PDL praxis 02/2009: Rückstellungen
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PDL praxis 02/2009: Rückstellungen
pdl-praxis 02-2009 Was ist (aufgesparter) Urlaub und Krankheit wert? Die Bewertung von Über-/ Mehrstunden in Form von Rückstellungen Am Jahresende wird immer wieder die Frage gestallt: „Wie ist das Jahr gelaufen“? Welches betriebwirtschaftliche Ergebnis entsteht für den Pflegedienst? Spätestens dann müssen Sie sich fragen, ob Sie noch „Schulden“ bei den Mitarbeitern haben. Dies kann sein in Form von noch nicht genommenem Urlaub des abgelaufenen Jahres, oder in Höhe der noch bestehenden Über-/ Mehrstunden oder in Höhe des Zeitguthabens auf Seiten der Mitarbeiter. Diese „Schulden“ gilt es „Geldwert“ zu berechnen. Das ist notwendig, um … • exakte monatliche Betriebsergebnisse feststellen zu können. • in der Gewinn- und Verlustrechnung tatsächlich die Erträge und Aufwendungen dem richtigen Jahr und dem „Erfolg“ dieses Jahres richtig zuordnen zu können. In der Bilanz ist dann ersichtlich, wie viele „Schulden“ (= Rückstellungen) der Pflegedienst noch gegenüber den Mitarbeitern hat. Rückstellungen sind von der Definition her „Verbindlichkeiten in ungewisser Höhe, zu einem nicht exakt zu bestimmenden Zeitpunkt.“ Sie sollten die Rückstellungen als Aufwand dem Jahr (oder noch besser: dem richtigen Monat) zurechnen, in dem sie entstanden sind. Über-/ Mehrstunden leisten die Pflege-Mitarbeiter dann, wenn sie die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreiten. Diese ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifrecht. Die richtigen Stunden für die Berechnung des Wertes der Über- bzw. Mehrstunden verwenden Um sicherstellen, dass Sie mathematisch richtig rechnen, dürfen Sie nicht die übliche Kalkulation der Kosten anwenden (Diese würde mit den C- oder den D-Stunden erfolgen). Für den Wett einer Über-/ Mehrstunde oder „einer Stunde Urlaub“ ist es richtig, für die Berechnung die arbeitsvertraglichen Stunden zu verwenden. No. 02 2009 pdl-praxis - Bewertung von Über und Mehrstunden © 2009 Thomas Sießegger Seite 1 Differenzierung der Stunden Differenzierung der Qualifikationen A = bezahlte Arbeits-Stunden (inkl. Urlaub und Krankheit) 1.) examinierte Pflegefachkräfte mit 3-jähriger Ausbildung B = Anwesenheits-Stunden der Mitarbeiter 2.) Pflegekräfte mit 1-jähriger Ausbildung C = Einsatz-Stunden der Mitarbeiter (ohne Organisationszeiten, jedoch mit Fahrt- und Wegezeiten) 3.) Pflegekräfte (un- und angelernt) 4.) Zivildienstleistende, Mitarbeiter im FSJ o.ä. D = direkte Zeit beim Kunden Berechnung des Wertes der Über- bzw. Mehrstunden Mithilfe der Differenzierung bei den Stunden der Mitarbeiter und den Qualifikationen kann nun der Wert der Über-/ Mehrstunden (und/oder des Urlaubs) kalkuliert werden. Die ganz einfache Berechnung (Formel) lautet: Beispiele: 1.) Die kompletten der Arbeitgeber-BruttoPersonalkosten des Vorjahres der Mitarbeiter werden ermittelt. ex. Pflegefachkräfte, Personalkosten im Jahr 2008: ........... 543.210 € 2.) Die arbeitsvertraglichen Stunden des Vorjahres werden ermittelt (= A-Stunden) A-Stunden der ex. Pflegefachkräfte im Jahr 2008: .......... 21.260 Std. 3.) Der Wert 1.) wird durch 2.) dividiert. 