Fahrzeuge gesendet werden, entfernte Fahrzeuge können über Unfälle informiert werden usw. Die Daten, die Fahrzeuge an eine Verkehrsleitzentrale übersenden, könnten zudem zu einem besseren Verkehrsfluss beitragen. Herausforderungen Die gängigen Standards der drahtlosen Datenübertragung eignen sich noch nicht für sicherheitsrelevante Anwendungen. Für solche Anwendungen müssen die Kommunikationsnetze insbesondere ausfallsicher sein und schnelle Reaktionen mit geringer Zeitverzögerung zulassen. In einer Reihe von durch das BMBF und das BMWi geförderten Projekten wurden bisher schon Grundlagen gelegt, die jetzt in realitätsnahen Umgebungen weiter erforscht und erprobt werden müssen. Dazu ist ein Ressort übergreifendes Vorgehen notwendig. Zielsetzung Übergeordnetes Ziel ist es, die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland mittelfristig zu halbieren und die Zahl der Unfälle drastisch zu reduzieren. Ferner sollen Staus vermieden werden und zeitnahe exakte Verkehrsinformationen den Verkehrsteilnehmern zur Verfügung stehen. Technologisches und wirtschaftspolitisches Ziel ist es, einen einheitlichen Standard für die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation zunächst auf europäischer Ebene zu etablieren. Strategische Partner Industrie: Automobilhersteller, Elektronik- und Endgerätehersteller, Netzausrüster und Netzbetreiber, Mobilitätsdienstleister, Bundesressorts (Wirtschaft, Forschung, Verkehr), Forschungseinrichtungen, Hochschulen. Forschungsthemen und technologische Voraussetzungen Weiterentwicklung des WLAN-Standards (IEEE 802.11p) zu einem tauglichen Standard für die hochbitratige Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation; Weiterentwicklung der Standards im zellularen Mobilfunk für Verkehrsanwendungen; Untersuchung der Tauglichkeit eines reservierten Frequenzbandes im 5,9 GHz Band für Sicherheitsfunktionen; neue Formen des Mobilitätsmanagements an lokalen bzw. beweglichen Gefahrenstellen (z. B. Baustelle, Unfall), Multimodale Fahrerassistenzsysteme und standardisierte semantische Technologien für die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur. 32 FÖRDERPROGRAMM Leitinnovation IKT für Gesundheit Für die Verbesserung der Gesundheitsvorsorge und die Diagnose und Therapie von Krankheiten werden IKT künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Informationstechnische Geräte befinden sich bereits heute im Einsatz oder in der klinischen Erprobung. Neue Dienste im Gesundheitsbereich erfordern Forschung und Entwicklung in vielen Technologiefeldern von der Mikrosystemtechnik über die Softwaretechnik bis zu den Kommunikationstechnologien. a) Mobile Monitoring-Systeme werden Patienten künftig ein eigenständiges und gleichzeitig sicheres Leben ermöglichen. Krankenhausaufenthalte, die nur der Beobachtung dienen, bleiben ihnen damit erspart. Derzeit arbeiten Wissenschaftler an der Entwicklung von Monitoring-Systemen, mit denen wichtige Körperfunktionen kontinuierlich überprüft werden können. b) Mobil einsetzbare Analysesysteme können schon bald langwierige Laboruntersuchungen überflüssig machen. Notärzte werden Patienten damit direkt vor Ort untersuchen und können sofort lebenserhaltende Therapieentscheidungen treffen. In diesen Mini-Labors steckt eine Menge Intelligenz: Auf kleinstem Raum müssen Reagenzien und Reaktionsprodukte von einem Ort zum nächsten transportiert, Proben injiziert, aufbereitet und analysiert sowie die geeigneten Umgebungsbedingungen für die Reaktionen hergestellt werden. Außerdem müssen die Versuchsergebnisse erfasst und ausgewertet werden. c) Die Entwicklung isolierter Monitoring-Systeme allein reicht nicht. Der Patient ist nicht an Daten, sondern an Gesundheitsdiensten interessiert, die ihm konkrete Hilfe anbieten, z. B. Mobilität und Sicherheit für Risikopatienten, selbstbestimmtes Wohnen für ältere Menschen, oder schneller Kontakt zum Arzt. Die Monitoring-Systeme sind dazu in Netzwerke einzubinden. Softwareplattformen müssen die Entwicklung einfach zu handhabender Dienste ermöglichen und Fragen der Datensicherheit beantworten. Herausforderungen Zur kontinuierlichen Erfassung von Patientendaten werden im und außerhalb des Körpers befindliche Sensorsysteme benötigt. Bisher verfügte man hier über Insellösungen, d. h. die Daten werden nur im Gerät gespeichert. So gibt es ambulant einsetzbare Geräte, beispielsweise die 24-Stunden-Blutdruckmessung oder die 72-Stunden-Blutzuckermessung. Deren Aufzeichnungsmöglichkeiten sind begrenzt. Es geht nun darum, einerseits miniaturisierte und neue Sensorsysteme zu entwickeln, andererseits die Insellösungen zu vernetzten Gesundheitsdiensten zusammenzubringen. Nahtlose Nutzungsmöglichkeiten in wechselnden Umgebungen (zuhause, unterwegs, im Auto usw.) müssen entstehen. Die Benutzerschnittstellen müssen intuitiv bedienbar sein bzw. automatisch und individuell angepasst arbeiten. 4 Zielsetzung Ziel ist, durch IKT im Gesundheitsbereich mehr Lebensqualität für Risikopatienten und ältere Menschen zu erreichen. Konkret bedeutet Lebensqualität mehr Mobilität, Steigerung des Sicherheitsempfindens, größere Selbständigkeit in der Lebensgestaltung und Erhöhung der sozialen Kontaktmöglichkeiten. Der Gesundheitsbereich ist aber gleichzeitig auch ein großer Markt: Ziel der Leitinnovation ist es deshalb, durch neue Gesundheitsdienste Arbeitsplätze in Deutschland aufzubauen. Schließlich werden IKT-basierte Gesundheitsdienste zu einer Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen bei gleichzeitig steigender Qualität der Leistungen und den unterschiedlichen Bedürfnissen von Männern und Frauen besser Rechnung tragen können. 4 Im Rahmen des Technologievorhabens NextGenerationMedia unterstützt das BMWi die Entwicklung und Erprobung von zukunftsweisenden integrierten telemedizinischen Anwendungen, um die Möglichkeiten modernster funkbasierter Sensortechnologien, leistungsfähiger mobiler Kommunikationstechnologien, intelligenter Software zu verbinden und um neue Formen von Dienstleistungs- und Geschäftsmodellen aufzuzeigen. Dabei geht es neben rein medizinischer Prävention und Nachsorge auch um den Wachstumsmarkt Life-Style. FÖRDERPROGRAMM 33 Strategische Partner Medizintechnik-Hersteller und -Zulieferer, Kommunikationsdienstleister und Ausrüster für Kommunikationstechnologien; Kompetenzzentren der Medizintechnik, Forschungsinstitute; Fachärzte-Vertreter, BMWi Forschungsthemen und technologische Voraussetzungen Telemedizin (z. B. 24/7 Telemonitoring einschl. Kommunikation), Computergestützte Diagnose, Therapieplanung und Therapiebegleitung, Navigation in der minimal-invasiven Chirurgie und Intervention, Funktionelle und zellbiologische Bildgebung (z. B. Großgeräte wie MRT), Vernetzung miniaturisierter Sensoren und Aktoren (z. B. Intelligente Implantate, Point-of-Care und Drug-Delivery), Bildverarbeitung, Wissensmanagement, Softwaretechnologien, Entwicklung flexibler Softwareplattformen als Basis für neue Dienste im Gesundheitsbereich, intuitiv bedienbare und automatisch arbeitende Benutzerschnittstellen, Dienste mit automatischer situativer Anpassung, Standardisierung, Echtzeitfähigkeit, nahtlose Nutzungsmöglichkeiten in wechselnden Umgebungen. Mikrosystemtechnologisches Gerätesystem für die kryobiologische Lebendablage von multizellulären Aggregaten (µCryoLab). (Fraunhofer IBMT) Das Bild zeigt Nerven im Gehirn, die mit speziellen Magnetresonanztomographen von Siemens Medical Solutions sichtbar gemacht werden. (Siemens AG) 34 4.1.2 Technologieverbünde Voraussetzung für den Auf- und Ausbau von Technologieführerschaften und damit auch für den Erhalt der technologischen Spitzenstellung Deutschlands ist, dass den großen technologischen Herausforderungen branchen- und disziplinübergreifend bei gleichzeitiger Bündelung aller Aktivitäten (von der Forschung bis zu den Rahmenbedingungen) begegnet wird. Die Ausrichtung auf technologische Fragestellungen ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Fragen der Standardisierung im Vordergrund stehen und es im internationalen Wettbewerb einer kritischen Masse bedarf. Die gezielte Technologieorientierung bei einer Innovationsallianz wird im Rahmen des Konzeptes der Technologieverbünde umgesetzt. Technologieverbünde sind stark horizontal ausgerichtete strategische Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft, bei denen eine technologische Zielsetzung im Vordergrund steht, die auf Erhalt und Ausbau von Technologieführerschaften abzielen und durch die Anwendungspotentiale in Breite erschlossen werden. Sie werden gemeinsam von Wirtschaft und Wissenschaft definiert, bei gleichzeitiger branchen- und disziplinübergreifender Bündelung der Forschungskapazitäten und Forschungsgelder. Entscheidend für den Erfolg der Technologieverbünde sind die Ausrichtung an technologieorientierten Zeitplänen (Roadmaps) sowie die Einbeziehung von unterschiedlichen Anwendungsfeldern/Branchen. Die Technologieverbünde gehen über die Forschungsphase hinaus und bereiten vor dem Hintergrund des angestrebten Technologietransfers insbesondere Standardisierungen und deren Überführung in Normen sowie die Gestaltung von Rahmenbedingungen für die spätere Nutzung der Technologie vor. Dabei sind Interoperabilität und offene Standards anzustreben. Wie bei den Leitinnovationen werden deshalb ggf. weitere strategische Partner, wie beispielsweise Verbände und Sozialverbände, hinzugezogen, und möglicher Nachwuchs-, Fachkräfte- und Qualifizierungsbedarf werden als integraler Bestandteil des Technologieverbundes frühzeitig aufgegriffen. Ziel der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft ist es, Brücken von den Technologien zu den Anwendungsfeldern/Branchen zu bauen. Anders als bei den Leitinnovationen steht aber stärker die Funktion von IKT als Enabler und weniger als Basis konkreter Innovationen im Vordergrund. Für die Umsetzung wird auch hier erheblicher (finanzieller) Eigenanteil der Wirtschaft erwartet. Ein Commitment in dieser Richtung ist ebenso Bestandteil der zwischen den Beteiligten zu schließenden Vereinbarung wie operationale Ziele der Zusammenarbeit. Die Technologieverbünde haben eine Laufzeit von 3 bis 10 Jahren. FÖRDERPROGRAMM Aus erfolgreichen Technologieverbünden können sich dabei (neue) Leitinnovationen entwickeln. Derzeit werden mit Wirtschaft und Wissenschaft die folgenden Technologieverbünde diskutiert: ■ ■ ■ ■ Standards für die Kommunikation der Zukunft Virtuelle Technologien und reale Produkte Digitales Produktgedächtnis Umgebungsintelligenz für autonome vernetzte Systeme Diese Liste ist nicht abschließend. Weitere Technologieverbünde können und sollen während der Laufzeit des Programms bzw. im Rahmen der Fortschreibung definiert werden. Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgefordert, gemeinsam mit der Politik weitere Technologieverbünde zu konzipieren. Bei der Förderentscheidung wird das BMBF unabhängige Experten hinzuziehen. FÖRDERPROGRAMM 35 Technologieverbund Digitales Produktgedächtnis Die IKT-gestützte Logistik und Dienstleistungen (von der Beratung, über die Wartung, und Reparatur bis zum Recycling) rund um hochwertige Produkte sind in vielen Branchen zum wichtigsten Erfolgsfaktor geworden. Durch die immer kürzeren Produkt- und Innovationszyklen sowie immer komplexere Logistikketten ist die digitale Erfassung des Lebenszyklus von hochwertigen Produkten, die ständige Überwachung des Zustandes und Verfolgung der Position eines Produktes sowie der ubiquitäre Zugang zu allen relevanten Produktdaten für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Produktions- und Handelsunternehmen von entscheidender Bedeutung. Schließlich eröffnet das digitale Produktgedächtnis eine neue Dimension beim Schutz vor Produktpiraterie, dem Verbraucherschutz und der Produkthaftung. Herausforderungen Die nächste Generation der in Produkten verbauten „Smart Items“ muss über die reine Identifikationsfunktion von RFID-Kennzeichnungen hinausgehen und neben der Auswertung verschiedener eingebetteter Sensoren (Temperatur, Lage, Licht, Feuchtigkeit) alle relevanten Produkt- und Betriebsdaten erfassen und im Sinne eines „Internet der Dinge“ mit seiner Umgebung und seinen Nutzern aktiv Information austauschen können: Softwaremäßig durchgehende Verfolgung der Produkte von der Entstehung bis zum Recycling in einer im Produkt integrierten digitalen Blackbox, benutzerfreundlicher dialogischer Zugang zum Produktgedächtnis, semantische Interoperabilität zwischen Produktgedächtnissen durch Produktontologien, Standardisierung von webfähigen Markierungssprachen für Produktgedächtnisse. Zielsetzung Durchgängige Innovation von anwendungsorientierter Grundlagenforschung bis zum Demonstrator in der ersten Phase, rasche internationale Technologieführerschaft durch parallele praxistaugliche Entwicklung und industrielle Pilotanwendung in ausgewählten Zielbranchen wie Automobilbau, Medizintechnik, Paketlogistik, Anlagenbau und Luftfahrttechnik, innovative Geschäftsmodelle im Logistik, Handels- und Dienstleistungsbereich durch Standardisierung und Nutzung der Information durch den Endkunden in der zweiten Phase. Strategische Partner Logistikunternehmen der o. g. Zielbranchen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen. Forschungsthemen und technologische Schwerpunkte Maschinell verstehbare semantische Beschreibungssprachen für Produktgedächtnisse, Kombination von Nahfeldkommunikation und Telekommunikation, multimodale Interaktion mit dem Endverbraucher für den Zugriff auf kritische Produktdaten, Nutzung der Produktinformation durch Serviceroboter beim Handling (Größe, Gewicht, Aufnahmepunkte), aktive und passive Komponenten mit integrierten Umgebungssensoren, Zugriff auf externe Sensoren in instrumentierten Umgebungen (z. B. Kühlhaus, Verladestation, Verkaufsregal), Schutz vor unerlaubtem Zugriff oder Zerstörung des Produktgedächtnisses, fälschungssichere Integration des digitalen Produktgedächtnisses. 36 FÖRDERPROGRAMM Technologieverbund Standards für die Kommunikation der Zukunft Kommunikation ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Die technischen Voraussetzungen, über weite Entfernungen zu kommunizieren, haben sich in den letzten Jahren revolutionär entwickelt. Aber: ■ ■ ■ ■ Netze sind nicht flächendeckend und jederzeit verfügbar. Das ist besonders für sicherheitsrelevante Anwendungen (Notruf, Sicherheit im Verkehr, Telemedizin) problematisch. Es sind neue Standards notwendig, durch die die dafür essenziellen Parameter wie z. B. „Quality of Service“, „Fairness“ und „Latenz“ weiter verbessert werden können. Der Datenverkehr allein im Mobilfunk verzehnfacht sich alle fünf Jahre, der Datenverkehr über das Internet steigt um 30 % jährlich an. Die Versorgung der Menschen mit Kommunikationsmöglichkeiten kann in Zukunft nur gewährleistet werden, wenn die knappen Ressourcen (Frequenzen) effizienter genutzt werden können. Dafür sind neue Übertragungsstandards notwendig. Wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland sind nur mit einer leistungsfähigen Netzinfrastruktur möglich. Durch die Möglichkeiten der Telekommunikation ändern sich die Geschäftsprozesse in den Unternehmen. Videokonferenzen sind nur ein Beispiel für ein zwar etabliertes Instrument, das aber durch die netzseitige Begrenzung (Bandbreite, Kodierung, Latenzzeiten) die Ansprüche an eine Kommunikation noch nicht erfüllen kann. Das heutige Internet stößt hinsichtlich Beherrschbarkeit der Komplexität, Zuverlässigkeit und Sicherheit an seine Grenzen. Der notwendige Wandel zur nächsten Generation der Kommunikationsnetze bietet die Chance, durch neue technologische Konzepte die Zuverlässigkeit und die Ausfallsicherheit des Internets auf ein neues Niveau zu bringen. Die steigenden Anforderungen betreffen also die drahtgebundenen Zugangsnetze und den Mobilfunkbereich wie auch die Metro- und Kernnetze. Es werden konzeptionell neue Architekturen und Technologien für die Kommunikationsnetze zu erforschen und entwickeln sein. Daraus leiten sich die technischen Kommunikationsstandards der Zukunft ab. Die Ausgangsposition der Ausrüster sowohl im Mobilfunk als auch bei den Festnetzen ist gut: Europäische Unternehmen sind in vielen Teilbereichen weltweit führend und haben wesentliche Produktionskapazitäten in Deutschland. Deutschland ist einer der Leitmärkte für Telekommunikation. Der Markt der Telekommunikation wuchs in den letzten Jahren in Deutschland jährlich durchschnittlich um 4,4 %. In anderen Teilbereichen (z. B. Router) liegt eine US-amerikanische Dominanz vor. Die Herausforderung an die Kommunikationsnetze der Zukunft ist nur in einer gemeinsamen europäischen Anstrengung zu bewältigen. Herausforderungen Für die künftigen Netze sind neue Architekturen und Standards, insbesondere auch für die Wechselwirkung bisher getrennter Netze wie Mobilfunk, Internet und Festnetz erforderlich und in Testumgebungen zu überprüfen. Es sind Netz- und Komponententechnologien zu entwickeln, die den erwarteten Datenverkehr unterstützen können, ohne Duplizierung des heute installierten Netzes. Für ein völlig neues Internet („Post-IP“) sind grundlegend neue Konzepte zu erforschen und mit Partnern im internationalen Umfeld zu testen. Zielsetzung Es gilt, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu stärken und so die rund 66.500 Arbeitsplätze in diesem Bereich in Deutschland auszubauen. Deutsche KMU sind bereits heute weltweit technologisch in Teilbereichen führend. Mit steigendem Datenverkehr bietet sich die Chance, diese Leitposition in eine deutlich höhere Zahl von Arbeitsplätzen umzusetzen. Neue innovative Übertragungsverfahren und Netztechniken sowie einheitliche Standards für die Datenübertragung im Internet sollen europäisch geschaffen werden (z. B. für Netzbetreiber geeignetes 100 Gbit/s Ethernet) und damit die Basis für eine weltweite Durchsetzung gelegt werden. Die Schwächen des heutigen Internets hinsichtlich Zuverlässigkeit und Sicherheit sollen durch neue Technologien, Netzarchitekturen und Netzmanagementkonzepte beseitigt werden. Dabei sollen sowohl kurz- und mittelfristig neue evolutionäre, als auch langfristig revolutionäre („clean slate“) Ansätze verfolgt werden. FÖRDERPROGRAMM 37 Strategische Partner Industrie: Netzausrüster, Netzbetreiber, mittelständische Unternehmen als Komponentenhersteller, Normungsgremien, Forschungseinrichtungen, Hochschulen. Forschungsthemen und technologische Voraussetzungen Neue Standards: 100 Gbit/s Ethernet im Bereich der Netzbetreiber, effiziente, zuverlässige und skalierbare Paket-Transportnetze, zukünftige Mobilfunkstandards nach 3GPP-LTE („beyond LTE“). Architekturen für ein sichereres und zuverlässigeres Internet. Technologien zur Verbesserung der Latenz (Zeitverzögerungen), der Fairness (gerechte Versorgung aller Teilnehmer) und der Qualität im Mobilfunk. Die Bandbreite in der Datenübertragung muss gesteigert werden, z. B. im Mobilfunk durch bessere Ausnutzung der Frequenzen und Einführung von Techniken zur Selbstoptimierung der Funkzugangsnetze. Konzepte für einen revolutionär neuen Ansatz des Internets ohne Vorbedingung („clean slate“). Neue Technologien für eine Weiterentwicklung internetgestützter Dienstleistungen, wie peer-to-peer Technologien oder IMS-basierte Plattformen sowie Komponenten für eine Datenübertragung, die die Bandbreite der existierenden Leitungen deutlich effizienter ausnutzen. Der Ticketkauf für Bus oder Bahn mit dem Mobiltelefon läuft in Deutschland jetzt im großen Stil an: Eine Software von Siemens macht das Handy damit zum mobilen Fahrkartenautomaten. Ab dem zweiten Quartal 2007 ist der neue Service des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in sieben Großstädten und einer Reihe kleinerer Kommunen verfügbar. (Siemens AG) 38 FÖRDERPROGRAMM Technologieverbund Virtuelle Technologien und reale Produkte Technologien aus den Bereichen „Virtuelle und Erweiterte Realität“ (VR/AR) können komplexe Vorgänge visualisieren