Pädiatrie - Kastrationsspital.ch
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Pädiatrie - Kastrationsspital.ch
Medizinische Universität Innsbruck Pädiatrie Modul 3.03 Verena Kaiser Wintersemester 2011/12 Inhaltsverzeichnis Pädiatrie Inhaltsverzeichnis: Einführung ......................................................................................................................................................................... 1 Pädiatrische Anamnese .................................................................................................................................................................................1 Definitionen für bestimmte Altersgruppen ..............................................................................................................................................1 Pädiatrische Untersuchung ...........................................................................................................................................................................1 Wachstum und Meilensteine der kindlichen Entwicklung ................................................................................................ 11 Definition Entwicklung ................................................................................................................................................................................11 Körpergröße und Körpergewicht ................................................................................................................................................................11 Kopfumfang ................................................................................................................................................................................................12 Zahnentwicklung .........................................................................................................................................................................................12 Knochenentwicklung ...................................................................................................................................................................................12 Geschlechtsentwicklung..............................................................................................................................................................................13 Sensomotorische Reifung ...........................................................................................................................................................................14 Lebensphasen und ihre Zeiträume: .............................................................................................................................................................14 Neugeborenenreflexe .................................................................................................................................................................................14 Der Denvertest ............................................................................................................................................................................................15 Die Meilensteine der Entwicklung...............................................................................................................................................................15 Sauberkeitsgewöhnung:..............................................................................................................................................................................18 Entwicklung in der Adoleszenz ....................................................................................................................................................................18 Geschlechtsdifferenzierung .............................................................................................................................................. 19 Sexualdifferenzierung .................................................................................................................................................................................19 Entwicklung der Genitalorgane ...................................................................................................................................................................19 Störungen der Sexualdifferenzierung - Disorders of Sex Development (DSD).............................................................................................20 Störungen der sexuellen Differenzierung - 46 XY - DSD ..............................................................................................................................21 46, XX DSD...................................................................................................................................................................................................23 echter Hermaphroditismus .........................................................................................................................................................................26 Differentialdiagnosen..................................................................................................................................................................................26 Diagnostik ...................................................................................................................................................................................................26 Therapie - Intersexualität ............................................................................................................................................................................27 Knochenstoffwechsel ....................................................................................................................................................... 28 Physiologie ..................................................................................................................................................................................................28 Kalziumstoffwechsel ...................................................................................................................................................................................28 Rachitis........................................................................................................................................................................................................29 Asthma bronchiale beim Kind .......................................................................................................................................... 34 Definition ....................................................................................................................................................................................................34 „Asthma“ ≠ Asthma.....................................................................................................................................................................................34 Ätiologie ......................................................................................................................................................................................................35 Symptome...................................................................................................................................................................................................35 Asthma Pathophysiologie ...........................................................................................................................................................................35 Asthma - Diagnose ......................................................................................................................................................................................35 Asthmatherapie beim Kind .........................................................................................................................................................................36 Therapie des akuten Asthmaanfalles ..........................................................................................................................................................39 Kindesmisshandlung ........................................................................................................................................................ 40 Definition ....................................................................................................................................................................................................40 Epidemiologie .............................................................................................................................................................................................40 Fallbeispiele #1-4 ........................................................................................................................................................................................40 Anamnese und körperliche Untersuchung ..................................................................................................................................................43 Zusammenfassung ......................................................................................................................................................................................43 Klein- und Hochwuchs...................................................................................................................................................... 44 Auxologie ....................................................................................................................................................................................................44 Knochenalter ...............................................................................................................................................................................................44 Kleinwuchs ..................................................................................................................................................................................................44 Kleinwuchsformen ......................................................................................................................................................................................45 (Ulrich)-Turner Syndrom .............................................................................................................................................................................45 Hochwuchs..................................................................................................................................................................................................47 EKG im Kindes- und Jugendalter ....................................................................................................................................... 49 Elektrokardiographische Ableitungen .........................................................................................................................................................49 Besonderheiten im Kindesalter ...................................................................................................................................................................49 DRUCK- UND VOLUMENBELASTUNG DES HERZENS IM VORHOFBEREICH ..................................................................................................52 SCHENKELBLOCK BILDER .............................................................................................................................................................................52 HERZRYTHMUSSTÖRUNGEN – ARRHYTHMIEN ...........................................................................................................................................53 TACHYKARDE ARRYTHMIEN ........................................................................................................................................................................55 Zusammenfassung: .....................................................................................................................................................................................55 Spezielle EKG’s ............................................................................................................................................................................................56 Synkopen im Kindesalter ................................................................................................................................................. 57 Definition: ...................................................................................................................................................................................................57 Vasovagale Synkope....................................................................................................................................................................................57 Ursachen für Synkopen bzw. Synkopen-ähnliche Zustände (Erwachsene)..................................................................................................58 Seite i Verena Kaiser Pädiatrie Inhaltsverzeichnis Synkopen – Arrhythmien ............................................................................................................................................................................61 Take home message....................................................................................................................................................................................62 Catecholamin-induzierte ventrikuläre TK /KF (CPVT) ..................................................................................................................................62 Das infektanfällige Kind ................................................................................................................................................... 63 Player in der Immunologie ..........................................................................................................................................................................63 Autoimmunität............................................................................................................................................................................................63 Immundefizienz oder „Mein Kind hat ständig Fieber!!“ ..............................................................................................................................64 Primäre Immundefizienz .............................................................................................................................................................................65 Primäre Immundefizienz: 10 Warnzeichen (2 od. > Abklärung!) Jeffrey Modell Foundation .................................................................65 Take home messages ..................................................................................................................................................................................67 Exanthematische Erkrankungen ....................................................................................................................................... 68 Masern ........................................................................................................................................................................................................68 Scharlach .....................................................................................................................................................................................................69 Röteln..........................................................................................................................................................................................................70 Ringelröteln = Erythema infectiosum = slapped cheek disease...................................................................................................................70 Dreitagefieber = Exanthema subitum= Roseola infantum: .........................................................................................................................71 Varizellen = Windpocken = Schafblattern ...................................................................................................................................................72 Meningitis ....................................................................................................................................................................... 73 1. Definition ................................................................................................................................................................................................73 2. Häufigkeit ................................................................................................................................................................................................73 3. Ätiologie ..................................................................................................................................................................................................73 4. Anamnese ...............................................................................................................................................................................................74 5.Symptome ................................................................................................................................................................................................75 6. Diagnostik ...............................................................................................................................................................................................75 7. Differenzialdiagnose des Meningismus ...................................................................................................................................................75 8. Komplikationen .......................................................................................................................................................................................75 9. Antibiotische Therapie der bakteriellen Meningitis, Alter als Hinweis für Erreger ..................................................................................76 Vaskulitis im Kindesalter .................................................................................................................................................. 77 Vaskulitis: chronische Entzündung der Gefäße ...........................................................................................................................................77 Purpura Schönlein-Hennoch .......................................................................................................................................................................77 Kawasaki Syndrom ......................................................................................................................................................................................78 Arthritis im Kindesalter .................................................................................................................................................... 81 Differentialdiagnose Gelenkschmerzen und -schwellungen .......................................................................................................................81 Septische Arthritis (Rheumatologischer Notfall !!!) ....................................................................................................................................81 Lyme Arthritis..............................................................................................................................................................................................81 Transiente Synovitis (Coxitis fugax = Hüftschnupfen) .................................................................................................................................81 M. Perthes...................................................................................................................................................................................................82 Kriterien des Systemischen Lupus erythematodes ......................................................................................................................................82 juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ...........................................................................................................................................................82 Zusammenfassung ......................................................................................................................................................................................84 Akute Leukämien im Kindes- und Jugendalter .................................................................................................................. 85 Definition und Häufigkeit ............................................................................................................................................................................85 Leitsymptome der Leukämien .....................................................................................................................................................................85 Klinik akuter Leukämien ..............................................................................................................................................................................85 Diagnostik der ALL.......................................................................................................................................................................................85 Therapie der ALL .........................................................................................................................................................................................86 Diabetes mellitus in Kindesalter ....................................................................................................................................... 89 Diabeteseinteilung ......................................................................................................................................................................................89 Physiologie der Insulinsekretion .................................................................................................................................................................89 Epidemiologie DM Typ 1 und 2 ...................................................................................................................................................................90 Phasen der Diabetesentstehung .................................................................................................................................................................90 Diagnostik ...................................................................................................................................................................................................90 Insulintherapie ............................................................................................................................................................................................91 Therapieformen ..........................................................................................................................................................................................91 Konventionelle Therapie .............................................................................................................................................................................92 Insuline und ihre Wirkung ...........................................................................................................................................................................92 Weitere Therapiemaßnahmen: ...................................................................................................................................................................93 Akute Komplikationen.................................................................................................................................................................................94 Spätkomplikationen ....................................................................................................................................................................................96 Harnwegsinfektionen und VUR ........................................................................................................................................ 99 Bakteriurie?............................................................................................................................................................................................... 100 Entwicklung der Blasenfunktion................................................................................................................................................................ 100 Epidemiologie der HWI ............................................................................................................................................................................. 100 Ursachen ................................................................................................................................................................................................... 100 Anamnese und Klinik................................................................................................................................................................................. 100 Therapie .................................................................................................................................................................................................... 101 Uronephrologische Anomalien ................................................................................................................................................................. 101 Algorithmus: ............................................................................................................................................................................................. 102 Einführung in die Klinische Genetik ................................................................................................................................ 103 Überblick ................................................................................................................................................................................................... 103 Verena Kaiser Seite ii Inhaltsverzeichnis Pädiatrie Chromosomenstörungen .......................................................................................................................................................................... 103 Trisomie 21, Down Syndrom ..................................................................................................................................................................... 103 Trisomie 18- kongenitale Fehlbildungen ................................................................................................................................................... 104 Trisomie 13 (Patau) ................................................................................................................................................................................... 104 Dysmorphiezeichen-Ohr ........................................................................................................................................................................... 105 Definition Lippe ......................................................................................................................................................................................... 105 Strukturelle Chromosomenanomalien ...................................................................................................................................................... 106 Smith Magenis Syndrom ........................................................................................................................................................................... 107 Wolf-Hirschhorn Syndrom 4p- (4p15) ....................................................................................................................................................... 107 Kryptische Chromosomenanomalien ........................................................................................................................................................ 108 del 22q11.2 Syndrome (DiGeorge/Velocardiofacial Syndrome) ................................................................................................................ 108 Imprintingstörung als Ursache von Krankheiten, Epigenetik .................................................................................................................... 108 Was ist neu? -> Computerunterstützte Techniken .................................................................................................................................... 109 Monogene Erbkrankheiten ....................................................................................................................................................................... 109 Signalpathways ......................................................................................................................................................................................... 109 Nephrotisches Syndrom und HUS .................................................................................................................................. 111 Fallbericht ................................................................................................................................................................................................. 111 Nephrotisches Syndrom ............................................................................................................................................................................ 111 Steroidsensibles Nephr. Syndrom ............................................................................................................................................................. 113 HUS – hämolytisch urämisches Syndrom .................................................................................................................................................. 114 Neugeborenenuntersuchung ......................................................................................................................................... 116 Anamnese ................................................................................................................................................................................................. 116 Beurteilung der Vitalität ............................................................................................................................................................................ 116 Haut .......................................................................................................................................................................................................... 116 Kopf........................................................................................................................................................................................................... 117 Gesicht ...................................................................................................................................................................................................... 117 Herz/Kreislauf ........................................................................................................................................................................................... 117 Atmung ..................................................................................................................................................................................................... 118 Abdomen .................................................................................................................................................................................................. 118 Genitale..................................................................................................................................................................................................... 118 Extremitäten ............................................................................................................................................................................................. 118 Neurologie ................................................................................................................................................................................................ 