Korsika Paris Normandie schönste Küsten
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Korsika Paris Normandie schönste Küsten
DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN Nr. 51 · Sommer 2014 Frankreichs schönste Küsten Paris Die städtebaulichen Projekte der neuen Bürgermeisterin Korsika Spektakuläres Bonifacio Normandie Zu Besuch in Rouen Côte d’Azur Exotische Gärten entlang der Riviera Skandal Wie Waisenkinder von La Réunion verschleppt wurden Wein Die Wiederentdeckung des Muscadet www.frankreicherleben.de Deutschland 5,90 € Österreich 6,50 € Schweiz 9,60 CHF Frankreich & Benelux 7,00 € Italien 7,00 € FRANKREICHKALENDER Auf keinen Fall verpassen: Le voyage à Nantes Außerdem lohnenswert: 24-Stunden-Rennen von Le Mans Jeden Sommer erwacht Nantes zu noch mehr Leben als gewöhnlich. Selbst wenn die Sonne einmal nicht scheint, verströmt die Stadt dann ein Flair, von dem man schon bald nicht mehr genug bekommen kann. Es zahlt sich aus, dass die Hauptstadt der Pays-de-la-Loire seit 20 Jahren in ihre kulturelle und touristische Entwicklung investiert. Unter dem Begriff « Le voyage à Nantes » (dt. Die Reise nach Nantes) gruppiert sich eine ganze Reihe von Veranstaltungen: Installationen im öffentlichen Raum, Kunstausstellungen in diversen Gebäuden und die Entdeckung neuer Orte für die Kultur, die zu Treff punkten für die Menschen werden. Besucher können einer Linie auf dem Boden folgen, um so auf spielerische und poetische Weise über 40 Etappen die Stadt und dieses außergewöhnliche Event zu erkunden. Nantes wird damit zu einem Reiseziel, das man im Sommer nicht links liegen lassen sollte. « Le voyage à Nantes » findet dieses Jahr vom 27. Juni bis zum 31. August statt. www.levoyageanantes.fr · www.visitnantes.com Zum 82. Mal triff t sich der Motorsport zu diesem mythischen Rennen in Le Mans, das wegen seiner zeitlichen Länge zu den härtesten der Welt zählt. Le Mans, Circuit des 24h, 14. & 15.06.2014 www.24h-lemans.com Festival d’Avignon 1947 vom Schauspieler und Theaterintendanten Jean Vilar gegründet, ist das Festival von Avignon heute eines der wichtigsten Theaterfestivals der Welt. Immer im Juli verwandelt sich die Stadt in eine riesige Bühne. Plätze und historische Gebäude werden zu Spielstätten, die die Massen in Scharen anziehen. Über 130.000 Besucher kommen. Als bei den Kommunalwahlen im März der rechtsextreme Front National unerwartet in die Stichwahl kam, erklärte der Direktor des Festivals, Olivier Py, dass das Festival die Stadt verlassen würde, wenn der Front National im zweiten Wahlgang gewinne. Zum Glück ist es nicht so gekommen und Avignon kann weiterhin Theaterfans aus der ganzen Welt begrüßen. Dieses Mal wird das Festival vom 4. bis zum 27. Juli stattfinden. Hinsichtlich des Plakatmotivs der diesjährigen Ausgabe erklärte Olivier Py: « In einer steinernen Stadt wie Avignon stellen wir uns vor, dass aus den Mauern trotzdem Blüten sprießen können und dass jenseits des Alltags die Schönheit gewinnt. » www.festival-avignon.com 12 · Frankreich erleben · Sommer 2014 Die Gallier wecken seit Jahren die Neugierde von Wissenschaftlern und Geschichtsinteressierten. Das Musée Bargoin und das Musée d’art Roger Quilliot, die sich beide in Clermont-Ferrand befinden, vereinen ihre Kräfte und Erkenntnisse, um eine große Ausstellung über diesen mythenhaften Stamm auf die Beine zu