Mythologie - Sternengeschichten
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Mythologie - Sternengeschichten
www.sternen-geschichten.de Mythologie Raub der Persephone Hier erzähle ich Euch die Geschichte „Raub der Persephone“, wie sie uns von Ovid in seinen Metamorphosen überliefert wurde. Hades (lat. Pluto) herrscht über sein düsteres Totenreich tief unter der Erde. Er ist von Schatten der Toten umgeben, kein Lebewesen kommt freiwillig hierher. Geschweige denn eine passende Frau. Das ist der Liebesgöttin Venus ein Dorn im Auge, sie kann es nicht dulden, wenn sich jemand ihrer Macht der Liebe entzieht, auch wenn es die Unterwelt ist! So weist sie ihren Sohn Amor an, den stärksten seiner Liebespfeile zu nehmen und diesen mitten ins Herz des dunklen Unterweltherrschers zu schießen. Pluto, durch Amors Pfeil getroffen, erblickt Persephone, die schöne Tochter von Zeus und Demeter und verliebt sich unsterblich in sie. Auf seine Bitte, sie ihm zur Frau zu geben, erklärt Zeus, dass ihre Mutter dem niemals zustimmen würde und er sie ja rauben könne. Da zögert Pluto nicht lange und entführt das auf einer Wiese blumenpflückende Mädchen aus dem Kreis ihrer Gefährtinnen in sein dunkles Reich. Vergebens sucht die verzweifelte Demeter ihre Tochter auf der Erde. Auf ihrem Weg lässt sie alles Fruchtbare, was Mutter Erde hervorgebracht hatte, verdorren. Die Saat und Ernte, die Blumen und Gräser, die Sträucher und Bäume. Das hätte das Ende der Menschheit und aller Lebewesen bedeutet, wenn Zeus nicht eingegriffen und durch den geschickten Götterboten Hermes/Merkur zwischen Demeter und Hades vermittelt hätte. Seinem Schlichtungsergebnis haben wir die heutigen Jahreszeiten zu verdanken. Es besagt, dass die Geraubte eine Hälfte des Jahres auf der Erdoberfläche, die andere in der Unterwelt verbringen muss. Und so ist Demeter glücklich, wenn Persephone auf der Erde weilt, und die Natur erblüht mit ihr. Wir nennen diese Zeit Frühling und Sommer. Doch ist ihre Tochter bei ihrem Gatten in der Unterwelt, ist Demeter unglücklich, und die Natur mit ihr. Das ist die Zeit, in der auf der Erde Herbst und der Winter herrscht. Copyright @ Dagmar Zimmermann | Sternengeschichten | Hintergasse 14, 55288 Partenheim Seite 2 Und die Moral von der Geschichte: Dieser Mythos ist voller Symbolik. Ihr wichtigstes Motiv zeigt uns die Möglichkeit, in zwei verschiedenen Welten zu leben (abwechselnd) bzw. zu reisen. Persephone ist es gelungen, beide Seiten des Lebens, Licht und Schatten, Bewusstsein und Unbewusstsein in ihr Leben zu integrieren. Sie hat sich ihrem Schmerz gestellt und das ihr zugefügte Unrecht transformiert. Von einem Mädchen ist sie zur Frau gereift. Diese Geschichte zeigt uns ein „altes Brauchtum“ der Gewalt von Männern gegenüber Frauen, das noch heute in seinen schlimmsten Formen wie Frauenraub/Entführung, Erniedrigung, Nötigung, (Massen)Vergewaltigung, Zwangsprostitution, ... in den von Männern geprägten Kulturen „praktiziert“ wird. Auch wir Frauen, die dieses Entsetzen nicht selbst am eigenen Leib und Seele erfahren mussten, spüren diese Verletzung in uns. Sie ist in unserem Ahnengedächtnis gespeichert und so - bewusst und unbewusst – sehr präsent. Doch wie Persephone sind wir an eine heilende Wandlungsenergie angeschlossen, die die Ohnmacht und Angst ihrer Schattenwelt in Stärke, Kraft und Verständnis transformiert. Übrigens pflegen wir heute noch eine „Spätform“ des Frauenraubs, nämlich die weit verbreitete Entführung der Braut am Hochzeitstag. „Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben.“ Marcus Aurelius @ Dagmar Zimmermann | Sternengeschichten | Hintergasse 14, 55288 Partenheim Seite 2