Praxis - Köln International School of Design
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Köln International School of Design Leichtigkeit Vordiplom / Nebenthema, März 2005 Matthias Lange 4. Semester Matrikel-Nr.: 11040885 Design for Manufacturing (DFM) Dipl. Ing. Michael Eichhorn «Je schwerer das Gewicht, desto näher ist unser Leben der Erde, desto wirklicher und wahrer ist es. Im Gegensatz dazu bewirkt die völlige Abwesenheit von Gewicht, daß der Mensch (...) sich von der Erde, vom irdischen Sein entfernt, daß er nur noch zur Hälfte wirklich ist und seine Bewegungen ebenso frei wie bedeutungslos sind. Was also soll man wählen? Das Schwere oder das Leichte? (...) Das ist die Frage. Sicher ist nur eins: der Gegensatz von leicht und schwer ist der geheimnisvollste und vieldeutigste aller Gegensätze.» Milan Kundera, »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins« Inhalt Einleitung Leichtigkeit Offenbacher Ansatz der Produktsprache 7 7 8 Praxis Praktische Funktion Gewicht Grundkräfte Graviationskraft Masse Absolutes Gewicht Dichte Statischer Auftrieb Nutzen Leichtbau Stabilität Evolution Natur Technik Wachstumsprozeß Material Zugfestigkeit, E-Modul Druckfestigkeit Verhältnis, BIC Werkstoffe Aufgeschäumte Werkstoffe Verbundstoffe Chitin Holz GFK und CFK Sandwichbauweise Elefant Waben Konstruktion Differential- und Integralbauweise Riesenseerose Audi, Space Frame-Bauweise Festo, Air to Air 9 9 9 9 9 10 10 11 11 12 13 13 13 14 14 15 16 16 16 16 17 17 17 18 18 18 19 19 19 19 20 20 20 21 Inhalt Mobilität Klein und leicht Groß und leicht Riesig und leicht Leicht vs. Schwer 21 21 22 22 22 Formalästhetik Formalästhetische Funktion Leichte Anmutung Transluzens Hell & Dunkel Farben Anmutung des Leichtbaus Form Materialanmutung Schweben Struktur 23 23 23 23 24 24 24 24 25 26 26 Anzeichen Anzeichenfunktion 27 27 Symbol Symbolfunktion Effizienz (gesellschaftlich/industriell) Komfort Leicht und schwer Blowchair Metapher Rolltreppe Light-Produkte 28 28 28 29 30 30 31 31 31 Fazit 32 Quellen und Weiterführendes Literatur Internet 34 34 35 6 Einleitung Leichtigkeit Wie schon im Zitat von Milan Kundera, am Anfang der Arbeit, zu erkennen ist, erstreckt sich die Bedeutung von Leichtigkeit über viele verschiedene Bereiche. Diese werden auch in der Definition im Wörterbuch deutlich: Leich|tig|keit [f. –nur Sg.] 1 leichte Beschaffenheit 2 Mühe-losigkeit; das schafft er mit L. das schafft er leicht, ohne Mühe [Wissen] Täglich sind wir mit einer Vielzahl von Gegenständen und Produkten konfrontiert, die wir wahrnehmen, benutzen, transportieren, und sogar von ihnen transportiert werden. Eine der spürbarsten und grundlegendsten Eigenschaften dieser Produkte ist ihr Gewicht und somit, gegebenenfalls, auch ihre »leichte Beschaffenheit«. Zum anderen ist Leichtigkeit die Einschätzung der Mühelosigkeit eines Vorgangs, bei dem das Gewicht des Vorgangs metaphorisch zu verstehen ist. In jedem Fall ist Leichtigkeit jedoch ein Produkt ihres Kontextes und hat somit auch bestimmte Funktionen. Leichtigkeit im Design Wenn man sich aus der Perspektive des Designers die Frage stellt welchen Stellenwert Leichtigkeit hat, dann ist eine umfassende Betrachtung des Themas notwendig, um eine Aussage darüber treffen zu können. Die Bedeutung und die Möglichkeiten die Leichtigkeit beinhaltet ist ein Resultat vieler unterschiedlichen Faktoren. Das zentrale Thema dieser Arbeit soll es sein, eben diese Funktionen und Bedeutungen der Leichtigkeit zu untersuchen, um herauszufinden welchen Einfluss diese Faktoren auf das Design und die Gestaltung von Produkten haben können. 7 Einleitung Offenbacher Ansatz der Produktsprache Als Analysewerkzeug bietet sich der offenbacher Ansatz der Produktsprache an, der die Funktion eines Produkts in vier verschiedene Bereiche unterteilt. Klassisch werden mit diesem Ansatz meist materielle Produkte untersucht. Dadurch kann sich dann ein ganzheitliches Bild der Funktionen eines Produktes ergeben. Betrachtet man jedoch Leichtigkeit, die eigentlich eher eine Eigenschaft eines Produktes ist, so ergeben sich daraus interessante Perspektiven. Am Anfang der Arbeit steht also die Frage und das Erkenntnisinteresse, welche praktische, formalästhetische, Anzeichen- und Symbolfunktion Leichtigkeit hat. [Produktsprache] Benutzer praktische Funktion Funktion Produkt produktssprachliche/ sinnliche Funktion zeichenhafte/ semantische Funktion formalästhetische Funktion 8 Anzeichenfunktion Symbolfunktion Praxis Praktische Funktion Leichtigkeit lässt sich primär natürlich auf der praktischen Ebene erfahren. Diese bildet auch den Ursprung für Leichtigkeit in ihren unterschiedlichsten Bedeutungen. In diesem Abschnitt soll der praktische Nutzen von Leichtigkeit hergeleitet und verschiedenste Einflussbereiche deutlich gemacht werden. Gewicht Geringes Gewicht bildet die Basis für die Leichtigkeit und so scheint eine genauere Betrachtung des Gewichts, seiner Ursachen und Definitionen, also angebracht. Grundkräfte Physikalisch gesehen ist unsere ganze Welt bestimmt von vier Grundkräften. Die »starke Kraft« ist die stärkste aller Kräfte und verantwortlich für den Zusammenhalt der Atome. Die »elektromagnetische Kraft« bildet die Basis für die meisten alltäglichen Phänomene, wie z.B. Licht, Wärme, Magnetismus usw. Die »schwache Kraft« bestimmt den Zerfallsprozess von radioaktiven Materialien. Die letzte und schwächste aller Kräfte ist die »Gravitationskraft«. Alle diese Kräfte haben, direkt oder indirekt, mit dem Gewicht von Objekten zu tun, am meisten ist es jedoch von der »Gravitationskraft« abhängig. Gravitationskraft Im Jahre 1687 wurde die Gravitationskraft, auch Schwerkraft genannt, erstmals von dem britischen Physiker und Mathematiker Isaac Newton mathematisch beschrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte man zwar die Folgen der Schwerkraft spüren, für ihre Ursache wurde jedoch eine göttliche Kraft verantwortlich gemacht. Newton bereitete mit seiner Entdeckung den Weg für ein modernes, mathematisches und wissenschaftliches Verständnis der Dynamik des Lebens auf der Erde und derer kosmologischer Abläufe. 