und damit für den Menschen besser erfassbar und interpretierbar machen. Dies unterstützt beispielsweise die Produktentwicklung in computergenerierten dreidimensionalen Räumen und an realen Modellen. Konkrete Anwendungsschwerpunkte im Bereich VR/AR finden sich beispielsweise im Automobil- und im Anlagenbau. In der angemessenen Aufbereitung und Nutzung digitaler Information während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts bzw. Produktionsmittels von der Entstehung über die Nutzung bis zur Entsorgung liegen erhebliche Produktivitätspotentiale. Auch viele Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Fernwartung, bei der dem Techniker vor Ort über eine Datenbrille relevante Angaben über die zu wartende Anlage eingeblendet werden, können hiervon profitieren. Herausforderungen Zwar ist grundsätzlich bekannt, dass geeignete Informationsaufbereitung und -visualisierung einen erheblichen Beitrag zur effizienten Produktentwicklung und Produktion leisten können. Erfolgreiche Arbeiten in dieser Richtung waren aber bisher im Wesentlichen nur vereinzelt und unzusammenhängend vorzufinden. Die daraus resultierende Herausforderung zur Bündelung der Anstrengungen hat eine Reihe von Unternehmen erkannt. Mit der Gründung des „Industriekreises Augmented Reality“ verfolgen sie das Ziel einer gemeinsamen Strategie des Einsatzes menschzentrierter virtueller Techniken in der industriellen Praxis. Zielsetzung Mit diesen Aktivitäten soll im vorwettbewerblichen Bereich der sich durch die Einzelanstrengungen abzeichnende Vorteil für den Standort Deutschland umgesetzt und verstärkt werden. Wesentliche positive Effekte werden hier im Hinblick auf die Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität, die Reduktion von Kosten und die Verkürzung der Time to Market erwartet. Strategische Partner (partiell bereits im Industriekreis Augmented Reality organisiert) Investitionsgüterindustrie, Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt sowie Optische Industrie, KMU verschiedener Branchen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen Forschungsthemen und technologische Schwerpunkte Ausbau und insbesondere Integration der Themenbereiche Informationsmanagement, Produktion mit digitalen Informationen, Darstellung virtueller Informationen, Tracking-Systeme, Systeme zur Visualisierung (Renderer), Gerätetechnologie (insbesondere mobile Informationsaufnahme- und Anzeigegeräte) sowie Technologien zur Erstellung und Verarbeitung der Informationen (Engineering- und Autorensysteme). FÖRDERPROGRAMM 39 Technologieverbund Umgebungsintelligenz für autonome vernetzte Systeme Die Nutzung des Internets steht vor einem Paradigmenwechsel: In Zukunft werden kleine mobile Geräte, die über drahtlose Technologien mit dem Netz verbunden sind, den größten Teil der Internetnutzer stellen. Man schätzt, dass bis 2017 bei einer Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen weltweit bis zu 7 Billionen drahtlos vernetzte Sensoren und Endgeräte existieren. Im Bereich des Handels und der Logistik hat die Einführung von Funketiketten bereits begonnen. Dabei geht es insbesondere auch um „Real World Awareness“ von IKT-Systemen, d. h. um IKT-Systeme, die ihre (umgebende) Welt erfassen und „verstehen“, wie wir sie in Zukunft finden werden in Fahrzeugen (Orientierung im Verkehr) sowie in der Überwachung von Fertigungen, im Servicebereich (Roboter) und bei Objektsicherungsanlagen. Intelligente und autonome vernetzte Sensorsysteme bieten Einsatzmöglichkeiten u. a. bei der genauen und preiswerten Steuerung chemischer Prozesse, bei der Überwachung und Verknüpfung von Maschinen, bei der Verfolgung und Verwaltung sicherheitsrelevanter Objekte, bei der Erfassung von Umweltbedingungen sowie bei der Prüfung von Produktqualität oder des Zustands von Bausubstanz. Im Gesundheitswesen kann Umgebungsintelligenz z. B. Patienten, die aus Gesundheitsgründen einer Beobachtung bedürfen, volle Bewegungsfreiheit ermöglichen. Herausforderungen Eine zentrale Herausforderung ist, Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit bei autonomen Systemen mit Umgebungsintelligenz zu erreichen. Beispiele für anspruchsvolle Anforderungen an zukünftige Technologien sind die Hochintegration der elektronischen Komponenten und der Sensorik, die Zuverlässigkeit auf Radioebene, die Echtzeitfähigkeit, die Lokalisierung und die Energieeffizienz der Sensorknoten. Zurzeit existieren noch keine Kommunikationsprotokolle, mit denen Sensornetzwerke hinreichend effizient arbeiten können. Zielsetzung Die Spitzenposition des deutschen Maschinenbaus in der Automatisierungstechnik und der Unternehmen der Mikrosystemtechnik soll durch Technologieführerschaft bei autonomen vernetzten Systemen weiter ausgebaut werden. Durch Sensornetze soll bestimmten kritischen Patientengruppen, industriellen Anlagen und Gebäuden mehr Sicherheit gegeben werden und der einzelne Bürger vor Kriminalität und Terrorismus geschützt werden. Strategische Partner System-, Komponenten- und Endgerätehersteller, Netzbetreiber, Unternehmen des Maschinenbaus und der Automatisierungstechnik, Verkehrsträger, Versicherungen, Akteure im Gesundheitswesen, Anlagenbetreiber, Forschungseinrichtungen, Hochschulen Forschungsthemen und technologische Schwerpunkte Energiemanagement und -effizienz der Sensorknoten, Algorithmen für die Kommunikation in Sensornetzen, Kommunikationsprotokolle für autonome Sensornetze, Echtzeitfähigkeit, selbstkonfigurierbare Kommunikationsschnittstellen, neue Funksysteme und Netzarchitekturen, Anbindung an Kommunikationsnetze, neue Systemkonzepte für Sensornetze, Programmierung und Management von Sensornetzen, adaptive und selbstlernende Sensoren/Aktuatoren, Lokalisierung mit hoher Ortsauflösung (auch in Gebäuden). 40 FÖRDERPROGRAMM 4.1.3 Diensteplattformen Voraussetzung für die Integration neuer Dienstleistungen und damit auch für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle – insbesondere für KMU – ist, dass den großen Herausforderungen hinsichtlich der Entwicklung von IKT-basierten Diensten branchen- und disziplinübergreifend bei gleichzeitiger Bündelung aller Aktivitäten (von der Forschung bis zu den Rahmenbedingungen) begegnet wird. Gerade im Bereich der Dienstleistungen hat sich gezeigt, dass sich eine besondere wirtschaftliche Dynamik dann entwickelt, wenn alle relevanten Partner im Innovationsprozess (Wissenschaft, Forschung, Industrie, Kapitalgeber sowie Politik) intelligent miteinander vernetzt sind und auf eine gemeinsame Plattform aufsetzen können. Die gezielte Diensteorientierung bei einer Innovationsallianz wird im Rahmen des Konzeptes der Diensteplattformen umgesetzt. Aus instrumenteller Sicht sind Diensteplattformen ähnlich den Technologieverbünden, nur dass keine technologischen Ziele, sondern Ziele hinsichtlich der Entwicklung und Bereitstellung von IKT-basierten Diensten im Vordergrund stehen. Diese stark horizontal ausgerichteten Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft haben aber wie die Leitinnovationen auch vertikale Anteile, da auf der Basis neuer IKT-basierter Dienste auch die Integration neuer Dienstleistungen ermöglicht werden soll. Gerade für KMU sind deshalb die auf der Basis der Diensteplattformen entstehenden Netzwerke und Forschungskooperationen für den angestrebten Zugang zu Forschungsergebnissen von zentraler Bedeutung. Auch hinsichtlich der Beteiligung von Stakeholdern, der Umsetzung und der Laufzeit gilt für Diensteplattformen im Wesentlichen dasselbe wie für Technologieverbünde. Derzeit werden mit Wirtschaft und Wissenschaft die folgenden Diensteplattformen diskutiert: ■ ■ IKT für Dienste und Dienstleistungen Flexible Module für Kommunikationsdienste Diese Liste ist nicht abschließend. Weitere Diensteplattformen können und sollen während der Laufzeit des Programms bzw. im Rahmen der Fortschreibung definiert werden. Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgefordert, gemeinsam mit der Politik weitere Diensteplattformen zu konzipieren. Bei der Förderentscheidung wird das BMBF unabhängige Experten hinzuziehen. Call Center-Lösungen (Siemens AG) FÖRDERPROGRAMM 41 Diensteplattform IKT für Dienste und Dienstleistungen Im Mittelpunkt steht ein (Software-)Konzept zur Bereitstellung (plattform-)unabhängiger IKT-Dienste auf einem Netzwerk. Diese Dienste bestehen aus lose miteinander gekoppelten und über Standard-Schnittstellen interoperablen Komponenten, die sowohl in spontanen und veränderlichen Netzwerken als auch in klassischen Geschäftsprozessen Anwendung finden. Damit sollen die Gestaltungsziele der Geschäftsprozess-Orientierung, der Flexibilität, der Wiederverwendbarkeit und der Unterstützung verteilter Software-Systeme mit dem Ziel einer an Geschäftsprozessen ausgerichteten IKT-Infrastruktur verbunden werden, die schnell auf veränderliche Anforderungen reagiert und damit den Unternehmen ein wirtschaftlicheres Handeln ermöglicht.5 Herausforderungen Heutige IKT-Systeme sind in der Regel komplexe, monolitische, statische Anwendungssysteme. Beim Aufbau zu einer flexiblen Service-orientierten Architektur (SOA) können Unternehmen deshalb nur in kleinen Schritten vorgehen, ausgehend von den vorhandenen Ressourcen und unter Einbeziehen aller Fachabteilungen und gegebenenfalls auch externer Partner. Insbesondere müssen auch die zahlreichen internen und externen Daten-Repositorien eingebunden werden. Die Herausforderung besteht dabei in der flexiblen effizienten Anpassung der bestehenden heterogenen Systemlandschaft an Änderungen im Geschäftsprozess (oder im Geschäftsmodell). Zielsetzung Die Spitzenposition deutscher Unternehmen, die IKT als ein wesentliches Werkzeug anbieten oder für ihre Geschäftsprozesse einsetzen, soll durch die Migration von Silo-orientierten IKT-Umgebungen zu Service-orientierten Architekturen (SOA) weiter ausgebaut werden. Durch die Erweiterung der unternehmensspezifischen SOA auf externe Partner und globale Prozesse soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und ihre Reaktionsfähigkeit auf einen sich dynamisch verändernden Markt gestärkt werden. Strategische Partner Unternehmen im Business Services Bereich sowie im Bereich Unternehmensanwendungen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, BMWi Forschungsthemen und technologische Schwerpunkte Entwicklung dynamischer, intelligenter, standardisierter SOA-Systeme der nächsten Generation, Einsatz und Nutzenbewertung von SOA für KMU, Konzeption und Implementierung von SOA für global agierende Unternehmen unter Einbeziehung aller Geschäftsprozesse, Integration heterogener Daten-Repositorien in eine SOA als Basis für eine rasche und vollständige Information bei Management-Entscheidungen, Werkzeuge zur Analyse von Geschäftsprozessen und IKT-Ressourcen, Sicherheit in einer globalen SOA, SOA Service Orchestrierung und ‚Composite Applications’. 5 Im Rahmen der BMWi-Fördermaßnahmen wurde hierzu bereits das Projekt MODIFRAME im Jahr 2006 für den Bereich mobiler Netzwerkanwendungen gestartet. 42 FÖRDERPROGRAMM Diensteplattform Flexible Module für Kommunikationsdienste Im Bereich der Kommunikationstechnologien haben Dienste das größte Wachstums- und Arbeitsplatzpotential. Von den rund 283.000 Arbeitsplätzen sind rund 220.000 im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen angesiedelt. Bei Festnetz-Datendiensten wird für 2007 ein Wachstum von 6,5 % vorausgesagt, bei Mobiltelefondiensten ein Wachstum von 1 % (BITKOM). Treibender Faktor des Wachstums ist dabei die Nutzung von Diensten im oder über das Internet. Besonders datenintensive Dienste sind Web-Broadcast und Video-Gruppenkommunikation, für die auch Bedarf bei mobilen Nutzern besteht. In Zukunft werden eine Vielzahl kleiner Endgeräte und Sensoren dem Internet eine neue Qualität geben. Das Internet dient dann nicht nur der Informationsbeschaffung, sondern über Sensoren und Aktuatoren werden zusätzliche Informationen für neue kommunikationsintensive Dienste und Anwendungen verfügbar. Diese werden besonders im Gesundheitsbereich, im Verkehrsbereich, im Ablauf von Geschäfts- und Produktionsprozessen und bei Sicherheitsanwendungen erwartet. Herausforderungen Das Anwendungspotential neuer Dienste kann nur erschlossen werden, wenn die Unternehmen aus den Anwenderbranchen ihre jeweiligen Dienste einfach und intuitiv erstellen können. Diensteanbieter benötigen deshalb geeignete Plattformen, auf denen aus flexiblen Modulen neue Dienste entwickelt werden können.6 Die Konvergenz der Netze ist dabei eine besondere Herausforderung: Der Nutzer möchte den Dienst unabhängig vom Netzzugang über Netzgrenzen hinweg nutzen. Die technische Umsetzung im Netz darf für den Nutzer, aber auch für den Diensteentwickler nicht hemmend sein (engl. „seamless services“). Die Dienste müssen die momentane Situation des Netzes, aber auch des individuellen Nutzers erfassen (Kontextsensitivität) und sich auf die aktuellen Bedingungen im Netz und die individuellen Bedürfnisse des Nutzers einstellen. Ferner werden neue Dienste auch geänderte Strukturen des Internets bewirken. So werden die bisherigen Client-Server-Architekturen durch neue peer-to-peerArchitekturen und entsprechende Dienste ergänzt oder ersetzt. Zielsetzung Übergeordnetes Ziel ist es, neue Anwendungen in der Gesundheit, im Verkehrsbereich, in der Geschäftskommunikation und im Sicherheitsbereich zu erschließen. Der Zugang zu neuen Diensten soll intuitiv nutzbar und einfach zugänglich (barrierefrei) sein. Die flexible Modularität der Diensteplattform soll es jedem Nutzer ermöglichen, neue und kreative Ideen zu entwickeln und in einem neuen Internet anbieten zu können. Strategische Partner Telekommunikationsausrüster und -dienstleister, Netzbetreiber, Unternehmen aus den Anwendungsbranchen, insbesondere KMU, Forschungsinstitute Forschungsthemen und technologische Schwerpunkte Middleware und neue Dienste für peer-to-peer Netze, Module für IMS-basierte Plattformen, Verschlüsselungstechnologien für Sicherheit und Schutz der Privatsphäre, Technologien für Kontextsensitivität (z. B. Dienste, die Lokalisierung benötigen, intelligente personenbezogene Dienste), standardisierte Beschreibung der Funktionalität von Diensten bzw. Dienstemodule, Methoden zur zentralen Orchestrierung von Diensten („Service Orchestration“), dezentrale Kooperationsprotokolle („Service Choreography“), Semantische Technologien zur Komposition und Interoperabilität von Diensten. 6 Zur Förderung der Entwicklung und Anwendung mobiler IKT-Dienste in Wirtschaft und Verwaltung hat das BMWi im Jahr 2006 den Technologiewettbewerb „SimoBIT: Sichere mobile IT-Anwendungen in Wirtschaft und Verwaltung“ gestartet. FÖRDERPROGRAMM 4.1.4 IKT-spezifische KMU-Förderung Die exzellente Position Deutschlands bei Forschungsleistungen und -potentialen muss auch mit der konsequenten Umsetzung der (Forschungs-)Ergebnisse in industriellen Anwendungen und Produkten einhergehen. Eine besondere Stellung nehmen hier KMU ein, die nicht nur wichtiger Innovationsmotor sind, sondern auch eine entscheidende Schnittstelle für den Transfer von Forschungsergebnissen aus der Wissenschaft in die Wirtschaft darstellen. Daher sollen vorrangig technologie- und forschungsintensive KMU noch stärker als bisher in die öffentliche Förderung von Innovation einbezogen werden. IKT 2020 trägt in besonderem Maße der Innovationsbeteiligung von KMU durch direkte Projektförderung Rechnung. Dazu wird die im Rahmen von „IT-Forschung 2006“ aufgelegte Forschungsoffensive „Software Engineering 2006“ neu ausgerichtet. Dabei werden insbesondere folgende strukturelle Verbesserungen vorgenommen: ■ ■ ■ ■ themenoffene Förderung von FuE-Vorhaben im Rahmen des Programms IKT 2020; zentrale Anlaufstelle; vereinfachtes Förderverfahren; Verkürzung der Zeit zwischen Antragsstellung und abschließender Förderentscheidung/Mittelbereitstellung. Spiegelbild des Starlith 1700i an einem strukturierten 300mm Wafer. Es handelt sich um ein 193nm Immersionssystem mit einer numerischen Apertur von 1,20. Systeme mit diesem Objektiv sind schon bei verschiedenen Halbleiterherstellern im Einsatz. Die Auflösung ist <50nm. (Carl Zeiss AG) 43 Neben Querschnittsaktivitäten im Rahmen der HightechStrategie wie der technologieübergreifenden Forschungsprämie für Hochschulen und gemeinsam von Bund und Ländern finanzierten Forschungseinrichtungen für FuEAufträge von KMU und der Mitwirkungsmöglichkeiten bei Verbundprojekten im Rahmen der Fachprogramme wird damit ein gezielter Beitrag zur Stärkung der Innovationsfähigkeit von KMU in Deutschland und besseren Vernetzung mit Industrie und Forschung geleistet. 4.2 Basistechnologien Der thematische Raum für mögliche Förderungen von FuEVorhaben ist für die Basistechnologien wie folgt gegeben: 4.2.1 Elektronik und Mikrosysteme Ohne Elektronik ist unser Alltag heute nicht mehr vorstellbar. Computer, Mobiltelefone, MP3-Player, Sicherheitssysteme, wie z. B. Anti-Blockier-Bremssysteme oder Antischleudersysteme im Automobil, Haushaltstechnik und Medizintechnik sind fester Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Der Einfluss, den diese Entwicklungen auf unser Leben haben, wird vom größten Teil der Gesellschaft gesehen und geschätzt, beispielsweise in den Bereichen Komfort und Sicherheit. Welche Herausforderungen und welcher Aufwand allerdings hinter all diesen neuen Entwicklungen stehen, ist den meisten nicht bekannt. Kleinste Strukturen für Systeme mit höchster Komplexität müssen in extrem kurzen Zeiten zu einem akzeptablen Preis auf den Markt gebracht werden und absolut zuverlässig funktionieren. 