118 Neugeborenenscores zur Reifebeurteilung ............................................................................................................................................... 118 Untersuchungen gesundes NG .................................................................................................................................................................. 118 Zusammenfassung .................................................................................................................................................................................... 119 Neurologischer Neugeborenenstatus ............................................................................................................................. 119 Beurteilung der Vigilanz ............................................................................................................................................................................ 119 Motorik ..................................................................................................................................................................................................... 119 Reflex ........................................................................................................................................................................................................ 119 Untersuchung der Hirnnerven .................................................................................................................................................................. 120 Motorische Untersuchung des Neugeborenen ......................................................................................................................................... 120 Sensorische Untersuchung ........................................................................................................................................................................ 121 Neugeborenenreanimation ............................................................................................................................................ 122 Maßnahmen: ............................................................................................................................................................................................ 122 Algorithmen: ............................................................................................................................................................................................. 124 Grenzen..................................................................................................................................................................................................... 125 Medikamente............................................................................................................................................................................................ 125 Versuchen Sie folgende Fragen zu beantworten:...................................................................................................................................... 125 Ernährung des gesunden Säuglings und Kindes .............................................................................................................. 126 Stillen und Gewicht ................................................................................................................................................................................... 126 WHO - Empfehlung ................................................................................................................................................................................... 126 Ursachen für die Annahme: „zu wenig Milch“ .......................................................................................................................................... 127 Saugverhalten des Säuglings ..................................................................................................................................................................... 128 Ernährung effektiv?................................................................................................................................................................................... 128 Absolute Indikation zum Abstillen ............................................................................................................................................................ 129 Fallbeispiel 1 ............................................................................................................................................................................................. 129 Fallbeispiel 2 ............................................................................................................................................................................................. 129 Ab wann Beikost?...................................................................................................................................................................................... 129 Allgemeine Tipps ....................................................................................................................................................................................... 130 Neue (?) österreichische Beikost-Empfehlungen - „Richtig essen von Anfang an“ ................................................................................... 130 Österreichische Beikostempfehlungen ..................................................................................................................................................... 131 Geschmacksprägung ................................................................................................................................................................................. 133 Beikost: Soll sein … .................................................................................................................................................................................... 134 Zeitpunkt der Beikostgabe ........................................................................................................................................................................ 134 Beginn der Getränkegabe ......................................................................................................................................................................... 135 Energiedichte und Mahlzeitenfrequenz .................................................................................................................................................... 135 Zubereitungsempfehlung .......................................................................................................................................................................... 136 Empfehlungen zu Fisch-, Ei-, Erdnuss- und Nusskonsum .......................................................................................................................... 136 Zöliakie ...................................................................................................................................................................................................... 137 EMPFEHLUNGEN DER ÖSTERREICHISCHEN STILLKOMMISSION: ............................................................................................................... 137 Otitis externa und media, Mastoiditis, Tonsillopharyngitis, „banaler“ Atemwegsinfekt ................................................. 138 Otitis externa ............................................................................................................................................................................................ 138 Seite iii Verena Kaiser Pädiatrie Inhaltsverzeichnis Otitis media acuta ..................................................................................................................................................................................... 139 Mastoiditis ................................................................................................................................................................................................ 140 Tonsillen .................................................................................................................................................................................................... 141 Tonsillopharyngitis .................................................................................................................................................................................... 141 „Banaler“ Atemwegsinfekt........................................................................................................................................................................ 142 Atopie, Allergie .............................................................................................................................................................. 143 Definitionen .............................................................................................................................................................................................. 143 Häufigkeit atopischer Erkrankungen ......................................................................................................................................................... 143 Risikofaktoren ........................................................................................................................................................................................... 143 Rhinitis allergica ........................................................................................................................................................................................ 144 Insektengiftallergie ................................................................................................................................................................................... 145 Urtikaria .................................................................................................................................................................................................... 145 Quincke-Ödem (Angioödem) .................................................................................................................................................................... 146 Anaphylaktischer Schock........................................................................................................................................................................... 146 Atemwegsinfektionen der Bronchien ............................................................................................................................. 150 Subglottische Laryngitis – Viraler Krupp:................................................................................................................................................... 150 Epiglottitis: ................................................................................................................................................................................................ 150 Untersuchung eines Kindes mit Atemwegsinfektionen:............................................................................................................................ 150 Erkrankungen der Bronchien: ................................................................................................................................................................... 151 Erkrankungen der Pleura: ......................................................................................................................................................................... 152 Differenzialdiagnosen an die gedacht werden sollte: ............................................................................................................................... 152 Verena Kaiser Seite iv Anamnese und Untersuchung Pädiatrie 08.11.11 - Müller Einführung Empfohlene Lehrbücher: - - B. Koletzko: ∙ „Kinder- und Jugendmedizin“ ∙ 13. Auflage, Springer Verlag E. Mayatepek: ∙ „Pädiatrie“ ∙ 1. Auflage, ELSEVIER Urban & Fischer Pädiatrische Anamnese - Eigen-Anamnese meist nicht möglich Fremd-Anamnese erforderlich (Eltern, Geschwister, Verwandte, Tagesmutter, Lehrer, etc.) Genauer Hergang eines Ereignisses wird selten ganz verlässlich geschildert „Verbotene“ Handlungen werden oft negiert (Ingestion von Beeren, Tabletten, Missbrauch usw.) Kinder haben Angst und sind verunsichert Personaldaten: Erreichbarkeit der Erziehungsberechtigten Haus- bzw. Kinderarzt, Zuweiser akute Anamnese Hauptbeschwerden: offene Fragen stellen? Leitsymptom(e) identifizieren häufige Differentialdiagnosen überlegen – welche Fragen wichtig? Erweiterte Anamnese - Eigenanamnese Schwangerschaft - Geburt Ernährung Wachstum und Entwicklung frühere Erkrankungen Vorsorgeuntersuchungen – im Mutter/Kind-Pass dokumentiert Impfungen 1. 2. 3. 4. Akutanamnese (AA): ∙ Leitsymptom(e) → Differentialdiagnosen? Familienanamnese (FA): ∙ V.a. bei Erkrankungen mit genetischer Prädisposition!! Umgebungsanamnese (UA): ∙ bei Infektionskrankheiten!! Sozialanamnese (SA): ∙ bei psychosomatischen, psychiatrischen Symptomen!! Definitionen für bestimmte Altersgruppen - Frühgeborenes (FG): < 36+6 SSW Termingeborenes: 37+0 bis 41+6 SSW (+6 kommt selten vor: normalerweise spätestens Termin+10 Einleitung) Neugeborenes (NG): 1.-28. Lebenstag Säugling (Sgl.): 1.Lebensjahr Kleinkind: 2.-3.Lebensjahr Infant: die ersten 2 Lebensjahre Pädiatrische Untersuchung Untersuchungsreihenfolge: 1. 2. Seite 1 Blutdruck - Größe - Gewicht – Kopfumfang → Perzentilenkurve Hautbeurteilung Verena Kaiser Pädiatrie 3. 4. 5. 6. Anamnese und Untersuchung Palpation - Perkussion - Auskultation: ∙ Thorax, Abdomen ∙ Perkussion hat in der Pädiatrie eigentlich keinen Stellenwert mehr Mund-Racheninspektion Genitale-Rektum ∙ Rektale Untersuchung nicht obligat (nur bei entsprechenden Fragestellungen) Zusatzuntersuchungen Unangenehme Untersuchungen wie Racheninspektion zum Schluss!!! Objektive Messgrößen Körpertemperatur: - Körpertemperatur am Abend am höchsten Rektal um 0,5 Grad C höher als axillär bei NG und. Sgl. ist rektale Messung Standard (Ohrthermometer sind obsolet! → viel zu ungenau) Fieber: ∙ NG und Sgl.: > 38,0 Grad C REKTAL ∙ Ältere Kinder: > 38,0 Grad C AXILLÄR Körpermaße: - Gewicht Kopfumfang Körperlänge BMI Wachstumsgeschwindigkeit Nicht nur der Einzelwert sondern auch der Perzentilenverlauf ist zu beachten!!! (unter der 3er Perzentile nicht automatisch pathologisch → muss aber abgeklärt werden) Allgemeinzustand (AZ) → Untersuchung des AZ v.a. bei Neugeborenen und Säuglingen vorrangig Guter AZ Kind schreit laut und kräftig Kind spielt mit Händen und Füßen, seitengleiche Spontanmotorik Interesse, Kind fixiert, folgt Blick Hunger, „trinkt gut“ Reduzierter AZ Schläfrig, Kind jammert leise, kraftlos Kind hängt auf dem Arm der Mutter, wenig Spontanmotorik Rosiges Hautkolorit Haut: marmoriert zyanotisch, gräulich-weiss, Apathie (teilnahmslos) „trinkt nicht mehr“, lässt > 1 Mahlzeit aus Haut - - - Reinheit: ∙ Pflegezustand (Fingernägel) ∙ Effloreszenzen (= Hauterscheinungen): ∙ Exantheme (wegdrückbar) ∙ Petechien (mit Glasspatel NICHT wegdrückbar) – Vgl.: Ausschlag ist immer wegdrückbar Petechien und Fieber: Meningokokkeninfektion! Kolorit: ∙ rosa, marmoriert, blassgrau Turgor: ∙ vermindert → Dehydratation ∙ Ödeme Rekapillarisierungszeit: < 2 Sekunden (Druck auf einen Fingernagel → Rekapillarisierung beobachten) Schädel - Kopfumfang → Perzentilenkurve ∙ Makro- bzw. Mikrocephalus Verena Kaiser Seite 2 Anamnese und Untersuchung - - - Pädiatrie Form: ∙ kurz (Brachycephalus) ∙ lang (Scaphocephalus) ∙ hoch (Turricephalus) ∙ Liegeschädel (Plagiocephalus) Fontanelle: ∙ Größe: ca. 2,5 cm, Verschluss: 7-19 Lebensmonat ∙ Niveau (eingesunken, im Niveau, vorgewölbt) ∙ Verschluss ist sehr variabel (8-18 Monate) Schädelnähte: ∙ knöcherner Kamm ´→ vorzeitiger Verschluss? ∙ Verschluss im Erwachsenenalter Augen - - - Konjunktiven: ∙ „Rote Augen“, Entzündung Skleren: ∙ Ikterisch → Hyperbilirubinämie > 2mg/dL Pupillen: ∙ isokor: Anisokorie bis max. 2mm oft physiologisch, wenn im Dunkeln und Licht gleicher Unterschied ∙ Form ∙ direkte und indirekte Lichtreaktion ∙ Leukorie → Va. Retinoblastom Strabismus: ∙ ab 6. Lebensmonat muss unilaterale (auch transiente) Achsenabweichung abgeklärt werden!! ∙ Abdecktest: NICHT abgedeckte Auge macht eine Einstellbewegung!!! Motilitätsprüfung: ∙ Unterscheidung zw. konkommitierendem und paretischem Schielen!! Nase - - - behinderte Nasenatmung: ∙ Säuglinge (Sgl.) obligate „Nasenatmer“ ∙ bei Rhinitis daher oft Trinkprobleme bei Sgl. Nasenflügeln beim Atemnotsyndrom des Neugeborenen Epistaxis: ∙ Bei Kindern meist harmlos ∙ meist Locus Kieselbach Blutungen: traumatisch („Nasenbohren“) trockene Schleimhäute Infekte ∙ seltener bei Thrombozytopenien: idiopathisch (Mb. Werlhof) Akute Leukämie chronisch, blutiger Auslauf: Fremdkörper? Nasennebenhöhlen: ∙ Sinusitis ethmoidalis: typische Lid bzw. Periorbitalschwellung ∙ Stirnbeinhöhlenentzündungen erst ab Schulalter relevant (Nasennebenhöhlen werden sukzessive mit dem Alter angelegt) Ohr - - Äußere Form: ∙ Ohrform ∙ Ohrposition zu den Augen ∙ Missbildungen → Chromosomenanomalien ∙ Schwellung des Mastoids - einseitig abstehendes Ohr? Otoskopie: ∙ Fixieren (um bei unerwarteten Bewegungen des Kindes das Trommelfell nicht zu verletzen), Rücklage ∙ Otoskop - Füllhaltergriff, am Schädel mit Handballenabstützen ∙ Ohr nach hinten (Sgl.) bzw. hinten oben ziehen ∙ Trichter unter Sicht! bis kurz vor Behaarungsende in GG führen ∙ Trommelfell-Landmark → Lichtreflex und Hammergriff: TF gerötet? vorgewölbt? Perforation? Mund und Pharynx - Seite 3 Zunge: ∙ ∙ Beläge Soor (schwer entfernbare weißliche Auflagerungen) Verena Kaiser Pädiatrie Anamnese und Untersuchung ∙ - - Erdbeer- bzw. Himbeerzunge: Scharlach Kawasaki-Syndrom Zähne: ∙ Dentition: ∙ Milchzähne (5-30 Monate) ∙ bleibende Zähne: 5-14 (30) Jahre Mund-auf / „aaa“-Sagen bzw. Spateln: ∙ Gaumenbogen und Tonsillen-gerötet? Beläge? ∙ Rachenhinterwand gerötet? Schleimstrassen? Tonsillopharyngitis ist sehr häufige Fieberursache im Kindesalter!! (Streptokokkenpharyngitis beim Säugling Rarität, meist erst im Kindergartenalter) Alter und Vitalparameter Herzfrequenz und Atemfrequenz sinken, RR steigt mit dem Alter Atmung - - Atemfrequenz ist altersabhängig Tachypnoe: ∙ Sepsis ∙ Pneumonie ∙ Schmerzen ∙ Fieber ∙ metabolische Azidose ∙ Herzfehler → Tachypnoe ist ein sehr wichtiges Leitsymptom Dyspnoe → inspirator. Einziehungen: ∙ jugulär ∙ infrasternal ∙ intercostal ∙ subcostal Thorax - - - - Formveränderungen: ∙ Trichterbrust ∙ Glockenthorax bzw. Fassthorax Atemtyp und Atemfrequenz: ∙ Brustatmung ∙ Bauchatmung ∙ Mischatmung ∙ Brady- bzw. Tachypnoe Dyspnoezeichen: ∙ Inspirator. Einziehungen ∙ Nasenflügeln ∙ Stöhnen und Pressen ∙ Atemhilfsmuskulatur Stridor: ∙ Inspiratorisch: Subglottische Laryngitis, Epiglottitis, Fremdkörperaspiration ∙ Exspiratorisch: Bronchiolitis, Asthma bronchiale Verena Kaiser Seite 4 Anamnese und Untersuchung - - - - - - - - - - - Seite 5 Pädiatrie Husten: ∙ sporadisch, Salven, paroxysmal ∙ pertussiform (an Pertussis denken: nicht alle Kinder geimpft) ∙ trocken, produktiv ∙ bellend plus inspiratorischer Stridor → Subglottische Laryngitis Perkussion: ∙ bei Sgl. und Kleinkindern keine Bedeutung ∙ ICR, nicht Rippen perkutieren ∙ immer im Seitenvergleich!! Auskultation → IMMER im SEITENVERGLEICH! ∙ seitengleiche Belüftung? ∙ Atemabschwächung/Atemverschärfung Rasselgeräusche: ∙ klingend (hochfrequent) - nicht klingend (niederfrequent) ∙ trockene RGs → Bronchiolitis, Asthma bronchiale: Brummen Giemen Pfeifen ∙ feuchte RGs → Pneumonie, Lungenödem fein-, mittel-, grobblasig ∙ fortgeleitete RGs: behinderter Nasenatmung Palpation: ∙ Spitzenstoß, Schwirren Auskultation: ∙ HF, Rhythmus, Herzgeräusche Auskultationspunkte: ∙ Mitralis: 5.ICR links MCL ∙ Tricuspidalis: 4.ICR re parasternal ∙ Aorta: 2.ICR re parasternal ∙ Pulmonalis: 2.ICR li parasternal Herztöne: ∙ I. HT: p.m., 3./4ICR li ∙ II. HT: p.m. 2.ICR re und links bzw. Erb Herzgeräusche: ∙ akzidentell, funktionell, organisch (selten) ∙ Systolikum (95%), Diastolikum, Kontinuierlich Herzgeräusche Lautstärke: ∙ 1/6 sehr leise, nur in Atempause (meist harmlos) ∙ 2/6 leise, aber gut hörbar ∙ 3/6 mittellaut, nie präkordiales Schwirren ∙ 4/6 laut, meist Schwirren ∙ 5/6 sehr laut, immer Schwirren ∙ 6/6 sehr laut, Distanzgeräusch ohne Stethoskop akzidentelle Herzgeräusche: ∙ 80% aller Kinder irgendwann im Leben ∙ Gipfel 3-4 Jahre ∙ systolisch, max. 2/6 ∙ 2./3. ICR li, Lageabhängig: im Sitzen leiser bzw. verschwunden ∙ Patient hat KEINE Symptome!!! ∙ „Bei fast jedem Kind hört irgendein Arzt irgendwann ein Herzgeräusch!!!“ Funktionelle Herzgeräusche: ∙ bei erhöhtem Herzzeitvolumen: Fieber Anämie Schmerzen nach körperlicher Anstrengung Hyperthyreose ∙ verschwindet bzw. deutlich leiser bei normalem HZV organische Herzgeräusche: ∙ organisch bzw. strukturell fixierte Anomalien ∙ meist lautes Systolikum (mind. 2-3/6) ∙ Diastolikum (selten) ∙ nie lageabhängig ∙ abnorm kräftige bzw. abnorm schwache Axillaris- bzw. Femoralispulse schwache Femoralispulse: Hinweis auf Aortenisthmusstenose ∙ Patient symptomatisch Verena Kaiser Pädiatrie Anamnese und Untersuchung ∙ ∙ ∙ Zyanose pathologisches EKG auffälliges Thoraxröntgen Herzgröße Herzsilhouette Blutdruck - - RR-Manschette: die größte Manschette verwenden, welche die Ellenbeuge bzw. Kniekehle noch frei lässt Normalwerte entsprechend 5-95 % Perzentilen bei erhöhten RR Werten an einem Arm: ∙ RR an alle 4 Extremitäten messen ∙ RR im Sitzen, Liegen und Stehen messen Art. Hypertension wenn RR in allen Messungen jeweils > 95% Abdomen - - - - - - Inspektion: ∙ verminderte Bauchatmung: Sgl. bei Peritonitis, Schmerzen → resp.Insuffizienz ∙ vermehrte Bauchatmung: z.B.: Pneumonie ab Vorschulalter bis zum 3. Lebensjahr ist Bauchatmung physiologisch ∙ vermehrte Venenzeichnung: physiologisch in ersten 2.Lebensjahren distendiertes Abdomen Caput medusae Abdominelle Vorwölbung: ∙ normal bei Sgl. und Kleinkindern!! ∙ Aszites ∙ Gasgefülltes Abdomen ∙ Obstipation ∙ Hepato- bzw. Splenomegalie ∙ Neoplasien ∙ Zysten Bauchdecke weich? ∙ bessere Beurteilung bei gebeugten Hüften Peritonitiszeichen: ∙ Bauchschmerzen ∙ schmerzempfindliche Bauchdecke ∙ Abwehrspannung (Defense) ∙ gespannte, harte Bauchdecke Eine weiche Bauchdecke bedeutet kein Hinweis auf generalisierte Peritonitis, schließt aber eine schwerwiegende Pathologie niemals aus!!! Auskultation: ∙ Peristaltische Darmgeräusche: normal, lebhaft keine, vermindert, gesteigert metallisch klingend → mechanischer Ileus Totenstille → paralytischer Ileus Perkussion: ∙ tympanitischer Klopfschall: gasgefüllter Darm Meteorismus ∙ Dämpfung: Stuhl, flüssigkeitsgefülltes od. solides Organ Tumor, Aszites ∙ Nierenlager: klopfempfindlich? Appendizitiszeichen Verena Kaiser Seite 6 Anamnese und Untersuchung ∙ ∙ - - Pädiatrie Bei Mädchen auch an Ovarialtorsion denken!!! Generell: bei Kindern mit Bauchschmerzen, Erbrechen und keinem Durchfall ist an eine Appendizitis zu denken Leber: ∙ Größe: abhängig von Inspiration ∙ NG und Säuglinge: bis 4 cm unter Ribo in MCL normal ∙ ältere Kinder 1-2cm unter Ribo in MCL normal ∙ Kratzauskultation manchmal hilfreich Milz: ∙ vergrößert wenn tastbar Nierenflankenschmerz: ∙ bei Vorschulkindern keine Relevanz!! ∙ Erst im Schulalter bei Nierenbeckenentzündung, Urosepsis,.. Lymphknoten - - LK-Stationen pathologisch vergrößert? ∙ nuchal → Röteln ∙ submandibulär ∙ zervikal→ Angina tonsillaris, Lymphadentitis? ∙ supra- und infraclaviculär? → ALL, Lymphom ∙ axillär → ALL, Lymphom ∙ inguinal: bis Pubertät physiologisch palpabel! ∙ (druck)schmerzhaft→ Infektion (häufiger) ∙ nicht schmerzhaft → Leukämie, Lymphom Pathologische LK-Station: ∙ Größe? ∙ Oberflächenbeschaffenheit? ∙ Konsistenz? ∙ Druckdolenz? ∙ Verschieblichkeit mit Umgebung? Bewegungsapparat - - - - Längenverhältnisse zw. Extr. und Rumpf Haltung: ∙ Beinstellung ∙ Beckenschiefstand ∙ Skapula und Rautendreieck symmetrisch? Wirbelsäule: ∙ Skoliose Gelenke: ∙ Bewegungseinschränkung - Schonung ∙ Entzündungszeichen ∙ Kniegelenkserguss Knochenschmerzen: ∙ Wachstumsschmerzen (physiologisch, harmlos) ∙ CAVE: Akute lymphatische Leukämie (erster Hinweis auf eine Leukämie, durch Lymphoblasten ausgelöst) Verletzungen ∙ Kindesmisshandlung wenn nicht plausibler Hergang?!? Muskelatrophien Genitale - - Seite 7 Pubesentwicklung: ∙ Reifestadien nach Tanner! ∙ Hinweis auf Misshandlung Mädchen: ∙ Vulvovaginitis, Labiensynechie Knaben: ∙ Pendelhoden? Gleithoden? Leistenhoden? ab 7.Lebensmonat hormonelle Therapie, wenn bis dahin kein spontaner Descensus ∙ Hydrocele ∙ Phimose (in ersten 3 Lebensjahren physiologisch) ∙ Hypospadie (unterhalb)? Epispadie (oberhalb)? ∙ Hydrocele? ∙ Hernia inguinalis? Verena Kaiser Pädiatrie Anamnese und Untersuchung http://e-learning.studmed.unibe.ch/ Die Untersuchung des Kindes Teil 1 → Video in der VL vom 09.11.11 Verena Kaiser Seite 8 Anamnese und Untersuchung Seite 9 Pädiatrie Verena Kaiser Pädiatrie Verena Kaiser Anamnese und Untersuchung Seite 10 Wachstum und Meilensteine Pädiatrie 10.11.11 - Hofer Wachstum und Meilensteine der kindlichen Entwicklung Definition Entwicklung - alle Veränderungen, die innerhalb eines Zeitraums zu struktureller und funktioneller Differenzierung führen Wandel betrifft quantitative Veränderungen (Wachstum) Differenzierung der Organsysteme und deren Vernetzung (Entwicklung) Entwicklungsprozesse quantitativ und zeitlich messbar – Abweichungen vom Normalen erfassbar Körpergröße und Körpergewicht Altersentsprechende Entwicklung von Größe und Gewicht lassen erkennen ob Entwicklung des Kindes normal verläuft Aussagekraft der Perzentilenkurven: Normvergleich zum Normkollektiv Entwicklungsverlauf des Individuums Definition von Groß- und Kleinwuchs Definition von Über- und Untergewicht Größen und Gewichtsentwicklung des Kindes: Proportionen - Unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeit von Kopf, Rupf und Extremitäten Verhältnis Körperlänge: Kopfhöhe: Neugeborenes 4:1 - Erwachsener 8:1 Wachstumsgeschwindigkeit - - Nimmt im ersten Lebensjahr ab Bleibt dann weitgehend konstant (5-7cm/J) Steigt in Pubertät nochmals an ∙ Trigger: Östrogen- bzw. Testosteronproduktion ∙ → auch für Epiphysenschluss verantwortlich Eintritt des pubertären Wachstumsschubes bei Mädchen früher → daher bei Frauen üblicherweise geringere Endlänge im Vergleich zu Männern Seite 11 Verena Kaiser Pädiatrie Wachstum und Meilensteine Kopfumfang - Messung mittels Maßband Kopfwachstum: ∙ entspricht Massenzunahme des Gehirns ∙ Korreliert mit Alter des Kindes ∙ Im Lauf des Entwicklung bleibt individuelle Perzentile weitgehend konstant Zahnentwicklung - - - Erste Zähne: ∙ 6 Monate (3.-12. Monat) erst untere Schneidezähne, dann obere Schneidezähne und Mahl- und Eckzähne Vollständiges Milchgebiss: 3 Jahre; 20 Zähne Zahnwechsel: ∙ Beginn ca. 6 Jahre (zuerst obere Molaren) ∙ Abschluss ca. 12 Jahre ∙ Weisheitszähne häufig erst nach 18. Lebensjahr Im Rahmen z.B. einer Hypothyreose kann ein sehr später Zahndurchbruch/Zahnwechsel auftreten Knochenentwicklung - Beurteilung von Verknöcherung von Handwurzel und Hand ∙ 2. Lebensjahr: zwei Handwurzelknochen erkennbar ∙ 12. Lebensjahr: meist alle Knochenkerne erkennbar ∙ Bestimmung des Knochenalters Mithilfe spezieller Atlanten möglich (Greulich und Pyle) ∙ ab 10 Jahren Ermittlung der prospektiven Endgröße anhand der Knochenalterbestimmung möglich Verena Kaiser Seite 12 Wachstum und Meilensteine Pädiatrie Skizze der Hand und Handwurzelknochen Bis zum 6. Lebensjahr ist die Anlage der knochenkerne sehr variabel, d.h. die Altersbestimmung durch Handwurzelröntgen ist erst nach dem 6. Lebensjahr aussagekräftig Auftreten der Knochenkerne der Handwurzel Ermittlung des Reifegrades der Knochen (Knochenalter) 1. Epiphysen der Mesophalangen medial verbreitert 2. Epiphysen der Basophalangen proximal konkav 3. Os trapezium oder Os trapezoideum sichtbar 4. Höhe des Os capitatum mindestens so groß wie der Abstand dieses Knochens von der Radiusmetaphyse Röntgenbilder 4 jähriges Mädchen 4 jähriger Knabe mit retardiertem Knochenalter Geschlechtsentwicklung Pubertät: - Geschlechtsspezifische endokrine Situation Pubertärer Wachstumsschub mit anschließendem Sistieren des Körperwachstums Strukturelle und funktionelle Reifung der Geschlechtsorgane Seite 13 Verena Kaiser Pädiatrie Wachstum und Meilensteine Pubertätsstadien nach Tanner - P1 kindliche Verhältnisse, keine Schambehaarung P2 wenige, gering pigmentierte Haare an der Peniswurzel bzw. an den großen Labien P3 kräftigere, dunklere gekräuselte Haare, bis über die Symphyse ausgedehnt P4 ähnlich wie bei Erwachsenen aber nicht auf Oberschenkel übergehend P5 Ausdehnung und Dichte wie bei Erwachsenen, auf die Oberschenkel übergehend P6 auf der Linea alba in Richtung Nabel weiterreichende Behaarung, in 80% bei Männern, in 10% bei Frauen - G1 Hoden, Skrotum und Penis wie in der Kindheit G2 Hodenvolumen ca. 4 ml, Skrotum größer, Penis noch wie in der Kindheit G3 Hodenvolumen und Scrotum größer, Penis länger G4 Hodenvolumen ca. 12 ml, Skrotum dunkler pigmentiert, Penis länger und dicker G5 Hoden, Skrotum und Penis in Größe und Aussehen wie beim Erwachsenen Die Größe der Hoden kann mit dem Orchidometer relativ genau bestimmt werden. - B1 kindliche Verhältnisse, lediglich Erhebung der Brustwarze B2 Brustdrüse vergrößert. Vorwölbung des Warzenhofs. Areola im Durchmesser größer B3 weitere Vergrößerung, Volumen des Drüsenkörpers größer als das der Areola B4 Brustwarze und Areola bilden jetzt über dem Drüsenkörper eine zweite Vorwölbung B5 vollentwickelte Brust mit kontinuierlichem Übergang vom Drüsenkörper zu Areola und prominenter Mamille Sensomotorische Reifung „Meilensteine“ → ““Grenzsteine“ Entwicklung läuft nicht stufenförmig ab, sondern auf verschiedenen Ebenen, die sich überlagern und Fluktuationen zulassen: >97% der Kinder erreichen Fähigkeit im Bereich des „Grenzsteins“ Lebensphasen und ihre Zeiträume: - Pränatalperiode: bis zur Geburt Neugeborenenperiode: bis Ende 4. L-Woche Säuglingszeit: bis Ende 1. L-jahr Kleinkindalter: bis Ende 6. L-jahr Schulalter: bis 14. L-Jahr Adoleszenz: bis Erwachsenenalter Neugeborenenreflexe Persistenz der Neugeborenenreflexe kann auf eine ZNS-Störung hinweisen und muss in jedem Fall abgeklärt werden Verena Kaiser Seite 14 Wachstum und Meilensteine Glabellareflex Pädiatrie Palmarer Greifreflex plantarer Greifreflex Augenschluss durch klopfen Magnetreflex Steigreaktion Galantreflex Schreitreaktion Reiz an der Seite der WS führt zur Beugung zum Reiz hin Moro-Reaktion = Umklammerungsreflex Der Denvertest Im Rahmen des MKP zum Abschätzen des Entwicklungsstandes durchgeführt Die Meilensteine der Entwicklung 1. Lebensjahr Motorik, Sprache, Sozialisation - 1. Monat ∙ Kopfkontrolle in schwebender Bauchlage ∙ Kurze guturale Laute ∙ Läßt sich durch Ansprache/Aufnehmen beruhigen Seite 15 Verena Kaiser Pädiatrie - - - Wachstum und Meilensteine 3. Monat ∙ Kopfheben in Bauchlage ∙ Spontanes Vokalisieren ∙ Lächeln auf Gesicht und Ansprache 6. Monat ∙ Dreht sich ∙ Vokalisieren auf Ansprache ∙ Freut sich über Ansprache / Ansprechen / Anlachen 9. Monat ∙ Freies Sitzen ∙ Silbenketten mit A (wawa, rara) ∙ Unterscheidet zwischen fremden und bekannten Personen Motorische Entwicklung Handfunktion differenzierte Entwicklung: - - 3.-4. Monat: Greifen mit der ganzen Hand (Ulnarseite) Gegenstände von einer Hand in die andere Überkreuzen der Mittellinie 2. Lebenshalbjahr: Miteinbeziehen des Daumens in Greiffunktion: ∙ Scherengriff ∙ Pinzettengriff Verbesserung der visuell-motorischen Koordination 2. Lebensjahr Motorik, Sprache, Sozialisation - - - - 12. Monat ∙ Stehen mit Festhalten ∙ Doppelsilben mit A (mama, papa) ∙ Enge Bindung zu Bezugspersonen 15. Monat ∙ Kommt von Stehen mit Festhalten wieder zum Sitzen ∙ Ausgeprägtes Artikulieren ohne Einwortsprache ∙ Ahmt Gestik und Laute nach 18. Monat ∙ Geht frei und sicher ∙ Mama, Papa, einzelne Worte sinngemäß ∙ Versteht Gebote, Verbote 24. Monat ∙ Hockt sicher, steht freihändig auf ∙ 2-Wortsätze ∙ Kann für sich spielen, Bezugsperson noch notwendig Verena Kaiser Seite 16 Wachstum und Meilensteine Pädiatrie Bewegungskoordination (sensorische Integration) Motorische Entwicklung im Kleinkindalter - - Kleinkind: ∙ Motorik leicht durch organische und psychische Ursachen störbar Beginn des Schulalters: ∙ Stabiler Gleichgewichtssinn ∙ Differenzierte manuelle Geschicklichkeit Wesentliche Prinzipien der Bewegungsentwicklung: ∙ Variabilität ∙ Redundanz d.h. mehrfache Wiederholung unter wechselnden Bedingungen führen zu Differenzierung und Ökonomie der Bewegung Geistig-seelische (emotionale) Entwicklung Sozialverhalten im Säuglingsalter - - Interaktionen zwischen Kind und Eltern beginnen bald nach der Geburt (Blickkontakt) Frühzeitig kommt es zu Imitationsvorgängen Signale des Kindes werden von Erwachsenen beantwortet und umgekehrt Durch gegenseitige Verstärkung wird die Kompetenz der sozialen Interaktionen zunehmend verbessert und gefestigt soziales Lächeln (ca.4.