Jan Ludwig, Erschließung im Bestand R 2
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Jan Ludwig, Erschließung im Bestand R 2
Erschließung im Bestand BArch R 2 Reichsfinanzministerium Die Entschädigung von Kriegsschäden des Ersten und Zweiten Weltkriegs und die Umsetzung des Friedensvertrags von Versailles sind durch neu erschlossene Akten und zwei neue Online-Findbücher jetzt besser recherchierbar. Die finanziellen und wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs gelten allgemein als eines der zentralen Probleme der Weimarer Republik; bekannte Schlagworte sind hier der Versailler Vertrag und die damit verbundenen von Deutschland eingeforderten Reparationen. Neben diesen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland übernahm Deutschland auch innenpolitisch Verpflichtungen infolge des Ersten Weltkriegs. Erstmals fanden umfangreiche Entschädigungen statt, welche vergleichbar mit dem Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg Kriegsschäden deutscher Staatsangehöriger infolge von Vermögensverlusten und Vertreibung kompensieren sollten.1 Zudem wurden bereits im Ersten Weltkrieg ab 1914 erste Regelungen zur Entschädigung beschlossen. Aufgrund der an der Westfront weitgehend außerhalb des deutschen Staatsgebiets liegenden Kriegsschauplätze handelte es sich dort überwiegend um Regelungen zu einer späteren Entschädigung für die Beschlagnahme von Gütern für militärische Zwecke. An der Ostfront hingegen war die Zivilbevölkerung bereits im August 1914 durch den Einmarsch russischer Truppen auch direkt vom Kriegsgeschehen betroffen. Zur Schadenskompensation wurde daraufhin eine Entschädigungskommisison für Ostpreußen gegründet. Im Zweiten Weltkrieg waren die Schäden v.a. aufgrund des alliierten Luftkriegs wesentlich umfangreicher. Darüber hinaus unterlagen im Zweiten Weltkrieg als feindlich eingestufte Vermögen sowohl in Deutschland wie auch im Ausland der Zwangsverwaltung und anderen Maßnahmen des Wirtschaftskriegs, der darüber hinaus auch die finanzielle und wirtschaftliche Ausbeutung der im Zweiten Weltkrieg besetzen Gebiete umfasste. In der Überlieferung des Reichsfinanzministeriums spiegeln sich diese Themen vor allem in den Hauptgruppen Kr und Y des Einheitsaktenplans von 1929 sowie der Hauptgruppe Schaden und weiteren Aktenplanbereichen der Aktenpläne vor 1929 wie folgt wieder: REK Entschädigung während und nach dem Ersten Weltkrieg durch die Reichsentschädigungskommission Schaden Entschädigung nach dem Ersten Weltkrieg Kr Entschädigung während des Zweiten Weltkriegs; Wirtschaftskriegsführung gegen feindliches Vermögen Y Finanzielle Beziehungen zum Ausland, Reparationsangelegenheiten, Saar- und Besatzungsangelegenheiten; Finanzielle und wirtschaftliche Angelegenheiten ausländischer Staaten während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere Verwaltung der besetzten Gebiete 1 Entschädigungen nach Kriegsende fanden nachweislich erstmals nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870-1871 statt, siehe BArch R 2/41207-41209, 41399, 41400 und 134093. 1 Neben diesen Aktenplanbereichen entstanden vor 1929 verschiedene Akten zum Abschluss und zur Ausführung des Versailler Vertrags. Teils sind diese unter dem Aktenzeichen „Frie“ angelegt, überwiegend aber unter dem Aktenzeichen XXIII gen. 60 und weiteren Aktenzeichen im Aktenplanbereich XXIII.2 Ingesamt besteht diese Überlieferung aus rund 2.200 VE, die sich zu etwa gleichen Teilen auf die Schadensabwicklung im und nach dem Ersten Weltkrieg sowie im Zweiten Weltkrieg und die Wirtschaftskriegsführung gegen feindliches Vermögen (Aktenzeichen REK, Schaden, Kr; 1068 VE) bzw. die finanziellen und wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs sowie die finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ausländischer Staaten während des Zweiten Weltkriegs (Aktenzeichen