9 Praxis Ein präziseres Bild der Gravitationskraft wurde durch die 1916 von Albert Einstein aufgestellte allgemeine Relativi-tätstheorie geliefert. In dieser wird die Gravitationskraft auf eine vom Massen provozierte Krümmung von Raum und Zeit zurückgeführt. [Wikipedia] Masse Die Schwerkraft wirkt immer von Masse zu Masse, d.h. Massen ziehen sich gegenseitig an. Lässt man z.B. einen Fußball auf der Erde fallen, so bewegen sich theoretisch sowohl der Fußball als auch die Erde aufeinander zu. Praktisch jedoch ist die Bewegung der Erde, aufgrund ihrer hohen Massenträgheit, gleich Null. Anders als im Sprachgebrauch werden die Begriffe Masse und Gewicht aus physikalischer Sicht nicht gleichgesetzt. Denn das Gewicht ist abhängig von der Gravitationskraft, die Masse jedoch nicht. Die Gravitationskraft ändert sich je nach Standort. Auf dem Mond beispielsweise beträgt sie nur rund 1/6 der Gravitationskraft der Erde. Wiegt ein Mensch z.B. 60 Kilogramm auf der Erde, so würde er auf dem Mond nur etwa 10 Kilogramm wiegen. Und auch auf der Erde schwankt die Gravitationskraft zwischen den Polen und dem Äquator um bis zu 0,5 Prozent. Absolutes Gewicht Um die auftretenden Kräfte mess- und vergleichbar zu machen waren Gewichtskonventionen unumgänglich. Wichtig war dies vor allem für den Warenhandel und für wissenschaftliche Bereiche. Ursprünglich wurden Handelsgüter nach Stück oder Volumen bemessen. Das grain (Korn), die früheste und kleinste Gewichtseinheit, war ein Weizen- oder Gerstenkorn, um die Edelmetalle Gold und Silber abzuwiegen. Zur Überwindung lokal unterschiedlicher Gewichtseinheiten wurde im Jahre 1791, ausgehend von Frankreich, das metrische System eingeführt. Die erste Definition des Kilogramms war das Gewicht eines Kubikdezimeters Wasser bei maximaler Dichte. Seit 1889 bildet das Urkilogramm in Paris die Basis für alle Gewichtsangaben. 10 Praxis Objekt Atome Moleküle Mikroorganismen Insekten iPod mini Bügeleisen Supertanker Sonne Stoff Wasserstoff Helium Luft bei 20 °C Luft bei 0 °C Wasser (bei 3,98 °C) Magnesium Silizium Aluminium Kohlenstoff Eisen Blei Masse in g (ca.) 10-24 10-19 10-3 (1 mg) 100 (1 g) 102 (100 g) 103 (1 kg) 109 1033 Dichte in kg/m3 0,08988 0,17847 1,204 1,292 1000 1733 2330 2700 3510 7860 11340 Gebrüder Montgolfière, 1783 Modell, CL160 Der quantitative Rahmen in dem sich die Masse von Objekten bewegt liegt zwischen Quarks, Elektronen, Atomen und Sternen und Planeten. Atome haben ca. ein Gewicht von um 10-24 Gramm, während die Sonne schätzungsweise 1030 Kilogramm wiegt. [Prinzip Leichtbau] Dichte Das Gewicht eines Körpers ist abhängig von seiner Dichte, d.h vom Abstand der Moleküle zueinander, aus denen er besteht. Wasserstoffmoleküle sind wesentlich weiter voneinander entfernt, als Bleimolekülen. Die Dichte, als physikalische Größe, wurde durch den Vergleich mit Wasser geprägt. Schwebt ein Gegenstand im Wasser, so ist seine Dichte gleich eins. Schwimmt er nur halb im Wasser, so ist sie auch nur halb so groß. [Prinzip Leichtbau] Statischer Auftrieb Eine direkte Konsequenz von geringem Gewicht, bzw. geringer Dichte, ist der statische Auftrieb, der mit dem Archimedischen Prinzip beschrieben wird. Es sagt aus, dass die Auftriebskraft eines Körpers genauso groß ist, wie die Gewichtskraft des verdrängten Mediums (z.B. Flüssigkeit oder Gase). Noch größer wird dieser Auftrieb, wenn man Gase mit einer geringeren Dichte als Luft verwendet. Diese praktische Funktion der Leichtigkeit, die allein aus niedriger Dichte resultiert, fand schon im Jahre 1783, beim Jungfernflug des Heißluftballons der Gebrüder Montgolfière Anwendung und wurde auch heutzutage wieder relevant. Die Cargolifter AG musste zwar im Jahre 2002 Insolvenz beantragen, sie plante jedoch den Bau des Transportluftschiffes CL160, das 160 Tonnen Nutzlast befördern können sollte. Viele Experten sehen auch zukünftig Erfolgschancen für große, leistungsfähige Luftschiffe, die somit rentablen Betrieb erlauben. Der statische Auftrieb bildet auch die Grundlage für Schiffe, die nur schwimmen, weil die Gesamtdichte des eingetauchten Teil des Schiffs geringer ist, als die des verdrängten Wassers. [Wikipedia] 11 Praxis Nutzen Das Gewichts eines Objektes kann man in zwei Ebenen unterscheiden. Zum einen gibt es die quantitative und zum anderen die qualitative Ebene. Veranschaulichen kann man diesen Unterschied anhand einer Balkenwaage. Sie besteht aus einem zweiseitigen Hebel (»Balken«), der um eine waagerechte Achse drehbar ist. Durch die Gewichtskräfte der Gegenstände die in zwei Waagschalen liegen, wird der Balken ausgelenkt. Entweder werden zwei Gegenstände miteinander verglichen und man erfährt qualitativ, welcher der beiden Gegenstände schwerer (oder leichter) ist, oder man vergleicht einen Gegenstand mit genormten Gewicht-en und kann eine quantitative Aussage über das Gewicht machen ( z.B. in Gramm, Kilogramm, usw.). [Balkenwaage] Das alltägliche Leben besteht