-6.Lebenswoche): ∙ angeborenes Verhalten ∙ von der Stirn-Augenpartie des Gegenüber ausgelöst Soziale Antwort wird zunehmend differenziert Fremdeln (Achtmonatsangst): Unterscheidung zwischen Bekanntem und Nichtvertrautem Geistig-seelische (emotionale) Entwicklung Sozialverhalten im Kleinkindalter - Kleinkind: ∙ Trennungsangst ∙ Zunehmend Entwicklung von Autonomie: Voraussetzung für Kindergartenbesuch Soziale Orientierung auf Altersgenossen und Erzieher ∙ Trotzreaktionen: Ausdruck des Strebens nach Selbständigkeit Normales Phänomen des Kleinkindalters Spielverhalten - Spielverhalten liefert Aussagen über: ∙ soziale Entwicklung des Kindes ∙ Erlebniswelt des Kindes ∙ Fähigkeit zu Konzentration ∙ Fähigkeit emotional zu reagieren ∙ Ideenvielfalt und Phantasie ∙ motorische Fähigkeiten ∙ geistige Leistungen Seite 17 Verena Kaiser Pädiatrie Wachstum und Meilensteine Kriterien für altersentsprechendes Spielverhalten Sauberkeitsgewöhnung: - Voraussetzung: funktionsreifer biologischer Apparat Unwillkürliche Funktion der Ausscheidungsorgane muss willentlich beherrscht werden Erziehungsmaßnahmen sind am besten im 3. und 4. Lebensjahr zu beginnen Entwicklung in der Adoleszenz - - - Pubertät und Adoleszenz sind durch tiefgreifende körperliche und seelische Umstellungen gekennzeichnet → krisenhafte Situationen Pubertät: ∙ Veränderungen an Genitalien (Tanner Stadien) ∙ Auftreten sekundärer Geschlechtsmerkmale ∙ Abschluss des körperlichen Wachstums (Jungen 18J., Mädchen 16J.) Adoleszenz: ∙ Bis Erwachsenenalter Sexualität des Jugendlichen: ∙ Sexuelle Kontakte heute deutlich früher Ablösung vom Elternhaus: ∙ Konfliktsituationen mit Autoritätsprotest ∙ Suche nach eigner Identität ∙ Einfluss der Peer-Gruppen (Gleichaltrige) Krisensituationen: ∙ Emotionale Labilität (hormonelle Ursache) ∙ Kontakt mit Drogen, AIDS, Jugendsekten Nach dieser Phase: - rationale Unabhängigkeit von den Eltern Rebellion gegen Eltern nicht mehr notwendig Unterstützung gerne wieder akzeptiert Lehrbuch Empfehlung: Koletzko, Kinder- und Jugendmedizin Verena Kaiser Seite 18 Geschlechtsdifferenzierung Pädiatrie 14.11.11 - Hofer Geschlechtsdifferenzierung Inhalt - - Sexualdifferenzierung ∙ genetisches Geschlecht ∙ gonadales Geschlecht ∙ somatisches Geschlecht ∙ psychisches Geschlecht Entwicklung der Genitalorgane – Sexualdeterminierung und -differenzierung Störungen der Sexualdifferenzierung ∙ Disorders of Sex Developement - DSD Diagnostisches Vorgehen Therapie der DSD (Intersexualität) Sexualdifferenzierung - - - - genetisches Geschlecht: ∙ Geschlechtschromosomen ∙ Y-Chromosom für weitere Differenzierung notwendig ∙ hochkonserviertes Gen: SRY → sex-determinierende Region des Y-Chromsoms Gonadales Geschlecht: ∙ indifferente und bipotente Gonadenanlage ∙ unter Einfluss von Testes determinierenden Faktoren (SRY gesteuert) Differenzierung der Gonadenanlage zu Testes ∙ bei fehlendem Einfluss von TdF Entwicklung von Ovarien Psychisches Geschlecht: ∙ Tierexperimente zeigen, dass das embryonale Gehirn je nach hormonellem Einfluss in männlich oder weiblich differenziert. ∙ Einfluß ob Gonadotropinsekretion zyklisch (weiblich) tonisch (männlich) Somatisches Geschlecht: ∙ bei beiden Geschlechtern entwickeln sich zwei paarig angelegte Geschlechtsgänge ∙ daraus entwickeln sich das innere männliche und innere weibliche Genitale ∙ Wolff-Gänge ∙ Müller-Gänge Entwicklung der Genitalorgane Wolff-Gang (c): - männliches Geschlecht: ∙ Nebenhodengang, Samenleiter und Bläschendrüse ∙ Hoden produziert Testosteron und Anti-Müller-Hormon (AMH) ∙ Regression des Müller-Gangs Müller-Gang (b): - weibliches Geschlecht: ∙ Tube, Uterus, oberer Teil der Vagina ∙ durch Fehlen von Hoden Regression der Wolff-Gänge Seite 19 Verena Kaiser Pädiatrie Geschlechtsdifferenzierung Sexualdeterminierung und -differenzierung Durch Vorhandensein der SRY Region kommt es zur Ausbildung der Hoden und damit der Leydigund Sertoli-Zellen Sertoli-Zellen produzieren AntiMüller-Hormon, Leydig-Zellen Testosteron Sexualdeterminierung: genetische Prozesse, die die Entwicklung von Nebennieren und Gonadenanlage steuern. z.B. DAX 1 (Defekte führen zu Schwierigkeiten der Gonadenanlagendifferenzierung, aber auch begleitend zu Nebennierenstörungen) Sexualdifferenzierung: hormonelle Prozesse, die durch Steroidbiosynthese, enzymatische Schritte und durch Rezeptorbindung induziert werden. z.B. Androgenrezeptor der aktiv eine Virilisierung bedingt. Störungen der Sexualdifferenzierung - Disorders of Sex Development (DSD) Definition: Störung der sexuellen Differenzierung, bei der sich die inneren und äußeren Geschlechtsorgane in unterschiedlich starker Ausprägung entgegen dem chromosomalen Geschlecht entwickeln. Änderung der Nomenklatur Verena Kaiser Seite 20 Geschlechtsdifferenzierung Pädiatrie Störungen der sexuellen Differenzierung - 46 XY - DSD - 46 XY - DSD (genetisch männliche Individuen mit Testes, deren inneres und/oder äußeres Genitale unzureichend maskulinisiert ist) - Pseudohermaphroditismus masculinus ∙ gonadale und chromosomale Störungen inkomplette oder komplette Gonadendysgenesie ∙ Testosteronbiosynthesedefekt ∙ Leydig-Zell-Hypoplasie ∙ Steroid-5-alpha-Reduktase-2-Defekt ∙ Androgenresistenz – komplett oder partiell Gonadendysgenesie - mehr als die Hälfte der Patienten sind phänotypisch weiblich Anstelle von Gonaden – bds. Bindegewebsstränge 10% der Fälle auf SRY-Genmutation zurückzuführen weiblicher Phänotyp mit normalem Wachstum Ausbleiben der Pubertätsentwicklung sonographisch keine Ovarien darstellbar, ansonsten innerse und äußeres Genitale weiblich Therapie: Substitution von Östrogen und Gestagen ab Pubertätsalter Entfernung der Streak-Gonaden aufgrund malignem Entartungsrisiko Patientin mit 46, XY Gonadendysgenesie (Sinnecker und Mitarbeiter: Monatszeitschrift für Kinderheilkunde 130, 1982) Fehlendes/unzureichendes AMH führt unvollständigen Regression der Müller-Gänge Seite 21 zur Verena Kaiser Pädiatrie Geschlechtsdifferenzierung Phänotypen 1-5 1 2 3 4 5 männlich vorwiegend männlich ambivalent vorwiegend weiblich weiblich gestörte Spermatogenese/Virilisierung Hypospadie, Mikropenis, klitorisähnlicher Mikrophallus, labienähnliches Skrotum, blind endende Vagina Klitorishypertrophie, labiale Fusion, kurze blind endende Vagina keine Virilisierungszeichen präpuberal Beispiele – Gonadendysgenesie Pfeil: tastbare Gonade Pfeil: Öffnung der Urethra Testosteronbiosynthesedefekt - Verena Kaiser unzureichende Virilisierung ungestörte Produktion von Anti-MüllerHormon, daher vollständige Regression der Müller Gänge Seite 22 Geschlechtsdifferenzierung Pädiatrie Androgenresistenz - trotz normaler oder erhöhter Androgenkonzentration unzureichende Androgenwirkung im Gewebe Störung im Androgenrezeptormechanismus Phänotyp: ∙ komplette Resistenz: weiblicher Phänotyp ∙ partielle Resistenz: ambivalentes äußeres Genitale komplette Androgenresistenz - - - Embryonalzeit: ∙ keine Entwicklung der Wolff Gänge ∙ keine Maskulinisierung des äußeren Genitale ∙ durch Bildung von Anit-Müller-Hormon Regression der Müller Gänge Kindheit: ∙ weiblicher Phänotyp Pubertät: ∙ gute Entwicklung weiblicher sekundärer Geschlechtsmerkmale ∙ LH Ausschüttung gesteigert ∙ Testosteron und Estradiol gesteigert ∙ Umwandlung von Testosteron in Estradiol Feminisierung primäre Amenorrhö blind endende Vagina erhöhte LH Spiegel stark erhöhte Testosteronwerte Patientin 46,XY komplette Androgenresistenz - Therapie: ∙ Gonaden bis zum Abschluss der Pubertät belassen ∙ physiologisch ablaufende weibliche Pubertät ∙ danach Entfernung der Gonaden aufgrund des Entartungsrisikos ∙ Substitution mit Östrogenen und Gestagenen 46, XX DSD - 46, XX DSD (genetisch weibliche Individuen mit Ovarien und weiblichem inneren Genitale, deren äußeres Genitale virilisiert ist) - Pseudohermaphroditismus femininus ∙ Adrenogenitales Syndrom (häufig) ∙ Plazentaaromatasedefekt (selten) ∙ Transplazentare Virilisierung (selten) Seite 23 Verena Kaiser Pädiatrie Geschlechtsdifferenzierung Virilisierungsstadien nach Prader Mädchen mit adrenogenitalem Syndrom Adrenogenitales Syndrom (AGS) Enzymdefekte (3 häufigste): 1. 2. 3. 21-Hydroxylasemangel (> 90 %) ∙ 2 Formen: Ohne Salzverlust: Störung der Kortisolbiosynthese (Aldosteron noch ausreichend produziert) Mit Salzverlust: zusätzlich Störung der Aldosteronbiosynthese! 11b-Hydroxylasemangel: ∙ wie oben plus Bluthochdruck b-Hydroxysteroid-Dehydrogenasedefekt (selten) ∙ Mit und ohne Salzverlustzustände ∙ Mädchen Klitorishypertrophie ∙ Pseudohermaphroditismus maskulinus Pathogenese - AGS Verminderte Serumkortisol-Konzentration → negativer Feedback-Mechanismus → Steigerung der CRH- und ACTH-Synthese und -Sekretion! → NN-Hyperplasie → chronisch stimulierte NN bildet vermehrt Androgene → Virilisierung. Je nach Ausprägung des Enzymdefektes → Störung der Aldosteronbiosynthese mit nachfolgendem Salzverlust! AGS – klinische Zeichen - - - Verminderte Glukokortikoidproduktion: ∙ Müdigkeit sugar ∙ Apathie ∙ Verminderte Stresstoleranz ∙ Hypoglykämien ∙ Erhöhte Infektneigung ∙ Hyperplasie der Nebennierenrinde (s. Abb.) Verminderte Mineralkortikoidproduktion: ∙ Salzverlustsyndrom (Hyponatriämie, Hyperkaliämie) ∙ Hypotonie, hypovolämischer Schock ∙ Metabolische Azidose Vermehrte Androgenproduktion: ∙ Auffälliges äußeres Genitale ∙ Virilisierung des weiblichen Genitales ∙ Postnatal: Pseudopubertas praecox bei beiden Geschlechtern salt sex AGS - Lebensbedrohliche Salzverlustkrise - - Tritt typischerweise zwischen der 2.-3. Lebenswoche ein Typische Symptome: ∙ Trinkschwäche ∙ Erbrechen ∙ Exsikkose ∙ Zunehmende Apathie Screening aller Neugeborenen empfohlen Verena Kaiser Seite 24 Geschlechtsdifferenzierung Pädiatrie Nebennierenhyperplasie Sonographie: Anamnese: - Genitalauffälligkeiten (evtl. Hyperpigmentation) mehrfache unklare Exsikkosen Weibliche Neugeborene: - Intersexuelles äußeres Genitale (in utero stattgefundene Virilisierung) = Pseudohermaphroditismus femininus einfache Klitorishypertrophie ( Prader 1) bis hin zu kompletter Fusion der Labio-Skrotalfalten mit phallusartig vergrößerter Klitoris und Extension der Urethra auf die Glans (Prader 5) Inneres Genital immer weiblich! Virilisierungsstadien nach Prader Klitorishypertrophie Nicht pathologisch → Normvarianten Seite 25 Verena Kaiser Pädiatrie Geschlechtsdifferenzierung Falldarstellung: - Neugeborenes Mädchen mit Klitorishypertrophie Grad 4 nach Prader Salzverlustsyndrom in NG-Periode operative Korrektur im Alter von 2 Jahren: ∙ Klitorisreduktionsplastik ∙ Vaginalplastik ∙ Labialplastik Transplazentare Virilisierung Genetisch weiblicher Patient mit Pseudohermaphroditismus femininus aufgrund transplazentarer Virilisierung Ursachen: exogene mütterliche Androgene - Behandlung von Schwangeren mit Testosteronderivaten endogene mütterliche Androgene - z.B. virilisierende Tumore der Nebenniere oder Ovarien Steroidtherapie vor 12 SSW Labioskrotale Fusion Nach 12 SSW Hypertrophie der Klitoris Steroidtherapie nach der 12. SSW: keine labioskrotale Fusion mehr, aber Klitorishypertrophie echter Hermaphroditismus - definiert durch das gleichzeitige Vorhandensein ovariellen und testikulären Gewebes meist beide Gewebsarten einseitig in einer Gonade (Ovotestis) Ursachen sind meist Geschlechtschromosomenmosaike und Translokationen des Y-Chromosoms bzw. Yspezifischen Materials Differenzierungsstörungen Echter Hermaphroditismus Pseudohermaphroditismus masculinus Pseudohermaphroditismus femininus Gonaden Ovotestes, Testes und/oder Ovar Testes Ovarien Karyotyp 46 XX, 46 XY 46 XY 46 XX Phänotyp weiblich männlich vorwiegend weiblich, virilisiert vorwiegend männlich, virilisiert oder Genitale Intersex Intersex, weiblich wenig Intersex, männlich stark Differentialdiagnosen Zuerst chromosomales Geschlecht bestimmen AGS: 17-OH-Progesteron erhöht Diagnostik - - Familienanamnese: ∙ Indexfälle ∙ Medikamente ∙ Virilisierung der Mutter in der SS Körperliche Untersuchung: ∙ Gonaden tastbar ∙ Virilisierungsgrad ∙ assoziierte Symptome Verena Kaiser Seite 26 Geschlechtsdifferenzierung - Pädiatrie Untersuchung inneres Genitale: ∙ Uterus, Tuben, Vagina ∙ Sonographie ∙ Vaginoscopie/Genitographie Basisdiagnostik - Laboruntersuchungen: ∙ Chromosomenanalyse ∙ 17-alph-OH-Progesteron ∙ Cortisol, Elektrolyte ∙ Testosteron, Estradiol ∙ Gonadotropine spezielle Diagnostik - - Stimulationstests: ∙ hCG (Human Chorion Gonadotropin) Test zur Prüfung der Testosteronsynthese → fehlender Testosteronanstieg bei Anorchie, dysgenetischem Hodengewebe oder Testosteronsynthesedefekt ∙ Androgenresistenztest ∙ ACTH Test Genetische Analysen ∙ Molekulargenetische Untersuchungen (Androgenrezeptordefekte, DAX 1 Mutationen) Therapie - Intersexualität Geschlechtszuordnung abhängig von: Zugrundeliegender Diagnose konkreten anatomische Verhältnissen des´Genitalbefundes von operativen Korrekturmöglichkeiten von kulturellen und sozialen Gegebenheiten der betroffenen Familie Schwierig! - keine rasche Zuordnung treffen! Therapie 1. 2. 3. Chirurgisch: ∙ Möglichst frühzeitige Korrektur des äußeren Genitales (z. B. Vulvaplastik) ∙ Das innere Genitale sollte erst viel später korrigiert werden (Pubertät). ∙ Vorgehen sehr individuell! ∙ Bei Kindern, die als Mädchen aufwachsen, frühzeitige Entfernung testikulären Gewebes. ∙ Bei Knaben Entfernung des ovariellen Gewebes. Hormontherapie ab Pubertät. Sehr individuell. Psychologische Betreuung und Führung. Seite 27 Verena Kaiser Pädiatrie Knochenstoffwechsel 15.11.11 – Steichen Knochenstoffwechsel Physiologie - Das Skelett enthält ca 99% des Gesamtkörperbestandes an Calcium 85% des Phosphors in der anorganischen Form Kalziumstoffwechsel Wichtiger Bestandteil: Vitamin D → vorwiegend durch Sonneneinstrahlung gebildet (auch mit der Nahrung zugeführt) 25-OH-VitD ist inaktiv → muss erst in der Niere in die aktive Form gebracht werden Auch der Darm hat eine wichtige Funktion: Ca und PO 4 mit der Nahrung aufgenommen → reguliert durch Parathormon Weitere wichtige Faktoren sind PHEX und FGF3 Sobald das Ca im Plasma absinkt reguliert das Parathormon hoch → PTH = wichtiger Regulator im Stoffwechsel Ist in der Lage aus dem Knochen Ca freizusetzen, außerdem kommt es in der Niere zu einer verstärkten Ca-Rückresorption In der Niere wird durch PTH auch die Vitamin-DBildung vermehrt Osteoblasten bildet Protein des PHEX-Gens → reguliert über ein Schlüsselenzym (FGF-23) die Rückresorption in der Nierentubuluszelle Abb.23.4: Das Protein des PHEX-Gens zusammen mit Dentin-MartrixProtein-(DMP-)1 reguliert die Bereitstellung von FGF-23, das in der Niere an den FGF-Rezeptor-1 bindet und so die Phosphatrückresorption und gleichzeitig auch die Synthese von 1,25-(OH)2-Vitamin D3 inhibiert Verena Kaiser Seite 28 Knochenstoffwechsel Pädiatrie Rachitis Definition - gestörtes Ca-Phosphatprodukt mit Beteiligung der Wachstumsfuge (Ca x P = Mineralisation) → Kalzium und Phosphat müssen immer im Verhältnis zueinander betrachtet werden → Kalzium-Phosphat-Produkt beurteilen Tritt nur während des Wachstums auf, später kann sich eine Osteomalazie (mangelnde Mineralisation von Spongiosa und Kompakta) entwickeln Typisches Bild der Rachitis erst wenn das Kind laufen lernt: belastungsabhängige Verbiegung der Beine Einteilung A. Kalzipenische Rachitis B. Phosphopenische Rachitis - hereditär, erworben Ätiologie - Ca niedrig (verminderte Zufuhr, Resorption oder vermindertes VitD) Mangelnde Bildung von 1,25-(OH)2-Vitamin D3 Mangelnde Wirkung (Resistenz) - Phosphat niedrig gestörte tubuläre Rückresorption klassische kalzipenische Rachitis Ätiologie - Vit D Mangel Umwandlung 25 Vit D3 in 1,25 Vit D3 Vit. D. Resistenz Ca-Mangel Stufen der Entwicklung - kompensierte Hypokalzämie, Parathormonsekretion↑ (Stadium I) Hypophosphatämie (Statium II) manifeste Hypokalzämie, Hypophosphatämie alkalische Phosphatase- Ostoblastaktitvität => hohe alkalische Phosphatase als Hinweis auf eine Rachitis Vit D-Mangelrachitis Ursachen - verminderte Sonneneinwirkung alimentärer Vitamin D Mangel, verminderte intestinale Resorption, dunkelhäutige Migranten Seite 29 Verena Kaiser Pädiatrie Knochenstoffwechsel Klinik - - Hypokalzämiesymptome: Tetanie, Anfälle Skelettveränderungen ∙ Kraniotabes, weite Suturen, Verdickung von Hand und Fußgelenken, Harrison-Furche, rachitischer Rosenkranz, Sitzkyphose, Genua vara, pathologische Frakturen, Knochenschmerzen ∙ Kraniotabes = Veränderung beim Säugling: muss bei jeder MKP-Untersuchung getestet werden → bei rachitischem Kind kann die Hinterhauptsschuppe eingedrückt werden (Weichheit der Hinterhauptsschuppe) Myopathie- Bewegungsarmut, Schwäche, Watschelgang (weil auch in der Muskulatur Ca fehlt) Verzögerung von Wachstum und Entwicklung Späte Dentition Metaphysen, Haare: Motorische Entwicklung sonst normal Schmerzen, Verbiegung der Unterschenkel Samara, 2a, kann noch nicht frei gehen Rachitischer Rosenkranz Weichheit des Thorax Fäuste und Knöchel Schwellung im Bereich des Handgelenkes, aber keine Weichteilschwellung Auch an den Sprunggelenken finden sich solche Auftreibungen Samara (2y) Osama (4mo) Femur vermehrt gekrümmt Kortikalis verdünnt, Aufbau des Knochens vermehrt durchscheinend O-Beinstellung noch stärker sichtbar Epiphyse sehr verwaschen Metaphyse aufgetrieben und irregulär ausgefranst Wachstumsfuge deutlich verbreitert Verena Kaiser Seite 30 Knochenstoffwechsel - Pädiatrie becherförmig aufgetriebene Methaphysen unscharfe Begrenzung erhöhte Strahlentransparenz Looser Pseudofrakturen - Hinweis für eine Osteomalazie V.a. am Becken und Femur sichtbar Diagnostik der Vit-D-Mangelrachitis - Anamnese (Prophylaxe verabreicht, Ernährung) Niedriger Serum 25-OH-D Spiegel (<10ng/ml – normal: 20-50) Röntgen Prophylaxe - Vitamin D Prophylaxe gesteigerter Bedarf im Säuglingsalter Oleovit D3 1 gtt tgl = 400E ausgewogene Ernährung (mit Kuhmilch) gestörte intestinale Resorption - Kurzdarmsyndrom, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, CF prophylaktische Supplementation Therapie - - Vit D3 5000IE/Tag + Ca (500-1500 mg) ∙ Cave Hypocalzämie (mit Tetanie) bei alleiniger Gabe von VitD ∙ Dauer : 3 Wochen ev. länger ∙ Kontrollen ∙ Dauersubstitution bei chronischen Darmerkrankungen 500-1000IE alternative Therapie: Kalzitriol (kürzere HWZ- bessere Steuerung) Renale Osteopathie - Ursachen: chronische Niereninsuffizienz verminderte renale Phosphatausscheidung, verminderte renale 1,25 Vit D3 Sekretion Hypokalzämie, Hyperphosphatämie sek Hyperparathyroidismus, alk Phos. erhöht Therapie: Kalzitriol 15-25ng/kg, Peritonealdialyse Retardiertes Knochenalter, Osteopenie, Metaphysen irregulär Vitamin D abhängige Rachitis Typ I – VDAR I - autosomal rezessiv Synthesestörung von 1,25 (OH)2D familiär fehlendes therapeutisches Ansprechen auf Vit D3 (Vitamin D Resistenz) Defizienz der renalen 25-OH-D1α-Hydroxylase (Chr. 12) Therapie: Kalzitriol 10-25ug/kg/KG + Ca Vitamin-D-abhängige Rachitis Typ II – VDAR II - autosomal rezessiv Vitamin D - Rezeptor-Mutation Seite 31 Verena Kaiser Pädiatrie - Knochenstoffwechsel Vitamin D Resistenz 50% Alopezie Labor: 1,25 (OH)2D3 stark erhöht Phosphopenische Rachitis - - erworben ∙ Frühgeborene- Bedarf ∙ Hypophosphatämie, alk P erhöht, renale Phospatrückresoprtion 100% ∙ TH: Phospatsupplementierung ∙ sekundäres Fanconi Syndrom: Diabetes, Onkologische Therapie ∙ Th: Phosphatsubstitution, Kalzitriol hereditär hereditäre hypophosphatämische Rachitis („Phosphatdiabetes“) - „Vit D resistente Rachitis“ obsolet X- chromsosomal dominante Rachitis Ratio w/m 2/1 1:20000 PHEX-Gen - verminderter Abbau von FGF23, Hemmung der Ph Rückresorption, verminderte 1,25-(OH)2Vit D3 Synthese FGF-23- Schlüsselrolle – phosphaturischer Faktor Stellen sie die Diagnose Mädchen, Alter 27 Mo, Länge 81cm (P3 bis P10), Gewicht 9500g (knapp unterhalb P3) Beim Gehen ausgeprägte Abduktions-, Außenrotations-, Extensionshaltung beider Hüften mit entsprechend breitbasigem Watschelgang mit diskreter Genua valga Haltung. Orthopädische Kontrolle: Hüftdysplasie Befunde Calcium 2.44 mmol/l (2.3 – 2.7), ↓Phosphat 0.63 mmol/l (1.1 – 1.95), ↑alkalische Phosphatase 731 U/l (200 – 600). Hormone: Parathormon 37.3 pg/ml (10 – 55), 25-OH-Vitamin D3 55.7 ng/ml (20 – 120), 1,25↓OH-Vitamin D3 18.1 pg/ml (20.2 – 46.2), Calcium/Kreatinin-Ratio 0.466 (0.06 – 1.4), ↓tubuläre Phosphatresorption 75.6 % (85 – 97), tubuläres Phosphattransportmaximum/GFR 0.48 mmol/l (1.15 – 2.44). Röntgenbefunde Röntgen rechter Ober- und Unterschenkel und gesamte Wirbelsäule ap. und seitlich: Es besteht eine Varuskrümmung des Ober- und Unterschenkels. Sämtliche Epiphysenfugen sind verbreitert und die Metaphysen sind unscharf berandet bzw. ausgefranst. Die unteren Brust und die Lendenwirbelkörper zeigen eine verstärkte ventrale Concavität. Das linke Sacroileakalgelenk ist etwas unscharf berandet. Phosphatdiabetes Auch typisch vorgewölbte prominente und breite Stirn Verena Kaiser Seite 32 Knochenstoffwechsel Pädiatrie Diagnose? Phosphatdiabetes = hereditäre hypophosphatämische Rachitis Familienanamnese: Vater Phosphatdiabetes Mutation FGF23 Gen Exon 3; Chrom. 12; c536 G>A; R179Q autosomal dominant Genetik des Phosphatdiabetes - X-chromosomal dominant: PHEX (phosphate regulating gene) ∙ 1:20.000 FGF23, autosomal dominant ∙ Erkrankungsbeginn variabel (Kindheit, Erwachsenenalter, kann „ausheilen“) Therapie des Phosphatdiabetes - Rocaltrol-Tropfen (1 μg/ml) 2 x 2 Tropfen (entsprechend 21 ng/kg/Tag) Joulie-Lösung (30.4 mg/ml Phosphat) 5 x 4 ml (entsprechend 64 mg/kg/Tag). Seite 33 Verena Kaiser Pädiatrie Asthma 16.11.11 – Horak Asthma bronchiale beim Kind Definition Asthma is a chronic inflammatory disorder of the airways in which many cells and cellular elements play a role Chronic inflammation causes an associated increase in airway hyperresponsiveness that leads to recurrent episodes of wheezing, breathlessness, chest tightness and coughing, particularly at night or in the early morning These episodes are usually associated with widespread but variable airflow obstruction that is often reversible either spontaneously or with treatment Asthma in Zahlen - ca. 300 mio Asthmatiker weltweit ca. 30 mio Asthmatiker in Europa ∙ 680 Millionen Einwohner: ca. jeder 20. ist betroffen ca. jedes 10 Kind in Österreich leidet dauernd oder vorübergehend an Asthma „Asthma“ ≠ Asthma - „transient early wheezer“ ∙ angeboren kleine Atemwege, ETS non atopic wheezer ∙ Z.n. RSV Bronchiolitis atopic (persistent wheezer) Asthma (persistant wheezing) im Kindesalter ist in der Mehrzahl der Fälle eine Erkrankung des atopischen Formenkreises - atopic dermatitis 15-20 % allergic rhinitis and conjunctivitis 15-20 % asthma 7-10 % „The Allergic March“ Asthma-Todesfälle - weltweit ist einer von 250 Todesfällen durch Asthma verursacht die meisten Todesfälle ereignen sich außerhalb des Krankenhauses die meisten Todesfälle wären vermeidbar, vor allem bei jungen Patienten Todesfälle pro 100.000 Asthmatiker: ∙ China 36.7 ∙ Russland 28.6 ∙ Dänemark 9.3 ∙ Australien 3.8 ∙ England 3.2 ∙ Österreich 2.6 ∙ Finnland 1.6 Verena Kaiser Seite 34 Asthma Pädiatrie Ätiologie Mischung aus genetischer Disposition, Umwelt und dem Immunsystem des Säuglings, bzw. dessen Entwicklung Kritisches Fenster innerhalb der ersten 12 Lebensmonate: hier entscheidet sich, ob das Immunsystem in Richtung Atopie schwenkt oder nicht. Symptome - Atemnot Husten Wheezing – exspiratorisches Pfeifen Überblähung der Lunge Asthma Pathophysiologie - Bronchospasmus Schleimhautentzündung und Schleimhautschwellung Vermehrte Schleimproduktion Asthma-Trigger - Allergene (Hausstaubmilbe, Pollen, Katze...) Infekte körperliche Anstrengung Kälte Luftverschmutzung psychischer Stress schlechte Compliance Asthma - Diagnose 1. 2. 3. 4. 5. ausführliche Anamnese Status Lungenfunktionsmessung Allergietest (Thoraxröntgen) Seite 35 Verena Kaiser Pädiatrie Asthma 1. Anamnese - - Leitsymptom ist oft Husten ∙ nächtlich, frühmorgens, bei Sport, Lachen, Temperaturwechsel Wheezing / erschwerte Atmung / Atemnot ∙ nächtlich ∙ bei Sport ∙ bei Infekten Familienanamnese bezüglich atopischer Erkrankungen leidet das Kind selbst zusätzlich an Heuschnupfen / chronischem Schnupfen ohne erkältet zu sein oder Neurodermitis ? 2. kinderpneumologischer Status - - Inspektion ∙ Thoraxkonfiguration: Fassthorax, Glockenthorax Glockenthorax durch vermehrte Atemarbeit des Zwerchfells Fassthorax durch Überblähung der Lunge ∙ Atemfrequenz ∙ Einziehungen (Einsatz der Atemhilfsmuskulatur) Auskultation ∙ Rasselgeräusche Pfeifen (wheezing), Giemen, Brummen ∙ verlängertes Exspirium 3. Lungenfunktion: Peakflow- Messung - 3-5 Versuche der beste Wert gilt die gemessenen Werte sollten max.10% auseinanderliegen misst nur den Spitzenfluss → wird daher erst bei sehr hohen Werten pathologisch (erst wenn die Peripherie schon stark verengt) Asthmaschweregrad PEF < 60% severe PEF 60-80% moderate PEF>80% normal / mild Peakflow-Protokoll - Morgendliche und abendliche Werte Danach kann man die Therapie richten Früher bei jedem Kind durchgeführt, heute nicht mehr regelmäßig Lungenfunktion: Spirometrie - kombinierter Bronchospasmolysetest durchführbar 4. Allergietest - Prick (Hauttest) RAST (Nachweis spezifischer IgE im Serum) = RadioAllergoSorbantTest Asthmatherapie beim Kind Asthma Dauertherapie Verena Kaiser vs. Therapie des akuten Asthmaanfalles Seite 36 Asthma Pädiatrie Dauertherapie Asthma Therapiesäulen → Nicht immer möglich: z.B. Pollen Hilfsmittel zur Einschätzung des Asthmaschweregrades Symptomentagebuch nur im Rahmen von klinischen Studien (Compliance sehr schlecht) Peak-Flow-Protokoll auch nur mehr selten (hoher Aufwand) Schweregrade des Asthma bronchiale vor Therapiebeginn Schweregrad Seltenes episodisches Asthma Häufiges episodisches Asthma Persistierendes Asthma Symptome Episoden seltener als alle 6 Wochen Episoden häufiger als alle 6 Wochen Dauernde Beschwerden Lungenfunktion Lungenfunktion normal Lungenfunktion normal oder obstruktiv Lungenfunktion obstruktiv Asthmatherapie = medikamentöser Stufenplan Asthmatherapie Medikation - besteht im Wesentlichen aus 2 Therapieschienen: ∙ Bronchospasmolytika (= Bedarfsmedikation bei Atemnot und als Dauermedikation bei schwerem Asthma) ∙ antientzündlich wirksame Medikamente (Dauermedikation zur Stabilisierung des Asthma = Basismedikation) Bronchospasmolytika - ß-2 Mimetika kurzwirksam (Sultanol, Bricanyl u.a.) ß-2 Mimetika langwirksam (Foradil, Serevent, Oxis u.a.) Parasympatholytika (Atrovent) Antiinflammatorische Therapie - Leukotrienrezeptorantagonisten (z.B. Singulair) Inhalative Steroide (z.B. Flixotide, Pulmicort) DNCG (z.B. Intal) und Nedocromil (Tilade) - orale Steroide andere: Anti-IgE, Theophyllin früher Chromone?? Viel verwendet → von Leukotrienen verdrängt Seite 37 Verena Kaiser Pädiatrie Asthma Welche Inhalationshilfe für welches Alter ? Pulverinhalator nur, wenn ausreichender inspiratorischer Flow erreicht (da Kind das Pulver aktiv inhalieren muss) Vernebler sind nur im stationären Bereich zu verwenden Patientenschulung - Erklären und Vorführen der richtigen Inhalationstechnik Überprüfen der Inhalationstechnik Pflege der Inhaltionsgeräte Asthmaschulung Asthmatherapie funktioniert nicht von alleine - Eltern, Schule, Freunde Arzt Patient Therapie Verena Kaiser Seite 38 Asthma Pädiatrie Therapie des akuten Asthmaanfalles Asthmaanfall beim Kind - Diagnose - ist es wirklich Asthma? ∙ Oft auch Hyperventilationsanfall, seltener auch kardiologische Ursache Einschätzung Schweregrad rasche und effektive Therapie Asthmaschweregrad –Symptomatik Der schwere Asthmaanfall beim Kind Erstversorgung - Inhalation mit Beta-2-Mimetikum Steroid (i.v., oral) Sauerstoff bei Sättigung <93% rascher Transport ins Krankenhaus Global Initiative on Asthma (GINA) - Guidelines for (paediatric) asthma www.ginasthma.com Seite 39 Verena Kaiser Pädiatrie Kindesmisshandlung 17.11.11 – Crazzolara Kindesmisshandlung Definition Was ist Kindesmisshandlung ? - gewaltsame, psychische oder physische Schädigung eines Kindes < 18 Jahre Epidemiologie - DHHS and Neglet Data System ∙ http://www.acf.hhs.gov ∙ 3,000,000 Fälle/Jahr gemeldet ∙ 1,000,000 Fälle/Jahr verifiziert ∙ 25% physische Gewaltakte ∙ 1,000 Todesfälle/Jahr Fallbeispiele #1-4 Fallbeispiel #1 - 3 Monate alter , rez. Erbrechen lt. Freund von der Mutter am Vorabend 6-7x erbrochen, dazwischen viel geschlafen im peripheren KH V.a. Gastroenteritis, Rehydrierung red AZ, lethargisch, HF 60-80/min, Fontanelle vorgewölbt und gespannt Geständnis nachdem der Freund der Mutter mit den Unstimmigkeiten konfrontiert wird, gibt er zu, dass er das Kind geschlagen hat ein alter Fall wird von der Polizei neu aufgerollt, bei dem ein weiteres Kind im selben Haushalt gestorben ist Fallbeispiel #2 - - 7 Monate alte , mit generalisiertem Krampfanfall zu Hause lt. Vater hatte das Kind am Nachmittag mit ihrer älteren Schwester gespielt; um 17:30 200 ml Tee getrunken und dann schlafen gelegt. Nach ca. ½ Stunde hörte er ein Stöhnen aus dem Zimmer und fand das Kind generalisiert krampfend vor; Dauer ca. 4 Minuten vom Notarzt wurde das Ereignis als Fieberkrampf (kein Fieber!) eingestuft, Anlage eines peripheren VF und Gabe von Diazepam rektal im peripheren KH neuerliches Krampfgeschehen, Gabe von Phenobarbital Labor: pH 7.17, BE -8, Bikarbonat 14, Hb 8.5, T 250 Anamnese und Verlauf die Ereignisse fanden immer in der Anwesenheit des Vater des Kindes statt generalisierte epileptische Aktivität im EEG normalisierte sich nach wenigen Tagen MRT-Kontrolle: linkshemisphärisch kortikale Schwellung + zytotoxisches Ödem entlang der langen Faserbahnen Risikofaktoren - Individuelle, familiäre und soziale Faktoren Drogenmissbrauch Gewalt in der Familie Mütterliche Depression Misshandlung in der Kindheit Verena Kaiser Seite 40 Kindesmisshandlung Pädiatrie Pitfalls in der Anamnese - keine Erinnerung/Angaben über Hergang wechselnde Meinung Hergang unwahrscheinlich Mechanismen unlogisch zahlreiche Verletzungen in der Vergangenheit Verzögerung in der Versorgung der Verletzungen Trauma in der Anamnese - Hettler J et al. „Can the initial history predict whether a child with a head injury has been abused? Pediatrics 2003;111:602-607. 163 Kinder zw. 0-3 Jahren mit traumatischen Hirnverletzungen 30% Misshandlung kein Trauma in der Anamnese (Spez. 0.97, PPV 0.92) persistierende neurologische Defizite (Spez. 1.0, PPV 1.0) Verletzungen wegen CPR (12% der Kinder) die initiale Angabe einer traumatischen Genese (9% Revision) Diagnostik - - Jenny C et al. „Analysis of missed cases of abusive head trauma“. JAMA 1999;128:621-626. ∙ 173 Kinder mit akuten Kopfverletzungen ∙ 37% wurden in der initialen Bildgebung nicht erkannt ∙ Von diesen wurden 28% später wieder verletzt ∙ Insgesamt starben von diesen 10% aufgrund einer neuerlichen Kopfverletzung Rubin DM et al. „Occult head injury in high-risk abused children“. Pediatrics 2003;1382-6. ∙ 65 Kinder mit hohem Risiko für Misshandlung: Alter < 6 Monate, posteriore Rippenfrakturen, multiple Gesichtsverletzungen + unauffälliger neurologischer Status ∙ 37% hatten Auffälligkeiten im CT/MRT (z.B. SAB, ICH) ∙ 10% wären allein mit Skelettstatus nicht erkannt worden ∙ Fundoskopie unauffällig in allen Patienten Rippenfrakturen, Fallbeispiel #3 - - 2 Monate alter ♂, Apnoe lt. Vater um 16:30 Flasche gegeben und sich dann um den älteren Bruder gekümmert; plötzlich lautes Schreien, Atempause aufgefallen; aus dem Bett genommen, über seine Schulter gelegt, 2x kräftig zwischen den Schulterblättern geklopft, Schnappatmung vom NA ins periphere KH red. AZ, blass, Kussmaulatmung Labor: pH 7.18, BE -13, BZ 500 - SIDS vs Asphyxie - schwere Diagnose selbst in der Autopsie 95% der Todesfälle im Säuglingsalter werden als SIDS eingestuft, wenn sonst klinisch unauffällig Verdachtszeichen: ∙ Apnoe, Krampfanfälle, ALTE in der Anamnese ∙ unauffällig bis zum Ereignis ∙ > 6 Monate Seite 41 Verena Kaiser Pädiatrie Kindesmisshandlung ∙ ∙ positive Anamnese für Todesfälle im Säuglingsalter häufig Hämorrhagien in Mund/Nase Asphyxie Zeichen des Pulmonalödems in der Autopsie Hypodense Läsionen intrazerebral, subdurale Hygrome Psychosozial: ∙ unrealistische Erwartungen/Benehmen gegenüber eigenem Kind ∙ Münchhausen-by-Proxy Syndrom ALTE vs Asphyxie und traumatische Kopfverletzungen - Committee on child abuse and neglet. Investigation and review of unexpected infant and child deaths. Pediatrics 1999;104:1158 Committee on child abuse and neglet. Distinguishing sudden infant death syndrome from child abuse fatatlities. Pediatrics 1994;94:124 Altman et al. Abusive head injury as a cause of apparent life-threatening events in infancy. Arch Ped Adolesc Med 2003;157:1011-1015. Fallbeispiel #4 - 14 Monate alter , mit V.a. Kindesmisshandlung vom peripheren KH multiple Hämatome im Gesäßbereich gluteal links, Oberarm rechts ursprünglich im peripheren KH wegen Gastroenteritis und Ausschlag im Windelbereich vorgestellt Mutter lebt mit Lebensgefährten Differentialdiagnose Prellung/Blutung - Neuroblastom > periorbitale Ecchymose Ehler Danlos Syndrom Hämophilie Vakuum Massage („Cupping“) Cao Gao („Coining“) prätibiale Hämatome Mongolen Fleck Fallbeispiel #4 - Wiederaufnahme 3 Monate später lt. Mutter über ein Bettrandgitter aus 1 m Höhe auf einen mit Legosteinen belegten Boden; sofort Schreien; Schwellung im Bereich des linken Unterarmes da nicht Besserung durch „Traumasalbe“ Vorstellung beim Kinderarzt 5 Tage später Röntgen des linken Unterarmes: Fraktur der Elle und Speiche Frakturen bei Misshandlung - 45-60% der Frakturen bei Kindern unter 1 Jahr sind i.R. einer Misshandlung Bestimmte Frakturen haben hohe Spezifität ∙ Metaphysär ∙ Posteriore Rippen ∙ Processus spinosus ∙ Meniskus Bildgebung - AAP Section on Radiology. Diagnostic Imaging of Child Abuse. Pediatrics 2000; 105:1345-1346 Skelettstatus bei Verena Kaiser Seite 42 Kindesmisshandlung ∙ ∙ Pädiatrie allen Kindern < 2 Jahre mit V.a. Frakturen nicht bei Kindern > 5 Jahre Anamnese und körperliche Untersuchung - kein Ersatz für Anamnese und körperliche Untersuchung dieselben Alarmzeichen wie bei Kopfverletzungen Vergiss nicht das Frenulum! Abdominelle Verletzungen - wiederholtes Erbrechen und Schmerzen abdominal unklare Anämie Duodenales Hämatom; Perforationen ileal, jejunal Leber- und Milz-Hämatome Zusammenfassung - stell dir selbst die Frage genaue Anamnese körperliche Untersuchung eventuell CT/Skelettstatus Seite 43 Verena Kaiser Pädiatrie Klein- und Hochwuchs 18.11.11 - Steichen Klein- und Hochwuchs Wachstumshormon steuert die Sekretion von IGF1 => IGF1 führt am Knochen an der Epiphyse zum wachstum und beeinflusst auch das Wachstum von Muskeln → Zentrale Rolle von IGF-1 Auxologie - Stadiometer – z.b. Harpenden Technik Perzentilenkurve (Alter/Mädchen/Knaben) Problem der Perzentilenkurven: in den letzten Jahren starke Akzelerationen bei den Kindern → Kinder werden v.a. immer schwerer (der „Normwert“ hat sich verändert, aber die 95er-Perzentile kann nicht einfach so nach oben geschoben werden, dass diese höheren Werte dann normal sind) - jährliche Wachstumsgeschwindigkeit (normal P25-75) Genetische Zielgröße ∙ Formel: V+M/2+/- 6,5cm +/- 2SD (8cm) Knochenalter - Standard nach Greulich und Pyle Immer Röntgen beider Hände Bilder können verglichen werden mit Atlanten Braucht viel Erfahrung KA 7 10/12 KA 11 Jahre Kleinwuchs Definition - Länge < P3 (-1,88 SDS) Verminderte Wachstumsgeschwindigkeit (<P25) Abfall von P3 → GH- Mangel → Aufholwachstum nach GH-Therapie (Pfeil) Verena Kaiser Seite 44 Klein- und Hochwuchs Pädiatrie Kleinwuchsformen 1. 