2650 moneta 2/2002 dt - Alternative Bank Schweiz

Transcription

2650 moneta 2/2002 dt - Alternative Bank Schweiz
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Lesart
Liest man ein Inserat der Konkurrenz
wörtlich, stehen einem rasch einmal
die Haare zu Berge. So geschehen
auch ABS-Werber Aldo Clerici. Er hat
sich davon ein erstes Denkbild gemacht.
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Leitplanken
Antworten der AktionärInnen auf
Fragen der Führungsgremien sollen
dem Verwaltungsrat der Alternativen Bank als Leitplanken auf
dem Weg zu Entscheidungen
dienen. Dazu eine erste Auswertung.
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AZB 4601 Olten
Nummer 2 | 17. Juni 2002
Lebewesen
Postcode 1
Milch ist ein Lebewesen. Sagt
Gerhard Zürcher mit Leidenschaft.
Er kommt eigentlich aus dem
Emmental und käst seit Januar 2001
in einer Käserei, die ihm 13 Biobauern im Obergoms gebaut haben.
Der Maler
und das Modell
Als der Bieler Maler Franz Gertsch
sie 1997 erstmals fotografiert und
dann auf Riesenleinwand gemalt hat,
sei sie zwar kein Mädchen mehr
gewesen, aber auch noch keine Frau
wie heute. Sagt Sylvia Schmutz nach
langem Hinsehen. Für moneta trafen
sich der Maler und sein Modell im
Berner Atelier von Gertsch, der Ende
Oktober in Burgdorf sein eigenes
Museum bekommen wird. Darin soll
es auch einen ganzen Raum mit
verschiedenfarbigen Holzschnitten
seines Frauenporträts «Silvia» geben.
Sylvia selbst sah das neue Werk an
diesem Abend im Mai zum ersten
Mal.
Seite 3
Foto: Ruedi Steiner
Die Gesichter
einer Generation
Direktionssekretärin Sylvia
Schmutz, SP-Nationalrätin Pascale
Bruderer, OL-Weltmeisterin Simone
Luder und Freund Matthias Niggli,
Soziologe Matthias Herfeldt,
Werberin Nadja Schnetzler, Musiker
Christian Häni und Fernsehmoderatorin Kathrin Winzenried haben
mindestens eines gemeinsam: Sie
sind Teil der Generation der 20bis 30-Jährigen. Und: Ihre Gesichter
und Geschichten bilden einen fast
zufällig gewählten Ausschnitt einer
Generation, die den bewusst gewählten Schwerpunkt dieser monetaAusgabe ausmacht. Die Berner
Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello
setzt darin behutsam einen wissenschaftlich fundierten Rahmen, bevor
Brainstore-Vater Markus Mettler
alles bestechend besser weiss.
Kolumne
Mitten drin im Leben
Inhalt
Der Maler und das Modell
Franz Gertsch (72) und Sylvia Schmutz (23)
suchen die Worte
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Zwischen Fun und bitterem Ernst
Pasqualina Perrig-Chiello
über die Generation der 20- bis 30-Jährigen
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Mit Ehrgeiz durch die Wälder Europas
OL-Weltmeisterin Simone Luder (23) und
Freund Matthias Niggli (28) über den Erfolg
in ihrem Leben
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Die Empörung des Matthias Herfeldt (29)
Vom Frontdienst bei der Erklärung von Bern
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Das Buhlen der Banken
Der Entscheid, wo ein Konto eröffnet wird,
fällt immer früher
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Mit 25 ist alles gelaufen
Bieler Brains sind jung
und wissen alles besser
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Häni (22) sucht den coolen Song
Der Frontmann von «scream»
hat kein Auto
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Die Frau vom Lande und vom Fernsehen
Kathrin Winzenried (29) will nie mehr 18 sein
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Das Denkbild
Aldo Clerici wundert sich
Foto: zvg
3
Die 20- bis 30-Jährigen . . . Mitten drin stehe ich da sozusagen. Eine Spanne von
zehn Jahren; die Hälfte hinter, die Hälfte vor mir. Ich gehöre also voll dazu.
Dazu? Wozu?
Ab 20 ist man definitiv erwachsen; bringt diese Erkenntnis jedoch nicht ohne
Schmunzeln über die Lippen. Man fängt an, die offenen von den geschlossenen
Türen zu unterscheiden; kann es aber doch nicht lassen, auch an Letzteren
herumzuriegeln. Irgendwann weicht die «Grümpelkammer» einem Weinkeller
Pascale Bruderer
und später der Goron einem Cabernet. Plötzlich siezt einen die Nachbarin, ob
man will oder nicht; siezt einen noch dazu mit Vornamen («Wie geht es Ihnen, Pascale?»).
Ein feines Restaurant vermag die Disco, die Oper das Kino zu toppen. Und wenn neben
dem Weinkeller noch Platz genug ist, kauft man sich . . . Nein, doch kein Cabrio, sondern aus
weiser Voraussicht einen Kombi. Der Fernseher wird wieder wichtiger. Man lässt sich nieder
und wird – wenn nicht schwanger – so zumindest älter.
Sind die Dinge so einfach? Und wir 20- bis 30-Jährigen so simpel (zusammen)fassbar?
Zum Glück nicht wirklich.
In der Kommode «Alter» befinden wir uns zwar in derselben Schublade. Nicht unbedingt aber im Regal «Interessen», im Schrank «Wertvorstellungen», im Schreibtisch
«Probleme». Und auch nicht im Sekretär «Lösungen».
Alle sitzen wir während dieser Phase wohl ein bisschen zwischen Stuhl und Bank.
Aber dieses Dazwischen bietet Raum genug, um doch ganz unterschiedlich zu sein. Und
um vorübergehend alternative Sitzgelegenheiten zu finden.
Vielleicht beginnen sich zwischen 20 und 30 Jahren die ganz grossen Fragen zu stellen,
das ist möglich. Doch können diese sowohl die Anschaffung eines Autos als auch die eines
Zweitrasenmähers betreffen. Oder die private Vorsorge oder die Hochzeit. Familien- oder
aber Studienpläne.
Traurig, aber wahr. Und höchst unspektakulär noch dazu. Die 20- bis 30-Jährigen
scheinen Menschen wie Sie und ich . . . oder besser: wie Sie und Sie zu sein. Und wenn ich
sage, ich selbst stehe mittendrin, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Mittendrin und
voll daneben.
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Der Denkanstoss
Die Antworten der AktionärInnen
Pascale Bruderer, 24, SP-Nationalrätin aus dem Aargau,
jüngste Bundesparlamentarierin, Studentin der Volkswirtschaft und Politologie
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Emmentaler im Obergoms
13 Bauern bauen eine Biokäserei
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Bücher und Bälle
Impressum
Zeitung für Geld und Geist. Nr. 2, 17. Juni 2002
moneta erscheint mindestens vierteljährlich in deutscher und französischer Sprache. Wiedergabe von Texten und eigenen
Illustrationen nur unter Quellenangabe und mit schriftlicher Zustimmung der Redaktion.
Herausgeber: HerausgeberInnenverein moneta Redaktion: Ruth Hugi (verantwortlich), Felix Bührer, Aldo Clerici,
Afra Sturm und Dominique Roten Redaktionelle Mitarbeit: Pascale Bruderer, Beat Hugi, Pasqualina Perrig-Chiello und
Ruedi Steiner (Fotos) Layout und Produktion: Clerici Partner, Zürich Druck: ROPRESS Genossenschaft, Zürich
Verlag: moneta, Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten, Telefon 062 206 16 16 Redaktionsadresse: moneta, Feldstrasse 10,
Postfach, 4901 Langenthal, Telefon 062 922 91 56, Fax 062 922 04 88, E-Mail: [email protected] Abonnemente: Jahresabonnement Fr. 20.–, Förderabonnement Fr. 50.– Auflage dieser Ausgabe: 16 400 Ex.
Beilagen und Inserate: Wir machen darauf aufmerksam, dass Beilagen, die nicht von der ABS selbst oder von moneta beigelegt
werden, bezahlt sind und deshalb den ebenfalls bezahlten Inseraten gleichkommen – die Einnahmen daraus helfen uns,
die Produktionskosten der Zeitung zu reduzieren.
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Nr. 2 | 17. Juni 2002
Generation 20/30
Franz Gertsch (72) und Sylvia Schmutz (23) suchen die Worte
Das Gesicht und sein Geheimnis
Sylvia Schmutz mag solche Termine nicht. Zugesagt hat sie,
weil sie unbedingt das neuste Werk von Franz Gertsch sehen wollte.
Ein blauer Holzschnitt ihres Gesichts. Die virtuose wie geheimnisvolle
Momentaufnahme eines kurzen Augenblicks in ihrem Leben.
«Ich war damals kein Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau»,
sagt sie. Auch Franz Gertsch versucht das Unerklärbare
Fotos: Ruedi Steiner
für moneta zu erklären.
S
ie steht wie angewurzelt. Ihr Körper verschwindet fast im riesigen Gesicht. Als wolle sie gleich reinschlüpfen in die schönen Züge, erhellt und entstanden
aus hunderttausenden von kleinen Punkten, die Franz
Gertsch in den letzten Monaten mit einem Hohleisen in
die grosse Lindenholzplatte gekerbt hat.
Es ist lange still in seinem hohen Berner Atelier am
Altenberg. «Eigentlich kann man darüber gar nicht
reden», sagt Gertsch langsam und ruhig im Hintergrund. Er lächelt ein bisschen verlegen. «Denn was ich
beim Malen und Arbeiten suche, ist ein Ausdruck, der
verbal gar nicht zu definieren ist. Den man nur im Bild
darstellen kann.»
Das ist seine Kunst. Einmalig. Grossartig. Grossformatig. Das erste «Silvia»-Gemälde ist 1997 entstanden.
Damals machte ihn seine Frau Maria auf Sylvia Schmutz
aufmerksam, die zu ihr in die Tai-Chi-Stunde kam.
Sylvia, die Tochter eines benachbarten Bauern aus
Rüschegg im bernischen Schwarzenburger Land, wo
Franz und Maria Gertsch seit 26 Jahren leben. Er hat
unzählige Fotos von Sylvia gemacht. Auf der Suche nach
dem Geheimnis in diesem Gesicht, nach einem Augenblick, den er sich verinnerlichen wollte, um ihn später
beim Malen immer wieder und immer tiefer zu spüren.
Und daraus zu schöpfen. «Schon beim Fotografieren
muss ich das Bild im Sucher sehen, die Möglichkeiten,
die mir dabei eröffnet werden, die Tiefe, in die ich abtauchen kann. Das Foto ist nur das Sprungbrett, das Ziel
der intensive Augenblick und die ständige Erinnerung
an diesen Augenblick. Ein Fotograf nimmt, will er auf
einen Berg, das Bähnli. Ich begebe mich mit dem gleichen Ziel auf eine lange Wanderung, nehme vieles mit,
nehme mir Zeit, erlebe in dieser Zeit viel und versuche
das so Erlebte zu vermitteln. Mit meinen Modellen übrigens habe ich nach dem Fotografieren keinen Kontakt
mehr. Es gibt da keine Geschichten.»
Sylvia schaut zu ihm hin. «Ich kann mich noch gut
an die Aufnahme erinnern. Und an das, was ich in dem
Augenblick gefühlt habe, als das Foto entstand, das zur
Vorlage für dein Gemälde wurde.» Gertsch lächelt. Und
er wisse noch, wie sehr er Sylvia gefordert habe und wie
sie langsam müde wurde. Wie sie geschaut habe, als
wolle sie fragen: Was will der eigentlich noch von mir?
– «Ich war zuerst sehr unsicher, du wolltest immer, dass
ich ernst dreinschaue, ich aber musste immer lachen.
Zum Schluss war ich nur noch müde, wollte nicht mehr
und hoffte, dass du endlich mit Fotografieren aufhörst.
Das ist wohl das Trotzige in diesem Blick.»
Sie dreht sich wieder zum neusten «Silvia»-Bild um,
einem riesengrossen Holzschnitt, abgezogen auf handgeschöpftes Japanpapier aus der Produktion des japanischen Hoflieferanten. Die gigantische Lindenholzplatte
mit den kleinen, feinen Kerben liegt daneben. «Das ging
an meine Grenzen», sagt der 72-Jährige fast entschuldigend. Er glaube kaum, eine solche Herausforderung
nochmals anzunehmen, so viele Lichtpunkte zu setzen,
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Generation 20/30
«
Ich sehe in diesem Gemälde
nicht mein Spiegelbild.
Ich sehe ein wunderschönes,
berührendes Porträt einer
»
Frau, in der ich mich spiegle.
«
Was ich beim Malen und
Arbeiten suche, ist ein Ausdruck,
der verbal gar nicht zu
definieren ist, den man nur
»
im Bild darstellen kann.
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um Sylvia das Gesicht zu geben, das er immer wieder
«Silvia» nennt. «Eine Landschaft lässt sich viel freier
hinlegen. Schon ein einziger, falsch gesetzter Lichtpunkt im Mundwinkel von ‹Silvia› aber ist verheerend.»
Gertsch schreibt sein Werk «Silvia» übrigens mit zwei
«i», Sylvia ihren Namen mit einem «y». Sie stört sich
nicht daran.
«Es ist einfach wunderschön. Es ist so grossartig. Es
ist schwer beschreibbar, wenn es ein solches Gemälde
von einem selbst gibt. Als ich eben hereingekommen
bin, habe ich gleich gespürt, wie mir diese neue ‹Silvia›
hier von allen dreien, die ich gesehen habe, am besten
gefällt.» Wobei sie die Gemälde wie auch diesen Holzschnitt immer wieder aus einer gewissen Distanz betrachte und betrachtet habe, «ich sehe darin nicht mein
Spiegelbild, ich sehe ein wunderschönes, berührendes
Porträt einer Frau, in der ich mich spiegle.»
Sie habe ihren Vater kaum je weinen gesehen. «Aber
als er das erste ‹Silvia›-Gemälde zum ersten Mal sah, füllten sich seine Augen mit Tränen. Und so geht es ihm
immer wieder, wenn er das Bild sieht.» Das sage wohl fast
alles. Und für sie? «Es ist wie eine Momentaufnahme
eines einzigen, winzigen, wichtigen Augenblicks in meinem Leben. Ich war damals 17, 18 Jahre alt. Es gibt so
einen Song von Britney Spears, der genau diesen Zustand
beschreibt. Sie singt davon, noch keine Frau zu sein, aber
auch kein Mädchen mehr. So war ich damals. Noch keine
Frau, aber auch kein Mädchen mehr. Ich war in der Pubertät. Ich habe rebelliert. Heute fühle ich mich als Frau.»
Jetzt schaue sie aber genau so wie damals, dieser
Ausdruck im Gesicht, murmelt Gertsch. «Obwohl, es ist
bei mir nie ein Porträt im eigentlichen Sinn, bei dem das
Wesentliche daran die Ähnlichkeit sein kann. Es geht
mir mehr um das Wesen an sich, um das Wesen der Frau
vielleicht.»
Sie habe sich sicher verändert in den letzten Jahren,
sagt Sylvia. «Ich habe eine Freundschaft beendet und
eine neue begonnen. Ich war auf Reisen. Das sieht man
mir heute auch an. Ich schaue anders als damals. Aber
ich habe alles von damals noch in mir. Ergänzt und erweitert durch neue Erfahrungen. Meine Grundmauern
waren damals aber bestimmt schon gesetzt.» Jetzt gehe
es darum, nicht im ersten oder zweiten Stock mit dem
Bauen aufzuhören, sondern an sich zu arbeiten, Stock
für Stock, Lebensabschnitt um Lebensabschnitt. «Ich
glaube nicht, dass wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen dürfen. Wir müssen stetig an uns arbeiten.»
Sylvias Gesicht wird im neuen Museum von Franz
Gertsch gleich mehrmals und in verschiedenen Räumen
zu sehen sein. Diese werden derzeit in Burgdorf gebaut.
Sie werden Ende Oktober eröffnet. «Da musst du dann
auch kommen», sagt Gertsch zu Sylvia. In einem Raum
werden viele dieser grossen «Silvia»-Holzschnitte zu
sehen sein, in Regenbogenfarben eingefärbt. In einem
andern Raum hängt Gertsch Sylvias Gesicht als Gemälde
zum «Gläserzyklus I bis IV», einem gigantischen «Porträt» von der Natur um Rüschegg, gefunden in Grashalmen, wuchtig vergrössert, beglückend in Licht gebündelt.
Generation 20/30
«Ich habe meine Wurzeln in Rüschegg, bin dort
daheim, am Schwarzwasser und im Wald. Dort bin ich
so viel gesessen, habe geweint und gelacht, dorthin
komme ich immer wieder zurück.» Sagt Sylvia Schmutz.
Und dass sie heute nur in der Stadt leben könne, dass
sie so lebendig sei, Abend für Abend Lust verspüre auszugehen und genau wisse, dass es ihr jetzt in Rüschegg
zu langweilig würde. «Aber schon nach 14 Tagen bin ich
von der Stadt derart verkrampft, dann muss ich nach
Rüschegg. In den Wald und ans Schwarzwasser. Dort
kann ich mich gehen lassen. Ich habe das Gefühl, endlich wieder frische Luft zu atmen. Es ist schön, das
so haben zu können.» Gertsch: «Vielleicht ist es das,
warum das Bild so gut zu den Gräsern passt und alle andern meiner Frauenporträts nicht. Diese Verbundenheit
mit der Natur, mit Rüschegg.» Er selbst sei am Bielersee
geboren. Der Blick über den See zur Insel sei seine Sehnsuchtslandschaft. Heute sehe er von Rüschegg aus den
Chasseral in weiter Ferne. Und halte sich trotzdem ein
bisschen an ihm. Die Natur, die Landschaft habe ihn
mit den Jahren immer mehr eingenommen, hat sich mit
dieser enormen Naturliebe verbunden, an der er sich als
Kind gehalten habe. «Wir sind in die Stadt Bern gezogen, als ich fünf Jahre alt war. Aber ich bin immer
wieder an den Bielersee zurückgekehrt.»
