Alexander Markin: It Came From Outer Space

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Alexander Markin: It Came From Outer Space
Alexander Markin
Gefahr aus dem Weltall
It Came from Outer Space
U.S.A. 1953 s/w, 3D 81 min
R: Jack Arnold
P: William Alland (für Universal)
B: Harry Essex (nach der Story „The Meteor“ von Ray Bradbury)
K: Clifford Stine
M: Irving Gertz, Henry Mancini, Herman Stein
D: Richard Carlson (John Putnam), Barbara Rush (Ellen Fields), Charles Drake
(Sheriff Matt Warren), Joe Sawyer (Frank Daylon), Russell Johnson (George)
John Putnam ist ein gutaussehender unverheirateter Schriftsteller und
Amateurastronom, der in der Wüste lebt, wo er nachts ungestört den Sternenhimmel
mit einem Fernrohr erforschen kann. Eines Abends beobachtet er zusammen mit
seiner Freundin, Schullehrerin Ellen, wie ein riesiger Meteorit auf die Erde fällt.
Dann befinden sich die Zuschauer plötzlich im Meteoritenkrater. Man sieht ein
gigantisches außerirdisches Raumschiff und dessen Motor, der an das übliche
Emblem des Atoms erinnert. Für einen Moment geht das Licht aus, und man hört
nur ein seltsames schweres Atemgeräusch und beängstigende Synthesizer-Klänge.
Plötzlich erscheint aus dem Dunkel ein großes Auge, und man kann die undeutlichen
Züge eines Ungeheuers erkennen. Die Kamera wechselt daraufhin plötzlich die
Perspektive, und der Zuschauer sieht die Welt durch die Augen des Ungeheuers! Sein
Blick gleitet über die Wüste...
Der Krater raucht noch, als John und Ellen ihn am nächsten Morgen mit dem
Hubschrauber erreichen. „Wie wunderschön!“ ruft Ellen entzückt aus. Unten im
Krater bemerkt John ein außerirdisches Raumschiff, doch als er sich dem Schiff zu
nähern beginnt, begräbt ein plötzlicher Steinschlag das Schiff unter sich. Somit ist
Putnam der Einzige, der das Raumschiff gesehen hat. Vergeblich versucht er die
übrigen Bewohner der Kleinstadt (die bezeichnenderweise den Namen Sand Rock
hat) davon zu überzeugen, dass ihm tatsächlich Aliens begegnet sind. Weder der
Leiter des lokalen Observatoriums, Dr. Snell, noch der Sheriff Matt Warren glauben
ihm. Da er in seiner Heimatstadt sowieso als Sonderling gilt, wird er nur ausgelacht.
Inzwischen beginnen die Aliens, die Einwohner der Stadt zu entführen und diese
durch zombieähnliche Doppelgänger zu ersetzen. Als auch Ellen den Außerirdischen
zum Opfer fällt, entscheidet sich John, Kontakt mit den Aliens aufzunehmen.
Dadurch erfährt er, dass die Aliens gar keine bösen Absichten haben. Während einer
Forschungsreise durch das Weltall mussten sie aufgrund eines Defekts am Motor auf
der Erde notlanden. Nun möchten sie eigentlich nur ihr Raumschiff reparieren und
wieder wegfliegen, da die Erdbewohner, die „alles zerstören, was sie nicht
verstehen“, zur Kommunikation mit der hochentwickelten außerirdischen
Zivilisation noch nicht bereit sind.