44 FÖRDERPROGRAMM Silicon Saxony in Dresden Zukünftige, hochkomplexe elektronische Schaltungen und Systeme müssen neue Anforderungen an Lebensdauer und Zuverlässigkeit erfüllen. Die Anzahl der kritischen Anwendungen, bei denen elektronische Systeme auf keinen Fall versagen dürfen, nimmt stetig zu. Beispiel Fahrerassistenzsysteme: Der Ausfall des ABS ist vom Fahrer im Zweifelsfall noch aufzufangen, bei einem Ausfall mitten in einem vom System eigenständig durchgeführten Ausweichmanöver ist das nicht mehr der Fall. Für diese Systeme sind die Anforderungen an die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit um ein Vielfaches härter. Bei gleichzeitig voranschreitender Innovation in der Fertigungstechnologie erfolgt parallel zu dieser Entwicklung eine stark zunehmende Miniaturisierung der verwendeten Bauteile. Elektronik ist für Deutschland, das sich mit innovativen technologischen Produkten führend am Weltmarkt positionieren will, unverzichtbarer und an Bedeutung noch zunehmender Bestandteil der Wertschöpfungskette. Weltweit wird um die Ansiedelung von Forschungs- und Produktionsstätten dieser global agierenden Industrie geworben. Der Forschungsförderung kommt hier eine zentrale Rolle zu. Sie hilft, die Attraktivität des Standortes Deutschland zu sichern und in Zukunft noch auszubauen. In vielen Teilbereichen der Elektronik besitzt Deutschland noch einen Wissensvorsprung, der gepaart mit den für die Umsetzung notwendigen Produktions- und Vertriebsstrukturen und der international anerkannten deutschen Fähigkeit zur Systemintegration konsequent zum Markterfolg geführt werden muss. (Luftbild, Befliegung 2005, Städtisches Vermessungsamt Dresden) Schwerpunkte Kompetenzzentren im Bereich Bauelemente und Geräte für die Elektronikfertigung ■ Chipentwurf (EDA) als „Enabling Technologie“ der Elektronik ausbauen ■ Neuartige Elektronik für die Erschließung neuer Anwendungen ■ Organische Elektronik ■ Magnetische Mikrosysteme ■ RFID und Smart-Label ■ Kompetenzzentren im Bereich Bauelemente und Geräte für die Elektronikfertigung schaffen Die bisherige Förderung der Elektronik hat insbesondere im Raum Dresden ein beeindruckendes Netzwerk aus Produzenten von Halbleiterbauelementen, Material- und Technologiezulieferern, Serviceeinrichtungen sowie FuE-Strukturen (TU, FhG etc.) wachsen lassen. Wesentlich hierfür war vor allem die Ansiedelung der Großunternehmen. Um den Standort zukunftsfähig zu machen, hat sich das BMBF vor allem auch für eine Stärkung der Forschung vor Ort eingesetzt und an der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Gründung von CNT (Center for Nanoelectronic Technologies) und AMTC (Advanced Mask Technology Center) mitgewirkt. Diese Forschungszentren, die aufgrund ihres Standortes und ihrer Forschungsthemen in direktem Kontakt zur Chip- FÖRDERPROGRAMM produktion von AMD, Qimonda und Infineon stehen, werden durch Forschungsaktivitäten zu grundlagennäheren Themen an den Universitäten, der Max-Planck- und FraunhoferGesellschaft sowie anderen Forschungseinrichtungen wie dem Forschungszentrum Jülich ergänzt. Handlungsbedarf Die Strukturen von FuE in anwendungsnäheren Bereichen (Produktion von Speicher- und Logikbausteinen) müssen weiter entwickelt und durch strategische Allianzen mit den Kapazitäten in grundlegenderen Forschungsbereichen bereichert werden. Während der nächsten Jahre müssen übergreifende Kompetenzzentren der Lithographie und Strukturierung entstehen unter Einbeziehung aller hiermit in Zusammenhang stehender Aspekte, wie z. B. neuer Materialien, neuer Geräte- und Prozesskonzepte, Metrologie- und Analysetools etc. Hierfür wird gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft eine nationale Roadmap Elektronik erarbeitet werden. Forschungsthemen Hochauflösende Lithografie für Nanostrukturen ■ Materialien, innovative Strukturen und Prozesse für Höchstleistungschips (Energieeffizienz, Höchstintegration, Multifunktionalität, zukunftsweisende Speicherund Logikkonzepte, neue Chiparchitekturen) ■ Neue Analyse- und Testverfahren für Nanostrukturen ■ Chipentwurf (EDA) als „Enabling Technologie“ der Elektronik ausbauen Den aktuellen Anforderungen kann die Halbleiterindustrie nur nachkommen, wenn sie sich permanent weiterentwikkelt und Entwurfsmethoden und Entwurfswerkzeuge zur Verfügung hat, die sie optimal beim Entwurf und der Entwicklung ihrer Produkte unterstützen. Bei diesen rechnergestützten Entwurfswerkzeugen liegen mittlerweile die größten Herausforderungen. Nur wenn diese bewältigt werden, können wir auch in Zukunft die technologischen Möglichkeiten ausnutzen und weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein. Electronic Design Automation (EDA) steht für die dazu benötigte Kompetenz, mit der elektronische Systeme hoher Komplexität schnell und sicher entworfen werden können. EDA ermöglicht, dass neue elektronische Schaltungen und Systeme in einem hoch automatisierten und weitgehend standardisierten Entwurfsprozess entwickelt werden und ihre Aufgaben während der gesamten Benutzungszeit fehlerfrei erfüllen können. 45 Komplexe Elektroniksysteme mit hoch integrierten Chips als wichtige Komponenten werden in Deutschland erfolgreich entwickelt. Dies basiert auf den Erfolgen von EDA. Auch wenn der absolute Anteil des EDA-Marktes am gesamten Halbleitermarkt klein ist, so ist seine Auswirkung ungleich größer: Der wirtschaftliche Markterfolg von elektronischen Schaltungen und Systemen hängt entscheidend von den Ergebnissen der EDAForschung, den daraus entstehenden EDA-Werkzeugen und deren Anwendung ab. Studien haben gezeigt, dass sich höhere Investitionen in EDA mittelfristig in größeren Marktanteilen niederschlagen. Aufgrund der besonderen Schwierigkeit und Komplexität des Entwurfs elektronischer Schaltungen und Systeme liegen die Produktivitätszuwächse durch EDA mit ca. 35 % im Vergleich zu denen durch die Entwicklungen in der Elektroniktechnologie mit ca. 60 % im Jahr weit zurück. Eine Steigerung der Entwurfsproduktivität durch bessere EDA-Werkzeuge kann daher die bessere Technologie eher nutzen und damit in entscheidendem Maße die Wertschöpfungskette der Halbleiterindustrie verbessern. Handlungsbedarf Miniaturisierung, Komplexität, Zuverlässigkeit, kurze Produktlebenszyklen und niedrige Preisniveaus – das sind die Faktoren, die den Halbleitermarkt vor eine Herausforderung stellen und weit reichende Fortschritte und neue Werkzeuge im Bereich EDA erfordern und diesen Bereich damit zur Schlüsseltechnologie erheben: Ein sicherer Entwurfsprozess und die Kompetenz zur Entwicklung zuverlässiger Produkte sind nur möglich mit hervorragenden EDA-Werkzeugen. Sie schaffen die Voraussetzungen, um integrierte Schaltungen (IC), SoC (System-on-Chip) und SiP (System-in-Package) extrem wirtschaftlich zu produzieren. Forschungsthemen Produktiver Systementwurf für robuste, zuverlässige Systeme ■ Herstellungsorientierter Entwurf von nanostrukturierten Schaltungen ■ Automatisierter Entwurf von Analog- und MixedSignal-Schaltungen ■ Verifikation und Test von der Systemebene bis zum Transistorlayout ■ 46 Neuartige Elektronik für die Erschließung neuer Anwendungen Die Erfolge der konventionellen Silizium-CMOS Elektronik sind in der Technikgeschichte beispiellos. Keine andere Technologie hat in nur wenigen Jahrzehnten eine auch nur ansatzweise vergleichbare Bedeutung und Durchdringung erreicht. Der PC, das Mobiltelefon, die Digitalkamera und MP3-Player sind dafür prominente Beispiele. Die auf Höchstleistung, kleinste Strukturen und höchste Stückzahlen optimierte CMOS Technologie erfüllt nicht immer die Anforderungen der gewünschten Anwendung. Bei zu kleinen Stückzahlen oder wenig anspruchsvollen Anwendungen mit niedrigem Preisniveau (Low-Cost/LowPerformance) ist Silizium-CMOS zu teuer, da sich der hohe Aufwand bei Strukturierung und Prozessierung nicht rechnet. Nicht immer ist die geforderte Funktionalität, z. B. die Messung kleinster Magnetfelder mit CMOS Bauteilen, darstellbar. Hier schlägt die Stunde neuartiger Ansätze zur Erschließung neuer Anwendungsfelder. Die im Folgenden beschriebenen Technologien organische Elektronik, magnetische Mikrosysteme und RFID sind erste Beispiele für diese Entwicklung. Organische Elektronik Unter Organischer Elektronik werden Technologien mit optoelektrischen und elektrisch aktiven organischen Materialien zusammengefasst. Ein wesentliches Merkmal vieler Komponenten auf der Basis organischer Elektronik, wie OLED-Displays, flexible Displays, OLED-Beleuchtungselemente, Funketiketten, Sensoren, organische Solarzellen, Batterien sind, dass sie prinzipiell mit energieeffizienten und schnellen Produktionsverfahren preiswert hergestellt werden können. Durch eine deutliche Kostenreduktion bei der Herstellung verschiedener Komponenten kann die organische Elektronik neue Möglichkeiten der Informationsgewinnung, Informationsbereitstellung und der Umgebungskonfiguration in alltäglichen Zusammenhängen und dezentralen Systemen erschließen. Daher ist die Organische Elektronik eine „enabling technology“ für das „Internet der Dinge“. In diesem werden zukünftig Gegenstände mit elektrisch auslesbaren Codes gekennzeichnet und für verschiedenste 7 8 FÖRDERPROGRAMM Anwendungen über ein mobiles Internet identifizierbar werden, bis hin zu vollständigen Sensornetzen. Sensornetze ermöglichen verschiedenste Monitoring- und Steuerungsanwendungen im Gesundheits-, Umwelt-, Produktions- und Sicherheitsbereich, die eine zeitnahe adäquate Reaktion auf verschiedenste Änderungen von Umgebungsparametern gestatten. Bedeutende Märkte für die organische Elektronik sind die Informations- und Kommunikationstechnik, Medizintechnik, Energietechnik, Sicherheitstechnik, Verpackungsund Bekleidungsindustrie und der Life Sciences Sektor. Handlungsbedarf Forschung und Entwicklung ist noch in allen wesentlichen Feldern der Organischen Elektronik erforderlich. Dieses sind insbesondere die Bereiche: ■ ■ ■ ■ ■ Materialsysteme (z. B. neue organische Halbleiterund Leitermaterialien) Technologie (z. B. durch neue Bauteil- und Schaltungskonzepte) Produktionstechnologien (z. B. hocheffiziente Rolle-zu-Rolle Produktionsverfahren) Systemintegration (z. B. elektronischer Produktcode auf Basis von organischer Elektronik) Anschlussfähigkeit an die klassische Halbleiterelektronik (z. B. hybride Elektroniksysteme) Polymere Mikrosysteme erfordern einen interdisziplinären Ansatz und die ganzheitliche Betrachtung der miteinander verzahnten Technologiefelder wie Material, Design und Simulation, Herstellungs- und Strukturierungstechnologien, Einzelkomponenten, Systemintegration sowie Zuverlässigkeit. Forschungsthemen ■ Organische Bauelemente und integrierte Schaltungen ■ Sensoren und Sensornetze auf der Basis von organischer Elektronik ■ Organische Photovoltaik (OPV) 7 ■ RFID auf organischer Basis für die Logistik ■ Organische Leuchtdioden (OLED) für Beleuchtungsund Displayanwendungen 8 Hierzu ist derzeit eine gemeinsame Initiative von BMBF und Unternehmen in Vorbereitung, die voraussichtlich Ende 2007 zu ersten Projekten führen wird. Auf diesem Gebiet arbeiten seit Mitte 2006 die Projekte im Rahmen der deutschen OLED-Initiative (http://www.bmbf.de/de/3604.php). FÖRDERPROGRAMM 47 gezielt markiert und mittels Magnetfeldsensoren detektiert. Die Bedeutung magnetischer Mikrosysteme wird in den nächsten Jahren weiter stark zunehmen, weil die Stückzahlen in einzelnen Anwendungen überdurchschnittlich wachsen. So wird allein der Markt für Radsensoren für Kraftfahrzeuge in 2010 auf 180 Mio. Einheiten geschätzt. OLED-Displays mit neuen Farben (Siemens AG) Magnetische Mikrosysteme Deutschland hat eine starke Position im Bereich der magnetischen Technologien und damit beste Voraussetzungen für die Entwicklung und Anwendung Magnetischer Mikrosysteme. Basis sind die von deutscher Spitzenforschung erbrachten Ergebnisse: Der GMR-Effekt (engl. Giant Magneto Resistance, dt. „Riesen-Magnetwiderstand“) wurde zuerst 1988 von P. Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und A. Fert von der Universität Paris entdeckt und beruht auf quantenmechanischen Eigenschaften, die in dünnen Filmstrukturen aus abwechselnd ferromagnetischen und nicht-magnetischen Schichten beobachtet werden. GMR-Schichten zeichnen sich durch größere magnetoresistive Effekte aus als die bereits verwendeten AMR-Schichten, das heißt größere Messgenauigkeiten oder empfindlichere Messsysteme sind realisierbar. Neben der Anwendung in Speicherfestplatten werden GMR-Schichten zzt. auch in der nichtflüchtigen Datenspeichertechnologie „Magnetoresistive Random Access Memory“ und in Magnetfeldsensoren, z. B. bei der Messung der Raddrehzahl in der Automobilindustrie, eingesetzt. Noch intensiv in der Vorentwicklungsphase steckt die Technologie für die sogenannten TMR (Tunneling Magneto Resistance)Sensoren. Diese sind ideale Kandidaten, um sowohl den Anforderungen nach noch größerer Empfindlichkeit, nach geringerem Energieverbrauch und insbesondere raueren Umgebungsbedingungen (z. B. Temperaturen über 300°C) gerecht zu werden. In der Medizin werden zukünftig z. B. DNA-Stränge oder Proteine mit magnetischen Partikeln Handlungsbedarf Auf der Forschungsseite ist erst ein kleiner Teil der möglichen Anwendungen einer magnetischen Elektronik erschlossen. Durch BMBF-Projekte konnte in den letzten Jahren das Anwendungsspektrum der Magnetoelektronik von der Magnetfeldmessung auf Drehzahl-, Winkel- und Druckmessung erweitert werden. Neuartige Material-, Bauteil- und Schaltungskonzepte, deren Erforschung auch weiterhin durch das BMBF unterstützt wird, werden die Leistungsfähigkeit erhöhen und zu weiteren Anwendungen führen. Die Entwicklungen für die verschiedenen Anwendungsgebiete sind heute noch unterkritisch gebündelt hinsichtlich Stückzahlen und Funktionalitäten, haben aber ein enormes Marktpotential. Für diese zukünftigen Märkte bieten die Mikrosysteme mittels Systemintegration von Magnetoelektronik, Magneto-Sensoren oder -Aktuatoren in hochwertige Produkte sehr gute Chancen, im internationalen Wettbewerb Paroli zu bieten. Forschung und Entwicklung für die breite Anwendung müssen in Kooperationen über die Innovations- und Wertschöpfungsketten gebündelt werden. Forschungsthemen Neuartige Material-, Bauteil- und Schaltungskonzepte sowie die zugehörige Prozesstechnologie ■ Entwicklung von anwendungsspezifischen Basisfunktionalitäten von Elektronik, Sensorik und Aktorik ■ Weiterentwicklung von Querschnittstechnologien für die Systemintegration (Entwurf, Simulation, Aufbauund Verbindungstechnik) ■ Entwicklung von Strategien/Technologien zur Kostensenkung ■ 48 FÖRDERPROGRAMM Forschungsthemen ■ Erschließung neuer Basistechnologien (z. B. organische Elektronik) für eine kostengünstige Fertigung von RFID Systemen ■ Anpassung der Transponder und der Lesegeräte an besondere Anforderungen bzgl. Baugröße, Funktionsumfang und mechanischer Flexibilität ■ mehr Speicherplatz, größere Rechenkapazitäten, leistungsfähigere Antennen und Zusatzfunktionen wie Sensorik auf den Transponder in vorhandene Systemarchitekturen zu bringen ■ technologieintegrierter Datenschutz von RFID-Systemen (Deaktivierung, Anpassung krypto-graphischer Methoden an beschränkte Ressourcen) TMR Sensor Arrays mit integriertem Speicherelement. (Universität Bielefeld) 4.2.2 Softwaresysteme und Wissensverarbeitung RFID und Smart-Label Zusammen mit der Mikroelektronik und der Hochfrequenztechnik ist die Mikrosystemtechnik eine der Kerntechnologien für RFID und Smart Label. RFID (radio frequency identification) dient der berührungslosen, automatischen und eindeutigen Identifikation von Gütern. Die hierfür notwendigen „Transponder“ sind kleine Chips, die wie Etiketten an Waren angebracht oder in Gegenstände integriert werden können. Die Besonderheit von RFID besteht in der berührungslosen Kommunikation ohne direkten Kontakt zwischen dem Transponder und dem Lesegerät. Seit Jahren finden sich RFID-Systeme in Autoschlüsseln, Warensicherungssystemen im Kaufhaus oder in der Kennzeichnung von Nutztieren. Neue technologische Entwicklungen eröffnen jetzt vielfältige weitere Einsatzbereiche. Mit RFID können unterschiedlichste Güter – Paletten, Kartons, Werkstücke oder Einzelprodukte – identifiziert und ihr Lauf durch die logistische Kette verfolgt werden. Handlungsbedarf RFID-Systeme bieten für die zentralen Branchen der deutschen Volkswirtschaft – Handel, Konsumgüterindustrie, Automobilindustrie, Elektronikindustrie, Logistikdienstleister – große Potentiale bei der Optimierung ihrer Produktions- und Distributionsprozesse. Für Massenanwendungen sind kostengünstige Lösungen – insbesondere für passive Transponder – zu erarbeiten. Durch übergreifende Kooperationen über die gesamte Wertschöpfungskette ist die Anwendung von RFID-Systemen zu beschleunigen. Softwaresysteme sind die Innovationstreiber in fast allen Wirtschaftszweigen. Sie bestimmen maßgeblich die Wertschöpfung von Produkten, Fertigungs- und Geschäftsprozessen. Der Softwaremarkt war in Deutschland im Jahr 2006 durch deutliches Wachstum gekennzeichnet. Deutsche Unternehmen erzielen bereits heute mit innovativen Softwarelösungen einen Konkurrenzvorsprung auf den internationalen Märkten. Diesen Wettbewerbsvorteil gilt es zu halten und auszubauen und durch neue Aspekte in unserer Wissensgesellschaft zu verstärken. Bei der Gestaltung der Wissensgesellschaft kommt einem schnellen transparenten und sicheren Zugang zu verteiltem Wissen hohe Bedeutung zu. Weltweit wird mit Hochdruck an einer stetigen Verkürzung wissenschaftlicher Erkenntnis- und Innovationszyklen gearbeitet. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Wissenstechnologien und speziell der Wandel des weltumspannenden Webs zu einem auch semantisch erschließbaren Netz des Wissens (Semantic Web). Im Unterschied zu den heute angewandten Informationstechnologien werden innovative Wissenstechnologien es Computern ermöglichen, Daten aus der schier unüberschaubaren Fülle elektronischer Informationen in ihren inhaltlichen Bezügen zu interpretieren, ihren Sinn zu erschließen und dem Menschen sinngerecht zu präsentieren. Sie verknüpfen Informationen logisch miteinander, speichern sie und machen sie in unterschiedlichen Kontexten verfügbar. Die Erzeugung und Verteilung von Wissen werden künftig eine vorrangige Bedeutung in der Wertschöpfung von Produkten haben und eine tragende Rolle im gesellschaftlichen Bewusstsein einnehmen. FÖRDERPROGRAMM Die bisherige Forschungsförderung des BMBF im Rahmen des auslaufenden Programms IT-Forschung 2006 deckt wichtige softwarerelevante Themen ab. Spektakuläre Erfolge wurden bereits erzielt, die große Beachtung in der internationalen Fachwelt gefunden haben. Mit der Initiative „WissensMedia – Wissensmanagement in mittelständischen Unternehmen und öffentlicher Verwaltung“ fördert darüber hinaus das BMWi anhand von Pilotprojekten die Entwicklung und Erprobung von neuen Technologien zum Wissensmanagement in KMU sowie öffentlichen Verwaltungen. Thematische Schwerpunkte sind u. a. die Schaffung und Sicherung einer netzbasierten dynamischen Wissensbasis, die bedarfs- und nutzergerechte Wissensbereitstellung sowie die wirkungsvolle Nutzung von Wissen in komplexen Organisationsstrukturen. Aufbauend auf diesen Erfolgen soll im neuen Forschungsprogramm IKT 2020 eine Strategie verfolgt werden, die mit Blick auf Praxis und Anwendungen bereits vorhandene Stärken bei innovativen Softwarelösungen stärkt und die vorwettbewerbliche FuE von Schlüsseltechnologien mit marktrelevanter Hebelwirkung versieht. 49 Das Software Engineering sowie die Zuverlässigkeit und Sicherheit ergänzen und verbinden als Querschnittstechnologien diese drei thematischen Säulen. Innerhalb derer erfolgt eine besondere Fokussierung auf die strategischen Schwerpunkte Softwareintensive Embedded Systems, GridAnwendungen und -Infrastruktur sowie virtuelle/erweiterte Realität. Diese Akzentsetzung erfolgt unter dem Aspekt des großen Innovationspotentials für die deutsche Wirtschaft und der Tatsache, dass Deutschland in diesen Bereichen weltweit eine Führungsrolle mit einnimmt bzw. führend ist. Schwerpunkte Der Förderbereich Softwaresysteme/Wissensverarbeitung steht auf drei thematischen Säulen 9 (Werbeagentur creart/Fachhochschule Fulda) ■ ■ ■ 9 Embedded Systems, wobei insbesondere softwareintensive eingebettete Systeme mit Anknüpfungen an die Elektronik, Kommunikationstechnologie und Mikrosystemtechnik im Vordergrund stehen Simulierte Realität mit den Themen Grid-Anwendungen und -Infrastruktur, virtuelle/erweiterte Realität und Ambient Intelligence, Simulation, Informationslogistik und Software-Entwicklung für Höchstleistungsrechnen Mensch-Technik-Interaktion mit den Sprach- und Medientechnologien, Bioanaloger Informationsverarbeitung, der Service-Robotik und der Usability/Gebrauchstauglichkeit Der aktuelle Förderschwerpunkt THESEUS des BMWi, bei dem es um die Schaffung einer neuen Wissensinfrastruktur für das Internet der nächsten Generation insbesondere mithilfe semantischer Verfahren geht („Internet der Dienste“), wird in Abschnitt 5.1 dargestellt. 