2. 3. 4. Familiärer konstitutioneller Kleinwuchs ∙ Genetischer Zielbereich: orientierend ∙ V+M/2 +6,5cm (Knaben)-6,5cm(Mädchen) +/-8cm (2SD) Idiopathischer Kleinwuchs (ISS) ∙ Wachstum außerhalb des genetischen Zielbereiches ∙ Unbekannte Ursache, Normvariante ∙ Ausschlussdiagnose Konstitutionelle Verzögerung von Wachstum und Pubertät (KEV) ∙ langsameres Wachstum in Kombination mit verspäteten Eintritt der Pubertät (nach 14.Lj) ∙ generelle Verzögerung der sexuellen Entwicklung ∙ Pubertätsentwicklung P3 mit 14,5 Jahren ∙ Diese Patienten kann man in der Pubertätsentwicklung mit Hormonen fördern, in der Regel wartet man aber ab und beobachtet die Entwicklung Syndromatischer Kleinwuchs ∙ (Ulrich)-Turner-Syndrom (Ulrich)-Turner Syndrom - 1: 2000 45,X0 und Varianten, Mosaike (sehr milde Formen nur mit Kleinwuchs möglich) Kleinwuchs Ovarielle Insuffizienz Dysmorphiezeichen ∙ Pterygium, weiter Mamillenabstand, cubitus valgus, inverser Haaransatz, verkürztes Os metacarpale IV, Aortenisthmusstenose ∙ Catch-down Metacarpalzeichen (kann Hinweis auf Turner sein): Poitiv: verkürztes Metacarpale IV negativ Prognose - Therapie - Endgröße ohne Therapie 145cm – 3SD Therapie: GH + Östrogene ab „Pubertät“ SHOX- Haploinsuffizienz Noonan Syndrom → Cardio-facio-cutanes Syndrom - Kleinwuchs, Ptose, Trichterbrust, Pulmonalstenose SGA Kleinwuchs - intrauterine Wachstumsrestriktion (IUD) heterogene Ursachen, Sammeldiagnose Länge und GG < 2SD (P3) catch up bis 3. Lj, 15% bleiben klein GH-Therapie: L <2,5 SD, 1SD < MPH (mittlere Elterngröße), kein catch-up Therapieerfolg individuell (oft nur wenige cm), hohe GH-Dosen Seite 45 Verena Kaiser Pädiatrie Klein- und Hochwuchs → SGA-Kleinwuchs GH Therapie ab 6. Lj 38 SSW, GG 2035g, L 42cm <-2,5 SD GH- Mangel 1: 4000- 30.000 Meist idiopathisch genetische Formen: - Transkriptionsfaktoren: Hypophyse/Hyothalamus:HESX1, SOX3, LHX3, LHX4, PROP1, PIT1 GH- Gen GHRH- Rezeptor Gen Bioinaktives GH (Kowarski) Morphologische Fehlbildungen: Hypophyse, septooptische Dysplasie, Bestrahlung, Trauma Testung - Arginintest Insulintest: Hypoglycämie, cave K+ Pathologisch ∙ GH-Peak < 8μg/l Indikation für Sozialversicherung: 2 unabhängige positive Tests. Kosten! Simon: GH-Mangel, Diabetes Typ1 Fallbeispiel- familiärer dysproportionierter Kleinwuchs Klinische Daten - Hyperemesis gravidarum, sonst unauff. SS Sectio 1 Wo vor Geburtstermin wegen path. CTG und grünem Fruchtwasser 39 SSW NSA-pH 7,36; Gewicht 2420 g (<P10, -2,24 SDS); Länge 46 cm (P10), Agpar-Score: 9/10/10 SGA 8 3/12 Jahre L 120,8cm (P5, SDS-1,7) Gew 19,5kg (P3), Wachstumsgeschwindigkeit 5,2 cm Sitzhöhe: 68,1 cm Beinlänge: 52,8 cm SH/BL: 129 FA: Vater 185 cm, Mutter 150,5cm, Genetischer Zielbereich 161,3 cm Verena Kaiser Seite 46 Klein- und Hochwuchs Pädiatrie Laborbefunde - - Befunde: ∙ IGF-1 74 ug/l, (74 – 388), IGF-BP3.5 mg/l (1.8 – 7.1). nl ∙ Schilddrüse im Normbereich Genetik: 46, XX - heterozygote Deletion der gesamten PAR-Region (SHOX) → LERI-WEILL DYSCHONDROSTEOSE Madelung Deformität (Radiusveränderung 6 5/12 Jahre Klinodaktylie des 5. Fingers. Grenzwertig positives Metacarpalzeichen. Irreguläre Berandung, sowie Verbreiterung der distalen Radiusmetaphyse, ebenfalls die Radiusepiphyse unregelmäßig berandet. Das Knochenalter beträgt ca. 6 10/12 Jahre. Pseudoachondroplasie – dysproportioniert The 3-M syndrome: a heritable low birthweight dwarfism. 3-M Syndrome - Autosomal recessiv CUL7- Mutation („Culin-Familie“) Skelett: LWS: Hohe Wirkelkörper Hochwuchs - Definition: Länge >97.P (>1,88 SDS) Ursachen - Familiärer oder idiopathischer Hochwuchs Hochwuchs durch konstitutionelle Akzeleration Syndromal: z.B. Klinefelter Dysproportionierter Hochwuchs: z.B. Marfan Syndrom Hochwuchsyndrome : z.B. BWS Obligat: Bestimmung des Knochenalters !!!!!!! Seite 47 Verena Kaiser Pädiatrie Klein- und Hochwuchs konstitutionelle Akzeleration Marfan Syndrom - dysproportionierter Hochwuchs - Arachnodactylie, Linsenschlottern, Aortendilatation Murdoch-Zeichen, Steinberg-Zeichen Overgrowth Syndrome - z.B. Beckwith-Wiedmann Syndrom ∙ Makrosomie, Großwuchs von Geburt an ∙ Omphalocele ∙ Makrosomie, Organomegalie, Makroglossie Hochwuchs-Therapie „Bremstherapie“ - Hochdosierte Sexualsteroide (Depotestosteron, Ethinylöstradiol-Gestagen) Induktion der Pubertät Körperhöhenreduktion von 5-7,5cm Indikation: Knabe ELP >200cm Mädchen ELP> 185cm Nebenwirkungen (Akne, Thrombophilie, Gewicht), Aufklärung! Verena Kaiser Seite 48 EKG Pädiatrie 21.11.11 – Stein EKG im Kindes- und Jugendalter Elektrokardiographische Ableitungen - bipolare Ableitungen: Extremitätenableitungen nach Einthoven Unipolare Ableitungen nach Goldberger Unipolare Ableitungen nach Wilson (Brustwandableitungen) Systematisches Vorgehen bei der Auswertung eines EKGs 1. 2. 3. 4. 5. 6. Herzfrequenz Rhythmus Extraschläge Bestimmung der Herzachse Ausmessen der Zeiten (P-Welle, PQ, QRS, QT, QTc Zeit) Konfiguration der einzelnen Abschnitte Hypertrophiezeichen (Sokolow Index) Q Zacken in BWA, R in BWA Leitungsstörungen: intraatrial, Überleitung, intraventrikulär Erregungsrückbildungsstörung Besonderheiten im Kindesalter - - - Zeitwerte (PQ- (PR) Zeit, QRS Dauer): ∙ diese sind im allgemeinen kürzer ∙ mit zunehmendem Alter werden die Zeitwerte länger, etwa mit 15 Jahren Angleichung an die Erwachsenenwerte QRS Achse Amplitudenhöhe der R- und S-Zacke ∙ im Säuglingsalter spielen vor allem Veränderungen in der Muskelmasse und damit unterschiedliche Höhen und Relationen der R- und S-Zacke eine Rolle Verhalten der T-Welle in den Brustwandableitungen: ∙ während der ersten Lebenstage in V3R und V1 positiv, nach der ersten Lebenswoche negativ, ansonsten pathologisch Normalbild des EKG Seite 49 Verena Kaiser Pädiatrie EKG Altersabhängiges Verhalten der T-Welle Drehung der Herzachse im Wachstum - Ursache: Änderung der Muskelmasse Rechtsstellung -> Steilstellung -> ( S1QIII Typ). Im ersten Lebensjahr Drehung der Herzachse nach links Vom 2. Lebensjahr an, im Kleinkindalter und später, Normal- bis Mitteltyp. Lagetypenbestimmung nach dem Cabrera-Sektoren-Kreis +120 bis -30 ist bei Kindern normal → je älter da Kind wird, umso weiter verschiebt sich die Achse nach links CAVE - Pathologische Lagetypen: ∙ überdrehter Linkstyp (illusionärer Lagetyp): evtl. hinweisend für AV-Kanal, VSD, Trikuspidalatresie ∙ überdrehter Rechtstyp: evtl. Pulmonalatresie, Fallot EKG eines Neugeborenen und eines Säuglings (3 Mo) SIQIII S1Q3-Typ ist ein Spezifikum im Kindes- und Jugendalter Neugeborenes: T isoelektrisch !!! Q kommt im Kindes- und Jugendalter vor, ohne dass es ein Zeichen für Myocardschädigung ist !!! Verena Kaiser Seite 50 EKG Pädiatrie EKG eines Neugeborenen und eines Säuglings (8 Mo) Veränderungen finden sehr rasch statt → Blutdruckunterschiede zwischen rechtem und linkem Herzen: sofort nach der Geburt kommt es zur Anpassung → Muskelmasse des re Herzens wird langsam weniger Im 8. Monat schon kein S mehr, aber noch ein angedeutetes Q 6-jähriges Kind Nur mehr das T in V1 negativ (T darf bis V4 negativ sein) Wichtig: ab der 4. Woche ist das T negativ, in der ersten Woche kann es positiv sein Weiteres Problem bei Kinder-EKGs: viele Artefakte (bes. bei Säuglingen und Kleinkindern – liegen nicht ruhig) M, 4 Tage – Physiologische Rechtshypertrophiezeichen Seite 51 Verena Kaiser Pädiatrie EKG DRUCK- UND VOLUMENBELASTUNG DES HERZENS IM VORHOFBEREICH - - P-dextroatriale: Überlastung des rechten Vorhofes ∙ Trikuspidalstenose oder -atresie ∙ im Gefolge eines erhöhten Druckes im rechten Ventrikel (Pulmonalstenose, Druckerhöhung in Lungenkreislauf) ∙ Insuffizienz der Trikuspidalklappe bei Ebstein Anomalie P-sinistroatriale: Überlastung des linken Vorhofes ∙ Mitralstenose, Mitralinsuffizienz usw. P-biatriale: Überlastung beider Vorhöfe DRUCK- UND VOLUMENBELASTUNG DES HERZENS IM KAMMERBEREICH - Kennzeichen der Rechtshypertrophie: ∙ Vorkommen: Widerstandshypertrophie (links): Pulmonalstenose, Fallot, PHT Volumenhypertrophie (rechts): ASD II - Kennzeichen der Linkshypertrophie ∙ Quantitative Diagnose: Sokolow-Lyon-Index von Stoermer und Heck (1971): Summe R-Zacke in V5 und S-Zacke in V2. ∙ Vorkommen: Widerstandshypertrophie: Aortenstenose, CMP Volumenhypertrophien: ODB (offener Ductus botalli), VSD, AI SCHENKELBLOCK BILDER Allgemeine Zeichen eines Schenkelblocks im EKG - Rechtsschenkelblock RSB: meist postoperativ, z.B. nach Fallot-Korrektur (weil re Ventrikel aufgeschnitten und Narbe gesetzt) Verena Kaiser QRS-Gruppen plump, aufgesplittert, meist große Amplitude QRS-Dauer verlängert Störung der Erregungsrückbildung ST-Senkung, negative T-Welle (meist diskordant) Inkompletter Rechtsschenkelblock rSR‘, RSR‘, rechts präcordial ohne Verbreiterung des QRS-Komplexes Aufsplitterung kann pathologisch sein, aber auch anatomisch bedingt Seite 52 EKG Pädiatrie HERZRYTHMUSSTÖRUNGEN – ARRHYTHMIEN - Normofrequente Arrhythmien Bradykarde Arrhythmien Tachykarde Arrythmien Normofrequente Arrythmien Überwiegend Unregelmäßigkeiten des Herzschlages, die meist normal sind: - Sinusarrhyhtmie ∙ gleichbleibende P-Morphologie Respiratorische Arrhythmie Wandernder Schrittmacher ∙ Fortlaufende Änderung der P-Morphologie und oft der PQ Zeit. Ausdruck eines erhöhten vagalen Tonus. Beispiel einer respiratorischen Arrhythmie P-Wellen schauen immer gleich aus, immer gleiche QRS-Komplexe Bis ins Jugendlichenalter vorkommend (v.a. wenn nervös und tief geatmet) Beispiel eines wandernden Schrittmachers Bradykarde Arrhythmien Herzfrequenz überwiegend oder dauerhaft unterhalb der Norm - Sinusbradykardie Intermittierender sinoatrialer Block bzw. Sinuspause Syndrom des kranken Sinusknotens (Sick-Sinus-Syndrom) AV-Block Sinusbradykardie - Normal bei Entspannung (HF bis 35/min, Sinuspausen bis 2 sec.) bei vagalen Tonus (Sportler) Intermittierender sinoatrialer Block bzw. Sinuspause - Intermittierendes Ausbleiben des Sinusknotenimpulses (Sinuspause) oder Impuls wird blockiert (SA-Block) oft progredient bei Pausen über 2 Sek. und Synkopen liegt meist Sick-Sinus-Syndrom vor Beispiel Seite 53 Verena Kaiser Pädiatrie EKG Syndrom des kranken Sinusknotens (Sick-Sinus-Syndrom) - - Nebeneinander von ∙ Sinusbradykardien ∙ SA-Blockierungen ∙ AV-Überleitungsstörung ∙ schnelle regel- oder unregelmäßige atriale Tachyarrhythmien (VH-Flattern) Vorkommen: besonders nach Operationen: Mustard, Fontan, Senning Therapie bei Symptomen: Schwindel, Synkopen -> Schrittmacher früher bei Kindern nach Vorhofoperationen bei Transposition der großen Gefäße (heute wird eine arterielle Switch-OP durchgeführt) AV-Block - Überleitung vom Vorhof in die Kammer gestört Anatomisches Substrat kann im AV-Knoten, His Bündel oder Tawara Schenkeln liegen. 3 Schweregrade AV-Block 1. Grades PQ-Zeit verlängert 1:1 Überleitung AV-Block 2.Grades: Intermittierend kein Überleiten von P-Wellen auf die Kammer Meist gewisse Periodik Zwei Typen: ∙ Typ I Wenckebach Von Schlag zu Schlag Verlängerung der PQ-Zeit bis ein QRS-Komplex ausbleibt ∙ Typ II Mobitz PQ-Zeit konstant Überleitung 2:1, 3:1, 4:1 Prognostisch günstiger Wenckebach Periodik Beispiel: AV-Block 2. Grades, Typ Wenckebach Beispiel: AV-Block 2. Grades, Typ Mobitz Verena Kaiser Seite 54 EKG Pädiatrie AV-Block 3.Grades, totaler AV-Block Bei AV-Block III immer nach Lupus bei Mutter suchen → scheint Zusammenhang zu bestehen vollständige Dissoziation von Vorhof- und Kammeraktivität Therapie: Schrittmacherimplantation TACHYKARDE ARRYTHMIEN Einteilung nach anatomischen Strukuren, die zur Aufrechterhaltung der Tachykardie notwendig sind. Reentry-Mechanismus oder Fokus - Vorhoftachykardien Junktionale Tachykardien Atrioventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardien Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES): - Vorzeitig einfallende VH-Erregungen oberhalb der Kammerebene ∙ Meist schmaler QRS Komplex, -achse zeigt in gleiche Richtung ∙ Je vorzeitiger desto wahrscheinlicher Aberration mit erbreiterenden verbreiterenden QRS Komplexen wegen refraktärem Gewebe ∙ harmlos, häufig postpartal bis 3 Mo, auch fetal Sinustachykardie - Adäquat bei Fieber, Anämie usw. Inadäquate Sinustachykardie: LZ EKG nötig Sinusknoten-Reentry-Tachykardie (SNRT) ∙ Hf 150-250/min, beginnt und endet abrupt Ventrikuläre Extrasystolen (VES) - Ursprung meist im Arbeitsmyokard verfrüht in den Grundrhythmus einfallende verbreiterte, deformierte QRS Komplexe Bigeminus, Trigeminus, Quadrigeminus, Couplet, Triplet, Salve, VT Monomorph oder polymorph kompensatorische Pause Kommen selten vor → Abklärung Wichtig: treten sie bei Belastung auf, oder verschwinden sie bei Belastung? Oft auch Ausdruck einer Myocarditis Zusammenfassung: - - Änderung während des Wachstums/Alterns ∙ Lage, Muskelmasse ∙ Lagetyp, Voltagen von re >>> li ∙ Endstrecken T pos>>>neg>>>pos HF ∙ fetal>>> Erwachsenenalter 180>>>60/min Rhythmusstörungen ∙ SVES, Vorhoftachykardien (SVT >>> VhFli/Fla) Herzfehler-spezifisches EKG ∙ Lagetyp Postoperative Veränderungen ∙ RS -Block,SND Seite 55 Verena Kaiser Pädiatrie EKG Spezielle EKG’s - WPW Myocard Infarkt - Bland- White – Garland Kawasaki Long QT WPW-Syndrom Bland White Garland Syndrom ALCAPA Anomlaous left coronary from pulmonary artery Abgang der linken Koronararterien aus der Pulmonalarterie EKG: Vorderseitenwandinfarkt, meist Linkstyp Q: in I und aVL, ev. linkspräcordial (v4-v6) ST Hebung links präcordial, negative T-Wellen links präcordial Long QT-Syndrom Meßtechnik: Ableitung II Bei Werten über 460 ms –> Verdacht auf Long QT Ausnahmen: Säuglinge < 6. Lm. und Neugeborene Prävalenz 1:10000 – 15000 Diagnosekriterien nach Schwartz verschiedene Typen angeboren , erworben Genmutationen – 12?Gene > 50 Mutationen Ionenkanalstörung der Zellmembran Änderung der De- Repolarisationsphase Verlängerung des Aktionspotentials Therapie: Betablocker, SM/Defibrillator Mortalität: unbehandelt 20% im 1.Lj,50 % nach 10 Jahren behandelt < 1%/Jahr, Erstmanifestation SD ca 8% Verena Kaiser Seite 56 Synkopen Pädiatrie 22.11.11 – Geiger Synkopen im Kindesalter Definition: Plötzlicher, kurzer Bewußtseins- und Tonusverlust mit spontaner Regeneration (“recovery”). Bis zu 15% aller Kinder erleiden eine synkopale Episode bis zum Ende der Adoleszenz. Vasovagale Synkope Häufigste Ursache: Blut sackt ab → Blutmangel im Kopf → Synkope → sobald man liegt, fließt das Blut wieder in den Kopf → Bewusstsein kommt zurück Markus T. , 8 a - zugewiesen von EEG-Ambulanz aufgrund von unklaren Synkopen Vorgeschichte: ∙ Z.n. ALTE (acute life threatening event) mit 5 Mon. Untersuchungen (EKG, Echo unauffällig, Monitor für 3 Wochen) unauffällig ∙ erste Synkope mit ca. 3-4 a in der Kirche, seitdem 3x wiederholt Familienanamnese: kein Hinweis für plötzliche Todesfälle, Herzrhythmusstörungen, Epilepsieerkrankungen Anamnese - gut belastbar, seit 1 a Leichtathletik bei sehr starker Belastung Übelkeit keine Synkope beim Sport 2 x in der Kirche 1 x beim Zahnarzt 1x im Park (in den Teich !) → sekundäre Gefährdung kein Zucken, keine postiktale Phase Dauer für einige Sekunden Untersuchungen - - Ruhe-EKG: unauffällig Echokardiografie: unauffällig Ergometrie: unauffällig ∙ adäquater Herzfrequenzanstieg ∙ normales Blutdruckverhalten keine Rhythmusstörungen am Ende des Anlegens des Langzeit EKGs plötzlich Schwindel + Bewusstlosigkeit für wenige Sekunden Vasovagale Synkope („common faint“, „Boygroup-Syndrome“...) - - = T-LOC (transient loss of consciousness), ausgelöst durch transiente globale Minderperfusion des Gehirns Gruppe der Reflexsynkopen ∙ vasovagal ∙ situationsabhängig ∙ Carotissinus-Typ Häufigste Ursache der Synkope im Kindesalter Sonderformen ∙ Infantile reflex syncopal attacks („Pallid breathholding spells“ o. „reflex anoxic seizure“) ∙ Apnoeic hypoxic T-LOC Symptomatik - Charakteristika - 1. Episode meist bei jungen PatientInnen ausgelöst durch emotionalen oder orthostatischen Stress meist prodromale Symptome: Schwitzen, Übelkeit, Blässe plötzlicher Beginn, kurze Dauer und spontane komplette Erholung Pathophysiologie - Kardiovaskuläre Reflexe ∙ Trigger ∙ inadäquate Reaktion ∙ Vasodilatation und/oder Bradykardie ∙ Blutdruckabfall ∙ cerebrale Minderperfusion Seite 57 Verena Kaiser Pädiatrie Synkopen Calgary Syncope Symptom Score Diagnostik Synkope - körperliche Untersuchung Ruhe-EKG Echokardiografie Ergometrie Langzeit-EKG (24 h – 1 Woche) EEG Therapie - - Aufklärung Schulung ∙ Vermeiden von Triggern (langes Stehen, wenig Trinken, warme überfüllte Plätze...) ∙ Prodromi ! ∙ isometrische Übungen (hand-grip, Beine überschlagen) Medikamente ∙ Beta-Blocker ∙ α-Agonisten, Vasokonstriktoren (Etilefrin, Mododrin) Key-Points Vasovagale Synkope - Häufigste Ursache der Synkope im Kindesalter Diagnostik: Anamnese ! gefährliche Ursachen ausschließen wichtigste therapeutische Maßnahme: ∙ Aufklärung und Schulung Synkopen sind dann akut lebensgefährlich, wenn sie kardiale Ursachen haben! Ursachen für Synkopen bzw. Synkopen-ähnliche Zustände (Erwachsene) - Neurologische Störungen – 11% der Fälle: z. B. Erkrankungen des Nervensystems. Sonstige Ursachen – 21% der Fälle: z.B. Unterzuckerung, Hyperventilation, Stoffwechselentgleisungen oder Sauerstoffmangel Störungen des Herz-Kreislauf- Systems – 33% der Fälle: z.B. gestörte Kreislaufregulation, Herzrhythmusstörungen. Ungeklärte Ursachen – ca. 35%. “Ungeklärte” Ursachen nehmen im Erwachsenenalter zu - bei Kindern sollte man sich mit dieser Diagnose nicht begnügen! K. A. 2a, - - Angelita war seit 2 Tagen krank, respiratorischer Infekt, kein Fieber. Gestern Vormittag hat Angelita auf einmal angefangen zu schreien und beide Hände fest aufeinander zu pressen. Kurz darauf hat sie beide Arme fest und steif von sich gestreckt, die Hände zur Faust geballt, der rechte Mundwinkel sei nach aussen verzerrt gewesen. Kein Speichelfluss. Verena Kaiser Seite 58 Synkopen - Pädiatrie Während dessen hätte sie den Blick nach oben gewandt und sei "weg" gewesen. Schrittmacher: von Geburt an AV-Block II. Grades, ausgeprägte Bradykardien Long-QT-Syndrom Kind bekommt statt Schrittmacher einen ICD Außerdem Betablocker Kammertachykardien und Kammerflimmern Durch das Long-QT-Syndrom: erstmals Kammerflimmern Weiterer Patient: ANAMNESE: Familienanamnese: 0 lebende Geschwister, 1 verstorbene Geschwister akut oder chronisch kranke Geschwister oder Eltern: Bruder akut verstorben Mutter Schwangerschafts-Diabetes bisherige Impfungen: Diphtherie/Tetanus, H. influenzae b, Hepatitis B, Masern, Mumps, Pertussis aktuelle Anamnese: Patient war im Kindergarten; die Erzieherin haben gesehen wie er aus dem Sitzen aufgestanden sei und gesagt habe dass er müde sei. Daraufhin habe er sich hingelegt, die Augen nach oben verdreht und sei sehr blass im Gesicht geworden. Nach ca. 20 sek. sei er wieder ansprechbar gewesen. Kurze Zeit später habe sich das Gleiche für eine Dauer von 5 sek. zugetragen. Z. sei schlaff gewesen und tonisch-klonische Bewegungen haben nicht stattgefunden. Nach den Ereignissen sei er normal gewesen, insbesondere keine erhöhte Müdigkeit, kein Einnässen, kein Einkoten. kein Durchfall/Erbrechen, diese seien die ersten Synkopen lt. Eltern. Die Eltern berichten eine regelmäßige Einnahme des Atenolols (Betablocker → beim verstorbenen Bruder fragliches LongQT → deshalb bei diesem Patienten prophylaktisch Beta-Blocker) STATUS PRÄSENS - 5 Jahre altes Kleinkind, Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand adipös, Pflegezustand gut , Dysmorphiezeichen: keine Femoralispulse: rechts tastbar, links tastbar , Axillaris-/Radialispulse: rechts tastbar Lymphknoten: nicht untersucht Kopf/Hals: o.B. Augen: o.B. HNO und Mundhöhle: Trommelfelle, Tonsillen Thorax: o.B., Herztöne rein Abdomen: o.B. Genitale: nicht untersucht Orthopädie: nicht untersucht Keine lange QT-Zeit Aber minimale Kerbung in der T-Welle → weist auf eine Störung in der Repolarisation → daraufhin genetische Untersuchung der Eltern und des Kindes: Eltern beide heterozygote Veränderungen in einem Kanal für LQT, Kind homozygot Diese Episdode war Anlass genug, dass man dem Kind jetzt einen Schrittmacher/Defi implantiert hat Außerdem weiterhin Betablocker Seite 59 Verena Kaiser Pädiatrie Synkopen Prodromi sehr verdächtig für neurologische Ursache → aber neurologische Symptome können auch sekundär nach einer kardialen Störung auftreten (z.B. durch Sauerstoffmangel Ist das EKG normal, aber die Symptome sind mit Belastung assoziiert → Vd. auf long QT oder andere kardiale Ursache Verena Kaiser Seite 60 Synkopen Pädiatrie Synkopen – Arrhythmien Anamnese - Assoziiert mit körperlicher Belastung? Assoziiert mit Thoraxschmerz? Assoziiert mit bekanntem Herzfehler? Rezidivierend? ∙ (+/- körperliche Belastung) Positive FA? ∙ (Nicht immer hilfreich – z.B. bei 90% der Kinder mit vasovagaler Ursache positiv) EKG – Veränderungen - „Nicht – Sinusrhythmus“? Ausgeprägte Bradykardie? AV-Block? Präexzitation? Hypertrophiezeichen? Hinweise für Myokardzell-Schaden? ∙ (Q/ST-Veränderungen) QT-Intervall? Primär „elektrische“ Erkrankungen - LQTS (Long-QT-Syndrome) 1:5000-10.000 - ∙ Häufigstes der primär elektrischen Erkrankungen SQTS (Short-QT-Syndrom) < 1:100.000 CPVT (Cathecholaminergic Polymorphic Ventricular Tachycardia) < 1:100.000 ARVC < 1:100.000 Brugada-Syndrom 1:30.000-100.000 Long-QT-Syndrom - Bei bis zu 30% plötzlicher Herztod als Erstmanifestation! Bei ~35% klinisch diagnostizierter LQTS keine genetische Diagnose! Bei 30-50% genetisch gesicherter Diagnosen keine QT-Verlängerung - und unklares Risiko! Medikamente können die QT-Zeit verlängern ∙ www.sads.org/ ∙ Z.B. Antidepressiva http://www.medical-calculator.nl/calculator/QTc/ (Kalkulator zum Berechnen der korrigierten QT-Zeit) Seite 61 Verena Kaiser Pädiatrie Synkopen Na-, Ca- oder K Kanäle können betroffen sein Take home message Synkopen sind generell dann lebensgefährlich, wenn sie kardiale Ursachen haben! - Häufigste, nicht-kardiale Ursachen für Synkopen: Vasovagal, orthostatische Dysregulation Ursachen für Synkopen-ähnliche Zustände: Zerebrale Anfälle, syndromale Migraine, Hyperventilation, Hysterie Katecholaminsensitive polymorphe ventrikuläre Tachykardie Catecholamin-induzierte ventrikuläre TK /KF (CPVT) - Autosomal dominant Auslöser: Stress (emotional/physisch) Früher Beginn möglich Normales Ruhe-EKG! Therapie: ∙ ß-Blocker hochdosiert ∙ Sportverbot ∙ ICD- LSX ∙ Am Horizont: Flecainid Verena Kaiser Seite 62 Kinderimmunologie Pädiatrie 23.11.11 – Brunner Das infektanfällige Kind Patientin: 7.11.: Seit gestern Morgen schmerzen ohne Trauma am Knie Kind klagt über Schmerzen → kann nicht mehr gehen → Klinik: zuerst Vd. auf leichte Zerrung, Proxensaft verschrieben → hat sich nur leicht gebessert, dann gibt Kind an, dass das Knie pocht Kind hat Verhalten geändert!! → zuerst sehr aktives Kind, dann durch die Schmerzen wenig bewegt Fieber Untersuchungsbefund im Wesentlichen unauffällig DD ∙ Juvenile Arthritis Dagegen sprechen: nicht geschwollen und typische Anamnese bei Arthritis: längerer Verlauf der Veränderung Labor ∙ BSG zu Beginn 40/110 mm → eher hoch ∙ CRP zuerst ansteigend, dann im Verlauf der Therapie sinkend Ultraschall ∙ Unauffälliger Befund Röntgenuntersuchung/CT/MRI ∙ Im MR - - - → wichtig: an Osteomyelitis denken!!! Schmerzen Fieber „ohne Fokus“ → zuhören, daran denken, therapieren!!! Player in der Immunologie Eine Autoimmunitätsreatktion alleine macht noch keine Erkrankung → manche bekommen mehrere Schübe, andere nur einen einzigen Autoimmunität Anergie: Keine Reaktion auf ein Antigen (Zustand eines Lymphozyten) Suppression/Regulation: Aktive Unterdrückung einer Immunreaktion gegen ein spezifisches Antigen z. B. durch regulatorische T-Zellen Toleranz: Abwesenheit einer offensichtlichen Immunreaktion gegen Antigene (bezeichnet meist Eigenschaft des gesamten Immunsystems bzw. des Organismus, gegen bestimmte Antigene nicht zu reagieren). Zentrale Toleranz: Deletion/Modifikation (durch Rezeptorediting) autoreaktiver Lymphozyten während ihrer Reifungsphase (unmittelbar nach der Expression der Antigenrezeptoren) Periphere Toleranz: Unterdrückung einer Immunreaktion durch regulatorische dendritische Zellen (DC), regulatorische TZellen (Treg), Anergisierung von Lymphozyten (z. B. durch Signal 1 ohne Signal 2) Autoimmunopathien - Systemisch organspezifisch Seite 63 Verena Kaiser Pädiatrie Kinderimmunologie Proinflammation und Apoptosedefekt Systemisch Schilddrüse Pankreas ZNS Melanozyten NNR Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Juvenile Dermatomyositis, Juvenile idiopathische Arthritis, Sklerodermie, Vaskulitiden M. Basedow, Thyreoiditis Hashimoto Diabetes mellitus Typ I Multiple Sklerose, Guillaín-Barre-Syndrom Vitiligo M. Addison Immundefizienz oder „Mein Kind hat ständig Fieber!!“ Kasuistik, 12a - Verdacht auf Sarkoidose bei einer histologisch gesicherten granulomatösen Entzündung und erhöhtem ACE Im Ultraschall echoarmer Befund in der Leber → muss operiert werden (Leberabszess → typisch für Phagozytendefekte) Reduzierte H2O2 Produktion der neutrophilen Granulozyten nach Stimulation mit Phorbolmyristatacetat X-chromosomal vererbte Form einer septischen Granulomatose Physiologische Infektanfälligkeit Alter (Jahre) <1 1–2 3–4 5–9 10 – 14 Respiratorische Infektionen pro Jahr 6.1 5,7 4,7 5,5 2,7 SD +/- 2,6 +/- 3,0 +/- 2,9 +/- 2,6 +/- 2,2 Maximum 11,3 11,7 10,5 8,7 7,2 Ätiologie physiologischer Infektanfälligkeit - - Partielle „Unreife“ immunologischer Funktionen: ∙ ↓ T-Zell-unabhängige Immunantwort → ↑ Anfälligkeit gegen bekapselte Bakterien ∙ Antigen-Unerfahrenheit → Erkrankung nach Erstkontakt mit ubiquitären Erregern Anatomische Besonderheiten: Enge der Atemwege und HNO Bereich Soziale Kontakte (Kinderkrippen/gärten) Infektionserreger überwindet anatomische und physiologische Barriere Ätiologie pathologischer Infektanfälligkeit Lokale Ursachen Infektionsort Haut Atemwege HNO ZNS Urogenitaltrakt Mögliche Ursache Ekzem, Verbrennung, Hygiene Mukozilliäre Clearance (Asthma, BPD, CF, Ziliendyskinesiesyndrom) Ösophagotracheale Fistel Bronchiale Fehlbildungen Aspiration (Fremdkörper, GÖR) Sekretorischer IgA-Mangel Adenoide Neuroporus, Liquorfistel VUR, obstruktive Abflussstörung, Fehlbildung Systemische Ursachen Betroffenes System Primäre Immundefekte (genetisch) Sekundäre Immundefekte (erworben) Verena Kaiser Mögliche Ursache B-Zell-Defekte 60%, T-Zell-Defekte 30%, Phagozytendefekte 5%, Komplementdefekte 5% Mehrheitlich männlich < 15. LJ. Malnutrition, HIV / EBV-Infektion, Autoimmunerkrankungen, Malignome, Zytostatische Therapie, Diabetes mellitus Seite 64 Kinderimmunologie Pädiatrie Primäre Immundefizienz Klassifikation - T- und B-Zell Immundefizienzen Vorwiegende Antikörperdefizienzen Andere gut charakterisierte Immundefektsyndrome Immunregulatorische Erkrankungen Angeborene Defekte der Makrophagenzahl oder Funktion Defekte der angeborenen Immunität Autoinflammatorische Erkrankungen Komplementdefizienzen Primäre Immundefizienz Humorale Immundefekte selektiver IgA-Mangel Agammaglobulinämie CVID Geschlechtsprädominanz Transitorische Hypogammaglobulinämie des Säuglings Zelluläre Immundefekte Phagozyten-Defekte Komplement-Defekte 1:300 – 700 1:50.000 1:50-000 – 200.000 Junge zu Mädchen 5:1 Männer zu Frauen 1:1,4 variabel Isoliert, selten, meist in Kombination mit B-Zelldefekt Selten Selten Diagnostik - Primäre Immundefizienz: klinische Hilfestellung Infektanfälligkeit 1. Allgemeiner Eindruck 2. Familiäre Häufigkeit / Konsanguinität 3. Infekte - Unerwartete Erreger - Komplizierter Verlauf - Folgeschäden - Schutz vor Reinfekt 4. Impfinfekte 5. Hypoplasie lymphat. Organe 6. Verzögerung von Wachstum und Entwicklung physiologisch Gesund - pathologisch Chronisch krank + + - + + + + + + Primäre Immundefizienz: 10 Warnzeichen (2 od. > Abklärung!) Jeffrey Modell Foundation 1 2 3 4 5 8 oder > Otitiden pro Jahr 2 oder > schwere Sinusitiden pro Jahr 2 oder > Monate einer ineffektiven Therapie mit Antibiotika 2 oder > Pneumonien pro Jahr Mangelnde Gewichts Gewichts- oder Größenzunahme Rekurrierende tiefe Haut Haut- oder Organabszesse Persistierende Candida Infekte an Haut oder Schleimhaut jenseits des 1. Lebensjahres Notwendigkeit für intravenöse Antibiotika um Infekte zu heilen 2 oder > tiefsitzende Infektionen (Meningitis, Osteomyelitis, Empyem etc.) Positive Familienanamnese eines primären Immundefektes 6 7 8 9 10 Strukturierte Abklärung bei Infektanfälligkeit Thorax-Röntgen: Thymus-Hypoplasie? Seite 65 Verena Kaiser Pädiatrie Kinderimmunologie Leitsymptome von Antikörpermangelsyndromen - > 6. Lebensmonat (mütterl. Leihimmunität) Schwere bakterielle und virale Infektionen mit z.T. irreversiblen Residuen Erreger oft bekapselte Bakterien Immer Erregernachweis ! Untersuchungen: B-Zellen - IgG, IgA, IgM, IgE im Serum IgG-Subklassen1-4 AB Isohämagglutinine B-Zell-Zahl (CD 19, CD20) Spezifische Antikörper (ggf. nach Impfungen) ∙ Proteine: z.B. Tetanus, Diphterie, Masern, Polio ∙ Polysaccharide: Pneumokokken, Hämophilus Leitsymptome zellulärer Immundefekte - < 6. LM Lymphatische Organe fehlend oder vermindert Meist kombiniert mit humoralen Immundefekt Rezid. Pneumonien, chronische Durchfälle, Gedeihstörungen, BCGitis oder GvH-Reaktion, schwere Infekte mit opportunistischen Keimen, Viren, Pilzen, Pneumozystis-carinii, Varicellen, Herpes simplex, Candidiasis Hautmanifestationen wie Ekzem, Seborrhoe, Abszesse, Teleangiektasien, Alopezie Untersuchungen: T-Zellen - - Oberflächenmarker ∙ T-Zellen+NK-Zellen(CD2) ∙ Reife T-Zellen (CD3) ∙ Wichtige Subpopulationen (CD4, CD8) ∙ HLA-Antigenexpression Klasse I: Alle Zellen Klasse II: B-Zellen, Monozyten ∙ Adhäsionsmoleküle (CD11a, CD18) Lymphozytenstimulationen ∙ Mitogene: PHA, anti-CD3, ConA, PWM ∙ Antigene: Fremdantigene: Tetanus, Candidin, Tuberkulin(PPD) Alloantigene: Gemischte Lymphozytenkultur (MLC) Leitsymptome von Komplementdefekten - - C1, C4 und C2 Defekte ∙ gelegentlich Infektneigung ∙ Typisch Autoimmunerkrankungen C1-Inhibitor-Mangel (Dysfunktion) ∙ Hereditäres Angioödem (HANE) Bei allen anderen Defekten (C5, C6, C7 u. C9) ∙ Bakterielle Infektionen ∙ Meningokokken Untersuchungen: Komplementsystem - - CH 50, AP50 (Globaltest der hämolytischen Funktion) C1-Inhibitor bei Angioödem Einzelkomplement ∙ CH50 und AP50 normal: keine ∙ CH50=Null, AP50 normal: C1, C2, C4 ∙ AP50=Null, CH50 normal: Properdin ∙ CH50=Null, AP50=Null: C3 –C9 Kontrolle:selektive in vitro-Rekonstitution durch Zugabe der fehlenden Komponente Leitsymptome von Phagozytenstörungen - - Rezidivierende Infektionen bald nach der Geburt ∙ Stomatitis, Gingivitis, Peridontitis, Dermatitis, Lymphadenitis, Leberabszess, Osteomyelitis, Otitis media, Sinusitis, Pneumonie. Granulzytopenie und Motilitätsstörungen: ∙ Ulzera und Nekrosen Störung der Mikrobenabtötung: ∙ Abszessbildung Verena Kaiser Seite 66 Kinderimmunologie - Pädiatrie Entzündliche Zeichen oft schwach Gram +/- Erreger (v.a. S. aureus) und Pilze Untersuchungen: Phagozyten - Absolute PMNL-Zahl2 x wöchentlich (4 Wochen) (zyklische Neutropenie) Ausstrich (Riesengranula) Bei NeutropenieSuche nach Auto-(Allo)antikörpern Ohne Autoantikörper: Knochenmarkspunktion O²¯-Produktion mit löslichem und partikulärem Stimulus Adhäsionsproteine (CD11a, CD18, CD15s) Mannose-bindendesProtein Polymorphismusdes FcRIIa(CD32) Therapie humoraler Immundefekte - 7-S Immunglobuline i.v. (s.c.) lebenslang ∙ IgG-Spiegel vor Substitution > 500 mg/dl Antibiotische Therapie: i.v. Symptomatische Behandlung ∙ z.B. bei Autoimmunkomplikationen Substitution C1 C1-Inaktivator im akuten Anfall Therapie zellulärer Immundefekte - - Kausale Behandlung ∙ Stammzellen der Lympho-Hämatopoese wie Knochenmark od. periphere Stammzellen ∙ HLA-identischer Spender ∙ HLA-nichtidentischer Spender (Eltern, Fremdspender) ∙ 50% Überlebenschance Supportive Maßnahmen ∙ T-Zell Defekt hat gleichzeitig auch Antikörpermangel Defekt ∙ 7S-Ig Substitution ∙ Infektprophylaxe mit Co-trimoxazol (Pneumozystis carinii!) ∙ Bei ADA Mangel ∙ exogene Enzymsubstitution od. Gentherapie Therapie von Phagozytenstörungen - - Neutrozytopenie: ∙ G-CSF Septische Granulomatose: ∙ Antiinfektiöse Therapie: aggressiv u. gezielt ∙ Antimykotische Therapie mit Ampho-B, Itrakonazol lebenslang ∙ Co-trimoxazolProphylaxe ∙ Ev. INF-γ s.c. ∙ KMT bei HLA identischem Spender Leukozytenadhäsionsdefekt (LFA-1-Mangel): ∙ KMT www.kinderimmunologie.de Take home messages - Eine physiologische Infektanfälligkeit bedarf keiner spezifischen Therapie Eltern beruhigen und aufklären Jede einzelne Infektion ernst nehmen Untersuchung und individuelle Behandlung Wichtige Rolle in der „Erziehung“ des Immunsystems“ Seite 67 Verena Kaiser Pädiatrie Exanthematische Erkrankungen 24.11.11 Patientin: Gelenksschmerzen, starke Müdigkeit, Finger waren geschwollen, auch schmerzhaft (alle Finger) Im Gesicht Schmetterlingserythem Nierenprobleme → Ausschlag, Gelenke, Niere, Leukos, ANA Vd.