Landesbauordnung - Arbeitsgemeinschaft Rheinland

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Landesbauordnung - Arbeitsgemeinschaft Rheinland
STELLUNGNAHME
Entwurf des dritten Landesgesetzes zur Änderung der
Landesbauordnung Rheinland-Pfalz
Mit dem Entwurf des dritten Landesgesetzes zur Änderung der Landesbauordnung
Rheinland-Pfalz soll das Bauordnungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz an gesellschaftliche
Entwicklungen und im Gesetzesvollzug gewonnene Erkenntnisse angepasst sowie um neue
materielle Bestimmungen zur Barrierefreiheit ergänzt werden.
Grundsätzlich vertritt die IHK-Arbeitsgemeinschaft die Position, dass das Bauen durch die
Reduktion oder den Wegfall bestehender Regulierungen sowie einen möglichst
weitgehenden Verzicht auf weiterführende Auflagen erleichtert werden sollte. Eine mögliche
Stärkung der Eigenverantwortung der Bauherrinnen und Bauherren darf dabei nicht zu einer
Lastenabwälzung der öffentlichen Hand führen, indem diese im nachvollziehbaren
Eigeninteresse einer Entlastung maßgebliche Kontroll- und Aufsichtspflichten an die
Bauherrin oder den Bauherren überträgt.
Zum Gesetzesentwurf haben wir im Einzelnen folgende Anmerkungen:
§ 2 Absatz 9 (neu): Definition der Barrierefreiheit
Die IHK-Arbeitsgemeinschaft begrüßt die Formulierung einer klarstellenden, allgemeinen
Definition der Barrierefreiheit. Wie bauliche Anlagen aber beispielsweise für sehbehinderte
Menschen „ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar“
sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Die Definition der Barrierefreiheit bedarf hier einer
Konkretisierung.
§ 51 (geändert): Barrierefreiheit
Die mit dem neu eingefügten § 51 Absatz 1 verfolgte Absicht, das Kontingent barrierefrei
erreich- und nutzbarerer Wohnungen zu erhöhen, ist vor dem Hintergrund des
demografischen Wandels nachvollziehbar.
Gerade mit Blick auf Neubauten gilt dies vom Grundsatz her auch für die vorgesehene
Erweiterung des Katalogs der baulichen Anlagen, die zukünftig barrierefrei sein müssen (§
51 Abs. 3). Insbesondere mit Blick auf (historische) Bestandsbauten, sehen wir jedoch bei
den ergänzten gewerblichen Nutzungen die Gefahr einer übermäßigen finanziellen
Belastung und damit eines erheblichen Investitionshemmnisses für gewerbliche Nutzungen,
weshalb bei der Regelung unbedingt auf Verhältnismäßigkeit und Augenmaß zu achten ist.
Die Beschränkung der Anforderungen an Barrierefreiheit auf den für die
zweckentsprechende Nutzung tatsächlich erforderlichen Umfang im neuen Absatz 3 Satz 2
Halbsatz 1 erscheint in diesem Sinne sinnvoll und wird von uns begrüßt.
Die IHK-Arbeitsgemeinschaft begrüßt darüber hinaus ausdrücklich die in § 51 Absatz 4
formulierte Möglichkeit der Abweichung bei unverhältnismäßigem Mehraufwand,
insbesondere im Hinblick auf bauliche (Sanierungs-)Maßnahmen im Gebäudebestand oder
Nutzungsänderungen.
§ 55 Absatz 1 Satz 1 (geändert) in Verbindung mit 57 a (neu): Bauleiterin, Bauleiter
Mit der Neuregelung des § 57 a soll die im Jahr 1999 abgeschaffte Rechtsfigur der
Bauleiterin und des Bauleiters wieder eingeführt werden. Als verpflichtend zu benennende,
bauüberwachende Person soll diese Defiziten bei der Umsetzung des öffentlichen Baurechts
im komplexer werdenden Baugeschehen entgegenwirken.
Die Regelungsintention ist aus Sicht der IHK-Arbeitsgemeinschaft nachvollziehbar.
Gleichwohl vertreten wir die Ansicht, dass bzgl. der Bestellung einer Bauleiterin bzw. eines
Bauleiters eine „Kann“-Regelung statt der hier formulierten verpflichtenden Bestellung
ausreichend ist.