So, wie Sylvia vom Schwarzwasser nicht lassen kann.
Oder dann nur mal kurz, aber heftig. Wie kürzlich, als
sie für vier Monate nach Frankreich zog. Und sich von
dort nie gemeldet hat. «Weil ich genug von allem hatte,
als ich ging. Genug von meinen Eltern. Vom Bruder.
Vom Freund. Jedes Wort hat mich genervt. Jedes Wort
war eines zu viel.» Zwei Monate ging sie dann in Frankreich zur Schule, zwei Monate reiste sie herum. Alleine.
«Ich bin stolz, es selbst geschafft zu haben. Ich habe
mich durchgeboxt. Das hat mir Selbstwertgefühl gegeben. Und ich weiss das Leben, die Menschen und die
Natur hier heute besser zu schätzen. Ich weiss, was ich
daran habe. Viel mehr als vorher.» Und reisen werde sie
auch bald wieder. Vermutlich alleine. «Ich bin zwar sehr
gesellig. Ich brauche die Gesellschaft der Menschen.
Aber plötzlich stellt es mir ab. Dann muss ich für mich
allein sein. Dann ertrage ich keinen mehr.»
Ob vielleicht gerade das der geheimnisvolle Inhalt
ihres Ausdrucks auf dem Bild sei, fragt sie Franz Gertsch
in die Stille. «Deine Frage: Was bringt das Leben?»
Sylvia schaut sich wieder ins Gesicht.
Beat Hugi
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Generation 20/30
Fakten aus der Forschung
Zwischen Fun und bitterem Ernst
Verunsicherung und mangelndes Vertrauen prägen die Generation der
heute 20- bis 30-Jährigen. Davon ist PD Dr. Pasqualina Perrig-Chiello
überzeugt. Sie lehrt und forscht als Psychologin an der Uni Bern. Die markantesten Merkmale auf einen Blick: die Angst, eigene individuelle
Bedürfnisse zurückstellen zu müssen, Probleme mit der Verlässlichkeit
Foto: zvg
des Partners, der Partnerin, Misstrauen gegenüber der Gesellschaft
allgemein, Lust auf Fun und Frust am bitteren Ernst. Die Analyse im Detail:
Pasqualina Perrig-Chiello
N
och vor 30 Jahren resümierte der einflussreiche
Psychologe Havighurst die Entwicklungsaufgaben des
frühen Erwachsenenalters lapidar mit: Partnerwahl/Ehe,
Familiengründung/Kinder, Beginn einer Berufskarriere.
In der Tat war zu diesem Zeitpunkt der Lebenslauf der
20- bis 30-Jährigen ganz klar festgelegt: Bis spätestens
mit 30 musste ein Mann solide im Beruf stehen und eine
Familie gegründet haben. Von der Frau wurde ebenfalls
erwartet, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt geheiratet
und Kinder auf die Welt gestellt hatte – dass sie deshalb
ihren Beruf aufgeben sollte, war selbstverständlich.
Dieses Bild änderte sich in der Folge ganz erheblich. Im
Zuge des gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses der letzten Jahrzehnte nahmen in der Schweiz auch
Scheidungen, Kinderlosigkeit und nichteheliche Geburten zu, gleichzeitig sanken die Heiratsraten. Lebensläufe und Lebensformen wurden immer mehr destandardisiert, das heisst, die sozial normierten, typischen
Erwartungen an die Berufs-, Partner- und Elternrolle wurden weniger starr und konnten zunehmend
individuell gestaltet werden. Wann,
wie, wer welche Rolle übernimmt,
Heiraten und Kinderkriegen
wurde zu einer vorwiegend indiviist heute für junge Frauen
duellen Angelegenheit. Aus dem
einstigen beengenden Rollenzwang
keine Selbstverständlichkeit
ist eine Rollenfreiheit geworden,
mehr – aber für junge Männer
eine Freiheit, über die die jungen
Leute nicht nur glücklich sein könauch nicht.
nen. Denn die Individualisierung
und der damit assoziierte Wertepluralismus brachten auch Verunsicherungen, abnehmende soziale Kontrolle und eine schwindende soziale Einbettung mit sich.
Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass immer
mehr junge Leute auf ihr persönliches Recht auf Selbstverwirklichung, auf ihr persönliches Recht auf Glück
pochen, was nicht selten in krassem Widerspruch zu den
Möglichkeiten steht und unweigerlich zu Konflikten
führen muss.
In der Tat ist die «jeunesse dorée» gar nicht so golden wie vielfach angenommen. So zeigen repräsentative
Schweizer Studien ein unmissverständliches Bild: Verglichen mit Personen mittleren und höheren Alters, sind
die jungen Erwachsenen weniger zufrieden, berichten
über mehr psychische Probleme und über mehr Konflikte mit PartnerInnen, Angehörigen, Behörden sowie
am Arbeitsplatz. Realität ist weiter, dass sie nur zögerlich aus dem Elternhaus ausziehen, immer weniger Lust
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«
»
aufs Heiraten und Kinderkriegen haben – Realität ist
aber auch, dass Männer wie Frauen viel in den Aufbau ihrer Berufskarriere wie für die persönliche Freizeitgestaltung investieren – und dass diesen Domänen
höchste Priorität zukommt.
Kennzeichnend für den Übergangsprozess ins Erwachsenenalter in unserer Gesellschaft ist nicht nur, dass
es sich um eine stark individualisierte, sondern auch um
eine lange Lebensphase handelt. Auffallend dabei ist die
Asynchronizität der Entwicklungsmöglichkeiten: Einerseits haben bereits 18-Jährige alle möglichen formalen
Rechte wie Wahlrecht, Ehemündigkeit usw., anderseits
sind die meisten jedoch noch weit davon entfernt, ihr
Leben autonom führen zu können, dies nicht zuletzt aufgrund ihrer ökonomischen Abhängigkeit von der Familie. Die veränderten ökonomischen Realitäten und die
damit verbundene verlängerte Ausbildungsphase sowie
der erschwerte Einstieg in den Beruf bringen es in der Tat
unweigerlich mit sich, dass die Trennung von der Herkunftsfamilie sowie die Gründung einer eigenen Existenz
für viele immer mehr aufgeschoben wird. Von Nesthockersyndrom sowie von Hotel Mama ist dann bezeichnenderweise die Rede, wobei dieses Phänomen nicht zu
einem Spezifikum italienischer und spanischer matriarchaler Systeme reduziert werden darf, da es ja zunehmend auch zu einer helvetischen Realität geworden ist.
Die veränderte wirtschaftliche Lage bringt es zudem
mit sich, dass ganz generell die beruflichen Lebensläufe der jungen Erwachsenen unruhiger geworden sind,
gekennzeichnet durch häufige Wechsel und Unterbrechungen. Dabei ist den jungen Leuten – trotz der vielfach beschworenen Freiheiten und Möglichkeiten – klar,
dass sie in dieser Phase die Weichen für ihren Lebensweg stellen und dass getroffene Entscheidungen nur beschränkt revidierbar sind. Konsequenterweise investieren sie in der Regel sehr viel Zeit und Energie, um ihren
Platz in dieser Gesellschaft definieren zu können – einer
Gesellschaft, welche ihnen ohnehin wenig Partizipationsmöglichkeiten gibt. Das gilt für Männer wie für
Frauen – und genau hier fängt auch ein weiteres Problem an: Die jungen Frauen übernehmen nicht mehr
«automatisch» die ihnen traditionell zugewiesenen Rollen als Hausfrau und Mutter. Wie nie zuvor sehen sich
junge Frauen gezwungen, sich auf stabile Art und Weise
beruflich zu verankern, und sind auch nicht so schnell
bereit, das Aufgebaute ohne weiteres für Mann und
Kind zu opfern. Heiraten und Kinderkriegen ist heute
für junge Frauen keine Selbstverständlichkeit mehr –
aber für junge Männer ebenfalls nicht. Statt der einsti-
1. Angst, eigene individuelle Bedürfnisse
zurückstellen zu müssen
In der subjektiven Einstellung zur Lebensgestaltung
allgemein, insbesondere aber zu Arbeit und Beruf hat
sich in den letzten Jahrzehnten ein grundlegender Wandel vollzogen. Werte wie Pflichterfüllung, Disziplin,
Anpassung und Fleiss haben an Bedeutung verloren. An
ihre Stelle traten Werte wie Selbstbestimmung, Individualität, Selbstentfaltung, Kreativität, Lebensgenuss,
Wellness sowie die Erhaltung der eigenen Gesundheit.
Aus der Berufung ist der Beruf, der Job, geworden, der
es ermöglicht, schnell und effizient zu Geld zu kommen,
um diese Werte realisieren zu können. Gerade in dieser
Phase zwischen 20 und 30 wollen viele junge Leute
das Maximum an «Fun» (Disco, Reisen . . .) sowie an
«Challenge» (Sport . . .) für sich herausholen. Dass das
mit einer verbindlichen Partnerschaft, insbesondere
aber mit elterlichen Pflichten interferiert, ist evident.
2. Nicht-Vertrauen in einen verlässlichen
Partner, in eine verlässliche Partnerin
Gravierender als das genannte Primat der Befriedigung eigener Bedürfnisse ist die Konfusion von impliziten und expliziten Rollenerwartungen an Partnerinnen
und Partner. Wohl werden in unserer Gesellschaft traditionelle Rollenerwartungen an Frauen und Männer als
Ehepartner und als Eltern ganz offen in Frage gestellt
sowie alternative Modelle propagiert – de facto gelten
schlagartig, sobald Kinder erst mal da sind. Umgekehrt
sind Enttäuschungen bei vielen jungen Männern vorprogrammiert, wenn ihre zum Teil nach wie vor traditionellen Rollenvorstellungen mit den Bedürfnissen
ihrer Partnerinnen nicht konvergieren.
Die mangelnde Transparenz beziehungsweise die
Unvereinbarkeit von Rollenvorstellungen und Rollenmöglichkeiten bringen somit eine Verunsicherung und
folglich auch eine Unverbindlichkeit mit sich, welche
Ehe und Elternschaft als nicht primär erstrebenswerte
Ziele taxieren. Die hohen Scheidungsraten sowie die
Tatsache, dass Kindererziehen zunehmend auch bedeutet, allein zu erziehen, wirken sich als Motivationsdämpfer, wenn nicht gar als Abschreckungsfaktoren,
insbesondere für die Frauen, aus.
Generation 20/30
gen Suche nach der Frau/dem Mann fürs Leben geht es
nun allenfalls darum, den/die Lebensabschnittspartner/in zu finden – hierbei wird vor lauter Unsicherheit
und Ambivalenz bezüglich Partnerschaft und Berufstätigkeit die «Kinderfrage» je länger, je mehr auf einen
späteren Zeitpunkt verschoben. Was sind aber die tieferen Gründe, die zu dieser Ambivalenz bezüglich Partnerschaft und Kindern, zu dieser mehr oder weniger
expliziten Verweigerung führen?
3. Nicht-Vertrauen in die Gesellschaft
Schliesslich haben oben erwähnte Probleme auch
eine gesellschaftliche Dimension. Es ist wohl nicht
übertrieben zu sagen, dass in unserer Gesellschaft ein
ausgesprochenes Desinteresse, ja
gar eine strukturelle Rücksichtslosigkeit der Familie gegenüber exisDie Trennung von der
tiert. Kindererziehung ist Privatangelegenheit, insbesondere aber
Herkunftsfamilie sowie die
eine selbstverständliche FrauenGründung einer eigenen
pflicht. Es fehlen in der Schweiz
weitgehend grosszügige finanzielle
Existenz wird für viele immer
Leistungen für Familien (Mutterschaftsversicherung, bezahlter Elmehr aufgeschoben.
ternurlaub, Kinderzulagen usw.),
und es mangelt vor allem auch an
guten, für alle erschwinglichen Angeboten der Kinder-Tagesbetreuung. Es ist somit nicht
verwunderlich, dass viele junge Leute in Kindern – neben einer Einschränkung von persönlichen Freiheiten –
in erster Linie eine finanzielle Einschränkung sehen.
«
»
Fazit
«
Männer wie Frauen investie-
ren viel in den Aufbau ihrer
Berufskarriere und in die persönliche Freizeitgestaltung.
Diese Domänen haben höchste
»
Priorität.
jedoch inoffiziell und stillschweigend in erheblichem
Masse noch die alten Vorstellungen und Kontextbedingungen. So wird etwa die Erwartung einer jungen Frau,
dass ihr Partner sie im Falle einer Mutterschaft substanziell und verlässlich stützen und entlasten kann, mit
grosser Wahrscheinlichkeit enttäuscht werden. Dies
einerseits darum, weil die gesellschaftliche Normierung
der Rollenkonfiguration von Männern im Erwerbsalter
(insbesondere beim Aufbau der «Karriere») nach wie
vor sehr rigid ist (strukturelle Unmöglichkeit seitens der
Arbeitgeber, aber auch soziale Sanktionierung). Anderseits sind viele junge Männer psychisch auch gar
noch nicht bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.
Wie viele Studien gezeigt haben, verändern sich die
anfänglich progressiven Einstellungen vieler junger
Männer bezüglich Partnerschaft und Elternschaft
Auch wenn die Zeitspanne zwischen 20 und 30 keine
einheitliche Lebensperiode ist, so ist sie doch im subjektiven Erleben der meisten dieser Leute eine entscheidende transitorische Phase. Es ist nicht Zufall, dass
Leute mittleren und höheren Alters in ihrer biografischen Retrospektive Ereignisse aus genau dieser Zeitspanne besonders erinnern und erwähnen. Der Hauptgrund hierfür könnte sein, dass die jungen Leute hier
erstmals die Selbstverantwortlichkeit über die eigene
Biografie ganz bewusst wahrnehmen. Das Bewusstsein
auch, aus dem relativen Schonraum der Adoleszenz heraustreten zu müssen, um die Rolle als Erwachsene zu
übernehmen. Selbstverantwortlichkeit, Kontrolle über
das eigene Handeln und das Gefühl von Machbarkeit
sind wichtige Voraussetzungen, damit junge Leute in
dieser Gesellschaft ihren Platz finden können. Selbstverantwortlichkeit wird vermittelt, sie ist Resultat der
Erziehung, der Sozialisation. Die Familie wie die Gesellschaft haben somit eine Mitverantwortung, ja, einen
Auftrag, klare und greifbare Randbedingungen zu setzen und Vorbildfunktion zu übernehmen. Dies im Sinne
des Philosophen Teilhard de Chardin, wonach die Zukunft in den Händen derjenigen liegt, die der kommenden Generation triftige Gründe dafür geben, zu leben
und zu hoffen.
PD Dr. Pasqualina Perrig-Chiello
Pasqualina Perrig-Chiello
ist Präsidentin der Leitungsgruppe des Nationalen
Forschungsprogrammes
«Kindheit, Jugend und
Generationenbeziehungen
im gesellschaftlichen
Wandel» (NFP 52)
Institut für Psychologie,
Universität Bern, Unitobler,
Muesmattstrasse 45,
3000 Bern 9
Nr. 2 | 17. Juni 2002
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heute wirklich sein müsse», sagt er und
schaut zu Simone hinüber. Bei der aber ist
in solchen Situationen nichts zu machen,
und so tauchen die beiden in den Trainingsraum ab. «Es tut mir gut, wenn ich
sehe, wie konsequent Simone das macht.
Da will ich mich nicht lumpen lassen.»
Er stelle natürlich auch hohe Ansprüche an sich, sei ebenso diszipliniert, aber
«ich fokussiere es mehr auf bestimmte
Ziele zu bestimmten Zeiten. Steht für mich
der OL im Vordergrund, kann ich Prüfungen an der Uni oder den Job locker angehen. Ich setze eher Prioritäten als Simone.»
– «Und so kannst du es für dich selbst viel
lockerer nehmen. Ich lasse mich dann
mehr stressen», ist Simone Luder überzeugt, «und dann sorgst du mit deiner Art
bei mir für Entspannung. Bei mir ist der
Berg manchmal gar hoch. Ich habe es
gerne, wenn mein Tagesablauf gut geplant
ist. Oft kommt dann aber zu viel rein.»
Denn Simone will nicht nur im OL aufs
Podest, sondern auch bei Prüfungen an der
Uni unter den Besten sein. Wenn nicht
sogar die Beste. Kein Wunder, dass sie
schon eine brillante Matura hinter sich hat.
Sie sagt es mit einer entwaffnenden Selbstverständlichkeit. Keine Sekunde denkt
man an Strebertum und Zwängerei. Der
Ehrgeiz wirkt erfrischend natürlich. Fast
schüchtern. Und doch so bestimmt.
Mit Ehrgeiz und Eleganz
durch die Wälder Europas
Im fernen Finnland erspurtete sich Simone Luder (23) letztes Jahr
Generation 20/30
OL-Weltmeisterin Simone Luder (23) und Freund Matthias Niggli (28)
auf der Zielgeraden den Weltmeistertitel im klassischen
Einzellauf, der Königsdisziplin im OL-Sport. Freund Matthias
Niggli (28) hat es bislang nicht aufs Podest geschafft.