Y, Frie u.a.; 1140 VE) verteilen. Etwa ein Drittel der Akten war Anfang 2012 noch unverzeichnet und war Anlass für ein gezieltes Erschließungsprojekt von Mai bis Oktober 2012. Einerseits konnten dadurch bislang noch fehlende Aktenplanbereiche erschlossen werden, sodass nun für alle Sachgebiete des Reichshaushalts und der Reichsfinanzverwaltung mindestens vorläufige Findmittel in BASYS verfügbar sind.3 Andererseits ergänzt die Erschließung inhaltlich die Arbeiten des Projekts Gedenkjahr 2014 zum hundersten Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs. Im Ersten Schritt wurden von Mai bis Juni 2012 die Erschließungsrückstände im Bereich des Aktenzeichens Schaden bearbeitet, ab Juni die Erschließungsrückstände der Aktenzeichenbereiche Kr, Y und der im Kontext des Versailler Vertrags entstandenen Akten vor 1929. Infolge der weitgehenden thematischen Homogenität wurden für den Bereich Entschädigung von Kriegsschäden des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie den Bereich finanzielle und wirtschaftliche Folgen des Ersten Weltkriegs jeweils separate Findbücher angelegt. Bis Ende 2012 wurden diese als zwei Teilklassifikationen des Bestandes BArch R 2 in BASYS-S (Schaden, Kr bzw. Friedensvertrag von Versailles, Y) und als Teilfindbücher 9 (Aktenplangruppen Schaden, Kr – Entschädigung für Kriegsschäden während und nach dem Ersten Weltkrieg und während des Zweiten Weltkriegs, Wirtschaftskriegsführung gegen feindliches Vermögen im Zweiten Weltkrieg) und 10 (Aktenplangruppen Friedensvertrag von Versailles, Y – Abschluss und Ausführung des Friedensvertrags von Versailles; Finanzielle Beziehungen zum Ausland, Reparationsangelegenheiten, Saar- und Besatzungsangelegenheiten; Finanzielle und wirtschaftliche Angelegenheiten ausländischer Staaten während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere Verwaltung der besetzten Gebiete) angelegt. Seit Anfang 2013 stehen die Erschließungsinformationen online über ARGUS zur Verfügung. 2 Zur Benennung und Systematik der Hauptgruppen der Reichsfinanzverwaltung siehe den Artikel: Bearbeitung des Bestand R 2 Reichsfinanzministerium, in: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Heft 2/2006, S. 66-70, hier S. 69. Online abrufbar unter: http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/bundesarchiv_de/oeffentlichkeitsarbeit/fachpublikationen/mitteilungenausdembundesarchiv/heft_2-2006__14._jahrgang.pdf 3 Zur bisherigen Bearbeitung des Bestands BArch R 2 Reichsfinanzministerium vgl. ebd. 2 Erschließung des Bereichs REK, Schaden, Kr Die Erschließung begann mit unerschlossenen Resten des vormaligen Koblenzer Teilbestandes aus dem Aktenplanbereich Schaden. Thematisch befassten sich die Akten vor allem mit der nach Ländern und einzelnen Gruppen getrennten Entschädigung von Kriegsschäden deutscher Staatsangehöriger. Das jeweilige Aktenzeichen wurde nach der Systematik von General- und Spezialakten gebildet und bestand aus einer arabischen Zahl und ggf. einer Länderableitung oder vergleichbaren Ableitung sowie teilweise noch weiteren Ableitungen (Beispielsweise: Schaden 1 gen.; Schaden 3 Frankreich gen.; Schaden 3 Abg[etretene] Geb[iete] 28 gen.). Überraschenderweise fanden sich zwischen Akten des Bereichs Schaden auch elf Akten der Reichsentschädigungskommission mit dem Aktenzeichen REK als Kürzel für diese 1915 gebildete Kommission (BArch R 2/24818-24828). Die Reichsentschädigungskommission sollte Ansprüche gegen das Reich wegen militärischer Beschlagnahme von Gütern in den besetzten feindlichen Gebieten feststellen und Entschädigungsansprüche bearbeiten. Anhand der ab Januar 1915 einsetzenden Überlieferung lassen sich Entschädigungsverfahren von Kriegsschäden somit schon während des Ersten Weltkriegs nachweisen.4 Nach Kriegsende wurde die Tätigkeit bis ca. 1920 fortgesetzt und die Reichsentschädigungskommission