From Roman Provinces to Medieval Kingdoms, ed

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From Roman Provinces to Medieval Kingdoms, ed
Francia-Recensio 2008/4
Mittelalter – Moyen Âge (500–1500)
From Roman Provinces to Medieval Kingdoms, ed. by Thomas F. X. Noble,
Abdingdon (Routledge) 2005, XXV–402 S. (Rewriting Histories), ISBN 0-41532742-3, GBP 19,99
rezensiert von/compte rendu rédigé par
Ingo Runde, Duisburg
Die Reihe »Rewriting Histories« nimmt historische Themen in den Blick, die in der Forschung
besonders kontrovers diskutiert werden. Durch eine Zusammenstellung und den (Wieder-)Abdruck
zentraler Beiträge mit Anmerkungsapparat in Form von Endnoten soll Studierenden ein Zugang zum
jeweiligen Forschungsdiskurs eröffnet werden. In dem vom Direktor des Mittelalter-Instituts an der
Universität Notre Dame (Indiana) Thomas F. X. Noble herausgegebenen Sammelband behandeln
namhafte Spezialisten spezifische Fragen der Zeit des Übergangs vom Untergang des Römischen
Reichs bis zur Ausbildung der mittelalterlichen Königreiche. Nach einer ersten Orientierungshilfe durch
vier Karten und eine Zeittafel vom 4. bis 6. Jh. erläutert der Herausgeber in seiner Einführung
»Romans, barbarians, and the transformation of the Roman Empire« (S. 1–27) grundlegende Fragen
und Themen des Bandes, wobei insbesondere die Rolle der »Barbaren« im Transformationsprozess
der Römischen Welt im Zentrum des Interesses steht. Die Verwendung von Termini wie »Nation«,
»Barbaren« oder »Stamm« ist ebenso Gegenstand des Forschungsüberblicks wie die
Interpretationsmöglichkeiten archäologischer Grabungen. Insgesamt ist der Band in drei Teile
unterteilt, die mit kurzen Einführungen in den jeweiligen Themenkomplex versehen sind – auch jeder
einzelne Beitrag ist mit kurzen Vorbemerkungen zu den spezifischen Aspekten und
Forschungszusammenhängen versehen, die zu weiterführenden Fragestellungen anregen sollen.
Im ersten und längsten Teil finden sich acht Beiträge zur »Barbarian ethnicity and identity«. Unter dem
Titel »The crisis of European identity« (S. 33–42) wird Patrick J. Gearys Einführung zu seinem 2002
erschienenen Buch »The Myth of Nations«1 an den Anfang dieses ersten Teils gestellt. Darin betont er
das (Wieder-)Erwachen nationalistischer, ethnozentristischer und rassistischer Tendenzen in Europa
nach dem Ende des Kalten Krieges, geht dabei auf aktuelle Immigrationsprobleme ein und sucht den
Bogen in die Völkerwanderungszeit zu spannen. Es folgen zwei Beiträge von Herwig Wolfram, deren
erster unter dem Titel »Gothic history as historical ethnography« (S. 43–69) die Einleitung seiner 1988
in englischer Sprache publizierten »History of the Goths« 2 ist. Ausgehend von der polarisierenden
Popularität der »Goten« erläutert er darin zentrale Termini der Völkerwanderungszeit wie gens, foedus
und regnum. Die hier ebenfalls bereits angesprochenen Aspekte Herkunftsmythos und Religion
behandelt Wolfram eingehender in seinem zweiten Beitrag »Origo et religio. Ethnic traditions and
literature in early medieval texts« (S. 70–90), der 1994 in der Zeitschrift »Early Medieval Europe«
1
Patrick J., Geary, The Myth of Nations. The Medieval Origins of Europe, Princeton 2002.
2
Herwig Wolfram, History of the Goths, Berkeley 1988.
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erschienen ist3 und insbesondere die Getica des Jordanes in den Blick nimmt. Dabei zwischen
Heldensaga und -dichtung unterscheidend, wendet er sich gegen die Praxis, frühmittelalterliche Texte
als rein literarische Kreationen zu untersuchen und lediglich in der Zeit der Niederschrift zu situieren.