50 FÖRDERPROGRAMM Softwareintensive Embedded Systems Forschungsthemen Requirements Engineering; Requirementsdriven Engineering; Qualitätsmanagement; Usability Engineering ■ Zukunftsträchtige Architekturen; Trade-off Analysen ■ Besondere Maßnahmen zur Verbesserung der Zuverlässigkeit ■ Werkzeugunterstützung bei der Entwicklung; Integration von Werkzeugketten ■ Produktlinien- und komponentenbasierte Ansätze für die Entwicklung ■ Modellbasierte Entwicklung mit besonderer Betonung auf Modellierungsaspekten ■ Fortschrittlicher Entwurfs- und Zertifizierungsprozess softwareintensiver eingebetteter Systeme für sicherheitskritische Anwendungen ■ Evolutionäre Systeme, Fernwartung und Softwareaktualisierung ■ Embedded Systems sind der Innovationstreiber für viele Kernbereiche der deutschen Industrie. Sie sind ein Paradebeispiel für ein Teilgebiet übergreifendes und interdisziplinäres Forschungs- und Entwicklungsgebiet. Aus den verschiedenen Anwendungsgebieten von Embedded Systems ergeben sich Schnittstellen zu einer Reihe anderer Wissenschaftsdisziplinen. Hervorzuheben sind hierbei die Elektroniksysteme (Hardwarebausteine), die Kommunikationstechnologie (Vernetzungsplattformen) und die Mikrosystemtechnik (Sensoren, Aktuatoren). Softwareintensive Embedded Systems, bei denen Deutschland in Europa und zum Teil auch weltweit einen Technologievorsprung hat, spielen in vielen HightechProdukten wie in Fahrzeugen, Flugzeugen, in der Robotik, in der Haushaltstechnik, in der Medizintechnik und vielen anderen Anwendungsgebieten des täglichen Lebens eine zentrale Rolle. Sie werden immer entscheidender für die Konkurrenzfähigkeit von Produkten. Handlungsbedarf Die Bereitstellung immer stärker integrierter Anwendungen mit steigender Komplexität bei höchsten Qualitätsansprüchen unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Kostenaspekten ist eine enorme Herausforderung für große Teile der deutschen Wirtschaft. Die systematische Entwicklung, Modellierung, Validierung, Verifikation und Gestaltung der Software solcher Systeme, insbesondere auch über Unternehmensgrenzen hinweg und unter Einbeziehung des Mittelstands, bietet eine Fülle aktueller Forschungsfragen mit hoher Anwendungsrelevanz. (BASF) Grid-Anwendungen und Grid-Infrastruktur Nach World Wide Web als universeller Kommunikationsund Informations-Infrastruktur werden nunmehr GridMiddleware-Technologien entwickelt, die den einfachen Zugriff auf IKT-Ressourcen und die weltweite Kooperation über das Internet ermöglichen. In Deutschland haben Forschungsprojekte wie Unicore und D-Grid zu dieser Entwikklung beigetragen und haben in einem ersten Schritt insbesondere der Wissenschaft den einfachen Zugriff auf verteilte Ressourcen (wie Computer, Datenspeicher, Experimente und Instrumente) ermöglicht. Im Rahmen von D-Grid wird eine IKT-Infrastruktur aufgebaut, die e-Research in breitem Rahmen ermöglicht: Computer und Speicher werden in eine vernetzte, transparente Serviceumgebung eingebunden, auf die die Anwender bei Bedarf über das Internet zugreifen können. Die Erweiterung des Internet um die Grid-Ressourcen wird zukünftig allen den Zugriff auf die Rechnerleistung großer Computer und auf die internationalen Daten- und Wissensbanken ermöglichen. Handlungsbedarf Wie bei jeder Schlüssel-Infrastruktur erfordern auch Entwicklung und Aufbau von Grid-Infrastrukturen eine längere Zeitspanne. Ihre hohe Komplexität macht eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft erforderlich. Die Komplexität wird weiter steigen, wenn zusätzlich die dynamischen und globalen Geschäftsprozesse der Wirtschaft mittels Service-orientierter Architekturen (SOA) auf die Grid-Ressourcen und deren optimale Nutzung abgebildet werden sollen, um die Wirtschaft für den globalen Wett- FÖRDERPROGRAMM bewerb fit zu machen. Fernziel muss deshalb sein, beide Architekturen – Grid und SOA – in eine gemeinsame Umgebung zusammenzuführen. Eine möglichst rasche Einführung dieser Technologien in Wissenschaft und Wirtschaft und die damit einhergehende Anpassung der Anwendungen und Prozesse werden von entscheidender Bedeutung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland sein. Forschungsthemen ■ Sicherheit in Grids (Authentifizierung, Autorisierung, Identität, Privatsphäre, Vertrauen) ■ Erweiterung der existierenden D-Grid-Infrastruktur um weitere, insbesondere anwendungsorientierte Dienste zur gemeinsamen Nutzung von im Internet verteilten Ressourcen wie Computer, Speicher, Anwendungen und Daten sowie zur interdisziplinären Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene ■ Anpassung von Software-Anwendungen aus Physik, Chemie, Biologie, Wetter, Klima, Umwelt, Bioinformatik, Biophysik, Pharmazie, Medizin, Aero- und Fluidmechanik, Bodenschätze, Wirtschaft, Finanzen, Visualisierung, usw. an die neue Grid-Infrastruktur und an neue Dienstleistungskonzepte ■ Integration lokaler und nationaler Grids und Anwendungen in europäische und internationale Grid-Infrastrukturen ■ Sensor-Grids und Wireless-Grids zur Kommunikation und Interaktion von Elementen unserer Umwelt, z. B. aus Sicherheitsgründen, z. B. bei Brücken, Hochhäusern, Automobilen, Flugzeugen usw. ■ Entstehen von Massen-Grids für Millionen von Nutzern in den Bereichen Gesundheit (Krankheit, Vorsorge, Fitness, sensorbasiertes Monitoring), Freizeit (MultiPlayer Spiele, digitales Entertainment, Sport), Bildung und Weiterbildung (Life Long Learning, Schul-Grids, digitale interaktive Labors) und Beruf (Internet-Kurse, Training, kooperatives Arbeiten) ■ Ausleihen von Ressourcen und Diensten von ServiceProvidern gegen Nutzungsgebühr oder einen Subskriptionsbeitrag 51 Virtuelle/Erweiterte Realität Virtuelle Technologien (Virtuelle Realität – Virtual Reality – VR und Erweiterte Realität – Augmented Reality – AR) bieten ein hohes Potential für innovative Lösungen in den Wertschöpfungsketten von Hightech-Branchen (z. B. Automobilund Flugzeugbau). Sie besitzen großes Potential, beispielsweise zur Unterstützung von industriellen Arbeitsprozessen. Basierend auf der geeigneten Aufbereitung und Visualisierung von Daten wird bei dieser Technologie das Sichtfeld eines Akteurs mit rechnergenerierten virtuellen Objekten angereichert, so dass Produkt- bzw. Prozessinformationen sehr viel direkter genutzt werden können. Neben der sehr intuitiven Interaktion erschließt der Einsatz tragbarer Computer Anwendungsfelder mit hohen Mobilitätsanforderungen. Deutschland hat auf diesem Gebiet eine international führende Rolle. Sowohl für die Produktion als auch für produktnahe Dienstleistungen ergeben sich durch den Einsatz von Techniken der virtuellen und erweiterten Realität Innovationssprünge, von denen viele Wirtschaftszweige profitieren können. Handlungsbedarf Technische Systeme werden in ihrer Funktionalität immer komplexer, was erheblich ansteigende Anforderungen an die Entwickler, Hersteller und Nutzer dieser Systeme zur Folge hat. Die Integration virtueller Technologien in den Lebenszyklus von Produkten wird perspektivisch dazu beitragen, diese Komplexität zu beherrschen. Forschung zur virtuellen Realität ist in den letzten Jahren bereits etabliert und partiell in Standardtechnologie eingebunden worden. Erforschung und Anwendung von erweiterter Realität ist dagegen ein noch relativ junges Arbeitsgebiet mit ersten Durchbrüchen, das von den Ergebnissen aus der Virtuellen Realität profitieren kann. Zusammen lassen sie ein hohes Forschungs- und Umsetzungspotential für die nächsten Jahre erkennen. Forschungsthemen ■ Entwicklung von Softwarekomponenten für VR/AR gemeinsam mit Entwicklung der Hardware und der Interaktion untereinander ■ Unterstützung für die Integration von VR/AR in Anwendungsgebiete durch die verstärkte Förderung interdisziplinärer Forschung im Bereich Computational Science & Engineering ■ Interaktive VR/AR-basierte Worker- und Serviceunterstützung in verschiedenen Anwendungsbereichen (z. B. Automobilbau, Luftfahrt, Maschinen- und Anlagenbau) sowie VR-basierte Lern- und Schulungssysteme 52 ■ ■ ■ ■ ■ FÖRDERPROGRAMM Virtuelle interaktive Prototypen zur Entwicklung und Validierung von Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie Nutzerinteraktion in immersiven Umgebungen Mixed Reality Systeme (z. B. Verknüpfung realer Bedienkomponenten mit virtuell repräsentierter Maschine) zur Unterstützung der Produktentwicklung und des Bedienertrainings Unterstützung innovativer Forschung mit dem Ziel der Handhabung extrem großer Datenmengen Multimodale und perzeptive Benutzerschnittstellen mit Integration von Sprache, Gestik sowie Haptik zur Interaktionen mit virtuellen Welten Erweiterung der Aktivitäten in nicht-technische Bereiche mit der Zielsetzung, die Nutzung der Technologie für geistes-, sozialwissenschaftliche und künstlerische Anwendungen zu erforschen bzw. zu ermöglichen Querschnittsthema Software Engineering Software Engineering ist in vielen Industriezweigen die „Produktionstechnik des 21. Jahrhunderts“. Defizite im Bereich des Software Engineering gefährden im Informationszeitalter Arbeitsplätze in den primären, und insbesondere auch in den vielen Software-Sekundärbranchen. Die Forschungsoffensive „Software Engineering 2006“ des BMBF und das Virtuelle Software-Engineering-Kompetenzzentrum (VSEK) haben wesentlich zur Verbreitung von Software-Engineering-Wissen gerade bei KMU beigetragen. Deutschland lebt zu einem hohen Anteil von der Wertschöpfung seiner ingenieurgeprägten Industrie wie Automobil- oder Anlagenbau. In Zukunft werden dazu wichtige neue Bereiche in der Medizin- und Betreuungstechnik, im Umweltschutz sowie der Nanotechnologie hinzukommen. All diesen Anwendungen ist gemeinsam, dass der Softwareanteil immer größer, komplexer und für die Wertschöpfung immer wichtiger wird. Handlungsbedarf Heutige Entwicklungsansätze trennen immer noch Komponenten der Mechanik, Elektronik und Software bei Konzeption und Entwicklung komplexer technischer Systeme. Die späte Berücksichtigung der Spezifika von Software führt zu unnötiger Komplexität und unnötig hohen Entwicklungskosten. Die integrierte Systementwicklung solcher softwareintensiven Systeme basiert auf Erkenntnissen des Software Engineering und wird die ingenieurwissenschaftliche Kompetenz in Deutschland entscheidend stärken. Die zu erwartenden Vorteile umfassen sowohl eine erhebliche Qualitätsverbesserung als auch deutliche Kosten- und Zeitreduktionen. Forschungsthemen Entwicklung einer neuen Generation von Softwaretechnologien zur Realisierung von Smart-Applikationen und -Services ■ Entwicklung einer umfassenden neuartigen SoftwareKompetenz zur Stärkung der zentralen Sekundärbranchen im Hinblick auf die Beherrschung der Systemkomplexität ■ Modellgetriebene Entwicklung und Endnutzerprogrammierung: Agile Methoden und modellgetriebene Ansätze ■ Flexibilisierung und Wiederverwendung von Anwendungen ■ Weiterentwicklung der Technologiebasis für Web-Services und Service-orientierte Architektur ■ Entwicklung von Methoden, Konzepten und Entwicklungsumgebungen für eine ServiceOrchestrierung, die die Lücke zwischen Geschäftsprozessen und Web-Service basierten Entwicklungen schließt ■ Aufbau von Erfahrungsdaten im Software Engineering ■ Querschnittstechnologie Sicherheit und Zuverlässigkeit Sicherheit und Zuverlässigkeit sind conditio sine qua non für die Nutzung moderner IKT. Softwaretechnologie muss dazu beitragen, dass Daten und Kommunikationskanäle sicher gegen unbefugten Zugriff und unbeabsichtigte Änderung sind. Darüber hinaus muss die zuverlässige und korrekte Arbeitsweise von Komponenten und Diensten unter normalen Betriebsbedingungen gewährleistet sein. Sicherheit und Zuverlässigkeit durchdringen alle Bereiche des Lebens und erfordern daher eine hochgradig multidisziplinäre Behandlung. Die Entwicklung von Sicherheits- und Zuverlässigkeitsstandards, die Fehler ausschließen und das einwandfreie Funktionieren mit Hilfe beispielsweise der Methoden der formalen Verifikation und von softwaretechnologisch getriebenen Tests sicherstellen, ist eine Grundvoraussetzung für den Einsatz und die Akzeptanz von immer mehr Elektronik im täglichen Leben. Sicherheit und Zuverlässigkeit von Softwaresystemen haben deshalb in den Bereichen Embedded Systems, Kommunikation und Anwendungssoftware hohe Priorität. Wer hier Maßstäbe setzt, hat entscheidende Wettbewerbsvorteile auf den internationalen Märkten. FÖRDERPROGRAMM 53 Die Unterstützung fehlerfreier Entwicklung von Software durch Verifikation, wie sie vom BMBF im Projekt VERISOFT gefördert wird, ist bereits heute eine deutsche Stärke, die Grundlage für den guten Ruf von „Verified in Germany“ sein kann. Auch bei Softwaretestverfahren werden in Deutschland im Verbund mit europäischen Partnern wichtige Entwicklungen vorangetrieben. ■ Handlungsbedarf Bei einer Reihe von Leitinnovationen, Technologieverbünden und Diensteplattformen aus IKT 2020 spielen Serviceorientierte Architekturen eine wichtige Rolle. Die Offenheit und Flexibilität sind dabei besondere Sicherheitsherausforderungen. Hier können grundlegende gemeinsame und instrumenteübergreifende Aktivitäten zur IKT-Sicherheit für Service-orientierte Architekturen entscheidende Grundlagen für den Erfolg der Leitinnovationen bilden. Qualitätsprobleme in großen Hardware-/Softwaresystemen begrenzen die Möglichkeiten funktionaler Innovation. Hier muss die Zuverlässigkeit erhöht werden. Es gibt einen gewaltigen Fundus an Basistechniken der Verifikation und methodisch abgesicherter Softwaretestverfahren sowie eine Community von einer großen Zahl auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftler allein in Deutschland. Für industrielle FuE bleiben diese Ressourcen bisher oft weitgehend unzugänglich. Daher müssen neue Verfahren entwickelt und bestehende verbessert werden, die produktiv alle Funktionsfehler einer komplexen industriellen Systemkomponente entdecken. Solche Komponenten sind anspruchsvolle, hoch optimierte Hardware-/Softwareeinheiten von eigenständiger technischer und oft wirtschaftlicher Bedeutung. Hierzu können insbesondere aktuelle Verfahren der Verifikation dienen. Daneben sollen weitere Ansätze zur Qualitätssicherung von Software gerade bei offenen, verteilten Systemen mit ad-hoc-Vernetzung zum Einsatz kommen. Hier müssen neue Testverfahren entwickelt werden, um zumindest minimale Qualitätskriterien zu erfüllen. 4.2.3 Kommunikationstechnik und Netze Forschungsthemen IKT-Sicherheit für Service-orientierte Architekturen ■ Sichere Dienste bei wechselnden Partnerschaften und Sicherheit als Service ■ Entwicklung grundlegender Techniken, um SoftwareQualität zu produzieren und zu garantieren (formale Testmethoden bis hin zu Qualität garantierenden Entwicklungsprozessen, Qualitätsmanagement) ■ Modellbasierte Software- und Systementwicklung (Modellierung, Simulation, Verifikation, Codegenerierung) ■ ■ Einbindung der existierenden Software-Verifikationswerkzeuge in industrielle Entwicklungsumgebungen und in den Standardisierungs- und Zertifizierungsprozess sicherheitskritischer Systeme Werkzeugunterstützung zur Verifikation und Validierung (Theorembeweiser, Modellprüfer, Programmprüfer, Testmanagement und Testfallprüfung) Kommunikationstechnologien haben praktisch alle Lebensbereiche in den letzten Jahren grundlegend verändert, wie Industrie, Handel, Dienstleistungen, Verkehr, Verwaltung, Arbeit, Ausbildung, Gesundheitsversorgung (auch im Hinblick auf die alternde Gesellschaft), Umwelt, Wissen, Kultur und Unterhaltung. Besonders sichtbar wird das durch die stetig steigende Nutzung des Internets (30 % Zunahme des Datenverkehrs in Europa jedes Jahr, in Ostasien rund 300 %) und den raschen Ausbau der Mobilkommunikation (Verdopplung des Datenverkehrs alle 20 Monate). Die industrielle Situation in den Netztechnologien in Deutschland heute liefert ein gemischtes Bild: Die Unternehmen der Branche befinden sich zurzeit in einem Umbruch. Strategische Fusionen vor allem europäischer Unternehmen führen dazu, dass weniger und größere europäische Unternehmen den Markt für Netzwerkausrüster dominieren. In einer Reihe von Bereichen hat es Rückschläge aus deutscher und europäischer Sicht gegeben, wie der Rückgang der Handyfertigung in Deutschland beispielhaft zeigt. Entsprechend ging in den Kommunikationstechnologien der letzten acht Jahre im Schnitt die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland um 4,5 % pro Jahr zurück. Die andere Seite ist, dass die Kommunikationstechnologien in unserem Land ein besonders bedeutender Wirtschaftszweig geblieben sind. Sie beschäftigen heute rund 283.000 Menschen. Die in Deutschland produzierenden Festnetzausrüster haben in Teilbereichen (z. B. optischen Netzen) einen hohen Weltmarktanteil von über 50 %. Die europäischen Mobilfunkausrüster dominieren den Weltmarkt und produzieren wesentlich in Deutschland. Diese Potentiale gilt es zu nutzen. Die Spitzenstellung für die Ausrüster im Mobilfunk und im Festnetz in Deutschland ist durch ein gemeinsames europäisch-strategisches Vorgehen auszubauen. Eine leistungsfähige KMU-Szene im Bereich der Komponentenhersteller und Systemzulieferer ist zu unterstützen. Die Wertschöpfung in den Netztechnologien erfolgt zu einem großen Anteil durch neue Dienstleistungen. Es verwundert deshalb nicht, dass von den rund 270.000 Arbeitsplätzen in Deutschland über 220.000 im Bereich der Kommunikationsdienstleistungen liegen. Neue Dienste auf der Basis neuer Netztechnologien sind deshalb voranzubringen. 54 Eine leistungsfähige Netzinfrastruktur ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg und eine funktionierende Gesellschaft. Die Forschungspolitik hat deshalb das Ziel, die Sicherheit, die Zuverlässigkeit und die Ausfallsicherheit von Netzen zu verbessern. Erst damit können sich den Kommunikationstechnologien sicherheitsrelevante Anwendungen, z. B. im Verkehr oder im Gesundheitsbereich erschließen. Die Forschung in den Kommunikationstechnologien steht angesichts der dynamischen Entwicklung vor den im Folgenden genannten Herausforderungen. Schwerpunkte ■ Neue Standards für künftige Kommunikationsnetze ■ Kommunikation ohne netzseitige Begrenzung: überall, ohne merkliche Zeitverzögerung und mit hohen Datenraten ■ Sicherheit und Zuverlässigkeit der Netze ■ Autonome vernetzte Sensorsysteme Neue Standards für künftige Kommunikationsnetze Kommunikation zwischen Teilnehmern mit unterschiedlichen Endgeräten und über unterschiedliche Zugangsnetze, Metronetze und Kernnetze hinweg ist nur möglich, wenn es einheitliche, weit verbreitete technische Standards für die Kommunikation gibt. Wem es gelingt, die Standards entscheidend mit zu gestalten, hat den Markterfolg. Die europäische Spitzenstellung im Mobilfunk (rund Dreiviertel Weltmarktanteil der drei großen europäischen Mobilfunkausrüster) hat seine Ursache im Erfolg des europäischen Mobilfunkstandards GSM. Zukünftige Telekommunikationsdienste stellen hohe Anforderungen, die im Rahmen der heute gültigen Standards nicht bewältigt werden können. So können sicherheitsrelevante Anwendungen nur erschlossen werden, wenn Netze zuverlässig immer und überall zur Verfügung stehen. Gefahrenwarnungen z. B. im Verkehr erfordern eine schnelle Übermittlung von Information mit einer Zeitverzögerung im Millisekundenbereich, die heute nicht garantiert werden können. Handlungsbedarf Die Konvergenz der Netze erfordert übergreifende Standards mit gemeinsamen Grundkonzepten vom Netzzugang bis zur Datenübertragung im Kernnetz. Das Internet der Dinge wird ohne eine Vereinheitlichung der Übertragungsprotokolle nicht zum Durchbruch kommen und damit das wirtschaftliche Potential nicht ausgeschöpft werden können. Ziel sollte es sein, flexibel auf Module innerhalb von Stan- FÖRDERPROGRAMM dards zurückgreifen zu können, die der jeweiligen Anwendung optimal angepasst sind. Ziel neuer Standards ist gleichzeitig auch, die Komplexität des Netzmanagements zu verringern, um Ausfallsicherheit, Robustheit, Selbstorganisation und Selbstheilung zu ermöglichen. Die mobile Nutzung des Internets nimmt immer mehr zu. Dienste sollten unabhängig vom Ort und der Geschwindigkeit, mit der sich der Nutzer bewegt, zur Verfügung stehen. Für viele mobile Anwendungen, z. B. Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation, gibt es noch keine funktionierenden Standards. Forschungsthemen ■ Standards mit einheitlichen Modulen vom Teilnehmerzugangsbereich bis hin zum Kernnetz, z. B. basierend auf Ethernet-Technologie ■ Neue Netzprotokolle, die ausfallsichere und sichere Netze ermöglichen, Steuerungsmechanismen mit inhärenter Sicherheit, z. B. durch Trennung der Steuerungs- von der Nutzdatenebene, selbstorganisierende Routingverfahren ■ Standards, die sicherheitsrelevanten Anwendungen genügen, z. B. durch Verringerung von Latenzzeiten, Standards auch für Signalübertragung bei höherer Geschwindigkeit ■ Standards, die eine effizientere Ressourcennutzung ermöglichen. Neue Ansätze sind Mehrantennensysteme, Mehrzellen-Kooperationstechniken, Verfahren zur Interferenzreduktion, Ressourcenzuteilungsverfahren, Signalübertragungs- und Modulationsverfahren und Kodierungsverfahren ■ Standards, die einen zuverlässigen Zugang überall ermöglichen. Forschungsparameter sind z. B. Fairness des Zugangs und Scheduling ■ Standardisierung von Vereinfachungen des Netzmanagement („Self-X“- Methoden wie Selbstheilung, Selbstorganisation etc.) Kommunikation ohne netzseitige Begrenzung: überall, ohne merkliche Zeitverzögerung und mit hohen Datenraten Bei dem oben beschriebenen dramatischen Anstieg des Datenverkehrs ist abzusehen, dass die heutige Infrastruktur der Netze den Anforderungen nicht mehr gewachsen sein wird. Durch neue Technologien sollten die begrenzten Ressourcen der Netze optimal bis an die physikalische Grenze ausgeschöpft werden. Getrieben durch neue Anwendungen und Dienste und durch die Anforderungen an die Antwortzeiten (Latenz) steigt der Bandbreitebedarf und verschiebt FÖRDERPROGRAMM sich zunehmend an den Rand des Netzes. Im Anschluss-Bereich werden bei 20-100 Mbit/s pro Teilnehmer die Grenzen der derzeitigen DSL-Technologie erreicht. Im Bereich des drahtlosen Datenverkehrs werden Summendatenraten von 10 Gbit/s für schnelle Datensynchronisation und Inhausverteilung im Nahbereich (bis 3 m) und 1 Gbit/s im WLANBereich (bis 300 m) erwartet. Für den klassischen Mobilfunk im zellularen Bereich (bis 3 km) werden flächendeckend Summendatenraten von 100 Mbit/s zu bewältigen sein. Handlungsbedarf Die Herausforderung heißt: Kommunikation ohne netzseitige Begrenzung, überall, mit nicht merklicher Zeitverzögerung und mit hoher Qualität („Quality of Service“). Dazu muss das Bandbreiteangebot einen qualitativen Sprung machen. Der Trend im Internet geht dahin, dass der Endnutzer selbst zum Anbieter von Inhalten wird (peerto-peer Datenaustausch). Dieses setzt einen breitbandigen Anschluss auch für das Hochladen von Daten voraus. Dadurch werden die Dynamik und die Spitzenlasten des Datenverkehrs stark zunehmen. Störeffekte werden durch den Anstieg im Datenverkehr zunehmen und müssen kompensiert werden. Es ergibt sich der im Folgenden umrissene Forschungsbedarf: Forschungsthemen ■ „Self-X“-Netze: Entwicklung neuer Netz-Managementkonzepte mit Mechanismen der Selbstorganisation, Selbstheilung, Selbstoptimierung und integrierte Netzsteuerung ■ Frequenz-Ökonomie: möglichst effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden begrenzten Ressourcen durch Bearbeitung von Forschungsthemen wie „cognitive radio“, Multizellen-Kooperationstechniken ■ Qualität trotz Störungen: Korrektur von unvermeidlichen Störeinflüssen („dirty RF“, „interference cancellation“) ■ Effizienter, zuverlässiger und skalierbarer Pakettransport (Modul- und Subsystemtechnologien, Integration und Parallelisierung optischer Komponenten, neue Verstärker- und Transmittertechnologien) ■ Konvergenz der Netze: Netzwerkübergreifendes Teilnehmerzugangs-, Mobilitäts- und Qualitätsmanagement zur universellen Bereitstellung der gewünschten Dienste ■ Inhaus-Netze und andere kurzreichweitige Systeme mit hohen und höchsten Datenraten, schnelle Datensynchronisation mobiler Geräte, medizinisches und haustechnisches Monitoring; adaptive und skalierbare Kodierverfahren 55 ■ Lernfähige Endgeräte mit perzeptiven Komponenten, die eine adäquate Anpassung an den situativen Kontext, die Aufmerksamkeit und die Präferenzen des Nutzers vornehmen Sicherheit und Zuverlässigkeit der Netze In dem Maße, wie die Abhängigkeit der Gesellschaft von den modernen Informations- und Kommunikationstechniken steigt, erhöhen sich auch die Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit. Die Themen Sicherheit und Zuverlässigkeit umfassen sowohl Angriffe infolge Terrorismus oder Sabotage als auch den Bereich der Funktions- oder Betriebssicherheit. Eine neue Qualität von Sicherheit und Zuverlässigkeit ist entscheidend für die Akzeptanz neuer Netzdienste und für die Vermeidung immenser betriebs- und volkswirtschaftlicher Schäden durch Netzattacken. Handlungsbedarf Zum Schutz der Netze vor Angriffen sind integrierte Sicherheitssysteme zu entwickeln, die in das Internet und in die Telekommunikationsnetze eingebettet sind und Angriffe und andere Störungen zuverlässig und frühzeitig erkennen und abwehren. Zur Steigerung der Zuverlässigkeit ist das Verhalten bei Netzfehlern zu untersuchen, wie trotz des Ausfalls ganzer Netzteile die Kommunikation gewährleistet werden kann, und es sind geeignete Netzarchitekturen sowie robuste Übertragungsverfahren zu entwickeln. Drahtlose Kommunikationssysteme sind eine besondere Herausforderung für Sicherheit und Zuverlässigkeit, da die Informationsübertragung über die Luft bislang anfällig gegen Angriffe und Abhören ist. Auch neue Anwendungen müssen sicher gestaltet werden, wie z. B. die Kommunikation zwischen Fahrzeugen im Straßenverkehr oder Anwendungen im Gesundheitsbereich. Forschungsthemen ■ Robustes Netz: Neue Konzepte des Netzmanagements zur Abwehr von Netzattacken. Beispielsweise kann eine Entkopplung von Daten-, Netzsteuerungs- und Netzmanagementebenen das Netz immanent sicherer gegen Angriffe machen ■ Authentifizierung, Autorisierung und Abrechnung in technologisch inhomogener Landschaft ■ Verfahren zur Entwicklung von vertrauenswürdigen offenen Sicherheitssystemen (single-sign-on, kryptographische und biometrische Verfahren) ■ Integrität von Bild-, Video- und Sprachinformationen ■ Selbstlernende Sicherheits-Gateways ■ Fälschungssichere Smart-Cards 56 FÖRDERPROGRAMM Autonome vernetzte Sensorsysteme Jedes Jahr sterben Menschen in Lawinen, weil es zu lange dauert, sie unter dem Schnee zu finden. Waldbrände verwüsten Landschaften und bedrohen Siedlungsgebiete. Gebäude stürzen ein, weil es keine regelmäßige Überwachung der Bausubstanz gibt. In Zukunft könnten autonome Sensornetze bei diesen Gefahren helfen. Die Anwendungspotentiale gehen noch weit über die genannten Beispiele hinaus und umfassen die Landwirtschaft, die Telemedizin, die Logistik (z. B. beim Transport gefährlicher Güter), den Personenschutz, die Prozessautomatisierung in der Fertigungstechnik, die Überwachung der technischen Sicherheit von Flugzeugen und Gebäuden, das Umweltmonitoring (z. B. Luftgüte, Wetterdaten), den Bereich Wellness/Freizeit, die Sicherheit im Verkehr, den Verbraucherschutz z. B. bei der Lebensmittelkennzeichnung und den Bereich der Servicerobotik. Autonome Sensornetze sind die technologische Basis für IKT-Systeme, die ihre Umgebung erfassen und „verstehen“ („Real World Awareness“) und ihre Informationen kommunizieren. Sensornetze können Umgebungsdaten an bisher nicht oder nur mit hohem Aufwand erreichbaren Orten messen und diese Daten ohne hohen Aufwand weiterleiten. Sie bestehen aus einer hinreichend großen Zahl von einzelnen miniaturisierten Sensorknoten, welche sich auszeichnen durch ■ ■ ■ ■ eine integrierte Sensorik, erste Datenverarbeitung vor Ort im Sensorsystem, integrierte drahtlose Kommunikation für das Senden und Empfangen von Daten (Ad-hoc und von und zur Infrastruktur) und eine autonome, d. h. der jeweiligen Applikation entsprechend von einem festen Netz unabhängige Energieversorgung. Handlungsbedarf Die genannten Anwendungen für Sensornetze können nur erschlossen werden, wenn die Basistechnologien für Sensornetze zur Verfügung stehen. Dies ist heute nicht der Fall. Ein wichtiges Handlungsfeld ist z. B. die Energieversorgung des Sensorknotens und die Minimierung des Energieverbrauchs im Betrieb. Sensornetze müssen zuverlässig funktionieren, auch wenn einzelne Sensorknoten ausfallen. Dazu müssen Konzepte für die Kommunikationsarchitektur zwischen den Sensorknoten und zur Basisstation entwickelt werden. Darüber hinaus müssen Sensornetze kostengünstig sein, was in der Regel bedeutet, dass die Sensorknoten hoch miniaturisiert sein müssen. Bei der zukünftigen Umsetzung sol- len sowohl mobile als auch stationäre Sensornetzwerke entstehen, die in der Lage sind, neuartige Aufgaben der Datenerfassung und Auswertung vorrangig in technischen Prozessen zu erfüllen. Forschungsthemen ■ Echtzeitfähigkeit ■ Energie-Autarkie, Zuverlässigkeit und Robustheit ■ Architektur des Sensornetzwerkes und Algorithmen für die Datenkommunikation zwischen den Sensorknoten und die Datenverarbeitung im Sensorknoten ■ Sicherheit der Sensornetze gegen Missbrauch und Datenverlust ■ Reduktion des Installationsaufwandes, freie Konfigurierbarkeit ■ Mehrfachnutzbarkeit einzelner Sensorknoten (mit der Möglichkeit zur Umprogrammierung) 4.3 Zukünftige Entwicklungen Neben der Ausrichtung auf die Verbundforschung werden auch Fördermittel aus den Technologietiteln für neue Themen mit noch geringer Markt- und Anwendungsnähe verwendet. Diese Themen werden gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft identifiziert, aber zunächst an öffentlichen Forschungseinrichtungen und Universitäten mit geringer oder ganz ohne Industriebeteiligung gefördert. So soll sichergestellt werden, dass die deutsche Wissenschaft und Forschung im Bereich der Schlüsseltechnologien international wettbewerbsfähig bleibt und Zukunftstrends frühzeitig erkannt werden. Bei einer Reihe von Themen, mit denen physikalisches und technologisches Neuland der Informations- und Kommunikationstechnik betreten wird, ist abzusehen, dass sie erst langfristig, d. h. mit einer Zeitperspektive von 10 Jahren und länger, zu Produkten führen werden. Bei diesen grundlagennäheren Forschungsthemen sind darüber hinaus meistens heute noch längst nicht alle zukünftigen Anwendungen sicher zu benennen. Durch sie können die Grundlagen für die anwendungsorientierte Forschung in künftigen Jahren gelegt werden. Im Rahmen des Forschungsprogrammes IKT 2020 werden deshalb 10 % der Mittel für Langfristforschung vorgesehen. Damit werden neue physikalische Effekte und disruptive Technologien untersucht, denen langfristig im Innovationsprozess eine fundamentale Bedeutung zukommt. Derzeit sind folgende Zukunftsthemen mit Wissenschaft und Wirtschaft in der Diskussion: FÖRDERPROGRAMM ■ ■ ■ ■ 57 Elektroniksysteme der Zukunft Organic Computing Integrierte Photonik Netzwerkinformationstheorie für Kommunikationssysteme Diese Liste ist nicht abschließend. Weitere Themen können und sollen während der Laufzeit des Programms bzw. im Rahmen der Fortschreibung diskutiert werden. Elektroniksysteme der Zukunft Die heutige Elektronik steht vor zwei wesentlichen Herausforderungen: ■ ■ Auch wenn durch die Massenfertigung Bauelemente auf der Basis der Si-Hochleistungstechnologie (CMOS) ein wesentlich günstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis als noch vor wenigen Jahren aufweisen, müssen – durch den Markt getrieben – heutige Verfahren und Produkte bei einer Vielzahl von Anwendungen zu weiteren Höchstleistungen bei niedrigeren Preisen getrieben werden. Immer weitere Strukturverkleinerungen und neuartige Konzepte, z. B. bei der Chiparchitektur (Multilevel/Multicore) werden jedoch irgendwann an ihre prinzipiellen physikalischen Grenzen stoßen, wobei selbst Spezialisten mit Prognosen über den Zeitpunkt dieser Entwicklung zurückhaltend sind. Zum einen ist daher die rechtzeitige konzeptionelle Vorbereitung multifunktionaler Bauelemente mit neuen Leistungsdimensionen und extremer Energieeffizienz auf der Basis systemarer Hochintegration von Speicher-, Schalt- und Steuerfunktionen wichtig. Auch wenn die Elektronikindustrie sich ihre Maßstäbe für die zukünftige Leistungsfähigkeit der Elektronik durch die sogenannte ITRS-Roadmap selbst definiert, ist bei weitem nicht immer klar, wie diese Maßstäbe erfüllt werden können. Die technologische Umsetzung dieser ITRS-Vorgaben wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Zusätzlich rücken fundamentale Probleme, die dem Erreichen physikalischer Grenzen geschuldet sind, immer näher. Somit erfordert auch die „klassische“ Mikro- und Nanoelektronik immer größere FuE-Anstrengungen, um zukünftige Marktanforderungen zu erfüllen. Während vor ca. 30 Jahren nur eine geringe Anzahl chemischer Elemente für die Chipproduktion notwendig war, ist es heute bereits ein Großteil der Elemente mit entsprechender Zunahme an Komplexität und Aufwand für Forschung und Produktion. 300 mm Wafer mit Vier-Kern Prozessoren in 65 nm Technologie (AMD) Zum anderen aber ist auch interdisziplinäre Grundlagenforschung nötig, um zukünftige Bauelemente bzw. Elektroniksysteme jenseits der heute bekannten Technologien, Strukturen und Materialien vorzubereiten. So gibt es im Bereich der Spintronik noch viele ungelöste Grundlagenprobleme, da bisher ein anwendungsnahes Materialsystem fehlt, mit dem sich alle relevanten Bauteile darstellen lassen. Entsprechend sind auch die möglichen Anwendungen bzw. deren Überlegenheit zu konventionellen Konzepten noch unklar. Die Einschätzung der Entwicklung dieser oder auch anderer Bereiche (z. B. Bioelektronik oder Carbon Nano-Tubes) muss einem regelmäßigen Evaluierungsprozess unterworfen werden, der vor allem auch die Entwicklungen im internationalen Umfeld berücksichtigt, so in den USA und Asien. Dieser längerfristige Ansatz im Bereich der interdisziplinären Grundlagenforschung stellt in besonderem Maße eine große Herausforderung dar, da hierfür die Organisation einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Physik, Chemie, Ingenieur- und Lebenswissenschaften erforderlich ist. Zudem müssen erhebliche Risiken bei der Schwerpunktsetzung für FuE in Kauf genommen werden, da Grenzen heute bekannter Substrate, Funktionen und Technologien überschritten werden müssen. 58 FÖRDERPROGRAMM Organic Computing Integrierte Photonik Deutschland ist weltweit mit führend im Bereich von Systemen der Automobiltechnik, Verkehrstechnik, Automatisierungstechnik und Telekommunikation. Zur Wahrung und zum Ausbau dieser Führungsposition ist es nötig, frühzeitig die Möglichkeiten adaptiver und selbstorganisierender Systeme zu nutzen und die absehbaren Probleme zu lösen. Es geht dabei nicht mehr um die Frage, ob selbstorganisierende Systeme entstehen werden, sondern darum, wie wir sie gewinnbringend gestalten und einsetzen können. Die bisherige Grundlagenforschung zum Thema Organic Computing, das sich mit diesen Fragen befasst, ist national und international ausgerichtet (DFG-Schwerpunktprogramm sowie EU-Projekte). Eine Reihe größerer Unternehmen in Deutschland ist daran interessiert, die Ergebnisse aus diesen Forschungsinitiativen mittelfristig wirtschaftlich nutzbar zu machen. Hier bieten sich zunächst vor allem deutsche Unternehmen an, zu denen bereits vielfältige Kontakte existieren. Weiterhin besteht im nationalen Rahmen die Chance, bereits frühzeitig KMU in den FuE-Prozess einzubeziehen. Das Thema Organic Computing ist in Deutschland frühzeitig aufgegriffen worden. Nach Aussagen potentieller Anwender ist ein praktischer Einsatz im größeren Rahmen etwa ab 2015 realistisch, wobei kleinere Systeme früher zu erwarten sind. Daher soll eine gezielte Überführung aus der Grundlagenforschung in die industrielle Praxis gefördert werden. Seit etwa dem Jahr 2003 bearbeitet eine wachsende Anzahl von Forschungseinrichtungen Themen der Selbstorganisation und Adaptivität technischer Systeme. Auch die Industrie sieht in der Beherrschbarkeit selbstorganisierender Systeme eine der größten Herausforderungen für Forschung und Entwicklung. Doch trotz vielfacher Aktivitäten vor allem auch im Bereich bio-inspirierter Systeme fehlt noch weitgehend das grundlegende Verständnis für die technische Beherrschung selbstorganisierender adaptiver Systeme. Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Disziplinen der Grundlagenforschung und zwischen Forschungseinrichtungen und Industrie nötig. Lücken bestehen u.a. auf den Gebieten Entwurfsverfahren und -werkzeuge für selbstorganisierende adaptive Systeme. Erfolgversprechend ist hier, in Erweiterung der DFGAktivitäten die Hauptarbeitsgebiete Architekturen, Sicherheit sowie Entwurfsverfahren und -werkzeuge auf industriell relevante Anwendungsfelder (Automobiltechnik, Fabrikautomatisierung, adaptive Energieversorgung und weitere) auszudehnen. Mit der Einführung der Glasfasertechnologie in die Kommunikationstechnik wurde das Fenster für eine nahezu unbegrenzte Bandbreite geöffnet. Mit den Fortschritten in der Glasfaser-, Laser- und Codierungstechnologie nahm die übertragbare Datenrate ständig zu. Die daraus resultierenden Anwendungen und die zunehmende Durchdringung aller Lebensbereiche mit Kommunikationstechnologien generieren ihrerseits weiteren neuen Bandbreitebedarf. In naher Zukunft werden bereits bis zu 100 Mbit/s pro Teilnehmer und 40-100 Gbit/s je Einzelkanal im Kernnetz erwartet. Auf längere Sicht soll dem Teilnehmer 1 Gbit/s zu Verfügung stehen. Dies wird nur auf der Basis von Optischen Technologien (Photonik) möglich sein. Neue photonische Komponenten werden das Potential für Leistungssteigerungen um den Faktor 100 bis 1000 besitzen. Photonische Komponenten sind aber heute oft noch recht teuer. Zur Realisierung preiswerter photonischer Komponenten wird weltweit an Lösungen gearbeitet, die Photonik in ähnlicher Weise kompakt in Chips zu integrieren, wie es in der Silizium-Elektronik gelang. Vor allem für flexible (schaltbare) optische Netze werden Lösungen erforderlich, die viel mehr photonische Funktionalität enthalten als gegenwärtige Systeme. Deutsche Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere, und Forschungseinrichtungen haben sowohl bei optischen als auch elektronischen Komponenten internationale Spitzenstellungen erreicht. Erste Schritte der Integration von elektronischen und photonischen Funktionen wurden bereits in Empfängern und Verstärkern realisiert. Die photonische und die photonisch/elektrische Integration wird dabei in mehreren Stufen erwartet: Erstens die Integration mehrerer photonischer Funktionalitäten basierend auf klassischen Technologien, zweitens die hybride Integration von Elektronik und Photonik und drittens die Integration einer hohen Anzahl elektrischer und photonischer Funktionalitäten z. B. auf Basis einer CMOS kompatiblen Siliziumtechnologie. Die Photonik zur Informationsübertragung wird in alle denkbaren Anwendungsbereiche vordringen und die zu Verfügung stehende Bandbreite, deren Grenzen noch nicht erreicht sind, effizienter nutzen. FÖRDERPROGRAMM Netzwerkinformationstheorie für Kommunikationssysteme Die mobile Kommunikation verwendet für die Übertragung der Informationen ein sehr wertvolles Allgemeingut, das Frequenzspektrum. Der steigende Bedarf an Datenkommunikation als Basis neuer, innovativer Dienste ist weiterhin für absehbare Zukunft unbegrenzt. Um diese Ressource verantwortlich und mit erheblich gesteigerter Effizienz einzusetzen, bedarf es grundlegender theoretischer Forschung sowie experimenteller Verifizierung der Theorien. Nur so können Reserven gehoben werden, die heute noch unbekannt sind. Als eine der großen Herausforderungen gilt die multivalente Optimierung dieses multidimensionalen Problems. Zukünftig stehen nicht mehr das Betrachten und Optimieren einzelner Netzelemente im Vordergrund, sondern deren Zusammenhang und die konstruktive Interaktion sowie die gegenseitige Störung der kommunizierenden Netzelemente. Auch das Verständnis der physikalischen Grundlagen der technisch nie optimal, sondern nur degradiert realisierbaren Komponenten, und der Einfluss dieser Effekte auf die Nutzung der Funkressource muss aufgebaut werden. Durch diese fundamentalen Arbeiten kann das theoretisch erzielbare Maximum an Frequenzökonomie mit dem realisierten verglichen werden. Eine maßgebliche Herausforderung besteht dabei darin, neben dem klassischen Leistungsmaß der spektralen Effizienz neue Kriterien wie Energieeffizienz, Delay und Robustheit des gesamten Systems zu beherrschen. Für die Vielfalt der unterschiedlichen Leistungsmaße muss eine Netzwerkinformationstheorie entwickelt werden, die unter Berücksichtigung der verfügbaren Hardware einen effizienten Entwurf und Betrieb von mobilen Kommunikationssystemen ermöglicht. Hierzu müssen neue Ansätze zur Modellierung des gesamten Netzes, von Diensten, Kanälen und Hardware entwickelt werden (Paradigmenwechsel von der Punkt-zuPunkt-Optimierung hin zur Netzoptimierung). 