Vielleicht, sagt er, weil ihm noch das letzte Quäntchen Ehrgeiz
fehlt, das er an seiner Freundin so bewundert. Sei es doch ein
Termine im Gleichgewicht
Das Leben der beiden jungen OLCracks ist derzeit ein planerischer Dauerlauf, müssen sie doch Training, Wettkämpfe, Uni und Beruf ständig ins alltägliche
Gleichgewicht bringen. Nicht daran zu
denken, wenn eines der beiden nicht mitlaufen würde und andere Interessen hätte.
«Das wäre vermutlich eine Katastrophe.
So aber sind wir ja meist gemeinsam unterwegs. Und jeder von uns hat das nötige
Verständnis für den andern, weil er selbst
genau weiss, warum der andere so viel für
diesen Sport tut», sagt Simone. Ihr sieht
man die Zähheit, den sprichwörtlich eiser-
»
zieht mich an.
gefallen. Diesen Erfolg nochmals zu
Zeit, und er ist mir eigentlich sehr leicht
«
Fotos: Ruedi Steiner
Ich habe viel Erfolg gehabt in letzter
gutes Gefühl, ganz oben zu stehen.
spüren und zu bekommen, treibt und
O
hne Ehrgeiz geht im Spitzensport
gar nichts. Ohne Spass am Sport aber auch
nicht. Davon sind beide überzeugt. Simone
Luder, OL-Weltmeisterin 2001, und ihr
Lebenspartner Matthias Niggli, ebenfalls
Spitzenläufer im nationalen Kader für
Orientierungslauf. Ein natürlicher Ehrgeiz, der Simone Luder auch dann ins Freie
und zum Laufen treibt, wenn es aus Kübeln giesst und kaum einer die Laufschuhe
anziehen würde. Simone schon. Diese
Konsequenz und Kraft ist etwas, das Matthias Niggli an seiner Freundin immer
schon bewundert hat. Und bei ihm möglicherweise als letztes Quäntchen auf dem
Weg zum absoluten Spitzenplatz noch
fehlt. «Aber ich arbeite daran», meint er
grinsend. Auch dann, wenn draussen die
Sonne scheint und auf dem minutiösen
Wochenplan der beiden Krafttraining angesagt ist. «Das ist ab und zu der Moment,
wo ich schon mal nachfrage, ob es denn
nen Willen kaum an. Nicht so wie bei vielen Leichtathletinnen. Diese Verbissenheit
dort. Auch wenn Simone genauso verbissen kämpfen kann: «Ich habe viel Erfolg
gehabt in letzter Zeit. Und er ist mir
eigentlich sehr leicht gefallen. Diesen Erfolg nochmals zu spüren und zu bekommen, treibt und zieht mich an. Es ist
ein gutes Gefühl, ganz oben zu stehen. Die
Hymne zu hören. Die Anerkennung des
Umfelds zu geniessen und vor allem auch
die eigene, innere Genugtuung zu spüren.
Man weiss in diesem Moment ganz genau,
wofür man den ganzen Aufwand betreibt.
Man weiss, dass es für etwas ist, das sich
lohnt.»
So geht es auch Matthias, wenn Simone
wieder gewonnen hat. Kein Neid, nur Freude. Und Antrieb. Sagt er. Denn er fühle
sich am Erfolg seiner Freundin mitbetei-
Nr. 2 | 17. Juni 2002
9
10 Nr. 2 | 17. Juni 2002
»
machen, und es gefällt ihr.
der andere so viel für diesen Sport tut.
»
den andern, weil er selbst genau weiss, warum
Jeder von uns hat das nötige Verständnis für
Wir sind ja meist gemeinsam unterwegs.
Der studierte Geograf Matthias Niggli
arbeitet heute 60 Prozent als Informatiker
bei den SBB, Simone studiert Biologie in
Bern und forscht derzeit für ihre Diplomarbeit zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Sie könnte sich gut vorstellen,
sich später einmal in einem Umweltbüro
oder beim WWF zu engagieren und daneben eine Familie zu haben. «Denn Werte
wie Freundschaft und Familie sind mir von
jeher wichtig.» Ebenso der Ausgleich zwischen mindestens zwei Herausforderun-
sein, wo ich etwas anpacken und erreichen
kann.» Dabei denkt er nicht an Informatik,
kann sich aber gut vorstellen, bei den SBB
in einem anderen Bereich aktiv zu werden,
der näher bei den Inhalten seines Studiums
liegt, das er übrigens mit einer Arbeit über
das Risiko Hochwasser und dessen Folgen
wie Prognostizierung abgeschlossen hat.
«Die SBB finde ich als Institution sehr
spannend, und Verkehrsplanung wie öffentlicher Verkehr interessieren mich.»
«
Freundschaft und Familie
gen, genau so wie heute. «Wenn ich den
OL-Sport nicht mehr habe, brauche ich
neben der Familie sicher noch etwas anderes, wofür ich mich einsetzen kann.» Genauso sieht es Matthias, der sich sehr wohl
in der Rolle als Hausmann sieht, wenn sie
denn teilzeitlich ist. «Auch ich brauche daneben sicher eine Herausforderung, etwas,
wo ich mich reinknien kann, etwas, das
mich erfüllt. Heute sind es OL und Beruf.
Später können es die Familie und der Beruf
das Gefühl, mit ihr kann man so viel
leicht von der Hand gegangen. Ich hatte
«
Alles, was sie angepackt hat, ist ihr
Generation 20/30
ligt. Und freue sich entsprechend. Gleichzeitig wachse mit jedem Podestplatz von
Simone sein Wunsch, es auch noch bis
nach ganz oben zu schaffen. «Man braucht
solche Erlebnisse, um vorwärts zu kommen.» So sei es in ihren beiden Karrieren
immer gewesen. Zuerst mit den Familien
mehr aus Spass als aus Sport unterwegs,
später im regionalen und im nationalen
Juniorenkader, dann unter den besten
Schweizerinnen und Schweizern.
Dort habe man sich auch besser kennen
gelernt. Vor gut acht Jahren. Sie war von
Matthias fasziniert, von seiner Ausstrahlung, seiner Art, und die gemeinsamen
Interessen haben sie noch ermutigt und
bestärkt. Für ihn war Simones Vielseitigkeit verblüffend und anziehend zugleich.
«Alles, was sie angepackt hat, ist ihr dank
der Intelligenz und Charakterstärke leicht
von der Hand gegangen. Ich hatte das Gefühl, mit ihr kann man so viel machen, und
es gefällt ihr. Das passt zu mir. Mein erster
Eindruck von damals bestätigt sich heute
täglich.» Matthias lacht. Sie seien «sambo»
zusammen, heisst es auf ihrer gemeinsamen und selbst betreuten Internet-Homepage, «verliebt».
Laufen auf dem Lande
Auch wenn OL-SpitzensportlerInnen
ihre Karten laufend lesen, sich dabei blitzschnell ein dreidimensionales Bild von der
Landschaft, dem Auf und Ab des Parcours
machen müssen und stets versuchen, ohne
eine Sekunde stehen zu bleiben, alle Posten zu finden und anzulaufen, spielt das
Leben und Laufen in der Natur eine wich-
Generation 20/30
Europa genau beschreiben.
»
Das gefällt mir. Ich kann euch jeden Wald in
«Wäre der VCS eine Partei, wäre es die
ideale Partei für mich», sagt Matthias. Und
Simone wirbt derzeit sogar auf Plakaten
für den grünen Verkehrsclub der Schweiz.
Ansonsten trainieren beide täglich. Im
Winter etwas mehr als im Sommer, mindestens aber drei Viertel Stunden pro Tag,
höchstens zwei Stunden. «Das heisst bei
uns, dass wir in dieser Zeit wirklich laufen.
Vorbereitungen vor und nach dem Lauftraining kommen dann noch dazu. Das ist
nicht so wie bei den Fussballern, die in
ihrer Trainingszeit nie ununterbrochen
laufen. Wir schon.»
Zeit zu laufen heisse übrigens auch, viel
Zeit zu haben, um etwas zu verarbeiten,
den Kopf frei zu machen, oder, wie Matthias sagt, auf neue Ideen zu kommen.
«Laufen regt nicht zuletzt meine Kreativität und Fantasie an. Das gefällt mir.» Und
Simone Luder staunt nicht selten darüber,
wie sie nach einem anstrengenden Tag an
der Uni hundemüde zu laufen beginnt und
nach wenigen Metern schon wieder lockerer und kräftiger wird. Ein bis zwei Mal die
Woche gehen die beiden zudem zu Krafttrainings, und dann die vielen Reisen und
Wettkämpfe während der Saison. «Ich
kann euch jeden Wald in Europa genau
beschreiben», sagt Matthias und lacht. Er
wisse alles über deren Vegetation, seine
Artenvielfalt, die Fauna, die Flora, den
Geruch.
Laufen regt nicht zuletzt meine Kreativität an.
Werbung für den VCS
«
Das OL- und Lebensduo Luder/Niggli
hat denn auch kein Auto, kommt mit den
guten Diensten von «Mobility» trotzdem
zur nötigen Bequemlichkeit, unterstützt
eher linke und grüne Politik, ohne sich nun
grad von einer Partei auf eine Liste locken
zu lassen. Für Simone ist das noch weniger
ein Thema als für Matthias, der sich aber
nie als «OL-Läufer Niggli» aufstellen liesse. Zudem würden ihn auch bei den grünen
Parteien zu viele Themen nicht genug
interessieren.
tige Rolle. An Trainingstagen wie im Wettkampf. Und die Wettkämpfe führen die
beiden an Orte, wo sie privat nie hinkommen würden. Aber dennoch wunderschön
sind. Meist auf dem Lande. Immer ohne
das herkömmliche Touristikprogramm.
«Dafür fehlt dann natürlich die Zeit.»
Zumal die beiden das, was viele als
Familienplausch in Erinnerung haben oder
erleben, als Spitzensport betreiben und ihr
Leben heute noch strikte darauf ausgerichtet haben. Um dort zu den Weltbesten zu
gehören. Simone noch ein kleines Schrittchen mehr als Matthias.
«Simone hat mit zehn begonnen, OL zu
laufen, ich ein bisschen später, beide mit
den Vätern, in der Familie. Zuerst ist es ein
Spass rund um die Frage, ob man alle Posten überhaupt findet oder ob man sich
in einem finnischen Wald verläuft. Heute
geht es darum, jeden Posten auf Anhieb zu
finden, ohne je stehen zu bleiben. Früher
war das noch egal. Der Wald war so schön.
Heute geht es um jede Sekunde. Und
darum, noch schneller, noch besser zu werden. Besser und schneller als die anderen.
Das ist es, was den Spitzensport ausmacht.» Ein Spitzensport, bei dem man
kaum gross Geld verdienen kann. Aber das
ist für Simone und Matthias wirklich kein
Thema. Ausser, dass es vielleicht mit ein
Grund ist, warum der OL-Sport bis heute
sauber geblieben ist. Dopingkontrollen
werden zwar laufend gemacht, haben bis
heute aber nie positiv geendet. Und Ehrgeiz steht nirgends auf der Liste der verbotenen Mittel.
Beat Hugi
Wer mehr über Simone Luder und Matthias Niggli wissen
möchte, findet ihre selbst betreute Homepage mit
Lebensläufen, Ranglisten und Tagebüchern im Internet
unter www.simattu.ch.
Foto: zvg
Simone wirbt auf Plakaten
für den grünen Verkehrsclub der Schweiz.
«Mit dem VCS bin ich immer auf dem Laufenden –
auch in Sachen Verkehrspolitik»
Simone Luder, OL-Weltmeisterin und VCS-Mitglied
Nr. 2 | 17. Juni 2002
11
Foto: Christian Lanz
Generation 20/30
Matthias Herfeldt, 29
«Politischer Ausdruck meiner Empörung»
Matthias Herfeldt hat Soziologie, Psychologie und Pädagogik studiert,
arbeitete nach seinem Studium mit Flüchtlingen, in einem Asylbewerberzentrum, machte Nachtwachen. Seit einem Jahr ist er bei der Erklärung
von Bern (EvB) zuständig für das Projekt «Public Eye on Davos», eine
Kampagne zum Weltwirtschaftsforum (WEF). Sein Arbeitsgebiet ist die
ganze Welt. Er ist 29, politisch engagiert, in festen Händen und
hat einen Hang zu Natur und Umwelt.
moneta: Du arbeitest seit einem Jahr bei der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern (EvB) und leitest die
Kampagne «Public Eye on Davos» zum Weltwirtschaftsforum.
Suchst du das Rampenlicht?
Matthias Herfeldt: Die Erklärung von Bern will das
Thema Globalisierung an die Öffentlichkeit bringen und
es von einer kritischen Seite beleuchten. Die Veranstaltung des WEF erregt tatsächlich sehr viel Medienaufmerksamkeit. Davon wollen wir profitieren. Es ist wie
der Judoeffekt. Man benutzt die Kraft des anderen für
sich selbst. Zusammen mit anderen Alternativprojekten
und Gegenprojekten ist es uns in den drei Jahren gelungen, in den Medien präsent zu sein.
Wie lautet der Forderungskatalog?
12 Nr. 2 | 17. Juni 2002
Wir haben keinen Forderungskatalog an das WEF.
Wir meinen aber grundsätzlich, die ökonomischen
Ressourcen sind ungerecht verteilt und die Wirtschaft
hat für Umverteilungsbestreben kein Gehör. Die Kampagne ist eine Möglichkeit, dies der Öffentlichkeit zu
zeigen. Der Schwerpunkt unserer Kampagne ist eine
internationale Konferenz, die wir ebenfalls jeweils in
Davos abhalten oder wie 2002 in New York, weil auch
das Weltwirtschaftsforum (WEF) seine Jahresversammlung dort abgehalten hat. Das war ein Höhepunkt für
mich. Wir organisierten die Konferenz zusammen mit
einer internationalen Koalition von zehn NGOs.
An der viertägigen Konferenz nahmen gegen 2000 Leute teil . . .
. . . Leute aus dem Süden und dem Norden. Und es
traten nicht hauptsächlich Europäer oder Amerikaner
auf. Wir haben uns auf das, was sich rund um die Globalisierung dreht, spezialisiert. Die Mitglieder des WEF
sind die grössten Konzerne. Die Globalisierung wird
von diesen Konzernen geprägt. Sie suchen die wirtschaftlich günstigsten Produktionsstandorte, produzie-
Konkrete Entscheide werden aber nicht gefällt. In deinem
normalen Alltag siehst du die Erfolge deiner Arbeit kaum.
Wie gehst du damit um?
Das beschäftigt mich tatsächlich, und ich vermisse es
auch. Früher hatte ich unvermittelter die Wirkung meiner Handlungen gespürt. Heute sehe ich nicht einmal
die Menschen, die letztlich eine bessere Lebensgrundlage erkämpfen wollen. Ich sehe die geschulten Vertreter
der Gemeinschaften, aber die einfachen Leute sehe ich
nicht. Den Erfolg meiner Arbeit kann ich nur sehr indirekt und verzerrt wahrnehmen. Ob die Konferenz ein
Erfolg war oder nicht, heisst ja eigentlich noch nichts.
Den Schmetterlingsflügelschlag, wie der dann über sieben Ecken zu einer Verbesserung führt, kann man nicht
nachvollziehen. Messbares liegt eher im unmittelbaren
Erfolg. Etwa, dass wir von den Medien wahrgenommen
werden. Das ist gut. Wenn viele Menschen darüber
lesen, kommt unser Anliegen ins öffentliche Bewusstsein. Es findet eine Diskussion statt, und die PolitikerInnen müssen reagieren. Auf der emotionalen Seite
ist es eine sehr indirekte Art und Weise von Einsatz für
Menschen im Süden und in ärmeren Ländern.
Warst du einmal am WEF?
Nein. Man kann da auch nicht einfach hingehen.
Man wird ad personam eingeladen. Es ist eine ausgewählte Schar von JournalistInnen da. Leute der «Public
Eye»-Koalition waren dort. Heute sind jeweils zwischen
50 bis 100 NGOs anwesend.
Du betreibst Marketing für die EvB. Könntest du dieselbe Arbeit
auch in der so genannt normalen Wirtschaft leisten?
Nein. Ich möchte Dinge auch künftig differenziert
angehen, um die Anliegen, die mir wichtig sind, weiterzubringen. Obwohl, ich bin nicht einfach gegen die
Wirtschaft. Nehmen wir zum Beispiel die Alternative
Bank ABS. Sie ist ein Wirtschaftsfaktor, und es ist ganz
wichtig, dass gerade in den typischen Bereichen der
Wirtschaft Alternativen bestehen. Ich finde es grossartig, dass sich Leute an solches heranwagen. Das eine
ist, zu kritisieren, was nicht gut läuft, und es ist was anderes, Alternativen zu entwerfen und die zum Erfolg zu
bringen, gerade in einem System, das widerständig ist
gegen alternative Projekte.
Welche Rolle spielt das Geld in deinem Leben?
Ich habe ein Konto bei der ABS und eines bei der
Post für den täglichen Geldverkehr. Ich hatte immer
genug Geld. Ich habe aber bescheiden gelebt. Ich fand
ursprünglich keine Anstellung in dem Bereich, den ich
wollte, und habe bei Gelegenheitsarbeiten sehr wenig
verdient. Vielleicht ist das aber auch im Sinne der Nachhaltigkeit für den ganzen Planeten, sich einzuschränken,
statt viel zu verdienen und viel auszugeben. Ich bin 29.