jedoch meistens aus relativen, qualitativen Aussagen über das Gewicht, bzw. die Leichtigkeit eines Gegenstandes. Man bezeichnet ihn als leicht und meint damit eigentlich, dass er relativ leichter ist als ein anderer Gegenstand. Eine Feder ist zum Beispiel leichter als ein Ziegelstein. Natürlich würde man in der Praxis wahrscheinlich keine Feder mit einem Ziegelstein vergleichen – aus den einfachen Grund, dass beide Objekte nicht die gleiche Funktion haben. Leichtigkeit, im relativen Sinn, setzt also zumindest eine Funktionsähnlichkeit voraus. Daraus folgt ein weiteres Beurteilungskriterium für Leichtigkeit, nämlich der Nutzen eines Gegenstandes, den man als Resultat seiner Funktionsfähigkeit betrachten kann. Haben also zwei Produkte die gleiche Funktion, eines der beiden erfüllt sie jedoch besser, so ist dieses Produkt nützlicher. 12 Praxis Leichtbau Das Verhältnis von Nutzen zu Gewicht, bzw. die daraus resultierende relative Leichtigkeit von Objekten, wird sowohl in biologischen, als auch in technischen Bereichen, als Leichtbau bezeichnet. Leichtbau kann dabei als Anspruch verstanden werden Objekte immer effizienter zu machen. Entweder werden sie bei gleicher Leistung leichter oder bei gleichem Gewicht leistungsfähiger. Leichtbau beschreibt also keinen Zustand, sondern einen evolutionären Prozess. Stabilität Leistung bedeutet im Zusammenhang des Leichtbaus Stabilität, d.h. die Fähigkeit Kräfte zu übertragen und ihnen standhalten zu können. Diese Kräfte können dabei statisch ( z.B. Schwerkraft) und /oder dynamisch ( z.B. Wind) auf das Objekt einwirken. [Prinzip Leichtbau] Evolution Nach der Evolutionstheorie besteht die Natur, bzw. das Leben, aus einer stetigen Entwicklung. Den Kern dieser Theorie bilden die Thesen von Charles Darwin (1809-1882), die noch heute als empirisch belegt gelten. Sie sagen aus, dass das Leben einem stetigen Selektionsprozess unterworfen ist, durch den nur der Tüchtigste überlebt (survival of the fittest). Vom physikalischen und biologischen Standpunkt aus drehen sich alle Vorgänge in der Natur um Energie, d.h. Lebewesen gewinnen z.B. Energie aus Nahrung, die sie dann wieder, z.B. durch Bewegung, verbrauchen. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, dem Energieerhaltungssatz, kann in einem geschlossenen System keine Energie verloren gehen und auch keine neue entstehen. Folglich wird keine Energie verbraucht sondern nur umgewandelt. Der Tüchtigste kann also nur derjenige sein, der das beste Verhältnis zwischen aufgenommener und umgewandelter Energie erreicht. Dies gilt sowohl für die Natur als auch für die Technik. 13 Praxis Natur Dieses Verhältnis wird in der Natur als Effizienz bezeichnet und ist auch die Basis und Motivation allen Leichtbaus. Durch Leichtbaukonstruktionen kann in der Natur aus drei Gründen Energie gespart werden. Zum einen kostet ein leichter »Körper« weniger Stoffwechselenergie für den Aufbau, als ein schwerer. Außerdem ist auch der Energie-aufwand zur »Erhaltung« der Körpers wesentlich geringer, weil weniger zu versorgende Masse existiert. Der dritte Grund ist, dass bei vielen Lebewesen die Bewegung von Körperteilen nötig ist und diese, durch leichte Konstruktion, energieunaufwendiger wird. [Vorbild Natur] Technik Ähnlich wie in der Natur ist die effiziente Umwandlung von Energie auch in der Technik von großer Bedeutung und wird Wirkungsgrad genannt. Auch die Motivationen und Gründe für den Leichtbau sind sich ähnlich. Es ist also naheliegend, dass die Natur auch oft als »Inspirationsquelle« herangezogen wird. Wegen hoher Energiekosten werden Leicht-baukonzepte in der technischen Bereichen vor allem aus wirtschaftlichen Gründen eingesetzt, d.h. wenn sich dadurch Produktionskosten reduzieren lassen oder Wartungsund Betriebskosten eingespart werden können. Sinnvoll ist Leichtbau auch dann, wenn es darum geht bestehende Produkte zu verbessern oder völlig neue Hochleistungs-produkte zu entwickeln. Produkte können dadurch schneller, kleiner, umweltverträglicher, sicherer und stabiler werden und /oder mehr Ladung transportieren. [Prinzip Leichtbau] [Czichy] 14 Praxis Wachstumsprozess Montreal Dome 1967, Richard Buckminster Fuller Radiolaria Bemerkenswert ist, dass die Analogien zwischen Natur und Technik scheinbar auch oft ohne direkte gegenseitige Beeinflussung zu den gleichen Ergebnissen führen. In der Natur werden Wachstumsprozesse maßgeblich von äußeren Kräften bestimmt, wie z.B. Schwerkraft oder Wind. Daraus ergibt sich in der Natur fast automatisch eine optimale Form, d.h. eine Leichtbaukonstruktion. Diese äußeren Kraft kann man in der Technik als Streben zur Wirtschaftlichkeit, d.h. geringe Kosten von Produktion und Material usw., bezeichnen. Diese analoge Entwicklung lässt sich sehr gut bei der geodätischen Kuppel beobachten. Als ihr Erfinder gilt Richard Buckminster Fuller, der dieses Konstruktionsprinzip im Jahre 1967 beim Montreal Dome realisierte. Erst nachdem Fuller mit diesem äußerst stabilen Bau bekannt wurde, lieferten Wissenschaftler Beispiele für geo-dätische Strukturen in der Natur. Neben den Radiolarien, das sind einzellige Meeresalgen, weisen auch C-60 Moleküle eine Kombination aus Fünf- und Sechsecken auf. Als Konsequenz dieser Entwicklung wurde das Molekül sogar nach Fuller benannt (Buckyball oder Fulleren). [HiTechNatur] C-60 Molekül, Fulleren bzw. Buckyball 15 Praxis Material Um bei geringem Gewicht gleichzeitig hohe Stabilität erreichen zu können, sind primär natürlich entsprechende Materialien nötig. Diese müssen sich durch