59 60 IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS 5. IKT-Politik aus einem Guss Innovationspolitik ist mehr als Forschungspolitik. In der Hightech-Strategie wurden für das spezifische Innovationsfeld IKT vier Handlungsfelder identifiziert: ■ ■ ■ ■ Informationsgesellschaft: Diffusion und Nutzung voranbringen; E-Government: Zukunft gestalten Schutz der Informationsinfrastruktur: Nationalen Plan zur IKT-Sicherheit umsetzen Forschungsförderung: Stärken ausbauen, Chancen nutzen, Herausforderungen begegnen Rahmenbedingungen: Innovations- und investitionsfreundliche Ausgestaltung Mit dem Aktionsprogramm „iD2010 – Informationsgesellschaft Deutschland 2010“ werden die verschiedenen programmatischen Maßnahmen der Bundesregierung in den Bereichen IKT und Neue Medien zusammengefasst. Aus diesem Grund wurde auf die Darstellung derjenigen Maßnahmen, die nicht dem Handlungsfeld „Forschungsförderung“ zuzuordnen sind, verzichtet. Das vorliegende Förderprogramm (vgl. Kapitel 4) ist der Beitrag des BMBF zur Umsetzung der Hightech-Strategie im IKT-Bereich für das Handlungsfeld „Forschungsförderung“. Die weiteren IKT-relevanten Maßnahmen der Bundesregierung in diesem Handlungsfeld sowie in den anderen sind im Aktionsprogramm iD2010 zu finden und werden im Folgenden nicht im Einzelnen dargestellt. Darüber hinaus wurden in der Hightech-Strategie die folgenden (auch) für IKT relevanten Querschnittsthemen identifiziert: ■ ■ ■ ■ 10 Europäische Forschungs- und Innovationspolitik mit gestalten (vgl. Abschnitt 5.2) Exzellenzinitiative zur Förderung der Hochschulen (vgl. Abschnitt 5.3) Anwendungsorientierte Wissenschaft (vgl. Abschnitt 5.4) Nachwuchs, Fach- und Führungskräfte (vgl. Abschnitt 5.5) 5.1 Entwicklung und Erprobung neuer Multimedia- und Internettechnologien 10 Bei der Förderung multimedialer Technologien geht es um die Neuausrichtung, Automatisierung und Optimierung von Abläufen und Wertschöpfungsketten, neuen Formen der Wissensvermittlung, Wissensbeschaffung (E-Learning, Wissensmanagement) oder der individualisierten, kontextsensitiven und mobilen Wissensbereitstellung. Mit Technologiewettbewerben und Pilotvorhaben zur digitalen Konvergenz, zum mobilen Geschäftsverkehr in Wirtschaft und Verwaltung sowie zu intelligenten Methoden für die Digitalisierung und Nutzung globalen Wissens sollen Demonstrationsvorhaben angestoßen werden, die nicht nur technische, sondern auch rechtliche und organisatorische Fragen lösen und nachhaltige Effekte bewirken. Grundvoraussetzung ist dabei, dass die beteiligten Unternehmen ihr Umsetzungsinteresse mit der Übernahme eines Eigenanteils, der sich nach dem jeweiligen Anwendungsgrad der Forschungs- und Entwicklungsvorhaben richtet und in der Regel über 50 % liegt, unterstreichen. Mit Hilfe einer Begleitforschung wird der Technologietransfer entwicklungsbegleitend beschleunigt. Schwerpunkte der Förderung multimedialer Technologien seitens BMWi sind: Next Generation Media Mit der Förderung von Entwicklung, Erprobung und Demonstration von Multimedia-Anwendungen für vernetzte intelligente Systeme („Next Generation Media“) sollen Referenzmodelle und Vorzeige-Beispiele entstehen, die Machbarkeit und wirtschaftlichen Nutzen aufzeigen und zur Nachahmung anregen. Die angestrebten Entwicklungen greifen Begriffe wie Ambient Intelligence, Ubiquitous Computing oder „Things that Think“ auf, die den Beginn eines neuen Zeitalters, das „Internet der Dinge“, markieren. Die ausgewählten Projekte zielen auf technologische Leitinnovationen in den Feldern „Konsumelektronik in vernetzten Systemen“, „Intelligente Logistiknetze“, „Intelligente Vernetzung von Produktionsanlagen“ und „Intelligente Systeme in der Gesundheitsversorgung“. Vor allem zukunftsweisende RFIDAnwendungen bilden einen wichtigen Schwerpunkt des Gesamtvorhabens. Förderaktivitäten des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS Mobile Anwendungen Im Gegensatz zu den Fortschritten im Lifestyle-Bereich wird das Potenzial mobiler IKT-Anwendungen in KMU und Verwaltungen nur zögerlich aufgegriffen. Ein Hauptgrund sind Sicherheitsbedenken. Hier setzt die neue BMWi-Fördermaßnahme SimoBIT mit dem Schwerpunkt IKT-Sicherheit an. SimoBIT wurde im Mai 2006 als Technologiewettbewerb ausgeschrieben. Von 100 Einsendungen hat eine Jury 9 Projektideen ausgewählt, die mit Hilfe der BMWi-Förderung in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden sollen. BMWi hat hierfür bis zu 20 Mio. Euro vorgesehen. Ziel ist die Ausschöpfung des Potenzials mobil-vernetzter Multimedia-Dienste zur Steigerung von Produktivität und Qualität sowie Kosten- und Zeitersparnisse in Wirtschaft und Behörden. Einen hohen Stellenwert hat die Umsetzung von Konzepten zur Gewährleistung hoher IT-Sicherheit. SimoBIT soll helfen, die Zurückhaltung auf diesem für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Standorte unseres Landes wichtigen Gebiet zu überwinden und mehr Dynamik zu entfachen. Insbesondere sollen FuE-Aktivitäten unterstützt werden, die zu Beispiellösungen führen, die den Sicherheitserfordernissen entsprechen, den hohen Nutzen für Anbieter und Anwender deutlich machen und möglichst schnell und breitenwirksam Nachahmungseffekte und Folgeinvestitionen auslösen. Radiofrequenz-Identifikation (RFID) Deutschland nimmt bei der Forschung und Entwicklung von RFID weltweit eine führende Position ein. Ziel ist, diesen technologischen Vorsprung zügig in Markterfolge umzusetzen. Dazu leistet die Bundesregierung durch die Förderung von Entwicklungsvorhaben für zukunftweisende RFID-Anwendungen auch im Rahmen von „Next Generation Media“ (s. o.) gezielte Unterstützungsmaßnahmen, um Vorzeigelösungen zu schaffen und Machbarkeit zu demonstrieren. Zu den öffentlichen Vorhaben mit großer Breitenwirkung gehört die für 2008 geplante Einführung des elektronischen Personalausweises. Diese zielt auf eine zum elektronischen Pass – der seit Ende 2005 bereits herausgegeben wird – vergleichbare RFID-Lösung zur kontaktlosen Datenübertragung. Informationen zu Aktivitäten und Initiativen von Wirtschaft und Bundesregierung wurden in einer gemeinsamen „RFID-Dialogplattform“ zusammengeführt. Darüber hinaus zielt das Diskussionsforum „RFID und Verbraucherschutz“ darauf ab, nötiges Vertrauen und Transparenz für Anwender und Nutzer zu schaffen. Sowohl Fragen des Datenschutzes wie auch umfassende Informationen für Verbraucher sind 61 aus Sicht der Bundesregierung wichtige Themen, um die nötige Akzeptanz bei der Einführung von RFID-Technologien zu erreichen. E-Energy: IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft Zur Auslotung der Bedeutung der neuen IKT für die Energiewirtschaft hat das BMWi 2005 eine umfassende Potenzialanalyse und Bestandsaufnahme (E-Energy Studie) in Auftrag gegeben und in Verbindung damit zahlreiche Fachgespräche durchgeführt. Entsprechend den Analyse-Ergebnissen und Experteneinschätzungen wird die Energietechnik allein den erforderlichen innovativen Wandel der Energiemärkte zu mehr Wettbewerb, dezentraler Energieerzeugung und verteilten Wertschöpfungsprozessen nicht vollbringen können. Um weitere Fortschritte bei Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit erreichen zu können, muss nun auch im Energiesektor (wie sonst schon in Wirtschaft und Gesellschaft) die digitale Vernetzung von Marktteilnehmern und technischen Anlagen sowie ihre Nutzung mit Hilfe intelligenter IKT-Systeme beschleunigt und verstärkt voran gebracht werden. Besondere technologische und wirtschaftliche Chancen bestehen darin, effiziente elektronische Online-Interaktionssysteme und Anwendungen zu schaffen, die von der Erzeugung über Transport und Verteilung bis hin zum Verbrauch elektrischer Energie alle Segmente des Strommarktes integrieren. So können auf flexible und intelligente Weise Angebot und Nachfrage besser aufeinander abgestimmt und ressourcenschonend gesteuert werden. Damit werden große Effizienzschübe im Geschäfts- und Rechtsverkehr, aber auch im technischen Betrieb erwartet. Darauf aufbauend wurde E-Energy als Leuchtturmprojekt der Bundesregierung auf dem von der Bundeskanzlerin im Dezember 2006 durchgeführten IT-Gipfel angekündigt. Das Förderprogramm E-Energy wird derzeit vom BMWi im Dialog mit Wirtschaft und Wissenschaft strukturiert. Die Ausschreibung des Förderschwerpunkts „E-Energy“ erfolgt im ersten Halbjahr 2007. In auf Basis eines Technologiewettbewerbs ausgewählten E-Energy-Modellregionen sollen Beispiellösungen geschaffen werden, die zeigen, was machbar und wirtschaftlich ist und so breitenwirksam Nachahmungseffekte und Folgeinvestitionen auslösen. Eine neue Wissensinfrastruktur für das Internet der Zukunft schaffen Ein Schwerpunkt des Aktionsprogramms iD2010 ist die Schaffung einer neuen internetbasierten Infrastruktur zur 62 Ordnung und Verbreitung von Wissen. Mit dem Leuchtturmprojekt THESEUS (vormals QUAERO), das auf dem nationalen IT-Gipfel vorgestellt wurde, soll die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas beim Zugang und der Nutzung von digital verfügbarem Wissen als wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts und mit Blick auf den globalen InhalteWettbewerb verbessert werden. Strategisches Ziel von THESEUS ist die Entwicklung und Erprobung einer neuen internetbasierten Wissensinfrastruktur („Internet der Dienste“). Durch die Zusammenarbeit führender Partner aus IKT-Wirtschaft und -Wissenschaft in Deutschland und Bündelung der Kräfte sollen innovative Technologien (Web 3.0, semantische Verfahren, Mustererkennung) entwickelt werden, die die Grundlage für international wettbewerbsfähige Lösungen und damit auch den Durchbruch mit Blick auf neue integrierte IKT-Services auf vielversprechenden Anwendungsfeldern wie z. B. Software, Medizintechnik, Medien und Maschinenbau bilden sollen. Mit den im Rahmen des THESEUS-Programms entwickelten Lösungen zur Suche und Präsentation multimedialer Inhalte im Internet sollen auch deutsche und europäische Kultureinrichtungen befähigt werden, in eigener Regie einem breiten Publikum den strukturierten Zugriff auf innovativ aufbereitete kulturelle Bestände online zu ermöglichen. Das THESEUS-Programm leistet insoweit eine wichtige Unterstützung beim Aufbau der Europäischen Digitalen Bibliothek durch die Europäische Kommission. Gründerwettbewerb „Mit Multimedia erfolgreich starten“ Der „Gründerwettbewerb – Mit Multimedia erfolgreich starten“ des BMWi soll einen neuen Impuls für mehr Unternehmensgründungen im zukunftsträchtigen Multimediabereich geben. Jährlich werden zukünftig zwei Wettbewerbsrunden veranstaltet. In jeder Runde werden bis zu 5 beste Gründungsideen mit Hauptpreisen von je 25.000 Euro Startkapital ausgezeichnet, bis zu 5 weitere Preisträger erhalten je 5.000 Euro. Außerdem wird in jeder Runde ein Sonderpreis in Höhe von 5.000 Euro zu einem Fokusthema gemeinsam mit einem Partner aus der Wirtschaft ausgelobt. Neben den Preisgeldern erhalten Gründer aktive Unterstützung (individuelles Coaching, Seminare, Workshops durch erfahrene Experten), um damit typische Fehler in der Startphase zu vermeiden. Daneben wird einmal im Jahr im Rahmen des „Gründerkongresses Multimedia“ der mit 50.000 Euro 11 IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS dotierte Preis „Multimediagründung des Jahres“ für den erfolgreichsten aus dem „Gründerwettbewerb – Mit Multimedia erfolgreich starten“ hervorgegangenen Unternehmensstart vergeben. Zukünftige Entwicklungen Die Maßnahmen des BMWi zur Förderung von Entwicklung und Erprobung neuer Multimedia- und Internettechnologien werden laufend auf neue Herausforderungen und Fragestellungen hin angepasst. Hauptinstrument sind dabei Technologiewettbewerbe, die starken Anwendungscharakter haben und nicht nur technische, sondern auch rechtliche und organisatorische Fragen mit einbeziehen sowie Nachahmungseffekte bewirken sollen. Mit Hilfe einer Begleitforschung, die sowohl für ein begleitendes Monitoring und Benchmarking der Projekte auch im internationalen Vergleich sorgt, eine projektübergreifende Netzwerkbildung anregt und eine zielgerichtete, vor allem mittelstandsbezogene Öffentlichkeitsdarstellung durchführt, soll der Technologietransfer entwicklungsbegleitend beschleunigt werden. Zur Vorbereitung der Technologiewettbewerbe werden Studien zur Ermittlung des Handlungsbedarfs in Auftrag gegeben und Gespräche mit Wirtschaft und Wissenschaft geführt. Zur Zeit zeichnen sich über die o. g. Förderschwerpunkte hinaus als Themen u. a. „E-Simulation“ (webbasierte Simulation von Bauteilen und Prozessen), „E-Robotik“ (autonome Steuerung webbasierter Strukturen) und „3D-Applikationen für digitale Medien“ ab. 5.2 Europäische Kooperationen im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU Der Verzahnung der Fachprogramme des BMBF mit der Förderprogrammatik der Forschungsrahmenprogramme der EU kommt eine immer größere Bedeutung zu. Im Vollzug des 7. Forschungsrahmenprogramms 11 (2006 – 2013) werden, eine gleich bleibend hohe deutsche Beteiligung vorausgesetzt, im IKT-Bereich jährlich annähernd so viele EU-Fördermittel für deutsche Antragsteller zur Verfügung stehen, wie in diesem Förderprogramm. Die EU-Förderung wird in diesem Kontext als konstitutiver Baustein des nationalen IKT-Förderprogramms verstanden, da sie mehr und mehr an „Grundlast“ in der IKT-Förderung schultern und damit Spielräume für eine Fokussierung der nationalen Förderung schaffen wird. Nähere Informationen zum 7. Forschungsrahmenprogramm: http://www.forschungsrahmenprogramm.de IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS Auf Basis der Lissabon-Beschlüsse des EU-Rats wurden insbesondere zwei strategische Ansätze zur FuE-Förderung auf EU-Ebene forciert, entwickelt und implementiert: ■ ■ Dies ist zum einen der ERA-NET Ansatz mit dem Ziel, europäische Forschungsansätze zu defragmentieren, nationale/regionale Forschungsprogramme zu koordinieren und nationale Anstrengungen additiv zu übernehmen. Ziel ist die Schaffung von Synergieeffekten zwischen der Kommission und, uns um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie entscheidend zu stärken. Ein weiterer strategischer Ansatz für das 7. Forschungsrahmenprogramm wurde mit den europäischen Technologieplattformen (ETP) geschaffen. Hier entwickelte die europäische IKT-Industrie im Vorfeld für ökonomisch strategische Zukunftsbereiche gemeinsame Zukunftsvisionen. Deren Umsetzung und Realisierung wurden in Forschungsagenden beschrieben und bilden einen Leitfaden für die gemeinsame europäische und nationale Forschungspolitik. Zudem haben sich zwei Technologieplattformen aus dem IKT-Sektor, ARTEMIS und ENIAC, zu JTIs (Joint Technology Initiatives) formiert. In dieser Public Private Partnership wollen Industrie und Wissenschaft gemeinsam mit der europäischen Kommission und den nationalen Förderern die Umsetzung der Forschungsagenden unterstützen. Sie können auf ihrem speziellen Gebiet Fördergelder allokieren und vergeben. Angesichts der Bedeutung der gemeinsamen strategischen Ansätze und der Höhe der europäischen Fördergelder wird das BMBF kontinuierlich darauf hinwirken, dass die EU-Förderung und die nationale Förderung im IKT-Bereich zukünftig ein Höchstmaß an programmatischer und strategischer Komplementarität aufweisen. Deshalb werden die Arbeitsprogramme der EU fortlaufend mit den Förderschwerpunkten des IKT-2020-Programmes abgeglichen. Ziel ist es, die Industrie in ihrem Bemühen um die bestmögliche internationale Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen und somit nachhaltig Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Gemeinsame Strategieentwicklung und Projektförderung 63 Kommunikationstechnologie), NEM (vernetzte elektronische Medien), NESSI (vernetzte Software und Systeme), EUROP (Robotik), PHOTONICS21 (Photonik) und ISI (Satellitenkommunikation) entwickelt. ARTEMIS Zukünftig soll die europäische Kooperation im Bereich der Embedded Systems über die Joint Technology Initiative ARTEMIS noch verstärkt werden. Dabei wird in einer gemeinsamen Anstrengung der europäischen Industrie, der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission eine europäische Strategie zu Embedded Systems entwickelt und vorangetrieben, wobei die bisher fragmentierten Förderansätze gebündelt und fokussiert werden. Der inhaltliche Schwerpunkt von ARTEMIS liegt im Design, der Entwicklung und der Anwendung von ubiquitären, interoperablen, kosteneffektiven und sicheren Embedded Systems. Ein elementarer Aspekt, der künftig zunehmend einen Wettbewerbsvorteil darstellen wird, ist die möglichst breit angelegte Wiederverwendbarkeit von Bausteinen bis hin zu ganzen Systemen. Europäische Unternehmen müssen darüber hinaus auf dem Gebiet Systementwicklung von „Embedded Systems“, insbesondere bei „time to market“ und Zuverlässigkeit auf der Basis dieser JTI gefördert werden. ENIAC Die europäische Technologieplattform ENIAC (European Nanoelectronics Initiative Advisory Council) hat sich ebenfalls zu einer Joint Technology Initiative mit starker deutscher Beteiligung formiert. Die Nanoelektronik bildet in zunehmendem Maße die technologische Basis für alle Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnik und wirkt damit in alle Lebensbereiche hinein. Die wesentlichen Zielsetzungen der Technologieplattform ENIAC lauten daher: Sicherung der globalen Führungsposition Europas, Schaffung wettbewerbsfähiger Produkte, Stärkung eines hohen Innovationsniveaus und die Stärkung hochklassiger beruflicher Qualitäten der Fachkräfte in Europa. 5.3 Exzellenzinitiative Aufbauend auf den EUREKA-Clustern MEDEA+ (Nanoelektronik) und ITEA (Software-Systeme) werden mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten Strategien für die gemeinsam finanzierten Technologieplattformen ENIAC (Nanoelektronik), ARTEMIS (Embedded Systems), EPoSS (Smart Systems Integration), eMobility (mobile und drahtlose Mit der Förderung der universitären Spitzenforschung im Rahmen der Exzellenzinitiative sollen Leuchttürme der Wissenschaft in Deutschland entstehen, die auch international ausstrahlen. Für die Hochschulen stehen im Rahmen der Exzellenzinitiative 1,9 Mrd. Euro zur Verfügung, 75 % davon 64 IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS trägt der Bund. Die Begutachtungen werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat durchgeführt. In der zweiten Wettbewerbsrunde wurde am 12. Januar 2007 eine Vorentscheidung bekannt gegeben. Für die erste Förderrunde fielen bereits am 13. Oktober 2006 die finalen Entscheidungen. Konkret geht es beim Wettbewerb Exzellenzinitiative um drei projektorientierte Förderlinien: ■ ■ ■ Graduiertenschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs bieten strukturierte Promotionsprogramme innerhalb eines exzellenten Forschungsumfeldes und eines breiten Wissenschaftsgebietes an. Etwa 40 Graduiertenschulen erhalten jeweils durchschnittlich eine Million Euro pro Jahr, insgesamt stehen für diesen Bereich jährlich 40 Millionen Euro zur Verfügung. Mit Exzellenzclustern sollen an den Universitäten international sichtbare und konkurrenzfähige Forschungsund Ausbildungseinrichtungen etabliert werden, die mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Fachhochschulen und der Wirtschaft kooperieren. Für jedes dieser etwa 30 geförderten Cluster stehen pro Jahr durchschnittlich 6,5 Millionen Euro zur Verfügung, in Summe damit insgesamt 195 Millionen Euro pro Jahr. Mit der Förderung von „Zukunftskonzepten zum Ausbau universitärer Spitzenforschung“ soll das Forschungsprofil von bis zu zehn ausgewählten Universitäten weiter gestärkt werden. Voraussetzung ist, dass eine Hochschule mindestens ein Exzellenzcluster, eine Graduiertenschule sowie eine schlüssige Gesamtstrategie zu einem weltweit anerkannten „Leuchtturm der Wissenschaft“ vorweisen kann. Für diesen Bereich sind insgesamt 210 Millionen Euro pro Jahr eingeplant. Der Umfang jedes Fördervorhabens soll bei durchschnittlich 21 Millionen Euro liegen. Mit Bezug zu Informations- und Kommunikationstechnologien zählen die Graduiertenschulen: ■ ■ ■ 12 „Aachen Institute for Advanced Studies in Computational Engineering Science“, „Karlsruhe School of Optics and Photonics“ und „Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies“ sowie die Exzellenzcluster: ■ ■ „Ultra High-Speed Mobile Information and Communication“ in Aachen und „Cognition for Technical Systems“ in München zu den bisherigen Gewinnern der Förderrunden. 