Ich habe keine lange Vergangenheit darin, gutes Geld zu
verdienen. Ich verdiene recht. Geld ist für mich nicht
wichtig, ich hatte nie einen Mangel, und ich habe keine
ausgefallenen Wünsche. Ich meine, wir leben gut hier.
Das soll reichen.
Generation 20/30
ren in Ländern, in denen Regelungen zum Sozial- und
Arbeitsrecht kaum bestehen, missachtet werden oder
sehr tief angesetzt sind.
In den Anfängen suchte die EvB sehr bewusst den
Kontakt und die Kontroverse zum WEF als Institution.
Doch die Diskussionen waren enttäuschend. Deshalb
organisierten wir eine eigene Konferenz, wo Vertreter
aus dem Süden und dem Norden kritisch über das WEF
und über Alternativen zur Globalisierung diskutieren.
Fühlst du dich «speziell» in deiner Altersgruppe?
Ich fühle mich nicht allein. Wer eine studentische
Vergangenheit hat in Sozialwissenschaften, interessiert
sich für das politische Umfeld. Auch die Freundschaften
ergeben sich aus diesem gemeinsamen Interesse. Ich
meine, in meiner Altersgruppe findet eine Repolitisierung statt. Mindestens ein Teil der Jugend tritt wieder
an die Öffentlichkeit. Aber ich habe auch viele Bekannte, die nicht politisch sind im engeren Sinne. Das ist vielleicht typisch für diese Altersgruppe, sie denkt politisch,
ohne definiert zu sein.
Du arbeitest weltumspannend. Bist du als Person ebenso
offen für die ganze Welt?
Ich habe gerne eine Heimat. Ich brauche mein Umfeld. Das spüre ich. Ich habe als Student kein Auslandsemester gemacht, und ich habe noch nie im Ausland gewohnt. Mich zieht es nicht fort. Die Schritte, die
ich mache, sind zwar noch nicht so gross, wie ich sie mir
vielleicht früher vorstellte. Ich sehe mich derzeit als Teil
eines Ganzen. Das wird mich in beruflicher Hinsicht die
nächsten Jahre prägen. Persönlich möchte ich sicher
gerne einmal eine Familie haben. Das ist nicht geplant,
aber das kann schon bald oder auch etwas später sein.
Der Boden dazu ist gelegt. Ich wohne in einer Wohngemeinschaft und stelle mir eine Familienstruktur in einer
alternativen Lebensform vor.
Die Arbeit ist also nicht das ganze Leben?
Bei starkem politischem Engagement wie bei der EvB
besteht die Gefahr, dass die Arbeit zum totalen Lebensinhalt wird. Das darf es zeitweise sein. Aber sicher
nicht mittel- und längerfristig. Der soziale Ausgleich ist
wichtig. Wir haben einen Garten. Ich lebte drei Monate
in einer Selbstversorgungskommune. Ein Alternativentwurf. Die Natur ist mir wichtig, das Wandern, die Gartenarbeit.
Interview: Ruth Hugi
Arbeitstag von Matthias Herfeldt
Medienarbeit. Sitzungen. Vernetzungsarbeit und Koordination mit anderen
NGOs, mit der Trägerschaft. Bereitstellen von Informationen zu den Veranstaltungen. Koordinationstreffs.
«Wir sind die Anlaufstelle für Medien, andere Organisationen, interessierte
Leute, Behörden, Polizei, die Regierung in Graubünden. Traditionell arbeiten
wir mit anderen Nichtregierungsorganisationen und Bewegungen in der Schweiz
und in den Entwicklungsländern zusammen, die auf der Seite der Armen und
der Dritten Welt stehen. Die EvB wurde 1968 gegründet und ist kontinuierlich
im Aufwind.»
Bei der EvB arbeiten zwölf Personen in Zürich und sechs in Lausanne.
Erklärung von Bern EvB, Postfach, 8031 Zürich
Telefon 01 277 70 00, Fax 01 277 70 01, [email protected], www.evb.ch
Déclaration de Berne, Rue de Genève 52, CP 212, 1000 Lausanne 9
téléphone 021 620 03 03, fax 021 620 03 00, [email protected], www.ladb.ch
Nr. 2 | 17. Juni 2002
13
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Generation 20/30
Der Kontoentscheid fällt vor 20
Im Marketing-Visier der Banken
Die Grossbanken buhlen mit besonderen Konten und Gratisangeboten um die Gunst der 20- bis 30-Jährigen.
Die Berner Kantonalbank mag bei diesen Marketinganstrengungen der Grossen nicht mitziehen.
Der Entscheid, wo das Konto geführt wird, falle früher,
sagt der Marketingleiter der Bank.
E
in spezielles, gebührenfreies Konto,
bis zu drei Karten zum Nulltarif, Kinogutscheine, Seminare, Zeitschriften oder Universaltragtasche. Das sind die Stichworte,
die die beiden Grossbanken Credit Suisse
und UBS anführen, wenn es um die Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen geht. Im
Wissen darum, dass künftige HochschulabsolventInnen und AbsolventInnen höherer Fachschulen dereinst gute Löhne haben
werden, arbeiten die Banken daran, diese
KundInnen zu sich zu ziehen. «Studentinnen und Studenten können eine interessante Kundschaft werden», weiss Janine
Amacher von der UBS. «Sie werden in
guten Jobs arbeiten und gute Löhne haben.» Bei den verschiedenen Spezialangeboten hat die UBS jüngst Korrekturen angebracht. «Wir bemerkten, dass sich Leute
dieser Altersgruppe vermehrt fürs direkte
Bankgeschäft interessieren und immer weniger an den übrigen Dingen interessiert
sind, die wir gratis abgeben. Jene, die solche Gratisprodukte abholten, tätigten ihre
Bankgeschäfte trotzdem nicht bei uns.»
Die UBS will nun dieser Altersgruppe zeigen, wie gut die Bankdienstleistungen
sind. So zum Beispiel ein Fondskonto für
Menschen, die noch nicht viel verdienen.
Es könne mit wenig Geld ein kleines Vermögen aufgebaut werden. Amacher: «Wir
wollen zeigen, dass man mit dem Lohn
mehr machen kann, als einfach nur ein
Konto zu haben.»
Alle gleich
«Grundsätzlich behandeln wir alle
Kundinnen und Kunden ab 20 Jahren als
Erwachsene», sagt Roland Leuenberger,
Marketingleiter bei der Berner Kantonalbank BEKB. «Wir bevorzugen keine Gruppen, keine Senioren, keine Jungen. Jeder
Kunde, jede Kundin soll jährlich an einem
Anlass teilnehmen können.» Speziell für
20- bis 30-Jährige eigne sich der Anlass
zum Wohnen, den die BEKB gemeinsam
mit dem Mieterverband und weiteren Teilnehmern organisiert. Eine kleine Marktforschung habe gezeigt, dass im Bereich
Wohnen Interesse bestehe. Doch die BEKB
gewähre keine speziellen Vergünstigungen.
Die BEKB beteiligt sich an der «Studenten-
Stellenbörse» Aiesec. Und für InternetUser bietet die Bank ein Konto über das
Internet an, das mit der Haushaltplanung
gekoppelt ist.
Leuenberger: «Es macht keinen Sinn,
dass wir uns auch noch in diesem Segment
der 20- bis 30-Jährigen speziell engagieren.
Die Credit Suisse ist mit der Ciné Card
sehr stark präsent. Deshalb setzen wir eher
auf spezielle Beratung.» Die Kontowahl
würden Jugendliche vor ihrem 20. Geburtstag treffen, ist Leuenberger überzeugt.
«Die Kontobereinigung findet vorher statt.
Wenn die Gebühren zu laufen beginnen,
setzen die Jugendlichen auf eine Bank und
liquidieren die anderen Konten. Wir setzen
unseren Schwerpunkt marketingmässig
vorher. Bei den Kindern und Jugendlichen.»
Der Raiffeisenverband bearbeitet die
Altersgruppe gemäss Jeannette Wild nicht
speziell. «Trotzdem haben wir sehr viele
neue Kundinnen und Kunden zwischen 20
und 30 Jahren.» Für Leute, die eine Familie
planen oder ein Wohnheim wollen, seien
die Raiffeisenbanken attraktiv, sagt Wild.
Diese Attraktivität komme nicht von ungefähr, fügt sie an. «Wir behandeln alle Kundinnen und Kunden gleich, egal über wie
viel Geld sie verfügen und welches Einkommen sie haben.»
Bei der Freien Gemeinschaftsbank BCL
in Basel sind altersspezifische Angebote
und Aktionen kein Thema. Nico Dürr zu
moneta: «Unsere Zielgruppe sind Leute
jeder Altersgruppe, die zum Beispiel im
Umweltbereich investieren wollen, in die
Alternativmedizin oder in die biologische
Landwirtschaft. Die Kundinnen und Kunden können bei uns festlegen, wo ihr Geld
angelegt werden soll, und sie wählen den
Zinssatz zwischen null Prozent und dem
Maximum.» Felix Bührer von der Alternativen Bank ABS definiert die Zielgruppe
der Bank so: «Es sind Leute, die bewusst in
die Umwelt und in Soziales investieren
wollen. Jugendliche haben bei der ABS ein
Anlagenkonto.»
fen. Ein Steuerseminar im März und ein
Seminar zum Thema Anlagen, Börse und
Wertpapiere im Herbst. Zurzeit sei die
Basler Kantonalbank am Ausarbeiten eines
Neukonzepts, sagt Stöcklin. «Wir stellten
uns die Frage, ob sich die Aktivitäten überhaupt noch lohnen. Es gab Angebote, die
nicht mehr zeitgemäss sind, so zum Beispiel die Velovignette. Wir gaben sie gratis
ab, und kaum jemand wollte sie, oder wir
luden gratis zur Kinovorpremiere, und es
nahmen vor allem bis 21-Jährige daran teil.
Nun überprüfen wir, was von Interesse sein
könnte.»
Stöcklin behauptet, seine Bank mache
für alle etwas. In finanzieller Hinsicht sei
die Altersgruppe zwischen 20 und 30
wenig attraktiv. Es sei eine schwer zu fassende Altersgruppe.
Der Anfang ist wichtig
Das wissen auch die Manager von Martin Ebners BZ Bank, die weder mit Kundenkonti noch regulärem Bankgeschäft
und Filialen am Markt auftritt. Denn auch
hier sind die Jungen durchaus ein Thema,
will man den jungen KundInnen doch vom
schwyzerischen Freienbach aus früh die
Möglichkeit verschaffen, Aktien zu erwerben. «Wir ziehen keine Minimalgebühren
für Einsteiger ein, sondern nur ein halbes
Prozent Courtage», wirbt Kurt Schiltknecht für seine Bankaktivitäten. Damit
könne sich jemand, der noch nicht viel
Geld hat, aktiv am Aktienmarkt beteiligen.
«Wir finden es sehr wichtig, dass Junge
und auch kleine Investoren eine Chance
haben, Aktien zu erwerben. Es ist für uns
kommerziell kurzfristig nicht sehr attraktiv, aber auf der anderen Seite ist jeder
Anfang wichtig.» Die Leute müssen sich
mit Wirtschaftsfragen beschäftigten, sagt
Schiltknecht. Aus Erfahrung eröffnen viele
Eltern ihren Kindern oder der Götti seinem
Göttibueb ein Konto. Dadurch bekommen
die Kinder Interesse an den Gesellschaften
und lesen den Geschäftsbericht.
Ruth Hugi
Neues Konzept
Die Basler Kantonalbank wiederum hat
gemäss Markus Stöcklin ein paar wenige
Aktivitäten für 18- bis 25-Jährige am Lau-
Nr. 2 | 17. Juni 2002
15
Generation 20/30
BrainStore-Gründer Markus Mettler (35) über Ideen, CEOs, Chaos und die Jungen
«Sie sind mit einer opportunistischen
Mündigkeit ausgestattet»
Fotos: Ruedi Steiner
G
Markus Mettler (35) produziert mit Nadja Schnetzler (30)
in einer Bieler Fabrik industriell Ideen. Dabei macht er sich
die Kreativität und Frechheit der Jungen zu Nutze,
lässt sie mit abgebrühten Fachleuten, verunsicherten CEOs
und professionellen «Brains» reagieren. Letztere
sind im Durchschnitt 26 Jahre alt, Erstere um die 15.
16 Nr. 2 | 17. Juni 2002
lauben sie ja nicht, von mir etwas über die Faszination der Altersgruppe von 20 bis 30 zu hören zu
bekommen», stellt Markus Mettler gleich mal klar, «weil
es daran nichts Faszinierendes gibt.» Ausser dass die 25
festangestellten «Brains» in seiner Bieler Ideenfabrik
BrainStore, seit 1997 am Netz, ein Durchschnittsalter
von 26 haben und ständig ein Jahr älter werden. Sie
haben nicht selten mit 14 oder 15 Jahren bei BrainStore
zu arbeiten begonnen. Denn Mettler setzt auf das Potenzial der Jungen, wenn er und die Seinen sich auf die
Suche nach Ideen machen.
«Was heisst denn jung?», fällt er gleich wieder über
die nächste Frage her, nicht unfreundlich, eher engagiert
und interessiert: «Wir setzen nicht auf die Jungen. Wir
setzen nicht auf die Alten. Wir setzen darauf, die beiden Seiten schlau zusammenzubringen. Dann entstehen
innerhalb kürzester Zeit brauchbare Resultate und
interessante Inputs. Wenn wir hier bei uns von den
Jungen reden, dann reden wir primär von der Altersgruppe 14 bis 19. Das ist eine speziell faszinierende
Zwischenphase, weil man dann noch über die geballte
Ladung Fantasie der Kindheit verfügt und anderseits
schon die Auffassungsgabe und das Verständnis, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, mitbringt. Mit 20,
so hart das tönt, ist das meiste im Leben vorgespurt.»
Aus der Optik eines 15-Jährigen sei ein 25-Jähriger
doch ein alter Mann. Weil der 25-Jährige all das erreicht
habe, was der 15-Jährige als Meilensteine des Lebens
sieht: eigene Wohnung, einen Job, eine Beziehung, Velo,
Töff oder Auto. «Bei einem 25-Jährigen passiert nicht
mehr viel, das zeigen alle Analysen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Bauer vielleicht, der mit 29
nach Kanada auswandert, der Bäcker, der noch Metzger
wird. Aber sonst? 90 Prozent aller Menschen hier
nehmen die Möglichkeiten, zu wechseln, doch gar nie
mehr wahr.»
Anders beim 15-Jährigen. Der reagiere noch spontan. Mettler: «Dem 15-Jährigen hat man eingetrichtert,
erst zu denken, dann zu reden. Aber er glaubt es nicht
und macht es auch nicht. Dem 25-Jährigen hat man eingetrichtert, zuerst zu denken und dann zu reden. Und er
glaubt es. Dann ist mehrheitlich fertig lustig.»
Wen wunderts da noch, dass Mettlers Idee von einer
Ideenfabrik schon in der Schule zu keimen begann. Angesichts all der vielen Ideen, der kreativen Köpfe, die dort
zusammen sind, nie aber mit der ideenlosen Umwelt
draussen in Kontakt gebracht werden, nicht mit den
Generation 20/30
UnternehmerInnen, nicht mit den PolitikerInnen, nicht
mit den CEOs der Grossbanken beispielsweise, die sich
herzhaft wie hilflos um die Gunst der Jungen bemühen,
ohne die Jungen auch nur einmal zu fragen, wie es denn
sein könnte oder sein müsste. «Das Resultat bei den
Grossbanken ist doch einfach schrecklich, wie die sich
anbiedern, lieblos.»
Markus Mettler ist überzeugt, dass die Jungen sich
gewöhnt sind, Lockvogelangebote schnell zu durchschauen, gewohnt sind, schlichte Show und klare Substanz rasch unterscheiden zu können. Mettler setzt die
nächste Schlagzeile: «Sie sind ausgestattet mit einer
opportunistischen Mündigkeit.» Man könne bei ihnen
Neugierde mit Fakten wecken, nicht mit sinnlosem
wie seichtem Brimborium. Und etlichen Knallbonbons.
Transparente Darstellungen der wahren Sachverhalte
und das Zeigen der Kernkompetenz seien wichtig genug
und könnten allein schon das Wunder schaffen, beachtet zu werden. «Es ist grotesk, mit welchen Mitteln die
Banken und andere Firmen bei den Jungen an den Markt
zu kommen versuchen. Das kommt mir manchmal vor,
als würde irgendein Tattergreis durch die Welt schlurfen, in der Hoffnung, 500 Hip-Hopper würden deswegen hinter ihm herjubeln.»
Für die Ideenfabrik hätten sich halt zu einem frühen
Zeitpunkt schon relativ viele Projekte ergeben, die einen
Bezug zu jungen Leuten gesucht haben. «Warum? Weil
die Hoffnungslosigkeit und die Ratlosigkeit dort am
grössten ist. Hier weiss man, dass man wirklich nichts
weiss.»
Die SBB, Nestlé, Migros oder Coop haben sich in Biel
zu Beginn Konzepte für Junge erdenken lassen, heute
wird in der Fabrik aber für alle Altersgruppen gehirnt.
Immer nach dem gleichen Muster: Jüngste «Inputer»
werden mit Fachleuten gepaart, hunderte von Ideen ausgesprudelt, dann industriell ausgewertet und in einem
strukturierten Chaos mit dem Kunden weiterverarbeitet. «Das ist seit zehn Jahren unser ureigenster Ansatzpunkt: Ohne Chaos gibt es keine Ideen. Ohne Struktur
keine Umsetzung der Ideen. Und das zu einem festen
Zeitpunkt und einem festen Preis. Wir liefern die Ideen
pünktlich. Und wie abgemacht.»