stellen. Herausgekommen ist eine Exposition, die Archäologie und Kunstgeschichte miteinander verbindet und die sich fragt, wie die gallische Zivilisation die Gegenwart bestimmt. Die Ausstellung wird in den beiden Museen vom 20. Juni bis zum 23. November 2014 gezeigt. www.clermont-ferrand.fr Chagall, impressions Eine Ausstellung, die die Evolution von Chagalls Druckwerken aufzeigt und die verschiedenen vom Künstler verwendeten Techniken beleuchtet. Festival « Rues et Cie » Landesweit, 21.06.2014 www.fetedelamusique.culture.fr 37 Straßentheatergruppen, darunter auch einige aus Deutschland, verwandeln im Juni zum 31. Mal die Straßen von Epinal in ein großes Spektakel. Il était une fois l’Orient Express Epinal, 13. bis 15.06.2014 www.epinal.fr Pierre Soulages, Les Outrenoir(s) Die erste Ausstellung über Pierre Soulage im brandneuen Musée Soulages in seiner Geburtsstadt Rodez. Tumulte gaulois, réalités et représentations Fête de la Musique Das Thema der 31. Ausgabe des inzwischen international gefeierten Events anlässlich des längsten Tages des Jahres lautet « les musiques urbaines ». Die « urbanen Klänge » werden im ganzen Land zu hören sein, wenn wieder Hobbymusiker und Profis auf den Straßen der Städte und Dörfer musizieren. Rodez, Musée Soulages, 31.05. bis 05.10.2014 www.musee-soulages.grand-rodez.com Paris libéré, Paris photographié, Paris exposé Am 25. August 1944 wurde Paris vom Naziterror befreit. Zweieinhalb Monate später organisierte das Musée Carnavalet eine Fotoausstellung über die Befreiung. Zum 70. Jahrestag wird diese Exposition – ergänzt durch zusätzliche Fotografien – wiederholt. Paris, Musée Carnavalet, noch bis 01.03.2015 www.carnavalet.paris.fr Le Monde Aquatique de Lalique Eine Ausstellung, die zeigt, wie die Unter wasserwelt die Kreativität der Glasmacherfamilie Lalique beflügelt hat. Wingen-sur-Moder, Musée Lalique, bis 11.11.2014 www.musee-lalique.com In dieser Ausstellung dreht sich alles um einen der legendärsten Züge der Welt, den Orient Express, der einst Paris mit Istanbul verband. Paris, Institut du Monde Arabe, noch bis 31.08.2014 www.imarabe.org Jardins de châteaux à la Renaissance Am Beispiel des Schlossparks von Blois beleuchtet die Ausstellung den Zusammenhang zwischen Architektur und Gartengestaltung zur Zeit der Renaissance. Evian-les-Bains, Palais Lumière, noch bis 02.11.2014 www.ville-evian.fr Costumes de légendes Gezeigt werden 130 Kostüme aus den emblematischsten Auff ührungen der Oper von Lyon. Lyon, Musée des Tissus, noch bis 21.09.2014 www.mtmad.fr On aura tout vu Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Extravaganzen und den handwerklichen sowie technologischen Dimensionen der Mode. Calais, Cité internationale de la dentelle et de la mode, noch bis 31.12.2014 www.cite-dentelle.fr Festival Jazz à Vienne Blois, Château de Blois, 05.07. bis 02.11.2014 www.chateaudeblois.fr 34. Ausgabe eines der besten Jazzfestivals in Frankreich während dem auch zum zehnten Mal der renommierte Wettbewerb « le tremplin national du jazz » organisiert wird. ArtExpo Lourmarin Vienne, diverse Veranstaltungsorte, 27.06. bis 12.07.2014 www.jazzavienne.com Zum ersten Mal werden in Lourmarin im Süd-Lubéron die Werke von 50 zeitgenössischen Künstlern präsentiert, die sich bei ihrer Arbeit von der Region inspirieren ließen. Lourmarin, 11. bis 14.07.2014 www.carredartistes.com Festival