Sterbende und ihre Angehörigen begleiten – Support of the dying

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Sterbende und ihre Angehörigen begleiten – Support of the dying
Mit freundlicher Unterstützung
Sterbende und ihre Angehörigen begleiten –
Motive für die ehrenamtliche Hospizarbeit
Support of the dying and their dependents –
motives for voluntary hospice work
Bachelorarbeit / Bachelor Thesis
an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München
im Studiengang Dualer Bachelor Pflege
Eingereicht von:
Frau Jessica Diana Brüchner
Matrikelnummer:
02242209
Adresse:
Annabrunner Str.17, 81673 München
Email:
[email protected]
Erstgutachterin:
Frau Prof. Dr. Christa Büker
Zweitgutachter:
Herr Prof. Dr. Andreas de Bruin
Ort und Datum der Abgabe:
München, den 13. Februar 2014
Zusammenfassung
Ziel: Ziel der Untersuchung ist es, Motive freiwillig engagierter Menschen in der
Hospizarbeit hinsichtlich ihres Einstiegs, ihrer aktuellen Motivationsstruktur und
eines potentiellen Ausstiegs zu identifizieren, um daraus Handlungsempfehlungen
für die betreffende Einrichtung zu entwickeln.
Hintergrund: Aufgrund des soziodemographischen Wandels ist in der Hospizarbeit
mit einem erhöhten Bedarf an ehrenamtlicher Begleitung zu rechnen. Demzufolge
kommt sowohl der Rekrutierung als auch der Aufrechterhaltung bereits bestehenden
Engagements eine hohe Bedeutung zu, die jedoch ein grundlegendes Verständnis der
Motive voraussetzt. Derzeit gibt es im deutschsprachigen Raum kaum Untersuchungen, die sich mit den Motiven freiwillig Engagierter in der Hospizarbeit befassen.
Methodik: Die quantitative, postalisch durchgeführte Datenerhebung anhand eines
anonymisierten, halbstrukturierten Fragebogens fand unter Ehrenamtlichen (n=186)
eines Münchner Hospizvereins im Zeitraum vom 14.10. - 05.11.2013 statt.
Ergebnisse: (Rücklaufquote: 80,1%; n=149); 71% haben das Ehrenamt vor dem
Hintergrund persönlicher Auseinandersetzungen mit dem Thema Sterben und Tod
aufgenommen. Für die Hospizhelferinnen spielen vor allem die selbstdienlichen Motivbündel „Selbsterfahrung“ (69%) und „Berufsausgleich“ (53%) sowie das altruistische Motivbündel „Soziale Verantwortung“ (75%) eine bedeutende Rolle für ihre
derzeitige Entscheidung, ehrenamtlich zu arbeiten. Insgesamt betrachtet, weist die
Datenlage darauf hin, dass die Bedeutung altruistischer Motive überwiegt. Knapp ein
Drittel (32%) hat schon einmal über einen Ausstieg aus dem Ehrenamt nachgedacht.
Hierzu werden personbezogene, organisationsbezogene, tätigkeitsbezogene und systembezogene Gründe genannt.
Schlussfolgerung: Der Einstieg in das Ehrenamt in der Hospizarbeit ist stark inhaltlich motiviert, daher muss die Rekrutierung gezielt erfolgen. Auch wenn die Bedeutung altruistischer Motive überwiegt, gilt es zu erkennen, dass die Ehrenamtlichen
auch selbstdienliche Motive aufweisen und deren Erfüllung anstreben. Aus den Einstiegsmotiven, der aktuellen Motivationsstruktur sowie den organisations- und tätigkeitsbezogenen Ausstiegsgründen können Handlungsempfehlungen zur Optimierung
des Freiwilligenmanagements abgeleitet werden.
Schlussfolgerungen für die Einrichtung
Die Hospizarbeit als gelungenes Modell freiwilligen Engagements ist für viele
Engagementbereiche ein Vorbild, weil es ihr – im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen und Bewegungen – nicht an Ehrenamtlichen mangelt und die Bedeutsamkeit eines professionellen Freiwilligenmanagements bereits früh erkannt wurde.
