Forderungen des BVL - Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie

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Forderungen des BVL - Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie
Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie
Postfach 1107
30011 Hannover
Zur Benachteiligung von legasthenen Menschen in
Deutschland
Gegenwärtige Situation
Die Lese-Rechtschreibstörung (sog. Legasthenie) ist eine weltweit von der
WHO unter der Ziffer F81.0 beschriebene Entwicklungsbeeinträchtigung
schulischer Fertigkeiten. Sie kommt häufig bei mehreren Mitgliedern einer
Familie vor. Den Erbanlagen scheint eine wichtige Rolle bei der
Entwicklung einer Lese-Rechtschreibstörung zuzukommen. Der Beitrag
eines spezifischen Gens ist international nachgewiesen. Das Gen liegt in
einer Region von Chromosom 6. Das Gen (kurz: DCDC2-Gen) spielt
anscheinend in der Entwicklung des Gehirns eine Rolle, genauer gesagt
bei der Wanderung von Nervenzellen im sich entwickelnden Gehirn. Am
stärksten zeigte sich der Effekt des Gens bei Kindern mit einer schweren
Lese-Rechtschreibstörung.
Die Rechte legasthener Schüler sind abhängig vom jeweiligen Bundesland,
in dem das Kind zur Schule geht. Nicht in allen Bundesländern besteht die
Möglichkeit, einen wirksamen Nachteilsausgleich zu erhalten, damit eine
Schule besucht werden kann, die der eigentlichen Begabung entspricht. Bis
heute ist es aufgrund der Länderhoheit in der Bildungspolitik nicht gelungen,
für einheitliche Nachteilsausgleiche zu sorgen.
Dennoch ermöglichen, auch auf Forderung der KMK im Jahre 2003 hin,
einige Bundesländer schulische Nachteilsausgleiche und Förderung. Leider
jedoch nicht in Form eines abzuleitenden Rechtsanspruches. Außer in
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Alle Erlasse der Länder
sind zu finden beim
BVL unter
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Bayern sind die Rechtsvorschriften (Erlasse, Verwaltungsvorschriften) zur
schulischen Förderung lese-rechtschreibschwacher Schüler sehr allgemein
gehalten. Schule „muss“ nicht helfen, sondern „kann“. Die Formulierungen
der Vorschriften beziehen sich nicht im Speziellen auf Kinder mit einer
Lese-Rechtschreibstörung nach dem ICD-10, sondern allgemein auf alle
Kinder mit
Schwierigkeiten
beim Lesen und Rechtschreiben.
Die
Berücksichtigung der speziellen Entwicklungsstörung mit Anspruch auf
einen Nachteilsausgleich wird nur in Bayern formuliert. Zudem gewähren
die anderen Bundesländer in der Regel nur einen Nachteilsausgleich bis
Jahrgangsstufe 10 und nicht darüber hinaus. Nur in Bayern ist es generell
und in einigen anderen Bundesländern im Einzelfall möglich, auch im Abitur
gesonderte Regelungen in Anspruch zu nehmen.
Eine
Berücksichtigung
der
Legasthenie
in
der
beruflichen
oder
universitären Ausbildung erfolgt stark eingeschränkt.
Im europäischen und internationalen Umfeld ist man in der Bildungspolitik
wesentlich weiter und gewährt den betroffenen Schülern, Auszubildenden
und Studenten umfassende Nachteilsausgleiche. In Deutschland besteht
hier noch ein immenser Nachholbedarf.
Chancengleichheit statt Benachteiligung
„Unser Bildungswesen braucht eine Kultur, in der Kindern etwas zugetraut
wird - in der sie gefördert und gefordert werden. In unseren Kindern
stecken unzählige Talente. Sie müssen die Chance bekommen, ihre
Talente zu entdecken und weiter zu entwickeln. Jedem Kind gute
Bildungschancen
zu
geben, ist
ein
Herzstück
demokratischer
Politik.“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2005).
Etwa 4 %, also ca. 3 Millionen Menschen in Deutschland sind von einer
Legasthenie betroffen. Das bedeutet für die Betroffenen Ausgrenzung: in
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der Schule, auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft. Außerdem
bedeutet
es
einen
erheblichen
Verlust
von
Lebensqualität,
da
Legastheniker an der Teilnahme schriftlicher Kommunikation in allen Schul-,
Arbeits- und Lebensbereichen benachteiligt sind.
