ein mann bleibt sich treu
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ein mann bleibt sich treu
Gegner Arminia Bielefeld EIN MANN BLEIBT SICH TREU Lange galt der DSC Arminia Bielefeld, der bedeutendste Fußballclub Ostwestfalens, mit sage und schreibe sieben Aufstiegen, denen freilich meistens wieder der schnelle Absturz folgte, als die „Fahrstuhlmannschaft“ der deutschen Profikickerei schlechthin. Wenn man so will, setzt das Team, diesmal unser Gegner in der BayArena, im bisherigen Verlauf der 45. Bundesliga-Saison diese Tradition fort. Der flotte Start beförderte anfangs die nicht zuletzt durch den Ausbau der Schüco-Arena (auf 28.000 Plätze) ausgelöste Aufbruchstimmung. Es folgte ein brutaler Absturz bis in die Nähe des Rotlichtbezirks der Tabelle, ehe ein torloses Remis in Karlsruhe die Talfahrt bremste. „Typisch Arminia“ – sagen Beobachter, die das Treiben auf der „Alm“ etwas intensiver verfolgen. ARMINIA BIELEFELD Gegründet: 3.5.1905 Vereinsfarben: schwarz-weiß-blau Mitglieder: 8804 Internet: www.arminia-bielefeld.de Altersschnitt: 26,64 Jahre Treuester Spieler: Nils-Christian Schmidt (seit 1997 im Verein) Bester Torschütze: Jörg Böhme (32 Bundesliga-Tore) Höchster Sieg: 5:0 gegen Darmstadt 98 (21.4.1979) Höchste Niederlage: 1:11 gegen Bor. Dortmund (6.11.1982) 14 • BayArena MAGAZIN Wer auch immer sich mit den Verhältnissen b ei der Arminia beschäftigt, er wird über kurz oder lang unweigerlich bei Ernst Middendorp landen, dem Coach der im Jubiläumsjahr 2005 von den Fans gewählten Jahrhundert-Elf des Traditionsklubs. Mögen dieses zeitlose Ensemble auch die Namen prominenter Ex-Spieler wie Uli Stein, Frank Pagelsdorf, Thomas von Heesen, Bruno Labbadia oder Ewald Lienen zieren, an „Power Ernst“ kommt niemand vorbei. Im März haben sie in ihrer Not den studierten Wirtschaftspädagogen kurzfristig zum dritten Mal (nach 1988 und 1994) zum Trainer berufen. Er kam damals aus Johannesburg von den Kaizer Chiefs und war nach von Heesen und Frank Geideck binnen einiger Monate schon der dritte Mann im Amte. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als der Verein einen Schritt vor dem Abgrund stand und „es nur noch darum ging, die Nägel reinzukloppen“. Kein Wunder, dass der Chefcoach angesichts der Turbulenzen in der Vereinschronik im Sommer vor allem Konstanz einforderte.„Ich wäre schon zufrieden, wenn wir das, was wir von März bis Mai gezeigt haben, über die gesamte Saison einbringen“, sagte er gegenüber dem Fachblatt „Kicker“. Die sportliche Leitung schaffte dafür eine der Voraussetzungen, indem man bis auf Abwehrspieler Heiko Westermann, der für 2,8 Millionen Euro nach Schalke wechselte, alle Leistungsträger bei der Stange hielt. Da traf es sich gut, dass der inzwischen 49-jährige Fußball-Lehrer nach eigener Einschätzung ein Typ ist, der „ab und an hart wie ´n Nagel“ sein kann und „im Job nicht gerade ein demütiger Mensch“ ist. Er baute Spannungen unter den Spielern auf, lebte ihnen nun seine Art von Unabhängigkeit vor, die ihm zeitweise namentlich im Umgang mit Medienvertretern abhanden gekommen war, Zahlreiche Zugänge sorgten schnell für die erwünschte Auffrischung des Konkurrenzdrucks im Kader, der nun so zu sagen weltoffen und weltweit aufgestellt ist. Genau wie der Trainer. Middendorp hat sich auf dem Fußball-Globus umgesehen, und diese Erfahrungen haben ihn verändert. Im März 2000 ist er nach Ghana gegangen. Es folgte eine Zwischenstation in Augsburg. Danach hat es ihn was ihm den Spitznamen „Ekel-Ernst“ eintrug, und hatte Erfolg. Sein Team landete in der Endabrechnung auf Platz zwölf. Höchst beachtlich bei der Vorgeschichte. Wenn sich „Arminia“ tatsächlich auf