Konzeption - Selbständiges Betreutes Wohnen eV
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Konzeption - Selbständiges Betreutes Wohnen eV
Selbstständiges Betreutes Wohnen (SBW) e. V. Selbständiges Betreutes Wohnen Konzeption des Vereins Wer sind wir? Der Verein ist hervorgegangen aus einem Projekt der gerichtlich bestellten BerufsbetreuerInnen. Sie agierten seit Anfang 2003 zunächst aus der Not heraus, da es im Landkreis Aurich kein adäquates Wohnen für Menschen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen gab, die nur eine geringe Unterstützung mit Hilfen zur Selbstständigkeit benötigten. Viele von ihnen konnten nur außerhalb des Kreisgebietes dem Krankheitsbild entsprechend untergebracht werden, oder aber sie mussten in hiesigen Heimen wohnen, wo sie aufgrund ihrer noch vorhandenen Fähigkeiten „überversorgt“ wurden. Sowohl Heimunterbringung als auch die Unterbringung außerhalb des Kreisgebietes haben folgende Nachteile: a) Heimunterbringung • • • • • unzufriedene Heiminsassen sehr hohe Unterbringungskosten Überversorgung in der Pflege Unselbständigkeit des Betreuten Fehlbelegung in der Heimeinrichtung b) Unterbringung außerhalb des Kreisgebietes • • • • Entwurzelung aus ihrem Heimatbereich Entfremdung/Familientrennung Zerstörung des so schwer gewachsenen sozialen Umfeldes zumindest zeitweise Verschlechterung des Gesundheitszustandes Deshalb wurden zunächst auf privatrechtlicher Ebene behelfsmäßig geringfügige Hilfen angeboten, um den Bedürftigen den Einzug in eine auf dem freien Wohnungsmarkt gehandelte Mietwohnung zu ermöglichen. Die als Provisorium gedachte Wohnform nahm dann jedoch derartige Dimensionen an, dass die Initiatoren sich dazu entschlossen haben, die nicht mehr tragbare Rechtslage auf privater Ebene nun in eine tragfähige Rechtsform umzuwandeln. August 2007 Betreutes Wohnen – Konzept Seite 2 Am 30. Nov. 2006 fand dann die Versammlung zur Gründung des gemeinnützigen Vereins „Selbständiges Betreutes Wohnen (SBW) e.V.“ (nach damaliger erlaubter Schreibweise) statt. Die entsprechende Eintragung beim Amtsgericht Aurich im Vereinsregister 200092 erfolgte dann am 20. Juli 2007. Somit können und dürfen wir Arbeitskräfte auf der 1-€-Basis beschäftigen und solche Personen einsetzen, die vom Gericht zur Verrichtung von gemeinnützigen Arbeiten verurteilt worden sind. Sie werden für handwerkliche und organisatorische Tätigkeiten eingesetzt. Unabhängig hiervon sind inzwischen 11 Kräfte als AssistentInnen im Verein beschäftigt, die sich um die Unterstützung in Haushaltsangelegenheiten kümmern, also direkt für die Bewohner im SBW zuständig sind. Unser Angebot Das Besondere des betreuten Wohnens besteht im Angebot einer langfristigen und verantwortlichen Betreuung für Menschen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen, ohne dass die betreffenden Nutzer dafür ihren Lebensmittelpunkt in eine stationäre (Krankenhaus, Anstalt oder Heim) oder teilstationären Einrichtungen (z.B. Tagesstätte, Tagesklinik) verlegen müssen. Unser betreutes Wohnen ist der Versuch, die Hilfen an den jeweiligen Lebenslagen und Bedürfnissen der hilfebedürftigen Personen zu orientieren statt sie in mehr oder minder starren Einrichtungen aufzunehmen und damit in einem umfassenden Sinne institutionellen Regeln zu unterwerfen. Allerdings wäre es wünschenswert, ambulante und stationäre Angebote zu flexibilisieren und Übergänge fließend zu gestalten. Somit könnten Krisensituationen schneller und effektiver bewältigt und stationäre Aufenthalte drastisch verkürzt werden. Da die meisten unserer Bewohner ihre bisherige Wohnform verlassen wollen (Heim, Elternhaus, Obdachlosigkeit) vermitteln wir auch Wohnungen für Mieter, die eigentlich nicht mehr eigene Wohnungen beziehen können und somit auf zusätzliche Hilfen angewiesen sind. Diese Hilfen werden durch Einsatz unseres eingestellten Personals geleistet. Als Hilfe zum selbständigen Wohnen wird eine Assistenz angeboten, die die Bewohner bei der Haushaltsführung, Hygiene, Verpflegung, Bekleidung, medizinische Versorgung, Beachtung der Hausordnung usw. fördert (siehe anliegende Leistungsbeschreibung). Diese Grundversorgung ist die Aufgabe unseres Vereins. Sollten zusätzliche Hilfen erforderlich werden wie z.B. sozialpsychiatrische Betreuung, psychiatrische Behandlung usw. muss dies außerhalb des