5.4 IKT-Forschung der Wissenschaftsorganisationen Die deutsche Forschung wird getragen von den Universitäten, den außeruniversitären Forschungsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, LeibnizGemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft), unabhängigen Instituten sowie der Wirtschaft. Jede Einrichtung hat einen spezifischen Auftrag, sei es Grundlagenforschung, angewandte Forschung, deren interdisziplinäre Verknüpfung, Technologietransfer und/oder Entwicklung, wissenschaftliche Großgeräte und Vorsorgeforschung. Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaft In den letzten Jahren wurde von den Wissenschaftsorganisationen vieles angestoßen: Sonderforschungsbereiche und Transregios, DFG-Forschungszentren und Exzellenzcluster, Schwerpunktprogramme, die Max-Planck-Research Schools, Leibniz Graduate Schools, international integrierende EUProjekte, Kooperationsprojekte zwischen FhG und MPG sowie zwischen MPG und WGL, Max-Planck-Innovation, gemeinsame Research Labs mit der Industrie, Private-PublicPartnerships wie beispielsweise das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)12, innovative IP-Regelungen, eine stärkere Vernetzung der außeruniversitären Forschung mit den Hochschulen etc. Die meisten dieser Programme betreffen die Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaft. Einzeldarstellungen der Organisationen in den folgenden Abschnitten werden die individuellen Stärken aufzeigen. Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kann noch deutlich verbessert werden. Das Ziel muss eine wesentlich gesteigerte Innovationseffizienz sein. Die Wissen- Das DFKI wurde 1988 von namhaften deutschen Unternehmen der IKT-Wirtschaft zusammen mit Forschungseinrichtungen sowie den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland gegründet. IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS schaft muss bereit sein, auf die Fragen der Wirtschaft einzugehen (market-pull), und die Wirtschaft muss offen für die Ergebnisse der Wissenschaft (technology-push) sein. Über die Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaft hinaus gibt es seitens der Wissenschaftsorganisationen das Angebot zur Kooperation mit der Wirtschaft entlang der gesamten Innovationskette – von der Grundlagenforschung über angewandte Forschung bis hin zum Technologietransfer. Konkrete Anknüpfungspunkte werden vor allen Dingen bei folgenden Themenschwerpunkten gesehen, die unmittelbaren Bezug zu den thematischen Schwerpunkten in diesem Forschungsprogramm haben: ■ ■ ■ ■ Intelligente und sichere Automobile, Mobilität als Dienstleistung – Automotive Engineering; Anwendungs- und branchenübergreifende Schlüsseltechnologien im Bereich „Computing“; Intelligente Lösungen zur Wissensvernetzung/ Wissensmanagement; Unterstützung älterer Menschen – Assisted Living. Um zu einer noch besseren Verzahnung der IKT-Forschungspolitik des BMBF mit den IKT-Forschungsaktivitäten der Wissenschaftsorganisationen zu gelangen, werden wie bei der Erstellung des Programms IKT 2020 auch bei dessen Weiterentwicklung die Wissenschaftsorganisationen mit eingebunden. 5.4.1 Max-Planck-Gesellschaft Die Institute der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) betreiben erkenntnisorientiert und anwendungsoffen Grundlagenforschung in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften auf höchstem Niveau. Viele der in den Max-Planck-Instituten bearbeiteten Themen sind mittel- oder unmittelbar für die Informations- und Kommunikationstechnik relevant. Derzeit gibt es 78 Max-Planck-Institute und Einrichtungen mit unterschiedlicher Größe, Struktur und Aufgabenstellung, die sich mit ihren Standorten auf alle Bundesländer und das nähere Ausland (Niederlande, Italien) verteilen. Grundlegende Beiträge im Bereich Software liefern vor allem das Max-Planck-Institut für Informatik und das MaxPlanck-Institut für Softwaresysteme. Relevante Forschung wird aber auch in den Max-Planck-Instituten auf dem Gebiet der Mathematik und der theoretischen Physik, in den Computational Science Abteilungen der Institute auf dem Gebiet der Physik, Chemie, Meteorologie, Medizin und Biologie, im Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ), im Rechenzentrum Garching (RZG), in der Gesellschaft für Wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen (GWDG) und in der Max- 65 Planck Digital Library (MPDL) betrieben. Hinzu kommen Forschungsarbeiten zu Grundlagen neuronaler und kognitiver Prozesse, die zum Grossteil in der Biologisch-Medizinischen Sektion angebunden sind. Mit den gesellschaftlichen Auswirkungen und den Rahmenbedingungen der neuen Technologien beschäftigen sich ebenso mehrere Institute der Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftlichen Sektion der MPG (GSHS). Im Bereich Hardware tragen vor allem die materialwissenschaftlich orientierten Institute durch grundlagenorientierte Forschungsarbeit zur Neu- und Weiterentwicklung von Materialien und Prozessen bei. Die adressierten Fragestellungen reichen von der Fertigung von Komponenten und Systemen der Mikro- und Optoelektronik bis zu den Grundlagen für neuartige, miniaturisierte Speichermedien. Im Rahmen der Verbundforschung, aber auch begründet durch rein wissenschaftliche Fragestellungen arbeiten vor allem die folgenden Institute mit erheblichen Teilen ihrer Potentiale an diesen Themen: MPI für Metallforschung, MPI für Festkörperforschung, MPI für Mikrostrukturphysik, MPI für Polymerforschung, MPI für Quantenoptik und die Max-PlanckForschungsgruppe Optik, Information und Photonik. Der Forschungsschwerpunkt des Max-Planck-Instituts für Informatik sind Algorithmen. Informatiksysteme haben über die letzten Jahrzehnte wesentlich an Effizienz gewonnen. Der Fortschritt beruht zum einen auf Entwicklungen in der Hardware (Moore’s Gesetz) und zum anderen auf verbesserten Algorithmen. Das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme wurde im November 2004 gegründet und befindet sich im Aufbau. Der Forschungsschwerpunkt des Instituts sind Softwaresysteme, komplexe technische Systeme, die durch Softwareprogramme realisiert werden. Verglichen mit dem Max-Planck-Institut für Informatik, das Algorithmen untersucht, ist hier das komplexe Zusammenspiel verschiedenster durch Algorithmen realisierter Komponenten plus deren Interaktion mit der Außenwelt Forschungsgegenstand. 5.4.2 Fraunhofer Gesellschaft Angewandte Forschung zum direkten Nutzen der Unternehmen kennzeichnet die Arbeit der Fraunhofer-Gesellschaft: An 80 Forschungseinrichtungen werden neue Technologien in kurzer Zeit zusammen mit der Industrie umgesetzt in konkrete Problemlösungen, Produkte und Dienstleistungen, wobei mittlerweile ein Großteil der Fraunhofer-Gesellschaft Hard- und Software erforscht und entwickelt. Somit deckt die Fraunhofer-Gruppe Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) die gesamten Wertschöpfungsketten nahezu aller Branchen ab – von der Medizin über die Medienindustrie und das produzierende Gewerbe bis hin zum Finanz- 66 wesen – was die Gruppe in Europa zur größten IKT-Forschungsorganisation macht. Daneben leistet auch der Verbund Mikroelektronik der FhG – in Kooperation mit der Industrie – wichtige Beiträge zu Equipment-, Material- und Prozessentwicklung sowohl im Frontend als auch im Backend der Halbleitertechnologie. Charakteristisch für den IKT-Bereich sind die außerordentlich kurzen Innovationszyklen, wodurch Fachkenntnisse eine nur kurze Halbwertzeit haben. Schnelligkeit und Effizienz von Prozess- und Produktinnovationen entscheiden deshalb im Softwarebereich noch weitaus stärker als in den meisten anderen Forschungsgebieten über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Weil Software-Systeme zugleich immer komplexer werden – und dies auch in immer mehr eingebetteten Systemen für Alltagsgegenstände – wird es für Unternehmen und Anwender immer schwieriger zu entscheiden, welche Investitionen wirklich nachhaltig Wettbewerbsvorteile schaffen. Marktkenntnis, technisches Knowhow und eine kritische Masse an Experten und Ausstattung machen die Fraunhofer-Institute somit zum strategischen Partner der Industrie. In den fünf Jahren seit der Integration der GMD-Institute in die Fraunhofer-Gesellschaft hat die IuK-Gruppe gemeinsame Geschäftsfelder etabliert sowie strategische Themen der Vorlaufforschung und gemeinsame Technologieszenarien erarbeitet. Diese Bündelung ermöglicht branchenspezifische, ganzheitliche und maßgeschneiderte IKT-Lösungen sowie kompetente Technologieberatung. Bei Kooperationsprojekten werden die Verwertungsrechte je nach Wunsch des Unternehmens individuell gestaltet. Regelmäßige Wirtschafts-Summits bringen Industrie, Forschung und Politik zu bestimmten Themen an einen Tisch und bilden so eine Plattform für kontinuierlichen Wissenstransfer. Aktuelle Top-Themen der Vorlaufforschung, die mit einem Zeithorizont von 2 bis 3 Jahren neue Märkte adressieren oder schaffen, sind Sicherheit und Usability, Ambient Intelligence und Grid Computing, Spiele und Unterhaltung, Data Analysis und Information Extraction, Produktion und Simulierte Realität, Software Engineering und Next Generation Networks. 13 14 15 IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS Außerdem stimmt die IuK-Gruppe intern Forschungs-Perspektiven für unterschiedlichste Lebens- und Arbeitsbereiche ab, die in Form von Anwendungsszenarien und Technologie-Roadmaps mit externen Fachleuten erarbeitet und validiert werden. Der Zeithorizont liegt hier bei 5 bis 7 Jahren. 5.4.3 Leibniz-Gemeinschaft Die Institute der Leibniz-Gemeinschaft sind als Strukturelement von IKT 2020 vor allem als Partner für Innovationsplattformen und Träger von Querschnittsthemen essentiell. Leibniz-Institute nehmen mit ihrem einzigartigen Charakter der missionsgebundenen Forschung in transsektoralen Verbünden eine Scharnierfunktion wahr. Dieser translationale interdisziplinäre Ansatz kann und sollte im Sinne der IKT 2020Strategie weiter ausgebaut und unterstützt werden. So bestehen z. B. erfolgreiche Verbünde zur Materialforschung in Dresden 13 und in Berlin zur optischen Technologie und Mikrosystemtechnik 14, die entweder selbst als Innovationsplattformen verstanden werden können oder wichtige Beiträge zur Lösung der anstehenden Herausforderungen im Bereich der Hardware für das Programm IKT 2020 liefern können. Im Einzelnen lassen sich neben der allgemeinen Nutzung von IKT zwei (Querschnitts-)Felder identifizieren, in denen Leibniz-Institute im Rahmen des Forschungsprogramms IKT 2020 aktiv sind: die schon angesprochene Hardware für IKT und wissenschaftliche Nutzung von IKT. Dazu kommen Aspekte, die einzelne Leibniz-Einrichtungen bereits heute erfolgreich als Service an die Wirtschaft vermarkten, z. B. im Bereich des Informationstransfers. Hardware für IKT Hier sind vor allem die Institute zu nennen, die im Bereich der Mikrosystemtechnik und Elektroniksysteme auch Komponenten für Kommunikationstechnologien entwickeln und herstellen 15. Beispiele sind Sendebausteine für die nächste Generation von Basisstationen in der Mobilkommunikation sowie für autarke verteilte Mikrosysteme oder effiziente Materialforschungsverbund Dresden e. V. OpTecBB, ZEMI Innovations for High Performance Microelectronics/Institut für Innovative Mikroelektronik, Frankfurt (Oder) (IHP), FerdinandBraun-Institut für Höchstfrequenztechnik, Berlin (FBH), Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik, Berlin (PDI, eingeschränkt) IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS Lichtquellen für zukünftige Displaytechnologien. Hinzu kommen Institute im Bereich der optischen Technologien und die vorwiegend materialwissenschaftlichen Institute, die in die Entwicklung neuer Materialien für IKT eingebunden werden 16. Wissenschaftliche Nutzung von IKT Die Weiterentwicklung von Hoch- und Höchstleistungsrechnen sowie Grid-Computing in Deutschland kann nicht losgelöst von deren Nutzern geschehen. Die Leibniz-Institute, die auf so unterschiedlichen Gebieten wie Astrophysik, Sonnenphysik, Klimafolgenforschung oder Meereswissenschaften tätig sind 17, sind mit der Simulation und Verarbeitung großer Datenmengen beschäftigt und haben entsprechende Expertise in der Erstellung und Benutzung eigener Software für diese Bereiche. Das Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) entwickelt Simulationssoftware für spezifische Rechnerarchitekturen. Zahlreiche lebenswissenschaftliche Institute unterhalten Abteilungen für Bioinformatik und haben Datenbanken mit Struktureigenschaften biologisch und damit ggf. auch industriell relevanter Verbindungen. Die Fachinfomationszentren18 betreiben (und vermarkten) Datenbanken mit komplexen naturwissenschaftlichen Informationen, eingeschlossen Strukturen, Metadaten, Volltexten sowie Patenten. Die Serviceinstitute in den Bereichen Informatik und Mathematik19 können durch die Ausrichtung ihrer Veranstaltungen den Prozess des Forschungsprogramms IKT 2020 unterstützen. Die neuen Formen des wissenschaftlichen Arbeitens – vernetztes Wissensmanagement – erfordern innovative, IKT-getriebene, effiziente und sichere Infrastrukturen und Applikationen. Das Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe entwickelt Software, die den gesamten Prozess der wissenschaftlichen Wertschöpfung unterstützt. Mit der Max-Planck- Gesellschaft besteht eine Partnerschaft zum Aufbau einer nationalen Service-Infrastruktur für netzbasierte Formen wissenschaftlichen Arbeitens. 16 17 18 19 67 5.4.4 Helmholtz-Gemeinschaft Die wissenschaftlichen Aktivitäten in der HelmholtzGemeinschaft (HGF) orientieren sich entlang einer nach sechs Forschungsbereichen gegliederten Programmstruktur. Die einzelnen wissenschaftlichen Programme werden in der Regel von mehreren Helmholtz-Zentren kooperativ bearbeitet. Unter den etwa 30 Programmen finden sich einige zentrale, die sich explizit mit Themen aus dem Bereich IKT beschäftigen, und andere, die IKT-Forschung und Entwicklung mit Blick auf eine übergeordnete wissenschaftliche Fragestellung betreiben. Die im Folgenden vorgestellten Projekte und Themen sollen daher exemplarisch einen Einblick in die IKT-Forschung der HGF geben. Höchstskalierbare Hard- und Software für Supercomputer Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der HGF umfassen die Gebiete „Höchstskalierbare Hard- und Software für Supercomputer“ sowie „Grid-Computing“ im Rahmen der Programmorientierten Förderung (aktuelle Laufzeit: 2005 bis 2009) im Programm „Wissenschaftliches Rechnen“ des Forschungsbereichs „Schlüsseltechnologien“. Das aktuelle Strategiekonzept des Forschungsbereichs „Schlüsseltechnologien“ für die zweite Periode der Programmorientierten Förderung (2010 bis 2014) sieht eine massive Verstärkung dieser Forschungsaktivitäten vor. Die HGF wird: ■ ■ hoch skalierbare Supercomputer der Multi-PetaflopKlasse in Zusammenarbeit mit führenden europäischen Firmen und europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen mitentwickeln; ihre Forschung zum „High-Productivity-Computing“ auch durch Verschränkung mit Universitäten (bspw. im Rahmen von „Virtuellen Instituten“) erheblich intensivieren. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist die gemeinsam vom Forschungszentrum Jülich und der Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, Berlin (MBI), Leibniz-Institut für Polymerforschung, Dresden (IPF, organische Halbleiter), Leibniz-Institut für Neue Materialien, Saarbrücken (INM, nanostrukturierte Schichten), Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung, Dresden (IFW), Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) Astrophysikalisches Institut Potsdam (AIP), Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel (IFM-GEOMAR), Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (KIS) Fachinformationszentrum Karlsruhe, Karlsruhe (FIZ K); Fachinfomationszentrum Chemie; Berlin (FIZ C) Mathematisches Forschungsinstitut, Oberwolfach (MFO), Internationales Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik Schloss Dagstuhl (IBFI) 68 ■ ■ IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS RWTH Aachen gegründete „German Research School for Simulation Science“. Diese Initiative stellt ein neuartiges Ausbildungskonzept für besonders begabte Master- und Promotionsstudenten dar; ein Supercomputerzentrum als Teil des deutschen Gauß-Centrums am Forschungszentrum Jülich mit Unterstützung der Bundesregierung und des Landes Nordrhein-Westfalen betreiben; ein Helmholtz-Grid aufbauen, in der Absicht, weitere Communities an das Thema Grid-Computing heranzuführen, die Community-Bildung anzustoßen sowie sich für die Weiterentwicklung und den nachhaltigen Betrieb des D-Grid zu engagieren. Forschungszentrum Jülich (FZJ) Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) befasst sich mit IKT im Wesentlichen innerhalb seines Forschungsschwerpunktes „Information“. Das FZJ sieht seine Rolle in diesem Zusammenhang bei den Querschnittstechnologien in der Erforschung von zukünftigen und innovativen nanoelektronischen Systemen für die Informationstechnik und im Bereich des Supercomputings. Bei der Mehrzahl aller zukünftigen Anwendungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien werden höhere Rechenleistungen und Speicherkapazitäten der elektronischen Systeme notwendig sein als derzeit verfügbar sind. Dies zudem vor dem Hintergrund, dass in den nächsten 10 – 15 Jahren die augenblickliche höchst-integrierte CMOS-Technologie absehbar an ihre technischen und ökonomischen Grenzen stoßen wird. Deshalb forscht das FZJ sowohl an Konzepten, welche die CMOS-Technologie an ihre ultimativen Grenzen bringen („Advanced CMOS“), als auch an alternativen Technologien, die mit höherer Rechenleistung und geringerem Leistungsverbrauch die bisherige Siliziumtechnologie ergänzen sollen („Beyond CMOS“). Durch Gründung eines gemeinsamen Zentrums mit der RWTH Aachen, das alle physik- und technologieorientierten IKT-Institute des FZJ und der RWTH umfasst und welches eine Technologie-Plattform als User Facility betreiben will, wird ein weiterer, bedeutender Ausbau der Forschungskapazität und eine erhebliche Bündelung der Kräfte erreicht. Neben der Nanoelektronik ist der zweite große Schwerpunkt in Jülich das Supercomputing und – in verschiedenen zentralen Bereichen in Kooperation mit dem FZK – das Thema „Grids für Simulation Science“. Simulation und Datenauswertung auf Supercomputern („Capability“) und in GridInfrastrukturen („Capacity“) sind heute eine unabdingbare Methodik bei der Lösung komplexester Fragen in Wissenschaft, Technik und Industrie. Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) Im Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) sind es im Wesentlichen die drei Institute für Angewandte Informatik (IAI), für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik (IPE) und für Wissenschaftliches Rechnen (IWR), die sich als zentrale Arbeitsschwerpunkte mit IKT-Themen beschäftigen. Hier sind es insbesondere die Virtualisierung von IKT-Ressourcen, das Ressource-Brokering in Grids sowie die Simulation und Leistungsbewertung von Rechenressourcen und die Zusammenschaltung heterogener IKT-Infrastrukturen in weiträumig verteilten Computing- und Daten-Grids. Weitere Themen sind parallele und verteilte Systeme und Datenstrukturen, das Datenmanagement sowie Netzwerke und Kommunikationsstrukturen und die Entwicklung ausgewählter Middlewarekomponenten. Deutsches Zentrum für Luftund Raumfahrt e.V. (DLR) Im Forschungsbereich „Verkehr und Weltraum“, der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) getragen wird, ist die IKT-Forschung überwiegend im Institut für Kommunikation und Navigation konzentriert. Das Institut befasst sich mit den Themen Satellitenkommunikation, optische Freiraumkommunikation, aeronautische Kommunikation, terrestrische Kommunikation und insbesondere auch mit der Navigation (speziell im Zusammenhang mit dem europäischen Satellitennavigationssystem GALILEO) sowie mit Diensten, die sich aus diesem Kontext heraus ergeben. Schwerpunkte der Aktivitäten sind neue Systemkonzepte, Übertragungsverfahren und Protokolle zur mobilen und breitbandigen Multimediakommunikation über Satellit einerseits und der allgemeinen Kommunikationsfähigkeit durch „Satellite Messaging“ andererseits. Zielsetzung ist es, neue Dienste durch effizientere und besonders angepasste Verfahren zu ermöglichen. 5.5 Nachwuchs, Fach- und Führungskräfte Der internationale Wettbewerb ist nicht nur ein Wettbewerb um Kosten, sondern auch um Köpfe. Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sowohl der IKT-Branche selbst als auch der in Deutschland starken Branchen, in denen Innovationen zu einem hohen Maße IKT-getrieben sind, sind in zunehmendem Maße auf hoch qualifizierte Fachkräfte und Nachwuchs angewiesen. Die Verfügbarkeit von Fachkräften und Nachwuchs wird allerdings zu einem kritischen Erfolgsfaktor für den Standort Deutschland: Jedes Jahr verlassen bis zu 10.000 IKT-Fachkräf- IKT-POLITIK AUS EINEM GUSS te weniger die Hochschulen, als benötigt werden. Beim ITGipfel der Bundeskanzlerin im Dezember 2006 war deshalb die einhellige Meinung, dass die Problematik des Fachkräfteund Nachwuchsmangels stärker als bisher bei der Ausgestaltung innovations- und investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen aufgegriffen werden muss. Gleichzeitig gelte es, alle Ebenen, die berufliche Ausbildung, das Studium und die Weiterbildung, besser auf die zentralen Optionen für die weitere IKT-Entwicklung auszurichten. Dies beinhaltet, System- und Prozessorientierung sowie Innovationsfähigkeit in den Mittelpunkt zu stellen und dabei zu mehr integrativen, interdisziplinären oder sogar transdisziplinären Bildungsmodellen überzugehen, die in einer Strategie lebenslangen Lernens verankert sind. Eine Veränderung der Situation bei Fachkräften und Nachwuchs im IKT-Bereich lässt sich nur durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen erreichen. Aus Sicht der Arbeitsgruppe „Hightech-Strategie für die Informationsgesellschaft“ müssen die Ziele des gemeinsamen Handelns von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sein: ■ ■ ■ ■ ■ ein technikfreundliches gesamtgesellschaftliches Klima schaffen, dass die Begeisterung für Zukunftstechnologien weckt; die Anzahl von IKT-Fachleuten durch verstärkte Anstrengungen im Bereich Erstausbildung/Weiterbildung erhöhen; Erhöhung des Anteils von Frauen in den IKT-Berufen; durchgängige Angebote zur effektiven IKT-Nutzung von der Schule bis zum Beruf sowie für die Aus- und Weiterbildung von IKT-Nutzern schaffen; die Attraktivität Deutschlands für die weltweit besten Köpfe durch sichtbare Exzellenz und vereinfachten Zugang (Zuwanderungsrecht) erhöhen. Derzeit gibt es umfangreiche Aktivitäten und Maßnahmen mit dieser Zielrichtung: Allen voran sind hier vom BMBF geförderte Vorhaben (vgl. Aktionsplan iD2010) und die beim IT-Gipfel vereinbarten Initiativen zu nennen. Eine Gesamtstrategie und ein durchgängiges Konzept stehen bisher aber noch aus. Im Rahmen des Follow-up-Prozesses zum IT-Gipfel gibt es aber seitens Wissenschaft, Wirtschaft und Politik erste Ansätze, die Vielzahl von Einzelmaßnahmen zu bündeln und zu einem kohärenten Ganzen zusammenzuführen. Es gilt dann, die IKT-Forschungspolitik eng mit der Gesamtstrategie zu Nachwuchs, Fach- und Führungskräften im IKTBereich zu verzahnen. Neben der Verzahnung mit bestehenden können aus IKT 2020 heraus aber auch neue Initiativen und Prozesse zur Verbesserung der Situation bei Nachwuchs, Fach- und Füh- 69 rungskräften angestoßen werden. Ausgangspunkt hierfür sind der im Rahmen von Leitinnovationen, Technologieverbünden und Dienstplattformen identifizierte Nachwuchs-, Fach- und Führungskräftebedarf immer dann, wenn sich der Bedarf bzw. die konkrete Problemstellung auch über die spezifische Kooperation (von Wissenschaft und Wirtschaft) hinaus stellt. 70 FINANZMITTEL FÜR IKT 6. Finanzmittel für IKT 20 IKT-Projektförderung des BMBF (Forschung; Haushaltsplanung) Titel Vernetzte Welt, Nanoelektronik, Softwaresysteme, Mikrosystemtechnik 2007 2008 2009 2010 2011 Summe 287,0 292,0 293,0 299,3 308,3 1.479,6 IKT-Projektförderung des BMWi (Forschung; Haushaltsplanung) Titel 2007 2008 2009 2010 2011 Summe Multimedia, Theseus, IKT-Anwendungen 60,8 71,2 87,0 87,5 73,0 379,5 IKT-Institutionelle Förderung des BMBF im Zeitraum 2007 – 2011 (Plan- und Schätzwerte) Summe 120 750 190 420 260 1.740 MPG FhG WGL HGF DFG Gesamtmittel des BMBF im Bereich IKT-Forschung Summe IKT-Projektförderung IKT-institutionelle Förderung 20 Alle Angaben gerundet in Mio. Euro. 1.480 1.740 3.220 OPERATIVE UMSETZUNG DES FÖRDERPROGRAMMS 71 7. Operative Umsetzung des Förderprogramms Grundlage für die Förderung im IKT-Bereich im Rahmen der direkten Projektförderung sind die im Abschnitt 4.1 dargestellten strategischen Instrumente sowie der in den Abschnitten 4.2 und 4.3 abgesteckte thematische Rahmen. Gefördert werden vorrangig an der Innovations- und Wertschöpfungskette ausgerichtete Verbundprojekte zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen, d. h. industriegeführte Forschungsvorhaben, in die universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gezielt einbezogen werden. Eine Förderung von Einzelvorhaben sowie von Verbundvorhaben allein zwischen wissenschaftlichen Partnern ist nur in Ausnahmefällen möglich. Sowohl Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft (mit Sitz und überwiegender Ergebnisverwertung in Deutschland) als auch Hochschulen, Großforschungseinrichtungen und andere FuE-Institutionen können sich an diesem Pro- gramm beteiligen. Die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen ist ausdrücklich erwünscht. Das BMBF ist darüber hinaus bestrebt, den Anteil der Fachhochschulen in der Forschungsförderung zu erhöhen. Aktuelle Bekanntmachungen zu einzelnen Förderschwerpunkten werden im Bundesanzeiger veröffentlicht und über die Internetseiten der Förderinstitutionen verbreitet. Mit diesen werden die Fördermodalitäten bzw. -regularien verbindlich festgelegt. Bei der Begutachtung wird das BMBF von unabhängigen Experten (aus Wissenschaft und Wirtschaft) unterstützt. Die Förderentscheidung trifft das BMBF. Zur fachlichen und administrativen Betreuung von FuE-Förderprojekten beauftragen das BMBF und das BMWi Projektträger. Diese beraten Antragsteller und begleiten die Durchführung der Projekte bis zu ihrem Abschluss. Informationen zur Förderung durch das BMBF erteilen die Auskunftsstelle BMBF-Förderung sowie speziell für IKT (BMBF, BMWi) Forschungszentrum Jülich GmbH Förderberatung des BMBF beim Projektträger Jülich Wallstr. 18 10179 Berlin Tel: 0800 – 262-3008 Fax: 030 – 20199-470 E-Mail: [email protected] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Projektträger im DLR - Informationstechnik Linder Höhe 51147 Köln Tel. 02203 – 601-2862 Fax: 02203 – 601-2842 E-Mail: [email protected] 72 WEITERE NÜTZLICHE INFORMATIONEN 8. Weitere nützliche Informationen Informationen der Bundesregierung http://www.bundesregierung.de Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. http://www.bdi-online.de Informationen des BMBF http://www.bmbf.de BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. http://www.bitkom.org BMBF-Informationen zur Hightech-Strategie für Deutschland http://www.bmbf.de/de/6608.php ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. http://www.zvei.org BMWi-Informationen zu Informationsgesellschaft Deutschland 2010 http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Technologieund-Innovation/informationsgesellschaft.html VDMA – Verband Deutscher Maschinenund Anlagenbau e.V. http://www.vdma.org BMBF-Informationen zu Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation http://www.bmbf.de/press/1505.php VDE – Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. http://www.vde.com BMBF-Informationen zur Forschung für die zivile Sicherheit http://www.bmbf.de/de/6293.php VDI – Verein Deutscher Ingenieure http://www.vdi.de BMBF-Informationen zur Nanotechnologie http://www.bmbf.de/de/nanotechnologie.php Max-Planck-Gesellschaft http://www.mpg.de BMBF-Informationen zu Optischen Technologien http://www.bmbf.de/de/3591.php Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung e.V. http://www.fraunhofer.de BMBF-Informationen zur Mikrosystemtechnik http://www.bmbf.de/de/5701.php Helmholtz-Gemeinschaft http://www.helmholtz.de BMBF-Informationen zur Werkstoffforschung http://www.bmbf.de/de/3738.php Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. http://www.wgl.de BMBF-Informationen zur Produktionsforschung http://www.bmbf.de/de/686.php Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V. http://www.dfg.de Deutsches Portal zum 7. Forschungsrahmenprogramm der EU http://www.forschungsrahmenprogramm.de Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz http://www.dfki.de Förderdatenbank des Bundes im Internet http://www.foerderdatenbank.de Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) http://www.gi-ev.de Feldafinger Kreis http://www.feldafinger-kreis.de Münchner Kreis – Übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung e.V. http://www.muenchner-kreis.de GLOSSAR 73 9. Glossar 4G auch als „Beyond 3G“ bezeichnet, steht für die Weiterentwicklung der mobilen Kommunikation über die dritte Generation (UMTS „3G“; HSDPA- „3,5G“) hinaus. Aktuatoren (auch Aktoren genannt) bezeichnen in der Steuer- und Regelungstechnik das wandlerbezogene Gegenstück zu Sensoren und bilden das Stellglied in einem Regelkreis. Auto-ID- bzw. Trackingtechnologien Logische Prozesse mit intelligenten Objekten basierend auf Sensornetzen und anderen automatischen Identifikationssystemen und einer Technologie der dynamischen Zuordnung. Backbone Hauptstränge eines Netzwerks (Hauptnetz) mit hoher Bandbreite, die kleinere Teilnetze verbinden. Bioanaloge Informationsverarbeitung Nachbildung der Eigenschaften biologischer Informationsverarbeitungssysteme (z. B. Gehirn, Immunsystem) in technischen Systemen. Biometrie Identifizierung einer Person durch Körpermerkmale wie beispielsweise Fingerabdruck oder Gesichtsform. Carbon Nano-Tubes Kohlenstoffnanoröhren sind mikroskopisch kleine röhrenförmige Gebilde aus Kohlenstoff mit entweder halbleitenden oder leitenden Eigenschaften. Clean slate – Ansätze Ansätze zum radikalen Neuentwurf der technologischen Basis des Internet, die auch Sicherheitsaspekte beinhalten sollen. CMOS (Complementary Metal Oxid Semiconductor) Halbleitertechnologie, die hauptsächlich für integrierte Schaltkreise verwendet wird. Composite Applications Composite Applications ist eine Vorgehensweise in der Software-Entwicklung, bei der eine Anwendung auf Basis der Kombination multipler Dienste und deren Funktionalitäten definiert wird. Daten-Repositorien Verzeichnisstruktur oder Datenbank, die Datenobjekte und deren Methoden zur Datentransformation enthält. Repositorien werden unter anderem zum Versionsmanagement verwendet. Drug-Delivery Medikamente/Wirkstoffe sollen im Körper so transportiert werden, dass sie unter Überwindung biologischer Barrieren an ihrem Bestimmungsort zum Einsatz kommen können. Echtzeitfähigkeit Fähigkeit eines Systems, auf Eingaben aus der Systemumwelt innerhalb von definierten Zeitlimits zu reagieren. EDA Electronic Design Automation (EDA) ist ein rechnergestützter Entwurf integrierter Schaltungen und Systeme, wobei nicht die Entwurfsobjekte (Schaltungen), sondern die Entwurfsmittel (Werkzeuge) im Vordergrund stehen. ERA-NET European Research Area Networks, strategischer Forschungsansatz der Europäischen Kommission zur Forschungsförderung auf EU-Ebene. Erweiterte Realität computergestützte Überlagerung der Realitätswahrnehmung mit virtueller Information. ETP Europäische Technologieplattform, Zusammenschluss der wichtigsten Akteure aus dem jeweiligen Forschungsgebiet auf EU-Ebene mit dem Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. EUV „Extremes Ultraviolett“ ermöglicht die Fortführung der optischen Lithographie. Fahrerassistenzsystem Fahrerassistenzsysteme sind elektronische Zusatzeinrichtungen in Kraftfahrzeugen zur Unterstützung des Fahrers in bestimmten Fahrsituationen. FinFET-Transistor Das Fin Field Effect Transistor Design (FinFET) basiert auf einer dünnen, vertikalen "Siliziumlamelle" (s. SiliziumFinne). Ein solches Design ermöglicht es, neue Chips mit mehr Leistung und immer kleineren Maßen herzustellen. 74 Fiber-to-the-Home Abkürzung FTTH. Bei der FTTH-Technik wird mittels Glasfaser der Anschluss von der Ortsvermittlungsstelle bis zum Teilnehmer geführt. GMR „Giant Magneto Resistance“, Riesen-Magnetwiderstand beruht auf quantenmechanischen Eigenschaften, die in dünnen Filmstrukturen aus abwechselnd ferromagnetischen und nichtmagnetischen Schichten beobachtet werden. Graphen-Schichten Monomolekulare Graphit-Schichten, die halbleitende Eigenschaften aufweisen. Grid Leitet sich ab vom englischen Begriff für das Stromnetz („power grid“) und bedeutet, dass jeder angeschlossene Nutzer eine „Leistung“ auf einfache Art beziehen kann, ohne die vollständige Infrastruktur zur Erzeugung und Weiterleitung besitzen zu müssen. Für den Bereich IKT umfasst diese Leistung z. B. den Zugriff auf Hochleistungsrechner, Datenbanken, Software und Messinstrumente/Maschinen/Werkzeuge. GSM Global System for Mobile Communications (GSM). Digitaler Mobilfunk-Standard für Mobilfunknetze, der 1992 in Deutschland eingeführt wurde. GLOSSAR JTI Joint Technology Initiative, Europäische Technologieplattformen können sich zu JTIs formieren und damit Fördergelder auf ihrem speziellen Gebiet vergeben. Das Budget setzt sich aus Fördermitteln der Industrie, der Europäischen Kommission und nationalstaatlicher Förderung zusammen. Lab-on-Chip Systeme „Lab-On-Chip Systeme“ bilden neue Verfahren zur Handhabung, Messung und Analyse von biologischen Objekten. Maskentechnologie beschäftigt sich mit der Herstellung von Belichtungsmasken für die Halbleiterproduktion (Prozessoren, Speicherchips etc.). MEDEA Microelectronics Development for European Applications, von der Industrie initiiertes, pan-europäisches Programm für kooperative Forschung und Entwicklung in der Mikroelektronik. MEMS MEMS (Micro-Electro-Mechanical System) ist die Kombination aus mechanischen Elementen, Sensoren, Aktuatoren und elektronischen Schaltungen auf einem Substrat bzw. Chip. HSDPA HSDPA steht für „high speed downlink packet access“ und ist eine Erweiterung des UMTS-Standards, um im Datenverkehr (Internetzugriff etc.) in Mobilfunknetzen höhere Übertragungsgeschwindigkeiten (im „Downlink“, d. h. vom Sender zum Enduser), zu erzielen. MIMO (multiple input multiple output) Beim MIMO-Verfahren handelt es sich um ein Mehrantennensystem, bei dem die gleichen Funkfrequenzen gleichzeitig über ein Antennen-Array gesendet und von einem Mehrantennensystem empfangen werden. Immersionslithografie Optisches Verfahren in der Halbleiterfertigung, mit dem die Abbildungsgenauigkeit der Projektion verbessert wird. Mixed Reality Systeme Umgebungen oder Systeme, die die reale Welt mit einer virtuellen Realität vermischen. Intelligente Implantate Intelligente Implantate sind in der Lage, Informationen über den Heilungsverlauf sowie den Zustand des Implantats drahtlos aus dem Körperinneren zu übertragen. MP3 MP3 (Abkürzung für MPEG-1 Audio Layer 3) ist ein Dateiformat zur verlustbehafteten Audiodatenkompression. Dabei wird versucht, keine für den Menschen hörbaren Verluste zu erzeugen. ITEA Information Technology for European Advancement, strategisches pan-europäisches Programm für fortgeschrittene, vor-wettbewerbliche FuE in der Software für softwareintensive Systeme und Dienstleistungen. MRAM Magneto-resistive Random Access Memory (MRAM) ist eine nichtflüchtige Speicher-Technik. Speicher-Chips behalten ihre gespeicherten Daten auch nach dem Abschalten der Energieversorgung. GLOSSAR MRT Magnetresonanztomographie (MR, MRT); Tomographie ist ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung von Strukturen im Inneren des Körpers. Die Magnetresonanztomographie nutzt magnetische Felder, keine Röntgenstrahlen. Nanotechnologie Von „Nano“-Technologie wird gesprochen ab dem Einzelatom bis zu einer Strukturgröße von 100 Nanometern (nm). Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter. Diese Größenordnung bezeichnet einen Grenzbereich, in dem die Oberflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften der Materialien eine immer größere Rolle spielen und zunehmend quantenphysikalische Effekte berücksichtigt werden müssen. NEMS Nano-elektromechanische Systeme. Beispiele: Nanorotor, ein Nanotransportband, eine Nanohydraulik. OFDM Orthogonal Frequence Division Multiplexing „OFDM“ ist eine Frequenzmultiplex-Technik, die mehrere Trägerfrequenzen für die Übertragung verwendet. Durch das Unterteilen des zur Verfügung stehenden Frequenzbandes in mehrere Trägerbänder wird eine höhere Übertragungsrate erzielt. Organische Bauelemente Die Entdeckung von elektrisch hochleitfähigen Polymeren führte zu einem enormen weltweiten Interesse an organischen Halbleitern und deren Verwendung in der Elektronik und Optoelektronik. Quality of Service bezeichnet die Gesamtheit der Qualitätsmerkmale eines Netzwerks aus der Sicht der Benutzer eines bestimmten Dienstes (Verkehrsgüte, Übertragungsgüte etc.). Quantenbits sind die kleinstmögliche Speichereinheit in der Quanteninformatik; sie bilden die Grundlage für Quantencomputer und die Quantenkryptografie. RFID RFID (radio frequency identification) dient der berührungslosen, automatischen und eindeutigen Identifikation von Gütern. Die hierfür notwendigen „Transponder" sind kleine Chips, die wie Etiketten an Waren angebracht oder in Gegenstände integriert werden und berührungslos und ohne Sichtkontakt gelesen werden können. 75 Router Ein Router ist ein Vermittlungsrechner, der mehrere Rechnernetze koppelt. Semantik/Semantic Web Erweiterung des World Wide Web, die es ermöglichen soll, Inhalte aufgrund ihres Bedeutungsinhalts (Semantik) zu finden. Service-Engineering Systematische Entwicklung und Gestaltung von Dienstleistungsprodukten unter Verwendung geeigneter Vorgehensmodelle, Methoden und Werkzeuge. Smart-Card Chipkarte mit integriertem Mikroprozessor und Datenspeicher. SOA Service Oriented Architecture, Managementkonzept, das eine an den Geschäftsprozessen orientierte IKT-Infrastruktur anstrebt, die schnell auf Veränderungen im Geschäftsumfeld reagieren kann. Spintronik Forschungsgebiet, welches die Nutzung des Elektronenspins (engl. spin: Drehung, Drall) zur Erweiterung der Funktionalität von Chips zum Ziel hat. UMTS Das Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) ist das 1998 von der ETSI (European Telecommunications Standards Institute) standardisierte Mobilfunksystem der dritten Generation (3G). VR Virtuelle Realität, Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer computergenerierten, interaktiven, virtuellen Umgebung (Beispiel: Fahrsimulator). WLAN WLANs sind lokale Netze, die wireless (ohne Kabelverbindung) über Funkfrequenzen bzw. über Infrarotlicht arbeiten. Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unentgeltlich abgegeben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerberinnen/Wahlwerbern oder Wahlhelferinnen/Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift der Empfängerin/dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.