1 Spanende und Spanlose Bearbeitung von Kunstoffen

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1 Spanende und Spanlose Bearbeitung von Kunstoffen
1 Spanende und Spanlose Bearbeitung von Kunstoffen
Roman Seidl
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1 SPANENDE UND SPANLOSE BEARBEITUNG VON KUNSTOFFEN
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1.1 VERFAHRENSÜBERBLICK
1.2 SPANLOSE BEARBEITUNG VON KUNSTSTOFFEN
1.2.1 UMFORMEN 1.2.2 BIEGEN UND ABKANTEN VON TAFELN
1.2.3 BIEGEN UND AUFWEITEN VON ROHREN
1.2.4 STRECKFORMEN VON FOLIEN UND TAFELN
1.3 SPANENDE BEARBEITUNG VON KUNSTSTOFFEN
1.3.1 SCHNEIDEN, SÄGEN, TRENNEN
1.3.2 ABGRATEN, FEILEN, HOBELN
1.3.3 BOHREN, SENKEN
1.3.4 FRÄSEN
1.3.5 DREHEN
1.3.6 SCHLEIFEN
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Verfahrensüberblick
1.2 Spanlose Bearbeitung von Kunststoffen
1.2.1 Umformen Es können nur thermoplastische Kunststoffe umgeformt werden. Es werden
vorwiegend thermoplastische Kunststoff-Halbzeuge in Temperaturbereichen in
denen die Kunststoffe im thermoelastischen Zustand vorliegen umgeformt. Dies ist
also eine Warmumformung. Bei amorphen Thermoplasten, liegt die
Umformtemperatur oberhalb des Erweichungstemperaturbereiches. Wo hingegen
die Umformtemperatur bei teilkristallinen Thermoplasten im Kristallitschmelzbereich
liegt. Ein großer Vorteil der Warmumformung ist, daß nur kleine Kräfte aufgebracht
werden müssen, um eine große Umformung zu erreichen. Ein Nachteil ist allerdings,
daß die Umformkraft nach dem Umformen solange weiter auf das Werkstück
einwirken muß, bis es durch Einfrieren wieder in einen festen Zustand versetzt
worden ist. Wird das Werkstück wieder erhitzt werden die, beim Umformen
entstandenen, Spannungen und erzeugten Orientierungen der Kettenmoleküle
wieder frei und das Werkstück hat das Bestreben sich wieder in seine ursprüngliche
Form zurück zu verändern (z.B.: Joghurtbecher). Dieses Verhalten wird
Rückstellbestreben genannt.
1.2.2 Biegen und Abkanten von Tafeln
Das Biegen und Abkanten von Tafeln erfolgt als Warmumformung im thermo- oder
gummielastischen Temperaturbereich. Mit Heizelementen (mechanische Berührung),
Heizstrahlern oder Warmgas erfolgt die Erwärmung der umzuformenden Zone. Bei
dünnwandigen Tafeln (bis ca. 3 mm) genügt meist eine einseitige Erwärmung auf der
Biegezugseite. Ist die Tafeldicke größer muß beidseitig erwärmt werden.
Vorrichtungen, die zum Biegen und Abkanten verwendet werden sind zum Beispiel
aus Holz, Schichtpreßstoffen oder Metall, je nach der Anzahl der umzuformenden
Teile. Die Abkühlzeiten hängen von der Vorrichtung ab. So ist die Abkühlzeit bei
einer Vorrichtung aus Metall kürzer als bei einer nichtmetallischen, wie z.B.: Holz.
Aufgrund der Rückfederung, die nach dem Einfrieren auftritt, müssen die
Biegewinkel entsprechend größer sein als für das fertige Werkstück gefordert ist.
Zum Biegen und Abkanten gibt es geeignete Maschinen, allerdings kann auch von
Hand gearbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit des Biegens von Tafeln ist das
Formbiegen. Es werden aus ebenen Tafeln zylindrisch oder sphärisch gekrümmte
Flächen erzeugt. Das Formbiegen eignet sich vor allem für kleine Stückzahlen
großflächiger Formteile bei geringem Werkzeugaufwand. Zur Herstellung von
Rohren mit großen Druchmessern können Tafeln durch Rundbiegen mit
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nachfolgendem Verschweißen der Längskanten verwendet werden. Es sind auch
Vierkantrohre möglich.
1.2.3 Biegen und Aufweiten von Rohren
Stehen bei der Rohrverlegung keine geeigneten Formstücke zur Verfügung, kann
man für die handwerkliche Verarbeitung von Kunststoffrohren Rohrbogen und
Rohrmuffen auf eine einfache Weise selbst herstellen. Hauptsächlich wird diese
Methode auf PVC-hart-Rohre angewandt. Die Umformung erfolgt hier ebenfalls im
thermoelastischen Bereich. Das beim Umformen der Querschnitt im Rohrbogen
erhalten bleibt, füllt man das Rohr vorher mit Sand, Schaumgummi,
Schraubenfedern oder aufgeblasenen Gummischläuchen. Anschließend erwärmt
man die Rohrstücke in einem Wärmeschrank oder örtlich an der Biegestelle durch
Warmgas. Zur Muffenherstellung kann die Erwärmung auch durch eintauchen in
heiße Flüssigkeiten (z.B.: Paraffin, Glyzerin) erfolgen. Das erwärmte Rohr wird dann
von Hand oder in einer Vorrichtung gebogen und bis zur Formstabilität abgekühlt.