bis 1924 abgewickelt. Entschädigungsverfahren bearbeitete zu dieser Zeit das dem Ressort des Reichsfinanzministeriums zugeordnete Reichsentschädigungsamt. Die Akten der vor Gründung des Reichsfinanzministeriums entstandenen Reichsentschädigungskommission gelangten vermutlich infolge dieser inhaltlichen Verwandtschaft an das Reichsfinanzministerium; gegründet wurde die Reichsentschädigungskommission 1915 im Geschäftsbereich des Reichsamts des Innern. Ab 1919 gehörte sie zum Ressort des Reichsministeriums für Wiederaufbau. Im Zuge der Überarbeitung bereits vorläufig erschlossener Akten fand sich zudem eine Akte zu Entschädigungsansprüchen in Elsaß-Lothringen (BArch R 2/50027a), welche ebenfalls Entschädigungsverfahren ab 1915 belegt. Demnach sollte in den 1920er Jahren offenbar ein „Ausschuß zur Feststellung von Kriegsschäden in Elsaß-Lothringen“ mit der Bearbeitung dieser Entschädigungsansprüche betraut werden, die aus der Beschlagnahme privater Kraftwagen für militärische Zwecke resultierten. Während des Ersten Weltkriegs waren Kraftwagen durch die Armee beschlagnahmt worden. Wie aus der Akte hervorgeht, verwies der Württembergische Kraftwagenpark, Armeeabteilung Gaede, darauf, dass Entschädigungen erst nach dem Krieg durch die Zivilverwaltung angefordert werden können. 4 Zur Tätigkeit der Kriegshilfskommission für Ostpreußen ab 1914 war bereits zuvor eine Akte erschlossen, siehe BArch R 2/43038. 3 Für das Projekt Gedenkjahr 2014 wird dieses Thema als Internet-Galerie „Die Vorbereitung und Organisation der Kriegsentschädigung ab 1914“ aufbereitet. Zusammen mit den Akten des Aktenplanbereichs Schaden schließt sich durch diese Erschließung die Lücke zur Dokumentation der Entschädigung von Kriegsschäden im Bestand BArch R 2: • Entschädigung nach dem Deutsch-Französischen R 2/41207-41209, 41399, 41400 und 134093) • Entschädigung während des Ersten Weltkriegs (BArch R 2/43038, 24818-24828 und 50027a) • Entschädigung nach dem Ersten Weltkrieg (Aktenzeichen Schaden) • Entschädigung während des Zweiten Weltkriegs (Aktenzeichen Kr) Krieg 1870-1871 (BArch Die inhaltlich folgenden Entschädigungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg sind u.a. Gegenstand der Überlieferung des Lastenausgleichsarchivs des Bundesarchivs. Aufgrund der inhaltlichen Bedeutung wurden fast alle Akten als archivwürdig bewertet. Eine Ausnahme bildeten die Spezialakten zu den Darlehenskassenscheinen der polnischen Darlehenskasse (sog. Kriesnoten). Von diesen Einzelfallakten wurden acht besonders aussagekräftige Akten mit umfangreicher Darstellung des Themas für die Archivierung ausgewählt, die übrigen sieben Akten kassiert. Im Bereich des Aktenzeichens Kr wurden alle Akten als archivwürdig bewertet. Überarbeitet wurden hier allerdings die Erschließungsinformationen zu einzelnen Akten, die der tatsächlichen Aktenstruktur angepasst wurden. Zuvor waren einzelne inhaltliche Aspekte einer Akte teilweise wie einzelne Akten angezeigt worden. Dies wurde unter Beibehaltung aller bisherigen Erschließungsinformationen behoben. Klassifiziert wurden die Akten der Reichsentschädigungskommission in einem eigenen Klassifikationsknoten vor den Klassifikationsknoten Schaden bzw. Kr. Während für den Bereich Kr eine tiefere Gliederung anhand des Aktenplans mit vierstelligen Aktenzeichen möglich war, musste der Klassifikationsknoten Schaden nach inhaltlichen Gesichtspunkten tiefer gegliedert werden. Neben einer Sortierung nach Kriegsschäden in verschiedenen Ländern – welche auch anhand der Aktenzeichen möglich war – bot es sich an, Klassifikationsknoten zu Schäden verschiedener Bevölkerungsgruppen (Auslandsdeutsche, Kolonialdeutsche, deutsche Kriegs- und Zivilgefangene etc.) und zu allgemeinen Grundlagen der Kriegsentschädigung zu bilden. 