iusplus - Frauenarzt
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IUSPLUS Dr. iur. Rudolf Ratzel Rechtsanwalt Lenbachplatz 1 D-80333 München rade sensible Reaktion ihres Arbeitgebers hierauf hatte sich diese Situation verschärft. Eine kaufmännische Angestellte teilte ihrem Arbeitgeber im August 2003 ihre Schwangerschaft mit. In der Folge war sie insgesamt fünf Wochen krankgeschrieben. Es lag eine Risikoschwangerschaft vor. Nach ihrer Rückkehr in den Betrieb erhielt die Frau im September verschiedene Dienstanweisungen und auch Abmahnungen. Schließlich wurde ihr der bisherige Arbeitsplatz entzogen und sie in ein kleineres Zimmer versetzt. Die Frau sprach im Prozess von „Mobbing“. Nach § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind. Es ist nicht erforderlich, dass der konkrete Arbeitsplatz oder die Tätigkeit als solche gesundheitsgefährdend sind, sondern die Gefährdung muss von der Fortdauer der Beschäftigung ausgehen. Dabei sind die individuellen Verhältnisse der Frau als Schwangere maßgeblich. Das heißt, selbst wenn man der Frau ohne Schwangerschaft hätte zumuten müssen, sich mit ihrem Arbeitgeber notfalls konfliktbezogen auseinander zu setzen, war ihr diese Last aufgrund ihres schwangerschaftsbedingten psychischen Zustandes eben gerade nicht zuzumuten. Die Frage, wann während einer Schwangerschaft eine krankheitsbedingte AU-Bescheinigung ausgestellt oder ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 MuSchG ausgesprochen werden kann, ist in der Praxis nicht immer einfach zu beantworten. Wird ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen, erhält die Schwangere weiterhin den Mutterschutzlohn von ihrem Arbeitgeber in voller Höhe für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverbots (§ 11 MuSchG). Deshalb sehen Arbeitgeber individuelle Beschäftigungsverbote in der Regel eher kritisch. Die psychischen Folgen blieben nicht aus. Nach einer erneuten Krankschreibung durch eine Psychiaterin sprach die Gynäkologin schließlich ein individuelles und generelles Beschäftigungsverbot bis zum Beginn der gesetzlichen Mutterschutzfristen aus. Der Arbeitgeber musste den vollen Mutterschutzlohn weiterzahlen. Diesen verlangte er vor dem Arbeitsgericht von seiner Angestellten, der die Schwangerschaft betreuenden Gynäkologin und einem weiteren Frauenarzt, der das Beschäftigungsverbot bestätigte, als Schadensersatz zurück. Die Angestellte hätte die Situation falsch dargestellt. Dies hätte den Gynäkologen auffallen müssen. Anhand der Gesamtsituation sei nur eine Krankschreibung in Betracht gekommen. Frauenärzte wiederum scheuen sich nicht selten, ein Beschäftigungsverbot auszusprechen, weil sie dadurch in die direkte Konfrontation mit dem Arbeitgeber ihrer Patientin geraten können. Dabei haben sie im Übrigen den Grundsatz zu beachten, dass bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit die AU-Bescheinigung stets Vorrang vor einem Beschäftigungsverbot hat (BAGE 85, 237ff.). Wie steht die Sache aber, wenn es während der Schwangerschaft schon einmal zu einer Krankschreibung gekommen war und die betreuende Gynäkologin später ein Beschäftigungsverbot für die gesamte Restdauer der Schwanger- Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Gericht betont zwar nochmals den Vorrang der Krankschreibung; wenn aber eine bestehende Erkrankung erst bei Fortführung der Beschäftigung eine Verschlechterung der Gesundheit und damit die Unfähigkeit zur Arbeitsleistung befürchten lasse, könne dennoch ein Beschäftigungsverbot in Betracht kommen, wenn der Grund hierfür ausschließlich in der Schwangerschaft liege. Dies sah das Arbeitsgericht als gegeben an. Die Frau war aufgrund der Gesamtsituation psychisch extrem angespannt. Durch die vorangegangene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und die nicht ge- Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft 810 schaft ausstellt? Diesen Fall musste das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil v. 21.7.2004 (2 Ca 4764/04) entscheiden. FRAUENARZT 45 (2004) Nr. 9 Eine weitere, aber eher heitere Begebenheit aus Berlin ist den Redakteuren der Züricher NZZ (Ausgabe vom 2.6.2004) aufgefallen. Die Schweizer wundern sich über den Berliner Senat, der ein eigenes Landesseilbahngesetz erlassen hat. Der Kreuzberg ist 66 und der „Teufelsberg“ 115 Meter hoch. Eine Seilbahn gibt es dort nicht. Dafür gibt es in Brüssel eine Harmonisierungsrichtlinie, die in allen EU-Ländern die Seilbahngesetze vereinheitlichen soll. Als sich Deutschland wegen Nichtbeachtung in Berlin sogar ein Vertragsverletzungsverfahren einhandelte, handelte man auch in Berlin und schrieb kurzerhand die Seilbahngesetze von Baden-Württemberg und Bayern ab. Seilbahnen gibt es in Berlin deshalb zwar immer noch nicht. Welch ein Gedanke: von der Schweizer Botschaft nach Kreuzberg, und das Ganze auch noch EUkonform? Warum eigentlich nicht... Dies meint jedenfalls Ihr Dr. Rudolf Ratzel