ein möglichst »gutes« Verhältnis von Gewicht, bzw. Dichte, zu Zug- oder Druckfestigkeit auszeichnen. Stoff E-Modul in GPa Graphitfasern Aramidfasern Eisen Holz Glasfasern Aluminium PVC Polyethylen Gummi bis ca. 1 000 70-130 211.4 ca. 70-200 73 70.6 3.2 1.0 0.002 Stoff Holz Stein Druckfestigkeit in N/mm2 ca. 30-130 ca. 8-120 Stoff BIC (ca.) in g/Nm Druck Beton Stein Stahl Aluminium (Holz 0,1-15 0,01-10 0,01-5 0,005-1 0,001-1) Zug Stahl Textilien Draht (Holz Naturfaser synth. Faser 0,1-5 0,01-1 0,005-1 0,001-1) 0,001-0,1 0,0001-0,1 Zugfestigkeit, E-Modul Zugfestigkeit bezeichnet man in der Technik als »E-Modul«. Dieses beschreibt das Verhältnis von Zugspannung, d.h. einer aufgewendeten Kraft, und der daraus resultierenden Dehnung eines Materials und wird z.B. in N/m2 bzw. Pa (sprich: Pascal) gemessen. Der Wert des E-Moduls kenn-zeichnet dabei die Grenze, bei deren Erreichen das Material reißt. Druckfestigkeit Die Druckfestigkeit beschreibt das Maß, bis zu welchem ein Objekt Druck, bzw. Gewicht, tragen kann, bevor er zusammenbricht. Sie wird, genau wie das E-Modul, in N/m2 bzw. Pa (sprich: Pascal) gemessen. Verhältnis, BIC Frei Otto definiert das Verhältnis von Dichte zu Zug- und Druckkräften in seiner Arbeit IL24 Prinzip Leichtbau als »BIC«, der in g/Nm gemessen wird. Je kleiner der BIC, desto weniger Masse ist nötig um einer Kraft standzuhalten. Ein besonders guten BIC haben beispielsweise Aluminium, Stahl und Holz. [Prinzip Leichtbau] 16 Praxis Werkstoffe Doch die Eigenschaften eines Materials alleine reichen in der Praxis nicht aus, um höchsten Beanspruchungen standhalten zu können. Deshalb wird, sowohl in der Natur als auch in der Technik, auf bestimmte Prinzipien zurückgegriffen, die Werkstoffe mit besonders guten Eigenschaften im Sinne des Leichtbaus zulassen. Knochenspongiosa Formgeschäumtes Aluminium Aufgeschäumte Werkstoffe Die Eigenschaften eines Materials können zum Beispiel durch Aufschäumung verbessert werden. Analogien zu diesem Verfahren finden sich beim Knochenaufbau. Der Innenraum von menschlichen Knochen besteht aus der Spongiosa, einem schwammartigen System. Bei metallischen Schäumen wird Metallpulver mit Treibmitteln versetzt, die beim Erhitzen zersetzt werden und dadurch das flüssige Metall aufschäumen. Dieses Verfahren kann auch bei biologischen Materialien angewandt werden. Beispielsweise werden Holzspäne mit Mikroorganismen, wie Hefepilzen vermengt, die dann als natürliches Treibmittel wirken und so Holzschaum entstehen lassen. [Light, Strong] [Vorbild Natur] Verbundstoffe Einen sehr guten BIC haben Verbundstoffe, bei denen be-sonders zugfeste Fasern in eine druckfeste Masse eingelagert sind und so ein geringes Gewicht erreicht wird. 17 Praxis Chitin Ein in der Insektenwelt sehr häufig verwendeter Verbund-stoff ist die Kombination von Chitin und Proteinmatrix. Je nach Bedarf werden die Komponenten gemischt und angeordnet. Sie bilden z.B. Flügel, haarfeine und bewegliche Antennen, Gelenke mit elastischer Dichtung, Sprungfedern mit integrierter Energiespeicherung, oder gepanzerte Rüstungen. Das Gewicht von Libellenflügel z.B. entspricht, trotz relativer Größe, nur etwa zwei Prozent des der Libelle. [Libelle] Libelle Holz Der Verbundstoff Holz besteht aus einen zugfesten Faseraufbau, der durch Kittsubstanzen mit einem, aus Xylem bestehenden, Stützgewebe verbunden wird. Eine Holzart, mit besonders guten Eigenschaften ist Bambus, das durch seine röhrenförmige Konstruktion besonders beanspruchbar ist. In asiatischen Ländern wird Bambus sogar für Baugerüste verwendet. [HiTechNatur] Bambus GFK und CFK Im technischen Leichtbau sind oft verwendete Verbundstoffe Glas- und Karbonfaser verstärkte Kunststoffe. Durch den Verbund von zugfesten Fasern und druckfesten Kunststoff, sind diese Materialien hochfest und sehr leicht. Zur Verbesserung der Eigenschaften werden die Fasern dabei auch Zwei- oder Dreidimensional gewebt. Anwendung finden sich sowohl in der Flug-, Raum- und Schifffahrt, als auch in der Automobilbranche und bei Sportgeräten. Das Kampfflugzeug Joint Strike Fighter F-35 beispielsweise besteht zu 36 Prozent aus Verbundwerkstoffen. Komplexe Teile wurden dabei aus 3D gewebten Kohlefaser Preforms mit entsprechenden Harzen hergestellt. Dadurch konnten die Produktions- und Betriebskosten des Flugzeugs um bis zu 40 Prozent gegenüber älteren Modellen gesenkt werden. [Czichy] Baugerüst aus Bambus F-35, Joint Strike Fighter 18 Praxis Sandwichbauweise Eine weitere Möglichkeit die Eigenschaften eines Materials zu verbessern ist die Sandwichbauweise, unter der man die Verbindung mehrerer Materialschichten mit unterschiedlichen Eigenschaften versteht. Meistens befindet sich dabei eine Kernschicht, die zur Aussteifung dient, zwischen zwei dünneren Deckschichten. Elefant Skelett eines Elefantenschädels Der Elefant ist zwar das schwerste Landsäugetier, jedoch relativ leicht. Die Schädelknochen bestehen aus zwei dünnen Knochenplatten, die mit schwammartigen Knochenlamellen auf Distanz gehalten und stabilisiert werden. [HiTechNatur] Waben Bienen haben aus der Motivation heraus mit möglichst wenig Wachs möglichst viele Brut- und Vorratskammern auf kleinstem Raum unterzubringen, eine optimale Leichtbauform entwickelt. Sandwichmaterialen mit einer Kernschicht in Wabenstruktur finden, neben vielen anderen Bereichen, auch in der Raumfahrt Anwendung. Satelliten beispielsweise bestehen größtenteils aus mit Aluminiumwaben und Karbonfasern aufgebauten Sandwichplatten. [HiTechNatur] Satellit Konstruktion Bestimmte Konstruktionsprinzipien und Bauweisen zeichnen sich durch besonders gute Leichtbaueigenschaften aus und werden sowohl in der Natur, als auch in der Technik, in Leichtbaukonstruktionen, verwendet. 