Auch wenn das Sujet von It Came from Outer Space von Jack Arnold nach einer
Story von Ray Bradbury naiv, wenn nicht sogar absurd erscheint, war dieser Film nur
einer von vielen ähnlichen phantastischen Filmen, die seit Anfang der 1950er Jahre
die amerikanische Leinwand eroberten. In diesen Filmen begegnen die Erdlinge
Aliens aller Art, die ihnen sehr oft feindlich gesonnen sind und die Erde erobern
wollen; so War of the Worlds (Krieg der Welten; R.: Bryan Haskin, 1953); Invaders
from Mars (Invasion vom Mars; R.: W.C. Menzies, 1953); Invasion of Body
Snatchers (Die Dämonischen; R.: Don Siegel, 1956); The Blob (Blob – Schrecken
ohne Namen; R.: I.S. Yeaworth, 1958). Nur selten sind diese auf Fremde gut zu
sprechen. Sind die Aliens den Menschen jedoch gut gesinnt, möchten sie die
Menschen vor der Gefahr der Atomwaffen warnen und ihnen gegenseitigen Respekt
lehren, wie etwa in The Day the Earth Stood Still (Der Tag, an dem die Erde still
stand; R.: Robert Wise, 1951). In anderen Fällen kämpfen die Protagonisten dieser
Filme gegen infolge der Atomtests entstandene, unter der Erde oder im Ozean
lebende Mutanten, wie in Them! (Formicula; R.: Gordon Douglas, 1954) oder in It
Came from Beneath the Sea (Das Grauen aus der Tiefe; R.: R. Gordon, 1955), oder
gar gegen riesige lebendige Karotten, wie in The Thing (Das Ding aus einer anderen
Welt; R.: Christian Nyby, 1951). Schon in der Mitte der 1960er hat die amerikanische
Publizistin Susan Sontag in ihrem Essay über „Die Katastrophenphantasie“ (1965)
diese Filmgattung abgesondert und als „Fifties Science Fiction Cold War Paranoia
Movies“ bezeichnet. Die Konventionen der am Anfang des 20. Jahrhunderts
entstandenen literarischen Gattung der Science Fiction, deren thematische
Komplexe sich um die Verhältnisse zwischen Wissenschaft, Technologie, Politik und
Gesellschaft drehen, eigneten sich am besten dafür, die Schlüsselängste des Kalten
Krieges, wie Angst vor der Atombombe und der totalen Vernichtung Amerikas,
kommunistischer Invasion und östlichen totalitären Regimen, in allegorischer Form
auszudrücken. Während im realen Leben Amerikaner strahlungssichere Bunker
bauten und sich mit den Lehrfilmen über das richtige Benehmen im Fall des
Atombombenangriffs der Sowjets auseinandersetzten, wüteten auf der Leinwand von
der Strahlung geborene Monstren und Mutanten – riesige Spinnen, Kraken und der
Schrecken von Amazonas. Während 1947 in Hollywood das wieder ins Leben
gerufene House Committee on Un-American Activities (HUAC), das von der
paranoiden Idee der Red Scare getrieben war, dass Agenten des Kommunismus in
alle Bereiche des amerikanischen Lebens eingedrungen waren, gegen das
Andersdenken kämpfte (es wurden schwarze Listen der verdächtigen
Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler zusammengestellt), kämpften die
Helden der phantastischen Filme gegen die Feinde, die offensichtlich die Züge des
politischen Gegners trugen. Diese Feinde stammten vom roten Planeten Mars (War
of the Worlds; Invaders from Mars), oder sie waren wie die gigantischen Ameisen in
Them! rot (die Farbe Rot assoziierte man damals fast automatisch mit dem
Kommunismus). Sie beeinflussten vor allem diejenigen, die in der Öffentlichkeit für
kommunistische Propaganda am anfälligsten galten – Intellektuelle und Arbeiter
und diejenigen, welche die „schwächsten Gehirne“ hatten: Kinder und Frauen. Sie
handeln hinterlistig, bilden illegale Zellen und sammeln sich in
Geheimgesellschaften, wo sie ihre verschwörerischen Pläne der Eroberung der freien
westlichen Welt besprechen. Sie können sich überall aufhalten und zu jeder Zeit die
Macht ergreifen. Sie fressen Körper und Gehirne. Sie pflanzen in die Körper der
würdigen Bürger rote Kristalle ein, welche diese Bürger in mörderische Roboter
verwandeln. Sie möchten, wie die Kommunisten in der Sowjetunion oder China, alle
gleich machen. Zu unselbständigen und willenlosen Zombies sozusagen, zu Pflanzen,
zu Mechanismen, die nur nach Regeln der Funktionalität handeln. Sie selbst haben
keine Gefühle, und sie berauben auch die Menschen ihrer Gefühle und Emotionen.
„Ohne Liebe, Lust, Ehrgeiz, Glaube ist das Leben so viel einfacher!“ – so ihr Credo.
Genau dieser Anblick der emotionslosen Menschen macht diese Filme so
erschreckend. Wenn in It Came from Outer Space die Kamera das Gesicht des von
Aliens zombierten Arbeiters namens George aufnimmt, der regungslos und ohne zu
blinzeln in die Sonne starrt, schockiert diese Szene die Zuschauer viel mehr als
diejenige, in der man das Gesicht des Aliens sieht. Ohne Emotionen und Gefühle ist
ein Mensch kein Mensch, kein Individuum mehr. Und wenn die Leute nicht mehr
unabhängig handeln können, ist auch die Idee von Amerika als Gesellschaft der
autonomen Individuen gefährdet.