-Diagnose SLE: multiple Therapie → u.a. wegen Lupus-Nephritis Grad II und Schmerzen Exanthematische Erkrankungen Masern Ätiologie und Epidemiologie MELDEPFLICHTIGE ERKRANKUNG - Erreger: Masernvirus (Morbillivirus), Paramyxovirus, RNA-Virus, 1 Serotyp,23 Genotypen. Epidemiologie: Tröpfcheninfektion, hohe Infektösität(Kontagionsindex), lebenslange Immunität. Infektiosität: 5 Tage vor bis 4 Tage nach Exanthemausbruch. Inkubationszeit: 8-10 Tage bis zum Beginn der Prodromi, 14 Tage bis zum Beginn des Exanthems. Klinik – Prodromi - Rhinitis, Konjunktivitis, Lichtscheu, Husten, aufgedunsenes Gesicht, Enanthemam Gaumen Koplik`sche Flecken: kalkspritzerartige weißliche, festhaftende Stippchen /Flecken mit gerötetem Hof an der Wangenschleimhaut gegenüber den unteren Molaren Exanthem - blasst nach 3-4 Tagen in der Reihenfolge der Ausbreitung ab Großfleckiges, makulopapulöses, bräunliches oder rosafarbenes, konfluierendes(„morbilliformes“) manchmal hämorrhagisches Exanthem. Beginn hinter den Ohren und sich über Gesicht, dann sich an Stamm und Extremitäten ausbreitend. Komplikationen (bei ca. 15%) - Bronchitits Bronchopneumonie Myocarditis Otitis (Streptokokken) Enzephalitis (1:1000) Mechanismus unklar, Beginn 6-15 Tag nach Exanthem. Bei 25% der Kinder Defektheilung, Letalität ca.10% Erkranken Schwangere an Masern bedeutet das in 20% den Tod des Feten. Teratogene Effekte sind nicht beschrieben foudroyanter Verlauf subakute sklerosierende Panenzephalitis(SSPE) Gliose und Entmarkung des ZNS, immer letal Diagnostik: - Klinik Serologie (IgM-Antikörper) → bei gesicherter klinischer Diagnose nicht notwendig Virus RNA Therapie: symptomatisch. Antibiotische Therapie bei bakteriellen Komplikationen Verena Kaiser Seite 68 Exanthematische Erkrankungen Pädiatrie Prophylaxe 1. 2. Aktive Immunisierung (Impfung mit abgeschwächter Lebendvakzine) ∙ bei Kindern ab dem 12 LM ∙ Seronegative Bevölkerung ∙ Postexpositionelle Impfung innerhalb von 3 Tagen nach Exposition bei immungesunden Patienten Passive Immunisierung mit Immuglobulinen ∙ bei abwehrgeschwächten Personen nach Exposition innerhalb von 3 Tagen Scharlach Ätiologie und Epidemiologie - Erreger: Streptococcuspyogenes = ß hämolysierende Streptococcen der Gruppe A, > 80 Serotypen Epidemiologie: Tröpfcheninfektion, selten kontaminierte Gegenstände oder Lebensmittel. Häufigkeitsgipfel 3.-10. Lebensjahr, bzw. Oktober –März Infektiösität bis ca. 24. Stunden nach Antibiotikagabe Inkubationszeit 2-4 Tage Pathogenitätsfaktor: erythrogenes Toxin Klinik - Plötzlicher Beginn, Fieber, Halsschmerzen, Husten, Erbrechen, Pharyngitis, Angina tonillaris Himbeerzunge: stärkeres Hervortreten hochroter geschwollener Papillen ab 2./ 3. Tag kleines bis stecknadelkopfgroßes nicht konfluierende Exanthem. Im Bereich der Achseln und der Leisten beginnend und ausstrahlend Aussparung des Munddreiecks Hautschuppungen palmar und plantar nach 2 –4 Wochen Komplikationen - Toxischer Verlauf Myokarditis UlzerierendeTonsillitis Sinusvenenthrombose RheumatoschesFieber Poststreptococcenarthritis Karditis Glomerulonephritis Chorea minor ∙ Neurologischer Komplikation ∙ Ähnlich wie die Poststreptokokkenarthritis Wochen bis Monate nach der Infektion Diagnostik und Therapie - - Diagnostik ∙ Klinische Befunde ∙ Antistreptolysintiter ∙ Kultureller Nachweis per Nasen-Rachenabstrich Therapie: ∙ Penicillin V 100.000 IE / kg KG / d in 3-4 ED für 10 Tage Expositionsprohylaxe bei Personen mit engem Kontakt zur erkrankten Person. Zulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen 48h nach Antibiotikagabe Seite 69 Verena Kaiser Pädiatrie Exanthematische Erkrankungen Röteln Ätiologie und Epidemiologie - Synonym: “German measles” “3-day measles” Erreger: Rubivirus, Togaviren, RNA-Virus, 10 Genotypen Epidemiologie: Tröpfcheninfektion ∙ Kontagiosität <50% Infektiosität: Virusausscheidung (Speichel). Beginnt 5-7 Tage vor Exanthem und hält maximal 5 Tage an. ∙ Nach BGA-Richtlinie dürfen Kinder 7 Tage nach Exanthem wieder in die Schule/Kindergarten Inkubationszeit 14-21 Tage Klinik und Komplikationen - oft inapperenter oder leichter Verlauf cervicale, retroauriculäre Lymphadenopathie Exanthem mit runden und ovalen, klein-bis mittelgroßen, gering erhabenen Effluoreszenzen, nicht konfluierend Arthralgie Arthritis Enzephalitis Thrombozytopenische Purpura Komplikationen: Rötelnembryopathie (Gregg Syndrom= congenital rubella syndrome) - Risiko am höchsten: im 1.Trimenon. 15-20% der Kinder deren Mütter in diesem Zeitraum eine Rötelninfektion durchgemacht haben entwickeln ein kongenitales Rötelnsyndrom Kardiovaskuläre Läsionen (50%!!): persistierender Ductus arteriosus, Ventrikelseptumdefekt, Koarktation der Aorta, Pulmonalstenose Augenläsionen: Katarakt, Retinopathie, Mikrophthalmus, Glaukom Hörstörungen (60%!!) und Wachstumsverminderung Hepatopathie und ZNS-Läsionen (psychomotorische Entwicklungsstörungen, Enzephalitis, Mikrozephalie, aseptische Meningitis) Missbildungen der Röhrenknochen und Urogenitale Läsionen(Kryptorchismus, Nierenschäden) Diagnose und Therapie - - Diagnostik: ∙ Klinik ∙ Leukopenie ∙ Antikörperbestimmung ∙ Erregerdiagnostik ist keine Routinediagnostik ∙ Pränatale Diagnostik: Nachweis von Virus RNA aus dem Fruchtwasser oder Chorionzotten, oder IgMNachweis aus fetalem Blut. Therapie: ∙ Symptomatisch ∙ Röteln-Immunglobulin Prophylaxe 1. 2. Aktive Immunisierung: ∙ Alle gebärfähigen Frauen: Immunität gegen Röteln ∙ Antikörpertiter> 1:32 ∙ MMR Impfung (NW Arthritis, ThrombozytopenischePurpura) ∙ 95% haben nach 8-10 Wochen ausreichende ∙ AK-Titer ∙ “Impfversager” Frauen, die nach wiederholter Testung und wiederholter Impfung keine AK entwickeln, kann wenn langfristig Kinderwunsch besteht und Schwangerschaft mittelfristig ausgeschlossen ist, eine Infektion mit dem Wildvirus empfohlen werden. Passive Immunisierung: ∙ Immunglobulingabe bei ungeimpften Schwangeren nach Rötelnkontakt vor Ausbruch des Exanthems Ringelröteln = Erythema infectiosum = slapped cheek disease Ätiologie und Epidemiologie - Erreger: Parvovirus B 19 (DNA-Virus) mit erythropoetischen Zellen als Zielzellen Synonym: Erythema infectiosum Epidemiologie: ∙ Kontagiosität ~ 50 % bei Haushaltskontakten ∙ Tröpfcheninfektion ∙ Häufigkeitsgipfel im Schulalter bzw. im Frühjahr Verena Kaiser Seite 70 Exanthematische Erkrankungen - Pädiatrie Inkubationszeit 6-18 Tage Klinik - 30% asymptomatische Infektion Erythema infectiosum: ringförmiges, girlandenförmiges makulopapulöses Exanthem Dauer mit periodischem Abblassen und einer Dauer von 10 Tagen Livide Wangenfärbung schmetterlingsförmiges Exanthem petechiale mandopedale Exantheme (Handschuh-Socken-Syndrom) Arthritis Komplikationen - Aplastische Krisen Spontanabort bei Infektion im 1.Trimenon Aplastische Anämie, Hydrops fetalis und Abort im 2 Trimenon Aplastische Phasen ohne Schädigung des Feten im 3.Trimenon Immunsupprimierte Patienten: ∙ Arthritis ∙ Myokarditis ∙ Hepatitis Diagnostik und Therapie - - Diagnostik ∙ Klinische Befunde ∙ Antikörpernachweis ∙ Erregernachweis per Virus DNA ∙ bei pränataler Infektion Untersuchung von Fruchtwasser, Aszites und fetalem Blut und sonographische Kontrolle Therapie ∙ symptomatisch ∙ bei aplastischen Krisen Immunglobuline ∙ bei Gefahr eines Hydrops fetalis: Austauschtransfusion Dreitagefieber = Exanthema subitum= Roseola infantum: Ätiologie und Epidemiologie - Erreger: Humanes Herpes virus Typ 6, Herpesvirus, DNA Virus Epidemiologie: Tröpfcheninfektion Häufigkeitsgipfel im 6. LM bis zum 3.LJ Inkubationszeit 5-15 Tage Klinik - Plötzlicher Beginn mit hohem Fieber (39°-40°C) Zervikale Lymphknotenschwellung periorbitale Ödeme Dauer des Fiebers 3-5 Tage Guter Allgemeinzustand Nach Abfall des Fiebers Auftreten eines kleinfleckigen, blassen, rötlichen Exanthems am Stamm mit Ausbreitung auf die Extremitäten, für eine Dauer von 2 Tagen Komplikationen (selten) - Fieberkrämpfe Arthritis Hepatitis Enzephalopathie Diagnostik und Therapie - - Diagnostik ∙ Klinische Befunde ∙ Antikörpernachweis ∙ Erregernachweis Therapie ∙ symptomatisch Seite 71 Verena Kaiser Pädiatrie Exanthematische Erkrankungen Varizellen = Windpocken = Schafblattern Ätiologie und Epidemiologie - Erreger: Varizella-Zoster-Virus, Gruppe der Herpesviren (DNA-Virus) Epidemiologie: Kontagiosität >90%!! Aerogene Tröpfcheninfektion, „fliegende Infektion“ Infektiosität 1-2 Tage vor dem Auftreten des Exanthems bis etwa 5 Tage nach Auftreten der letzten frischen Effloreszenzen Inkubationszeit 14-16 (-21) Tage Klinik - generalisiertes, schubweise auftretendes vesikuläres Exanthem („Heubnersche Sternenkarte“) Macula, Papula, Vesikula, Crusta, Fieber Komplikationen Konnatales Varizellensyndrom= Varizellenembryopathie - Infektion in der 8.-21.SSW Hautdefekte, Narben Skelett- und Muskelhypoplasien Augenanomalien: Chorioretinitis, Katarakt, Mikrophthalmus, Anisokorie) ZNS Anomalien: Atrophie, Kleinhirnhypoplasie Konnatale Varizellen (Lebenstag 1 –12) - Erkrankung der Mutter 5 Tage vor –2 Tage nach der Geburt. Da keine Antikörper übertragen werden erkrankt das Kind lebensbedrohlich zwischen dem 5. und 10 Tag Erkrankung der Mutter 5 Tage vor der Geburt. Kind kommt mit Varizellen zur Welt oder erkrankt in den ersten 4 Tagen mit guter Prognose Exogen erworbene Varizellen der Neonatalperiode mit guter Prognose Komplikationen - Cave bei Neurodermitis und Immunsuppression - Otitis Hämorrhagischer Verlauf Bakterielle Superinfektion Pneumonie (Letalität bis 30%) Meningitis Cerebellitis Enzephalitis Zoster Diagnostik und Therapie - - Diagnostik ∙ Klinische Befunde ∙ Antikörpernachweis ∙ Erregernachweis Therapie ∙ symptomatisch ∙ Lokaltherapie ∙ Sedativa ∙ Antihistaminika ∙ Acyclovir bei Komplikationen Prophylaxe 1. 2. 3. Aktive Immunisierung (Impfung mit abgeschwächter Lebendvakzine) ∙ Die Impfung wird für alle (seronegativen) Personen (auch Erwachsene) empfohlen. Insbesondere wird sie für Personen empfohlen, für die die Infektion ein Risiko darstellt: Seronegative Frauen im gebärfähigen Alter empfängliche Betreuungspersonen von Kindern empfängliches Personal im Gesundheitswesen Kinder bei geplanter Immunsuppression Kinder mit Leukämie oder Malignomen unter Berücksichtigung der Immunitätslage für eine Lebendimpfung (z.B. im Therapie-Intervall, mit > 1.200/μl Lymphozyten) Passive Immunisierung mit Immuglobulinen bei abwehrgeschwächten Personen nach Exposition innerhalb von 96 Stunden nach Exposition. Therapieoption für Neugeborene, Frühgeborene und Schwangere Expositionsprophylaxe Verena Kaiser Seite 72 Meningitis Pädiatrie 28.11.11 – Brunner Patient: in die Klinik, weil er bemerkt hatte, dass eine Gesichtshälfte „beim Lachen nicht mehr richtig mitmacht“ → periphere Fazialisparese Eine der häufigsten Ursachen ist die Neuroborreliose, andere Ursachen müssen erwogen werden Meningitis 1. Definition Entzündung der Hirnhäute (Meningen); pathologisch anatomisch als Entzündung der harten (Pachymeningitis) oder weichen Hirnhaut (Leptomeningitis) bzw. der Rückenmarkhäute (Meningitis spinalis), meist kombiniert (Meningitis cerebrospinalis). Meldepflicht! 2. Häufigkeit Inzidenz im Kindesalter höher als in jedem anderen Lebensalter Epidemiologie: „Meningitisgürtel“ → S-Amerika, Nord-Afrika, SO-Asien Letalität 20% trotz Therapie Faktoren, die eine infektiologisch bedingte Meningitis begünstigen: - - - Natürliche Faktoren: ∙ Männliches Geschlecht, Schwarze Hautfarbe, Verminderte Immunantwort gegenüber polysaccharidbekapselten Bakterien Soziale Faktoren ∙ Enger Kontakt zu Personen mit invasiven Infekten Vorekrankungen ∙ Immundefizienz, Asplenie, Sytemische Infektion, Kraniale/Innenohrfehlbildung, Myelomeningozele, Lumbosakraler Dermalsinus Traumatische Faktoren ∙ Offenes Schädel-Hirn-Trauma 3. Ätiologie 3.1.Kinder > 3 Monate: Haemophilus influenzae Typ B, Str. pneumoniae (Pneumokokken), N. meningitidis (Meningokokken) Einteilung der Meningokokken in Serogruppen und Subtypen Die Klassifizierung in Serogruppen beruht auf strukturellen Unterschieden in den Kapselpolysacchariden sowie auch unterschiedlichen Agglutinationsreaktionen mit spezifischen Antisera. Die Serogruppen-Klassifizierung hat epidemiologische und gesundheitspolitische Implikationen. Derzeit sind 13 Serogruppen bekannt: A, B, C, D, H, I, K, L, X, Y, Z, 29E und W135. Serogruppen A, B, C, Y und W135 stellen den überwiegenden Anteil an Meningokokkenerkrankungen. In Mitteleuropa spielen vor allem Serogruppe B Meningokokken (in jüngsten Jahren auch Serogruppe C) eine wesentliche Rolle, während im sogenannten Meningitisgürtel Afrikas, aber auch in Nordindien und Nepal die letzten Epidemien durch Serogruppe A Meningokokken bedingt waren. 3.2.Säuglinge < 3 Monate: zusätzlich B-Streptokokken (Infektion über Geburtskanal), E. coli, Enterobacter, Klebsiellen 3.3.Zugrunde liegende Erkrankung oder begleitende Akutsymptomatik als Hinweis auf bestimmte Erreger (nach Schmutzhard) Erkrankung Erreger AIDS Listerien, Nokardien, Mycobacterium tuberculosis Alkoholismus Streptococcus pneumoniae Baden im Süßwasser Amöben Dermalsinus Gramnegative Stäbchen, Staphylokokken Diabetes mellitus Streptococcus pneumoniae, gramnegative Stäbchen, Staphylokokken Seite 73 Verena Kaiser Pädiatrie Meningitis Endokarditis Streptococcus pneumoniae, Bacteroides spp. Enterococcus, Familiäre Belastung Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae Gehirnabszess Anaerobier, Citrobacter (Kinder), Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceae Hautblutungen Neisseria meningitidis Immundefekt ( B Zellen) Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae Immundefekt (T Zellen) Listeria monocytogenes, gramnegative Stäbchen Intensivpatient Gramnegative Stäbchen, Staphylococcus aureus Intrakranialer Shunt Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, gramnegative Stäbchen Intravenöser Drogenmissbrauch Staphylococcus aureus, andere Staphylokokken, gramnegative Stäbchen, Enterococcus, Pseudomonas aeruginosa Leukämie Gramnegative Stäbchen, Staphylococcus aureus Liquor-Rhinorrhoe (Liquor-Leck) Streptococcus pneumoniae, gramnegative Stäbchen, Haemophilus influenzae Lymphom Listerien Offene Schädelfraktur Gramnegative Stäbchen, Haemophilus influenzae Otitis, Sinusitis Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Anaerobier Pneumonie Streptococcus pneumoniae, andere Streptokokken, Neisseria meningitidis Sichelzellanämie Streptococcus pneumoniae, Salmonellen, Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae Splenektomie Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae Rezidivierende Meningitis Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis Staphylokokken, Staphylococcus Streptococcus aureus, pneumoniae, 3.4.Weitere bakterielle Ätiologie (selten) Mykobakterien, Brucellen, Leptospiren, Spirochäten, Listerien etc., alle anbehandelten Meningitiden 3.5.Viral (häufig) Mumpsviren, Echoviren, Coxsackie-Viren 3.6.Mykotisch (extrem selten) vor allem Candida, in der Regel nur bei abwehrgeschwächten Patienten oder Frühgeborenen 3.7.Begleitmeningitis als Nachbarschaftsreaktion bei Hirnabszess, Sinusitis, Mastoiditis etc., Shuntinfektion, Sinusvenenthrombophlebitis, Schädelosteomyelitis 3.8.Meningitis bei systemischen Erkrankungen Systemischer Lupus erythematodes, Sarkoidose, M. Behçet, Malignome 3.9.Physikalisch bedingte Meningitis intrathekale Medikation, Bleivergiftung Pathogenese: 1. Mikrothromben – Ischämie 2. Endothelschäden und Verletzung der Blut-Hirn-Schranke – Hirnödem 3. Gliaschäden – L-Aspartat und L-Glutamat-Freisetzung 4. Anamnese - Umgebungserkrankungen ? Meningitische Symptome ? Begleitsymptome wie Fieber, Durchfall, Exanthem, Parotitis, Infekt der oberen Luftwege (häufig vor Meningokokken-Meningitis!) ? Otitis, Mastoiditis ? Verena Kaiser Seite 74 Meningitis Pädiatrie 5.Symptome 5.1.Neugeborene - Sehr schwer zu diagnostizieren Temperaturschwankungen, verfallenes Aussehen, Ikterus Thrombozytopenie oder Leukopenie können die einzigen Hinweiszeichen sein Trinkunlust, Erbrechen, Apnoen, Krämpfe, Hypoglykämien 5.2.Säuglinge Nackensteifigkeit nur inkonstant vorhanden; im Vordergrund unspezifische Symptome wie: Berührungs- und Lagewechselempfindlichkeit, schrilles Schreien oder Wimmern, Tremor, ängstlicher Blick Anorexie, Dehydratation Fieber ohne erkennbare Ursache, kann auch fehlen Gespannte, vorgewölbte Fontanelle (fehlt bei Dehydratation!) Opisthotonus (krampfartige Reklination des Kopfes und Überstreckung von Rumpf und Extremitäten) Säuglinge mit Meningitis sind eine Herausforderung! (je jünger, umso schwieriger) → Symptome nicht immer eindeutig, daher bei Verdacht (auch wenn unsicher) immer Lumbalpunktion 5.3.Ältere Kinder - Trinkunlust, Erbrechen, Apnoen, Krämpfe Kopfschmerzen, Opisthotonus Nackensteifigkeit, positives Brudzinskisches und Kernigsches Zeichen Dreifußzeichen (beim Sitzen auf ebener Unterlage Unterstützung durch Hände), Kniekusszeichen (Berührung der Knie durch Mund nicht möglich) Symptomatik in allen Altersstufen 1. 2. 3. Allgemeine Symptome: Kreislaufzentralisierung, Koma, Myalgien, Hypertension, reduzierter Allgemeinzustand Neurologische Symptome: Bewusstseinstrübung, Krämpfe, zerebrales Erbrechen, Herdzeichen Bei Meningokokken-Meningitis: Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, mit schwerster, rasch fortschreitender Schocksymptomatik, mit disseminierter intravasaler Gerinnung und großflächigen Haut-und Organblutungen (z.B. Nebennierenrinde) 6. Diagnostik - - - Liquor: Zellzahl und Zelldifferenzierung, Ausstrich mit Gram- und Methylenblaufärbung, Glukose, Eiweißgehalt, bakteriologische Kultur, Antigenbestimmung, evtl. Versuch eines Virus- oder Pilznachweises, Schnelltests zur Erregeridentifikation, säurefeste Stäbchen bei Tbc Blut: Blutbild, CRP, Glukose, Blutkultur, Gerinnungsstatus,Serologie, BSG Klinische Befunde: ∙ Nackensteifigkeit ∙ Brudzinski Zeichen ∙ Kernig Zeichen ∙ Lasegue Zeichen ∙ Nacken-Beuge Zeichen nach Lhermitte ∙ Dreifußzeichen beim Sitzen auf ebener Unterlage Unterstützung durch Hände ∙ Kniekusszeichen Berührung der Knie durch Mund nicht möglich Bildgebung: Sono, MRT 7. Differenzialdiagnose des Meningismus - Infektionen (Lymphadenitis, Angina tonsillaris, Retrotonsillarabszess, Oberlappenpneumonie) Myogelosen und Skeletterkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis der HWS) Zerebrale Blutungen Hirntumoren 8. Komplikationen - Azidose / Hypoxie / Infarzierung Inadäquate ABH Sekretion Status epilepticus mit Folgeschäden Diffuse eitrige Enzephalitis, subdurale Gefäßverschlüsse Sinusvenen-Thrombose Hirnabszess Subdurale Ergüsse, postmeningitischer Hydrozephalus DIC (disseminated intravasal coagulation) Seite 75 Verena Kaiser Pädiatrie Meningitis 9. Antibiotische Therapie der bakteriellen Meningitis, Alter als Hinweis für Erreger Alter antibiotische Therapie Erreger 0-4 Wochen Ampicillin + Cefotaxim oder Ampicillin + Aminoglycosid Gruppe B Streptokokken, E. coli, Listerien 4 Wochen - 3 Monate Ampicillin + Cefotaxim/Ceftriaxon Gruppe B Streptokokken, E. coli, Listerien, H. influenzae 3 Monate - 18 Jahre Penicillin G oder Cefotaxim/Ceftriaxon Neisseria meningitidis, pneumoniae H. influenzae Streptococcus > 18 Jahre Penicillin G oder Cefotaxim/Ceftriaxon Neisseria meningitidis, pneumoniae Streptococcus > 50 Jahre Ampicillin + Cefotaxim/Ceftriaxon Streptococcus pneumoniae, Listerien, Neisseria meningitidis, gramnegative Stäbchen Therapie der bakteriellen Meningitis 1. 2. 3. 4. 5. Antibiotische Therapie a. Neugeborene: Ampicillin+ Gentamycin+ Cefotaxim b. Danach: Cefotaxim/Ceftriaxon (+ Gentamycin) Dexamethason (Prophylaxe von Komplikationen) Kreislaufunterstützende Maßnahmen (Volumen) Intensivtherapie Analgetische Therapie Prophylaxe - Möglichkeit einer Meningokokkenimpfung Zusammenfassung - Die bakterielle Meningitis ist ein medizinischer Notfall!!! Bei der Diagnostik können Minuten entscheidend sein Keine Zeit verlieren mit frustranenPunktionen Rasche Einleitung der richtigen Therapie An der bakteriellen Meningitis kann die Relevanz von Impfungen gezeigt werden Verena Kaiser Seite 76 Vaskulitis Pädiatrie 29.11.11 Vaskulitis im Kindesalter Vaskulitis: chronische Entzündung der Gefäße 1. 2. 3. Große Gefäße: a. Riesenzellarteriitis b. Takayasu Arteriitis Mittelgroße Gefäße: a. Klassische Polyarteritis nodosa b. Infantile Polyarteritis nodosa i. Kawasaki Syndrom ii. Atypisches Kawasaki Syndrom c. Microscopische Polyarteritis nodosa d. PrimäreZNS Vaskulitis Kleine Gefäße: a. Leukocytoclastische Vaskulitis i. Kutane leukocytoclastische Vaskulitis ii. Purpura Schoenlein Henoch (HSP) iii. M. Wegener iv. Churg Strauss Syndrom v. Kryoglobulinämische Vaskulitis Purpura Schönlein-Hennoch → nicht durch Biopsie sichern! Definition (ACR Kriterien: 2 von 4 bei Erwachsenen) und Epidemiologie 1. 2. 3. 4. Alter < 20 jahre Palpable Purpura Angina abdominalis histologischer Nachweis von Granulozytenin der Gefäßwand - Häufigste Vaskulitis des Kindesalters Inzidenz: 10-20 / 100.000 Kinder /Jahr Bei den 4-6 jährigen: 70 /100.000 /Jahr Häufung in den Herbst-und Wintermonaten Klassifikation: Purpura PLUS Bauchschmerzen oder Histologie oder Arthritis oder Arthralgie oder Nierenbeteiligung Pathogenese - Möglicherweise genetische Empfänglichkeit für Autoimmunopathien Trigger zB. Salmonella Streptococcen Helicobacter Varizellen, Parvoviren Präzipitation von Immunkomplexen in der Gefäßwand Komplementaktivierung, Adhäsionsmoleküle Migration von Neutrophilen Granulozyten und Makrophagen zum Endothel Proteolytische Enzyme schädigen die Gefäßwand Seite 77 Verena Kaiser Pädiatrie - Vaskulitis IgA-Ablagerungen (Cave: glomeruläre Veränderungen an der Niere) ∙ Können pathologisch festgestellt werden ∙ Neigung zur Nephropathie im Erwachsenenalter Klinische Manifestationen - Allgemeinsymptome (Fieber, ödematöses, schmerzhaftes Exanthem, Purpura, Arthralgien, Arthritiden) ∙ Kind aber in gutem AZ Abdominelle Beteiligung (Erbrechen, Bauchschmerzen, blutige Stühle, Invagination, Gallenblasenhydrops, Pankreatitis) Pulmonale Beteiligung (Husten, Tachydyspnoe, Hämoptoe, Pulmonale Hämorrhagie) Beteiligung des Genitaltraktes (Hodenschmerzen, Orchitis) ZNS Beteiligung (Krampfanfälle, Kopfschmerzen, Paresen) Nierenbeteiligung (Hämaturie, Proteinurie, Hypertonie, Nephrotisches Syndrom, Niereninsuffizienz) Bettruhe ist indiziert: bei zu frühem Wiederaufstehen kann es leicht zu einem Rezidiv kommen Diagnostik Labordiagnostik ( Blutbild, Organfunktionsparameter, Immunglobuline, insbesondere IgA, ANA, ENA, ds-DNA, C3, C4, ANCA , Faktor XIII (abdominelle Beteiligung)) Bildgebende Diagnostik ( Sonografie Abdomen, Gelenke, Hoden ,Röntgenaufnahme Abdomen, Thorax, CT Thorax (bei Indikation), EEG (bei Indikation), Schädel-MRT(bei Indikation)) Indikation für Nierenbiopsie bei PSH große Proteinurie nephrotisches Syndrom nephritisches Syndrom nephrotisch-nephritisches Syndrom eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate Therapie Maßnahme Indikation Immobilisierung Organbeteiligung Paracetamol, NSAR Arthritis Steroide Bauchschmerzen ACE Hemmer, AT-1Antagonist renale Beteiligung Steroidstoßtherapie nephrotisches, nephritisches Syndrom Steroidstoßtherapie plus Cyclophosphamid, ggf. renale Beteiligung mit > 75 % glomerulärer Azathioprin, Ciclosporin A, Plasmapherese Halbmondbildung in der Nierenhistologie Kurzzeitige Prednisolontherapie ist ein Streitthema: Daten belegen, dass Bauchschmerzen durch die werden Evidenz-Level III B III A II B III C III B III B Therapie reduziert Kawasaki Syndrom Definition Ø Immunologically mediated generalized Vasculitis that is triggered in a susceptible host by a variety of common infectious agents prevalent in the community. Ätiologie Rickettsien, Streptococcen, Staphylococcen, ParvovirusB19, EBV, Adenoviren, Echoviren, CMV, Mykoplasmen, Candida. Pathogenese Genetische Prädisposition, infektiologischer Trigger, Endothelaktivierung, Zell-Migration, T-Zellaktivierung mögliche Spezifität eines T-Zell-Rezeptors, Zytokinausschüttung. Klinische Manifestationen - Persistierendes antibiotikaresistentes Fieber (5 Tage) 96% Senkungsbeschleunigung mit / ohne CRP Erhöhung 93% Bilaterale konjunktivale Injektion ohne Exsudation 88% Erythem, palmare/plantare Erytheme und Ödeme Periunguale Desquamation ∙ Ähnlich wie bei Scharlach Lackrote Lippen und Enanthem im Orophyrynx, Lippenfissuren, Erdbeerzunge Arthritis zervikale Lymphadenopathie sterile Leukozyturie Thrombozytose ab 2.-3. Krankheitswoche Verena Kaiser Seite 78 Vaskulitis Pädiatrie Theoretisch kann jedes Organ beteiligt sein, weil jedes Gefäßsystem beteiligt sein kann: Begleithepatitis (Transaminasen ↑ und Bilirubin ↑) Pankreatitis Diarrhoe, Erbrechen, Darmbeteiligung Aseptische Meningitis Husten mit röntgenologischen Infiltraten Myokarditis/Perikarditis Koronararterienaneurysmata Aneurysmata Gallenblasenhydrops Makrophagenaktivierungssyndrom Periphere Nekrosen (sehr selten – 0,8%) Klinischer Verlauf 1. 2. 3. Akutphase ∙ Tag 1-11 ∙ reduzierter Allgemeinzustand ∙ Perivaskulitis Subakutphase ∙ Tag 11-21 ∙ Fieber, Exanthem, Lymphadenopathie ↓ ∙ Schuppung ∙ Thrombozytose ∙ Panvaskulitis ∙ Aneurysmabildung Rekonvaleszenz ∙ Tag 21-60 ∙ 6-10 Wochen nach Krankheitsbeginn ∙ Normalisierung der Blutsenkung ∙ Fibrosierung in den Gefäßen Diagnose-komplettes Kawasaki Syndrom - Persistierendes, antibiotikaresistentes Fieber über 5 Tage + 4 der 5 folgenden Kriterien: ∙ Bilaterale konjunktivale Injektion ohne Exsudation ∙ Lackrote Lippen Enanthem im Oropharynx, Lippenfissuren Erdbeerzunge ∙ Rashartiges Erythem ∙ Palmare/plantare Erytheme, Ödeme bzw. periunguale Desquamation ∙ Zervikale Lymphadenopathie Diagnose-inkomplettes Kawasaki Syndrom Atypische Kawasaki-Syndrome gehen häufiger mit Komplikationen der Koronararterien einher, als komplette - Persistierendes, antibiotikaresistentes Fieber über 5 Tage + Ausschluss anderer Ursachen + laborchemische Entzündungszeichen + 2 der 5 folgenden Kriterien: ∙ Bilaterale konjunktivale Injektion ohne Exsudation ∙ Lackrote Lippen Enanthem im Oropharynx, Lippenfissuren Erdbeerzunge ∙ Rashartiges Erythem ∙ Palmare/plantare Erytheme, Ödeme bzw. periunguale Desquamation ∙ Zervikale Lymphadenopathie Diagnose: DARAN DENKEN!!!!! - Klinisch-diagnostische Kriterien Labordiagnostik (Leukozytose, Anämie, Sterile Leukozyturie, IgE-Erhöhung, C3 und C4 Erniedrigung) Echokardiografie Sonografie Weitere Bildgebung - Rheumatische Erkrankungen (andere Vaskulitiden Kollagenosen, juvenile idiopathische Arthritis) Intoxikationen Malignome Infektionen (= wichtigste/häufigste DD) DD Seite 79 Verena Kaiser Pädiatrie Vaskulitis Therapie - - - Immunglobuline 2 g/kgKG ∙ über 6-10 Stunden ∙ Wiederholung falls keine Entfieberungeintritt Acetylsalicylsäure 80-100 mg/kgKG/d ∙ bis zur Entfieberung ∙ dann:3-5 mg/kgKG/d ... Steroide, TNFα Antagonisten, Cyclophosphamid, Plasmapherese????? Zusammenfassung K A W A S A K I awasaki Syndrom: wichtige DD des unklaren Fiebers etiologisch: unklar ichtig: Therapie ≤d 5 beginnen usschlag, Arthritis enkung im Blut: hoch ugensymptomatik: bilaterale konjunktivale Injektionen ardiologie!!!! nkomplette Form des Kawasaki Syndroms: ebenso Therapie Verena Kaiser Seite 80 Arthritis Pädiatrie 29.11.11 Arthritis im Kindesalter Differentialdiagnose Gelenkschmerzen und -schwellungen - - - Infektionen: ∙ Septische Arthritis ∙ LymeArthritis ∙ Infektassoziierte Arthritis ∙ Poststreptococcenarthritis ∙ Osteomyelitis Akutes Rheumatisches Fieber Spondylarthropathien(z.B. bei M. Crohn) Kollagenosen ∙ SLE ∙ Mischkollagenose(Sharp-Syndrom) ∙ juvenile Dermatomyositis ∙ juvenile Sklerodermie Vaskulitiden Autoinflammatory disorders Nicht entzündlich bedingte Differentialdiagnosen: ∙ Skelettdysplasien ∙ Osteochondrosen (M. Perthes, M. Osgood–Schlatter) ∙ Speichererkrankungen (Mucopolysacharidosen, Sphingolipidosen) ∙ Überbelastung ∙ Chronische Schmerzsyndrome ∙ Traumen ∙ Malignome (Sarkome, Leukämie) ∙ Kindesmisshandlung Septische Arthritis (Rheumatologischer Notfall !!!) - - Fieber hochakute Monarthritis (Rötung, Schwellung, Erwärmung, Schmerzen) große Gelenke schnelles Auftreten von Gelenksschmerzen Schonung des Gelenkes bei Neugeborenen: „Pseudoparalyse“ bei Kindern: Hinken/ Schonung Gelenkpunktion obligat KEIN ZUWARTEN!!!!! ∙ Bei Verdacht sofort reagieren: v.a. bei Säuglingen mit Gelenksschwellungen daran denken (Gelenksverletzungen bei Säuglingen kommen nicht vor – ausg. Unfall oder Kindesmisshandlung) Antibiotische Therapie, z.B. Cefuroxim, Fosfomycin Lyme Arthritis - Häufig schmerzlose Monoarthritis!!! Klassischerweise Kniegelenk Starke Schwellung Spezialdiagnostik: Punktion und Nachweis der Borrelien-DNA bzw. Antikörper Transiente Synovitis (Coxitis fugax = Hüftschnupfen) - Anamnese: banaler Infekt Leitsymptom akute einseitige Hüftschmerzen Ausstrahlung in den Oberschenkel Alter: vorwiegend Jungen, 3-10 Jahre Klinik: Schonhaltung der Hüften in Abduktion, Innenrotation eingeschränkt Labor: BSG, CRP meist unauffällig Sonographie: Hüftgelenkserguss, Kapseldistension Therapie: symptomatisch, NSAR z.B. Ibuprofen) Differentialdiagnose: ∙ Morbus Perthes (aseptische Knochennekrose bei temporärer Durchblutungsstörung des Femurkopfes unklarer Genese) V.a. daran denken, wenn rezidivierend Seite 81 Verena Kaiser Pädiatrie Arthritis M. Perthes - auch häufiger Jungen, 4.-8. Lj. Inzidenz 10:100.000 Therapie: zunächst Physiotherapie Wird die Erkrankung zu spät entdeckt, kann eine Operation nötig werden Wichtig: nicht aufs Röntgen verlassen (ist am Anfang unauffällig) Immer daran denken, wenn ein Kind mehrmals mit einer Coxitis fugax kommt Kriterien des Systemischen Lupus erythematodes Spezifität von 96% bei 4 Kriterien 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Schmetterlingserythem Discoide Hautausschläge Photosensibilität Ulzerationen Arthritis Serositis: Pleuritis / Perikarditis Nephritis (Proteinurie> 0,5 g / d oder Erythrozytenzylinderim Harnsediment) Enzephalopathie(zerebrale Anfälle / Psychose) Zytopenie, hämolytischeAnämie Positive Immunserologie Nachweis von ANA Autoinflammatory disorders Alle diese Erkrankungen haben eine Gemeinsamkeit, sie sind monogenetische Erkrankungen: im Vergleich zur sonstigen Rheumatologie ist eine Ursache zu finden; mit Biologika kann die vermehrte Zytokinproduktion, die bei allen autoinflammatory disorders auftritt, gestoppt werden und der Patient zur Beschwerdefreiheit geführt werden juvenile idiopathische Arthritis (JIA) Rheumafaktor, der bei Erwachsenen eine Rolle spielt, ist bei Kindern selten wegweisend → bei Kindern immer ANA bestimmen Definition, Epidemiologie und Klassifikation - - Definition: Reproduzierbare Schwellung, Erguss oder schmerzhafte Bewegungseinschränkung in mindestens 1 Gelenk, ohne vorangegangenes Trauma mit Erkrankungsdauer von mindestens 3 Monaten und mit Erkrankungsbeginn vor dem 16. Lebensjahr. Inzidenz: 2 -5/ 100000 Prävalenz:20-40/ 100000 Verena Kaiser Seite 82 Arthritis - Pädiatrie sexratio: w:m= 2:1 Klassifikation: ∙ Systemische JIA (M. Still) ∙ Oligoarthritis ∙ Polyarthritis RF∙ Polyarthritis RF+ ∙ Enthesitis-assoziierte Arthritis ∙ Psoriasis Arthritis ∙ Unklassifizierte Arthritis Pathogenese Verschiedene Hypothesen: Makrophage stimuliert über HLA Rezeptoren T-Zellen = klassische Vorstellung Antigeninduzierte Aktivierung von T-Zellen Aktivierung von granulozyten durch DAMP (damage associated molecular patterns), PAMP und Zytokine Komplementaktivierung → gemeinsame Endstrecke Systemische JIA (M. Still) - Häufigkeit: 10% aller JIAs Altersgipfel 2a Symptome: Fieber 100% Arthritis 100% Exanthem 90% Hepato-Splenomegalie 70-80% Karditis 60% Lymphadenopathie 55% Pleuritis 15% Iridozyklitis 2% Therapie Tocilizumab Anakinra Canakinumab (früher Problem, weil nur Cortison verfügbar → Wachstumshemmung) Gefürchtete Komplikation: Makrophagenaktivierungssyndrom Polyartikuläre JIA (seronegativ) - 25 % aller JIA w >> m 2.-3. LJ, präpubertär polyarthritischer Verlauf (> 5 Gelenke) symmetrischer Befall kleiner Gelenke Befall von HWS und TMG RF negativ Polyartikuläre JIA (seropositiv) - 5 % aller JIA Assoziation zu HLA-DR4 (Allel DRB1*04) w >> m ab dem 8.-10. Lebensjahr kleine Gelenke sind betroffen symmetrischer Befall Rheumaknoten RF positiv Schlechteste Prognose: größtes Risiko zu chronifizieren Enthesitisassoziierte Arthritis (EAA) - Einzige, bei der Buben stärker betroffen sind als Mädchen! 25 % aller JIA Seite 83 Verena Kaiser Pädiatrie - Arthritis m:w=4:1 nach dem 10. Lebensjahr große Gelenke (untere Extremität) asymmetrischer Befall Sacroiliacalgelenke Iridocyclitisin 10 -20 % („rot“) persistierende/ extended Oligoarthritis - 1.