Umfassende Nachteilsausgleiche eröffnen erst die aktive Teilhabe am
begabungsadäquaten
Bildungsverlauf
sowie
der
gesellschaftlichen
Entwicklung. Lese- und Schreibstörungen sind häufig Ursachen für das
Scheitern im Bildungsprozess, das Verlassen der Schule ohne einen
Abschluss und der Nicht-Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Die Benachteiligung und Chancenungleichheit in den Ländern muss
beendet werden. Denn „Niemand darf wegen seiner Behinderung
benachteiligt werden." (Art. 3 Abs. 3).
Unterricht und Erziehung, Bildung im Allgemeinen und auch Leben in der
Gemeinschaft sind auf den Ausgleich von Benachteiligungen und auf die
Verwirklichung von Chancengerechtigkeit auszurichten.
Ist-Zustand in der Schule
Die schulrechtlichen Rahmenbedingungen reichen nicht aus, um den
Problemen der Schüler mit Legasthenie umfassend und ausreichend
Rechnung zu tragen. Sie begründen zum einen überwiegend keine
Rechtsansprüche der betroffenen Schüler auf Nachteilsausgleich, sondern
stellen die Berücksichtigung der Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)
in das Ermessen der Schule oder der Lehrkräfte. Zum anderen endet die
Berücksichtigung zumeist mit Klasse 10.
Für legasthene Schüler ist keine bundesweit einheitliche Regelung
gegeben. Eine Durchlässigkeit innerhalb des Bildungssystems der
einzelnen Länder ist nicht gewährleistet. Ein Umzug in ein anderes
Bundesland bedeutet heute für legasthene Kinder einen Wechsel vom
Gymnasium auf die Hauptschule oder umgekehrt.
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Im Gegensatz dazu gewähren alle Länder auf der Grundlage von Art. 3 Abs.
3 S. 2 Grundgesetz (GG) Nachteilsausgleiche für behinderte Schüler.
Schüler mit Legasthenie profitieren aber von diesen Vorschriften nicht, weil
die Schulbehörden Legasthenie grundsätzlich nicht als Behinderung
ansehen.
Zur Begründung der Forderungen
Legastheniker sind behindert im Sinne des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG. Der
Behindertenbegriff des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und des § 2 SGB IX setzt eine
zugrunde liegende Funktionsstörung und eine Beeinträchtigung der
Teilhabe voraus. Legasthenie als Funktionsstörung liegt dann vor, wenn die
Lese-Rechtschreibstörung durch ein fachärztliches Gutachten nach den
Grundsätzen des ICD 10 der WHO und den diagnostischen Leitlinien der
Kinder-
und
Jugendpsychiater
multiaxial
diagnostiziert
wurde.
Die
Beeinträchtigung der Teilhabe ist gegeben, weil Menschen mit Legasthenie
unter den jetzigen bildungsrechtlichen Bedingungen keine ihrer Begabung
entsprechende Schule besuchen und keinen ihren sonstigen Begabungen
entsprechenden adäquaten Schul- oder Bildungsabschluss erreichen
können.
Zunächst ergibt sich aus dem Diskriminierungsverbot ein Anspruch auf
Nachteilsausgleich.
Ein
Nachteilsausgleich
gleicht
die
behinderungsbedingten Nachteile aus (s. § 126 I SGB IX).
Aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich daneben, allerdings stärker begrenzt,
ein Anspruch auf Förderung, weil nur so eine chancengleiche Beschulung
und der chancengleiche Schul- bzw. Bildungsabschluss für diese
Behinderten erreicht werden können.
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Forderungen des BVL
Der
Staat
muss
Rechtschreibstörungen
für
Menschen
auf
das
mit
Lese-
Diskriminierungsverbot
verweisen (resp. anwenden / akzeptieren)
Das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG setzt der
weitgehenden
Entscheidungsfreiheit
der
Länder
im
Schul-
und
Bildungswesen Grenzen. Das staatliche Bildungsangebot darf den nach
allgemeinen
Anforderungen
unverzichtbaren
Mindeststandard
nicht
unterschreiten. Der Staat muss deshalb die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass behinderte (legasthene) Menschen dieselbe Chance auf
Teilnahme an dem Unterricht der Regelschule und auf einen erfolgreichen
Abschluss in Schule, Beruf und Hochschule hat, wie ein gleich begabter,
nicht behinderter (nicht-legasthener) Mensch.