Doch die Angst vor dem Kommunismus war nur eine Seite der Medaille. Die ersten
Sci-Fi Filme waren auch ein Seismogramm der Konflikte innerhalb von Amerika. Sie
widerspiegelten die Ängste der weißen patriarchalen Vormachtstellung, die durch
diverse Bedrohungen wie dem Aufschwung der afro-amerikanischen
Bürgerrechtsbewegung (civil right movement) oder die vom Zweiten Weltkrieg
geförderte Emanzipation der Frauen an der Heimatfront ins Schwanken geraten war.
Es gab einen Kontrast zwischen der in der Öffentlichkeit proklamierten Stabilität des
American Way of Life und dem innerlichen Zweifel an dieser Stabilität. Umso
bemerkenswerter ist die ironische Dissonanz der Eröffnungsszene von It Came from
Outer Space: Während ein Voice Over von der „vorhersehbaren und sicheren
Zukunft“ des kleinen provinziellen amerikanischen Städtchens Sand Rock spricht,
bewegt sich die instabile Kamera langsam durch die leblose verwüstete Landschaft
zu einem steilen Abhang. Von dort aus erblickt man die abendlichen leeren Straßen
der kleinen Stadt.
Freilich ist die Benutzung von Voice Over eine typische Konvention des Film noir,
jenes Filmstils, der sich wenige Jahre vor dem Beginn des Science Fiction-Booms in
Hollywood etabliert hat. Nicht zuletzt entsteht die für die ersten Filme des Science
Fiction-Zyklus bezeichnende Atmosphäre der Paranoia und Angst, weil diese Filme
Noir-Erzähltechniken übernehmen, wie Voice Over, Rückblenden, Low-KeyBeleuchtung, kräftige Kontraste, Schattenspiele, Weitwinkel-Aufnahmen. Dazu ist
der typische Held, der die seltsamen Ereignisse in seiner Stadt oder die Verbrechen
des Aliens zu erklären und aufzudecken versucht, (wie der Protagonist des Film noir)
oft ein Einzelgänger oder Außenseiter, zwar nicht immer ein Detektiv oder Polizist,
sondern, die neuen Errungenschaften der Technik zelebrierend, ein Wissenschaftler.
Einer seiner Gegenspieler ist häufig eine dämonische Frau, die der Femme fatale des
Films noir ähnelt. So versucht in der düstersten Szene von It Came from Outer
Space Ellens Doppelgängerin in einem erotisch aufreizenden schwarzen Abendkleid
den Protagonisten in eine Schlucht zu stürzen. Als dies misslingt, greift die
Doppelgängerin John mit einer Laserpistole an. Nicht zufällig sieht auch der
Xenomorph (so nennt man den Außerirdischen im Drehbuch von It Came from
Outer Space) wie eine riesige monströs-groteske Frauenfigur aus. Them!
demonstriert vielleicht am deutlichsten, dass die Science Fiction-Filme der 1950er
Jahre nicht nur vom Kalten Krieg und Red Scare, sondern (wie auch viele Films
noirs) auch vom Geschlechterkrieg in Amerika zu jener Zeit handeln. Die
gigantischen Killer-Ameisen in diesem Film sind nicht nur rot; vor allem sind sie
Weibchen. Das unterirdische Ameisenkönigreich ist eine matriarchalische
Gesellschaft, in der die dämonischen Ameisenköniginnen dominieren. Sie brauchen
ihre Ameisenmännchen nur der Fortpflanzung wegen. Sie töten nur Männer – FBIAgenten und Polizisten. Diese Ameisenköniginnen, die das radikal Andere
repräsentieren, müssen in einer Militäraktion vernichtet werden, damit das Leben in
Amerika wieder seinen normalen Lauf nehmen kann.
Ambivalenz ist ein wesentliches Merkmal der Science Fiction der 1950er Jahre. Die
Filme sind nicht nur allegorische Wiedergaben der äußerlichen oder inneren
Konflikte Amerikas. Sie führen uns auch die Erfahrung des Lebens in modernen
Gesellschaften und die existentielle Einsamkeit der Menschen vor Augen. Viele von
diesen Filmen, auch It Came from Outer Space, beginnen und enden mit den
Aufnahmen des dunklen Himmels, leblosen Wüsten, eisigen arktischen
Landschaften, endlosen Ozeanen, mit Bildern der Natur, die dem Menschen äußerst
fremd ist. Diese Filme verbildlichen die Ängste des modernen Menschen, der in die
Netze der Staatsbürokratie, Technologie und der Konsumgesellschaft geraten ist.