Die Idee sei – bitte sehr – das erste Glied der Wertschöpfungskette. Da lohne es sich doch, intensiver darüber nachzudenken. Eine gute Idee müsse einfach und
themenbezogen sein und sofort überraschen. Und sie
sollte aus dem Unternehmen selbst herauswachsen.
«
Mit 20, so hart das tönt,
ist das meiste im Leben vorgespurt. Bei einem 25-Jährigen
passiert nicht mehr so viel, das
»
zeigen alle Analysen.
Dabei habe man in der Denkfabrik längst darauf verzichtet, die Ideen allzu persönlich zu nehmen, also nicht
mehr «von meiner, deiner, seiner Idee» zu sprechen. Das
gelte selbstverständlich auch für die Idee selbst, eine
Ideenfabrik zu betreiben. «Denn auch sie entsteht erst
dank den Ideen und der ständigen Mitarbeit aller.»
Dazu gehört auch Nadja Schnetzler, 30, mit Mettler
verheiratet, Mutter eines gemeinsamen Sohnes und Kochefin der gemeinsamen Fabrik.
Gemeinsam auch versuchen sie den Unternehmern
und CEOs das Selbstbewusstsein zu geben, dass sich die
eigene Zukunft gestalten lässt und dass es nichts bringt,
immer nach der Konkurrenz zu schielen, statt nach
vorne zu schauen. Mettler: «Unser Ansatz ist es, populäre neue Felder zu suchen.»
Niemand hier bekunde Mühe, über seine Ideen zu
reden und dabei auf eine Reaktion zu hoffen, die alle
weiterbringt. Im Gegenteil. «Wir haben keine Geheimnisse, warum auch. Ideen sollen sich ständig gegenseitig
befruchten.» Dann würden die Resultate erst richtig gut.
Neulich sei er, Mettler, gebürtiger Appenzeller, Ausserrhödler genauer, Vater Schweizer Textiler, Mutter
Amerikanerin, beim bernischen Patentinhaber- und Erfinderverband eingeladen gewesen und in einem kleinen
Sitzungsraum von 20 grauen Herren mit dünnen Ledermäppchen empfangen worden.
Nr. 2 | 17. Juni 2002
17
Generation 20/30
«
Wer heute erfolgreich sein
will, muss in kürzester Zeit
die günstigste Lösung finden.
»
Als er sie dann gebeten habe, sich und ihre Erfindungen kurz vorzustellen, hätte er blankes Entsetzen gespürt. Denn noch nie habe man sich in diesem Kreis, der
sich monatlich einmal trifft, die eigenen Ideen und Erfindungen gegenseitig vorgestellt. Markus Mettler wird
einmal mehr ein bisschen lauter: «Gott bewahre, da hätte
ja einer kommen können und mir meine Idee klauen!»
Und zur Sache mit dem Alter noch dies: Früher, vor
100 Jahren vielleicht, sei das Wissen ausschliesslich bei
den Alten abzuholen gewesen, nur bei den Alten. Beim
Dorfpfarrer, beim Lehrer, je älter, desto besser. Später
habe man nicht mehr die ganz so Alten, sondern die
Mutter und den Vater, die 40- bis 50-Jährigen gefragt,
wenn man etwas habe wissen wollen. «Und wenn heute
der Ätti oder der Vater den Videorekorder neu programmieren will, fragen sie schon mal den Junior. Das
ist eine extrem schnell verlaufende, faszinierende Entwicklung. Warum setzen wir also nicht auch sonst
auf die Fähigkeiten der Junioren? Nicht ausschliesslich,
aber prinzipiell.»
Beat Hugi
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«Ds Erläbe chasch nid choufe»
Sie nennen ihn Häni, Häni Christian, geboren am 3. Juni 1981. Er kommt aus dem Emmental und Lauterbrunnen, wohnt jetzt in Thun, ist seit zweieinhalb Jahren immer
noch in die gleiche Frau verliebt, gibt in der Berner Mundart-Band «scream» Ton und
Generation 20/30
Immer auf der Suche nach guten Songs: Christian Häni (22)
Text an, hat Radiohits wie «Aquarium» oder «Bluemefeld» geschrieben, steht mitten
im alltäglichen Leben und ist ständig auf der Suche nach wirklich «coolen» Songs.
Den coolen Popstar zu mimen, hat er gar nicht nötig.
H
äni hat kein Auto. Häni fährt Zug. Beides aus
Überzeugung. Denn erstens würde er mit dem Auto viel
zu viel «umechare» und mehr Geld verbrauchen als
nötig und vorhanden. Und zweitens lässt es sich beim
Zugfahren so schön die Leute beobachten. Und nach
neuen Songs suchen. «Da habe ich es besser als Kuno
von Züri West. Der ist doch zu bekannt, um unbehelligt
Zug fahren zu können. Ich werde nur jedes zehnte Mal
erkannt.» Und das soll so bleiben. Auch wenn er heute
schon ständig mit diesem Kuno Lauener verglichen
wird, den er persönlich gar nicht kennt und höchstens
ein-, zweimal mit Züri West auf der Bühne gesehen hat.
«Der Vergleich ärgert mich ein bisschen. Ich bin Häni.
Wir sind ‹scream›. Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug. Wir suchen unseren eigenen Sound.» Und er
stimmt für ihn und seine drei Kollegen auf der neusten
CD «Vinyl» schon viel mehr als auf jenem erstaunlichen
Erstling, der die jungen Musiker aus dem Berner Oberland mit Songs wie «Aquarium» oder «Bluemefeld» vor
bald zwei Jahren zu Hitparadenruhm, ersten grossen
Festivalauftritten und mitsingender Fangemeinde führ-
Aus: Mängisch bruchts ganz weni meh, 2002
te. «Wir sind damals eher unvorbereitet in die Produktion geschlittert. Wir konnten uns beispielsweise nicht
vorstellen, gleich Interviews geben zu müssen; oder
einen Monat vor Erscheinen der CD keine Zeit mehr
zum Üben zu haben. So unbekannt, wie wir waren.» Sie
wüssten alle, dass sie nicht zuletzt deshalb schlechte
Konzerte gespielt hätten und dass das jetzt nicht mehr
vorkommen darf. «Wer hat heute schon einen Plattenvertrag wie wir, wer so viele Leute, die sich um unsere
Sache kümmern? Also ist es nur fair, wenn wir auch professionell arbeiten und alles geben.» Für die Leute von
der Plattenfirma. Für die Menschen an den Konzerten.
Für sich selbst. Häni: «Wir haben mit Peter von Siebenthal, der bei Züri West ausgestiegen ist, einen Produzenten, der noch keine anderen Schweizer Bands produziert hat. Wir suchten uns gemeinsam ein Studio, in
dem noch nicht viele Bands aufgenommen haben. Wir
suchten Sounds, die es so noch nicht gab.»
Und das alles, weil «scream» wie «scream» tönen
will. Und nicht so wie der Berner Groove allgemein. So
Fotos: zvg
«U wärsch du morn bi mir
Wär’s mir egal we hüt nid Sunne schinnt
Mängisch wird us weni meh
Weme gseht wie viel dass gar nüt isch»
gut er auch sein mag. Das gelte auch für die Texte seiner Songs. Es könne ruhig Bands mit besseren Musikern
geben, als sie seien, bei «scream» müssten die Songs
stimmen. Jeder einzelne. «Ich will das, was ich sagen
und singen will, auf meine ganz persönliche Art sagen,
genau so, wie ich es
sehe. Und so, dass ich
«Im Zug schrisse alli e Stei
viele Leute erreichen
u sie wei so schnäu wie müglech hei
kann. Ich mache die
Songs nicht für mich
u jede wär lieber ellei i sire chline Wält
alleine.» Diese Songs
wome sälber cha regiere»
sollten nicht zuletzt
Aus: Chlini Wält, 2002
auch eine Message rüberbringen: etwas aussagen von dem, was
Häni und seine Leute erleben. «Dafür brauche ich nicht
massig Geld. Ds Erläbe chasch nid choufe.» Hänis Lachen ist gewinnend. Seine Stimme fest, sein Gesicht hat
feine Züge. Ein sanfter Rebell, der weiss, was er will:
«Du kannst es nur erleben.» Zum Beispiel im Zug. Oder Nr. 2 | 17. Juni 2002 19
Generation 20/30
hat Häni «Chlini Wält» geschrieben. «Weil sie auch ständig darüber schimpfen, was nicht gut ist, abends aber
nichts ändern und nur vor dem Fernseher hocken.»
Das ist der «Dung», auf dem bei Häni gute Songs
wachsen. Ebenso wie aus dem Zusammenleben mit seiner Freundin. «Wenn ich zweieinhalb Jahre mit der gleichen Frau zusammen und immer noch verliebt bin, hat
das was zu bedeuten. Das wird doch die richtige Frau
sein.» Natürlich hätten sie beide über Kinder gesprochen, wenn er sich heute auch noch viel zu jung fühle,
um selbst Kinder zu haben. Aber später.
Hänis Frau kommt auch aus Lauterbrunnen, wohin
Häni und seine Mutter, als er zwölf war, gezügelt sind, aus
dem Emmental ins Berner Oberland, an den Rand der
Snowboard- und Skipisten, was ihm sehr gepasst hat.
Sport und Musik, das war schon damals sein Leben. Heute
kommt der Sport oft zu kurz, weiss er, wobei er sich mit
täglichen Trainings fit hält, weil er sich nur dann wohl
fühlt. «Ich brauche das Gefühl im Körper, ‹zwäg› zu sein.
Ich glaube auch, dass, wer auf eine Bühne steigt, dort oben
auch körperlich eine gute Figur machen sollte.»
In Lauterbrunnen hat Häni («Ich habe mich immer als
Stadtmensch gefühlt») jene «Gielen» kennen gelernt, mit
denen er heute «scream» ist. Hat vor TouristInnen auf
dem Zeltplatz gespielt. Und viel geübt. Im Übungskeller
im eigenen Haus, allein im Zimmer mit der Gitarre auf
der Suche nach den richtigen Tönen und ersten Texten.
«Mein Vater ist 1993 an Krebs gestorben. Ich habe dann,
in der Stifti als Radio- und Fernsehelektriker, die Christian Häni in den nächsten Wochen abschliessen wird.
Nach vier Jahren. Der erste Teil ist schon gut geschafft.
Im Sommer will er die Tontechnikerschule in Zürich besuchen und vielleicht einen Job beim Radio annehmen.
Bei einem, das Songs wie seine noch spielt. Und nicht
nur «Aquarium». «Ich mag es, mit der Band zusammen
zu sein, tagelang im Proberaum zu hocken, viel zu viel
zu rauchen und zu üben.» Nur, das Musikerleben mit
Auftritten, Ausschlafen und Probe kann nicht alles sein.
«Keiner weiss, ob seine Musik in fünf Jahren noch gefragt ist. Ich geniesse es genauso, morgens um sieben
Uhr zur Arbeit zu gehen, Leute im Bus zu beobachten,
das Leben als Büezer zu leben und dort jene Erfahrungen zu machen, die viele
hundert andere auch ma«Hei, mach doch mal d’Ouge uf
chen. Tagtäglich.» Und
La mal der Rase la wachse
die Message in den Songs?
«Wir sind sicher keine
Ds Outo la roschte u überhoupt,
Politband. Das heisst aber
I 100 Jahr fragt di niemer me derna»
nicht, dass uns sozialpoliAus: 100 Jahr, 2000
tische Themen nicht wichtig sind. Wir versuchen,
die Anliegen kleiner Parteien, linker Gruppen zu unterstützen. Mehr Gleichberechtigung kann ab und zu nichts schaden, oder?»
Er habe sich zwar politisch noch nie voll für eine
Sache eingesetzt, sei viel zu sehr mit seiner Gitarre beschäftigt gewesen in den letzten Jahren. Man habe höchstens im Kleinen versucht, die vielen Kolleginnen und
Kollegen aus dem Ausland behutsam aufzunehmen und
ihnen bei der Integration zu helfen. «Für mich hat im
Übrigen auch das Livespielen, haben die Konzerte eine
politische Dimension. Ich möchte mit der Band Leute
dazu bringen, Musik zu hören, zusammenzukommen
und einen guten Abend zu haben. Statt ewig saufen und
kiffen zu gehen. Ich möchte auch den Mut geben, selbst
Musik zu machen. Zu zeigen: Macht doch selbst mal was,
es gibt so viele Möglichkeiten!» Das gilt auch für jene
NormalverbraucherInnen im morgendlichen Bus. Für die
20 Nr. 2 | 17. Juni 2002
Häni und seine Boys
aus den Berner Bergen. Freude herrscht
am eigenen Sound.
«Är hets no nie so ganz kapiert
Warum är glich viu büglet aber weni kassiert
U si Chef het viu meh frei aus är
U ds Outo vom Chef het vore e Stärn»
Aus: Stärn, 2002
wenn die andern mit ihren Vätern das Töffli repariert
haben, auf der Gitarre neue Saiten aufgezogen.»
Hat ihn Vaters früher Tod geprägt? «Schon, doch,
aber nicht negativ. Er wusste, dass er einen Hirntumor
hat. Die Ärzte gaben ihm zwei Jahre. Er hat noch sieben
Jahre gelebt. Es gab reichlich Zeit, sich von ihm zu verabschieden, Ich konnte ihm noch all die Fragen stellen,
die ich stellen musste. Obwohl ich damals auch noch
vieles nicht verstand. Aber ich bin früher selbständiger
geworden als andere.» Er habe sich immer wohl gefühlt
bei seinen Eltern, sie seien gute KollegInnen gewesen,
mehr gute KollegInnen als Mutter und Vater. Von seiner
Mutter habe er sicher auch gelernt, offen zu sein, seine
Meinung zu sagen, ungelöste Probleme möglichst rasch
auf den Tisch zu bringen und zu erledigen. Weil sie sonst
nur zu einem Berg anwachsen, den man dann kaum
mehr abtragen kann. «Das gilt in der Band genauso wie
mit meiner Freundin. Wir sind offen und ehrlich zueinander und scheuen die Auseinandersetzung nicht. Wir
wissen, was wir voneinander halten und erwarten können. Und dass wir uns aufeinander verlassen dürfen.»
Wann hat er denn zum letzten Mal geweint? Häni
lächelt ein bisschen, weicht keinen Millimeter aus, denkt
kurz nach, sagt: «Sicher, als mir für einen Moment lang
alles ein bisschen über den Kopf gewachsen ist, als ich
für einen Moment alles gleichzeitig erledigen wollte und
sah, dass das nicht zu schaffen ist. Damals ging es zudem
meiner Schwester sehr schlecht, sie hat seit Jahren
schwere Depressionen, kann sich oft an ganze Sommer
nicht mehr erinnern. Da fragte ich mich, warum ausgerechnet sie, wo doch schon der Vater es schwer hatte.»
Generation 20/30
Was bedeutet dir Geld? «Ist mir nicht so wichtig. Vor
allem jetzt, da ich nur für mich schauen muss. Es muss
reichen, um die Miete monatlich zu bezahlen. Ich habe
auch lieber einen Job, bei dem ich nicht viel Geld bekomme, aber es cool habe, so zu arbeiten. Und mich frei
fühle. Offen sein kann auch für Erlebnisse und Erfahrungen sorgen. Viel Geld bringt Zwänge und Abhängigkeiten.»
So spielen «scream» denn auch nicht für das Geld.
Und am liebsten vor vielen Fans. Lieber kleiner und
feiner, aber die Leute hören zu. Häni spricht oft von
seinem Hobby, wenn er begeistert vom Musikmachen
erzählt. Von seinem kleinen Studio daheim, den neuen
Melodien, die er sich im Thuner Strandbad ins Ohr träufelt, auf der Suche nach den passenden Worten.
Gigs an Bierfesten bringen nichts, weiss Häni. Da
wird immer gegrölt, da geht stets eine Party ab, wer auch
immer auf der Bühne steht. Und das ist ihm entschieden
zu wenig. Was nicht heisst, dass Häni und seine Kollegen nicht davon träumen, bald einmal nicht nur bis zu
den Backstageräumen am Berner Gurtenfestival vorzustossen, sondern auf der grossen Gurtenbühne vor Tausenden «in concert» zu stehen: «Klar, das ist der coolste
Traum einer jeden Berner Band. Wir haben die Erfüllung
noch vor uns.» Diesen Sommer wird es wohl noch nicht
klappen, auch wenn Häni lächelnd meint, «dass ‹scream›
die Leute da oben auch heuer bestimmt nicht langweilen
würde».
Beat Hugi
Der ABS-Vogel hat zwei Eier ausgebrütet . . .
. . .keine Kuckuckseier, auch wenn sie fremde Eltern
haben. Ökoethische Fonds sind Wunschküken, gewünscht
von einem Teil der ABS-Kundschaft. Vorausgesetzt,
die Fonds passen zur Geschäftspolitik der Alternativen
Bank ABS. Die ABS hat sich deshalb für zwei Fonds
der Bank Sarasin entschieden: «Sarasin OekoSar Portfolio»
und «Sarasin ValueSar Equity».
Meine Kontaktdaten:
Name
Ja, ich interessiere mich
für Fonds und möchte mich
beraten lassen.
Vorname
Adresse
PLZ, Ort
ABS-Kontonummer
E-Mail
Telefon
Beste Tageszeit
Bitte Talon ausfüllen und einsenden an:
Alternative Bank ABS,
Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten
Die Bank für eine
andere Schweiz.