Abgrenzung der Personengruppe
Für
eine
differenzierte
Nachteilsausgleichs
muss
Behandlung
zwischen
und
Festsetzung
Menschen
mit
einer
des
Lese-
Rechtschreibstörung (Legasthenie) im Sinne des ICD-10 und Menschen
mit
einer
vorübergehenden
Lese-
und
Rechtschreibschwäche
unterschieden werden.
Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich
Für Menschen mit einer andauernden Lese-Rechtschreibstörung ist ein
Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich über die gesamte Ausbildungszeit
für alle Schul- und Bildungsarten zwingend erforderlich.
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Umfang des Nachteilsausgleichs im Bildungssystem
Der Nachteilsausgleich ist für alle Klassenstufen, Schularten und
Ausbildungsbereiche (Schule –
Beruf
- Hochschule)
einschließlich
Abschlusszeugnisse zu gewähren.
Er umfasst unter anderem Folgendes:
a. Die Lese-Rechtschreibleistung darf sich in keinem Fach in der
Bewertung der Leistungen mindernd auswirken.
b. Die Beeinträchtigung der Lese- und Rechtschreibleistung darf den
Übertritt an eine weiterführende Schule oder das Erreichen des
Klassen- bzw. Ausbildungsziels nicht verhindern.
c. Im Unterricht und bei Leistungserhebungen sind mündliche
Leistungen stärker zu gewichten.
d. Es sind Zeitverlängerungen bis zu 50 % der regulären Arbeitszeit
zu gewähren.
e. Es ist der Einsatz von technischen Hilfsmitteln zu erlauben.
f. Es sind bei Bedarf mündliche Aufgabenstellungen einzusetzen oder
es
erfolgt
ein
Vorlesen
der
Aufgabenstellung
zur
Leistungsmessung.
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Forderungen zur Gewährung von Nachteilsausgleich
für
Schüler
mit
Lese-Rechtschreibstörungen
(Legasthenie)
Lesen und Rechtschreiben sind Kulturtechniken, die in der Schule
vermittelt werden. Jedoch verfügen mindestens 10-15 % der deutschen
Schülerinnen und Schüler nicht über ausreichende Fähigkeiten und
Fertigkeiten im Lesen und Rechtschreiben. Bei 4-5 %, also 500.000
Schülern und Schülerinnen liegt eine umschriebene Entwicklungsstörung
von Lese- und Rechtschreibkompetenzen vor, die spezifisch ist und
deutliche Beeinträchtigungen im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens
zeigt.
Im Dezember 2003 wurden von der KMK die „Grundsätze zur Förderung
von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens
und Rechtschreibens“ und damit ein erster Schritt zur Hilfestellung
geschaffen.
Diese
Rechtsvorschriften
zur
schulischen
Förderung
lese-
rechtschreibschwacher Schüler sind sehr allgemein gehalten. Sie nennen
jedoch keine spezielle Ermächtigungsgrundlage für Schüler mit LeseRechtschreibstörungen.
Die
Berücksichtigung
einer
Lese-
Rechtschreibauffälligkeit im Unterricht und bei der Leistungsfeststellung
durch Gewährung eines Nachteilsausgleichs wird von den Bundesländern
außerordentlich unterschiedlich gehandhabt und endet i.d.R. mit Abschluss
der 10. Klasse. Die meisten schulrechtlichen Rahmenbedingungen reichen
nicht aus, um den speziellen Problemen der Schüler mit LeseRechtschreibstörung (Legasthenie) umfassend und ausreichend Rechnung
zu tragen. Sie begründen zum einen überwiegend keine Rechtsansprüche
der betroffenen Schüler auf Nachteilsausgleich, sondern stellen die
Berücksichtigung der Legasthenie in das Ermessen der Schule oder der
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Lehrkräfte. Die Empfehlungen werden in den einzelnen Bundesländern
sehr uneinheitlich, oft vollkommen unzureichend umgesetzt und werden
von einigen Schulen gar nicht beachtet. Eine Differenzierung der LeseRechtschreibschwäche von einer Lese-Rechtschreibstörung im Sinne des
ICD-10 wird weitestgehend nicht vorgenommen.
Inzwischen liegen erweiterte Erkenntnisse und Erfahrungen in der
psychologischen, medizinischen und pädagogischen Forschung sowie
Praxis vor. Vor allem Forschungsergebnisse zur Genetik der LeseRechtschreibstörung verdeutlichen den dringenden Schutz der Betroffenen.
Es besteht daher unerlässlicher Bedarf, für einen Teil der Personengruppe,
den Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich zu schaffen.