Walter Goffart, dessen Arbeiten in diesem Zusammenhang kritisch thematisiert werden, stellt direkt im
Anschluss die Frage »Does the distant past impigne on the invasion age Germans?« (S. 91–109) und
meint, dass dies nur in sehr geringem Umfang der Fall sei. Es handelt sich bei dem Text um einen
2002 im Band »On Barbarian Identity« publizierten Aufsatz 4, mit dem Goffart seinerseits zu den
Thesen von Herwig Wolfram und Reinhard Weskus deutlich Stellung bezieht. Er sieht in den
Erzählungen von Jordanes und Paulus Diaconus eher nostalgische Erfindungen von Überlieferung
denn ein Reservoir von Stammeskontinuität. Von den Goten zu den Franken wendet sich der Blick mit
dem Beitrag von Ian Wood »Defining the Franks. Frankish origins in early medieval historiography«
(S. 110–119), 1995 in »Concepts of National Identity in the Middle Ages« erschienen 5. Neben dem
Liber Historiae Francorum zieht Wood entsprechende Passagen bei Gregor von Tours und Fredegar
heran, um vor dem Versuch einer einheitlichen Definition der Franken zu warnen, da sie in mehr als
einem Stamm wurzeln und die durchaus variierenden Kriterien eher Faktoren wie Recht, Regionen
oder Klassen als eine ethnische Gruppe berücksichtigen. Die Zeichen ethnischer Identität sind das
Thema des 1998 publizierten Beitrags »Telling the Difference. Signs of ethnic identity« (S. 120–167)
von Walter Pohl6. Ausgehend von Tacitus beschäftigt er sich darin mit den Aspekten Sprache,
Bewaffnung und Kampfweisen, Kleidung, Haartracht und körperliche Zeichen. Direkt anschließend
nimmt Walter Pohl das Thema »Gender ethnicity in the early middle ages« (S. 168–188) in den Blick.
In dieser 2004 im Sammelband »Gender in the Early Medieval World« erschienen Arbeit 7 verweist
Pohl anhand des (Sammel-)Begriffs ›Amazonen‹ für kämpfende Frauen und der Urspungslegende der
Langobarden auf die Rolle der Frauen bei der frühmittelalterlichen Identitätsbildung. Abschließend
stellt Bonnie Effros in dem Kapitel »Grave goods and the ritual expression of identity« (S. 189–232)
aus ihrem 2003 erschienenen Werk »Merovinigan Mortuary Archaeology« 8 die Möglichkeiten, aber
auch in diesem Zusammenhang zu beachtende Stärken und Schwächen archäologischer Methoden
bei der Erforschung der Merowingerzeit vor. Dabei geht sie auf die Gräber von Childerich und Aregund
ein, zeigt anhand von Kindergräbern, dass die Beigaben (bspw. Waffen) ein eher idealisierendes Bild
der Verstorbenen abgeben können, und verweist auf synchrone wie diachrone Abweichungen bei den
3
Ders., Origo et religio. Ethnic traditions and literature in early medieval texts, in: Early Medieval Europe 3 (1994),
S. 19–38.
4
Walter Goffart, Does the distant past impigne on the invasion age Germans?, in: On Barbarian Identity. Critical
Approaches to Ethnicity in the Early Middle Ages, Turnhout 2002 (Studies in the Early Middle Ages, 4), S. 21–37.
5
Ian Wood, Defining the Franks. Frankish origins in early medieval historiography, in: Concepts of National
Identity in the Middle Ages, hg. von Simon Forde, Lesley Johnson, Alan V. Murray, Leeds 1995 (Leeds Texts and
Monographs, New Series 14), S. 47–57.
6
Walter Pohl, Telling the Difference. Signs of ethnic identity, in: Strategies of Distinction. The Construction of
Ethnic Communities 300–800, hg. von dems., Helmut Reimitz, Leiden 1998 (The transformation of the Roman
world 2), S. 17–69.