Dies wird auch in der vorliegenden Untersuchung deutlich: Die geringe Anzahl derer, die angeben, schon einmal über die Aufgabe ihres Ehrenamtes nachgedacht zu
haben, spiegelt eine hohe Zufriedenheit der Hospizhelferinnen mit der bisherigen
Betreuung durch die Mitarbeiterinnen des CHVs wider. Ebenso spricht die Tatsache,
dass keiner der Befragten das Ausstiegsmotiv „Mangelnde Perspektiven und Entwicklungschancen“ nennt, für die vielfältigen Bemühungen des Vereins um seine
Ehrenamtlichen, der in Fortbildungsangebote, jährliche Hospizhelfertage, regelmäßige Reflexionsgespräche, das Angebot von Supervision und Praxisbegleitung sowie in
eine an anerkannten Standards orientierte, zeitintensive Ausbildung investiert.
Unter Einbezug des theoretischen Hintergrundes sowie auf Basis der gewonnenen
Daten werden nun Handlungsempfehlungen für die Einrichtung ausgesprochen, die
als Anregung oder Bestätigung verstanden werden sollen, die bisherige erfolgreiche
Arbeit mit den Ehrenamtlichen fortzusetzen oder gegebenenfalls zu optimieren. Darüber hinaus können möglicherweise andere Hospizvereine und –initiativen vom
Freiwilligenmanagement des CHVs und den von der Autorin entwickelten Handlungsempfehlungen profitieren.
 Rekrutierungsmaßnahmen
Aus der Befragung haben sich Hinweise ergeben, dass „Anstöße von außen“, das
heißt, Artikel in Zeitungen, Ausstellungen, Fernsehsendungen, Informationsveranstaltungen
sowie
Begegnungen
mit
und
Erfahrungsberichte
von
aktiven
Hospizhelferinnen, eine gute und vielversprechende Möglichkeit sind, neue Ehrenamtliche zu werben. Wichtig ist dabei, dass diese Werbung zielgerichtet erfolgt, weil
dem Einstieg in das Ehrenamt in der Hospizarbeit häufig eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Tod und Sterben“ vorausgeht. Es gilt also, potentielle
Bewerbergruppen zu identifizieren, um diese gezielt anzusprechen. Kenntnisse zu
den Motiven bilden daher die Grundlage, um Menschen, die an einer Mitarbeit interessiert sind, auszumachen. Hierbei ist auch die bereits angesprochene Lebenskontextbezogenheit des Ehrenamtes bei der Rekrutierung zu berücksichtigen.
Wie bereits erwähnt, spielen inhaltliche Motive eine wichtige Rolle bei der Aufnahme eines Ehrenamtes. Hierbei ist zu empfehlen, umfassend über die Ziele des Vereins zu informieren und ein breites Informationsangebot (Broschüren, Flyer, ansprechender Internetauftritt, Pressemeldungen, etc.) bereitzustellen. Diese Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet auch die Teilnahme an und Gestaltung von Veranstaltungen,
um den Prozess der Rekrutierung aktiv zu gestalten.
 Einsatzmöglichkeiten erweitern
Denkbar wäre es, nach angloamerikanischem Vorbild stärker in patientennahe und
patientenferne Aufgaben für die Ehrenamtlichen („direct patient care volunteer“ und
„non-direct patient care volunteer“) zu unterscheiden. Dies würde Ehrenamtlichen,
die sich von patientennahen Aufgaben belastet fühlen, die Möglichkeit bieten, sich
weiter zu engagieren, wenn auch in einem anderen Tätigkeitsfeld. Patientenferne
Aufgaben könnten zum Beispiel Tätigkeiten in der Verwaltung, im Fundraising oder
in der Öffentlichkeitsarbeit sein. Falls ein größerer Bedarf für diesen Aufgabenbereich vorhanden ist, könnte hierfür bei der Rekrutierung auch eine andere Zielgruppe
an Freiwilligen angesprochen werden.
 Umgang mit den Motiven der Ehrenamtlichen
Hospizvereine sollten die verschiedenen Motive zum Ehrenamt grundsätzlich begrüßen, weil sie gerade in ihrer Diversität wertvoll sind. Unterschiedlich motivierte Ehrenamtliche sind wichtig angesichts ebenso unterschiedlicher Sterbender und ihrer
Angehörigen. Zu empfehlen ist, dass die Motive nicht nur zu Beginn der ehrenamtlichen Tätigkeit, sondern auch im weiteren Verlauf des Ehrenamtes weiter thematisiert
werden, da ein möglicher Wandel der Motivation durchaus ein relevantes Thema für
die weitere Gestaltung der Zusammenarbeit sein kann.