1. Definition der Personengruppe
a. Schüler mit Lese-Rechtschreibstörungen im Sinne des ICD-10
Definierendes Merkmal ist eine umschriebene Beeinträchtigung in der
Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten. In der Regel sind für
die
Diagnose
einer
Lese-Rechtschreibstörung
folgende
Richtwerte
ausschlaggebend:
Zitierbare Quelle: Dt. Ges. f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a. (Hrsg.):
Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und
Jugendalter. 2. überarbeitete Auflage 2003, Deutscher Ärzte Verlag, ISBN: 3-7691-0421-8
o
Der Leistungsstand des Kindes in der gestörten schulischen Fertigkeit
liegt deutlich unter dem Intelligenzniveau und ist nicht durch eine
Intelligenzminderung erklärbar. Die Entwicklungsstörung muss
spätestens bis zum 5. Schuljahr in Erscheinung getreten sein, in der
Regel zeigt sich die Beeinträchtigung von Anfang der Schulzeit an.
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o
Die
Beeinträchtigung
darf
nicht
direkt
Folge
mangelnder
Lerngelegenheit sein wie z.B. von Schulversäumnis, unqualifiziertem
Unterricht oder häufigem Schulwechsel
o
Unkorrigierte Seh- oder Hörstörungen oder andere neurologische
Erkrankungen erklären die Entwicklungsstörung nicht. Auch handelt
es sich nicht um den Verlust einer bereits erworbenen schulischen
Fertigkeit.
Zur Bewertung: Der Prozentrang im Rechtschreib- bzw. Lesetest sollte nicht
signifikant >10 sein. Nach den Kriterien von ICD-10 ist für die Feststellung der
Entwicklungsstörung ein Intelligenzquotient >70 vorauszusetzen. Eine Diskrepanz
zwischen der allgemeinen intellektuellen Begabung und dem Versagen im Lesen
und Rechtschreiben ist aufzuzeigen. Hierzu kann jeweils ergänzend zu dem
Schulzeugnis (vor allem der Grundschulklassen) eine T-Wert-Diskrepanz zwischen
dem Gesamt-IQ und dem Rechtschreibtest von >12 Punkten als die Diagnose
stützendes Kriterium gelten (wenn dies testdiagnostisch möglich ist). Alternativ
empfiehlt sich eine Diskrepanz von mindestens 1,5 Standardabweichungen
zwischen relativ höherem IQ-Wert und relativ niedrigeren Lese- bzw.
Rechtschreibtestwerten.
Die Diskrepanz-Grenzwerte haben Nachteile. Bei Personen mit niedrigem
Intelligenzquotienten (z.B. IQ <85) lässt sich kaum noch eine Diskrepanz von 1,5
Standardabweichungen messtechnisch erreichen. Umgekehrt haben Personen mit
hohem IQ relativ leicht Diskrepanzen zum Rechtschreib-Prozentrang, auch wenn
klinisch die schulischen Rechtschreibleistungen ausreichend sind. Relevanter ist
allerdings, dass Schüler mit höherem IQ trotz einer Lese-Rechtschreibstörung zu
deutlich höheren Prozenträngen als 10 gelangen (dies trifft auch für Schüler zu,
die eine Legasthenietherapie erfolgreich absolviert haben). Für beide Grenzfälle
sind zum einen die anamnestischen und klinischen Befunde ausschlaggebend zu
gewichten, zum anderen lassen sich in diesen Fällen Regressionsmodelle nutzen.
Eine Klassifizierung und Diagnostik im Sinne der Empfehlungen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO), zusammen gefasst unter der Ziffer
F81.0 und F81.1 im ICD-l0, ist notwendig.
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b. Schüler mit Lese-Rechtschreibschwächen
Diese Personengruppe kann keine ausreichenden Leistungen im Lesen
und Rechtschreiben erzielen. Sie erfüllen jedoch nicht die diagnostischen
Kriterien
des
beispielsweise
ICD-l0.
durch
Die
Lese-Rechtschreibschwäche
mangelhafte
Beschulung,
lässt
inadäquate
sich
Übung,
Migration, psychologische oder neurologische Erkrankung oder durch eine
Sinnesbehinderung (z.B. Schwerhörigkeit oder Sehbehinderung) erklären.
Eine Intelligenzminderung liegt nicht vor. Die Lese-Rechtschreibschwächen
sind vorübergehend. Die Schüler brauchen auch hier eine individuelle
Förderung.
c. Schüler mit anderen Förderschwerpunkten
Des Weiteren gibt es Schülerinnen, deren Förderschwerpunkte in anderen
Bereichen
liegen.