7
Ders., Gender ethnicity in the early middle ages, in: Gender in the Early Medieval World. East and West 300–
900, hg. von Leslie Brubaker, Julia M. H. Smith, Cambridge 2004, S. 23–43.
8
Bonnie Effros, Merovinigan Mortuary Archaeology and the Making of the Early Middle Ages, Berkeley 2003.
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Grabsitten in Köln-Müngersdorf, Frénouville und Lavoye. Anschließend behandelt sie die
archäologischen Befunde zu rituellen Praktiken und die Probleme der Interpretation und geht auf die
Phase des Übergangs von einer beigabenzentrierten Bestattungssitte zu einer gesteigerten
Bedeutung des Bestattungsortes in oder bei Kirchen ein.
Der zweite Teil des Bandes stellt Beiträge zur Thematik »Accomodating the Barbarians« zusammen.
Den Anfang macht Walter Goffart mit einem Auszug über »The Barbarians in late antiquity and how
they were accomodated in the West« (S. 235–261) aus seinem 1980 erschienenen Buch »Barbarians
and Romans«9. Nach einem kurzen chronologischen Überblick über die einzelnen germanischen
gentes im 4. und 5. Jh. folgt die Diskussion von Zitaten aus Forschungsliteratur über die Ursprünge
der Burgunder und Goten und deren Überlieferung. Dabei wendet er sich gegen die Vorstellung eines
einheitlichen Germanentums, betont Unterschiede und Uneinigkeit der Völker jenseits der römischen
Grenzen und beleuchtet deren Wege in das Römische Reich. Das Problem der Migration aus
archäologischer Sicht behandelt Heinrich Härke in seinem 1998 erschienenen Aufsatz
»Archaeologists and migrations. A problem of attitude?« (S. 262–276) 10. Ausgehend von den konträren
britischen und deutschen Reaktionen auf Untersuchungen zum Anteil von Immigranten germanischer
Herkunft und verbliebener britischer Bevölkerung in Männerbestattungen des 5. bis 7. Jhs. beschäftigt
sich Härke mit (kultur)politischen Einstellungen zur Migration, wobei ihm auch Nazi-Deutschland,
Südafrika und die sowjetische Archäologie als Beispiele dafür dienen, wie wichtig es ist, in der
archäologischen Arbeit frei von politischem Einfluss und Druck zu sein. Guy Halsall erklärt den Titel
seines 1999 publizierten Artikels »Movers and Shakers. The Barbarians and the Fall of Rome« (S.
277–291)11 so, dass er damit die Aufteilung der Forschungsöffentlichkeit in zwei Gruppen definiert:
»Movers« schreiben den Wandel in der Spätantike der Bewegung germanischer Gruppen in das
Römische Reich zu, dessen Katalysator eine zahlenmäßig große Gruppe barbarischer Migranten war.
»Shakers« sehen kleine Gruppen barbarischer Elite-Krieger im Fokus der spätantiken Spannungen
und Wandlungsprozesse, die das Reich bis ins Mark erschütterten. Im Folgenden stellt er Werke aus
beiden Lagern vor, wobei als »traditional Movers« E. A. Thompson und Neil Christie besprochen
werden, denen Peter Heather als »counter-revisionist« gegenübergestellt wird – auch die Werke von
Michel E. Jones und Patrick Amory werden hierbei in den Blick genommen 12. Peter J. Heather kommt
anschließend selbst mit dem 1997 im ersten Band der Reihe »The Transformation of the Roman
World« erschienenen Beitrag »Foedera and foederati of the fourth century« (S. 292–308)13 zu Wort.
9
Walter Goffart, Barbarians and Romans A.D. 418–584. The Techniques for Accomodation, Princeton 1980.
10
Heinrich Härke, Archaeologists and migrations. A problem of attitude?, in: Current Anthropology 39 (1998),
S. 19–45.
11
Guy Halsall, Movers and Shakers. The Barbarians and the Fall of Rome, in: Early Medieval Europe 8 (1999),
S. 131–145.
12
Christie, Neil, The Lombards, Oxford 1995 (The peoples of Europe); Peter Heather, The Goths Oxford 1996
(The peoples of Europe); Michael E.Jones, The End of Roman Britain, Ithaca/NY 1996; E. A. Thompson, The
Huns, Oxford 1996 (The peoples of Europe); Patrick Amory, People and Identity in Ostrogothic Italy 489–554,
Cambridge 1997 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 4,33).