-6. Lebensjahr w:m=3:1 25 -30 % aller JCA < 5 Gelenke asymmetrischer Befall Uveitis in ca. 50 % !! häufig ANA positiv wichtig: Kinderrheuma → zum Augenarzt! Therapeutische Optionen bei Uveitis: Anti-TNF-α Infliximab und Adalimumab: besserer klinischer Response mit weniger Komplikationen als Etanercept Psoriasis und Arthritis Psoriasis bei Patient oder erstgradigen Verwandten. Ausschlusskriterium für andere Subgruppen der JIA. Diagnostik - Anamnese Klinischer Befund Laborparameter (BB, ANA, RF, Anti CCP (Akö gg. citrulliniertes Peptid), CrP, BSG, Immunglobuline, Synovialflüssigkeit) Bildgebende Diagnostik Orthopädisches Konsil Augenkonsil Medikamentöse Therapie 1. 2. 3. 4. 5. NSAR a. Naproxen 10–15 mg/kgKG in 2 ED Saft b. Ibuprofen 30-40 mg/kgKG in 3-4 ED Saft c. Indometacin 2–3 mg/kgKG in 3–4 ED Saft d. Diclofenac 2–3 mg/kgKG in 2–3 ED Tabletten (ab 12LJ) Methotrexat a. Azathioprin. Möglichst Kortison sparend!! Biologika a. Etanercept = Anti-TNF-α Intraartikuläre Corticoidgabe Physikalische Therapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie, Sozialdienst, Hilfsmittel Zusammenfassung I. III. Außerhalb von Epidemiezeiten mit Infekten der oberen Luftwege oder Gastroenteritiden sind Schmerzen am Bewegungsapparat der dritthäufigste Grund für die Vorstellung beim Kinderarzt. Bei unklaren Beschwerden des Bewegungsapparates muss vor einer Therapie eine Diagnosestellung erfolgen. Rheumatische Erkrankungen sind Ausschlussdiagnosen. IV. V. Eine Uveitis muss ausgeschlossen werden. Eine INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT ist erforderlich. II. Verena Kaiser Seite 84 Akute Leukämien Pädiatrie 01.12.11 Akute Leukämien im Kindes- und Jugendalter Akute lymphatische Leukämie ist im Kindesalter die häufigste maligne Neoplasie. Altersverteilung: Gipfel im ersten Lebensjahr Definition und Häufigkeit - Ätiologisch nicht geklärte ungehemmte Proliferation pathologischer Vorstufen weißer Blutzellen 80% akute lymphatische Leukämien 18% akute myeloische Leukämien 2% chronisch myeloische Leukämien ∙ ⇒ Verdrängung normaler Hämatopoese ∙ ⇒ Infiltration extramedullärer Organe Leitsymptome der Leukämien - - erklärbar durch Knochenmarkinsuffizienz: ∙ Blässe, Abgeschlagenheit ∙ Blutungsneigung (Petechien, Hämatome, Zahnfleischbluten) ∙ Infektzeichen (Fieber) i.d.R. Granulozytopenie durch Verdrängung der normalen Hämatopoese 30% Bauchschmerzen (bei der ALL) 50% Knochen- oder Gelenkschmerzen ∙ cave: Fehldiagnose: Verstauchung, rheumatische Arthritis Klinik akuter Leukämien - Symptomatik entwickelt sich innerhalb weniger Wochen Infiltration extramedullärer Organe ∙ vergrößerte Lymphknoten ∙ Leber, Milz bei 70% aller Kinder vergrößert: DD infektiöse Mononukleose ∙ Hautinfiltrate ∙ Hodenschwellung ∙ Meningeosis leucaemica: Sehstörungen, Kopfschmerzen, Hirnnervenausfälle Diagnostik der ALL - - Blutbild: ∙ ∙ ∙ ∙ Leukozytenzahl: vermindert, normal oder selten stark erhöht, bei 50 % aller Kinder < 10 G/l Anämie Thrombozytopenie DD: SAA (schwere aplastische Anämie: Thrombozytopenie, Anämie mit Retikulozytopenie und Verminderung der Granulozyten), infektiöse Mononukleose Differentialblutbild: Nachweis von Lymphoblasten im peripheren Blut DD: Leukämie, Infektiöse Mononukleose Lymphatische Reizform: Inf. Mononukleose - Wichtig! anhand der Leukozytenzahl allein läßt sich eine Leukämie nicht ausschließen Auch die automatisierte Differentialblutdiagnostik ist nicht ausreichend, es muß eine manuelle, mikroskopische Beurteilung erfolgen! LDH ⇑, Harnsäure⇑ Knochenmark: zur Diagnosesicherung ∙ Zytologie: mehr als 20% Blasten, monomorphes Zellbild, hyperzellulär ∙ Immuntypisierung: B-Vorläufer (84%): Prä-Prä-B-ALL, Common ALL, prä-B-ALL T-ALL (13%) B-ALL ∙ Zytogenetik (t9;22), t(4:11) ∙ (Zytochemie) Immunologische Klassifikation der ALL: Monoklonale Antikörper bestimmen B-Vorläufer ALL (84%) ∙ Prä-prä B-ALL ∙ Common-ALL Seite 85 Verena Kaiser Pädiatrie - akute Leukämien ∙ Prä-B-ALL T-ALL (13%) B-ALL (3%) ALL mit Koexpression myeloischer Marker Peripheres Blut FAB-L1: L 8G/l, Thr 302 G/l, Hb 73 g/l, 3% Blasten KM ED: 89 % Blasten KM Tag 15: Remissionsmark Patient 1: 3 Jahre alt - Anamnese: Fieber seit 3 Wochen, Appetitverlust, Müdigkeit, gelegentlich Nasenbluten Klinik: Haut blass, zahlreiche Hämatome, einzelne Petechien, Leber 3 cm unter Ribo, Milz 6 cm unter Ribo Labor: Leukozyten 5,0 G/l, Hämoglobin 57 g/l, Thrombozyten 16 G/l Patient 2: 14 Jahre alt - Anamnese: seit 14 Tagen zunehmende Blässe und Abgeschlagenheit, vermehrte Müdigkeit, Leistungsabfall Klinik: Haut blaß, Petechien an den Unterarmen, Labor: Leukozyten 4,9 G/L, Hämoglobin 59 g/L, Thrombozyten 10 G/L Therapie der ALL - - Vernichtung von Leukämiezellen und Wiederherstellung der normalen Hämatopoese ∙ Cortison ∙ Chemotherapie ∙ ev. prophylaktische Schädelbesthrahlung 6-9 Monate intensive Chemotherapie, bis 2 Jahre nach Diagnose Erhaltungschemotherapie frühes Ansprechen auf Therapie signalisiert gute Prognose (guter Cortisonresponse und minimale Resterkrankung) ZNS-Prophylaxe durch intrathekale Instillation von Methotrexat (Amethopterin), Verhütung eines ZNS-Rezidivs, Vermeidung einer prophylaktischen Schädelbestrahlung Supportive Therapie - Ersatz von Blutbestandteilen Infektionsprophylaxe mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol zur Verhinderung einer Pneumocystis Carinii Infektion und Pilzprophylaxe intensive i.v. antibiotische Therapie und ev. Sepsistherapie bei Infektionen (meist FUO), Pilztherapie Klinische Überwachung und supportive Therapie - Permanente Kontrolle der Chemotherapieapplikation und Nebenwirkungen sorgfältige Bilanzierung antiemetische Therapie Verena Kaiser Seite 86 Akute Leukämien - Pädiatrie psychosoziale Betreuung Haut- und Schleimhautpflege Behandlungsziele bei ALL - - Durch intensive Induktionstherapie und Reinduktion früh nach erreichter Remission (<5% Blasten im KM) lässt sich Remissionsqualität und damit Heilungsaussicht verbessern ∙ Reinduktion wichtig um vollständige Heilung zu erzielen Aufrechterhaltung einer Remission Da heute nahezu alle Kinder mit ALL eine Remission erreichen, ist es das primäre Ziel ein Knochenmarksrezidiv und/oder extramedulläres Rezidiv (ZNS, Hoden) zu verhindern Rezidiv (Wiederauftreten) einer ALL - - Risiko bei Standardrisikopatienten bei unter 10%, bei Hochrisikopatienten bei ca. 40% verschlechtert Prognose, isoliert oder kombinert ∙ Knochenmark ∙ Hoden ∙ ZNS: Hirndruckzeichen; ohne ZNS-Prophylaxe bei 50%, mit ZNS-Prophylaxe 5% ∙ Heilung durch Knochenmarktransplantation Auch nach Rezidiv (Relapse) wird meist eine 2. Remission erzielt, die Heilungschancen sind dann aber relativ schlecht, besonders bei kurzer Remissionsdauer Trotz Fortschritten in der Behandlung der ALL im Kindesalter, müssen noch zahlreiche biologische und therapeutische Fragen beantwortet werden, um das Ziel der Heilung aller Kinder mit ALL zu erreichen ⇒ Behandlung von Kindern mit Tumoren in Therapieoptimierungsstudien z.B. ALL BFM-2000, Folgestudie ALL BFM-2008 Prognostische Faktoren mit klinischer Relevanz – risikoadaptierte Therapie - - Ansprechen auf Therapie ∙ Cortisonresponse ∙ Nonresponse am Tag 33 ∙ MRD-Untersuchung (Durchflusszytometrie und PCR) Translokationen (4;11) und (9;22) Stellenwert der Stammzelltransplantation bei ALL - - In erster Remission haben ca. 10% der Patienten eine Indikation zur allogenen Stammzelltranplantation Indikation richtet sich nach Rezidivrisiko und Verfügbarkeit eines Spenders ∙ HLA identer Geschwisterspender ∙ HLA gematchter Fremdspender ∙ Fremdspender mit Mismatch (nur bei sehr hohem Risiko verwendet) Knochenmarktransplantation in erster Remission nur für kleine Patientengruppe notwendig ∙ Translokationen: t(9;22); t(4;11) ∙ schlechtes Ansprechen auf 7 Tage Prednison Monotherapie (Cortisonresponse) ∙ minimal residual disease (MRD): schlechtes Ansprechen Bedeutung des Cortisonresponse: Patienten mit einem guten Response hatten eine wesentlich bessere Prognose (heute etwas verschoben, aber Cortisonresponse ist immer noch ein wichtiger Stratifizierungsparameter) Seite 87 Verena Kaiser Pädiatrie akute Leukämien mit der PCR lässt sich viel besser differenzieren, welche Patienten ein Rezidiv entwickeln und welche nicht: Einteilung in Risikogruppen Risikogruppen nach MRD-Resultat - MRD low risk group: Rezidivrisiko 2% ∙ MRD negativ in 5.Woche (Zeitpunkt 1) MRD intermediate risk group: Rezidivrisiko 25% ∙ sinkende MRD-Belastung, < 10-3 nach 10-12 Wochen (Zeitpunkt 2) MRD high risk group: Rezidivrisiko 85% ∙ MRD-Belastung ≥ 10-3 nach 10-12 Wochen (Zeitpunkt 2) Rezidivfreies Überleben abhängig von MRD zu Zeitpunkt 1 + 2 Risikoadaptierte Therapie Therapieintensität richtet sich nach Risikogruppe, je höher das Risiko desto intensiver die Behandlung Ziel: Verhinderung eines Rezidivs Kleine Änderung eines einzelnen Medikaments kann sich signifikant auf die Überlebensrate auswirken Verena Kaiser Seite 88 Diabetes Pädiatrie 02.11.11 – Hofer Diabetes mellitus in Kindesalter Diabeteseinteilung - - - Typ I Diabetes ∙ autoimmunologisch Typ 1a → Großteil ∙ idiopathisch Typ1b ∙ Kein Unterschied im klinischen Verlauf, aber beim idiopathischen sind keine Antikörper gegen β-Zellspezifische Peptide zu finden Typ II Diabetes Andere spezifische Diabetestypen ∙ Genetische Defekte der β-Zell-Funktion ∙ Genetische Defekte der Insulinwirkung ∙ Erkrankungen des exokrinen Pankreas ∙ Endokrinopathien ∙ Medikamenten (Chemikalien-) induzierter Diabetes ∙ Infektionen ∙ Seltene Immunologische Formen ∙ Genetische Syndrome, die mit Diabetes assoziiert sein können Gestationsdiabetes Physiologie der Insulinsekretion Änderung im Energielevel ist ein wesentlicher Punkt, der sich auf den ATPabhängigen K-Kanal auswirkt → bei ATPÜberschuss kommt es zu einer Depolarisation der Membran, die InsulinVesikel können entleert werden KATP Kanal Veränderungen in diesen beobachtet werden → je und Mutation kann es zu Hyperglykämie kommen Wichtig für Patienten Diabetesformen Seite 89 Kanälen können nach Ausprägung einer Hypo- oder mit neonatalen Verena Kaiser Pädiatrie Diabetes Epidemiologie DM Typ 1 und 2 Zunahme der Typ-I Diabetes Inzidenz im Kindesalter, wohingegen die Typ II Inzidenz in Österreich konstant zu bleiben scheint (z.B. aus den USA sind andere Entwicklungen bekannt) Die Inzidenz ist in nördlichen Ländern höher, in allen Ländern nimmt die Inzidenz des Typ I zu Risikofaktoren für Typ I - genetische Prädisposition Umweltfaktoren (z.B. Virusinfekte) Risikofaktoren für Typ II - Übergewicht, Adipositas, BMI ↑ Hyperlipidämie, Hypertonie, Insulinresistenz positive Familienanamnese für Typ II Diabetes Androgenisierung bei Mädchen, Akanthosis nigricans, Regelstörungen - PCO (polycystic ovary syndrome) Phasen der Diabetesentstehung Initial 100% Prädisposition Beta-Zell-Masse + genetische Stufenweise Reduktion bis es dann zu einer klinischen Manifestation führt → meist erst bei nur noch 10% Restfunktion Diagnostik - - Glukosurie: Harnteststreifen Hyperglykämie ev. oraler Glukosetoleranztest in initialen Phasen nötig c-peptid, Insulin erniedrigt Antikörperbestimmung (es gibt schon mehr als die unten genannten) ∙ Glutamatdecarboxylase Antikörper (GAD) ∙ Tyrosin-Phosphatase Antikörper (IA2) ∙ Insulinautoantikörper (IAA) ∙ Akademisch von Interesse, aber unmittelbar für die Diagnose wenig hilfreich, da sehr langwierig (aber zur Unterscheidung eines Typ I oder II DM bzw. eines genetischen oder nicht-genetischen) Ketoazidose ∙ Ketonurie ∙ Ketonkörpernachweis im Blut ∙ Azidose im Astrup Diabetes spezifische Symptome - Polydipsie ( Durst) Polyurie (Harndrang, nächtlicher Harndrang, Bettnässen) Leistungseinschränkung (Schwäche, Müdigkeit) Bauchschmerzen Sehstörung Bei kleinen Kindern auch häufig Pilzinfektionen als Erstmanifestation (Soor, etc.) Verena Kaiser Seite 90 Diabetes Pädiatrie Insulintherapie Postprandiale Hyperglykämien Unzureichendes Bolusmanagement Ohne Diabetes: einmaliger Abfall des BZ auf unter 60: an diesem Abend Alkohol konsumiert und daraufhin Hypoglykämiesymptome entwickelt Erste Insulininjektion 1922 Therapieziele in der pädiatrischen Diabetologie - Normoglykämie – Vermeidung von Akut- und Spätkomplikationen Altersentsprechende Größe und Gewicht normale Pubertätsentwicklung körperliche und geistige Leistungsfähigkeit seelische Ausgeglichenheit ISPAD HbA1c < 7,5% ∙ ISPAD: internationale Gesellschaft für pädiatrische und adoleszente Diagnostik APED (österreichische Arbeitsgruppe für pädiatrische Endokrinologie und Diabetes < 7,0% !!! Therapieformen - Konventionelle Therapie Intensivierte Therapie Insulinpumpentherapie Wahl der Therapieform - - - Alter des Patienten ∙ Säugling ∙ Kleinkind ∙ Schulkind ∙ Jugendlicher Phase der Erkrankung ∙ Prädiabetes ∙ Erstmanifestation ∙ Remission ∙ Vollständige Insulinabhängigkeit Lebensumstände ∙ Kindergarten ∙ Schule ∙ Lehre/Arbeit Seite 91 Verena Kaiser Pädiatrie Diabetes Therapieform in Abhängigkeit vom Lebensalter Insulinpumpentherapie v.a. bei kleinen Kindern: ermöglicht eine mehrmalige Insulinabgabe ohne jedes mal neu zu stechen → daher besonders für kleine Kinder von Vorteil Konventionelle Therapie Kombination von Normalinsulin und eine langeirksame Komponente für den ganzen Tag; diese Therapieform wird in der Pädiatrie fast kaum mehr angewandt, außer evtl. bei Kindern mit einer augeprägten Remissionsphase Die meisten Kinder laufen unter Basis-Bolus-Therapie Dawn - Phänomen - Morgendämmerungsphänomen Pubertät Blutzuckeranstieg in den frühen Morgenstunden Durch Ausschüttung von ∙ Wachtumshormon ∙ Cortisol ∙ Adrenalin Insuline und ihre Wirkung Insulin Schnell wirksame Analoga (Humalog ®, NovoRapid®, Apidra®) Kurz wirksame Insuline Normalinsulin (Actrapid®, Lilly normal®) Basalinsuline NPH-Insuline (Insulatard®, Lilly basal®) Lang wirksame Analoga Detemir (Levemir®) Glargine (Lantus®) Wirkbeginn 15 min Wirkmax.(h) 1-2 Wirkdauer(h) 3-4 30-60 min 2-4 4-6 1-2 h 4-6-8 8-10-12 1-2 h 2-4 h 6-12 6-12 20-24 22-24 Wirkprofil verschiedener Insulinpräparate Verena Kaiser Seite 92 Diabetes Pädiatrie Variabilität im Wirkprofil verschiedener Basalinsuline Gewisse Variabilität innerhalb eines Wirkprofils Einflussfaktoren auf die Insulinwirkung Einflussfaktoren Insulinpräparation Injektionsstelle Injektionstiefe Lipodystrophie Insulindosis Temperatur Bewegung Effekt auf die Absorption/Wirkung NPH + Normalinsulin > späterer Wirkeintritt Bauch > Oberschenkel > Po/Hüfte intramuskulär schneller als subkutan Schlechte Absorption bei Lipohyper- und Lipoatrophie Je höher desto längere Wirksamkeit Höhere Temperatur an der Injektionsstelle beschleunigt die Absorption Höhere Durchblutung beschleunigt die Absorption Pumpentherapie hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen → v.a. bei den unter 5-Jährigen Altersspezifische Therapieprobleme - geringer Insulinbedarf Neigung zu Hypoglykämien häufige Injektionen unvorhersehbare Nahrungsaufnahme schwer berechenbare körperliche Aktivität Fremdbetreuung ∙ Tagesmütter, KindergärtnerInnen ∙ Schule ∙ Lehrstelle Katheterlage - Gesäß Oberschenkel Bauch, Ausspaarung des Nabels Bei kleinen Kindern werden die Katheter nicht am Bauch gelegt, sondern entweder am Gesäß oder am Oberschenkel Berechnung des Insulinbedarfs Insulinverteilungsschema: - Intensivierte Insulintherapie – Basis-Bolus-Therapie ∙ 50% Prandialbedarf - 50% Basalbedarf Pumpentherapie ∙ 60-70% Prandialbedarf – 30-40% Basalbedarf Weitere Therapiemaßnahmen: - Ernährung: ∙ Kohlenhydratberechnende Diät Seite 93 Verena Kaiser Pädiatrie - ∙ ∙ Sport ∙ ∙ ∙ Diabetes BE = Broteinheit 1 BE entspricht 12 g Kohlenhydrate (in D: 10g) sportliche Aktivität senkt den Blutzucker in Anwesenheit von Insulin serbessert die Insulinsensitivität senkt die Insulinresistenz Akute Komplikationen Hypoglykämie je niedriger der HbA1c, desto höher die Hypoglykämierate Gegenregulationsprinzipien beim Stoffwechselgesunden - reduzierte Insulinsekretion 80-85 mg/dl Sekret. gegenregulativer Hormone 65-70 mg/dl Symptome 50-55 mg/dl kognitive Dysfunktion < 50 mg/dl dynamische, nicht statische Grenzen liegen höher bei Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes liegen niedriger bei Patienten mit rezidivierenden Hypoglykämien Gegenregulative Hormone - Glukagon: Stimulation der hepatischen Glukoseproduktion Epinephrine: Stimulation der hepatischen und renalen Glukoseproduktion, Hemmung der Glukoseverwertung in Geweben außerhalb des Gehirns Cortisol und Wachstumshormon: Stimulation der Glukoseproduktion, Hemmung der Glukoseutilisation, für einige Stunden Gegenregulation durch Glukagon funktioniert am Anfang noch recht gut, aber im Laufe der Zeit werden auch die α Zellen in Mitleidenschaft gezogen und können die Hypoglykämie nicht mehr adäquat kompensieren Sympatho-adrenale Aktivierung - autonome Symptome Zittern, Schwäche, Hunger, Schwitzen, Blässe BZ 58-65mg/dl in gesunden Kindern bei schlechter Stoffwechselkontrolle Shift zu höheren Schwellenwerten (durchaus als normal bezeichnete Glukosewerte) Verena Kaiser Seite 94 Diabetes Pädiatrie Glukosemangel cerebral - neuroglykopenische Symptome Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Benommenheit, Verwirrtheit, Sprachstörungen Kleinkinder können nicht zwischen autonomen und neuroglykopenischen Symptomen unterscheiden Reizbarkeit, Ruhe, Eigensinn, Dickköpfig, Trotz und Wutanfälle Unterschied zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung Therapie Leichte Hypoglykämien Orale Gabe von Glukose Traubenzucker (Plättchen, flüssig) Schwere Hypoglykämien Glukagon i.m. oder s.c. < 12 Jahre: 0,5 mg bzw. 0,1 mg/10 kg KG > 12 Jahre: 1,0 mg bzw. 0,2 mg/kg KG Nach Restitutio Kohlenhydrate per os Orale Gabe von Kohlehydraten in Nahrungsmittel Apfelsaft, Limonade, Banane, Brot Glucose: 0,2 -0,5 g Glucose/kg KG i.v. = 0,6 ml Glucose 33 %/kg KG = 0,8 ml Glucose 25 %/kg KG Ketoazidose Definition - DKA - BG > 200 mg/dl (> 11 mmol/L) Venöser pH < 7, 30 Bicarbonat < 15 mmol/L Glucosurie Ketonurie Ketonämie Pathogenese der DKA Gesteigerte hepatische Glykogenolyse gesteigerte hepatische Glykoneogenese verminderter Glukoseabbau HYPERGLYKÄMIE Gesteigerte periphere Lipolyse gesteigerte hepatische Ketogenese verminderte Ketonverwertung HYPERKETONÄMIE Klinische Befunde - DKA - Polydipsie, Polyurie Gewichtsverlust Leistungsschwäche Exsikkose, trockene Haut und Schleimhäute Übelkeit, Erbrechen Acetongeruch Kussmaulatmung Osmotische Verteilung - ICR und ECR - Gesteigerter osmotischer Gradient durch extrazelluläre Glukose. Wasser shiftet von IC nach EC. Seite 95 Verena Kaiser Pädiatrie - Diabetes Flüssigkeitsverlust renal bedingt ein Schrumpfen beider Kompartments. Insulintherapie 0,1 U/kg/h (damit werden steady state plasma insulin levels von 100-200 μU/ml innerhalb einer Stunde erreicht. Dies reicht aus, um die Insulinresistenz, die Lipolyse und die Ketogenese zu stoppen.) Intravenöse Gabe per Perfusor (grundsätzlich auch I.m. oder s.c. möglich) Flüssigkeitszufuhr - Bei Schock Beginn mit isotoner Flüssigkeit (0,9% NaCl) ∙ 10-20 ml/kg KG über 1 Stunde Berechne Flüssigkeitsbedarf für die nächsten 24 – 48 Stunden ∙ 3%, 5% oder 10% Dehydratation ∙ Bedarf = Verlust + Grundbedarf ∙ 3000 - 5000 ml/m2 für 24 Stunden, davon 2/3 in den ersten 12 Stunden Komplikationen der DKA - Therapie - Hirnödem (Inzidenzrate des Hirnödems: 0,5-1,5%) Elektrolytdefizit: K↓, Na↓, Ca↓ Hypoglykämie Lungenödem ZNS Blutung und Thrombosen Nierenversagen, Rhabdomyolyse Spätkomplikationen Relatives Risiko für diabetische Komplikationen anhand des mittleren HbA1c (DCCT Daten) Screeningmethode – diabetische Retinopathie - Funduskopie in Mydriasis: ∙ Frühstadien der RP werden nicht sicher erkannt Fundusphotographie: sensitivste Methode Fluoreszenzangiopraphie: ∙ Unklare Befunde ∙ Früherkennungsmethode Stadieneinteilung der Retinopathie Stadium Keine Retinopathie Milde nichtproliferative Retinopathie Mäßige nichtproliferative Retinopathie Schwere nichtproliferative Retinopathie (4-21 Regel) Proliferative Retinopathie Verena Kaiser Befund Keine sichtbaren Veränderungen Nur Mikroaneurysmen Mikroaneurysmen und andere Veränderungen, aber weniger als schwere nicht-proliferative DRP Entweder mehr als 20 Blutungen in allen 4 Quadranten oder Perlschnurvenen in 2 Quadranten, oder ausgeprägte IRMA in einem Quadranten Vasoproliferation mit präretinalen Blutungen und/oder Glaskörperblutungen Kontrollen 12 Monate 12 Monate 6 Monate 3 Monate 3 Monate Seite 96 Diabetes Pädiatrie Diabetische Nephropathie Stadien der Nephropathie Nephropathiestadium I. Stadium der Hyperfunktion II. Stadium der klinischen Latenz III. Beginnende Nephropathie (Mikroalbuminurie) IV. Klinisch- manifeste Nephropathie Albuminausscheidung Erhöht Normal Persistierend Serumkreatinin Normal Normal Normal GFR Erhöht Normal bis erhöht Normal bis erhöht Makroalbuminurie Abnehmend V. Niereninsufizienz Makroalbuminurie Im Normbereich ansteigend Erhöht Erniedrigt Neuropathie - Anamnese (zB Young Score) Screeningmethoden Therapie sehr schwierig Therapie der diabetischen Neuropathie - Nur symptomatische Maßnahmen zur Reduzierung der Symptome und Beschwerden Fußpflege und ev Krankengymnastik Bei Schmerzen ∙ Analgetika ∙ Antiepileptika (z. B. Carpamazepin) ∙ Selektive Serotonin - Reuptake – Hemmer ∙ Trizyklische Antidepressiva Diabetes assoziierte Erkrankungen - - Schilddrüsenerkrankungen Zöliakie Psychiatrische Erkrankungen ∙ Eßstörungen ∙ Depressio Limited joint mobility Necrobiosis lipoidica diabeticorum Vitiligo Schilddrüsenerkrankungen - - - Labor: ∙ bTSH, fT4, fT3, ∙ SD-AK: TPO-AK, Tg-AK, ev TRAK Ultraschall ∙ Volumen der SD ∙ Veränderung der Echogenität SD-Szintigraphie bei Knoten im US T1DM und CD Klassische Symptome Symptome des Magen/Darmtrakts Aufgetriebenes Abdomen fehlende Gewichtszunahme/-verlust Misslaunigkeit Wachstumsstörungen Pubertätsstörungen Seite 97 Atypische Symptome Bedingt durch Malabsorption ∙ Sideropenische Anämie ∙ Kleinwuchs ∙ Osteopenie ∙ Steatosis hepatis Unabhängig von Malabsorption ∙ Dentale Enamel Hypoplasie ∙ Ataxie ∙ Alopezie ∙ Erhöhte LFP ∙ Rekurrente Stomatitis aphtosa Verena Kaiser Pädiatrie Diabetes LJM - Limited Joint Mobility - 9-35 % der Kinder und Jugendlichen mit T1DM Abhängig von DD und Stoffwechselkontrolle Schmerzlose Einschränkung der Beweglichkeit in den Gelenken Meist Finger und Hände Positives „prayer sign“ Rate abnehmend durch bessere Stoffwechselkontrolle Necrobiosis lipoidica diabeticorum - Prävalenz bei Kindern mit T1DM: 0,06-10 % Ätiologie unklar Assoziation mit microvaskulären Komplikationen Keine suffiziente Therapie möglich Vitiligo Psychiatrische Erkrankungen - - Essstörungen ∙ V. a. bei Mädchen ∙ Ca. 10% der weibliche Jugendlichen mit T1DM vs. 5% in der Kontrollgruppe (Jones JM et al, BMJ 2000) Depressionen, Verhaltensauffälligkeiten, Angststörungen… ∙ Häufiger bei schlechter metabolischer Einstellung ISPAD guidelines für Screening 2009 Retinopathie Nephropathie Screeningfrequenz Jährlich ab 11. LJ und 2 J DD Ab 9. LJ und 5 J DD Jährlich ab 11. LJ und 2 J DD Ab 9. LJ und 5 J DD Neuropathie unklar Makrovaskuläre Komplikationen Nach dem 12.LJ Verena Kaiser Methode Fundusphotgraphie Ophthalmoskopie Urin Alb/Krea Ratio Morgenurin: Albumin Konzentration Sammelharn Anamnese Klinische Untersuchung Lipidprofil alle 5 J RR jährlich Seite 98 HWI und VUR Pädiatrie 05.12.11 – Crazzolara Harnwegsinfektionen und VUR Fallbeispiel: - - - - - - - - 3 Monate alter Patient: um Mitternacht auf der Ambulanz vorgestellt Schon seit dem Vortag hohe Temperatur Zuhause erbrochen und Durchfall → DD Gastroenteritis Kind weinerlich, kein Blut im Stuhl Leicht reduzierter AZ 6,5kg (eher viel) Pflegezustand gut Rektal 38,7° gemessen (Fieber ab 38,5°) Untersuchung: bis auf Abdomen unauffällig ∙ Darmgräusche regelrecht, Druckschmerz ∙ Haut und Schleimhäute feucht (gute Hydration) Verdachtsdiagnose: akute Gastroenteritis → Vd. auf Dehydratation Stationäre Aufnahme zur Infusionstherapie Labor ∙ CRP 13,5 mg/dl (0-0,7) ∙ Elyte: normal (minimale Hyponatriämie) ∙ Astrup (venös) pH normal CO2 normal (sagt im venösen Blut nicht viel aus) Negativer BE (leicht säuerlich, wahrscheinlich metabolisch) bei normalem Bicarbonat ∙ BB 23 G/l Leukos → Entzündung ∙ DDBB Hoher Anteil an Neutrophilen (14.000 → spricht für bakterielle Entzündung) => wichtig: genauere Untersuchung ∙ Das Kind kann auch eine Meningitis haben (in diesem Alter schwierig klinisch zu diagnostizieren) ∙ Daher wenn alle Untersuchungen negativ: LP Harnstatus ∙ Leukos erhöht ∙ Nitrit positiv ∙ Leicht erhöhte Proteine ∙ Einige wenige Erys => Diagnose steht schon relativ fest: Kind hat wahrscheinlich einen HWI Nach Infusionstherapie 6900g (im Vgl. dazu vorher: 6500g) Kultur eingeschickt: schon nach wenigen Stunden positiver Befund: E.coli mit sehr hoher Keimzahl → kaum Resistenzen Sonographie durchgeführt: Blase ∙ Viele Partikel in der Blase sichtbar: möglicherweise Leukozytenzylinder oder Bakterienakkumulationen ∙ Niere: Nierenbecken stark erweitert, Nierenprenchym noch normal → Hydronephrose Einige Tage später: Miktionszystourethrographie ∙ KM in die Harnblase appliziert → bei VUR steigt das KM auf und füllt das Nierenbecken ∙ KM reicht bis in die Nierenkelche → Refluxgrad III-IV Nach Hause geschickt mit einer Low-Dose-Prophylaxe (AB zur Verhinderung eines weiteren HWI) Kind entwickelte einen weiteren HWI innerhalb weniger Monate → Indikation zur OP Vor der OP noch ein DMSA Scan durchgeführt ∙ Linke Niere etwas größer als rechte, in der linken weniger Anspeicherung als in der Rechten ∙ Beide Nieren zu wenig perfundiert Ureter sehr dysplastisch ∙ Ureter in die Blasenwand eingenäht Durch OP konnte der Reflux nicht therapiert werden Kind wurde auf Eigeninitiative der Eltern ein weiteres Mal an einer anderen Klinik operiert → keine wesentliche Besserung Abwarten → wenn keine Besserung mit der Zeit: ev. weitere OP nötig Seite 99 Verena Kaiser Pädiatrie HWI und VUR Bakteriurie? Kolonie-bildende Einheit (KBE) / ml Mittelstrahlharn Punktionsurin 5 >10 0 >10 Mittelstrahlharn sollte auf der Pädiatrie nicht durchgeführt werden → viele falsch positive Werte Punktionsurin: suprapubisch Harnstix - Cave: auch bei negativem Nitrit im Harnsitx kann eine HWI vorliegen: Staphylokokken, Enterokokken, Candida Cave: Auch bei negativen Leukos im Harnstix kann eine HWI vorliegen ∙ Bei kurzer Verweildauer des Harns in der Blase können Leukos nicht nachgewiesen werden (LeukozytenEsterase-Reaktion muss ablaufen) Zählkammer - Kammer hat seitlich zwei Außenstäbe, mit einem Deckglas bedeckt In der Mitte zwei Felder für 2 Proben ∙ Vorgegebene Tiefe und Größe Cut-off: ≥ 10 Leukos / µl Ein Quadrant hat 50x50µm → auf dieser Fläche können sich in einer Länge 10 Leukos projezieren Im Zytoplasma sind Leukos etwas körniger Mitunter können auch Leukozytenzylinder gesehen werden → Verdacht auf eine Pyelonephritis Auch Bakterien können gesehen werden ∙ E. coli: Stäbchen mit Fimbrien → in der Mikroskopie sichtbar, wie sie sich bewegen Entwicklung der Blasenfunktion - Neugeborenes entleert die Blase etwa 1-2 stündlich = Reflexentleerung ab ca 6. LM: Anstieg des Blasenvolumens und Rückgang der Miktionsfrequenz Etwa ab dem 1.-2. Lj erkennt das Kind, dass die Blase voll ist 3. LJ: Beginn der Miktionskontrolle, tagsüber trocken Mit dem 4. Lj kann das Kind die Blasenfunktion selbst kontrollieren Physiologie der Harnblase - Miktionsfrequenz sinkt mit dem Alter Damit steigt das Harnvolumen Blasenkapazität in ml: 30 + 30x Lebensalter in Jahren Epidemiologie der HWI - Kommen relativ häufig in den ersten Lebensmonaten vor In erster Linie Buben betroffen Bei Mädchen erst ab dem 7. Lebensmonat überwiegende Inzidenz Ursachen - E.coli 70% Proteus und Enterokokken an zweiter Stelle Klebsiellen Pseudomonaden: problematisch v.a. an Kliniken Auf verschiedenen Stationen (Onkologie, Intensiv) nimmt der Anteil an E.coli immer mehr ab → dafür hoher Anteil an Pseudomonas aeruginosa (diese Patienten sind schon oft mit AB vorbehandelt und können dadurch Resistenzen entwickeln) Anamnese und Klinik Verena Kaiser Seite 100 HWI und VUR - - Pädiatrie DD: normaler oder komplizierter HWI BSG selten gemacht, mehr CRP ∙ Unterer HWI hat selten ein erhöhtes CRP ∙ Bei hohem CRP: Wahrscheinlichkeit einer Pyelonephritis oder Urosepsis Leukos mit Linksverschiebung ∙ Bei oberem HWI vorhanden, bei unterem nicht Leukozytenzylinder im Urin ∙ Beweisend für einen oberen HWI CAVE: ∙ Unterer HWI ~ Zystitis ∙ Oberer HWI ~ Pyelonephritis Therapie - Bei Säuglingen gibt man gerne 2 AB, weil diese häufig mit einer Pyelonephritis oder Urosepsis einhergehen (außerdem Resistenzen möglich) In erster Linie Cephalosporine Kleine Kinder werden immer stationär aufgenommen Bei kleinen Kindern wird eine i.v. Therapie bevorzugt Bei ambulanter Therapie: Thrimetoprim oder andere Cephalosporine Resistenzen - Sehr hohe Resistenzlage gegen Aminopenicilline Auch Trimethoprim zeigt auf onkologischen Stationen hohe Resistenzen (weil dort alle Patienten zur Pneumocystis-Prophylaxe ein TRP bekommen) – im ambulanten Bereich kaum Resistenzen Gentamicin: kaum Resistenzen Cepohalosporine: sehr gute Medikamente Uronephrologische Anomalien - Vesikoureteraler Reflux ∙ Relativ häufig „Doppelniere“ Hufeisenniere Nierenhypoplasie (einseitig) Einseitige Nierenagenesie Obstruktive Uropathie Urethralklappe Multizystische Dyspl. Niere (MCDK) Seite 101 1:10 - 1:100 1:20 - 1:125 1:400-1:500 1:500 1:1000 1:500-1:1000 1:800-1:25,000 1:4300 Verena Kaiser Pädiatrie HWI und VUR Einteilung des VUR - Grad IV: weit dilatierter Ureter, KM bis zu den Nierenkelchen Grad V: ebenso weit dilatierter Ureter, der weit geschlängelt ist → aber schon abgeflachte Nierenkelche Spontaner Rückgang ist möglich Miktionszystouretrographie soll erst ca. 5 Wochen nach Therapie durchgeführt werden Low-Dose-Prophylaxe: Trimethoprim in Kombination mit Sulfamethoxazol → niedrige Dosierung Algorithmus: - 2-24 MO FUO → Harngewinnung (steril!) → Urin auf Leuko/Nitrit + → Kultur + Therapie initial i.v. → Nieren-Sono → MCUG Verena Kaiser Seite 102 Klinische Genetik Pädiatrie 06.12.11 – Steichen-Gersdorf Einführung in die Klinische Genetik Überblick - - Chromosomale Anomalien ∙ numerisch ∙ strukturell Mikrodeletionen/Duplikationen Monogene Erkrankungen Epigenetische Erkrankungen ∙ Beckwith Widemann S., Silver Russel S. Chromosomenstörungen 1. 2. Numerisch (Trisomie, Monosomie, Mosaik) Strukturell Karyogramm (klassisch) Strukturelle Chromosomenanomalien Trisomie 21, Down Syndrom - Epicantus, mongoloide Lidachsenstellung, rel. Makroglossie, 4- Fingerfurche Herzfehler (AV-Kanal), Hypotonie, überstreckbare Gelenke, geistige Retardierung - Hypotonie, floppy infant Epicanthus Brachycephalie rel. Makroglossie 4- Finger Furche Sandalenfurche Ursachen - non-disjunction (70% in der maternalen Meiose I) Risiko steigt mit mütterlichem Alter Alter (Jahre) Risiko Seite 103 20 1/1500 30 1/900 36 1/300 40 1/100 45 1/30 Verena Kaiser Pädiatrie Klinische Genetik Trisomie 18- kongenitale Fehlbildungen - angeborener Herzfehler ∙ VSD, PDA, dysplastische Pulmonalklappe Gastrointestinal ∙ Duodenalatresie, Analatresie, Zwerchfellhernie, Ösophagusatresie Extremitäten ∙ Polydactylie, Arthrogrypose, Fibulaaplasie, Radiusaplasie, Handdeformität Kopf, Cerebrum ∙ Microcephalie, Hydrocephalie Auge ∙ Microphthalmie, Synechien der Augenlider, Hornhauttrübung Omphalocele Genitale ∙ Hypospadie, Hypoplast. Scrotum, Kryptorchismus ∙ Hypoplasie der gr. Labien Dolichocephalie mit prominentem Occiput Hypoplasia of the clitoris and labia minora Rockerbottom feet Dorsiflexed, short halluces Trisomy 18 like flexed fingers (Kontrakturen der Finger) Trisomie 18: meist letal (entweder intrauterin oder innerhalb von 100 Tagen) Trisomie 13 (Patau) - Mikocephalie Mikrophthalmie tiefsitzende Dysplast. Ohren, Hörstörung LKG-Spalte Polydactylie Skalp Defekte Prominente Fersen letal, Tod im 1. Lj Verena Kaiser Seite 104 Klinische Genetik Pädiatrie Mosaik Incontinentia pigmenti Pigmentveränderungen im Rahmen von genetischen Erkrankugen deuten meistens auf ein Mosaik hin (v.a. Pigmentstörungen, die den Blaschke’schen Linien folgen Dysmorphiezeichen-Ohr - Tiefsitzende Ohren ∙ Meatus akusticus externus – Lidachse Posterior rotierte Ohren Systematik - Ohr Dysmorphologie – Ohr Crumpled ear Overfolded helix Creases in lobe Absent lobe Cupped ear Absent crus helicis Mikrotie Definition Lippe Dysmorphologie der Lippe fehlender Amorsbogen Seite 105 accentuierter Amorsbogen Verena Kaiser Pädiatrie Klinische Genetik flaches Philtrum,dünnes Lippenrot zeltförmiges Lippenrot evertierte Unterlippe dickes Lippenrot Strukturelle Chromosomenanomalien Patient mit multiplen Diagnosen - Diagnose: ∙ Kleinwuchs – partieller HGH-Mangel (Genotropin seit 01/03) ICD-10: E 34.3 ∙ Symptomatische Epilepsie ICD-10: R 56.8 ∙ Hyperkinetische Störung ICD-10: F 90.9 ∙ Mentale Retardierung ICD-10: R 62.9 ∙ Hydrocephalus internus ICD-10: G 91.9 ∙ Strabismus ICD-10: H 50.0 ∙ Selektiver IgA-Mangel Wachstumskurve unter HCG-Therapie - Epilepsie mit tonisch-klonischen Anfällen (Valproinsäure) MRI- erweiterte Seitenventrikel, keine Hirndruckzeichen Mentale Retardierung: Sprache einfach, braucht Unterstützung im Alltag Verhaltensauffälligkeiten: aggressives Verhalten mit Wutausbrüchen, Selbstverletzungen und Verletzungen von Betreuungspersonen Massive fam. und psychosoziale Problematik, keine Betreuungstelle, Sonderschule abgebrochen Schlafstörung: Tagesmüdigkeit, Frühaufsteher Verminderte Schmerzwahrnehmung Enuresis ist immer noch ein Problem, prim. Enkopresis bis 10.Lj - 13 Jahre flaches Mittelgesicht tiefsitzende Augen breite Nasenwurzel prominentes Kinn tiefsitzende nach hinten rotierte Ohren Brachycephalie M- förmiges Philtrum Chromosomen : 46, XY normal FISH: Microdeletion 17p11.2 Dg.: Smith- Magenis Syndrom - Verena Kaiser Seite 106 Klinische Genetik - Pädiatrie RAI1- Gen – retinoic induced Gene – Transkriptionskontrolle zirkadian gestörte Melatoninausschüttung Therapie: Melatonin und ß-Blocker Gropman AL, Duncan WC, Smith ACM. Neurologic and developmental features of the Smith-Magenis syndrome (del 17p11.2). Pediatr Neurol 2006;34:337-350. Smith Magenis Syndrom - Del 17p11.2 Häufigkeit 1/25000 Diagnose mittels FISH Brachycephalie, Mittelgesichtshypoplasie, prominente Stirn Mentale Retardierung, verzögerte Sprachentwicklung (expressiv), Kleinwuchs (P5-10), Skoliose Schlafstörung, Verhaltensauffälligkeiten, Selbstverletzung, Stereotypien, Wutausbrüche, Impulsivität Exzellentes Langzeitgesdächtnis Affinität für elektronische Geräte SMS, Skoliose, keine Sprachentwicklung, Gebärdensprache, Hyperthyreotropinämie, M- förmiger Amorsbogen Schlaf-Wachrhythmus bei SMS - inverse Melatoninsekretion Wolf-Hirschhorn Syndrom 4p- (4p15) - IUGR „greek warrior helmet“ ASD, VSD, PDA Gaumenspalte Epilepsie schwerer EWR Seite 107 Verena Kaiser Pädiatrie Klinische Genetik Epileptic activity 80% der Kinder entwickeln eine Epilepsie Kryptische Chromosomenanomalien contiguous gene syndromes - FISH Subtelomeren FISH array CGH - comparative genomic hybridisation MLPA del 22q11.2 Syndrome (DiGeorge/Velocardiofacial Syndrome) - Ansteigende Lidachsen schmaler Nasenrücken, bulböse Nasenspitze kleiner Mund lange Finger Aussehen sehr uncharakteristisch - TBX1-Gen spielt zentrale Rolle (Embrionalentwicklung-Gaumen, cardialer Ausflusstrakt, Schilddrüse) Symptome - conotrunkale Vitien (Fallot, outlet VSD, AV-Kanal) mediane Gaumenspalte Veluminsuffizienz Immundefekt (Thymus, T-Zell) Schilddrüsenhypoplasie Rez. Otitis media psychische, psychiatrische Erkrankungen Imprintingstörung als Ursache von Krankheiten, Epigenetik - Beckwith-Wiedemann Syndrom (BWS) Hochwuchs, Makrosomie Silver Russel Syndrom (SRS) Kleinwuchs → Kritische Region Chr.11p15 → BWS - Hypermethylation → SRS – Hypomethylation ICR1, UPD7 BWS - Makrosomie GG > P 97 Makroglossie Omphalocele Organomegalie (Leber, Niere, Pankreas) Hypoglykämie in der Neugebornenperiode Tumorrisiko-Screening (Hepatoblastom-!