Arminius, den Sieger über die Römer in der historischen Varusschlacht (9 n.Chr.) im Teutoburger Wald bezieht, so war und ist der unerschrockene Ernst Middendorp deren erster Gefolgsmann. „Wie ´n Nagel“ halt. TEAM BLIEB FAST ZUSAMMEN ERLEBT IN DIESER SAISON EINE RENAISSANCE: Auf die Qualitäten von Torjäger Artur Wichniarek, bislang fünf Mal erfolgreich, war absolut Verlass. GegnerArminia BorussiaBielefeld Dortmund Gegner in den Iran nach Tabriz verschlagen und schließlich in die südafrikanische Metropole Johannesburg, ins Herz der Vorbereitungen für die WM 2010. Jetzt holte er von dort die Profis Siyabonga Nkosi und Rowen Fernandez (Torwart hinter Kapitän Matthias Hain), von AEK Athen den Stürmer Leonidas Kampantais, den Lienen empfohlen hatte, aus Fürth den Kroaten Andre Mijatovic, an dessen Verpflichtung auch der 1. FC Köln interessiert war, sowie aus Mönchengladbach und Wolfsburg die Abwehrspieler Oliver Kirch und Matthias Langkamp. Schon im Winter des Vorjahres hatte der frühere Leverkusener Ioannis Masmanidis angeheuert. „Uns fehlt noch etwas der Glaube, dass mehr möglich ist. . .“, ließ der ehrgeizige Weltenbummler Middendorp zum Start vorsichtig die Richtung durchblicken. Der 3:2-Auftaktsieg seiner Jungs in Wolfsburg war Öl ins Feuer der Begeisterung unter den Arminia-Sympathisanten. Nach dem 2:2 gegen Frankfurt im ersten Heimspiel bedauerte man wortreich die fehlende Kaltschnäuzigkeit, die den Gästen gestattet hatte, binnen zehn Minuten einen Zwei-ToreRückstand noch zu egalisieren. Die Bundesliga-Charts wiesen den DSC Arminia nach Runde fünf auf dem zweiten Platz als „Bayern-Jäger“ aus. Sensationell. Zwar sprach Middendorp zunächst zurückhaltend vo n e i n e r u n gewöhnlichen Situation, durch die man sich nicht verrückt machen lassen werde. Es gehe vordringlich darum, „bedächtig und strukturiert voran zu marschieren“. Aber er belebte die Szene auch durch seine Einwürfe, es könne nicht angehen, sich auf Dauer 16 • BayArena MAGAZIN EIN WEITERER TRUMPF IN ARMINIAS OFFENSIVE: Christian Eigler, der im Vorjahr von Greuther Fürth kam. mit Rang 15 zufrieden zu geben, vielmehr wolle man dem Rekordmeister möglichst lange auf den Fersen bleiben. Damit weckte er wohl zur Unzeit Begehrlichkeiten und Fehleinschätzungen der eigenen Möglichkeiten. Denn von nun an ging’s bergab. Einer 0:3-Niederlage auf Schalke folgte auf heimischem Gelände ein 0:2 gegen Hannover und dann die bittere Tour nach Bremen. Werder KLARE ANSAGE: Bielefelds TorhüterRoutinier Mathias Hain, mittlerweile 34, zeigt an, was er von der Arminia der Saison 2007/08 hält. schoss sich mit dem 8:1 ein paar Sorgen von der Seele, die die Gäste mit nach Hause schleppten. „Wir sind in dieser Woche nicht in ein Loch, sondern in einen Krater gestürzt“, konstatierte der wortgewandte Trainer zwar betroffen, aber nicht geschockt. Die Kritik einiger Profis am Übungsprogramm, das ihnen schwere Beine beschere, nahm er zwar auf, reduzierte auch den Umfang, ließ sich aber nicht zweimal bitten, diese Vorlage öffentlich zu verwerten: „Es gibt einige Spieler, bei denen es mit der Berufsauffassung ein bisschen hapert.“ Die Hoffnung, im vergangenen Heimspiel gegen Energie Cottbus mal wieder einen Dreier zu landen, erfüllte sich für die Bielefelder nicht. Trotz diverser Chancen gelang nur dem eingewechselten Jonas Kamper ein Treffer – wie man es von ihm kennt aus der Distanz. Doch die Lausitzer schlugen in der Nachspielzeit zum Ausgleich zurück. Ein Mann bleibt sich treu. „Diese Sache zwischen der Arminia und mir ist etwas ganz Besonderes“, sagt Ernst Middendorp. Da können doch ein paar schlechte Ergebnisse nicht eine große Beziehung in Gefahr bringen.