1.2.4 Streckformen von Folien und Tafeln
Dieses Verfahren ist selbstverständlich nur für thermoplastische Kunststoffe
geeignet. Die Verformung muß im thermo- oder gummielastischen Bereich als
Warmumformung durchgeführt werden. Der Folien- oder Tafelzuschnitt ist in einem
Spannrahmen fest eingespannt. Damit eine Faltenbildung verhindert wird, erfolgt die
Verformung zweiachsig durch Zugspannung. Da der Werkstoff durch die feste
Einspannung nicht nachfließen kann, erfolgt die Verformung aus der Wanddicke
heraus, die Wanddicke wird daher kleiner mit zunehmender Formungstiefe.
Verfahrensablauf beim Streckformen:
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Zuschneiden von Tafeln und Folien oder Arbeiten von der Rolle
Einspannen
Erwärmen in den thermoelasitschen Bereich
Umformen (mechanisch - pneumatisch)
Abkühlen (Einfrieren) unter Einwirkung der Umformkraft
Ausformen
Nacharbeiten (Randbeschneiden, Rollieren von Becherrändern usw.)
Alle diese Vorgänge können halbautomatisch oder vollautomatisch im
Durchlaufverfahren auf entsprechenden Maschinen bzw. Anlagen durchgeführt
werden.
Zur Erwärmung werden Wärmeöfen (eher selten, da lange Heizzeiten),
Kontaktheizungen (für dünne Folien) und Infrarotstrahlungsheizungen (häufigste Art
mit Keramik- oder Quarzstrahlern) verwendet. Je nach Formteilgestalt und
Wanddickenverteilung ist auf gleichmäßige oder gezielt unterschiedliche
Temperaturverteilung zu achten. Das Umformverfahren hängt vom Kunststoff, der
Gestalt des Formteils, der Wanddickenverteilung und der Stückzahl ab.
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Gebräuchliche Verfahren sind:
• Vakuumformen: positiv und negativ möglich; die Maschinen sind preiswert, die
Werkzeuge billig. Die Negativ-Verformung benötigt meist einen Stempel, sonst
erhält man dünne Ecken und dicke Flansche. Positiv-Verformung ist meist nur für
flache oder reliefartige Teile zweckmäßig.
• Druckluftformen: Maschinen sind teurer, beim Werkzeug ist höherer Aufwand
notwendig, allerdings sind bessere Konturenschärfen und hohe Taktfolge
erreichbar.
• Vakuumformen mit mechanischer oder pneumatischer Vorstreckung
Verpackungsbehälter und Trinkbecher werden in Mehrfachmetallwerkzeugen nach
mechanischem Vorstrecken mit Filzstempeln durch Druckluft geformt. Großflächige
Formteile können in Holzwerkzeugen oder Werkzeugen aus verstärkten
Epoxidharzen hergestellt werden. Es kann pneumatisch oder mechanisch mit filzoder stoffbelegten Holzstempeln vorgestreckt werden. Um die Abkühlzeit zu
verkürzen wird die Oberfläche der Formteile in der Maschine mit Preßluft oder
Preßluft-Wassernebel-Gemischen besprüht.
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1.3 Spanende Bearbeitung von Kunststoffen
Die spanende Bearbeitung von Kunststoffen kommt vor allem bei folgendem in
Frage:
• zur Nacharbeit bei Spritzguß,- Preß- und umgeformten Teilen
• bei der handwerklichen Verarbeitung zur Herstellung von Einzelstücken
(Prototypen, Ersatzteilen)
• zur Vorbereitung von Schweißnähten im Apparatebau
• zum Zerschneiden von Halbzeug
Allgemein sind Kunststoffe nach allen gängigen Verfahren spanend bearbeitbar.
Allerdings muß bezüglich Werkzeuggeometrie und Maschinenauslegung (Drehzahl,
Schnittgeschwindigkeit, Vorschub, usw.) auf die grundsätzlich anderen
Eigenschaften der Kunststoffe gegenüber den Metallen geachtet werden. Diese
Eigenschaften sind schlechte Wärmeleitung, große Wärmeausdehnung, kleinerer
Elastizitätsmodul, gegebenenfalls niedrige Erweichungstemperatur, Rückdeformation
starker Verschleiß der Werkzeuge durch Füllstoffe, Staubentwicklung bei
Duroplasten und gegebenenfalls Freiwerden von Zersetzungsprodukten.