Vereins gesondert beantragt und geregelt werden. Wir achten darauf und sorgen dafür, dass sowohl die Wohnungen in einem guten Zustand gehalten und die Mieten gezahlt werden. Unter diesen Voraussetzungen soll es behinderten und psychisch erkrankten Menschen ermöglicht werden, so lange wie möglich ein selbständiges, krankheitsentsprechendes und eigenverantwortliches Leben führen zu können, das der Realität sehr nahe kommt. Deshalb wollen wir ganz bewusst weder Wohnungen anmieten, noch heimartige Unterkünfte schaffen und auch keine Konkurrenz zu bestehenden Heim- und Wohneinrichtungen sein, sondern nur die einzelnen Recourcen nutzen und koordinieren, die in der freien Wirtschaft oder in Vereinen vorhanden sind und dabei kollegial im Team mitwirken. Die zusätzlich notwendigen Hilfen sollen geprägt sein durch Flexibilität und Bedarfsorientierung sowie durch die Beachtung des sozialen Kontextes der Klientel. Im Rahmen differenzierter Hilfsangebote, die jeweils auf den Einzelfall zuzuschneiden sind (z.B. in einem Hilfeplangespräch), ergibt sich hier ein breites Spektrum von ambulanten Arbeitsansätzen. Eine zeitliche Befristung des Wohnens ist nicht vorgesehen. Die Dauer der „Maßnahme“ hängt August 2007 Betreutes Wohnen – Konzept Seite 3 ebenso vom individuellen Betreuungsbedarf ab wie von der Intensität und dem damit einhergehenden Betreuungsumfang und selbstverständlich auch von der Akzeptanz des Vermieters. Die Finanzierung Die Miete der Wohnungen wird wie üblich zwischen Mieter- und Vermieter verhandelt und geregelt. In den meisten Fällen wird die Miete vom Sozialhilfeträger gezahlt. Lediglich für die zusätzlich erforderlichen Hilfen musste ein Kostenträger gefunden werden. Mit dem Sozialhilfeträger wurde inzwischen eine Vereinbarung für die Übernahme der Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe getroffen. Voraussetzung für die Kostenübernahme ist eine amtsärztliche Bestätigung der Bedürftigkeit zur Inanspruchnahme unserer Leistungen. Ist Vermögen vorhanden, ist dieses für die Leistungen des betreuten Wohnens einzusetzen oder zumindest anzurechnen. Unser Vereinsziel Methoden und Arbeitsansätze, mit denen wir die Arbeit mit der Klientel kontrollieren und steuern wollen: • • • • • • • • • Kollegiale Beratung Fallbesprechungen im Team Team und Einzelberatung durch Therapeuten, Beratungsstellen Zusammenarbeit mit verschiedene Beratungsstellen der Stadt und des Kreises Vertretungsregelung durch Zusammenarbeit Entlastung schaffen durch eine konstruktive und offene Teamarbeit Reflexion der Arbeit durch Möglichkeiten des Austauschs des Assistenzpersonals Förderung des Sozialverhaltens durch gemeinsame Veranstaltungen Dokumentation Qualitätssicherung durch: Individuelle Konzeptionsentwicklung, Konzeptionssicherung, Dokumentation, Strukturqualität, Weiterbildung und Reflexion des Arbeitsfeldes des Personals, Flexibilität unseres Leistungsangebotes. Individuelle Konzeptentwicklung Die Konzeptentwicklung soll in der folgenden Form stattfinden: • Schriftliche Fixierung der aktuellen Konzeption (Leitlinien, Leistungsangebot, Qualitätsstandards). • Übersichtliche Organisationsstrukturen und Ablaufsicherung durch eine klare Organisationsform. • Regelmäßige Überprüfung der Konzeption (Hilfe-Team, mit oder ohne externen Berater). • Fachliche Kontakte zu vergleichbaren Einrichtungen, Mitarbeit in Arbeitsgruppen und Fachverbänden. • Umkonzeptionieren, wenn Bedürfnisse sich grundlegend ändern oder grundsätzliche Qualitätsmängel festgestellt werden (Hilfe-Team, mit oder ohne externen Berater). • Arbeit an der Basis, um heraus zu stellen, wo der konkrete Bedarf liegt. August 2007 Betreutes Wohnen – Konzept Seite 4 Konzeptionssicherung Die Konzeptionssicherung soll sich bei uns wie folgt darstellen: • Entwicklung von Arbeits- und Controllingabläufen in schriftlicher Form. • Durchschnittlich wöchentlich Fallbesprechung im Team in Form einer kollegialen Beratung. Dokumentation Die Dokumentation von Prozessen und Leistungen soll bei uns wie folgt stattfinden: • Schriftliche Fixierung von Zielen und Planungen, die sich aus der Hilfeplanung ergeben. • Tagesprotokolle über besondere Ereignisse, Realisierung von Planungen, Abweichungen von Planungen. • Vollständige und übersichtliche Aktenführung aufeinander abgestimmt, zur Verbesserung einer Vertretungssituation. • Schriftliche