Mythologie - Sternengeschichten

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Mythologie - Sternengeschichten
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Mythologie
Raub der Persephone
Hier erzähle ich Euch die Geschichte „Raub der Persephone“, wie sie uns von Ovid in seinen
Metamorphosen überliefert wurde.
Hades (lat. Pluto) herrscht über sein düsteres Totenreich tief unter der Erde. Er ist von
Schatten der Toten umgeben, kein Lebewesen kommt freiwillig hierher. Geschweige
denn eine passende Frau. Das ist der Liebesgöttin Venus ein Dorn im Auge, sie kann
es nicht dulden, wenn sich jemand ihrer Macht der Liebe entzieht, auch wenn es die
Unterwelt ist!
So weist sie ihren Sohn Amor an, den stärksten seiner Liebespfeile zu nehmen und
diesen mitten ins Herz des dunklen Unterweltherrschers zu schießen.
Pluto, durch Amors Pfeil getroffen, erblickt Persephone, die schöne Tochter von Zeus
und Demeter und verliebt sich unsterblich in sie. Auf seine Bitte, sie ihm zur Frau zu
geben, erklärt Zeus, dass ihre Mutter dem niemals zustimmen würde und er sie ja
rauben könne. Da zögert Pluto nicht lange und entführt das auf einer Wiese
blumenpflückende Mädchen aus dem Kreis ihrer Gefährtinnen in sein dunkles Reich.
Vergebens sucht die verzweifelte Demeter ihre Tochter auf der Erde. Auf ihrem Weg
lässt sie alles Fruchtbare, was Mutter Erde hervorgebracht hatte, verdorren. Die Saat
und Ernte, die Blumen und Gräser, die Sträucher und Bäume. Das hätte das Ende der
Menschheit und aller Lebewesen bedeutet, wenn Zeus nicht eingegriffen und durch
den geschickten Götterboten Hermes/Merkur zwischen Demeter und Hades vermittelt
hätte.
Seinem Schlichtungsergebnis haben wir die heutigen Jahreszeiten zu verdanken. Es
besagt, dass die Geraubte eine Hälfte des Jahres auf der Erdoberfläche, die andere in
der Unterwelt verbringen muss. Und so ist Demeter glücklich, wenn Persephone auf
der Erde weilt, und die Natur erblüht mit ihr. Wir nennen diese Zeit Frühling und
Sommer. Doch ist ihre Tochter bei ihrem Gatten in der Unterwelt, ist Demeter
unglücklich, und die Natur mit ihr. Das ist die Zeit, in der auf der Erde Herbst und der
Winter herrscht.
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Und die Moral von der Geschichte: Dieser Mythos ist voller Symbolik. Ihr
wichtigstes Motiv zeigt uns die Möglichkeit, in zwei verschiedenen Welten zu leben
(abwechselnd) bzw. zu reisen. Persephone ist es gelungen, beide Seiten des Lebens,
Licht und Schatten, Bewusstsein und Unbewusstsein in ihr Leben zu integrieren. Sie
hat sich ihrem Schmerz gestellt und das ihr zugefügte Unrecht transformiert. Von
einem Mädchen ist sie zur Frau gereift.
Diese Geschichte zeigt uns ein „altes Brauchtum“ der Gewalt von Männern gegenüber
Frauen, das noch heute in seinen schlimmsten Formen wie Frauenraub/Entführung,
Erniedrigung, Nötigung, (Massen)Vergewaltigung, Zwangsprostitution, ... in den von
Männern geprägten Kulturen „praktiziert“ wird.
Auch wir Frauen, die dieses Entsetzen nicht selbst am eigenen Leib und Seele erfahren
mussten, spüren diese Verletzung in uns. Sie ist in unserem Ahnengedächtnis
gespeichert und so - bewusst und unbewusst – sehr präsent. Doch wie Persephone
sind wir an eine heilende Wandlungsenergie angeschlossen, die die Ohnmacht und
Angst ihrer Schattenwelt in Stärke, Kraft und Verständnis transformiert.
Übrigens pflegen wir heute noch eine „Spätform“ des Frauenraubs, nämlich die weit
verbreitete Entführung der Braut am Hochzeitstag.
„Nicht den Tod sollte man fürchten,
sondern dass man nie beginnen wird, zu leben.“
Marcus Aurelius
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