19 Praxis Differential- und Integralbauweise Als Differentialbauweise wird die Auflösung von Formen in einzelne, einfache strukturelle Grundelemente verstanden, die beispielsweise durch Nieten oder Klebungen zusammengefügt werden. Das differentielle Prinzip zählt zu den klassischen konstruktiven Aufbautechniken, wird aber aufgrund geringerer Effizienz immer mehr durch die Integralbauweise abgelöst. Differentialbauweise findet man häufig in der »älteren« Architektur, z.B. beim Eiffelturm. Beim integrativen Prinzip wird eine Minimierung der Einzelteile angestrebt, d.h. Einstückigkeit. Das Gewicht wird dabei durch das Entfernen nicht funktionaler Bestandteile minimiert. Vorbild zur Integralbauweise war auch in diesem Fall die Natur, in der jedes Element nicht nur eine, sondern mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt. Die tragende Elemente sind dabei in die Gesamtform integriert. [Bauweise] Eiffel Turm Weltausstellung 1889, Paris Riesenseerose Eine solche Integralbauweise ist bei der Riesenseerose (victoria amazonica) zu erkennen. Sie kann eine Spannweite von bis zu zwei Metern erreichen und ist gleichzeitig leicht und äußerst stabil. Das Blatt verdankt seine Steifigkeit der konzentrisch auslaufenden Rippen auf der Unterseite und dem aufgebogenem Rand. Dieses Prinzip wird zum Beispiel auch bei Verstärkungsrippen von Plastikgehäusen und Abdeckungen verwendet. [HiTechNatur] Riesen seerose (victoria amazonica) Audi, Space Frame-Bauweise Der neue Audi A8 und der Audi A2 besitzen eine Aluminiumkarosserie in Space Frame-Bauweise. Dabei handelt es sich um eine hochfeste Aluminium-Rahmenstruktur, bei der jedes Flächenteil mittragend integriert wird. In Verbindung mit diesen hochfesten Aluminiumblechen zeichnet sich die Aluminium-Karosserie durch extrem hohe Steifigkeit und damit überdurchschnittliche Crashsicherheit aus – bei gleichzeitig deutlich geringerem Gewicht. Vergleich: Ein Audi A2 wiegt 895 kg und damit rund 150 kg weniger als vergleichbare Fahrzeuge der Kompaktklasse mit konventioneller Stahlkarosserie. [Audi Space Frame Technologie] 20 Karosserierahmen, Audi A8 Praxis Festo, Air in Air Eine besondere Art Integral-Leichtkonstruktion stellte die Firma Festo im Jahre 1996 vor. Die Airtecture-Halle wird von Y-förmigen pneumatischen Muskeln aufrecht gehalten, die äußeren Einflüssen, wie. Wind, entgegenwirken können. Dieses System ermöglicht neben einem relativ niedrigem Transportgewicht auch ein geringes Packmaß. Airtecture-Halle, Festo Dach des Technologiezentrums von Festo Ebenso von Festo stammt eine besonders leichte Dachkonstruktion für Hallen. Das Hallendach besteht aus einem dreilagigen Folienkissen aus ETFE-Folie, einem neuentwickelten Material, dass weniger als 1 Prozent einer Glasscheibe gleicher Größe wiegt. Die Folienkissen tragen sich durch ihren Innendruck selbst. Große Tragekonstruktionen werden so überflüssig. [Festo] Mobilität Das Prinzip Leichtbau, d.h. ein »gutes« Verhältnis von Gewicht zu Stabilität, ist vor allem Grundlage für Anwendungsgebiete, bei denen Mobilität wichtig ist. In der Natur gibt es, wie schon erwähnt, viele Lebewesen, bei denen effiziente Mobilität durch Leichtbau ermöglicht wird (vgl. Libelle, Elefant). Auch in der Technik werden durch die Weiterentwicklung des Leichtbaus immer neue Anwendungen möglich. Neben konventionellen Fortbewegungsmitteln, wie Autos, Motorrädern, Fahrrädern usw., lassen sich diese Anwendungen vor allem im Bereich der Flugmittel beobachten. Klein und leicht Beispielsweise wurde von der Firma Epson Ende des Jahres 2004 der bislang kleinste und leichteste Flugroboter der Welt vorgestellt. Er ist 13cm breit und 8cm hoch und wiegt inklusive Batterie und Kamera nur 12,8 Gramm. Mögliche Einsatz für dieses Leichtgewicht ist zum Beispiel die Suche nach verschütteten Erdbebenopfern. [Flugroboter] Flugroboter, Epson 21 Praxis Groß und leicht Ein Meilenstein in der Entwicklung des Ultraleicht-Flugs machte der Amerikaner Paul MacCready im Jahre 1977 mit seinem »Grossamer Condor«, der bei einer Spannweite von 30 Metern nur 27 Kilogramm wog und sich beim Jungfern-flug nur durch Pedalantrieb acht Minuten in der Luft halten konnte. Das Fluggerät bestand aus Aluminium und wurde durch Klaviersaiten zusammengehalten. [Form] Grossamer Condor Riesig und leicht Anfang des Jahres 2005 stellte Airbus das größte Passa-gierflugzeug der Welt vor. Der A380 ist 73 Meter lang, bietet Platz für bis zu 851 Passagiere und ist dabei nur 270 Tonnen schwer. Das sind rund 15 Tonnen weniger, als der modernste Jumbo des amerikanischen Konkurrenten Boeing bei gleicher Größe wiegen wurde. Möglich machen dieses geringe Gewicht und somit auch den geringen Verbrauch Kohlefaserverbundstoffe, aus denen der A380 zu 40 Prozent besteht. Leicht vs. Schwer Natürlich ist die Verringerung des Gewichts kein Allheil-mittel, auch wenn es in der biologischen und technischen Entwicklung oft den Anschein hat. Denn auch der Leichtigkeit sind Grenzen gesetzt und zwar, wenn sich das niedrige Gewicht negativ auf den Nutzen eines Produkts auswirkt. Ein Auto beispielsweise darf nicht so leicht sein, dass es vom nächsten Windstoß aus der Bahn geworfen wird und ein Tisch muss ein gewisses Gewicht haben, um nicht beim versehendlichen Anstoßen umzukippen. 