Für
diese
Gruppe
gelten
die
jeweiligen
Ausführungsbestimmungen für den sonderpädagogischen Förderbedarf.
2. Bestimmung der Personengruppe und Ableitung von
Rechtsansprüchen
Für
eine
differenzierte
Nachteilsausgleichs
Rechtschreibstörung
muss
Behandlung
zwischen
(Legasthenie)
und
Festsetzung
Schülern
und
des
mit
einer
Lese-
Schülern
mit
einer
vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche unterschieden werden.
a. Lese-Rechtschreibstörung
Als
ausreichende
Rechtschreibstörung
Bestätigung
im
Sinne
für
des
das
Vorliegen
ICD-10
müssen
einer
Lese-
fachärztliche
Untersuchungen vorliegen. Voraussetzung für die Anerkennung einer
fachärztlichen Bescheinigung ist eine multiaxiale Diagnostik, wie sie auch
im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII erfordert wird.
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(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1
Satz 1 Nr. 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
1. eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2. eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten
oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der
über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei
Kindern und Jugendlichen verfügt, einzuholen. Die Stellungnahme ist
auf
der
Grundlage
der
Internationalen
Klassifikation
der
Krankheiten in der vom Deutschen Institut für medizinische
Dokumentation
und
Information
herausgegebenen
deutschen
Fassung zu erstellen.
b. Lese-Rechtschreibschwäche oder besonderer Förderbedarf
Zur Feststellung einer vorübergehenden Lese-Rechtschreibschwäche,
auch in Abgrenzung zum Förderbedarf mit anderen Schwerpunkten,
genügen
die
schulischen
Maßnahmen
in
Zusammenarbeit
mit
unterschiedlichen Fachkräfte aus.
Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich
Für Schüler mit einer andauernden Lese-Rechtschreibstörung muss der
Nachteilsausgleich über die gesamte Ausbildungszeit für alle Schularten
gelten.
Für Schüler mit einer vorübergehenden Lese-Rechtschreibschwäche kann
Nachteilsausgleich in individuellem Umfang gewährt werden. Es ist in
einem Abstand von 2 Jahren und im Falle des Übertritts an eine
weiterführende Schule, der Umfang des Nachteilsausgleiches für LeseRechtschreibschwache
jeweils erneut festzulegen.
Der festgesetzte
Umfang ist durch die unterrichtenden Lehrkräfte verpflichtend zu gewähren.
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Für Schüler mit Förderschwerpunkten in anderen Bereichen gelten die
entsprechenden Bestimmungen.
3. Umfang des Nachteilsausgleichs
Der Nachteilsausgleich ist für alle Klassenstufen, Schularten einschließlich
Abschlusszeugnisse zu gewähren.
a. Die Lese-Rechtschreibleistung darf sich in keinem Fach in der
Bewertung der Leistungen mindernd auswirken.
b. Die Beeinträchtigung der Lese- und Rechtschreibleistung darf den
Übertritt an eine weiterführende Schule oder das Erreichen des
Klassenziels nicht verhindern.
c. Im Unterricht und bei Leistungserhebungen sind mündliche
Leistungen stärker zu gewichten.
d. Es sind Zeitverlängerungen bis zu 50 % der regulären Arbeitszeit
zu gewähren.
e. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln ist zu gestatten.
f. Es sind bei Bedarf mündliche Aufgabenstellungen oder es erfolgt
ein Vorlesen der Aufgabenstellung zur Leistungsmessung.
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Nachwort:
Die bereits im Jahr 2002 gestellten Forderungen des BVL an die KMK und
Schulpolitik
zur
Berücksichtigung
aller
lese-rechtschreibschwachen
Schülerinnen und Schüler bestehen selbstverständlich weiterhin:
o Genügende
Bereitstellung
von
Fachkräften,
die
über
eine
spezifische Ausbildung zur Förderung von legasthenen Kindern
verfügen
o Vermittlung
von
Kompetenzen
im
Umgang
mit
Lese-
Rechtschreibauffälligen in Aus-, Fort- und Weiterbildung von
Lehrkräften
o Bereitstellung ausreichender und qualifizierter Fördermaßnahmen in
der Schule
o Zusammenarbeit zwischen Schule und Erziehungsberechtigten
o Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe
o Einfließen von Forschungsergebnissen
o Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten in Kindergarten
und Schuleingangsphase
o Evaluation zur Qualitätssicherung
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