4 Erschließung des Bereichs Friedensvertrag von Versailles, Y Für den Bereich Friedensvertrag von Versailles und die Aktenplanhauptgruppe Y des Aktenplans von 1929 stellte sich neben der Aufgabe der Erschließung die Frage, wie die Überlieferung sinnvoll klassifiziert werden konnte. Anders als im Bereich Schaden existierte für die Akten vor 1929 keine einheitliche und von dem nachfolgenden Bereich Kr abgetrennte Struktur. Stattdessen gingen einige vormalige Aktenbetreffe 1929 in Aktenplanbereiche der Hauptgruppe Y über, so u.a. die Sachlieferungen im Rahmen der Wiedergutmachung (Aktenplanobergruppe Y 7) und Saar- und Besatzungsangelegenheiten (Aktenplanobergruppe Y 9). Andere Akten waren 1929 bereits abgeschlossen und wurden nicht mehr im neuen Einheitsaktenplan abgebildet, beispielsweise zu den Friedensverhandlungen oder zum Dawes-Plan. Schließlich wurde im Zweiten Weltkrieg die thematisch neue Aktenplanobergruppe Y 5 (Finanzielle und wirtschaftliche Angelegenheiten ausländischer Staaten während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere Verwaltung der besetzten Gebiete) angelegt. Anhand der Aktenzeichen vor 1929 war größtenteils eine Systematisierung des Aufgabenbereichs und Klassifizierung der entstandenen Akten möglich, sodass die ganz oder überwiegend vor 1929 entstandenen Akten in einem ersten Klassifikationsknoten "Friedensvertrag von Versailles.- Abschluss und Ausführung" zusammengefasst wurden. Einbezogen wurden dabei auch die späteren Aktenplanobergruppen Y 7 (Durchführung des Sachleistungsverfahrens) und Y 9 (Saar- und Besatzungsangelegenheiten), da die zugehörigen Akten meist vor 1929 entstanden und eine Systematisierung anhand der alten Aktenzeichen möglich war. Die nach 1929 entstandenen Akten der Hauptgruppe Y wurden entsprechend der Gliederung des Einheitsaktenplans klassifiziert. Wie schon im Bereich der Hauptgruppe Kr wurde bei der Überarbeitung die bestehende Erschließung überarbeitet und der tatsächlichen Aktenstruktur angepasst. 5 Ausblick Im Anschluss an die Erschließungsarbeiten zu den Bereichen Schaden, Kr und Friedensvertrag von Versailles, Y wurden die bereits in BASYS angelegten oder zumindest im Bundesarchiv als Sachakte identifizierten bislang unerschlossenen rund 1.000 Sachakten des Bestands BArch R 2 verzeichnet. Mit dieser Rückstandsbearbeitung verbunden war das Ziel, bei der Erstellung zukünftiger Teilfindbücher möglichst alle im Bundesarchiv befindlichen Akten zum entsprechenden Aktenplanbereich einbeziehen zu können und dadurch wiederholte Nachbearbeitungen möglichst zu vermeiden. Im Zuge der Erschließung wurde zudem überprüft, bei welchen als fehlend angezeigten Akten des Bestands BArch R 2 es sich lediglich um nicht belegte Lücken bzw. bereits kassierte Akten handelt. Insgesamt konnten so 466 Datensätze identifiziert werden, welche physisch nie existierten, bereits kassiert wurden oder auf andere Weise nachweisbar nicht mehr vorliegen (transferiert, zusammengefasst mit anderen Akten etc.). Bei der Erschließung konnten zudem auch Aktenpläne bzw. Aktenverzeichnisse für die Zeit vor dem Einheitsaktenplan von 1929 ermittelt werden, die die Einordnung und Klassifizierung älterer Akten erleichtern.5 Anschließend an die zehn seit 2003 bereits online bereit gestellten Teilfindbücher zum Reichshaushalt (Teil 1 bis 5) und zu Sachgebieten der Reichsfinanzverwaltung (bislang Teil 6 bis 10) werden aktuell die Sachgebiete Zoll (Aktenplanhauptgruppe Z) sowie Landessteuern, Gemeindesteuern, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Bürgersteuer (Aktenplanhauptgruppe L) und Länder- und Gemeindefinanzen, Neuaufbau des Reiches (Aktenplanhauptgruppe LG) überarbeitet und zukünftig als Onlinefindbücher bereit gestellt. Bereits jetzt sind alle Sachgebiete mindestens vorläufig in BASYS erschlossen und damit mittels BASYS-Invenio in den Lesesälen des Bundesarchivs recherchierbar. Jan Ludwig 5 BArch R 2/6-8, 31534. 6