22 Airbus A380 Formalästhetik Formalästhetische Funktion Leichtigkeit hat neben der praktischen Ebene auch noch eine formalästhetische Ebene, bzw. eine ganz eigene formale Ästhetik. Nach dem offenbacher Ansatz der Produktsprache handelt es sich bei der formalästhetischen Funktion von Produkten um eine Analyse von optischen Eindrücken, wie Form, Farbe, Struktur, usw., und ihrer Wirkung auf den Menschen. Im Falle der Leichtigkeit macht eine solche Analyse Sinn, da man daraus Rückschlüsse auf die Gestaltung von Produkten ziehen kann. Im Folgenden soll also aufgezeigt werden, welche formale Ästhetik sich aus der praktischen Funktion der Leichtigkeit ergibt. Genau wie bei der praktischen Funktion von Leichtigkeit, muss man auch bei der formalästhetischen Funktion zwischen der Anmutung des tatsächlichen Leichtigkeit und der Leichtigkeit, im Sinne des Leichtbaus, unterscheiden. Leichte Anmutung Die Anmutung von geringem Gewicht lässt sich zum einen durch direkte Analogien zu leichten Stoffen schaffen, und zum anderen auch durch indirekte Schlußfolgerungen. Transluzens Eine Facette der Transluzens ist die leichte Anmutung, die durch die folgende Analogie erklärt werden kann. Der leichteste Aggregatszustand, d.h. der mit der geringsten Dichte, in dem Menschen ihre Umwelt wahrnehmen, ist die Gasform. Der alltäglichste gasförmige Stoff ist Luft, der sich vor allem durch seine »Durchsichtigkeit« auszeichnet. Je weiter sich also die Gestaltung von Produkten optisch an Luft annähert, um so leichter wirkt dieses. Gut zu beobachten beim transparenten Stuhl La Marie von Philippe Starck. La Marie, Philippe Starck, Kartell 23 Formalästhetik Hell & Dunkel Leichtigkeit wird im allgemeinen eher mit Helligkeit und Licht assoziiert, während Schwere mit Dunkelheit in Zusammenhang gebracht wird. Anschaulich wird dies in der englischen Sprache, in der »light« sowohl leicht, als auch hell und Licht bedeutet. [Farbcodes und Farbpsychologie] Farben Generell kann man sagen, das Farben, die den Anschein machen, sie seinen lichtdurchlässig, wie zum Beispiel Pastellfarbtöne, leichter Wirken als Volltonfarben. Auch wirken helle Farben, wie zum Beispiel Gelb oder Orange, leichter als eher dunkle Farben wie Rot oder Braun. Leichte Farben lassen Analogien zu Luft, Wolken, Himmel zu (weiß, gelb, blau, hellgrau), während Farben wie Braun, Rot, Grün eher Erde, bzw. Schwere, symbolisieren. [Farbcodes und Farbpsychologie] Anmutungen aus dem Leichtbau Anders als bei der »leichten Anmutung« suggerieren Anmutungen aus dem Leichtbau nicht nur geringes Gewicht, sondern auch den Nutzen des Leichtbaus, d.h. Stabilität, Effizienz und – indirekt – auch oft Mobilität. Form Die alltägliche Erfahrung mit Schwerkraft und Statik lehrt, dass Gegenstände, deren Form sich nach Oben hin ausdehnt, einen niedrigen Schwerpunkt haben müssen, d.h. dass sie zumindest nach oben hin immer leichter sein müssen um Stabil zu sein. Diese Form veranschaulicht der Baum sehr gut, bei dem sich der breite Stamm in immer dünner werdende Äste und Zweige fortsetzt. Das gleiche Phänomen rufen unsymmetrische Formen von Gegenständen hervor, die sich nicht, wie z.B. der Baum, im Gleichgewicht halten könnten, wenn sie nicht auf einer Seite leichter wären. Gut zu beobachten bei der Stehlampe ARCO von Achille und Pier Giacomo Castiglioni. 24 Stehlampe ARCO, 1962 Formalästhetik Leichtigkeit kann so auch zu einem reizvollen Wechselspiel werden. Bei der Stehlampe ARCO steht zum Beispiel der schwere Marmorfuß im Kontrast zum filigran und leicht wirkenden Bogen. Materialanmutung Alu-Wohnwagen Airstream, um 1950 Toaster System Rowenta, um 1960 Materialien, wie z.B. Aluminium und Carbon, suggerieren aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Einsatzes im technischen Leichtbau Leichtigkeit und hohen Technologiegrad. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Unternehmens PPG, dem weltmarktführenden Hersteller von Lacken für die Transportmittelbranche, sind hell-metallische Farbtöne bei Auto am beliebtesten. Angeführt wird die Statistik von Silbermetallic mit 38 Prozent. Gründe dafür sind auch in der Analogie zum relativ leicht und effizient wirkenden Aluminium zu finden und der daraus resultierenden Assoziation zur Energieersparnis. [Autofarbe] Ähnlich ist es bei der Materialanmutung von Carbon, die sich durch die häufige Verwendung im Leichtbau, beispielsweise im Motorsport, auch beim Interiordesign von Autos wieder findet. Auch bei der Gestaltung von Haushaltsgeräten werden Analogien zum Leichtbau hergestellt – gut zu beobachten z.B. bei dem System Toaster von Rowenta, bei dem die leichte Wirkung der Aluminiumkarosserie des Wohnwagens Airstream »imitiert« wurde. [Stromlinienform] Türgriff im Carbonlook 25 Formalästhetik Schweben Ein anderes formalästhetisches Mittel, das ein Objekt leicht erscheinen lässt, ist seine räumliche Positionierung. Macht es zum Beispiel den Eindruck, es schwebe in der Luft, so liegt die Schlussfolgerung zu einer Leichtbaukonstruktion sehr nahe. Steht ein Objekt im Gegensatz dazu direkt auf dem Boden, so vermittelt er eher Schwere. Auch Produkte, wie der Freischwinger, die formal den Anschein des Schwebens erzeugen, vermitteln Leichtigkeit im Sinne des Leichtbaus. Struktur Strukturen, die auf Konstruktionsprinzipien aus dem Leichtbau hinweisen, können zur leichten Wirkung eines Produkts beitragen. Beim Gestell des Drehstuhls PAW von Charles und Ray Eames aus dem Jahre 1950 lassen sich beispielsweise Analogien zur Differentialbauweise herstellen. Freischwinger Stuhl Mies van der Rohe, 1927 Drehstuhl PAW, 