Von einem, der auszog, das Glück zu suchen…

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Von einem, der auszog, das Glück zu suchen…
Schwerpunkt: Kulturen im Dialog › change › 4/2011
Seite 54
François Lelord
Von einem, der auszog,
das Glück zu suchen…
Ist es Neugier? Politisches Kalkül? Wirtschaftlicher Ehergeiz? Oder gar Liebe und die Suche
nach dem Glück? Wir fragten den französischen Arzt und Autor François Lelord, was Kulturen eigentlich
verbindet. Denn er schreibt nicht nur Bücher über das Glück. Er lebt auch auf zwei Kontinenten
INTERVIEW: STEFFI KAMMERER ][ FOTOS: BERND JONKMANNS
M
it „Hectors Reise oder die Suche
nach dem Glück“ fing alles an.
François Lelord (58), von Beruf Psychiater, schrieb über das Glück. Später dann
über die Freundschaft, die Zeit, die Liebe,
das Leben… Seine Bücher sind Bestseller.
Vielleicht auch, weil sie immer wieder die
Frage nach den Dingen und Gefühlen stellen, die uns Menschen verbinden – über
alle Orte, Zeiten und Kulturen hinweg. Und
da François Lelord ganz nebenbei auch
noch in Europa und Asien lebt, seine Frau
Vietnamesin ist und er viel Zeit in Kalifornien verbracht hat, lag die Frage bei allem
Wandel zwischen den einzelnen Kulturen
nahe: Was verbindet uns eigentlich?
res in Paris, den Rest in Asien. Warum ist das
freundlicher als meine eigene. Vielleicht, weil
Reisen so eine Inspiration für Sie?
sie mehr verreisen.
Es stimuliert mich. Man erfährt ständig Neues, auch über sich selbst, weil man sich ja
Wie kann man den Dialog zwischen Ländern
immer an veränderte Umstände anpassen
und Kulturen verbessern? Wo sehen Sie Brü-
muss. Man könnte sagen, es ist eine Metho-
cken?
de, wach und angeregt zu bleiben. Manche
Die Hauptbrücke sind gutwillige Menschen
Menschen brauchen das vielleicht nicht. Aber
mit gemeinsamen Interessen. Ich bin kein Ge-
ich benötige die Anregung von außen, um be-
schäftsmann, aber ich glaube, auch kommer-
weglich zu bleiben.
zieller Austausch ist sehr geeignet, Brücken
zu bilden. Das mag nicht sehr idealistisch
Betrachten Sie sich als Nomaden?
sein, aber ich denke, wenn Menschen gleiche
Das nicht. Ich reise ja nicht das ganze Jahr
Interesse haben, sind sie weniger verleitet,
herum, wie manche Geschäftsleute oder
sich zu bekriegen, jedenfalls solange das Ge-
Journalisten es tun. Ich habe zwei Zuhause.
schäft gerecht läuft. Ich bin auch überrascht,
Das eine ist in Paris, das andere im Moment
dass viele so negativ über Religion als ver-
in Bangkok.
bindendes Element urteilen. Denken Sie nur
an die beiden großen Kriege dieses blutigen
CHANGE: Monsieur Lelord, Sie haben in Hanoi
gelebt, dann viele Jahre in Saigon, und vor
Wie passen Sie sich an, wenn Sie von der
letzten Jahrhunderts, die waren nicht religiös
drei Jahren sind Sie nach Bangkok gezogen.
einen Kultur in die andere kommen? Gibt es
motiviert, Kommunismus und Nazismus wa-
FRANÇOIS LELORD: Ja, aber ich bin trotzdem
bestimmte Rituale?
ren ziemlich atheistisch.
noch von Zeit zu Zeit in Saigon, meine Frau
Ein Ritual habe ich nicht. Es geschieht auto-
ist Vietnamesin. Ich bin sehr gerne dort, aber
matisch, bereits wenn ich das Flugzeug be-
Was verbindet uns noch? Gibt es so etwas
Bangkok ist weniger hektisch. In Saigon wird
trete und die thailändischen Flugbegleiter
wie einen gemeinsamen Nenner?
so viel gebaut, es ist laut. Bangkok hingegen
mich und jeden anderen Passagier anlächeln.
Es gibt natürlich universelle Gefühle. Wut,
hat eine andere Entwicklungsstufe erreicht.
Da kommt man gar nicht in die Versuchung,
Angst, Liebe, Überraschung, Ekel, Freude.
Es hat eine Metro und den Skytrain, das heißt
selbst mürrisch zu sein. Wobei ich feststelle,
Entsprechend gibt es auch eine universelle
auch, es gibt weniger Stau, und die Luftqua-
dass sich auch in Frankreich etwas verändert.
Mimik. Aber es gibt unterschiedliche Aus-
lität ist besser. Fürs Erste bleiben wir nun
Ich empfinde die jüngere Generation als viel
formungen. Denken Sie an Eifersucht. Das
einmal hier.
Gefühl ist universell, aber manche Kulturen
sind toleranter als andere. Anderswo ist es
Fremden auch nur spricht. Oder: laut auf der
re neu beginnen und sich auf eine neue Kultur einlassen.
Nun, ich weiß selbst nicht, warum es mir so
leicht fiel, vielleicht hatte ich Nachholbedarf.
Ich war die meiste Zeit meines Lebens an
meinen Schreibtisch in Paris festgekettet.
Jetzt verbringen Sie etwa die Hälfte des Jah-
Mit „Hectors Reise oder
die Suche nach dem Glück“
(Piper Verlag) fing alles
an. Seitdem steht François
Lelord mit seinen Romanen
um den Psychiater und
Intellektuellen Hector in
zahlreichen Ländern auf
der Bestsellerliste
Straße lachen. In manchen Kulturen gilt das
als unverschämtes Verhalten.
Sind die Dinge, die uns glücklich machen, auf
der ganzen Welt ähnlich?
Ja, zum Beispiel das Glück, mit geliebten
Menschen wiedervereint zu werden.
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FOTOS: BERND JONKMANNS/LAIF
inakzeptabel, wenn eine Ehefrau mit einem
Nur wenige Menschen können alle paar Jah-