 Die Passung muss stimmen
Aus der vorliegenden Arbeit geht hervor, dass freiwilliges Engagement multimotiviert ist. Daher darf die Tendenz zu altruistischen Motiven bei den Hospizhelferinnen
in dieser Untersuchung nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbstdienliche Motive
ebenso vorhanden sind und einer Erfüllung bedürfen. Folglich reicht es weder aus
nur auf Verantwortung und moralische Verpflichtungen einzugehen, noch allein
selbstdienliche Motive zu befriedigen. Basierend auf dem funktionalen Ansatz ist
vielmehr die Passung zwischen den Motiven und Bedürfnissen der Ehrenamtlichen
und den Angeboten und Möglichkeiten der Organisation besonders wichtig. Je besser
diese zusammenpassen, desto höher ist die Zufriedenheit, was wiederum die Bereitschaft sich zu engagieren und dabei zu bleiben, fördert.
 Ehrenamtliche brauchen Sicherheit in ihrer Rolle
Für die Ehrenamtlichen ist es wichtig, dass sie sich in ihrer Rolle als
Hospizhelferinnen sicher fühlen, das heißt, es bedarf einer klaren Aufgabenverteilung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, die eindeutig an beide Seiten kommuniziert wird. Dazu gehört auch, dass die Freiwilligen, aber auch die Hauptamtlichen in
ihren Rollen, ernst- und wahrgenommen werden möchten. Zu empfehlen ist, dass der
Umgang zwischen Haupt- und Ehrenamt möglicherweise als Thema in die Ausbildung der Hospizhelferinnen aufgenommen wird. Auf der anderen Seite wäre es auch
ratsam, diesen Gegenstand im Pflegeteam bzw. unter den Hauptamtlichen zu thematisieren.
 Einführung bzw. Ausbau des Feedback- bzw. Beschwerdemanagements
Im Hinblick auf die geschilderten Ausstiegsmotive wäre eine Einführung bzw. ein
Ausbau des Feedback- bzw. Beschwerdemanagements ratsam, da ein offener Umgang mit Problemen sowie nachvollziehbare Verbesserungsbemühungen nicht nur
die Mitgliederbindung, sondern auch die Vereinsentwicklung positiv beeinflussen.
Neben der Supervision und Jahresgesprächen könnten weitere Maßnahmen die Einführung eines Kummerkastens, Kritikbuches, o.ä. sein. Auch wäre die Benennung
einer Vertrauensperson denkbar, die von den Ehrenamtlichen im Falle von Problemen oder Konflikten mit Hauptamtlichen angesprochen und vermittelnd tätig werden
könnte.
 Einführung eines Mitarbeitsstatus
Um einen zeitlich begrenzten Rückzug aus dem Ehrenamt zu ermöglichen, scheint
die Einführung eines Mitarbeitsstatus nach dem Vorbild des CHVs empfehlenswert.
Dieser unterscheidet zum einen in die aktive Hospizhelferin, die grundsätzlich dem
Hospiz zur Verfügung steht oder eine Auszeit vom Ehrenamt von weniger als einem
Jahr in Anspruch genommen hat. Zum anderen gibt es den Status der inaktiven
Hospizhelferin, die entweder für ein bis zwei Jahre in der aktiven Mitarbeit pausiert,
jedoch perspektivisch wiederkommen will oder aber ihr Ehrenamt offiziell beendet
hat, allerdings aufgrund einer ca. 10-15-jährigen Mitarbeit den Status honoris causa
(h.c.) - lateinisch: „der Ehre wegen“ – genießt und dadurch weiterhin an Fortbildungen und ähnlichem teilnehmen darf. Eine solche Regelung kann zu einer langfristigen Bindung an den Verein beitragen, weil eine Auszeit nicht mit einem sofortigen
Ausstieg verbunden ist.