-FP, Wilms Tumor) ∙ Risiko in den ersten 9 Lebensjahren sehr hoch: v.a. Nierentumore Verena Kaiser Seite 108 Klinische Genetik Pädiatrie Was ist neu? -> Computerunterstützte Techniken Array CGH - Submikroskopische Deletionen am Chr.3, 5,18 10-20% bei Patienten mit EWR Methode der Zukunft Oligonucleotide Microarray – Technologie, Chip-Technologie - Next generation sequencing Pardigmenwechsel ? - Phenotype first Genotype first z.b. Del 16p11.2 Syndrom Patient mit normaler Chromosomenanalyse - mentale Retardierung kongenitaler Herzfehler (Pulmonalstenose, VSD) „dysmorph“ Familienanamnese: ∙ Eltern gesund, Schwester postpartum verstorben- Zwerchfellhernie, Vitium → Kryptische Chromosomenaberrationen - 46,XY,der(10)t(10;15)(p15.3;q26.1) partielle Trisomie 15q, kl. Monosomie 10p Patientin /Anamnese - unauff. SS, Geburt mit 39/2 Wochen; NSA-pH 7,24; GG 2610 (P25) g; L 49 cm; KU 32 cm (P3), Agpar-Score: 9/10/10 „Looks chromosomal“ - prominente Glabella relative Microcephalie corpus callosum Agenesie Vermis cerebelli Hypoplasie flat flache Nasenwurzel Micro-/Retrognathie gespaltene Uvula Analatresie, perineale Fistel Trinkschwäche Monogene Erbkrankheiten Mendelian disorders (20.000-30.000 Gene) - Autosomal dominant Autosomal rezessiv X-chromosomal Signalpathways - Noonan Syndrom Cardiofacio-cutanes Syndrom Costello Syndrom → Überlappende Phänotypen Seite 109 Verena Kaiser Pädiatrie Klinische Genetik Noonan Syndrom - Inzidenz 1:1000- 1:2500 Kleinwuchs- postnatal Hypertelorismus, antimongoloide Lidachsen, Ptose, tief sitzende Ohren Cardial: valv. Pulmonalstenose, hypertrophe Cardiomyopathie Trichterbrust Kryptorchismus 80% Fehlbildungen des Urogenitalsystems 10% Blutungsrisiko: Faktor VIII, XI, XII Defizienz bei OP – mit Blutungsrisko rechnen! Myeloproliferative Erkrankungen: MPD, JMML selten - Kleinwuchs (postnatal) „Trichterbrust“ Pectus carinatum Pectus excavatum Skoliose 15% - Grobe Gesichtszüge antimongoloide Lidachsen, Ptose „fleischige“ Ohrläppchen, tiefsitzende Ohren Ulerythema ophryogenes, lateral fehlende Augenbrauen milde valv. Pulmonalstenose CFC - „Noonan Stigmata“ – Übergänge zum Costello Syndrom Kleinwuchs ektodermale Störungen Pulmonalstenose Entwicklungsverzögerung Costello Syndrom (CS) - grobe Gesichtszüge weiche, laxe Haut, tiefe Hand-und Fußlinien Hyperpigmentierung Papillome Mentale Retardierung – mild bis schwer Tumorrisiko 15-20% (Tumorscreening) Genetik (Keimbahnmutationen im RAS-RAF-MAPK-Pathway) - Noonan Syndrom ∙ Mutationen: PTPN11 (SHP-2), KRAS, SOS1 CFC ∙ Mutationen : BRAF (47%), MAP2K1, (MEK1), MAPK2 (MEK2) Costello Syndrom ∙ Mutationen: HRAS (90,3%), KRAS (6,5%) - paternales Alleel Literatur: Sitzmann MLP, für Interessierte: Clinical Genetics (Read, Donnai 2007) Verena Kaiser Seite 110 Nephrot. Syndrom und HUS Pädiatrie 07.12.11 – Crazzolara Nephrotisches Syndrom und HUS Fallbericht 13.11.11: 2-jähriges Mädchen, hat ein generalisiertes Ödem, seit Montag Otitis media bds.: deshalb Clavamox verabreicht (HA) Keine wesentlichen Vorerkrankungen, keine Nierenerkrankungen in der Familie bekannt Schwangerschaft und Entwicklung unauffällig + ++ Labor: Gesamtprotein deutlich erniedrigt (4,46g/dl), Na erniedrigt, Ca erniedrigt, Cholestein und TG erhöht → Körper versucht die Flüssigkeitsverschiebung durch Lipide auszugleichen ASTRUP: neg. BE (-1,9) bei normalem pH Harngewinnung: Protein deutlich erhöht (≥5000 mg/l), Leukos minimal erhöht, wenige Erys vorhanden, Nitrit negativ, Glucose normal (Schnelltest) Quantitatives Eiweiß im Harn: 2,9g/l -> v.a. Albumin erhöht (beim nephrotischen Syndrom ist die Glomerulummembran defekt, sodass die großen Albuminmoleküle durchtreten können) Sono: Flüssigkeit im Abdomen (Aszites), deutliche Flüssigkeitsansammlung von 2-3cm Nieren: rechte Niere hat eine normale Länge, linke Niere ebenso unauffällig Therapie und weiterer Verlauf: K. wurde am 13.11.11 wegen zunehmender Ödeme in der Ambulanz vorstellig. Weiters zeigten sich eine ausgeprägte Proteinurie mit einem Protein quantitativ/Crea von > 5000mg/g, eine Hypoalbuminämie von 823mg/dl, ein erniedrigtes Gesamteiweiß und ein erniedrigtes IgG, passend zum nephrotischen Syndrom. Unter Aprednisolon 60mg/m2/d KÖF sowie strenge Bilanzierung zeigte sich eine rasche Besserung der Symptome mit schnell rückläufige Ödemen, bei allerdings persistierender Proteinurie. Die Eltern sind darüber aufgeklärt, dass sich die Symptome wieder verschlechtern können und auch, dass sich bei einem erneuten Infekt wieder ein Schub einstellen kann. Aus diesem Grund wurde den Eltern ein Umgang mit Harnsticks gezeigt und sie werden selbstständig Harnkontrollen durchführen. Vorerst soll die Bilanz weitergeführt werden. Zudem ist eine salzarme Diät empfehlenswert, damit die Restödeme besser ausgeschieden werden können. Aprednisolon 25mg-5mg-5mg für insgesamt 6 Wochen dann Reduktion auf 40mg/m2/d Pantoloc 20mg 1-0-0 NaCl NT mehrmals tägl. solange die Rhinitis besteht. Kontrolle 24.11.11.15.15 Uhr in der nephrologischen Ambulanz - Aprednisolon für insgesamt 6 Wochen Strenge Bilanzierung Rasche Besserung der Symptome mit allerdings zu Beginn noch bestehender Protienurie, Eltern werden aufgeklärt, dass sich die Symptome in den nächsten Wochen verschlechtern können → Harnprotein sollte regelmäßig überprüft werden (Harnstix können Protein ab 30 mg/dl nachweisen) Unter Cortisontherapie kommt es innerhalb von 10 Tagen zu einer Normalisierung Nephrotisches Syndrom Erstbeschreibung „Das Kind könnte geheilt werden durch dieses Mittel: nimm die Spitzen von Holunder und Zwergholunder. Koche beides in Weiswein und packe das Kind damit ein in heiße Wickel. Das wird es heilen.“ Zwinger Theodor (1722) Paedojatreja practica Cornelius Roelans (1484) Liber de aegritutinibus infantium Definition: - Symptomenkomplex aus Ödemen, Proteinurie und einer zugrundeliegenden Nierenerkrankung Seite 111 Verena Kaiser Pädiatrie Nephrot. Syndrom und HUS Definition: „Symptomenkomplex“ Verena Kaiser Seite 112 Nephrot. Syndrom und HUS Pädiatrie Formen des Nephr. Syndroms Einteilung des Nephr. Syndroms Syndrom Kongenital Infantil SSNS (+- Rezidive) = steroidsensibles NS SRNS =steroidresistentes NS Rezidiv Sekundär Definition 0.-3. LM 4.-12. LM Urineiweißfrei unter Cortison Nicht urineiweißfrei unter Cortison Albumin ≥ 2+ an 3 folgenden Tagen im Morgenurin, Proteinurie >40mg/m²/h z.B. Purpura Schönlein-Hennoch Steroidsensibles Nephr. Syndrom Mortalitätsrate: 1950 70% 1970 25% + Glucocorticoide/Antibiotika 1990 <3% + standardisierte Protokolle APN Schema: Dauer 6 Wochen, Prednison (mg/m² KOF/d) 60 (max 80mg) in 3 ED, Gefolgt von: Dauer 6 Wochen, Prednison (mg/m² KOF/d) 40 in 1 ED morgens Rezidive ? Verlauf: 10-20% sind in Dauerremission ~30% wiederholt Rezidive APN Schema Dauer Bis Urineiweißfreiheit an 3 aufeinander folgenden Tagen Prednison (mg/m² KOF/d) 60 (max 80mg) in 3 ED Gefolgt von Dauer 4 Wochen Prednison (mg/m² KOF/d) 40 in 1 ED morgens Alternative Behandlungen Wirkstoff Levamisol Cyclophosphamid Cyclosporin Mycophenolatmofetil Tacrolimus CD20 Dosis 2,5 mg/kg KG 2 mg/kg KG 5 mg/kg KG in 2 ED 1000 mg/m² KöF in 2 ED .... .... Dauer jeden 2.Tag 6 Monate tgl. 8-12 Wochen 1 Jahr 1 Jahr Kombination ± GC ± GC Formen des nephrotischen Syndroms - Sekundär ∙ Im Rahmen des HUS Seite 113 Verena Kaiser Pädiatrie - Nephrot. Syndrom und HUS Primär Infektiös Tumorassoziiert Systemerkrankung Familiäre Formen ∙ Alport Syndrom Primäre idiopathische nephrotische Syndrome Nach der Histologie einteilbar - Minimal change nephritis ist die häufigste im Kindesalter ∙ Spricht sehr gut auf Cortision an FSGS MesPGN ohne IgA-Ablagerung IgA-GN MPGN Typ I–III MGN Minimal change nephritis: - Hilfreich: Elmi: Podozyten sind etwas aufgetrieben Fokal sklerosierende Glomerulosklerose - Viele Bindegewebszellen im Mesangium Sekundär genetische Formen - Mesangiale Sklerose bei angeborenen SRNS, z.B. Nephrinnephrose FSGS bei Podocinnephrose, Schminke-Krankheit Familäre IgA-GN MPGN Typ I-III Familäre MGN Alport-Syndrom Primäre Amyloidose Sekundäre Nephr. Syndrome - Tumore Adipositas, zyanotischen Herzfehlern ohne und mit IgA-Ablagerungen Toxine, Infektionen, Autoimmunopathien Amyloidose Diabetes mellitus HUS – hämolytisch urämisches Syndrom - Mikroangiopathische hämolytische Anämie Thrombozytopenie Akutes Nierenversagen Grundsätzlich in 2 Formen unterteilbar - - Typisches HUS: 90% ∙ = D+, weil immer im Prodromalstadium mit blutiger Diarrhoe einhergehend ∙ Infektion mit Shigatoxin (enterohämorrhagische E.coli) ∙ Gerinnung aktiviert, kleine Thromben bilden sich im Glomerulus → geht mit einer Thrombozytopenie einher → kann bis zum akuten Nierenversagen führen Atypisches HUS: 10% ∙ Vermehrte Komplementaktivierung, Komplementfaktormangel ∙ Hat nichts mit Shigatoxin zu tun ∙ Evtl. genetische Prädisposition Pathophysiologie Shiga Toxin bindet an Rezeptoren des glomerulären Endothels, was zur Apoptose führt. Durch die darauf folgenden Gerinnungsprozesse werden Blutgerinnsel eingeschwemmt, die zum Verschluss der glomerulären Mikrokapillare führen. Therapie - Prävention: Infektion mit EHEC vermeiden ∙ Kinder bis zum 5. Lebensjahr sollten nur pasteurisierte Milch trinken Verena Kaiser Seite 114 Nephrot. Syndrom und HUS - Pädiatrie ∙ In jedem 10. Rind finden sich EHEC-Bakterien Spezifische Therapie nicht sinnvoll/stark umstritten ∙ Bei Antibiotikagabe kann es vorübergehend zu einer vermehrten Ausschüttung von Shigatoxin kommen Symptomatische Therapie ∙ Anämie präsentiert sich zu Beginn sehr akut → schneller Abfall des Hb muss kontrolliert werden Frischbluttransfusion: vorsichtig, langsam bis zu einem Hb von 7 oder 8 ∙ Thrombozytopenie Evtl auch Substitution nötig ∙ Flüssigkeit Sparsam: intravasales Volumen kann erhöht sein ∙ Elektrolyte K kann erhöht sein (durch verminderte Filtration und akute Hämolyse) ∙ Akutes Nierenversagen Peritonealdialyse: auch sehr effizient bei Gerinnungsfaktoren Hämodialyse gut, um Shigatoxin zu entfernen ∙ Hypertension ∙ Neurologische Dysfunktion Großes Problem Im Rahmen der akuten Thrombozytopenie können die Patienten intracerebral bluten Außerdem können die Patienten krampfen → Benzos verabreichen Seite 115 Verena Kaiser Pädiatrie Neugeborenenuntersuchung 12.12.11 – Kiechl Neugeborenenuntersuchung Anamnese Anamnese Schwangerschaft: - regelm. Medikamente, Nikotin, Alkohol, Drogen, frühere Schwangerschaften, Konzeptionsmodus, Familienanamnese, Sozialanamnese relevante Erkrankungen, pränataler Ultraschall, Serologie, Infektionen, Streptokokken B (GBS) Abstrich, wenn positiv Antibiose?, Verlauf (Blutungen, Frühgeburtsbestrebungen, ....), Anamnese Schwangerschaft Frühgeborene - wichtig: Hinweis für Infektion (häufiger Grund für Frühgeburtlichkeit), vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitiger Blasensprung (>24h), vaginale Blutung, Lungenreife abgeschlossen? Medikamente: Antibiotika, Wehenhemmer, Blutdruckmittel Geburt: - Gestationsalter (Termingeburt oder nicht), Verlauf (spontan, Vacuum, Sectio), Geburtsgewicht, Länge, Kopfumfang (immer mit der Percentile angegeben), APGAR (subjektive Beurteilung des Neugeborenen nach der Geburt), Versorgung nach Geburt Beurteilung der Vitalität - - APGAR Punkte 0 1 2 Herzfrequenz 0 <100/min >100/min Atmung Keine Langsam, unregelmäßig Gut, schreien Muskeltonus Schlaff Gebeugte Extremitäten Gute Bewegung Reflexe Keine Grimasse Husten, niesen Hautfarbe Blass, blau Zentral rosig, Extremitäten blau Rosige Hände und Füße Meistens haben auch gesunde Neugeborene einen Abzug im Bereich des Hautkolorits -→ kein pathologischer Wert zusätzliches objektives Kriterium: Nabelarterien-pH, Normalwerte (7.12-7.42 → wenn niedriger: Sauerstoffschuld vor oder während der Geburt) APGAR - - Vitalitätsindex zur postnatalen Beurteilung von reifen Neugeborenen; APGAR-Wert: Summe der Punkte der einzelnen Kriterien, bestimmt nach 1, 5 und 10 Min. postnatal; APGAR nach 1 min. beschreibt den Zustand des Kindes unmittelbar nach Geburt; (häufig nach einer Minute nur ein Punkt bei der Hautfarbe → weil die meisten Neugeborenen ein paar Minuten brauchen, bis sie gleichmäßig rosige Haut aufweisen) APGAR nach 5 und 10 min. korrelieren am ehesten mit der Prognose des Kindes nach Komplikationen während Geburt. APGAR nach 5 min.: ∙ 9-10: kein Handlungsbedarf ∙ 7-8: Beobachtung ∙ 5-6: Intervention, z.B. Stimulation, Atemunterstützung ∙ 0-4: Reanimationsmaßnahmen Haut - Kolorit: ∙ Blässe, Zyanose, Rötung, blassgraues Kolorit (z.B. Infektion), Ikterus ∙ Z.B. periorale Zyanose, livide Verfärbung des Bauches: akutes Abdomen beim Neugeborenen ∙ Akrozyanose bei vitalem Kind unmittelbar nach der Geburt: hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese nach 5 min nicht mehr vorhanden ist Verena Kaiser Seite 116 Neugeborenenuntersuchung Pädiatrie - Effloreszenzen: ∙ Exanthem, Petechien, Dermatitis (z.B. Windelbereich), Naevi, Mongolenfleck, Hämangiome ∙ Hämangiome: wie Schwamm → zusammendrückbar, rot (im Gesicht und am Kopf müssen Hämangiome therapiert werden: Steroid und Lasertherapie) ▪ Hellrot, protuberant und zusammendrückbar ∙ Mongolenfleck: im Bereich des Sacrums, meist exakt in der Mitte lokalisiert → harmlos ▪ V.a. bei Babies mit dunklerem Hautkolorit - Integrität: ∙ Hautverletzungen, Wunden (z.B. oberflächliche Verletzungen im Rahmen einer Sectio) - Turgor: ∙ Ödeme, herabgesetzter Turgor (ev. Dehydratation: zufüttern oder Infusion) Erythema toxicum (Neugeborenenexanthem): - häufig Klinik: ∙ ∙ - unregelmäßig begrenzte erythematöse Makulae, z.T. mit zentraler gelblicher Papel, Lokalisation hauptsächlich Stamm keine besondere Konsequenz Therapie: ∙ keine, Rückbildung meist innerhalb weniger Tage (wenn sehr ausgeprägt: ev. Staphs → Papel anritzen, auf Objektträger: beim Neugeborenenexanthem viele Eosinophile) Kopf - Caput succedaneum – „Geburtsgeschwulst“: zwischen Galea aponeurotica und Periost, überschreitet die Grenzen der Schädelnähte; durch Blut- und Lymphstauung → meist temporal lokalisiert ∙ Innerhalb weniger Tage Rückbildung - Kephalhämatom: unter dem Periost lokalisiert, überschreitet Schädelnähte nicht; durch Abscherung des äußeren Periosts oder der Galea aponeurotica unter der Geburt ∙ Resorption dauert meist länger → nicht therapiert: dokumentieren! und Eltern aufklären - Vakuummarke: erste 1-2 Tage nach der Geburt sichtbar - Fontanelle: ∙ Größe, Niveau (unter oder über Niveau), Tension ∙ Asymmetrie: Liegeschädel, Fehlbildungen ∙ Große Fontanelle offen bis ca. 10-18 Monate ∙ Kann beim Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt sehr klein sein (Knochen beim Geburtsvorgang zusammengedrückt) Gesicht - - Augen: Konjunktiven, Skleren, Ohren: Ohrform, Ohrposition Nase Mund: Ausschluss Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Zungenbändchen, Zunge (Soor) ∙ Wichtig: mit sterilem Finger in den Mund tasten → nur so kann eine isolierte Gaumenspalte erkannt werden Hals: Halszysten, Pterygium colli, Torticollis (Schiefhals → z.B. Blutung M. sternocleidomastoideus), Klaviculafraktur (v.a. bei großem Geburtsgewicht) ∙ Klavikulafraktur sehr gut klinisch diagnostizierbar ∙ Moro-Reaktion meist schmerzbedingt gehemmt → einseitiger Ausfall der Moro-Reaktion Herz/Kreislauf - - Herzfrequenz (>100/Min.), Herzauskultation (schwierig Herzgeräusche zu differenzieren, weil Frequenz sehr hoch → daher in der Regel bei bleibendem Herzgeräusch Echo), ∙ Am ersten Lebenstag kann oft noch ein offener Ductus oder ein offenes Foramen ovale ein Geräusch produzieren: wichtig. Am nächsten Tag noch einmal untersuchen (hat sich bis dahin meist zurückgebildet Femoralispulse (sehr wichtig: weil durch fehlende Femoralispulse der Verdacht auf eine Aortenisthmusstenose vorliegt → Echo zur Abklärung!!!), periphere Füllung Seite 117 Verena Kaiser Pädiatrie Neugeborenenuntersuchung Atmung - Atemfrequenz (40-60/Min.), Lungenauskultation (seitengleich belüftet?) Die Diagnose eines Atemnotsyndroms kann klinisch gestellt werden! → Einziehungen, Stöhnen, Nasenflügeln Abdomen - Inspektion: Hernien (Leist, Nabel), Zustand des Nabels (gerötet?, Nabelschnurrest bland?), Palpation: Bauchdecken weich, Lebergröße (-3,5cm), Milzgröße (1-2cm), Resistenzen ∙ Palpation von Leber und Milz beim Neugeborenen nicht pathologisch Auskultation: Peristaltik Genitale - Testes deszendiert, Hypospadie bzw. Epispadie, Schwellung des Hodens (meist Hydrocele, selten Torsion → Torsion: livide verfärbt) Klitorishypertrophie (bei Frühgeborenen nicht unbedingt pathologisch) Anus (Analatresie = Ileus → Baby darf nicht gefüttert werden; Operation) Extremitäten - - Fehlbildungen, 4-Fingerfurche (Hinweis auf Trisomie 21, aber nicht bestätigend), Fehlstellung oder Fehlhaltung der Füße (Hakenfuß, Klumpfuß, Pes adductus), Steißgrübchen oder –fistel (kann Hinweis auf das Vorliegen einer Rückenmarksschlussstörung sein) Klumpfüße: Gipsversorgung so bald wie möglich Neurologie - Vigilanz: neurologische Untersuchung am besten bei ruhigem Wachsein Muskeltonus: hyperton, hypoton Spontanmotorik: Bewegungen beobachten, Asymmetrie, Körperhaltung, grobe Kraft Reflexe: - Primärreflexe: Suchreflex (bestreichen der Wange → Mund zur entsprechenden Seite gedreht), Saugreflex, Schluckreflex, palmarer und plantarer Greifreflex - Primärreaktion: Moro-Reaktion (Abduktion und Extension der Arme nach plötzlichem Absenken des Kopfes oder des ganzen Körpers Plexusparese - C5 und C6 = obere Plexuslähmung (Erb-Duchenne) ∙ Schwäche M. deltoideus, infraspinatus (hptsl. C5) und Biceps (C6) ∙ Oberarm ist abduziert und nach innen rotiert - C7 bis Th1 = untere Plexuslähmung (Klumpke); meist mit oberer Plexuslähmung kombiniert ∙ Handgelenk und Finger können nicht bewegt werden, Greifreflex fehlt „Pfötchenstellung“; ∙ bei Beteiligung des R. communicans d. Sympathikus zusätzlich Horner-Symptomatik - Auslöser: meist Ziehen während der Geburt → meist nur Zerrung, kein Abriss des Plexus Neugeborenenscores zur Reifebeurteilung Ballard-Score: - neuromuskuläre und physikalische Reifezeichen zur Bestimmung des Gestationsalters, besonders bei Frühgeborenen bei unklarem Geburtstermin - körperliche Reifezeichen ∙ Haut: beim Frühgeborenen sehr transparent ∙ Lanugobehaarung bei Frühgeborenen noch vorhanden ∙ Furchen an der Fußsohle beim Termingeborenen (auch Handinnenflächen) ∙ Ohrknorpel entwickelt sich auch erst am Ende der Gestation - neurologische Zeichen: Frühgeborene haben noch keinen starken Tonus (Arme hängend) Untersuchungen gesundes NG - Blutgruppe (aus Nabelschnur), direkter Coombstest; Stoffwechselscreening (PKU, Hypothyreose, adrenogenitales Syndrom) Otoakustische Emissionen (OAE) Hüftultraschall (Hüftkopf in der Pfanne) Verena Kaiser Seite 118 Neugeborenenuntersuchung - Pädiatrie Dokumentation ∙ 1. Stuhl (Mekonium), 1. Harn ∙ Konakion (Vitamin K) 2mg 1. und 2. Gabe ∙ während des stat. Aufenthaltes tgl. Körpergewicht (physiologisch Gewichtsverlust an ersten Tagen postnatal), Messung Bilirubin Zusammenfassung - Bei der Neugeborenuntersuchung stehen die Vitalität des Babies (Erstuntersuchung), geburtstraumatische Läsionen sowie angeborene Fehlbildungen im Vordergrund. 13.12.11 Neurologischer Neugeborenenstatus Komplexer neurologischer Status - Beurteilung der Vigilanz Untersuchung der Hirnnerven Motorische Untersuchung Primäre Neugeborenenreflexe Sensorische Untersuchung Beurteilung der Vigilanz Zustand 1 2 3 4 5 - Augen offen + + +/- Atmung regulär + + - Bewegungen +/+ + Sprache + 1 und 2: ruhiger und aktiver Schlaf 3, 4, 5: Wachheitszustände Wachheitszustand hängt von der Umgebung, dem Zeitpunkt der letzten Fütterung und von der Gestation ab (bei Frühgeborenen kann der Wachheitszustand noch nicht beurteilt werden) Neurologische Untersuchung am besten bei ruhigem Wachsein Motorik Muskeltonus: hyperton, hypoton Spontanmotorik: Bewegungen beobachten, Asymmetrie, Körperhaltung, grobe Kraft Reflex Reflextyp Greifreflex Suchreflex Saugreflex Schluckreflex Schreitreaktion Glabella Galantreaktion Babinskireflex Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Labyrith-Stellreflex Motorik Umgreift Finger bei Kontakt plantar und palmar Streichen Wange führt zu Suchreaktion Mund Finger an Mund/Lippe führt zu Saugbewegungen Bein auf Unterlage gedrückt, Gegenseite angewinkelt und umgekehrt Augenschluss bei Druck auf Stirnmitte Biegung der Wirbelsäule in Richtung der gestrichenen Seite Dorsalflexion große Zehe nach Bestreichen lateral Fussrand Drehen des Kopfes nach links: Streckung linker Arm und Bein, Anwinkelung Gegenseite Bauchlage führt zu Ausrichtung des Kopfes im Raum Primärreaktion: Moro-Reaktion (Abduktion und Extension der Arme nach Absenken des Kopfes oder des ganzen Körpers) Seite 119 Verena Kaiser Pädiatrie Neugeborenenuntersuchung Untersuchung der Hirnnerven - - Riechen Vision Pupillen Augenbewegungen Sensibilität Gesicht Motilität Gesicht Hören Saugen und Schlucken ∙ Muss erst reifen → daher bei Frühgeborenen zu Beginn immer Magensonde (ab 32 Wochen können Neugeborene ungehindert saugen und schlucken) Funktion des M. sternocleidomastoideus Funktion Zunge Geschmack Riechen (I) Nur selten beim Neugeborenen untersucht, olfaktorische Unterscheidung ist aber schon im Neugeborenenalter möglich (Kinder reagieren z.B. auf Muttermilch der eigenen Mutter mit Zuwendung, anders auf andere Substanzen) Sehen (II) Reifung mit zunehmender Gestation - GA 26 Wochen: blinzeln auf Lichtreiz GA 32 schließen die Augen auf Lichtreiz GA 32 Fixation (z.B. roter Ball verwendet) GA 40 Fixation und Augenfolgebewegungen gut entwickelt Neugeborene können noch einige Wochen schielen → nicht pathologisch Sehschärfe und Farbe - Bei der Geburt zumindest 20/150 Sehschärfe Neugeborene verfolgen buntes Objekt Farbsehen zumindest mit 2 Monaten Kontrastsensitivität nimmt postnatal stark zu Pupillen (III) Augenbewegungen (III, IV, VI) - GA 25 Wochen: „Puppenaugenphänomen“ 32 Wochen: spontane Augenbewegungen Sensibilität Gesicht (V) Selten untersucht Untersuchung Gesicht mit Pinprik, Untersuchung Saugen (mit Schnuller oder sterilem Finger) → motorischer Anteil des N. trigeminus für Zungenmotorik wichtig Motilität Gesicht (VII) Im ruhigen Zustand: Inspektion der Nasolabialfalte Hören (VIII) - GA 28 Wochen: Reaktion auf Lärm Je reifer, desto differenzierter ist die Reaktion auf Lärm (reißen Augen auf, Mund auf, beginnen zu schreien, usw.) Saugen und Schlucken (V, VII, IX, X, XII) + Zungenfunktion Geschmack (VII, IX) - Neugeborenes reagiert von Anfang an sehr gut auf Variationen im Geschmack ∙ Motorische Untersuchung des Neugeborenen Muskeltonus: hyperton, hypoton Spontanmotorik: Bewegungen beobachten, Asymmetrie, Körperhaltung, grobe Kraft, Qualität der Spontanbewegung Verena Kaiser Seite 120 Neugeborenenuntersuchung Pädiatrie Reflexe - Pectoralisreflex, Biceps, Brachioradialis Sämtliche Reflexe sind beim Neugeborenen schwächer ausgebildet → wichtig ist die Symmetrie (wichtiger als die Reflexe ist die Beobachtung der Motorik und deren Seitengleichheit) Primärreaktion (Moro-reaktion) Greifreflex: normal bis zum 6. Monat, dann durch gezieltes Greifen abgelöst Suchreflex durch Bestreichen der Wange: beginnt auch zu saugen und zu schlucken (3 Reflexe kombiniert) Schreitreflex (Entstehungsmechanismus nicht ganz klar) – Reaktion wird mit der Zeit durch gezieltes Schreiten abgelöst Babinski hat im Neugeborenenalter keinen pathologischen Wert Sensorische Untersuchung Mit Pinpricks an den Extremitäten → Kind reagiert mit Wegziehen der Extremität, Weinen, etc. Nur selten durchgeführt Zusammenfassung Bei der Neugeborenuntersuchung stehen die Vitalität des Babies (Erstuntersuchung), geburtstraumatische Läsionen sowie angeborene Fehlbildungen im Vordergrund. Seite 121 Verena Kaiser Pädiatrie Neugeborenenreanimation 15.12.11 – Trawöger Neugeborenenreanimation Schweden: - Bei Geburtsgewicht >2500g Reanimation bei 1% nötig 90% davon Maskenbeatmung Basis der Neugeborenenreanimation: Fetus reagiert auf zu wenig Blut mit Apnoe, Bradykardie und Umverteilung des Blutvolumens auf wichtige Organe → diving seal Reflex Geht diese Plazenta/Nabelschnurstörung weiter, kommt es zu einer Schnappatmung, der pH sinkt immer weiter ab. 5-10% aller Neugeborenen mit Beutel beatmet 1-2% brauchen Ventilation Herz-Druck-Massage sehr selten benötigt (<1%) ! Herz im Hintergrund – Ventilation ist beim Neugeborenen wichtig! Bei der Reanimation des Neugeborenen steht die Beatmung im Vordergrund! Maßnahmen: Vorbereitung - Bei jeder Geburt muss eine Person, welche die basale NG-Reanimation beherrscht, anwesend sein und eine Person, welche weiterführende Maßnahmen treffen kann, erreichbar sein. Bei Risikogeburten: Mindestens 2 Personen anwesend (1 Atmung, 1 Kreislauf +1 Leiter) Pulsoxy sollte vor Ort sein! Beurteilung des Neugeborenen - Atmung: Apnoe?, Schnappen? (= krampfartige Kontraktion des Zwerchfells, aber keine Luft wird bewegt) Herzfrequenz: >100?>80? >60? ∙ HF unter 60 beim Neugeborenen = Herzstillstand!!! Haut: Blässe? Zyanose? (→ auf den Stamm schauen, Peripherie uninteressant) Mekonium? Wärme - Senkt Mortalität! (kein Muskelzittern zur Wärmeerzeugung bei Neugeborenen → nur Fettverbrennung: bringt zwar viel Energie, aber Sauerstoffschuld) Keine Zugluft Sofort Abtrocknen und in frische, warme Tücher wickeln Wärmestrahler - Mutter Kunststofffolien bei FG <1500g Problem bei sehr kleinen Frühgeborenen (<1500g): Verdunstung durch die sehr dünne Haut → verliert bei Raumtemperatur 1°C in 5 Minuten (unter 35°C Anstieg der Mortalität) Vermeiden von Überhitzung - Mütterliches Fieber - höhere Mortalität und mehr Cerebralparesen Benefit von milder Hypothermie bei asphyktischen Neugeborenen Stimulation - Abreiben, evtl. die Fußsohlen und Rücken zart reiben → reicht normalerweise aus Funktioniert nur bei primärer Apnoe Beatmung deshalb nicht verzögern: wenn beim ersten Abreiben das Baby nicht zu Atmen beginnt, sofort beatmen (nicht weiter stimulieren) Erneutes Stimulieren bei „ Wegschlafen“ Verena Kaiser Seite 122 Neugeborenenreanimation Pädiatrie Absaugen - - Öffnen der Luftwege: Neutralposition und sanftes Vorziehen des Unterkiefers Absaugen: nur wenn nötig, zuerst Mund, dann Nase (begrenzt auf 4-5 cm Länge und Vakuum 100mmHg, kurz). ∙ Cave: Reflexbradycardie, Laryngospasmus → Schutzreflex beim Neugeborenen stark ausgeprägt (Reizung der Larynxregion: Atmung eingestellt und Bradykardie) Aus dem Magen sollte nicht abgesaugt werden (wird teilweise mit der Begründung durchgeführt, eine mögliche Ösophagusatresie zu diagnostizieren) Sauerstoff - Anhaltende Zyanose, SatO2 <90% Wenn möglich mit Mischer, wenn möglich unter Pulsoxy-kontrolle Schlechtere Ergebnisse bei Reanimation mit hohen FiO2 Start mit FiO2 0,21 Minimale Sättiung re Hand: 1 min 60%, 5min 85%, 10min 90% → empfohlen mit Raumluft zu beginnen Beutelbeatmung - - Erste 5 Atemzüge mit dem Beutel sollten prolongiert werden (braucht viel Druck um flüssigkeitsgefüllte Alveolen zu belüften) → manche Beutel haben ein Ventil, das zu hohe Drücke verhindern soll: muss bei ersten drei Atemzügen inaktiviert werden Heben des Thorax als Maß! Erfolgskontrolle: HF, Atmung AF 30 bei längerem Bebeuteln Peepventil ? Masken: klare Silikonmasken mit wenig Totraum (nicht die schwarzen Hartplastikmasken verwenden) Intubation - - Indikation: ∙ Bebeuteln erfolglos oder prolongiert nötig (Indikation bei möglicher Bebeutelung relativ), ∙ Thoraxkompression ∙ Adrenalingabe Primär: Avitales Baby bei Mekoniumaspiration, Zwerchfellhernie (nicht angelegtes Zwerchfell), extremen Frühgeburten (Lungen zu wenig Surfactant) Lagekontrolle des Tubus - - Exspiratorisches CO2: Messung mit Farbindikatoren (von blau auf gelb) Beschlagen des Tubus Symmetrisches Heben des Thorax (bei akuter Reanimation ist ein im rechten Hauptbronchus liegender Tubus unproblematisch – eine Lunge reicht – zum Wiederherstellen des Kreislaufs sollte allerdings die Lage kontrolliert und ev. korrigiert werden) Keine abdominale Distension Visuelle Kontrolle der Tubuslage im Larynx (Auskultation) Larynxmaske - Erprobte Alternative für Termingeborene Frühgeborene bis 1200g GG Thoraxkompression - HF < 60bpm trotz adäquater Ventilation Unteres Sternumdrittel, 2 Daumen und umfassende Hände, 1/3 Thoraxtiefe, (Pulskontrolle: nur wenn Pulsoxy angehängt, manuelle Pulsmessung nicht sinnvoll) Ratio etwa 3:1 Bebeuteln 30bpm, Kompressionen 90/min Alle 30 sec. Herzfrequenz überprüfen. → bei Neugeborenen eigentlich selten nötig venöser Zugang - Periphere Vene Nabelvenenkatheter: 3,5-5F etwa 3-4 cm, bis zum ersten freien Blutfluss Knochenleitung Medikation - Adrenalin: HR<60 nach mindestens 30 s Ventilation, Dosis: Lösung 1:10000: 0,1-0,3 ml/kg KG alle 3-5 min wiederholbar i.v, (intratracheal: 10 fache Dosis, Wirkung unsicher) ∙ Wichtig: bei i.v. Gabe viel nachspülen → das Adrenalin muss zum Herzen gebracht werden Seite 123 Verena Kaiser Pädiatrie - - Neugeborenenreanimation Volumen: 0 neg Blut, NaCl 0,9%, Ringerlactat, Dosis 10-20ml/kgKG, kein Albumin Analgosedierung zur elektiven Intubation ∙ Ketanest 2 mg/kg ∙ Rocuronium 0,6 mg/kg (Bicarbonat 1mval/kg 1:1über 5 min Motorspritze) (Naloxon: 0,1mg/kg: Cave KI, Wirkdauer) Vermeiden von Hypoglycämie - Neugeborene können relativ lange ohne Sauerstoff überleben, solange genug Glucose vorhanden ist. Kombination von Hypoxie und Hypoglycämie katastrophal für das NG-Gehirn. Bei Asphyxie: Dx>50mg/dl Glucose 10% 10ml i.v. Bolus Glucose 10% 6-10ml/h Dauertropf Algorithmen: - A: Luftwege → Absaugen: 30 sec B: Atmung → Beatmen: innerhalb von weiteren 30 sec C: Herzfrequenz und Hautfarbe → Cardiokompression D: Medikamente - Früher APGAR-Score als Reanimationsrichtlinie verwendet: ∙ Kinder nach 1 Min, nach 5 und nach 10 Min Atmung, Herzfrequenz und Hautkolorit beurteilen und entsprechende Reanimationsmaßnahmen setzen ∙ Immer noch bei jedem Kind durchgeführt → für Langzeitbeurteilung eines Risikos, aber für Reanimationsmaßnahmen zu langsam ∙ Unter 7 Punkte nicht lebensfrisch Geburt - A: Atemwege Abtrocknen Absaugen Assessment Sauerstoff Nach 30 Sekunden: HF<100, Apnoe - B: Beatmung Beutel und Maske Wenn ineffektiv -Technik überprüfen Intubation Nach 30 Sekunden: HF<60 - C: Circulation Herzmassage Nach 30 Sekunden: HF<60 - C: Circulation Herzmassage Versagen der Massnahmen - Maske dicht? Tubuslage korrekt? Sauerstoff? Pneumothorax?