Ganz wenig hängt vom einzelnen Menschen ab, denn zu jeder Zeit kann er die
Kontrolle über sein eigenes Leben verlieren. Seine Stimme ist unhörbar. Der
Regisseur von It Came from Outer Space: Jack Arnold, radikalisiert das Gefühl der
Hilflosigkeit des Zuschauers, indem er seinen Film in 3D aufnimmt. Die Paranoia
und Ratlosigkeit seines Helden, der gegen Aliens, aber auch gegen die
stumpfsinnigen Bewohner seiner Kleinstadt kämpfen muss, wird durch die Effekte in
die Tiefe verstärkt. Das 3D löst die Grenze zwischen Leinwand und Zuschauer auf,
und, wie der Held des Films, der nicht mehr begreifen kann, was in ihm vorgeht,
verliert sich auch der Zuschauer, ebenfalls umgeben von virtuellen Gegenständen, im
Raum des Kinosaals. Er ist verwirrt und kann sich nicht mehr orientieren.
Durch diese Auflösung der Grenze zwischen Leinwand und Zuschauer wird die Frage
nach dem Fremden, nach dem Anderen gestellt. Die Science Fiction der 1950er Jahre
zeigt nun, dass jeder zum Anderen werden kann. Die Menschen, die mit ihrer
Militärtechnik gegen die Monsterameisen in Them! kämpfen, sehen nicht selten
selber aus wie Insekten. In einer der Szenen dieses Films, ein Wissenschaftler in
Washington führt den Regierungsleuten und Militärs einen Film über das Leben der
Ameisen vor, schauen plötzlich diese Regierungsleute von der Leinwand in den
Kinosaal, als ob die im Kinosaal sitzenden echten Zuschauer des Films die Ameisen
wären, deren Leben die fiktiven Figuren beobachten. Auch die scheinbar perfekte
Gesellschaft der Gehirn gewaschenen Pod-Menschen in Invasion of Body Snatchers,
der sich der Protagonist des Films, Dr. Miles Bennel, widersetzt, erinnert an die
gängigen Bilder der idyllischen amerikanischen Kleinstadt aus Frauenmagazinen
und Fernsehwerbungen. In It Came from Outer Space schließlich spielt Jack Arnold
mit verschiedenen Einstellungen und verwischt auf diese Weise nach und nach die
Grenze zwischen seinem Haupthelden, dem Außenseiter, der mit dem Barbarismus
und der Ignoranz der Bewohner von Sand Rock kämpft, und den Aliens, die sich der
Beschränktheit und Intoleranz der Erdbewohner bewusst sind. Am Ende des Films
muss John sogar mit seinem Doppelgänger Verhandlungen aufnehmen! Doch Jack
Arnold geht noch weiter. Durch die Benutzung des Point-of-View-Shot wird die
Perspektive des Aliens zur Perspektive des Zuschauers: Es ist nicht mehr deutlich zu
erkennen, wer der Alien ist. Indem wir, die Zuschauer, die Welt durch die Augen des
Anderen sehen können, können wir auch die finale humanistische, ja für die Zeiten
des Kalten Krieges fast unmögliche Geste des Autors von It Came from Outer Space,
den Aufruf zum friedlichen Zusammenleben, viel besser verstehen.
Alexander Markin
Literatur:
Susan Sontag: Die Katastrophenphantasie. In: S.S.: Kunst und Antikunst. Hamburg
1968. – John Baxter: Lucifer. The Films of Jack Arnold. In J.B.: Science Fiction in
the Cinema 1895-1970. London 1970. – James Robert Parish/Michael R. Pitts: The
Great Science Pictures. Metuchen 1977. – Nora Sayre: Running Times: Films of the
Cold War. New York 1980. – Rolf Gießen: Science Fiction: 50 Klassiker des SFKinos. Schondorf 1980. – Peter Biskind: Seening is Believing: How Hollywood
Taught Us to Stop Worrying and Love the Fifties. London 1983. – Phil Hardy:
Science Fiction. London 1984. – Norbert Stresau (Hrsg.): Enzyklopädie des
Phantastischen Films. Meitingen 1986. – John Belton: CinemaScope and Historical
Methodology. In: Cinema Journal 28. 1/ 1988. –Dana M. Reenes: Directed by Jack
Arnold. London 1988. – Frank Schnelle (Hrsg.): Hollywood Professional. Jack
Arnold und seine Filme. Stuttgart 1993. – Mark Jancovich: Rational Fear. American
Horror in the 1950s. Manchester/New York 1996. – Vivian Sobchack: Screening
Space. The American Science Fiction Film. New Brunswick/New Jersey/London
1997. – Ronnie D. Lipschutz: Cold War Fantasies. Film, Fiction, and Foreign Policy.
Lanham 2001. –

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