1950 Charles und Ray Eames Fußkonstruktion, Golden Gate Bridge Fertigstellung 1937 26 Anzeichen Anzeichenfunktion Als Anzeichen werden diejenigen Zeichen an einem Produkt verstanden, die direkt und unmittelbar seine praktische Funktion erklären. Dabei wird zwischen natürlichen und künstlichen Anzeichen unterschieden. Natürliche Anzeichen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Teil und Konsequenz einer komplexen Sachlage sind. Dunkle Wolken sind zum Beispiel ein natürliches Anzeichen für Regen. Künstliche Anzeichen sind nicht Teil einer Sachlage, sondern nur menschliche Setzungen, die mit einem Sachverhalt in Verbindung gesetzt wurden. Eine rote Ampel ist beispielsweise ein künstliches Anzeichen für einen Haltebefehl. Leichtigkeit beinhaltet sowohl eine natürliche, als auch eine künstliche Anzeichenfunktion. Das tatsächliche Gewicht eines Produkts kann man als haptisches Anzeichen verstehen. Auf eine natürliche Weise kommuniziert Leichtigkeit dadurch Dynamik, Mobilität und fordert zum Mitnehmen und Benutzen auf. Natürliche Anzeichen können auch formale und strukturelle Elemente eines Produkts sein, die sowohl leicht wirken, als auch zur tatsächlichen Leichtigkeit beitragen. Als solches Element könnte man die Carbon- Beine des Carbon Fiber Stuhl von Ralph Lauren werten. Wenn formalästhetische Mittel, wie Farbe, Form, Transluzens, Material, Struktur, usw., nicht zur tatsächlichen Leichtigkeit beitragen, sondern nur Leichtigkeit suggerieren sollen, so sind sie als künstliche Anzeichen zu werten. RL-CF1, Carbon Fiber Stuhl, Ralph Lauren 27 Symbol Symbolfunktion Unter Symbolen versteht man in diesem Zusammenhang Zeichen, die indirekt auf übergeordnete gesellschaftliche Kontexte verweisen. Effizienz Die Frage nach der Symbolfunktion von Leichtigkeit ist vor allem natürlich auch die Frage nach Effizienz, bzw. nach der gesellschaftlichen Relevanz von Effizienz. Diese wurde primär stark von der Industrialisierung geprägt, die sich um 1770 ausgehend von England in Europa und vielen Teilen der Welt ausbreitete. Der Anspruch auf industrielle, wirtschaftliche Massenproduktion war nur durch ein großes Maß an Effizienz möglich, wie hier zwei Beispiele belegen sollen. Frederick Winslow Taylor (1856-1915), der Begründer der wissenschaftlichen Betriebsführung (Taylorismus) versuchte durch seine Experimente mit Arbeitern ihre Leistung, bei gleichbleibendem Lohn, zu steigern. Berühmt machte ihn das sogenannte Schaufelgrößenexperiment. Er ging davon aus, dass für einen »Schaufler« ein bestimmtes Gewicht pro Schaufelbewegung optimal ist. Dazu nahm er gute »Schaufler« als Beobachtungsobjekte. Um ein zuverlässiges Ergebnis zu erhalten, erhielten diese Arbeiter einen Extralohn. Dann wurden für diese Arbeiter die Lasten auf der Schaufel (durch die Schaufelgröße) und auch andere die Arbeit betreffenden Umstände kontinuierlich über einige Wochen verändert. Dabei fand er heraus, dass eine Schauffellast von 9,5 kg optimal für Erdarbeiten ist. [Arbeitspsychologie] Um den Produktionsprozeß effizienter zu machen, führte Henry Ford (1863-1947) im Jahre 1909 die Fließbandarbeit ein und konnte durch seine stark standardisierte Massenproduktion zeitweise einen Anteil von über 50 Prozent am amerikanischen Automobilmarkt erlangen. [Wikipedia] 28 Symbol Werbung, Alfa Romeo, um 1938 Der steigende Anspruch an die Effizienz der Produktion hatte auch Folgen für den Anspruch der Effizienz der Produkte an sich. Die Verbesserung des Wirkungsgrads, d.h. auch der relativen Leichtigkeit, war zum Beispiel bei Fortbewegungsmitteln entscheidend. Gerade in der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise, in den 30er Jahren, war die Effizienz von Produkten, von der Stromlinienform bis hin zum Gewicht, ein wichtiges Verkaufsargument und ist es auch bis heute geblieben. [Stromlinienform] Komfort Alu-Wohnwagen Airstream, um 1970 Werbung, Audi A2 Space Frame Technologie ca.2002 Durch Massenproduktion und Produktvielfalt, die sich als Konsequenzen der Industrialisierung ergaben, formte sich ein neuer Kundenanspruch, der neben Preis und Funktionalität immer wichtiger wurde, nämlich der Komfort eines Produktes. Vorangetrieben wurden Komfortüberlegungen auch durch technische Errungenschaften, wie Elektrizität, Verbrennungsmotor und Elektronik, die den Weg für heute alltägliche Nutzprodukte bereiteten (z.B. Telefon 1876, Glühbirne 1879, Automobil 1886, Kleinbild Film 1889, elektrischer Waschmaschine 1901, Toaster 1909, Fön 1925, usw.). Metaphorisch gesehen sind fast alle diese Produkte dazu erschaffen worden den Alltag der Menschen zu »erleichtern«, d.h. vorhandene Arbeits- und Bewegungsabläufe zu optimieren, effizienter zu machen und so auch komfortabler. Aber auch das tatsächliche Gewicht ist zu einer der Grundvoraussetzungen komfortabler Produkte geworden, denn ein Fön z.B. kann nicht als komfortabel bezeichnen werden, wenn er 20 Kilogramm wiegt und ein Auto kann kaum komfortabel sein wenn sein Gewicht so groß ist, das ein Motor vom Volumen des halben Fahrzeugs nötig ist, um es zu bewegen. 