Bei ausreichend komplexen Baumaßnahmen haben die Bauherrin bzw. der Bauherr ein
vitales Eigeninteresse an der Bestellung einer bauüberwachenden Person. Bei weniger
komplexen Bauvorhaben ist die gesonderte Benennung einer Bauleiterin bzw. eines
Bauleiters dagegen verzichtbar. Bauherrenseitig würde damit der Meldeaufwand, auf Seiten
der Bauaufsichtsbehörde der Erfassungs- und Prüfaufwand reduziert. Unberührt bleibt die
Möglichkeit der Bauaufsichtsbehörde, insbesondere bei Sonderbauten Anforderungen an die
Bestellung und Qualifikation bauleitender Personen zu stellen.
Änderungsvorschlag:
§ 55 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
„Die Bauherrin oder der Bauherr hat zur Vorbereitung, Ausführung und
Überwachung genehmigungsbedürftiger Vorhaben und von Vorhaben, für die
das Freistellungsverfahren nach § 67 durchgeführt wurde, nach Sachkunde und
Erfahrung geeignete Beteiligte nach Maßgabe der §§ 56 und 57 zu bestellen.
Die Bauherrin oder der Bauherr können sich zudem nach Sachkunde und
Erfahrung geeigneter Beteiligter nach Maßgabe des § 57 bedienen. § 50 bleibt
unberührt.
§ 58 (geändert) in Verbindung mit § 92 (geändert): Bauaufsichtsbehörde
Mit der Änderung des § 58 soll die Behördenorganisation auf der unteren Verwaltungsebene
neu geordnet werden. Die IHK-Arbeitsgemeinschaft begrüßt diesen Schritt ausdrücklich und
schließt sich den in der Gesetzesbegründung formulierten Argumenten an.
Die IHK-Arbeitsgemeinschaft hatte bereits 2010 im Zuge des Zweiten Landesgesetzes zur
Kommunal- und Verwaltungsreform eine Straffung der Aufgabenwahrnehmung zur
Effizienzverbesserung der rheinland-pfälzischen Verwaltungsstrukturen angemahnt. Die mit
dem § 58 verfolgte Rückübertragung der bauaufsichtlichen Teilaufgaben auf die
Kreisverwaltungen ist ein dahingehender und daher ausdrücklich positiv zu bewertender
Schritt.
Aus Sicht der Wirtschaft sprechen zudem ein stärker einheitlicher Verwaltungsvollzug durch
weniger betroffene Behörden und praxiserfahrenere Verwaltungsbeamte sowie eine
nachvollziehbarere Zuständigkeitsstruktur für die Rückübertragung der bauaufsichtlichen
Teilaufgaben auf die Kreisverwaltungen.
Mit Blick auf die unter § 92 formulierten Möglichkeiten einer neuerlichen
Aufgabenübertragung an Verbandsgemeinden ist in diesem Zusammenhang sicher zu
stellen, dass die genannten Kriterien bei der Prüfung etwaiger Anträge auch eine strenge
Anwendung erfahren
§ 88 Abs. 4 Nr. 3 (geändert): Örtliche Bauvorschriften
Mit der Änderung des § 88 Abs. 4 Nr. 3 will der Gesetzgeber von einer Öffnungsklausel des
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz Gebrauch machen, wonach die Länder
Nutzungspflichten für Erneuerbare Energien auch für vor dem 1. Januar 2009 errichte
Gebäude erlassen können. Diese Öffnungsregel wird nun zugunsten kommunaler
Regelungen genutzt.
Aus Sicht der IHK-Arbeitsgemeinschaft kommt es bei dem Erlass entsprechender
kommunaler Satzungen ganz maßgeblich auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit an.
Andernfalls besteht die Möglichkeit, mit Hilfe entsprechend strenger Satzungen massive
Eingriffe in den Baubestand und die Bestandsnutzung vorzunehmen. Unter dem Ziel des
Klimaschutzes und der Förderung erneuerbarer Energien wäre dann bspw. die bewusste
Verdrängung bestehender Unternehmen aus bestimmten Regionen oder die Verhinderung
bestimmter Nutzungen denkbar. Da eine so weitreichende nachträgliche Steuerung der
Bestandsnutzung nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann, sollte der Gesetzentwurf an
dieser Stelle dringend um einen Verweis auf die notwendige Verhältnismäßigkeit ergänzt
werden. Wegen der Nachträglichkeit entsprechender Nutzungspflichten sollten darüber
hinaus in jedem Fall angemessene Übergangsfristen gewährt werden.
Änderungsvorschlag:
§ 88 Absatz 4 Nr. 3 erhält folgende Fassung:
„3. Im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebietes im Interesse
des Klimaschutzes bei vor dem 1. Januar 2009 errichteten Gebäuden
erneuerbare Energien anteilig zu nutzen sind. Entsprechende Regelungen
sind unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit und mit angemessen
Übergangsfristen auszugestalten.“