des Francofolies Das wichtigste Festival französischsprachiger Musik feiert dieses Jahr sein 30. Jubiläum. La Rochelle, 10. bis 14.07.2014 www.francofolies.fr Sarkis, les pôles des Aimants Die Ausstellung des zeitgenössischen türkischen Künstlers Sarkis stellt die Geschichte illustrer Persönlichkeiten, die ihre letzte Ruhestätte im Pantheon gefunden haben, vor und vergleicht sie mit der von unbekannt gebliebenen Helden der lokalen Geschichte. Montbéliard, Musée du Château de Wurtemberg, noch bis 04.01.2015 www.montbeliard.fr Frankreich erleben · Sommer 2014 · 13 ART DE VIVRE Wein Muscadet Ein Wein voller Überraschungen Der Sommer ist eine gute Jahreszeit, um einen Wein zu entdecken, dem lange Zeit der Ruf nachhing, ein Wein ohne große Ambitionen zu sein. Die Rede ist vom Muscadet. Der trockene Weißwein aus der Gegend rund um Nantes ist längst viel mehr als ein simpler Tafelwein. Dank des Engagements der örtlichen Winzer wird der Muscadet inzwischen von den renommiertesten Weinkennern geschätzt. Es wird also Zeit, diesen edlen Tropfen neu zu bewerten. L iegt es an der Urgewalt des nahen Atlantiks oder schlicht an der Lust, einen guten Wein produzieren zu wollen? Wie auch immer, die Winzer am Ende des Loire-Tals haben es geschafft, Berge zu versetzen. Zumindest sinnbildlich. In relativ kurzer Zeit ist es ihnen gelungen, das Image ihrer Weine vollkommen umzukrempeln. Der Muscadet entwickelte sich von einem simplen Wein, der einst vor allem als Begleiter zu Austern empfohlen wurde, zu einem Tropfen, der von Önologen in den höchsten Tönen gelobt wird und vielfältig zum Einsatz kommt. Die Gegend rund um Nantes kann auf eine lange Weinbautradition zurückblicken. Weinstöcke wurden 84 · Frankreich erleben · Sommer 2014 dort bereits in der Antike und im Mittelalter angebaut. Die lokalen Klöster spielten eine wichtige Rolle dabei. Insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert sorgte der Weinhandel für einen gewissen Wohlstand in der Region. Durch den Hafen von Nantes konnten Weinflaschen und -fässer leicht exportiert werden. Dies entdeckten auch die Holländer, die damals schon eine große internationale Handelsmacht waren. Sie interessierten sich für den trockenen Weißwein aus der Gegend von Nantes, der ein Wein ohne große Ambitionen war und aus der Rebsorte « Melon de Bourgogne » gekeltert wurde. Der Name der Rebsorte entstand in Anspielung auf die runden, an Melonen erinnernden Blätter der Rebsorte und den Umstand, dass diese Weinstöcke im Mittelalter von burgundischen Winzern in den Westen Frankreichs gebracht wurden. Die Rebsorte zeichnete sich dadurch aus, dass sie sehr ergiebig war und somit für günstige Preise sorgte. Außerdem war sie sehr frostresistent. Die Weinberge überlebten sogar das Jahr 1709, als sibirische Verhältnisse mit bis zu minus 20 Grad den Ozean zufrieren und die Weinfässer wegen des gefrorenen Inhalts explodieren ließen. All diese Gründe schätzte man sehr in Amsterdam, wohin große Mengen des Weines exportiert wurden. Die Kehrseite der Medaille war jedoch, dass die Winzer durch den Erfolg eines simplen Weines nicht dazu angehalten wurden, auf Qualität zu achten. Es ging schlicht um die Masse. Doch der blühende Handel mit den Holländern währte nicht ewig und ein Unglück kommt selten allein: In den 1860er-Jahren wurde eine Reblaus aus den USA eingeschleppt, die die Weinstöcke