543.210 € 21.260 Std. 4.) Das Ergebnis wird jeweils mit den durchschnittlichen Kostensteigerungen dieses Jahres multipliziert. Angenommen, die Personalkosten-Steigerung wird im Jahr 2009 voraussichtlich im Durchschnitt 3,5% betragen, so lautet die abschließende Berechnung: = 25,55 € / Std. 25,55 € / Std. x 1,035 = 26,44 € / Std. Diese Berechnung wird 4-fach durchgeführt, für jede Qualifikation ein Mal, mit den jeweiligen Werten. Dabei können z.B. die PersonalkostenSteigerungen durchaus unterschiedlich sein. Fortan wird mit diesen Werten für die Berechnung des Wertes von Rückstellungen gerechnet. Das kann für das Jahr 2009 sogar monatlich erfolgen. No. 02 2009 pdl-praxis - Bewertung von Über und Mehrstunden © 2009 Thomas Sießegger Seite 2 Praxis-Tipps zur Umrechnung von Stunden in Rückstellungen (1) Berechnen Sie die Rückstellungen nicht erst zum Ende des Jahres, sondern schon während der Monate des Jahres. (2) Differenzieren Sie die Personalkosten pro Stunde in verschiedene Qualifikationen, am besten so viele Differenzierung, wie Sie unterschiedliche Lohnhöhen haben. (3) Verwenden Sie die mathematisch und logisch „richtigen“ Stunden, nämlich die arbeitsvertraglichen Stunden, oder die Stunden, die im Rahmen der Lohnfortzahlung für die Bewertung der Über-/ Mehrstunden relevant sind. (4) Für die Berechnung von Rückstellungen ist es sogar möglich, die Division der Personalkosten durch die A-Stunden mit den individuellen Werten der einzelnen Mitarbeiter durchzuführen (wichtig: Im Rahmen der Personal-Einsatz-Planung sollte das nicht gemacht werden!) (5) Schlagen Sie den Stundensätzen (auf Basis der arbeitsvertraglichen Stunden) keine Overheadkosten zu, dies wäre mathematisch falsch. (6) Nicht genommene Urlaubstage können auch in Tagen berechnet werden (nicht in Stunden): Dazu wäre vorab jedoch eine Berechnung notwendig: Personalkosten dividiert durch Tage. Es ist jedoch einfacher, für alle Sachverhalte immer mit der gleichen Einheit zu rechnen, nämlich mit Stunden. BWL-Lexikon Überstunden und Mehrstunden Im Arbeitszeitgesetz gibt es die Begriffe Über- bzw. Mehrstunden nicht. Mehrarbeit ist daher eine Frage der vertraglichen Arbeitszeit. Überstunden liegen i.d.R. dann vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschritten wird. Für den Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob Überstunden mit einem höheren Entgelt - einem so genannten Überstundenzuschlag - zu vergüten sind. Mehrarbeit liegt bei Überschreitung der individuellen vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit vor. Ob Über-/Mehrstunden entstehen kann in Wochen, Monaten, Quartalen oder ganzen Jahren berechnet werden (z.B. bei der so genannten Jahresarbeitszeit). Bsp.: Hat eine Mitarbeiterin einen Arbeitsvertrag über 33 Std./Wo., sie arbeitet diese Woche 41,0 Stunden, so hat sie 5,5 Mehrstunden und 2,5 Überstunden (wenn ein Vollzeitarbeitsplatz mit 38,5 Std./Wo. bewertet wird). No. 02 2009 pdl-praxis - Bewertung von Über und Mehrstunden (7) Wenn während eines Zeitraums Über-/ Mehrstunden entstehen werden diese als Aufwendungen aus der Zuführung zu Rückstellungen gebucht. Sie erhöhen die evtl. schon bestehenden Rückstellungen. (8) Wenn Über-/ Mehrstunden abgebaut werden (z.B. in Form von Freizeitausgleich) entstehen Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen: Diese werden den von den Personalkosten abgezogen. Diese verringern die bestehenden Rückstellungen. (9) Wenn Sie es ganz genau machen wollen, und die „wahren Monatsergebnisse“ sehen möchten, müssen Sie den über die Rückstellungen modifizierten Personalkosten die Erträge gegenüberstellen. Da aber die Monate eine unterschiedliche Anzahl von Tagen haben, müssen Sie diese bei den Erträgen dann gewichten, z.B.: Januar: Erträge dividiert durch 31, multipliziert mit 30,42 Tagen Februar: Erträge dividiert durch 28, multipliziert mit 30,42 Tagen usw. Diese gewichteten Erträge können Sie nun den um Rückstellungen bereinigten Aufwendungen gegenüberstellen. (10)Berücksichtigen Sie die Veränderung des Wertes der Über-/ Mehrstunden auch in Ihrem monatlichen Kennzahlensystem. Thomas Sießegger Dipl. Kfm., Organisationsberater und Sachverständiger für ambulante Pflegedienste Internet: www.siessegger.de Email: [email protected] © 2009 Thomas Sießegger Seite 3