Tischvorlage über den Betreuungsverlauf als Grundlage für die Fortschreibung des Hilfeplanes. • Regelmäßige telefonische Kontaktaufnahme mit (dem) der fallführenden MitarbeiterIn in den Ämtern (falls zweckmäßig oder erwünscht). Strukturqualität (unsere Forderung) Die Wohneinrichtung muss innerhalb der Stadtgrenzen liegen, die Innenstadt muss fußläufig in ca. 15 Minuten erreichbar sein. Jede mit einer Person beschäftigte Betreuung bzw. Pflege und Hilfe wird vom Hilfe-Team als vom Betreuer gewünschte Bezugsperson akzeptiert. Die Bezugsperson hat die entsprechenden Aufgaben an andere beteiligte und zuständige Kräfte weiterzugeben. Hierdurch muss der (die) Betreute nicht alle mit seinem Fall beschäftigten Personen einzeln ansprechen, sondern wird innerhalb des Hilfe-Teams geregelt. Weiterbildung und Reflexion des Arbeitsfeldes des Personals In Rollenspielen und/oder Supervisionen werden die aufkommenden Probleme zwischen Klient, Betreuung und Kollegen aufgearbeitet, um so eine effektive und persönlichkeitsneutrale Anleitung zu gewährleisten. Die Flexibilität unseres Leistungsangebotes Auf der Basis einer hohen Flexibilität wollen wir versuchen, eine wirksame Interessenvertretung für die Belange jener hilfsbedürftigen Menschen zu erreichen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und die Qualität der Lebensbedingungen miteinander in Einklang zu bringen. Zunehmende Bedeutung gewinnt der Kostengesichtspunkt. Dabei wollen wir aber niemals die Qualität der Arbeit aus den Augen verlieren. Insbesondere soll die Arbeit mit den Betroffenen in der Form gestaltet werden, dass eine Bedarfs- und eine Zielorientierung erfolgt. Auf der Basis der damit gewonnenen Flexibilität, unseres angestrebten Hilfe-Teams und vielfältiger Erfahrungen wollen wir Menschen betreuen und fördern in differenzierter, individueller und am jeweiligen Bedarf orientierter Form. Wichtig ist für uns die Kooperation mit anderen Einrichtungen, somit lassen sich spezielles Know-how und die besonderen Angebote miteinander verknüpfen. August 2007 Betreutes Wohnen – Konzept Seite 5 Ist-Zustand Momentan werden vom SBW 45 Wohnungen, 2 Wohngemeinschaften und das Zentrum (ehemaliges Telekom-Gebäude mit 5 Bewohnern, Kantine und Gemeinschaftsräumen) betreut. Die Betreuung beinhaltet über die Hilfe zur Selbständigkeit hinaus • Tagesstrukturierte Hilfestellung • Hilfe in Krisensituationen (selbständig Leben) • Beschäftigungsangebote (Küche, Garten, Lager, Umzüge, Renovierungen) • Mittagstisch als Angebot für die Bewohner • Anlaufstelle als Schonraum anbieten (Büro, Besprechungsraum) • Besondere Gruppenaktivitäten: mit Freizeitcharakter, themenorientiert, mit Fachleuten. Perspektiven Sollte sich die Wohnform und Aktivitäten bewähren, kann das Erlernen der Selbstständigkeit nach und nach in Gruppen verlagert werden, wie z.B. • Miteinander etwas tun, z.B. Wohnungsrenovierung und -Einrichtung, Behördengänge, Einkaufen. • Sich untereinander und gegenseitig helfen (Einkaufen, Hauswirtschaft, Gartenpflege, Behördengänge, handwerkliche Fähigkeiten nutzen) • Miteinander arbeiten, z.B. am PC eine Bewerbung schreiben. Aus diesen so gefestigten Abläufen können die Bewohner langsam aus dem SBW entlassen werden und letztendlich ohne Hilfe des Vereins in ihren eigenen Wohnungen leben. Schlussbemerkungen Unser Verein wurde mit viel Engagement gegründet, weil es keine entsprechenden Angebote dieser Wohnform gab und immer noch nicht gibt. Wir haben lange im Provisorium in der Hoffnung gearbeitet, dass bald aus dem Sozialpsychiatrischen Verbund heraus ähnliche Wohnprojekte angeboten würden. Leider hat es seit dem Bezug unserer ersten Wohnung im SBW im Jahre 2003 bis heute keine entsprechenden Angebote gegeben. Deshalb haben wir uns nach so langer Zeit und mit so viel Zuspruch veranlasst gesehen, dieses SBW-Projekt nun als gemeinnützigen Verein zu organisieren. Selbstverständlich ist damit auch eine professionellere Betriebsführung verbunden, die die Effektivität unserer Arbeit noch weiter erhöhen wird. Und damit beugen wir uns dem Spiel der freien Marktwirtschaft: nur wer gute Arbeit zu einem günstigen Preis leistet, wird überleben. Das bedeutet für uns aber auch, dass unser Verein überflüssig wird, wenn andere Anbieter diese Leistungen besser und günstiger erbringen können. August 2007