Lohndrückerei in den USA

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Lohndrückerei in den USA
Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE – 15. Sept. 2014
Lohndrückerei in den USA
Da könnte man in Europa neidisch werden: In den USA geht es mit der Wirtschaft steil
bergauf, Monat für Monat werden Hunderttausende neue Jobs geschaffen, die Arbeitslosenrate fällt und fällt. Alles toll? Nicht ganz. Denn der Aufschwung geht an jenen vorbei,
für die er da sein sollte: den Beschäftigten. Und das hat etwas mit dem gerühmten USArbeitsmarkt zu tun.
In den USA wird man nicht müde, auf die eigenen Erfolge zu verweisen. Im zweiten Quartal
wuchs die Wirtschaft aufs Jahr hochgerechnete
um vier Prozent, während die EuroWirtschaftsleistung quasi stagnierte. Die Arbeitslosenrate ist von ihrem Hoch bei fast zehn Prozent auf rund sechs Prozent gefallen, in der Euro-Zone ist sie fast doppelt so hoch. Die USIndustrie produziert inzwischen ein Viertel mehr
als 2009, in der Euro-Zone beträgt das Plus nicht
mal zehn Prozent.
nehmer. Aufgrund ihrer schwachen Verhandlungsmacht konnten die Beschäftigten nur Lohnerhöhungen erreichen, die gerade mal die Inflation ausgleichen.
Erklärt wird der Erfolg der USA gerne mit dem
extrem „flexiblen“ Arbeitsmarkt – Heuern &
Feuern geschieht in den Vereinigten Staaten
rücksichtslos, kostensparend, ganz nach den
Bedürfnissen der Unternehmen. Die „geringe
soziale Absicherung sorgt für hohe Beschäftigungsanreize“, lobt die Deutsche Bank. Laut
OECD ist in keinem Industrieland der Arbeiter so
ungeschützt vor Entlassungen wie im „Land of
the Free“.
Schön ist das für die Unternehmer: Ihnen produzieren die Beschäftigte heute fast 80 Prozent
mehr als 1980. Der Normalhaushalt hat aber
kaum mehr Geld in der Tasche. Ganz übel sieht
es – wie immer – bei den Ärmsten aus: Das reale
Einkommen des untersten Fünftels der usamerikanischen Haushalte liegt noch unter dem
Wert von 1980. Die untersten 40 Prozent kommen bestenfalls auf eine Stagnation.
Seit Ende 2009 haben die us-amerikanischen
Unternehmen netto acht Millionen Stellen geschaffen. Allerdings hatten sie zwischen Ende
2007 und Ende 2009 auch neun Millionen Jobs
vernichtet.
Weniger Schutz und ein „schlankes“ Sozialsystem (Deutsche Bank) bedeuten: Die amerikanischen Beschäftigten sind erpressbar. Und das
bedeutet niedrige Löhne. Vor allem im Süden
der USA, wo die Politik dafür gesorgt hat, dass
die Beschäftigten „frei“ von Gewerkschaften
leben dürfen. So kostet die ArbeitnehmerStunde in Mississippi nur 17 Dollar – in Deutschland sind es 31, in Frankreich gar 34 Dollar. Da
siedeln sich auch deutsche Autokonzerne gerne
im amerikanischen Süden an.
Damit kommen wir zum aktuellen Problem. Zwar
ist die Wirtschaftsleistung der USA in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen, die
us-amerikanischen Beschäftigten arbeiteten
immer produktiver. Dieser Wohlstandszuwachs
jedoch floss komplett in die Taschen der Unter-
Und das ist kein neuer Trend im Land der unbegrenzten (Unternehmer-)Möglichkeiten: Das
mittlere US-Haushalts-Einkommen lag vergangenes Jahr bei 51.000 Dollar, rund 39.000 Euro –
und damit so hoch wie im Jahr 1989. 25 Jahre
ohne reales Einkommensplus – das ist schon
echt eine Leistung eines flexiblen Arbeitsmarkts.
Was hat das alles mit uns zu tun? Vieles. Gerade
in der Industrie wird die amerikanische Billiglohn-Konkurrenz härter. Seit 2009 sind die Lohnstückkosten in den USA um fünf Prozent gesunken. Die „Reindustrialisierung der USA“, so der
Kreditversicherer Euler-Hermes, basiert im Wesentlichen darauf, dass inzwischen „die Lohnstückkosten in den USA zu den niedrigsten in
den Industrieländern zählen“.
Bereits heute spüren die Beschäftigten den
Druck aus Übersee: So hat zum Beispiel Siemens
ein Sparprogramm über eine Milliarde Euro aufgelegt, die Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.
Grund: Siemens will seine Rentabilität verbessern. Maßstab ist dabei der US-Konkurrent General Electric, bei dem die Umsatzrendite mit 15
Prozent doppelt so hoch liegt wie bei Siemens.
Der Konkurrenzdruck dürfte zusätzlich angeheizt
werden, wenn die EU und die USA ihr Freihandelsabkommen TTIP beschließen. Dies ist ein
weiterer Grund, weshalb DIE LINKE dieses Abkommen ablehnt.