13
Peter Heather, Foedera and foederati of the fourth century, in: Kingdoms of the Empire. The Integration of
Barbarians in Late Antiquity, hg. von Walter Pohl, Leiden 1997 (The Transformation of the Roman World, 1),
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Ausgehend von einer kritischen Betrachtung des durch Jordanes vermittelten Bildes der Übereinkunft
zwischen Konstantin dem Großen und den Goten behandelt er foedera und foederati erst in der
Theorie, um sie dann in der praktischen Ausgestaltung zu untersuchen. Das Problem des inhaltlichen
Wandels der Begriffe in Quellen späterer Zeit im Blick behaltend, erscheinen ihm foedus, foederati und
deditio als Teil der Bemühungen um den Siegesmythos und weniger als zutreffende Beschreibung der
realen römischen Außenpolitik. Den Abschluss dieses Teils bildet der 1997 im gleichen Band
publizierte Aufsatz von Wolf Liebschütz »Cities, taxes, and the accomodation of the Barbarians. The
theories of Durliat and Goffart« (S. 309–323)14. Darin bietet er eine auf den Bereich der fiskalischen
Mechanismen ausgerichtete Kritik der Thesen von Jean Durliat und Walter Goffart 15, indem er auf den
Zusammenhang zwischen dem Steuersystem und der Ansiedlung foederierter Barbaren nach dem
Prinzip der hospitalitas eingeht.
Den dritten und chronologisch letzten Teil »Barbarians and Romans in Merovingian Gaul« leitet der
2002 veröffentlichte Beitrag von Stéphane Lebecq »The two Faces of King Childeric. History,
archaeology, historiography« (S. 327–344) ein16. Das berühmte Grab des Frankenkönigs Childerich in
den Mittelpunkt der Betrachtungen stellend, geht Lebecq zunächst auf die schriftliche Überlieferung zu
dessen Person ein, um anschließend die 1653 erfolgte Entdeckung des Grabes in Tournai und die
aktuellen Ausgrabungen dort zu thematisieren. Abschließend stellt er Aussagen von mehreren
Forschern zu Childerich gegenüber und stellt fest, dass ein deutlicher Trend zu einer Besinnung auf
die Ambivalenz seiner Macht als Germane und römischer Offizier zu erkennen ist, die auch in seiner
letzten Ruhestätte ihren Ausdruck finden sollte. Sein Nachfolger Chlodwig steht im Mittelpunkt des
folgenden Auszuges »Frankish victory celebrations« (S. 345–357) aus dem 1986 erschienenen Buch
»Eternal victory« von Michael McCormick17. Anhand des Besuchs Chlodwigs in Tours nach der
Eroberung von Toulouse wird deutlich, wie römische Elemente in die Siegesfeierlichkeiten integriert
wurden. In der Schilderung des Bischofs Gregor von Tours berücksichtigte der Frankenkönig dabei
insbesondere auch die christlichen Heiligtümer der Stadt und zeigte sich so als Herrscher über die
germanische wie gallorömische Bevölkerung. Die Merowinger nutzten nicht nur die Symbolik des
Römischen Reichs, sondern waren nach Ian Woods 1990 publiziertem Beitrag »Administration, law,
and culture in Merovingian Gaul« (S. 358–375)18 auch in der Lage, Teile der gallorömischen
S. 57–74.
14
Wolf Liebschütz, Cities, taxes, and the accomodation of the barbarians. The theories of Durliat and Goffart,
ibid., S. 135–151.
15
Jean Durliat, Le salaire de la paix sociale dans les royaumes barbares (Ve–VIe siècles), in: Anerkennung und
Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit 400–600, hg. von Herwig Wolfram,
Andreas Schwarcz, Wien 1988 (Veröffentlichungen der Kommission für Frühmittelalterforschung, 11), S. 21–72;
Goffart, Barbarians and Romans (wie Anm. 9).