 Anerkennung: Kontinuität ist wichtig
Trotz einer ausgeprägten Anerkennungskultur ist das Thema Anerkennung und
Wertschätzung nach wie vor sehr wichtig für die Freiwilligen. Empfehlenswert ist es
daher, kontinuierlich bestimmte Instrumente oder Maßnahmen der Wertschätzung
anzuwenden, weil nur so Glaubwürdigkeit entsteht und die Bemühungen als motivierend wahrgenommen werden. Jenseits des Bewährten sind aber auch außergewöhnliche Beiträge wie die Teilnahme an Wettbewerben, Ausschreibungen o.ä. wünschenswert. Überhaupt ist eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Anerkennungskultur wichtig, um sicherzustellen, dass diese attraktiv und aktuell (z.B. im
Bezug auf Vergünstigungen auf staatlicher Ebene) bleibt.
 Förderung sozialer Eingebundenheit und Identifikationsstiftung
Vor dem Hintergrund des soziodemographischen Wandels und den damit einhergehenden älter werdenden Ehrenamtlichen steigt die Bedeutsamkeit der sozialen Dimension des Ehrenamtes. Auch im Hinblick auf die Befragung konnte festgestellt
werden, dass das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit durchaus vorhanden ist, obwohl die ehrenamtliche Tätigkeit in der Regel einzeln ausgeübt wird.
Neben der eigentlichen Aufgabe könnten Angebote zur gemeinsamen Freizeitgestaltung, Feste oder die gemeinsame Gestaltung einer Veranstaltung als zusätzliche Anreize für die freiwillige Tätigkeit dienen. Außerdem stärken gemeinsame Aktivitäten
im Rahmen des Vereins das Zugehörigkeitsgefühl.
 Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen
Wie aus dem ersten Kapitel deutlich geworden sein dürfte, wird auch die Hospizarbeit vom soziodemographischen und epidemiologischen Wandel geprägt. Daher ist
es angezeigt, weiter in eine solide, attraktive Aus- und Weiterbildung zu investieren
und diese gegebenenfalls an relevante Veränderungen anzupassen, weil sie ein wichtiger Anreiz für die Ehrenamtlichen darstellt. Gerade für jüngere Freiwillige, die
stärker Qualifizierungs- und Karrieremotive aufweisen, sind Bescheinigungen oder
Urkunden als Nachweis für ihr Engagement besonders von Belang.
 Berücksichtigung der Lebenslage
Allgemein steht das Freiwilligenmanagement vor der Herausforderung, mit dem
Problem einer mangelnden zeitlichen Flexibilität umzugehen. Prognosen sehen zukünftig eine zunehmende Konkurrenz mit anderen Lebensbereichen. Daher sind auch
in der Hospizarbeit immer mehr flexible Einsatzmöglichkeiten gefragt, die sich mit
dem Lebenskontext der Freiwilligen vereinbaren lassen. Zu empfehlen ist, die Möglichkeiten und Grenzen dieser Thematik gemeinsam zu diskutieren, um Ideen und
Konzepte zu entwickeln, wie eine zukünftige Gestaltung aussehen könnte.
 Aufrechterhaltung der Sinnhaftigkeit
Die Auswertung der Einstiegsmotive sowie der aktuellen, generellen Motivaton
konnte zeigen, dass der Sinnhaftigkeit eine hohe Bedeutung zugewiesen wird. Damit
diese aufrecht erhalten bleibt, ist es wichtig zu verstehen, dass die Ehrenamtlichen
konstruktive Aufgaben zugewiesen bekommen möchten.
 Raum für Spiritualität und Auseinandersetzung
Aus der Untersuchung geht hervor, dass Hospizhelferinnen einen besonderen Bezug
zu den Themen Spiritualität und Religion haben. Der regelmäßig wiederkehrende
Umgang mit Sterbebegleitung, Abschied und Trauer ermöglicht ihnen Erfahrungen
mit einer anderen Wirklichkeit, allerdings bedürfen die Ehrenamtlichen auch Zeit
und Begleitung, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Hierfür sollten
Einrichtungen genügend Raum geben. Das Angebot von Supervision ist bereits ein
wesentlicher Beitrag. Weitere Möglichkeiten sind zu erörtern.
 Überforderung vermeiden
Aus den strukturellen Daten geht hervor, dass sich einige Hospizhelferinnen mehrmals pro Woche engagieren. Hierbei sollte nicht unterschätzt werden, dass ehrenamtliche Arbeit auch Kraft kostet. Um die Hospizhelferinnen vor Überforderung zu
schützen, wäre zu überlegen, eine maximale Wochenstundenzahl einzuführen. Sofern
es diese bereits gibt, ist diese Limitierung in Gesprächen bei Bedarf zu thematisieren.

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