-Drainage Zwerchfellhernie? Lungenhypoplasie? Hypovolämie? Volumsbolus Irreparable Hypoxie? Nach 30Sekunden. HF<60 - D: Drugs Adrenalin via Tubus, i.v. Wiederholen alle 3-5 Minuten Sonderfall: Mekonium im Fruchtwasser - Dünnflüssig-harmlos, erbsbreiartig gefährlich Absaugen nach Durchtritt des Kopfes (14F Katheter, Yankauer) , Mund und Nase nicht mehr obligat Deprimiertes Kind: sofortige Intubation und Absaugen direkt am Tubus Lebhaftes Kind: keine Laryngoskopie Verena Kaiser Seite 124 Neugeborenenreanimation Pädiatrie Sonderfall: Frühgeborene - Abdecken mit Plastikfolie Sofortige Versorgung mit CPAP Pulsoxymetrie Intubation und Surfactant frühzeitig bei Atemnotsyndrom Prophylaktische Intubation und Surfactantgabe bei sehr kleinen FG ohne Lungenreifeinduktion Grenzen - - Keine Reanimation: ∙ GA < 23. SSW , Geburtsgewicht < 400g ∙ Gesicherte Trisomie 13 oder 18 ∙ Anencephalie Der Beginn von Reanimationsmaßnahmen zwingt den Arzt nicht diese auch fortzusetzen Abbruch der Reanimation bei Fehlen von Lebenszeichen nach 10 Minuten Medikamente - Sauerstoff Volumen (20ml/kg), Blut Adrenalin: 1:10000 Lösung 0,1-0,3ml/kg i.v .1ml/kg intratracheal evtl alle 3 min wiederholen. Ind: Bradycardie trotz adäquater Ventilation Natriumbicarbonat: nach BGA 1mval/kg mit Motorspritze! Versuchen Sie folgende Fragen zu beantworten: - Was ist das zentrale Problem bei der NG-Reanimation? Welche ist die Rolle von Stickstoffmonoxyd? Welche Maßnahmen muss man bei der NG-Reanimation häufig einsetzen, welche selten? Diving-seal-reflex? Rolle von Medikamenten? Welche Medikamente? Was ist der APGAR Score? Was bedeutet er? Ns art-pH? Welche Maßnahmen müssen in der NG Reanimation häufig, welche selten angewendet werden? Welche Geräte sind unentbehrlich? Was bedeutet eine Bradycardie<60 BPM Wie kommt es beim NG zu Herzstillstand Was sagt der NSart pH aus? Was ist der APGAR Score, was sagt er aus? Welche Medikament brauchen Sie in der NG Reanimation? Seite 125 Verena Kaiser Pädiatrie Ernährung des Säuglings 19.12.11 – Karall Ernährung des gesunden Säuglings und Kindes Empfehlung der American Association of Pediatrics: Ausschließliches Stillen während der ersten 6 Monate Empfehlung für Säuglingsernährung – WHO: Ausschließliches Stillen während der ersten 6 Monate, d.h. keine andere Nahrung oder Flüssigkeit, danach neben geeigneter Beikost bis zum Ende des 2. Lebensjahres und darüber hinaus. Stillen und Gewicht Zusammenhang zwischen Stillen und Stilldauer mit der Prävalenz von Übergewicht (BMI > 90er P) und Adipositas (BMI > 97er P) niemals gestillt gestillt gestillt < 2 Monate gestillt 3 – 5 Monate gestillt 6 – 12 Monate gestillt > 12 Monate Anzahl 4022 5184 2084 2052 863 121 Übergewicht (%) 12,6 (12,4 – 12,9) 9,2 ( 9,0 – 9,3) 11,1 8,4 6,8 5,0 Adipositas (%) 4,5 (4,4 – 4,6) 2,8 (2,7 – 2,8) 3,8 2,3 1,7 0,8 WHO - Empfehlung „Strategy for infant feeding and child nutrition“ Erste Wahl: Stillen Zweite Wahl: Muttermilch gefüttert Dritte Wahl: Frauenmilch Vierte Wahl: Formulanahrung Inhaltsstoffe und Charakteristika der Muttermilch Lebende Zellen (4000 / ul) Immunaktive Substanzen Enzyme Hormone Protein Fette Kohlenhydrate Verena Kaiser Makrophagen, neutrophile Granulozyten, Lymphozyten Lysozym, sIgA, IgG, IgM, Laktoferrin, TNFα, γ-Interferon Amylase, Lipase, Protease, Xanthinoxidase, usw. Insulin, Östrogene, Cortisol, T3, T4, Gastrin, usw. wenig Kasein hohe LC-PUFA Laktose Seite 126 Ernährung des Säuglings Pädiatrie Studie zu Stillen und Säuglingsernährung (SuSe-Studie) - 1997 / 1998 177 deutsche Geburtskliniken 1717 Mutter-Kind-Paare telefonisches Interview 14. L.T., 2., 4., 6., 9. und 12. L.M. Ursachen für die Annahme: „zu wenig Milch“ - Clusterfeeding Stillfrequenzen Schlafverhalten des Säuglings Wachstumsschübe Saugverhalten des Säuglings Clusterfeeding oder „Lagerfeuerstillen“ Stillfrequenzen - 1. Lebenstag 6 mal 2. Lebenstag 6 - 8 mal ab 3. Lebenstag 8 - 12 mal Schlafverhalten des Menschen Seite 127 Verena Kaiser Pädiatrie Ernährung des Säuglings Wachstumsschübe Saugverhalten des Säuglings Non-nutritives Saugen: Nutritives Saugen: - Frequenz hoch, Vakuum niedrig - Milchspendereflex (Oxytocin) - unterstützt Synapsenbildung - Frequenz niedrig, Vakuum hoch - Hauptteil der Nahrungsaufnahme Nahrungsaufnahme beim Stillen < 10 Minuten > 10 Minuten Menge 80 % 20 % kcal 50 % 50 % Trinkmenge eines gesunden Neugeborenen - Murmel 1 Lebenstag Ferrero 7. - 10. L.Tag Golfball 2. - 3. L.Woche 5 ml / Mahlzeit 22-27 ml / MZ 60-80 ml / MZ Zeichen für Milchtransfer - Hörbares / sichtbares Schlucken mindestens 6 nasse Windeln / Tag (ab 4. L.T.) mindestens 3-4 mal Stuhl / Tag (ab 6. L.T. für die ersten 4 Wochen) Säugling entspannt sich (Öffnen der Hände) Gedeihen = kontinuierliche Gewichtszunahme Ernährung effektiv? - Keine Gewichtsabnahme nach Milcheinschuß (3. Tag) Gewichtszunahme ab 4. / 5. Lebenstag Erreichen des Geburtsgewichtes nach 10 - 14 Tagen GG minus 7 % (Stillmanagement?), minus 10 % (cave!) empfohlene Zunahme: ∙ 0 - 3 Monate > 140 g / Woche ∙ 3 - 6 Monate 90 - 140 g / Woche ∙ 6 - 12 Monate 50 - 100 g / Woche Ausreichend in MM: Energie, Protein, Calcium Abhängig von mütterlichen Speichern: Vitamin A, Vitamin B6, Eisen, Zink Abhängig von exogener Zufuhr: Vitamin D Kritische Nährstoffe bei vegetarischen Kostformen Eisen 1,2 – 1,6 mg/kg/d Vitamin B12 0 1 ug/kg/d Verena Kaiser Resorption wird gehemmt durch Proteine in Soja, Milch, Eiern, Ballaststoffe, Gerbsäuren in Tee in allen Pflanzen 0,1 und Gemüsen unzureichend enthalten, in Milchprodukten ausreichend Seite 128 Ernährung des Säuglings Calcium Vitamin Protein Jod 60 – 100 mg/kg/d D 400 – 500 E/kg/d 2 g/kg/d 100 ug/kg/d Pädiatrie in Pflanzen unzureichend enthalten, in Milch ausreichend zuwenig in Pflanzen und Milch je nach biologischer Wertigkeit evtl. Fehlen essentieller Aminosäuren hauptsächlich in Seefisch Andauernde vegetarische Kost kann durch chronische Mangelzustände eine Stoffwechselerkrankung imitieren! z.B. Vitamin B12- Mangel bei gestillten Kindern veganer Mütter Absolute Indikation zum Abstillen - Stoffwechsel: klassische Galaktosämie Infektionen: HIV Medikamente: Zytostatika, radioaktive Isotope Fallbeispiel 1 Mutter berichtet: - Mädchen, 4 Wochen alt, perinatal o.B. gestern Mutter-Kind-Paß-Untersuchung voll gestillt, Mutter hat guten Eindruck Kinderarzt bemerkt, daß Gewichtszunahme zu wenig, empfiehlt zufüttern → Welche Fragen würden Sie stellen? - Geburtsgewicht: 3200 g niedrigstes Gewicht: 3040 g (- 5 %) am: 5. L.T. Geburtsgewicht erreicht: 12. L.T. aktuelles Gewicht: 3600 g d.h. Zunahme von 400 g in 16 Tagen = 175 g / Wo → Gewichtszunahme zufriedenstellend! Fallbeispiel 2 Mutter berichtet: - Bub, 6 Wochen alt, perinatal o.B. voll gestillt, Mutter hat Eindruck, daß es gut klappt, Kind aber oft trinkt Gewichtszunahme nur 120 g / Woche → Was möchten Sie von der Mutter wissen? - Wie sieht das Stillen aus? Wie erfolgt eine Stillmahlzeit? Kind trinkt 10 Minuten an jeder Seite, danach meldet es sich bald wieder, bekommt dann Schnuller zum Beruhigen und Einschlafen. → Kind bekommt zweite Hälfte der kcal nicht! → Statt Schnuller erst nochmal Anlegen! www.who.org www.lalecheleague.org www.stillen.org , www.stillen.at www.espghan.org www.bfmed.org Ab wann Beikost? - Körpersprache am Familientisch größeres Nahrungsbedürfnis Sitzen Feinmotorik evtl. Zahndurchbruch Warum Beikost erst mit 6 Monaten? - Allergien Nierenbelastung Kieferentwicklung Ei, Fisch, Soja, Nüsse, Zitrusfrüchte, (Milch und Milchprodukte, Weizen) nicht im 1. L.J. ! Seite 129 Verena Kaiser Pädiatrie Ernährung des Säuglings Beikost: Neue Welt des Essens! - ruhige Tageszeit kleine Portionen Vater aufs Tapet! mindestens 4 - 5 Tage dasselbe = Monotonie! bei Ablehnen zu einem späteren Zeitpunkt wieder Eltern bestimmen WAS, Kind WIE VIEL Empfohlene Nährstoff-Zusammensetzung für Säuglingsanfangsnahrungen: * Mindestwerte für den Proteingehalt für Säuglingsanfangsnahrungen auf Basis nicht modifizierter Kuhmilchproteine, Sojaproteinisolate oder Proteinteilhydrolysate, ** EU: andere KH außer Laktose erlaubt, Stärke < 30 % der KH, Saccharose < 20%, *** gemäß EU-Richtlinie Allgemeine Tipps - angenehme Atmosphäre bei Tisch möglichst oft gemeinsames Essen Einbeziehen der Kinder bei Mahlzeitenplanung, Einkauf und Zubereitung Nahrungsmenge selbst bestimmen lassen Bedeutung einzelner Lebensmittel erklären Lebensmittel nicht als Belohnung, Strafe, zum Trost oder als Ausdruck der Zuneigung benutzen Einführung / Änderung von Essensgewohnheiten braucht - Wissen Zeit Durchsetzungsvermögen Vertrauen Begleitung Zuversicht Überzeugung Geduld Unterstützung Neue (?) österreichische Beikost-Empfehlungen - „Richtig essen von Anfang an“ Für Muttermilchersatzprodukte darf keine Werbung gemacht werden! Internationaler Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten (WHO, 1981) Es handelt sich um einen Vermarktungskodex und nicht um einen „Ethikkodex“. Er gilt international und nicht nur für Entwicklungsländer. Die Einhaltung des Kodex ist unabhängig von nationalen Gesetzen sicherzustellen. Die Überwachung des Kodex soll von Nichtregierungsorganisationen unterstützt werden. Definition: Muttermilchersatzprodukte sind alle Nahrungsmittel, die als teilweiser oder voller Ersatz für Muttermilch vermarktet oder auf andere Weise angeboten werden, gleichgültig, ob sie für diesen Zweck geeignet sind oder nicht. Neben Anfangsnahrung fallen darunter auch Folgenahrung, Milchprodukte, Ergänzungsnahrungen, Säfte, Tees, Flaschen und Sauger. - Keine Werbung für Ersatzprodukte in der Öffentlichkeit und im Gesundheitssystem Keine Gratisproben an Mütter Kein Firmenpersonal als Ernährungsberater Keine Idealisierung der Kunstprodukte Nur wissenschaftliches, sachlich richtiges Informationsmaterial an medizinisches Personal Aufklärung über die Risiken der Produkte auf den Packungen Keine Werbung für ungeeignete Produkte, z. B. Kondensmilch Verena Kaiser Seite 130 Ernährung des Säuglings Pädiatrie BEI Kost ≠ Mahlzeit ersetzen = bei-geben, dazutun Altersdefinition - ab 4. Monat = mit drei Monaten nach 4. Monat = mit vier Monaten 1. Monat: 1 – 30 Tage vollendeter 1. Monat = 30 Tage 2. Monat: 31 – 62 Tage 3. Monat: 63 – 91 Tage 4. Monat: 92 – 119 Tage nach dem 4 Monat => ab Tag 120 5. Monat: 120 – 153 Tage 6. Monat: 154 – 183 Tage vollendeter 6. Monat = ½ Jahr Beikost soll vernünftig sein! „früh und alles“ vs. strukturierte Ernährungspläne? Österreichische Beikostempfehlungen Seite 131 Verena Kaiser Pädiatrie Ernährung des Säuglings Alter bei der Beikosteinführung Ausschließliches Stillen durch die ersten etwa 6 Monate ist ein wünschenswertes Ziel. Teilstillen oder kürzer stillen sind auch wertvoll. Das Stillen sollte über die Beikosteinführung fortgesetzt werden, solange Mutter und Kind das wollen. Eine wesentliche Bedeutung kommt in Ernährungsfragen den Kinderärzten und dem medizinischen Personal zu, daher ist Aus- und Fortbildung in Belangen des Stillens wünschenswert. Kramer et Kakuma, Optimal Duration of Exclusive Breastfeeding - Cochrane Database 2002 Exclusive Bf 6 mo vs Exclusive Bf 3-4 months. 11 Studien Entwicklungsländer, 11 Studien Industriestaaten 6 Mo ausschließliches Stillen: geringeres Risiko für gastrointestinale Erkrankungen, Keine Wachstumsdefizite, längere Laktationsamenorrhoe, Kein sicherer Einfluss auf Atopie. Grummer-Strawn LM, Scanlon KS, et al: Infant Feeding and Feeding Transitions During the First Year Pediatrics 2008, Oct; 122 Supp 2: S36-42 Infant Feeding Practices Study II, 2907 Kinder bei Geburt, 1782 Kinder mit 12 Monaten. Monatliche Fragebögen. Atlanta. 83% beginnen zu stillen, 50% mit 6 Monaten, 24% mit 12 Monaten Viel zugefüttert, bereits im Spital. Mit 4 Monaten: 40% Cerealien, 17% Obst oder Gemüse. Kinder, die bereits mit 4 Monaten zugefüttert wurden, waren mit 6 Monaten signifikant häufiger bereits abgestillt (70 vs 34%), häufigeres ungesundes Essverhalten mit 12 Mo. Verena Kaiser Seite 132 Ernährung des Säuglings Pädiatrie Fazit: Das Fenster zwischen 4-6 Monaten bleibt kontrovers … Daher … Geschmacksprägung Reihenfolge der Breisorteneinführung Seite 133 Verena Kaiser Pädiatrie Ernährung des Säuglings Beikost: Soll sein … - Individuell angepasst Nährstoffreich (Fe, Zn, Ca, Vit A, Vit C, Folsäure) Energie- und Proteingehalt altersentsprechend Vielfalt (damit Auswahlmöglichkeit) Zeitpunkt der Beikostgabe Verena Kaiser Seite 134 Ernährung des Säuglings Pädiatrie Beginn der Getränkegabe Energiedichte und Mahlzeitenfrequenz Proteinbedarf Seite 135 Verena Kaiser Pädiatrie Ernährung des Säuglings Zubereitungsempfehlung Empfehlungen zu Fisch-, Ei-, Erdnuss- und Nusskonsum Allergien und Unverträglichkeiten allgemein Studie, die das frühe Einführen von Beikost favorisiert Verena Kaiser Seite 136 Ernährung des Säuglings Pädiatrie Konklusion: - Mediane Stilldauer gering Selektiertes Kollektiv, reverse Kausalität (?) Zusammenhang Einführung Beikost und IgE Antwort mit 5 a, keine Klinik Kleiner Abstand zwischen den Drittel-Gruppen (z.T. 2 Wochen!) Zwar prospektiv, aber Rechenmodell … Zöliakie Es scheint ein „window of opportunity“ zu geben, das zwischen dem Alter von 4 Monaten und etwa 7 Monaten liegt, in dem Gliadin eingeführt werden sollte. EMPFEHLUNGEN DER ÖSTERREICHISCHEN STILLKOMMISSION: Ausschließliches Stillen ist die optimale Ernährung für Säuglinge bis etwa zum Ende des 6. Monats und ein wünschenswertes Ziel. Auch kürzeres Stillen oder Teilstillen ist wertvoll. Mit der Gabe von Beikost sollte etwa mit 6 Monaten – entsprechend der Entwicklung des Kindes – begonnen werden. Beikost darf nicht vor dem Alter von 17 Wochen und soll nicht später als mit 26 Wochen eingeführt werden. Es ist vernünftig, die sehr frühe (vor dem Beginn des 5. Monats) und späte (>= 7 Monaten) Einführung von Gluten zu vermeiden. Daher soll Gluten in kleinen Mengen unter weiterem Stillen (Getreidebrei löffelweise, Brot,..) gegeben werden. Auf jeden Fall soll während der Beikostgabe weiter gestillt werden. Nicht oder teilgestillte Kinder erhalten optimalerweise eine Anfangsnahrung durch das erste Lebensjahr. Die Einführung der Beikost ist nicht mehr so streng vorgegeben, auch potente Allergene dürfen im 2. Halbjahr angeboten werden. Größere Mengen Kuhmilch sollten erst nach dem ersten Geburtstag gegeben werden, damit erfolgt der Übergang zum Familientisch. Und … … Essen soll auch Spaß machen! Seite 137 Verena Kaiser Pädiatrie Otitis, Atemwegsinfekte 21.12.11 – Edelbauer Otitis externa und media, Mastoiditis, Tonsillopharyngitis, „banaler“ Atemwegsinfekt 1 Gehörgang 2 Trommelfell 3 Malleus 4 Incus 5 Stapes 6 Cochlea 7 Tuba Eustachii Otitis externa - Meist Begleiterscheinung (Schwimmbadinfektion, seborrhoische Dermatitis, chronische Otitis media) Isoliert (Manipulation, Fremdkörper) Buben und Mädchen gleich häufig Erreger ∙ Streptokokken, Enterokokken, Pseudomonas, Proteus vulgaris ∙ Viren, Pilze Klinische Symptome - schmerzhafte Schwellung + Rötung Gehörgang Schmerz bei Zug an der Ohrmuschel Tragusdruckschmerz z.T. fötide Sekretion, Juckreiz Verena Kaiser Seite 138 Otitis, Atemwegsinfekte Pädiatrie Diagnostik - - Otoskopie: ∙ Rötung und Schwellung im Gehörgang ∙ Trommelfell bland ∙ Differentialdiagnose ∙ sezernierende Otitis media mit Trommelfellperforation Therapie ∙ Absaugen des Sekrets, lokal: desinfizierende Ohrentropfen, Streifen ∙ mit Antibiotika ∙ Ausgeprägter Befund: systemische Antibiotika Otitis media acuta - - Häufigkeit ∙ 80-90% aller Kinder: 1x Otitis media in ersten 3 LJ ∙ Etwas häufiger bei Buben als Mädchen ∙ Häufigster Grund für antibiotische Therapie meist tubogen selten hämatogen bei Virusinfektionen (Influenza, Masern) Besonderheiten bei Kindern: Kurze, weite, gerade verlaufende Tube Gehäuft Infekte der Luftwege, vergrößerte Adenoide Ätiologie Bakterien Streptococcus pneumoniae Haemophilus influenzae Staphylococcus aureus Streptococcus pyogenes Moraxella catarrhalis Viren Rhino-, RS-, Influenza-, Parainfluenza-, Adenoviren Anamnese - Starke Ohrenschmerzen nach Spontanperforation schlagartiges Nachlassen Fieber Säuglinge: uncharakteristische Zeichen, Trinkschwäche, Unruhe, heftiges Schreien Kleinkinder: z.T. abdominelle Beschwerden, Erbrechen, häufiges ans Ohr greifen, weinerlich, unruhig Ältere Kinder: genaue Schmerzlokalisation, heftig, pochend, Hörminderung Diagnostik Otoskopie Rötung Vorwölbung evtl. Verdickung des Trommelfells Verlust Lichtreflex Bei größeren Kindern das Ohr nach hinten oben ziehen, bei kleineren Kindern nach unten Normalerweise ist das Mittelohr luftgefüllt, das Trommelfell glänzend, glatt und nur leicht vorgewölbt Therapie - - Antipyrese, analgetische Therapie (Paracetamol) Abschwellende Nasentropfen ∙ Aber nicht zu lange, da sie sonst zu einer Atrophie der Nasenschleimhaut führen (durch die Vasokonstriktion) Ggf. Amoxicillin-Clavulansäure, Cephalosporin (Cefuroxim, Cefpodoxim) für 10 Tage Seite 139 Verena Kaiser Pädiatrie Otitis, Atemwegsinfekte AAP/AAFP Empfehlungen: Beobachtung versus antibiotische Therapie bei Kindern unter 6 Monaten ist die Rate an Komplikationen am höchsten, daher muss hier immer antibiotisch therapiert werden Inzidenz einer Mastoiditis oder suppurativer Komplikationen ist bei initialer Observation im Vergleich zur initialen antibiotischen Therapie geringer, daher soll man besonders bei älteren Kindern zu Beginn eher zuwarten Mastoiditis - - - Häufigkeit ∙ Inzidenz bei Kindern <14 Jahren: ∙ 1.2-3.8 pro 100 000 Kinder / Jahr ∙ ♀ und ♂ gleich häufig Erreger ∙ Streptococcus pneumoniae, Streptococcus pyogenes, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus Erneutes Auftreten od. Persistenz von Schmerzen, Fieber nach Otitis media Reduzierter Allgemeinzustand Appetitlosigkeit Lokal Schmerzen, Schwellung, Rötung, Überwärmung Abstehendes Ohr Diagnostik - Otoskopie ∙ verdicktes, hyperämisches, vorgewölbtes TF Leukocytose, Linksverschiebung im Differentialblutbild, CRP und BSG ↑ CT ∙ Zum Erkennen der Ausbreitung ∙ Flüssigkeitsansammlung im Mastoid zu erkennen ∙ Bei fortgeschrittener Mastoiditis können die Knochensepten nicht mehr erkannt werden Therapie - Antibiotika (Aminopenicillin-Betalactamaseinhibitor, Cefuroxim) intravenös Ggf. Mastoidektomie Audiometrie nach Konvaleszenz Prognose ∙ Bei adäquater Therapie gut Komplikationen der Mastoiditis Verena Kaiser Seite 140 Otitis, Atemwegsinfekte Pädiatrie Tonsillen Für Kinder normaler Tonsillenbefund: die Tonsillen sind nicht gerötet Hypoplastische Tonsillen sind bei Kindern normal Tonsillopharyngitis - >70% Virusinfektion (Coxsackie-A-Virus, EBV, Adenoviren) Bakterien: ∙ β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (10-20%) ∙ Staphylokokken, Pneumokokken ∙ Corynebacterium diphteriae Symptome - Fieber Appetitlosigkeit Schluckbeschwerden, Halsschmerzen Reaktive Lymphknotenvergrößerungen Bei Kleinkindern meist Bauchschmerzen im Vordergrund, je jünger desto seltener Halsschmerzen ! Erbrechen, Obstipation, Durchfall Infektiöse Mononukleose - EBV - ∙ Tonsillitis mit Fibrinbelägen ∙ Hämorrhagisches Enanthem am weichen Gaumen ∙ Generalisierte Lymphknotenhyperplasie ∙ Splenomegalie ∙ Reduzierter AZ Therapie: symptomatisch ! Wichtig: nicht antibiotisch therapieren: wird Ampicillin verabreicht, kommt es zu einem stark juckenden makulopapulösen Exanthem Streptokokken Angina - Plötzlicher Beginn Hochroter Pharynx und Gaumen Vergrößerte Tonsillen mit weißlich – gelben Stippchen od. fleckartigen Belägen Diagnostik - Streptokokken-A Schnelltest ∙ cave flasch negative Resultate Kultur aus Rachen- und Tonsillenabstrich ∙ Goldstandard Antikörperanstieg gegen Streptolysin O ∙ erst nach 3-4 Wochen Therapie - Bei V.a. Streptokokken Penicillin V p.o. 10 Tage! Scharlach - - Feinfleckiges Exanthem ∙ blass- bis hochrot ∙ stecknadelkopfgroße Papeln ∙ beginnt axillär und in den Leisten Himbeerzunge Blasses Munddreieck Düsterrotes Enanthem Seite 141 Verena Kaiser Pädiatrie Otitis, Atemwegsinfekte Komplikationen der Streptokokken-Tonsillitis Peritonsillarabszess - Starke Schluckbeschwerden Fieber Kieferklemme (Kinder können den Mund nicht mehr öffnen) Lymphadenitis colli Uvula stark verschoben Rheumatisches Fieber - - Polyarthritis Carditis Chorea minor Subkutane Noduli ∙ Charakteristisch, aber selten ∙ Kommen v.a. an Knochenvorsprüngen vor Erythema anulare Fieber Schädigungen der Herzklappen können auch noch längere Zeit nach der Infektion auftreten Poststreptokokken-Glomerulonephritis - Akute Niereninsuffizienz Oligurie Arterielle Hypertonie Komplement C3 erniedrigt Hämaturie Proteinurie „Banaler“ Atemwegsinfekt - Akute Infekte viraler Genese (Parainfluenza, Rhinoviren, Respiratory-Syncitial-Virus) Altersabhängige anatomische und immunologische Besonderheiten Häufigkeit - Abhängig von Alter und Exposition Häufigkeitsgipfel Säuglings- und Kleinkindesalter ∙ Kleinkind 6-8 x/Jahr ∙ Volksschulkind 3-4 x /Jahr ∙ 12-jähriges Kind 1-2 x /Jahr Klinische Symptomatik - meist absteigend, Rhinitis, Heiserkeit, Husten Fieber Therapie - Symptomatisch, reichlich Flüssigkeit, Antipyrese Nasentropfen (NaCl 0.9% bzw. Meersalz, α-Sympathomimetika) Atemluftbefeuchtung Hustensedative (Codein) nur bei trockenem, nicht produktivem Reizhusten! Verena Kaiser Seite 142 Atopie, Allergie Pädiatrie 22.12.11 – Edelbauer Atopie, Allergie Definitionen Allergie - spezifische Änderung der Immunitätslage krankmachende Überempfindlichkeit gegenüber natürlichen Allergenen Atopie - genetische Disposition zur Überempfindlichkeit gegenüber natürlichen Allergenen Dermatitis, Rhinitis, Asthma Immunglobulin E Gesamt-IgE - Bei Allergien meist, aber nicht immer erhöht! Erhöht auch bei Parasitosen, Nephritiden Konzentration abhängig vom Alter Allergen-spezifische IgE - Routine-Diagnostik: Sensibilisierung Klinisch relevant nur im Zusammenhang mit klinischer Symptomatik! Häufigkeit atopischer Erkrankungen - Prävalenz 16-20% der Kinder und Jugendlichen Buben signifikant häufiger betroffen (♂ 17.3%, ♀ 14.9%) Ausgleich der Geschlechterverteilung in der Adoleszenz Risikofaktoren Intrinsische Faktoren - Familiäre Prädisposition Geschlecht Umweltfaktoren - Ernährung Sozialfaktoren Frühkindliche Infekte Passivrauchexposition Seite 143 Verena Kaiser Pädiatrie Atopie, Allergie Rhinitis allergica Häufigkeit - - selten vor dem 3. LJ Prävalenz ∙ Vorschulkinder 7% ∙ Jugendliche 20% signifikant häufiger bei Buben Saisonal: Pollen Perennial: Hausstaubmilbe, Tierepithelien Symptome - behinderte Nasenatmung → vermehrte Mundatmung Niesanfälle seröse Sekretion Juckreiz nasale Obstruktion (steht bei der ganzjährigen Rhinitis im Vordergrund) meist mit Konjunktivitis Auswirkung auf die physische und mentale Gesundheit von Kindern Diagnostik - - Anamnese! ∙ Ausführliche Eigenanamnese: wann begonnen, örtlicher/zeitlicher zusammenhang ∙ Familienanamnese: Risiko für eine Atopie steigt mit jedem erstgradigen Verwandten mit Atopie und auch bei rauchenden Eltern Hauttest ∙ Brick-Test Nachweis spezifischer IgE Therapie - Allergenkarenz topische Antihistaminika und Kortikosteroide systemisch: orale Antihistaminika Verena Kaiser Seite 144 Atopie, Allergie - Pädiatrie Hyposensibilisierung (schwere Form) ∙ Viele Kinder mit einer allergischen Rhinitis entwickeln später ein Asthma bronchiale, daher ist eine frühe Hyposens. sinnvoll Insektengiftallergie Sensibilisierung durch Insektengiftproteine (Biene, Wespe) Häufigkeit - - 1-5% der Kinder allergische Reaktionen Gleiche Häufigkeit ∙ bei Atopikern und Nichtatopikern ∙ bei Knaben und Mädchen bei gehäuften Insektenstichen kommt es zu einer Zunahme der Erkrankungsfrequenz: ein Großteil der Insektengiftallergiker kommt aus Imkerfamilien Lokalreaktionen - an der Haut Allgemeinreaktionen - Generalisierte Urtikaria Quincke Ödem Nausea, Erbrechen Bronchialobstruktion, Atemnot Blutdruckabfall, Bewusstlosigkeit, Schock Diagnostik - - Anamnese !!! ∙ Schweregrad der allergischen Reaktion ∙ Art des stechenden Insektes titrierter Prick-Hauttest allergenspezifische IgE-Antikörper Therapie - Stachel entfernen, Kühlung der Extremität Leichte Allgemeinreaktion: Antihistaminikum oral Schwere Allgemeinreaktion: Adrenalin, Kortikosteroide, Flüssigkeitssubstitution, Antihistaminikum Notfallapotheke ! Hyposensibilisierung Urtikaria Definition - Flüchtiges juckendes Exanthem mit Quaddelbildung ∙ Durch Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen Läsionen der oberflächlichen Dermis Ätiologie - Bei Kindern < 5% der Fälle allergisch bedingt ! (Nahrungsmittel, Insektengifte, Inhalationsallergene) Häufig: Infekte, physikalisch (Wärme, Kälte, mechanisch) Mastzelle kann durch verschiedene Auslöser aktiviert werden Seite 145 Verena Kaiser Pädiatrie Atopie, Allergie Symptome - flächenhafte, scharf begrenzte Erytheme mit Quaddelbildung starker Juckreiz Diagnostik - klinisch ! normalerweise sind bei klassischen Symptomen keine weiteren diagnostischen Maßnahmen nötig Therapie - Antihistaminika bei allergischen Form: Allergenkarenz, Hyposensibilisierung Quincke-Ödem (Angioödem) - Profunde Form der Urtikaria (untere Dermisschichten, Subkutis) Allergisch Schwellung Lider, Lippen, Wangen, gelenknahe Extremitätenregionen Differentialdiagnose bei rezidivierender Form: hereditärer Defekt des C1-Esterase-Inhibitors ∙ Lebensbedrohlich, C1-Esterase-Inhibitor muss substituiert werden Anaphylaktischer Schock Immunologisch vermittelte generalisierte Sofortreaktion bei hochgradiger Sensibilisierung gegen Insektengift, Nahrungsmittel, Tierepithelien Verena Kaiser Seite 146 Atopie, Allergie Pädiatrie Symptomatik - Stadium I (leichte Allgemeinreaktionen) ∙ Juckreiz, Urtikaria, Flush, Heiserkeit, Dyspnoe, Unruhe, Kopfschmerzen Stadium II (ausgeprägte Allgemeinreaktionen) ∙ zusätzlich Übelkeit, Erbrechen, Bronchospasmus, Tachycardie, Hypotension Stadium III ∙ zusätzlich Zyanose, Schock mit Hypotension, Bewusstseinseintrübung Stadium IV ∙ Atemstillstand, Herz-Kreislaufstillstand Seite 147 Verena Kaiser Pädiatrie Atopie, Allergie Basic management of anaphylaxis Therapie - Stadium I ∙ Stopp der Allergenzufuhr, Antihistaminika, bei protrahiertem Verlauf Glukokortikoide Ab Stadium II ∙ Stopp der Allergenzufuhr, Adrenalin, Volumensubstitution, Glukokortikoide, Antihistaminika Verena Kaiser Seite 148 Atopie, Allergie Seite 149 Pädiatrie Verena Kaiser Pädiatrie Infektionen der Bronchien 19.01.12 Atemwegsinfektionen der Bronchien Subglottische Laryngitis – Viraler Krupp: - Meist viral bedingt → Übertragung via Kontakt Kurze Inkubationszeit (2-6d) Altersgipfel kleine Kinder Babies haben zu wenig sozialen Kontakt Klassischerweise in den Wintermonaten Symptome: - Schnupfen vorausgehend Bellender Husten Klassischerweise niedriges Fieber und Verschlechterung nachts Symptomatik bessert sich oftmals in kalter und feuchter Luft (Rettungsauto, Dampf im Badezimmer) Stadieneinteilung nach der Klinik: - Phase I Bellender husten, Schluckbeschwerden Phase II Stridor, Einziehungen im Jugulum und Epigastrium Phase III zusätzlich thorakale Einziehungen, Tachykardie, Blässe Phase IV Maximale inspiratorische Einziehungen, niedrige Pulsamplitude, Zyanose, Kind ist sehr ruhig und wehrt sich nicht Therapie: - Sauerstoff Luftbefeuchtung Steroide (Oral, inhalativ oder notfalls rektal) Stationäre Aufnahme bei Schweregrad↑, kann auch wiederkommen, daher Aufnahme meist nicht ungeschickt . Wann fix aufnehmen Bei präexistenter Obstruktion, Alter<12 Monate, fehlende kompetenz von Seiten der eltern, große Entfernungen zum Wohnort oder schlechte infrastruktur DD – Kruppsyndrom: - Viraler Krupp Häufigste Form – Siehe oben Bakterieller Krupp Staphys oder Hämophilus, Leukozytose im BB, wird im Gegensatz zum viralen Krupp wenn unbehandelt von Tag zu Tag schlechter Spasmodic Krupp Allergische Kinder, ausgelöst jedoch oft durch schlechte Luftverhältnisse und nicht die Allergie selbst Epiglottitis: - Hämophilus ibfluenzae Typ B infektion Daher heute seltener Ältere Kinder (2-6a) Zu Jeder Jahreszeit Lebensgefährlich!!!!! Symptome: - Nasenflügeln Toxisches Aussehen mit sehr hohem Fieber Unruhig, bis somnolent Fokus auf Atmung Sitzen am liebsten Speichelfluss Schlucken ist extrem schmerzhaft Therapie: - Sofort ad Klinik mit Aviso (Notfall, Indikation für NEF/NAW/NAH) O2-Gabe, Vollgas mit Blaulicht (keine unnötigen Intubationsversuche etc.) In der Klinik sofort ICU-Therapie starten Sofortige Cephalosporingabe (+ eventuell Rachenabstrich) Untersuchung eines Kindes mit Atemwegsinfektionen: Anamnese: - Akut/chronisch/rezidivierend Leitsymptom Was, seit wann, was bessert oder verschlechtert, wie ist der Verlauf Bisherige Diagnostik und Therapieversuche Verena Kaiser Seite 150 Infektionen der Bronchien Pädiatrie Symptome: Husten, Wheezing, Atemnot, Leistungsintolleranz, Thoraxschmerzen, Fieberschübe, Auswurf blabla…. Untersuchung: Was kann man sehen: AZ, EZ, Thoraxform, Harrison-Furche (Rachitis), Tachypnoenoe, Schaukelatmung (Thx und Abd arbeiten nicht zusammen), Zyanose (zentral und peripher über die Zungenfarbe unterschieden), Trommelschlägelfinger, Uhrglasnägel Was kann man höhren: Husten, Stridor, Schnarchen, RGs in der auskultation, Wheezing Leitsymptom Husten: - - Entsteht über Hustenrezeptoren in Ösophagus (deswegen Husten bei GERD auch wenns nicht in die Lunge geht), Hauptbronchien (in den peripheren Bronchien nicht) und Larynx. Der reiz erfolgt über den Nervus Vagus an das Hustenzentrum im Cortex. Ein suffiezienter Hustenstoß erfordert ein exaktes neuromuskuläres Zusammenspiel, welches es Kindern mit Störungen in diesem bereich schwer macht Infekte abzuhusten. Akut vs. Chronisch Akut, darf maximal 3 Wochen dauern. Als chronisch gilt ein Husten, wenn er über 8 Wochen täglich andauernd (wiederkehrender Husten gehört da nicht dazu). Art des chronischen Hustens: ∙ Trocken Asthma, Pertussis, Infektionen mit Mykoplasmen, Irritanzien (Starker Passivrauch) ∙ Produktiv Bronchiektasien, Cystische Fibrose, PCD, Immundefekt ∙ Bellender husten Malazien der Atemwege, Gefäßanomalie mit Trachealkompression, psychogener Husten (immer schauen, ob das Kind nachts auch hustet oder schlimmer hustet wenn Publikum gegeben) ∙ Hämoptysis Pneumonie, Lungenabszess, Bronchiektasien, Tbc etc. Unspezifischer Husten: - Prolongierter postinfektiöser Husten Rhinoviren, RSV, Adenoviren etc. Tabakrauch GÖR ohne Aspiration Hustenrezeptoren im Ösophagus (siehe oben) Caugh variant asthma Eosinophile Inflammation, Response auf neu begonnene Asthmatherapie Spezifischer Husten: - Angeborene Ursachen CF, PCD, Immundefizienz Erworben Fremdkörperaspiration Aspiration Ösophagotracheale Fisteln, Achalasie Psychogener Husten Lungenbeteiligung im Rahmen von Systemerkrankunen Erkrankungen der Bronchien: Akute Bronchitis: - Entzündung der Bronchien Pathologie Mucosaschwellung, Erreger Meist viral (RS-Viren etc.), wenn bakteriell, dann schlimmer Symptome Selbstlimitierend Diagnostik Selten notwendig, da wie gesagt selbstlimitierend Labor Therapie Symptomatische Therapie Hustensäfte, Inhalation, Rauchverbot Obstruktive Bronchitis: - Pathogenese Virale Atemwegsinfektion Klinik Pfeiffen, Giemen, Brummen, Dyspnoe, Einzziehungen Bronchiolitis: - Weiter unten, also in den Bronchien+ Trifft eher Säuglinge Lymphozytäres Infiltrat und Ödem Bronchialepithelnekrose Erreger RS-Virus und selten andere Symptome Die ganze Pallette (Atemprobleme, feinblasige RG, schlechter AZ…) Diagnostik Antigennachweis mit Rachenspülwasser, Überblähungszeichen im Röntgen, Atelektasen Therapie Ruhe, Sauerstoff, Paraspasmolytika, Beta2-Mimetika, Synagis-Impfung für Risikogruppen Seite 151 Verena Kaiser Pädiatrie Infektionen der Bronchien Pneumonie: (SIP !) - Weltweit eine der häufigsten todesursachen (vor allem in der 3. Welt) Virale oder bakterielle Entzündung des Interzellularraumes Symptome Tachydyspnoe, Fieber, Husten, Tachykardie, Bauchschmerz bei basaler Pneumonie Auskultation Fein- bis mittelblasige RGs, verschärftes Atemgeräusch über der betroffenen Stelle (Flüssigkeit leitet Schall besser) Einteilung Nach Patientenalter in Kombo mit Erregerspektrum, radiologisch Haupterreger von Seiten der Viren wie immer RS-Viren Diagnostik Labor (CRP usw.), Erregernachweis (Blutkultur!, Nasopharyngealsekret oft falsch positiv), Serologie, Röntgen-Thorax Einteilung nach Erreger: - Bakteriell vs. Viral 100% ist nichts, sogar das CRP steigt bei Adenoviren (lt. Rezenter Schweitzer Studie) Bakteriell Fieber↑↑↑, Wheezing (Mykoplasmen), AF↑, Röntgen-Infiltrat Viral Fieber↑, Pfeiffen, Atelektasen, generelles Krankheitsgefühl↓ Komplikationen Resp. Insuff., Pleuraerguss/Epmyem, Atelektasen, Bronchiektasen Radiologische Einteilung: - Bronchopneumonie Häufigste Form Lobarpneumonie Ganzer Lappen/mehrere Segmente betroffen, häufigster Erreger Pneumokokken Interstitielle Pneumonie Streifen/Schatten/verdichtete interstitielle Räume, vor allem bei Mykoplasmen Atypische Pneumonie: - Atypische bakterien Mykoplasmen etc. Nicht infektiöse Pneumonien Virale Errreger Röteln, Masern Seltene Erreger Pilze, Protozoen Therapie: - Zuerst Evaluation des Schweregrades Beachtung des Erregerspektrums Lokale Besonderheiten und Resistenzlagen einfliessen lassen Diagnostische Untersuchung je nach Schweregrad Röntgen, Auskultation usw immer, Labor wenn schwerer Therapieansatz Wenn möglich gezielt Mittel der Wahl Amoxicillin Mittel der Wahl bei atypischer Pneumonie Erythromycin, Doxycyclin (wenn über 12a) Zusätzlich Inhalation, Physiotherapie, Ruhe etc. Statiönare Aufnahme Wenn Alter↓ oder Krankheit↑ (über 2a nur wenn schlimm wie Sättigung <93%) Kein Ansprechen auf die Therapie: - Passt das AB, stimmt die Dosis (höher bei Kindern!), Probleme am Patienten (Immundefekte, CF etc.) Thorax-Röntgenkontrolle: - Wenn unkomplizierter verlauf Nein Möglichst spät Essentiell bei Atelektasen, weil je länger jene bestehen umso kleiner die Chance auf Öffung und umso größer jene für chronische Entzündung Physiotherapie! Auch bei Rundherden und natürlich bei Persistenz der Beschwerden Erkrankungen der Pleura: Pleuritis: - Pleuritis selten isoliert e.g. bei Tbc Atemabhängige stechende Schmerzen, Husten, Fieber, Dämpfung 3 Stadien Sicca (Fibrinauflagerungen), Exsudativa (seröse Flüssigkeit), Purulenta (Plkeuroempyem) Therapie Je nach Grundkrankheit, ab einem gewissen Ausmaß Punktion für Erregernachweis und Therapie, Drainage wenn größer, Fibrinolytika, VATS (siehe Modul Chirurgie Jahr IV) Therapie dauert lange, oft kommt man um die Chirurgie nicht herum Differenzialdiagnosen an die gedacht werden sollte: (SIP !) - Tuberkulose Fremdkörperaspiration (Erdnüsse etc.) Lungenfehlbildungen Seltene Erkrankungen wie Tumore etc. Verena Kaiser Seite 152