16
Stéphane Lebecq, The two Faces of King Childeric. History, archaeology, historiography, in: Integration und
Herrschaft. Ethnische Identitäten und soziale Organisation im Frühmittelalter, hg. von Walter Pohl, Maximilian
Diesenberger, Wien 2002 (Denkschriften. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische
Klasse 301; Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, 3), S. 119–132.
17
Michael McCormick, Eternal victory. Triumphal rulership in late antiquity, Byzantium and the early medieval
West Cambridge 1986 (Past and present publications).
18
Ian, Wood, Administration, law, and culture in Merovingian Gaul, in: The uses of literacy in Anglo-Saxon
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Infrastruktur fortzuführen. Hierbei ist von Bedeutung, dass die Schriftlichkeit nicht nur auf die höchsten
sozialen Kreise beschränkt war und nicht zuletzt das Fortbestehen von Kenntnissen des weltlichen
wie kirchlichen Rechts überliefert ist. Die entsprechende Ausbildung fand am königlichen Hof und vor
allem auch in den Provinzen statt, wobei der Kontakt durch Briefe aufrechterhalten wurde, wie bspw.
die Epistolae Austrasiacae oder die Briefsammlung des Desiderius von Cahors zeigen. Während das
Augenmerk von Wood mehr auf die bürokratischen Aspekte des merowingischen Staates gerichtet ist,
nimmt Alexander Callander Murray in seinem 2001 veröffentlichten Aufsatz »Pax et disciplina. Roman
public law and the Merovingian state« (S. 376–388)19 nicht zuletzt die rechtliche Praxis in den Blick.
Der durch Gregor von Tours inspirierten Kritik des merowingischen Staates durch Ferdinand Lot 20 stellt
Murray den in der neuren Forschung akzeptierten ›sub-römischen Charakter des merowingischen
Königtums‹ gegenüber. Im Bereich des Steuersystems die Arbeit von Jean Durliat 21 kritisch
ansprechend, kommt er über die Ämtertermini comes und centenarius mit deren juristischen
Kompetenzen auf das öffentliche Recht im Frankenreich zu sprechen. Hierbei der Frage nachgehend,
ob Immunität als originär fränkisches Rechtselement anzusehen ist oder auf Kontinuitäten aus
römischer Zeit hinweist, erkennt er das römische öffentliche Recht als lebendige, sich verändernde
Tradition, die unter den Merowingerkönigen weiterhin einen Teil der Lebenswirklichkeit in Gallien
darstellte.
Insgesamt bietet dieser Sammelband eine instruktive Zusammenstellung der für die Übergangsphase
»von den römischen Provinzen zu den mittelalterlichen Königreichen« wichtigen
Forschungsmeinungen in englischer Sprache, die durch hilfreiche Einführungen für Studierende
aufbereitet werden. Hierbei überwiegen gotische und fränkische Aspekte, was sich auch im
abschließenden Namen- und Sachindex (S. 389–402) niederschlägt und wohl nicht zuletzt der
angestrebten Vergleichbarkeit der Beiträge geschuldet ist. Deren Herkunftsangaben sind lediglich
summarisch unter »Acknowledgments« (S. XVII–XVIII) aufgelistet und hätten vielleicht ein wenig
präziser als dort geschehen den einzelnen Überschriften zugeordnet werden können.
England and its neighbours, hg. von Rosamond McKitterick, Cambridge 1990, S. 63–81.
19
Alexander Callander Murray, Pax et disciplina. Roman public law and the Merovingian state, in: Proceedings of
the Tenth International Congress of Medieval Canon Law, hg. von Kenneth Pennington, Stanley Chodorow, Keith
H. Kendall, Città del Vaticano 2001 (Monumenta Iuris Canonici Series C: Subsidia 11), S. 269–285.
20
Ferdinand Lot, La Fin du monde antique et le début du moyen âge, Paris 1927.
21
Jean Durliat, Les Finances publiques de Dioclétien aux Carolingiens (288–888), Sigmaringen 1990 (Beihefte
der Fancia, 21).
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