der Winzer zerstörte. Der Weinanbau in der Region von Nantes befand sich in einer schweren Krise. Es folgten Jahre des Überlebenskampfes, in denen sich der Blick der Weinexperten immer mehr vom Muscadet abwendete, da er als unbedeutender Tafelwein eingestuft wurde, der keine größere Beachtung verdiente, bis die Winzer ihr Schicksal wieder beherzt in die Hand nahmen. Ein Grundstein dafür wurde bereits 1936 gelegt, als es möglich wurde, durch kontrollierte Herkunftsbezeichnungen (AOC) Weingebiete festzulegen und zu schützen. Dies war auch eine Chance, um die Vielfältigkeit der Muscadet-Weine zum Ausdruck zu bringen. Denn ein Weinstock auf Schieferböden erzeugt andere Aromen als etwa einer auf steinigen Böden. Der Muscadet unterteilt sich heute in die allgemeine Appellation « Muscadet » sowie in drei regionale Unterappellationen: « Muscadet Coteaux de la Loire », « Muscadet Sèvre-et-Maine » und « Muscadet Côtes de Grandlieu ». Bereits dies zeigt den Reichtum der Weingegend. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Muscadet ein nicht differenzierbarer Massenwein war. Die Winzer wollten aber noch mehr, um die Vielfältigkeit ihrer Produkte zu unterstreichen. Seit 2001 erscheinen auf einigen Etiketten die Namen der Kommunen, in denen die Weinstöcke wachsen. Drei davon wurden inzwischen vom nationalen AOC-Institut anerkannt: « Gorges », « Clisson » und « Le Pallet ». Diese Weine erfüllen ganz besondere Qualitätsansprüche. Sie lassen sich – anders als man es bei Muscadet-Weinen gewohnt war – auch lagern. Zudem treten durch die Reifung ganz neue Aromen in den Vordergrund. Außerdem haben sich die Winzer eine ganz spezielle Herstellungsmethode angeeignet, die in Fachkreisen als méthode nantaise bezeichnet wird. Danach wird der Wein nach der Gärung mindestens einen Winter lang nicht von seinem Bodensatz getrennt, wodurch er eine sehr charakteristische Note erhält. Dieser Ansatz geht auf eine alte Tradition zurück, bei der die Winzerfamilien ein Fass für besondere Anlässe für das nächste Jahr aufbewahrten. Rund zwei Drittel der Muscadet-Weine werden heute nach dieser Methode produziert. Man erkennt sie an dem Zusatz « sur lie » auf dem Etikett. So stellt sich die Auswahl für Weinliebhaber als sehr groß dar. Zwei bis drei Jahre alte Muscadet-Weine sind frisch und fruchtig und passen gut zu Fisch und Meeresfrüchten. Ältere, insbesondere, wenn sie den Zusatz « sur lie » tragen, überzeugen mit sehr komplexen und mannigfaltigen Aromen. Sie können an Honig, kandierte Früchte oder gegrilltes Brot erinnern. Einige besonders gute Jahrgänge (1997, 1999, 2002, 2005, 2009 oder 2010 zum Beispiel) bringen alle Eigenschaften mit, um 15 Jahre oder länger aufbewahrt zu werden. Sie werden von Feinschmeckern geschätzt und passen gut zu edlen Fischgerichten, besonderen Käsesorten oder Stopfleber. Was für ein Erfolg für die Winzer des Muscadet! Wurde ihr Wein früher eher missachtet, erfreut er sich inzwischen großer Anerkennung. 2012 entschied der ehemalige Bürgermeister von Nantes und bis vor kurzem amtierende Premierminister Jean-Marc Ayrault sogar, dass der Muscadet bei offiziellen Empfängen im Hôtel Matignon zum Ausschank kommt. Was für eine Auszeichnung für einen einst simplen Tafelwein. Wer diesen Wein bisher links liegen gelassen hat, sollte das diesen Sommer unbedingt ändern. Frankreich erleben · Sommer 2014 · 85