Generation 20/30
Kathrin Winzenried (29), Moderatorin bei «Schweiz aktuell» von SF DRS
«Ich möchte nie mehr 18 sein müssen»
N
Mit dem Velo ist sie einst nach Südfrankreich gefahren,
um das Meer zu sehen. Sonst sei sie eher faul und habe grosse
Mühe mit sportlichem Ehrgeiz und Scheinwelten:
Kathrin Winzenried, aufgewachsen auf einem Bauernhof,
moderiert seit drei Jahren bei «Schweiz aktuell» von
22
Fotos: SF DRS
Fernsehen DRS.
ein, früher habe man in ihrer Familie die Geburtstage nicht speziell gefeiert. «Vielleicht ein Blüemli
und ein kleines Päckli vom Mueti zum Zmorge auf dem
Tisch. Aber sicher kein Wunschessen am Mittag. Und
schon gar kein Fest für Freundinnen und Freunde.» Einmal nur sei sie selbst bei einer Schulkameradin eingeladen gewesen, zu einer Art Glaceparty, und es habe sie
ganz komisch gedünkt, damals. Heute achte sie selbst
schon mehr darauf. Weil es ja auch schön sein könne.
«Ich nehme meinen Geburtstag aber immer noch als
ganz normalen Tag, schaue, was kommt, und lade nach
Lust und Laune spontan Leute ein.»
Ein Fest im Voraus planen könne sie aber nicht, auf
keinen Fall, da sei ihre Abneigung vor allem, was nach
eventartigem Tun ausschaut, einfach zu gross. «Ich habe
lieber, wenn es einfach passiert. Pläne sind oft auch mit
Enttäuschungen verbunden, weil es lang gehegte Erwartungen gibt, die dann vielleicht nicht in Erfüllung
gehen.» Und über das Leben räsonieren, über Vergangenes und Künftiges nachdenken tue sie eh viel öfter
als nur an Geburtstagen. Das gelte erst recht auch für
den runden Geburtstag im nächsten Jahr. Dann, wenn
Kathrin Winzenried, Frau vom Lande und vom Fernsehen, 30 werden wird.
Sie hat in den letzten Jahren nach der Schule und
dem Seminar meist im Drei-Jahres-Rhythmus den Beruf
gewechselt. Drei Jahre Lehrerin in Bremgarten und im
Simmental, drei Jahre Moderatorin und Redaktorin bei
Radio Förderband in Bern, drei Jahre jetzt schon bei
«Schweiz aktuell» und SF DRS. Dort ist es das erste
Mal, dass sie länger bleibt. Und es ihr wohl ist dabei.
Dass sie sich regelmässig verändert, hat sicher auch
damit zu tun, dass sie sich rasch einmal zurechtfindet.
«Ich habe keinen ausgesprochenen Durchhaltewillen,
habe den auch nie gehabt. Wenn einem vieles leicht fällt,
wie mir, ist man vielleicht auch weniger fähig, sich in
etwas zu verbeissen.»
Wobei sich Kathrin Winzenried noch nicht ganz
sicher ist, ob das nun einfach ihre Art ist, der sie nachleben müsste, oder ob sie das noch ändern und verbessern sollte. Quasi daran zu arbeiten. «Für mich ist das
Wort Ehrgeiz eher negativ besetzt, hat es doch immer
damit zu tun, jemanden andern auszustechen. Eine sehr
natürliche Regung zwar, aber für mich dennoch schwer
verständlich.» Diese Abneigung habe sie schon beim
Volleyballspielen in Köniz vor Jahren bespürt. Und das
habe sie auch blockiert: «Ich bin erst spät dazugekommen, war schon recht gross, habe mich gut durch alle
Juniorenkader gespielt. Wir hatten dann einen Trainer,
der derart ehrgeizig war, dass ich nicht mehr konnte und
wollte. Es schien mir einfach zunehmend lächerlich, so
verbissen zu spielen. Der Spass an der Bewegung, am
Spiel war weg. Und damit auch meine Lust, das zu tun.»
Das Spielerische, das Schöne, das Befreiende sei ihr
wichtig. Alles andere enge zu sehr ein. «Es fällt mir
schwer, jenen einzigen Weg zu akzeptieren, der stur zum
Ziel führt.»
Kürzlich hat sie mit einer Freundin auf der Genfer
Buchmesse eine Graphologin besucht. Das heisst, sie
habe das lächerlich gefunden, bis sie über die klugen
ich gleich gesagt, dass ich nicht Auto fahren kann, aber
das war denen egal.»
Kathrin Winzenried fühlt sich wohl in der Redaktion
von «Schweiz aktuell» und in der journalistischen Arbeit dort. Gut, dass sie nicht die «Tagesschau» moderieren müsse. Für ein Millionenpublikum. «So komisch
das vielleicht klingen mag, aber ich arbeite eigentlich
lieber irgendwo, wo ich mich nicht so sehr mit meiner
eigenen Person zeigen muss.» Sie sei im Sternzeichen
Krebs geboren und habe nicht selten das Gefühl, sich
verdrücken zu müssen, «vor allem dann, wenn es mal
um die Wurst geht». Trotzdem habe sie sich vor drei Jahren für die Moderation bei «Schweiz aktuell» entschieden. Und fühle sich heute gut dabei.
Schaut man ihr bei ihren Moderationen ins Gesicht,
spürt man viel Fröhlichkeit, Offenheit und Natürlichkeit. Als sitze sie direkt vis-à-vis. Als spreche sie uns alle
einzeln an. «Dabei brauche ich für mich das journalistische Korsett, den Rahmen der aktuellen Geschichten.
Bei Auftritten im reinen Unterhaltungsbereich wirke ich
rasch hölzern und gehemmt.» Ganz anders in ihren
Interviews auf der Suche nach klärenden Informationen
und klugen Antworten. Spürt sie dabei leichten Widerstand, wird sie umso besser.
Scheinwelten mag sie nicht. Das kann so weit gehen,
dass sie auf einen ersten Besuch in Los Angeles, Amerikas Schweinwelt par excellence, mit leichtem Kratzen
im Hals, dann mit hohem Fieber und Übelkeit reagiert
hat. «Werde ich krank, beginnt das bei mir immer im
Hals.» Als würde etwas stecken bleiben.
Gut möglich, dass Kathrin Winzenried bald einmal
nach Indien reisen wird, «aber sicher nicht als Touristin, vielleicht für ein Hilfswerk, für einen praktischen
Einsatz, etwas, das ich mit meinen Fähigkeiten leisten
kann.» Nichts Kirchliches sicher, nichts Hierarchisches
auch, wie etwa ein Rotkreuzeinsatz.
Und eigene Kinder? Sie erzählt von Schwester Meieli, die jetzt schwanger ist, und von den Eltern, die dieses Ereignis fast schon lakonisch zur Kenntnis genommen haben. Vielleicht, weil sich die Mutter schon damit
abgefunden hatte, nicht Grossmutter zu werden. «Auch
das mit dem Meieli und dem Schwangersein hat etwas
mit dem Älterwerden zu tun. Mit Dingen, die in den Jahren zwischen 20 und 30 passieren. Bereinigt werden. Ich
glaube, vor ein paar Jahren hätte ich es nicht akzeptieren wollen, dass meine Schwester schwanger ist, dass
mir so unsere gemeinsame Kindheit endgültig abhanden
kommt. Wir haben doch eben noch gemeinsam im gleichen Bett geschlafen. Heute ist es gut so. Ich freue mich.
Und es ist mir noch nie so nahe gegangen, wenn jemand
schwanger wurde.» Aber eigene Kinder . . . «Ich weiss
nicht, ob ich das wirklich kann.»
Beat Hugi
Generation 20/30
Kommentare, die die Frau über ihre Freundin abgegeben habe, ins Staunen gekommen sei. Und ihre eigene
Schrift dann doch noch habe analysieren lassen: «Sie hat
von dieser für mich selbst schon spürbaren Faulheit gesprochen. Und dass ich viel Raum, viel Freiheit beanspruche, dass ich die Sonne mag und dass mein Blick
gegen den Himmel gerichtet sei.» Und das stimme auch
alles so. Erstaunlicherweise.
In Amerika, in der Weite der Wüste von Nevada,
habe sie sich auf ihrer ersten grossen Reise mit dem Lebenspartner so wohl gefühlt. Und auch dann gemerkt,
dass das Sprichwort «Die Zeit heilt alle Wunden» Sinn
mache. Obwohl sie ja solche Zitate und Sprüche überhaupt nicht mag. «Aber das mit der Zeit hat etwas. Ich
merke, dass es extrem gut ist, älter zu werden, weil vieles einfach besser wird und man selbst auch viel verbessert. Oder zumindest daran arbeitet. Ich möchte nie,
nie mehr 18 sein. Damals war ich in der Pubertät, erst
mit 18 oder 20. Ich bin da eher langsam in der Entwicklung. Ich hatte damals solche Mühe mit mir selbst,
wusste einfach nicht, wer ich bin.»
Sie habe sich auch immer davor gefürchtet, von daheim wegzugehen, jenes Gefühl von Geborgenheit, wie
es für sie im Stöckli und beim Grosi am schönsten war,
aufgeben zu müssen. «Das hängt sicher mit einer schönen Kindheit zusammen. Mit dem Leben auf dem Bauernhof. Mit der Art, wie man als Bauernfamilie lebt, mit
der Art, zu entscheiden, was wichtig ist und was nicht.
Geburtstage waren nicht so wichtig.» Dadurch, dass
man mit den Jahren Zeit und Raum gewinne, entstehe
auch Distanz, kläre sich vieles, das früher ein Problem
war, verflögen Ängste und Zweifel, so auch das Gefühl,
nur daheim Geborgenheit zu finden. «Da kommen mir
heute noch die Tränen der Rührung, wenn ich an diese
Momente denke. An Erlebnisse wie Weihnachten, an
den Alltag mit Mueti und Vati. Ich hatte mit 20 extrem
Mühe, das zu akzeptieren. Heute nicht mehr so stark. Es
hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren so ergeben:
schön, nach Hause zu gehen, schön aber auch, wieder
aufzubrechen und loszulassen.»
Kathrin Winzenried hat ihre Wurzeln immer noch im
Bauerndorf bei Bern. Auch wenn sie manchmal ein bisschen Angst davor hat, vielleicht ein wenig fremd geworden zu sein. «Ich habe das daheim auch mal gefragt.
Ob ich langsam zu einer Fremden werde. Aber Mueti
und Vati haben zum Glück gesagt, das sei nicht so.» Obwohl das mit der Fremden auf dem Land doch sehr stark
sei, eine, die nicht dort geboren ist, ist auch nach 20 Jahren noch eine Fremde.
Das Land habe sie sehr gerne, sagt sie, Leben hätte
sie aber nie auf dem Land wollen, hätte auch lieber in
der Stadt Bern Schule gegeben als in Erlenbach im Simmental. Ab und zu hätten sie und ihre Schwester Meieli
einander zwar versprochen, gemeinsam den Bauernhof
zu betreiben, wenn Bruder Dänu es nicht machen
würde. «Aber ich könnte doch nie bauern, das ist so unheimlich anstrengend.» Bruder Dänu hat es gemacht.
Und macht es auch heute noch, zusammen mit dem
Vater. Sie betreiben einen mittelgrossen Hof. Kathrin
geht oft beim «Härdöpfeln» helfen oder als Ferienaushilfe im Garten zum Rechten zu schauen. «Aber sonst
fühle ich mich wohl in der Stadt, geniesse die Unabhängigkeit dank öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Auto
habe ich nicht. Auch keinen Führerschein.» Vielleicht
könne sie das auch wirklich nicht: Auto fahren. Jedenfalls habe sie beim Traktorfahren oft gepatzert, mal ein
Tor umgefahren, mal einen Pfosten gerammt. Und auf
dem Velo sei sie einmal fast verunglückt, vor lauter Unbeholfenheit und Zerstreutheit. «Beim Fernsehen habe
Bis Oktober auf der
Bieler Arteplage im
«SF DRS-Ferienlager»:
Kathrin Winzenried.
Nr. 2 | 17. Juni 2002 23
Denkbild
Inserat: Baloise Bank SoBa
W
Zuverlässig
begleitet.
Bis zum
Gehtnichtmehr.
24 Nr. 2 | 17. Juni 2002
Kursive Zitate sind
E-Mail-Antworten der
Werbeagentur Contexta AG.
ie wundere ich mich immer wieder darüber,
wer sich alles um mich Sorgen macht. Mich behüten
und beschützen will. Mich finanziell beraten will – mit
Erfolgsgarantie. Und wenn ich ablehne: «Waaaas???!!!
Sie wollen nicht reich werden?!» Andere wollen mich
begleiten. Durchs ganze Leben. Bis ans Lebensende.
Wenn möglich noch darüber hinaus, bis in alle Ewigkeit.
Allen ist gemeinsam: Sie wollen an mein Geld.
Dieses Bankeninserat ist mir aufgefallen (da werden
sich die Werber aber freuen!):
Oben am Rand eine junge Frau. Ihre Spuren im
Sand. Dazu der Text: «Bei jedem Schritt, den Sie tun . . .
begleiten wir Sie zuverlässig . . .» Ist die zweite Spur die
Begleitung? Zuverlässig? Warum bricht sie plötzlich
ab? War es ein hinter ihr herpfeifender, schmachtender
Papagallo, den sie endlich abschütteln konnte? Der es
schliesslich vorgezogen hat, sich in die Wellen zu werfen und sich ein anderes Opfer zu suchen? Oder wurde
da jemand von Ausserirdischen vom Strand weggefischt?
Der Werber hat sich das ganz anders ausgedacht:
«Nun, die Spuren verschwinden nicht, sondern sind in
ihrer unterschiedlichen Form immer auf gleicher Höhe
mit dem Kunden.» Und: «Die Darstellung dieser sehr
diskreten, aber immer präsenten Begleitung ist denn
auch der Grundgedanke der Kampagne . . .»
Zuverlässige Begleitung? Bei jedem Schritt? Plötzlich hintendreinhinken, die zuverlässige Begleitung hört
auf. Bankrott? Fusion? Kassiert und verduftet? Globalisiert?
Wenn jemand ständig ein paar Schritte hinter mir
hergeht, dann werde ich bald einmal misstrauisch, bekomme ein mulmiges Gefühl. Was will der von mir?
(Was für Gefühle hat eine Frau in einem solchen Fall?)
Oder werde ich überwacht? Diskret natürlich. Auch
in Fichenzeiten wurden wir diskret begleitet. Tun das
heute die Finanzinstitute? Warum?
Der Inseratetext endet: «. . . damit Sie dem Ruhestand gelassen entgegengehen können.» Die Frau im
Inserat ist noch so jung. Jetzt schon den Ruhestand planen? Ein Leben lang blechen und dann zu früh sterben?
Oder der Wert des Geldes löst sich in Luft auf? Argentinien? Sind die Banken dermassen sicher, dass schon
30 Jahre im Voraus oder gar noch früher Geld in den
Ruhestand investiert werden soll? Warum nicht das
Leben geniessen mit dem Geld, statt es abzuliefern an
Institute, die damit gut leben und fette Boni auszahlen
können?
Der Werber liefert eine weitere Erklärung: «Eine
unsichtbare Begleitung, die immer dann zur Stelle ist,
wenn man sie braucht, was auch im Claim ‹in good
company› ausgedrückt wird.»
Immer zur Stelle, wenn man sie braucht? Aber bitte
während der Schalterstunden.
Aldo Clerici
Die ABS nahm per 1. Juni 2002 verschiedene Zinssatzreduktionen für Konten vor. Nachstehend sind die Änderungen
im Einzelnen aufgeführt:
bisher
neu ab 1. 6. 2002
Einlagekonto
1
Lohn-Sparkonto
1
Sparkonto
⁄4 %
1
⁄8 %
⁄2 %
1
⁄4 %
1%
3
⁄4 %
Anlagekonto
1 ⁄2 %
1 1⁄4 %
Mietkautionskonto
1%
3
1
⁄4 %
ABS 3-Vorsorgekonto
2 ⁄2 %
2 1⁄4 %
ABS 2-Freizügigkeitskonto
2 1⁄4 %
2%
1
Interne Weiterbildung
im dritten Quartal 2002
Regelmässig organisieren wir interne Weiterbildungshalbtage.
Diese dienen der Weiterentwicklung unserer Bank im Sinne der
KundInnenorientierung. An folgenden Nachmittagen bleibt deshalb die ABS geschlossen:
Die ABS finanziert auch
privates Wohneigentum
ABS
Zinssatzänderungen
Die Alternative Bank ABS finanziert seit einigen Jahren privates Wohneigentum von ABS-KundInnen oder von potenziellen
KundInnen, die inskünftig alle ihre Bankgeschäfte über die ABS
abwickeln möchten. Dabei dürfen selbstverständlich die Negativkriterien der Anlage- und Kreditpolitik der ABS nicht verletzt
werden. Das heisst, es darf sich beispielsweise nicht um sozialfeindliche Grossüberbauungen, Bauten mit Zersiedlungscharakter,
Luxuswohnungen, energieverschwendende Gebäude usw. handeln.
Die ABS finanziert aus ökologischer Sicht schwergewichtig
Siedlungen oder Einzelhäuser mit Modellcharakter bezüglich Baubiologie, Energienutzung, Erschliessung durch den öffentlichen
Verkehr usw. Zudem spielt die Erneuerung von ungenügend genutztem Wohnraum sowie die Umnutzung von Industriebrachen
eine Rolle. Aus sozialer Sicht geht es um gemeinschaftliches
Bauen und Wohnen sowie die Schaffung von günstigem Wohneigentum in kinder-, behinderten- und altersgerechten Bauformen. Hinzu kann die Erhaltung von wertvoller Bausubstanz und
von sozialen Siedlungsstrukturen kommen.
