Bolzenschweißen im Folgeverbundwerkzeug
Transcription
Bolzenschweißen im Folgeverbundwerkzeug
schweissen und umformen Bolzenschweißen im Folgeverbundwerkzeug Dominic Gruß, Philipp Lau Gewindebolzen direkt im Folgeverbundwerkzeug setzen: Das Ziel eines Forschungsprojektes am IPH ist ehrgeizig. Durch die Integration des Bolzenschweißens sollen der Umformprozess insgesamt verkürzt und die Produktqualität verbessert werden. Verkürzte Prozesskette Blechformteile im Automobilbau, dem Apparatebau oder der Weißwarenindustrie, von münzgroßen Kleinteilen bis hin zu großen Karosseriebauteilen, müssen oft über günstig montierbare und lösbare Verbindungen mit anderen Bauteilen gefügt werden. Dabei darf die Sichtseite optisch nicht beeinträchtigt werden. Hierfür werden häufig angeschweißte Gewindebolzen genutzt. Die Formgebung der Blechwerkstücke und die schweißtechnische Anbindung von Verbindungselementen finden bisher jedoch getrennt statt. Um die Wirtschaftlichkeit der Herstellprozesse von Blechteilen zu steigern, arbeiten das IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gemeinnützige GmbH zusammen mit der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt SLV München sowie den mittelständischen Unternehmen MDS Engineering GmbH & Co. KG, Heinz Soyer Bolzenschweißtechnik GmbH und Dr. Josef Gödde Schweißüberwachungen im Rahmen eines Forschungsprojektes an einer Erweiterung der Umformwerkzeuge. Als potenzieller End anwender dieser neuen Technologie ist die Fa. Teckentrup GmbH & Co. KG, ein Produzent von Stanz-, Umform- und Tiefziehteilen, am Projekt beteiligt. Ziel des Projekts ist die Integration und Überwachung des Schweißens von Normteilen in Blech-Verbundwerkzeugen durch die Entwicklung einer Werkzeugtechnologie zum Fügen von z. B. Gewindebolzen direkt www.utfscience.de I/2008 im Folgeverbundwerkzeug mit dem Bolzenschweißverfahren mit Spitzenzündung. Trend zur Funktionsintegration Komplexe Blechbauteile werden häufig mit Folgeverbundwerkzeugen hergestellt. Dabei werden die einzelnen Bearbeitungsstufen, i.d.R. Trenn- und Umformvorgänge, direkt hintereinander in einem mehrstufigen Werkzeugsystem ausgeführt. Das vom Coil über eine Vorschubeinrichtung zugeführte Blechmaterial wird schrittweise mit Bild 1 jedem Pressenhub zum nächsten Arbeitsschritt weitertransportiert. Blech verarbeitende Unternehmen versuchen zunehmend, weitere Funktionen in Folgeverbundwerkzeuge zu integrieren. Dieser Trend zeigt sich u.a. an der – derzeit bereits praktizierten – Integration umformtechnischer Fügeverfahren wie beispielsweise das Setzen von Blindniet- sowie Einpress elementen. Die Zuführung dieser Standardteile erfolgt dabei meist automatisiert [1, 2, 3, 4]. Schweißtechnisches Fügen von Standardelementen erfolgt in konventio- Verkürzung der Prozesskette zur Herstellung von Blechbauteilen durch Integration des Bolzenschweißens in Folgeverbundwerkzeuge. Gruß, Lau: Bolzenschweißen ... schweissen und umformen nellen Prozessketten nach der Umformung meist auf CNC-Koordinaten tischen oder manuell mit Bolzenschweißpistolen – stets außerhalb des Umformwerkzeugs. Ein wesentlicher Nachteil dieser örtlichen und zeitlichen Trennung von Umform- und Fügeoperation ist der Verlust der Referenz des Bauteils zum Formgebungswerkzeug, was zu Lageabweichungen des Fügeteils führt [7]. In einem Projekt soll am IPH erstmals ein Bolzenschweißprozess in ein Folgeverbundwerkzeug integriert