29 Symbol Leicht und schwer Die symbolische Spannung zwischen leicht und schwer beeinflusst in gewisser Weise die Wertigkeit von Produkten. Dabei werden mit »schweren« Produkten meist eher Attribute wie Qualität und hoher Wertigkeit verbunden. Reine Leichtigkeit, d.h. geringes Gewicht, suggeriert in diesem Zusammenhang eher Materialersparnis und niedrige Qualität. Erst wenn Leichtigkeit im Sinne des Leichtbaus erzeugt werden kann, erhält das Produkt eine höhere Wertigkeit. Leichtigkeit wird dann, durch die enge Verknüpfung mit technischen Anwendungsbereichen, zu einem Symbol für technologischen Fortschritt. Und auch die evolutionäre Notwendigkeit der Leichtigkeit prägt sie zu einem Maß für Effizienz, d.h. auch Erfolg. Gesellschaftlich wird sie somit zu einer Art Statussymbol. Dies kann man, neben der Produktwelt, beispielsweise auch am gesellschaftlichen Stellenwert des menschlichen Körpergewichts beobachten. Blowchair Symbolische Leichtigkeit im Sinne des Leichtbaus verkörperte beispielsweise der, 1967 von den italienischen Designern Scolari, De Pas, D’Urbino und Lomazzi entworfene, Blow Chair. Zum einen war er durch seine »Aufblasbarkeit«, stabil und »mobil«, zum anderen stellte er aber auch ein vergängliches Wegwerfprodukt dar, was in den 60er Jahren als äußerst fortschrittlich galt. Leichtigkeit und Bequemlichkeit sind hier also auch auf den symbolischen Ebenen der Leichtigkeit des Besitzes, des Komforts und der Entsorgung zu beobachten. Blow Chair, 1967 30 Symbol Metapher Der symbolische Wert von Leichtigkeit schlägt die Brücke zur metaphorischen Bedeutung der Leichtigkeit. Diese beinhaltet alle vier, in der Arbeit genannten, Funktionen. Metaphorische Leichtigkeit steht dabei für geringes Gewicht, effiziente Arbeit, hohen Nutzen, Stabilität, Komfort und indirekt auch für Mobilität. Eine Entwicklung die sich nicht zuletzt auch im Sprachgebrauch feststellen lässt. Man spricht z.B. von »leichter Arbeit«, »leichtverständlichen Texten«, »leicht zu bedienenden Interfaces«, »leichtgängigen Mechaniken« usw. In jedem Fall beinhaltet Leichtigkeit, bzw. leicht, auch metaphorisch betrachtet, eine Steigerung der Effizienz eines Vorgangs. Rolltreppe Wohl kaum ein anderes menschliches Konstrukt drückt mehr Komfort und »Erleichterung« aus, als die Rolltreppe, die den wirtschaftlichen Durchbruch 1900 bei der Pariser Weltausstellung schaffte. Sie etablierte sie sich schnell in Kaufhäusern und vor allem in Bahnhöfen der U-Bahn. Sie erspart dem Benutzer den Energieaufwand zur Überwindung von Höhenniveaus, ist also ein gutes Beispiel für Effizienz. [Wikipedia] Light-Produkte Metaphorische Leichtigkeit ist auch ein Trend, der immer mehr von der Nahrungsmittel- Industrie aufgegriffen wird. Auf der metaphorischen Ebene führen diese Produkte alle Funktionen der Leichtigkeit zusammen. Erstens sollen Menschen ihr Gewicht durch diese Produkte reduzieren können. Man greift dabei den gesellschaftlichen Trend zur körperliche Leichtigkeit auf und für die Gestaltung entsprechender Produkte werden Elemente benutzt, die Leichtbau suggerieren. Im Falle von Cola- light ist das Etikett im Aluminium- Look gestaltet. 31 32 Fazit Leichtigkeit im Design Wenn Themen nicht isoliert betrachtet werden, sondern auch die Netzwerke in denen sie eingebettet sind berücksichtigt werden, so können sich daraus sinnvolle Schlußfolgerungen ergeben. Diese Idee entspricht meiner Meinung nach genau dem integralen und fächerübergreifenden Ansatz auf den sich die “Disziplin” Design gerne beruft. Der Faktor Leichtigkeit bestimmt große Teile unseres Lebens, angefangen von der nützlichen Leichtigkeit der Produkte die uns umgeben, bis hin zu einer Art allgemeinen, gesellschaftlichen Leitbild. Leichtigkeit ist eine treibende für die Natur und für die Technik und durch die umfassende Untersuchung des Phänomens Leichtigkeit lässt sich auch einiges über die Konzeption und Gestaltung von Produkten lernen. Leichtigkeit, d.h. das sinnvolle Verhältnis von Funktion zu Gewicht, wird sich durch die Entwicklung neuer Materialien und Konstruktionsprinzipien immer weiter verbessern. Eine natürliche Grenze bildet dabei der Gewicht an sich, denn materielle Produkte werden immer etwas wiegen. Mit diesem Ausblick bekommt Leichtigkeit im Design eine ganz neue Relevanz, denn die gestalterische Leichtigkeit kennt keine natürlichen Grenzen – man denke neben dem Produktdesign auch an Grafik-, Interface- und Servicedesign usw. Um Milan Kunderas Frage, aus dem Zitat am Anfang der Arbeit («Was also soll man wählen? Das Schwere oder das Leichte?»), zu beantworten: «Das Leichte, solange es eine sinnvolle Funktion hat.» 33 Quellen und Weiterführendes Literatur [Form] Form, Ausgabe 11/12,04 [Light, Strong] vgl. Nicola Stattmann, Ultra Light - Super Strong Birkhäuser [Prinzip Leichtbau] vgl. Frei Otto, IL 24 Prinzip Leichtbau Karl Krämer Verlag, 1998 [Produktsprache] vgl. Dagmar Steffen, Design als Produktsprache Verlag Form Theorie, 2000 [Stromlinienform] vgl. Claude Lichtenstein und Franz Engler, Stromlinienform Verlag Lars Müller, 1992 [Vorbild Natur] vgl. Werner Nachtigall, Vorbild Natur Springer Verlag, 1997 Internet [Audi Space Frame Technologie] http://www.audi.at/lexikon_detail.php?id=219 [Autofarbe] http://www.autosieger.de/print.php?sid=3948 [Arbeitspsychologie] http://www.mirko-wendland.de/skripte/aundo/aundo02. html [Balkenwaage] http://www.laurentianum.de/ physikmuseum/balkenwage. htm 34 Quellen und Weiterführendes [Bauweise] http://www.haw-hamburg.de/pers/Isenberg/projekt1Open/ ss02/sect19/projekt1/sek2_2.htm [Farbcodes und Farbpsychologie] http://www.beta45.de [Festo] www.festo.com [Flugroboter] http://www.epson.co.jp/e/newsroom/news_2004_08_ 18.htm [HiTechNatur] http://www.hitechnatur.ch [Libelle] Quarks & Co, http://www.quarks.de/fliegen2/0103.html [Wikipedia] Wikipedia, Die freie Enzyklopädie http://de.wikipedia.org/wiki/ [Wissen] www.wissen.de PDF (Internet) [Czichy] Leichtbau in Luft- und Raumfahrt, Dr. Reinhard H. Czichy 35