Bei der Finanzierung von nicht selbst genutztem Wohneigentum wird speziell auf faire und transparente Mietverhältnisse geachtet. Zudem ist die Schaffung von günstigem Wohnraum für
finanziell schwächere Gruppen von MieterInnen (StudentInnen,
sozial Benachteiligte usw.) ein Anliegen der ABS.
11. Juli, 22. August und 12. September 2002.
Felix Bührer und Thomas Bieri
Wir danken für das Verständnis.
Öffnungszeiten
Aktienkapitalerhöhung
Alternative Bank ABS, Leberngasse 17, 4601 Olten
Telefon 062 206 16 16
Schalteröffnungszeiten
Montag–Freitag
9.00–12.00
14.00–16.30 Uhr
Bürozeiten
Montag–Mittwoch und Freitag
8.30–12.00
13.30–17.00 Uhr
Donnerstag
8.30–12.00
14.00–17.00 Uhr
Der erste Schritt zur ABS
Bitte schicken Sie mir
Informationsmaterial
Kontoeröffnungsantrag
Zeichnungsschein für Kassenobligationen
Antrag zum Erwerb von Aktien
Werbematerial
moneta-Abonnement (Fr. 20.– im Jahr)
Antrag für ec-Karte
Wir bitten alle Leser und Leserinnen von moneta, sich möglichst rege an der laufenden Kapitalerhöhung zu beteiligen,
da die Schaffung eines ausreichenden Aktienkapitals unabdingbar ist für die weitere Entwicklung der wachsenden Bank.
Die zur Zeichnung erforderlichen Unterlagen sowie auch
Werbematerial können mit dem unten stehenden Coupon
angefordert werden.
Aktienkapitalsammlung
Bitte senden Sie mir Unterlagen für die
Zeichnung von Aktien der Alternativen Bank ABS
Bitte senden Sie mir die Statuten der Alternativen Bank ABS
(in der neusten Fassung vom 21. April 2001)
Bitte schicken Sie mir den Geschäftsbericht 2001
Name
Adresse
Name
Adresse
PLZ/Ort
PLZ/Ort
Telefon
Bitte einsenden an: Alternative Bank ABS, Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten
2 |02
Telefon
Bitte einsenden an: Alternative Bank ABS, Leberngasse 17, Postfach, 4601 Olten, oder anrufen:
Telefon 062 206 16 16
2 |02
Nr. 2 | 17. Juni 2002 25
ABS
Umfrage an der Generalversammlung
«Grundlage für die Meinungsbildung»
Die Mehrheit der versammelten Aktionärinnen
Ergebnisse der Meinungsumfrage an der GV
des Verwaltungsrates teil. Über 150 Fragebogen
gingen ein. moneta erörtert die Antworten zu den
fünf Fragen in einem Gespräch mit Claudia Nielsen.
Foto: Aldo Clerici
und Aktionäre nahm an der schriftlichen Umfrage
Claudia Nielsen
moneta: Haben sich die Ergebnisse der Umfrage bereits auf Entscheide des Verwaltungsrates (VR) ausgewirkt?
Claudia Nielsen: Nein. Die Umfrage
dient uns als Grundlage für unsere Meinungsbildung. Der Input aus den Antworten ist beachtlich. Die Aktionärinnen und Aktionäre haben sich fundiert
mit den Fragen auseinander gesetzt.
Sehr spannend sind die zahlreichen Bemerkungen. Sie zeigen, dass ein fundiertes Know-how vorhanden ist. Ich
schliesse aus den Antworten, dass es gemäss den Aktionärinnen und Aktionären dringendere Probleme zu lösen gibt
als jene, die wir vorgelegt haben. Genau
acht empfinden die Fragen als sehr dringend. Die grosse Anzahl stuft sie als
wenig dringend ein.
Die gestellten Fragen haben beim Verwaltungsrat nicht erste Priorität. Das heisst . . .
. . . es sind Fragen, die wir während
des Jahres beantworten werden.
Trotzdem: Die knappe Mehrheit der Aktionärinnen und Aktionäre befürwortet es, dass
die Mitglieder der Geschäftsleitung (GL) bei
der Besetzung des Verwaltungsrates mitbestimmen. Besteht da kein Handlungsbedarf?
Das ist fast ein Pattergebnis. Zudem
wäre die Formulierung des Mitbestimmungsrechts in juristischer Hinsicht
anspruchsvoll, denn es wird weiterhin
Pflicht des VR sein, die Oberaufsicht zu
wahren. Gleichzeitig muss der VR mit
der GL erarbeiten, was in dieser Sache
möglich wäre. Die Spannweite von
einer blossen Anhörung bis hin zu
einem Vetorecht ist relativ gross.
Grundsätzlich werte ich die Fragestellung positiv. In einem Betrieb dieser
Grösse ist die Zusammenarbeit schwierig, wenn die Chemie zwischen VR und
GL überhaupt nicht stimmt.
Gibt es absehbare Vakanzen im Verwaltungsrat?
Nein, meines Wissens nicht. Der
Verwaltungsrat wurde an der GV 2001
für drei Jahre gewählt.
In der zweiten Frage wollte der VR von den
AktionärInnen wissen, ob Lohnbestandteile
der GL-Mitglieder in Aktien ausbezahlt
werden sollen. Die Mehrheit, nämlich 60 Prozent, befürwortet da eine Regelung auf
freiwilliger Basis. Weitere 13 Prozent sind
der Meinung, dass Lohnbestandteile in
ABS-Aktien ausbezahlt werden sollen.
Bei einer Regelung auf freiwilliger
Basis sind die auszuhandelnden Modalitäten von Wichtigkeit, wie dies Karin
Oberholzer an der GV ausführte. Denn
Aktien kaufen können jetzt schon alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Antwort in dieser Frage hat den VR
nicht überrascht?
Nein. Ähnlich klar fielen die Antworten auf die Frage nach Honorarzahlungen in ABS-Aktien für Mitglieder
des VR und des Ethischen Rates aus.
49 Prozent befürworten eine Regelung
auf freiwilliger Basis. Weitere 27 Prozent beantworten die Frage mit Ja. Freiwillige Basis heisst, ich kann jederzeit
eine ABS-Aktie kaufen, und ich kaufe
sie zum gleichen Preis wie alle anderen.
Die brisanteste Frage war wohl jene zur Abgangsentschädigung an Mitglieder der Geschäftsleitung. Die Hälfte, genau 50 Prozent,
sieht da keine Notwendigkeit. Die andere
Hälfte befürwortet eine Abgangsentschädigung.
Eine deutliche Mehrheit spricht sich
für das Beibehalten des Ist-Zustandes
gemäss Personalreglement aus. Nämlich
dass der VR eine Unterstützungszulage
bei Stellenwechsel ausrichten kann. Es
gibt durchaus Fälle, wo dies Sinn
macht.
Gespräch: Ruth Hugi
26 Nr. 2 | 17. Juni 2002
1. Wie wichtig finden Sie ein Mitbestimmungsrecht der Geschäftsleitung bei der Besetzung des
Verwaltungsrates?
Sehr wichtig
Wichtig
Wenig wichtig
Unwichtig
Total
29
46
36
35
146
20 %
31 %
25 %
24 %
100 %
2. Finden Sie, ein Teil des Lohns von
Geschäftsleitungsmitgliedern sollte
in ABS-Aktien ausbezahlt werden?
Ja
Auf freiwilliger Basis
Nein
Total
20
87
39
146
13 %
60 %
27 %
100 %
3. Finden Sie, ein Teil des Honorars
von Mitgliedern des Verwaltungsrates und des Ethischen Rates sollte
in ABS-Aktien ausbezahlt werden?
Ja
Auf freiwilliger Basis
Nein
Total
40
72
35
147
27 %
49 %
24 %
100 %
4. Finden Sie, dass Geschäftsleitungsmitglieder bei ihrem Weggang
eine Abgangsentschädigung erhalten sollen?
Ja, in jedem Fall
24
Ja,
gemäss Personalreglement 52
Nein
77
Total
153
16 %
34 %
50 %
100 %
5. Wie beurteilen Sie die Dringlichkeit dieser Fragen für die ABS?
Sehr dringend
Dringend
Wenig dringend
Nicht dringend
Total
8
55
56
21
140
6%
39 %
40 %
15 %
100 %
ABS-Generalversammlung vom 20. April
Erfreuliche Entwicklung
der Bank
Corin Curschellas schuf mit Christian Rösli den
besonderen Rahmen für die Generalversammhumorvollen und vielseitigen Darbietung.
C
laudia Nielsen, Präsidentin des Verwaltungsrates
der Alternativen Bank ABS, konnte an der elften Generalversammlung im Stadttheater Olten von einer erfreulichen Entwicklung der gesamtschweizerischen, sozial
und ökologisch orientierten Bank berichten. Der Bruttogewinn stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr um 13 Prozent auf über 5 Millionen Franken. Dieser Erfolg lasse
sich im Vergleich zum Vorjahr und gegenüber anderen
Banken sehen, sagte Nielsen. Ganz speziell hob die Präsidentin hervor, dass die Aktionärinnen und Aktionäre,
die Shareholder des Finanzinstituts, nicht wie bei anderen Banken «auf tutti» Gewinne machen wollten. «Im
Gegensatz zu anderen Banken verzichten wir auf Renditemaximierung», schreibt Nielsen auch im Geschäftsbericht. «Jedoch kämpfen wir hart um die Rendite, die
wir brauchen, damit wir unsere ethischen Zielsetzungen
umsetzen und den Unternehmenswert sichern können.»
Aufgrund der massiven Erhöhung der Rückstellungen
verzichtete die Bank für das Jahr 2001 auf die Ausschüttung einer Dividende. Die grossen Rückstellungen
seien vor allem als eine Folge des grossen Kreditsprungs
vor fünf Jahren zu werten, erklärte Nielsen. Man habe
zudem die Eigenmittelbasis erhöht, um das längerfristige Wachstum des Unternehmens zu sichern.
Als Farbtupfer in diesem Jahr bezeichnete Nielsen die
Aufnahme des Fondsvertriebs mit den beiden SarasinFonds OekoSar Portfolio und ValueSar Equity. Die Gremien der Bank hätten sich eingehend mit dem Entscheid
beschäftigt und schliesslich für die Einführung votiert.
Nach wie vor bedeutend im Vergleich zu den Mitbewerbern bewertete Nielsen die transparente Geschäftspolitik der ABS. «Das haben wir allen Banken voraus.
Transparenz bildet Vertrauen.»
Ein Zeichen des wachsenden Vertrauens sei der Zuwachs der KundInnengelder. Mit einem Plus von 13 Prozent überquerte die Bilanzsumme die Marke von einer
halben Milliarde Franken; die bewilligten Kredite nahmen um 18 Prozent auf 512 Millionen Franken zu, die
KundInnengelder um 13 Prozent auf 449 Millionen
Franken. Die Zahl der MitarbeiterInnen blieb bei 42
Vollzeitstellen unverändert.
Verwaltungsrätin Christina von Passavant konnte in
Olten zudem den Abschluss der Verwaltungsratsreform
bekannt geben. So sei der Verwaltungsrat von 13 auf 9
Personen verkleinert worden. Statt einem Verwaltungsratsausschuss verfüge die Bank nun über einen Kreditausschuss sowie Fachgruppen in den Bereichen Personal, Marketing und Finanzen. Die Fachgruppen würden
sich insbesondere bei konkreten Projekten bewähren.
Im Übrigen werde deren Form noch einmal überprüft.
Foto: Aldo Clerici
lung. Die Bündner Sängerin faszinierte mit ihrer
Die Arbeit der Assistentin des Verwaltungsrates, Agnes
Schmid, wurde speziell verdankt.
Personalvertreter Gregor Kuhfus führte aus, die Aktualisierung des Personalreglements sei in drei Punkten
nicht nach den Wünschen des Personals erfolgt. Christina von Passavant räumte ein, die Einschränkungen fürs
Personal seien durchaus schmerzlich gewesen, trotzdem
habe der Verwaltungsrat so entschieden. Die höchsten
und die tiefsten Löhne unterschieden sich bisher maximal im Verhältnis 1:2,5. Neu wurde das Verhältnis auf
1:5 maximal festgelegt, wobei dieser Spielraum bisher
nicht ausgenützt werde, sagte von Passavant. Die Neuregelung war deshalb notwendig geworden, weil die bisherige Regelung die Besetzung von Kaderpositionen
einengte. Auch den allgemeinen Anspruch auf mehrmonatigen unbezahlten Urlaub nach fünf Dienstjahren
konnte der Verwaltungsrat nicht stehen lassen. Auf ein
Gesuch hin kann jedoch weiterhin unbezahlter Urlaub
gewährt werden, unabhängig von der Anzahl Dienstjahre. Der dritte Entscheid, der nicht in Einklang mit
dem Personal getroffen wurde, betrifft den 8. März
(internationaler Frauentag). Dieser Tag ist neu ein Arbeitstag, der für die Fortbildung im Gender-Bereich (soziales Geschlecht) eingesetzt wird.
Die Aktionärinnen und Aktionäre stimmten allen
Anträgen des Verwaltungsrates an die Generalversammlung zu: Sie genehmigten den Jahresbericht, nahmen Kenntnis vom Bericht des Ethischen Rates und vom
Bericht der Revisionsstelle, stimmten der Jahresrechnung und der Verwendung des Bilanzgewinns zu und
entlasteten den Verwaltungsrat.
Auch die vorgeschlagenen Wahlen in den Ethischen
Rat begrüsste die Generalversammlung. Zumeist aus
Zeitgründen haben Paola Ghillani, Albert Huguenin,
Irène Meier und Rudi Neuberth den Ethischen Rat auf
die GV hin verlassen. Neu nehmen Claudia Binder, Rita
Schmid Göldin und Arie Hans Veruil im ER Einsitz.
Margrit Bühler wurde für eine dritte Amtszeit von drei
Jahren wiedergewählt.
Zum Schluss legten Marc Seinet (kontra) und Felix
Bührer (pro) ihre Sicht für eine Regelung der Abgangsentschädigung für Mitglieder der Geschäftsleitung dar.
Wie sich die versammelten Aktionärinnen und Aktionäre dazu und zu den weiteren Fragen gemäss Fragebogen
äusserten, lesen Sie im Interview mit Claudia Nielsen.
Ruth Hugi
Nr. 2 | 17. Juni 2002 27
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ABS
Die Leute von der ABS
Rosanna Di Pasquale, Jahrgang 1979: Ich
machte nach sechs Primarschuljahren und
je zwei Jahren Sekundar- und Bezirksschule
eine dreijährige kaufmännische Lehre bei
der EinwohnerInnengemeinde in Olten.
Dort lernte ich viele Arbeitsgebiete kennen. Ich war sowohl im sozialen Bereich
als auch im Finanzwesen tätig. Nach Lehrabschluss arbeitete ich ein halbes Jahr im
Sozialversicherungsamt.
Seit Januar 2000 bin ich bei der Alternativen Bank ABS in Olten tätig. Im Bereich Privat- und AnlagekundInnen bin
ich, zusammen mit zwei Arbeitskollegen,
für Wertschriften und Konten (ausser Kontokorrente) verantwortlich. Zusätzlich berate ich KundInnen am Schalter und am
Telefon. Ich habe ein Flair für Zahlen und
liebe den KundInnenkontakt.
In der Freizeit bin ich gern in der Natur.
Ich liebe Musik und gehe gern ins Kino.
Meine Leidenschaft ist jedoch das Kochen.
Ich habe sehr viel Spass daran, wenn ich
für meine FreundInnen und Bekannten
aussergewöhnliche kulinarische Spezialitäten zubereiten kann.
Ich interessiere mich sehr für das Bankwesen. Ich bin froh, dass ich bei der Alternativen Bank ABS die Möglichkeit hatte,
ins Bankgeschäft einzusteigen. Ich möchte
mich auch in Zukunft bankfachlich weiterbilden.
Andrea Lehner, Jahrgang 1975: Aufgewachsen bin ich im schönen Walliser Bergdorf Bürchen. Bei rund 600 EinwohnerInnen
versteht es sich von selbst, dass jeder jeden
kennt und der Kontakt zu den Mitmenschen
viel Nähe zeigt. Dies hat mich sehr geprägt.
So war es denn für mich auch nicht leicht, als
ich von zu Hause fortging, um in Interlaken
Krankenpflegerin zu lernen.
Nachdem ich einige Jahre als Krankenpflegerin gearbeitet hatte, wurde mir bewusst, wie schwierig es war, meine Ideen
und Vorstellungen im Alltag als Krankenpflegerin zu verwirklichen. Die Realität
einer Krankenpflegerin ist geprägt von
Personalmangel und Zeitdruck. So verabschiedete ich mich von diesem Beruf und
arbeitete während fast zwei Jahren im
Flughafen Kloten. In dieser Zeit besuchte
ich abends die Bürofachschule und suchte
mir eine neue Stelle, wo ich mein Bürofachwissen anwenden konnte.
Zum Glück lernte ich bald darauf die
Alternative Bank ABS kennen. Seit zwei
Jahren arbeite ich nun in der Telefonzentrale der Alternativen Bank. Mein ABSAlltag gestaltet sich abwechslungsreich,
da ich neben der KundInnenbetreuung
am Telefon jeweils einen Tag pro Woche im
Stammdaten-Center und in der Werbung
tätig bin.