werden. Das Bolzenschweißen zeichnet sich gegenüber umformtechnischen Fügeverfahren insbesondere durch die Dichtheit der Verbindung, die optische Unversehrtheit der Rückseite sowie eine hohe Verbindungsfestigkeit besonders bei dünnen Blechen aus. Neben der Verkürzung der Prozesskette wird eine Reduzierung des Handhabungsaufwandes sowie eine genauere Positionierung erreicht (Abbildung 1). Bild 2 Prinzip des Lichtbogenbolzenschweißens mit Spitzenzündung im Kontaktverfahren. Bild 3 Skizze des Gesamtsystems: Folgeverbundwerkzeug mit integriertem Lichtbogenbolzenschweißen. Der Schweißprozess Grundlegende Untersuchungen zu den Vorraussetzungen der Integration von Bolzenschweißprozessen in komplexe Umformwerkzeuge fehlen bisher. Daher hat das IPH in Zusammenarbeit mit der SLV begonnen, diese Thematik am Beispiel des Bolzenschweißens mit Spitzenzündung im Kontaktverfahren systematisch zu untersuchen. Derzeit wird eine Schweißstufe für ein vorhandenes Folgeverbundwerkzeug entwickelt. Das Bolzenschweißen mit Spitzenzündung ist durch seine Fügekinematik, hohe Geschwindigkeit und geringe Wärmeeinbringung prädestiniert für dünnwandige Bauteile mit rückseitiger Sichtfläche bei hohen Ansprüchen an Dichtigkeit, Verbindungsfes tigkeit und Optik. Der Durchmesserbereich der Bolzen bewegt sich bei diesem Verfahren zwischen 2 mm und 10 mm. Die Spitzenzündung ist durch das Abschmelzen einer Zündspitze nach Zündung des Lichtbogens charakterisiert [5]. Im Gegensatz zur ebenfalls weit verbreiteten Hubzündung erfordert die Spitzenzündung im Kontaktverfahren nur eine Bewegungsrichtung, die der Pressenbewegung entspricht. Der Fügeprozess (Bild 2) verwww.utfscience.de I/2008 läuft in drei Phasen. In der Zündphase beginnt der Stromfluss und entzündet einen Lichtbogen zwischen der Zündspitze und dem Blech. In der anschließenden Schmelz- und Lichtbogenphase wird die Zündspitze abgeschmolzen, während sich blechseitig ebenfalls ein Schmelzbad bildet. Über eine Feder im Schweißkopf wird der Bolzen axial in das Schmelzbad gedrückt, der Lichtbogen erlischt und die Schmelze erstarrt. Die Dauer des gesamten Prozesses beträgt etwa 3 ms. Die dabei entstehende Verschweißung des gesamten Bolzenquerschnitts führt zu qualitativ sehr hochwertigen Verbindungen [6]. Die Zuführung der Gewindebolzen in das Folgeverbundwerkzeug erfolgt automatisch. Der Schweißprozess wird u.a. über die Parameter Strom und Spannung überwacht. Die OnlineÜberwachung der Schweißparameter macht unmittelbar nach der Fertigung eine sichere Aussage über die erzielte Schweißqualität möglich. Potenziell fehlerhafte Teile können somit direkt nach der Fertigung identifiziert und aussortiert werden. Erhöhte Wirtschaftlichkeit Die Integration möglichst vieler Arbeitsschritte in Blechumformwerkzeuge führt zwar zu einer höheren Prozesskomplexität, ist aber aufgrund Gruß, Lau: Bolzenschweißen ... schweissen und umformen der Verkürzung der Prozesskette und der oftmals höheren Produktqualität dennoch wirtschaftlicher. Abbildung 3 zeigt das Gesamtsystem des Umformwerkzeugs samt Schweißstufe. Wesentliche Zielstellung des Projekts ist das Verknüpfen von zwei in Einzelanwendung sehr wirtschaftlichen Fertigungstechnologien, zu einem Arbeitsgang. Insbesondere durch den Wegfall des Bauteiltransports zwischen den Arbeitsstationen sowie des Aufwands für das Positionieren des Bauteils in der Schweißstation wird eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit erreicht. Erste Ergebnisse In der ersten Phase des Projektes wurden zusammen mit den beteiligten Unternehmen die Spezif ikationen und Randbedingungen für das Werkzeug und den Fertigungsprozess aufgenommen und ausgewertet. Darauf auf bauend wurden die Anforderungen an die benötigten Komponenten für die Integration bestimmt. In enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Unternehmen wurden kritische Randbedingungen wie auftretende Schweißspritzer, Arbeitssicherheit und Zuführtechnik analysiert und Lösungsansätze entwickelt. Die umfang- www.utfscience.de I/2008 reichen Erfahrungen der beteiligten Partner auf ihren jeweiligen Gebieten ergänzen sich in der Umsetzungsphase optimal und führen zu innovativen Synergieeffekten. In der aktuellen Projektphase werden die Ergebnisse der Konzeptionsphase im Werkzeug prototypisch umgesetzt. Im Anschluss sind praktische Versuche, zunächst mit dem Ziel eines ersten Funktionsnachweises, vorgesehen. Die Optimierung der Prozessparameter soll den Nachweis der Prozesssicherheit erbringen. *Das Forschungsprojekt „Integration und Überwachung des Schweißens von Normteilen in BlechVerbundwerkzeugen“ (AiF 14938N/1) wird von der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e. V. (EFB) finanziert und betreut. Das Projekt wird über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V. (AiF) mit Mitteln aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) für die Projektlaufzeit von 06/2007 bis 05/2009 gefördert. IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH Hollerithallee 6 D-30419 Hannover Tel.: +49 511 27976-0 Internet: www.iph-hannover.de Autoren nDominic Gruß studierte Allgemeinen Maschi- nenbau an der TU Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig mit den Schwerpunkten Konstruktionsund Fertigungstechnik. Nach der Diplomarbeit am Institut für Konstruktionstechnik ist Dominic Gruß seit 2006 als Projektingenieur am IPH tätig. Er leitet das Forschungsprojekt „Integration und Überwachung des Schweißens von Normteilen in Blech-Verbundwerkzeugen“ und betreut Beratungsprojekte mit umformtechnischer Thematik. nPhilipp Lau studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Dresden und der Ecole Supérieure des Sciences Commerciales d’Angers, Frankreich. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Umform- und Urformtechnik der TU Dresden ist Philipp Lau seit 2004 als Projektingenieur am IPH tätig. Er führt Beratungs- und Forschungsprojekte im Bereich fertigungstechnischer Prozessketten der Blech- und Massivumformung durch. Literatur [1] Arnold & Shinjo GmbH & Co. KG: PIAS Einstanzmuttern-Systeme und STRUX-Verarbeitungstechnik. In: Technischer Kurzprospekt, Forchtenberg-Ernsbach 2004. [2] Wilhelm Böllhoff Beteiligungsgesellschaft mbH: RIVKLE Blindnietmuttern und -schrauben. In: Böllhoff Aktuell, o. Jg. (1994), H. 11. [3] MDS Maschinen- und Werkzeugbau GmbH + Co. KG: Produktübersicht, Regensburg 2006. [4] Rifast Systems GmbH + Co. KG: Produktinformation, Schwabach 2003. [5] Soyer Bolzenschweißtechnik GmbH: Produktinformation, Wörthsee-Etterschlag 2002. [6] Trillmich, R.; Welz, W.: Bolzenschweißen: Grundlagen und Anwendung, DVS-Verlag, Düsseldorf 1997. [7] Wulfsberg, J.: Erweiterung der integrierten Prozessketten zur Teilefertigung um Füge- und Montageoperationen, http://www.mikromaschines.com, Zugriff am 18.02.2004. Gruß, Lau: Bolzenschweißen ...