1.3.1 Schneiden, Sägen, Trennen
Beispiele:
• Zuschneiden von Tafeln auf der Schlagschere
• handwerkliches Sägen mit speziellen Sägeblättern für Kunststoffe
• maschinelles Sägen auf der Bandsäge mit speziellen Sägeblättern (je weicher der
Kunststoff ist, um so größer ist die Zahnteilung)
Da die Schnitte verhältnismäßig rauh werden müssen sie gegebenenfalls
nachbearbeitet werden. Bei der spanenden Bearbeitung von thermoplastischen
Kunststoffen müssen die Bandgeschwindigkeiten so gewählt werden, daß im
Sägespalt keine zu große Erwärmung und damit auch Klemmwirkung auftritt. Beim
maschinellen Sägen auf der Kreissäge sind Sägeblätter mit hartmetallbestückten
Zähnen und besonderem Schliff je nach dem zu trennendem Kunststoff angebracht.
Liegen besonders harte Werkstoffe bzw. Füllstoffe mit Wasserkühlung vor, so ist das
Trennen mit Trennscheiben (Diamanttrennscheiben) zu empfehlen.
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1.3.2 Abgraten, Feilen, Hobeln
Beispiele:
• Abgraten mit Ziehklinge oder spezieller Kunststoffeile
• Feilen und Hobeln als handwerkliche Bearbeitung von einzelnen Flächen mit
Kunststoffeilen bzw. -hobeln, die große Spanrillen aufweisen
• maschinelles Hobeln auf Hobelmaschinen mit üblichen Stählen für die
Kunststoffbearbeitung
1.3.3 Bohren, Senken
Der wichtigste Faktor ist, daß der Spiralbohrer einen Spanwinkel um 0° hat, damit
eine schabende Wirkung ausgeübt wird.
Es können spezielle Bohrer für Kunststoffe mit steilerem Drall und kleinerem
Spitzenwinkel eingesetzt werden. Es ist auch möglich neue scharfe geschliffene
Bohrer für Stahl einzusetzen. Die Bohrer, die zum Einsatz kommen, müssen
mindestens die Qualität eines HSS-Bohrers aufweisen. Werden harte oder gefüllte
Kunststoffe bearbeitet sollten Bohrer mit Hartmetallschneiden verwendet werden. In
Kunststoff gebohrte Löcher fallen im allgemeinen kleiner aus als dem
entsprechenden Bohrdurchmesser. Beim Senken von Kunststoffen können nur
spezielle, zylindrische Senker verwendet werden.
1.3.4 Fräsen
Es ist sowohl Gleichlauffräsen als auch Gegenlauffräsen möglich. Die verwendeten
Fräsmaschinen sollten schnellaufend, also mit Schnittgeschwindigkeiten bis
2000m/min, sein. Es können aber auch schnellaufende Bohrmaschinen mit
eingesetzten Fräsern verwendet werden. Fräser für Kunststoffe haben eine kleine
Schneidenzahl und sind zweckmäßig mit Hartmetall bestückt. Je dünner das
Werkstück ist, desto mehr sollte der Spanwinkel gegen 0° gehen, um ein Haken zu
vermeiden. Wegen der starken Neigung zur „Bartbildung“ am Werkstück sind die zu
bearbeitenden Werkstücke an der Seite und im Fräserauslauf mit Beilagen aus
gleichem oder ähnlichem Kunststoff zu spannen. Zum Nutenfräsen können
zweischneidige Fräsmesser verwendet werden, die man auch selbst herstellen kann.
1.3.5 Drehen
Drehen ist ein sehr häufig verwendetes Verfahren sowohl in der Einzelfertigung als
auch in der Serienfertigung. Bei der Automatenbearbeitung werden Drehen, Fräsen,
Bohren, Gewindeschneiden, Rändeln usw. kombiniert. Es sind schnellaufende
Drehmaschinen, mit Schnittgeschwindigkeiten bis 500 m/min, erforderlich und sie
sollten, wenn möglich eine Einrichtung zur Luftkühlung haben. Die
Schneidengeometrie der Drehmeißel richtet sich nach den zu bearbeitenden
Kunststoffen. Die Werkzeuge sollten aus HSS oder Hartmetallen sein. Der Vorschub
ist so zu wählen, daß die Wärme weitgehend mit dem Span abgeführt werden kann.
Der Spanwinkel liegt um 0°, zum Teil auch negativ, daß heißt, man erreicht eine
schabende Wirkung. In Ausnahmefällen, bei weichen Thermoplasten, werden ein
positiver Spanwinkel und Hohlkehle verwendet, damit ein sogenannter Fließspan
entsteht, das heißt eine stetige Spanabfuhr aus dem Schneidenbereich gewährleistet
ist.
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1.3.6 Schleifen
Schleifen wird insbesondere zum Einstellen genauer Maße bei Halbzeugschnitten
oder Schweißnahtvorbereitungen angewandt. Bandschleifmaschinen mit Bändern
verschiedener Körnung sind zweckmäßig. Je weicher ein zu bearbeitender
Kunststoff ist, desto gröber muß die Körnung der Bänder sein, da sonst eine
Neigung zum Schmieren und Aufschmelzen besteht. Die Staubabsaugung ist
unbedingt erforderlich. Beim Arbeiten mit Schwingschleifern muß naß geschliffen
werden.
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