Heimweh nach dem Wallis habe ich
kaum noch. Ich wohne mit meinem Lebenspartner in Gränichen, in einem Bauernhaus, zu dem eine Hektare Landwirtschaftsland gehört. Dies brauche ich für
meine grosse Familie, die aus drei Pferden,
vier Katzen und ein paar Kaninchen besteht. Hühner und andere Kleintiere werden sicherlich noch dazukommen. In meiner Freizeit kümmere ich mich vor allem
mit Leib und Seele um meine Pferde.
Joya Mutti, Jahrgang 1983: Ich bin geboren am 20. Dezember, also im Sternzeichen
des Schützen. Sternzeichen und Horoskope
sind Dinge, die mich sehr interessieren.
Ich absolvierte die Bürofachschule und
die Handelsschule. Da ich nur an einem
Tag pro Woche Schulunterricht hatte,
suchte ich eine Arbeitsstelle, um die restliche Zeit sinnvoll zu nutzen und auch ein
wenig Geld zu verdienen. In meiner Freizeit betreibe ich die verschiedensten Sportarten und treffe mich mit meinen Freunden.
Auch lese ich gerne Krimis und Romane
und lerne zurzeit die Verkehrsregeln für
die Autoprüfung. Ebenfalls interessieren
mich Autos und ihre technischen Funktionen.
In der Alternativen Bank ABS hat mich
sehr erstaunt, wie die ABSlerInnen alle
offen, freundlich und sozial sind. Als ich in
der ABS meinen ersten Arbeitstag hatte,
boten mir alle gleich das Du an, was mich
in einer Bank sehr überraschte. Bei anderen Banken müsste man sich vermutlich ins
Jackett werfen, um überhaupt aufgenommen zu werden. Alles wäre per Sie und das
Verhalten so unnatürlich.
Diese Natürlichkeit ist genau das, was
uns unterscheidet von anderen Banken.
Darum fühle ich mich hier sehr wohl und
freue mich jeden Tag darauf, in die ABS
zur Arbeit zu gehen. Man kann hier so sein,
wie man sein will, und man wird so akzeptiert!
Nr. 2 | 17. Juni 2002 29
Kreditprojekt
I
Fotos: Ruedi Steiner
m Winter schiesst im Goms die Milch
am heftigsten in die Euter. Und auf den
Pisten ist Hochbetrieb. Lange Tage für den
Biokäser von Gluringen und seine Crew,
verteilt auf rund dreieinhalb Stellen. Die
ersten strengen Wintermonate hat er hinter sich und weiss, wovon er spricht. Seit
dem 9. Januar 2001 werden in der neuen
Bio-Bergkäserei Goms Biokäse, Anken,
Ziger, Baschi-Mutschli und kleine Bascheli gemacht. «Den Bascheli haben wir übrigens aus Zufall zu produzieren begonnen»,
erzählt Käser Gerhard Zürcher lachend.
«Der Fussballclub wollte zur Einweihung
des neuen Fussballfeldes allen Gastmannschaften und deren Spielern einen kleinen
Bio-Gomser von 300 Gramm Gewicht
schenken. Wir haben auch ein paar in den
Laden gelegt. Dort gingen sie im Nu weg.»
Seither gibt es den kleinen Bascheli
auch im Fresspäckli, das die Bäckerei den
TouristInnen mit Roggenbrot anbietet.
Und natürlich im Bioladen der Biokäserei
Goms. Der Laden wird von Marianne Zürcher geführt, ohne deren uneingeschränkte Zustimmung der 34-jährige Emmentaler
nie ins Obergoms gezogen wäre. «Und
schon gar nicht als Leiter eines solchen
Betriebs. Das ist ein Familienbetrieb. Da
braucht es eine Frau, die mitarbeitet und
mithilft.» Gut, dass die beiden vorher
Emmentaler käsen im Obergoms
Ziger mit Gummibärchen
im Zeichen der Knospe
Natürlich machen Gerhard und Marianne Zürcher in der Walliser
Biokäserei nicht mit Gummibärchen-Ziger in Knospen-Qualität das
grosse Geschäft. Der flippige Kinderschmaus aber rundet das
feine Sortiment an Biokäse ab. 13 Gommer Biobauern haben sich
in Gluringen VS eine Käserei gebaut. Die ABS half mit.
30 Nr. 2 | 17. Juni 2002
Kreditprojekt
13 Biobäuerinnen und
Biobauern aus dem
Goms haben sich in
Gluringen VS eine Biokäserei gebaut. Die
Genossenschaft rechnet
mit einem «flotten»
Abschluss im ersten Betriebsjahr.
schon einmal zweieinhalb Jahre in Savognin gelebt und gewirtschaftet haben, denn
ohne diese Erfahrungen, so Marianne Zürcher, hätte sie es nie gewagt, mit Kind und
Kegel ins Goms zu ziehen.
Nein, von Heimweh keine Spur, sind
sich die beiden Käsersleute heute einig,
man sei hier offen und gut aufgenommen
worden. Auch für die Kinder kein Problem, im Gegenteil: Das Skifahren nach
der Schule bekommt den beiden Mädchen
bestens. «Wir haben gewusst, dass wir hier
die Fremden sind und dass wir auf die
Leute zugehen müssen», meint Gerhard
Zürcher, «die Türe rennen sie einem hier
sicher nicht von alleine ein.» Aber man
habe sich halt arrangiert, über die Kinder
die Leute kennen gelernt oder bei der Arbeit Anschluss geknüpft. Auch wenn das
ganze «Bio» nicht überall willkommen war
im Tal. Ein mancher hatte sich den Käser
ganz anders, mit langen Haaren, Schafwollpullover und Sandalen eben, vorgestellt
und sich deshalb entsprechend zurückhaltend verhalten. «Heute zählen viele, die
einst auf der anderen Strassenseite Ausschau nach unliebsamen Beobachtern hielten, bevor sie in unseren Laden kamen, zu
unseren besten Stammkunden. Einheimische wie Touristen oder langjährige Feriengäste.» In solchen Monaten sind Laden-
umsätze von 60 000 Franken keine Seltenheit, meist eine Aushilfe vonnöten und die
Käsersfrau schon morgens um sechs am
Käseeinpacken.
Die Milch, ein Lebewesen
Erst kürzlich musste Zürcher seinen
Jungkäser wieder ins Emmental ziehen lassen. Der 19-jährige Bursche, ein flotter
Fachmann, den er gerne behalten hätte,
fand in der Walliser Bergwelt keinen Anschluss. Das Heimweh war stärker. Jetzt
steht ein Kollege aus Deutschland zur Diskussion. Er schnuppert schon seit Wochen,
bald will seine Familie herkommen, dann
soll entschieden werden. Ein Entscheid
von grosser Bedeutung. Nicht nur für
Käser Zürcher, sondern auch für das ganze
Dorf. Würde der neue Kollege doch mit
drei Kindern ins Wallis ziehen. Das kann
für den Erhalt einer Schulklasse von entscheidender Bedeutung sein, versichert
Genossenschaftskassier Imsand, der auch
noch als Gemeinderat amtet. Kinder sind
im Tal willkommen. Das haben auch Zürchers erfahren. Und eine Käserfamilie mit
Kindern ist fast schon ein Geschenk des
Himmels, seit die Pharmaindustrie mehr
als ein Auge auf die hygienegewohnten Berufsleute geworfen hat. Gerhard Zürcher
arbeitete einst nach der Schliessung der
Der Genossenschaftskassier ist zufrieden
Im Jahr 2001 hat Biokäser Zürcher mit seinem angestellten Käser rund 800 000 kg
Milch verarbeitet. Das Lädeli hat bis 31. Dezember 2001 einen Barumsatz von 190 000 Franken geschrieben, gesamthaft sind mit Direktverkauf und Käseproduktion im ersten Jahr
rund 970 000 Franken Umsatz zusammengekommen, wobei das offizielle Geschäftsjahr
der Biokäserei einem Milchjahr entspricht, also vom 1. Mai bis 30. April dauert. Aber auch
da sehe es nach ersten Hochrechnungen flott aus, vermeldete Kassier Christian Imsand
Mitte Mai nicht ohne Stolz. Er hofft, den 13 Genossenschaftern nach dem definitiven Abschluss noch etwas mehr für ihre Milch ausschütten zu können, habe man bis heute doch
jeweils nur 70 statt der üblichen 90 Rappen pro Liter Biomilch ausbezahlt. Auch wenn
es oft 60 Tage dauere, bis nach der Herstellung des Käses das Geld im Goms eintreffe, arbeite man ohne Kontokorrentkredit. Christian Imsand liefert gleich noch weitere Fakten,
denn Offenheit und Transparenz gehören zum Geschäftsprinzip der Gommer Biobauern:
«Für den Bau der neuen Käserei mussten wir netto 2,1 Millionen Franken investieren.
260 000 Franken sind Genossenschaftskapital, 350 000 kamen à fonds perdu von der
Berghilfe, 467 000 vom Kanton Wallis, 72 000 von der Gemeinde, 84 000 vom Bund. Und
die Alternative Bank ABS ist mit einer Hypothek und einem Förderkredit von gesamthaft
600 000 Franken dabei. Dazu kommen noch 230 000 Franken zinslose Darlehen.»
Emmentalkäserei in Bern beim Roten
Kreuz in der sterilen Abfüllabteilung der
Medikamentenfabrikation. Bevor er dem
Ruf ins Goms gefolgt ist, wo die Biobauern
des Tales sich auf Betreiben des Bundes
zum Bau einer reinen Biokäserei entschlossen hatten. «Die Milch ist ein Lebewesen», sagt der Käser und ist stolz darauf,
daraus qualitativ hoch stehenden Käse zu
machen. Auch dann, wenn die Milch je
nach Jahreszeit wegen Futterwechsel oder
Stress der Tiere schwankende Güte hat.
Käse für die ganze Schweiz
Heute rollen 80 Prozent der 4,5 Kilo
schweren Halbhartkäse vom «Bio-Gomser 11» über die Käselager der Alpgold
Siders in Knospen-Qualität in das Naturaplan-Programm von Coop. Der Rest wird
vor Ort verkauft. Im eigenen Laden, nebst
weiteren Bioprodukten wie Teigwaren,
Sauce, Kräuter und Tees. Auch innovative
Wirte, Käseläden und Detaillisten im ganzen Wallis werden beliefert. Vier Franken
teurer sei das Kilo Bio-Gomser als der normale Gommer Bergkäse. «Das ist nicht
viel. Leute aus Zürich oder Basel sagen,
wir würden unseren qualitativ hoch stehenden Käse zu billig hergeben», sagt Zürcher, «aber wir haben eine Mischrechnung
gemacht.» Für Zürcher muss ein guter
Käse würzig sein. Das «Gläs», die Risse
oder Spalten im Gommer Käse, deuten
meist auf viel Gout. Solchen Käse isst der
Gommer Biokäser täglich und am liebsten.
Im August übrigens haben die Zürchers
erstmals wieder Ferien. Dann kommt keine
Milch in die Käserei. Dann sind die Kühe
auf der Alp. Eine der Alpen im Furkagebiet
– dort, wo alle Tiere aus den Ställen von
Genossenschaftern der Biokäserei Goms
stammen – will man von der Bio-Suisse
bald zertifizieren lassen. «So können wir
mit dieser Milch, die nicht auf der Alp verarbeitet wird, sommerliche Spezialitäten
in Knospen-Qualität anbieten, freut sich
Zürcher schon heute. Das würde dann
auch heissen, dass Kinder, die im August
Geburtstag haben, in der Biokäserei Goms
– wie sonst auch im Jahr – frischen Bioziger
samt Bio-Gummibärchen mit der Knospe
kaufen können.
Beat Hugi
Nr. 2 | 17. Juni 2002
31
Die Letzte
Dokumente zur
Frauenbewegung
Zwanzig Jahre ist es her, seit
Marthe Gosteli die Gosteli-Stiftung gegründet hat. Das dazugehörende «Archiv zur Geschichte der schweizerischen
Frauenbewegung» ist inzwischen zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. Zum Jubiläum wird die Geschichte
dieses Archivs in einer Ausstellung in der Stadt- und Universitätsbibliothek gewürdigt. Dasselbe Thema wird im Buch
«Bewegte Vergangenheit – 20
Jahre Archiv zur Geschichte
der schweizerischen Frauenbewegung» von Verena E. Müller
behandelt, erschienen im Verlag Stämpfli.
—
Die Jubiläumsausstellung «20 Jahre GosteliStiftung» ist bis zum 28. September 2002
in der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern
zu sehen.
Reichtum
in der Schweiz
Fair-Pay-Kampagne
Fussbälle und Sportbekleidung werden unter miserablen
Bedingungen hergestellt. Das belegen neue Berichte aus
Indien, Pakistan, China und Indonesien, die der Clean
Clothes Campaign (CCC) vorliegen. Mit schweren Vorwürfen konfrontiert wird der WM-Hauptsponsor Adidas. Deshalb fordern zwei internationale Netzwerke die FIFA auf,
verbindliche Spielregeln durchzusetzen und überprüfen zu
lassen.
Die Clean Clothes Campaign, in der Schweiz getragen
von Brot für alle, der Erklärung von Bern und Fastenopfer,
hat von der FIFA bisher vergeblich verlangt, dass die Arbeitsbedingungen bei ihren Partnern und deren Lieferanten
verbessert werden. Gleich erging es dem weltweiten Netzwerk gegen Kinderarbeit, dem Global March against Child
Labour. Die FIFA könne für die Arbeitsbedingungen in den
Fabriken nicht verantwortlich gemacht werden, beschied sie
ihnen.
In der Schweiz verfügen
drei Prozent der Steuerpflichtigen über gleich viel Vermögen wie die übrigen 97 Prozent.
Die 300 Reichsten besitzen ein
Vermögen von 374 Milliarden
Franken. Die 100 reichsten
Schweizerinnen und Schweizer
verzeichneten in den letzten
zehn Jahren einen Vermögenszuwachs von 450 Prozent.
Ueli Mäder und Elisa Streuli liefern Zahlen und Fakten.
Sie haben Gespräche mit 30
Reichen geführt. Diese Gespräche bringen markante Persönlichkeiten zum Vorschein und
werfen ein Licht auf das Selbstverständnis von Reichen. Fühlen sich Reiche gesellschaftlich
verantwortlich? Wie argumentieren Reiche, die beträchtliche
Mittel für soziale Zwecke zur
Verfügung stellen? Wie beantworten Reiche die Frage nach
der sozialen Verträglichkeit
von Reichtum?
—
Das Buch ist im Rotpunktverlag 2002
erschienen: Mäder/Streuli,
Reichtum in der Schweiz.
Literaturwettbewerb
Neues Geld fliesst in Mammutkraftwerke
Die Rote Fabrik, das Literaturhaus Basel und die Literaturzeitschrift «entwürfe» schreiben gemeinsam einen
Literaturwettbewerb aus. Die GewinnerInnen dürfen am
26. Oktober 2002 während der zweiten «Langen Nacht der
kurzen Geschichten» ihre Texte öffentlich in der Roten Fabrik vortragen. Ausgewählte Texte werden zusätzlich in der
Literaturzeitschrift «entwürfe» im Oktober publiziert. Gesucht werden unveröffentlichte Prosatexte im Umfang zwischen mindestens 7000 und maximal 10 000 Zeichen (mit
Leerschlägen). Die AutorInnen sollen Wohnsitz in der
Schweiz haben und dürfen nicht schon über eine Buchpublikation verfügen.
Die Jury besteht aus VertreterInnen der Literaturzeitschrift «entwürfe» und des Literaturhauses Basel und den
Literaturveranstalterinnen der Roten Fabrik. Es werden
nur Einsendungen auf dem elektronischen Weg akzeptiert,
an die Mailadresse: [email protected], Betreff: Literaturwettbewerb. Die Einsendungen sollen als Attachment
im RTF-Format beigefügt werden. Ein separates Attachment enthält eine Kurzbiografie und die Anschrift und Telefonnummer der Autorin oder des Autors. Einsendeschluss
ist der 10. Juli 2002.
Mammutkraftwerke sind zu
Symbolen für die Konflikte um
lokale Ressourcen und unterschiedliche Entwicklungsmodelle geworden. In den vergangenen Jahren haben sich
internationale Finanzinstitutionen weitgehend von der Finanzierung solcher Projekte zurückgezogen. «We are almost
gun-shy if dams now», sagt Preben Nielsen von der Asiatischen Entwicklungsbank. «The
risks are great, the visibility is
high, and the vulnerability is a
constant concern.» Wie die
Beispiele von Ilisu (Türkei)
und Maheshwar (Indien) zeigen, haben auch staatliche Exportkreditagenturen und Banken wie die UBS begonnen, ihr
Engagement in diesem Sektor
www.abs.ch
32 Nr. 2 | 17. Juni 2002
zu überprüfen. Der weitgehende Rückzug internationaler
Finanzinstitutionen bedeutet
aber noch nicht das Ende von
Mammutkraftwerken. Die direkte Finanzierung von Projekten wurde durch ein kompliziertes Geflecht indirekter
Finanzflüsse ersetzt.
—
Peter Bosshard, Power Finance: Financial
Institutions in India’s Hydropower Sector,
herausgegeben vom International Rivers
Network, von Urgewald und dem South Asia
Network on Dams, Rivers and People,
35 Euro. Das Buch kann bestellt werden
bei der Erklärung von Bern, Zürich,
Telefon 01 277 70 00, [email protected]

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